(1) (220.) Patent vom ersten November 1786.

In der Absicht, ein gleichförmig, allgemeines bürgerliches Recht in unsern gesammten deutschen Erbländern einzuführen, wird der zustandgebrachte erste Theil dieses bürgerlichen allgemeinen Gesezbuches mit der Anordnung kund gemacht, daß dasselbe vom ersten Jenner 1787. in allen darin behandelten Gegenständen die alleinige Richtschnur der Handlungen unserer Unterthanen sei, nach diesem Geseze allein, in allen Fällen, die sich vom ersten Jenner 1787. ereignen, Recht gesucht, vertheidiget, und gesprochen werde.

(2) Demnach werden in Ansehen der in diesem Theile des Gesezbuches enthaltenen Gegenstände alle sowohl vaterländische, als angenommene fremde Geseze für die künftigen Fäll von nun an aufgehoben, und für unwirksam erkläret, auch wird hiemit untersagt, sich hierauf auf welch immer für eine Art zu berufen.

Zugleich werden Richter und Unterthanen an den wahren und allgemeinen Verstand der Worte dieses Gesezes angewiesen, und sollen sie unter keinem ersinnlichen Vorwande von der Vorschrift desselben abweichen. Nur wenn dem Richter ein Fall, der in dem Geseze nicht bestimmet wäre, oder ein gegründeter Zweifel über den Verstand

(3) des Gesezes auffiel, soll die höchste Entschliessung durch die vorgesezte Behörde eingeholet werden.

Das mit diesem sub Nro. 220. vorstehenden Patente kundgemachtes allgemeines bürgerliches Gesetzbuch.

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(5) Erstes Hauptstück.

Von den Gesezen.

§. 1. Jeder Unterthan erwartet von dem Landesfürsten Sicherheit und Schutz. Es ist also die Pflicht des Landesfürsten, die Rechte der Unterthanen deutlich zu bestimmen, und ihre Handlungen so zu leiten, wie es der allgemeine und besondere Wohlstand fodert (!).

§. 2. Von der dem Landesfürsten eigenen obersten Gewalt entspringt die Verbindlichkeit

(6) aller in dem ordentlichen Wege kundgemachten Geseze. Die Kundmachung der Geseze aber soll in jedem Lande auf eine solche Art geschehen, damit das Gesez schleunig zu jedermanns Wissenschaft gelange.

§. 3. Von dem Zeitpunkte der geschehenen Kundmachung ist jedermann verpflichtet, sich nach den Gesezen zu richten: die Handlungen erhalten von denselben entweder ihre Gültigkeit oder Ungültigkeit, und die auf die Uibertrettung verhängten Strafen werden verwirket, ohne daß Nichtkenntniß, oder ein Rechtsirrthum jemanden zu statten kommen,

(7) und von der verwirkten Strafe entheben, oder daß unter dem Vorwande des Nichtkenntnisses eine gesezwidrige Handlung zu Kräften gelangen könne. Dem Landesfürsten bleibt jedoch vorbehalten, bei besonderen Umständen jemanden, der durch Nichtkenntniß, oder Rechtsirrthum an seinem Rechte oder Vermögen Nachtheil litte, eine außerordentliche Rechtshilfe angedeihen zu lassen.

§. 4. Jeder, der sich in dem Gebiete aufhält, für welches ein Gesez gegeben ist, er sei Eingebohrner oder Fremder, ist zu dessen Befolgung verbunden.

(8) Auch diejenigen, die sich außer den Gränzen dieser Staaten befinden, sind schuldig, sich nach den innländischen Gesezen zu richten, wenn sie in diesen Ländern Recht suchen, oder nehmen.

§. 5. Wenn hingegen Unterthanen dieser Staaten im fremden Gebiete sich aufhalten, haben die nach den dortigen Gesezen geschlossenen Verträge oder Handlungen auch in diesen Ländern eine rechtliche Wirkung, in so ferne dieselben nur eine persönliche Verbindlichkeit oder bewegliche Sachen betreffen, und in so weit solche Handlungen vermög inländischer

(9) Geseze nicht an sich selbst ungültig, oder die Unterthanen dieser Staaten dazu unfähig sind. Ein hierländiges unbewegliches Gut aber eigenthümlich zu übertragen, oder darauf ein Recht zu gründen, kann nicht anders als auf die durch die innländischen Geseze vorgeschriebene Art geschehen. Auch bleiben hiesige Unterthanen den Befehlen des Landesfürsten und den hierlandes in Ansehung ihrer ergehenden Rechtssprüchen, wo sie sich immer befinden mögen, unterworfen.

(10) §. 6. Wenn bei einer Handlung die vorgeschriebene wesentliche Feierlichkeit unterlassen, oder wenn die gesezwidrige Handlung im Geseze selbst ausdrücklich vernichtet wird, so entstehet keine Verbindlichkeit darus (!), und kann durch dieselbe kein Recht erworben werden.

§. 7. Das Gesez verbindet nur für künftige Handlungen, nicht für vergangene Fälle, ausser wenn durch das spätere Gesez kein neues Recht eingeführt, sondern, nur das frühere Gesez erläutert wird. Handlungen, woraus von Zeit

(11) zu Zeit neue Verbindlichkeiten erwachsen, wenn sie gleich dem Geseze vorhergegangen, unterliegen dennoch in Ansehung dieser Ve(r)bindlichkeiten den jedesmal bestehenden Gesezen.

§. 8. Wie die allgemeinen Geseze, also haben auch Satzungen und Anordnungen, welche nur auf ein besonderes Land, oder eine eigene Ortschaft gerichtet sind, vollkommene Verbindlichkeit, und dieses nicht nur, wenn solche besondere Geseze unmittelbar von dem Landesfürsten erlassen, oder ausdrücklich von ihm bestättiget sind, sondern auch, wo in Ermanglung von beiden dennoch

(12) die besondere landesfürstliche Verwilligung vorhanden ist, daß die untergeordneten Obrigkeiten, Gerichte, Gemeinden, Vorsteher und Mittel dergleichen Satzungen und Anordnungen nach Erforderniß des Amtes, und zu Erhaltung guter Ordnung machen mögen, deren Einsicht, Aenderung und Aufhebung dem Landesfürsten aber zu allen Zeiten vorbehalten bleibt. Ohne solche besondere Verwilligung können die von einer Gemeinde getroffenen Schlüsse und Verabredungen nicht als Satzungen, sondern bloß als freiwillige Verträge angesehen werden.

(13) §. 9. Gegen die Geseze, diejenigen sowohl, die bereits erlassen worden, als auch die in Zukunft noch erlassen werden, soll keine Gewohnheit bestehen, und Kraft haben, sie möge gleich in allen Erbländern allgemein oder im einzelnen Orte eingeführet seyn. Und werden hiemit alle vor diesem Gesez schon bestehenden Gewohnheiten gänzlich aufgehoben, und ausser Kraft gesezt, auch diejenigen, welche in der Zukunft jemals einzuführen versucht werden sollten, wirkungslos, und als strafbahres Beginnen erkläret.

(14) §. 10. Auch in denjenigen Fällen, worüber in den Gesezen nichts verordnet ist, ist keine Gewohnheit zulässig, noch von einer verbindenden Kraft. Soll in dergleichen Fällen eine allgemeine und gewisse Anordnung für nothwendig, oder doch ersprießlich gehalten werden, ist dieselbe bei dem Landesfürsten zu suchen.

§. 11. Auf eine Gewohnheit kann nur dann gesehen werden, wenn ein Gesez zwar die Hauptsache entscheidet, in Betreff der Umstände aber dabei sich auf den Landesgebrauch, und die bisherige

(15) Beobachtung bezieht. In diesen Fällen soll für Recht gehalten werden, was in einem oder mehreren Ländern entweder von allen, oder doch von dem größten Theile freiwillig, öffentlich und durch längere Zeit beobachtet worden.

§. 12. Wenn jedoch eine solche Gewohnheit verbindlich sein soll, muß die Gleichförmigkeit derselben wenigstens dreimal freiwillig und wissentlich von Allen, oder von dem größern Theile beobachtet, von der Ausübung wenigstens eine Zeit von 10 Jahren verflossen, und solche während dieser Zeit von Niemanden widersprochen, noch dagegen sonst etwas Widriges sein vorgenommen worden.

(16) §. 13. Uiber Sachen oder Handlungen, die jedermanns freier Willkühr überlassen sind, findet keine verbindliche Gewohnheit Platz. Auch kann aus gleichförmigen in gleichen Fällen ergangenen Rechtssprüchen für die künftigen Handlungen keine Gewohnheit erwachsen.

§. 14. In so weit Gewohnheiten eingeführt werden können, werden sie durch spätere Gewohnheiten auch wider aufgehoben. Aber da solche Gewohnheiten ihre ganze Wessenheit (!) und Verbindlichkeit nur von der gesezgebenden Gewalt,

(17) und der stillschweigenden Bewilligung des Landesfürsten erhalten, so bleibt es diesem auch stets vorbehalten, Gewohnheiten nach Erfoderniß (!) der Umstände zu beschränken und aufzuheben.

§. 15. Den von dem Landesfürsten verliehene(n) besonderen Begünstigungen, Gnaden, und Freiheiten soll von niemanden entgegen gehandelt, noch dem Begnädigten im Genuße der ihm verliehenen Freiheiten ein Hinderniß gelegt werden.

(18) §. 16. Alle von dem Landesfürsten ertheilten Begünstigungen enthalten das Bedingniß in sich, wenn sich die Sache angebrachtermassen verhält.

Wenn sich daher nach der Hand zeigte, daß Begünstigungen durch unwahrhaftes Anbringen, Verschweigung der Wahrheit, oder arglistigerweise erschlichen worden, soll der Fall dem Landesfürsten jedesmal zur Abänderung der Entschliessung angezeigt werden.

§. 17. Zwischen zwei gleich begünstigten Personen, die in dem Genuße ihrer

(19) Befreiung zusammentreffen, und einander hinderlich fallen, gebührt dem, welcher ohne die Befreiung einen wesentlichen Schaden leiden würde, der Vorzug vor dem andern, dem der Genuß seiner Begünstigung nur Gewin (!) brächte. Wo aber bei beiden gleich entweder um Abwendung eines Schadens, oder um blossem (!) Gewinn zu thun wäre, ist die Befreiung überwiegender, welcher bei der Verleihung in Zusammentreffung mit andern der Vorzug nammentlich zugestanden worden. Bei allen andern Begünstigungen ist die ältere der später verliehenen vorzuziehen, wenn nicht die erstere durch die leztere ausdrücklich aufgehoben wird.

(20) §. 18. Die Dauer einer Befreiung hängt von der Meinung ab, welche bei Verleihung derse(l)ben geäussert worden. So erlöschen persönliche Begünstigungen, wenn die Personen sterben, oder wenn die Eigenschaft, unter welcher die Befreiung gegeben worden, verändert wird. Sächliche Befreiungen hören auf, wenn die Gemeinde, der sie ertheilt sind, gänzlich aufgelöset, das Amt, die Würde, mit der sie verknüpft sind, nicht mehr ersezet wird, oder die Sache, worauf sie haften, solchergestalten zu Grunde geht, daß zu Wiederherstellung keine Hofnung vorhanden ist.

(21) §. 19. Der erhaltenen Befreiungen kann jedermann durch ausdrücklichen Verzicht oder stillschweigend durch den Nichtgebrauch sich begeben, es wäre dann der, welchem die freie Schaltung mit seinem Vermögen mangelt, oder wenn die Begebung zum Nachtheil einer gesammten Gemeinde, oder eines Dritten gereichte, oder auch wenn die Befreiung mehr zum gemeinen Besten, und zur Aufrechthaltung eines Standes oder Würde, als zum Vortheile der Person verliehen worden.

(22) §. 20. Wenn die Begünstigung in einer blos willkührlichen, niemanden nachtheiligen Ausübung besteht, so zieht der Nichtgebrauch deren Verlust nicht nach sich. Sonst aber werden Begünstigungen ganz, oder zum Theile, nachdem ganz, oder zum Theile davon nicht Gebrauch gemacht worden, auf folgende Art verlohren: Wenn die Begünstigung in einem Befugnisse, von andern etwas zu fodern (!), oder mit ihrer Beschwerde ein Recht auszuüben, besteht, erlischt dieselbe durch die vorgeschriebene Verjährungszeit, wofern während dieser Zeit der Gebrauch thunlich gewesen. Hingegen wenn der Begünstigte von einer

(23) gemeinen Beschwerde enthoben war, hört diese Befreiung sogleich auf, wenn derselbe sich der ihm erlassenen Beschwerde dreimal freiwillig, wissentlich, und ohne Vorbehalt unterzogen hat.

§. 21. Uibrigens muß es stets von dem Landesfürsten abhängen, sowohl eine bloße Gnadenverleihung willkührlich zu wiederrufen, als auch jede andere nach Befinden aufzuheben, wenn davon ein widriger Gebrauch oder Mißbrauch gemacht, oder solche durch Veränderung der Umstände unbillig, mit denselben unverträglich, vielleicht gemeinschädlich würde.

(24) §. 22. Wenn bei Verleihung einer Freiheit ausdrücklich vorgesehen ist, daß deren Bestättigung von Zeit zu Zeit angesucht werden soll, oder wenn bei jeweiliger Veränderung der Landesregierung wegen Bestättigung der Befreiungen ein allgemeines Gebot ergeht, erlischt die Befreiung gänzlich, wofern in der anberaumten Frist die Bestättigung nicht gesucht wird.

§. 23. Eine erhaltene Bestättigung giebt, wenn die Befreiung bereits erloschen ist, kein neues Recht, sondern bestärket blos dasjenige, welches aus der ersten Befreiung gebühret, und nur in dem

(25) Masse (!), als der Befreite sich in dem Besitze befindet, und dieser Besitz weder den landesfürstlichen, noch eines andern Gerechtsamen zuwieder ist: es wäre dann in der Bestättigung ein Mehreres besonders ausgedrückt, oder einer schon erloschenen Befreiung ihre vorige Kraft von neuem nammentlich beigelegt.

§. 24. Diese erlassenen Geseze sind stets nach dem eigenen, und allgemeinen Verstande der Worte zu nehmen. Niemand ist berechtiget, sich einer rechtskräftigen Auslegung anzumassen, noch unter dem Vorwande eines Unterschieds zwischen den Worten und dem Sinne

(26) der Gesez solche zu erweitern, oder einzuschränken. Auch soll kein Richter unter Vorschützung einer von der Strenge der Rechte unterschiedenen Billigkeit von der klaren Vorschrift der Geseze abgehen. In denjenigen Fällen aber, wo der Richter durch die Geseze selbst angewiesen wird, auf Person, Zeit, Ort und andere Umstände zu sehen, liegt ihm ob, alle diese bei der Handlung unterlaufende Umstände nach der natürlichen Billigkeit zu beurtheilen.

§. 25. Auch sonst Jedermann, besonders Partheien bei Rechtsstreitigkeiten, und ihre Rechtsfreunde haben sich aller gekünstelten

(27) Auslegung der Geseze, aller Ausdeutung, Erweiterung, oder Beschränkung derselben durch Gewohnheiten zu enthalten. Nicht nur daß auf Wendungen dieser Art keine Rücksicht zu nehmen ist: sondern wenn gefliesentliche (!) Wortverdrehung, oder Arglist wahrgenommen würde, oder wenn wider die klare Vorschrift der Geseze eine widrige Gewohnheit angeführet würde, soll gegen den Aufführenden nach richterlichem Ermessen noch mit scharfer Strafe vorgegangen werden.

§. 26. Wenn dem Richter ein Zweifel vorfiele: ob ein vorkommender Fall in dem Geseze begriffen sei, oder nicht?

(28) wenn ihm das Gesez dunkel schiene, oder falls besondere, und sehr erhebliche Bedenken der Beobachtung desselben entgegen stünden, soll die Belehrung allzeit von dem Landesfürsten gesuchet werden. Aber wenn ein Fall zwar nicht wörtlich in dem Geseze ausgedrückt, jedoch in den Umständen, und der ganzen Beschaffenheit der Sache mit einem andern ausdrücklich entschiedenen Falle vollkommen gleich wäre, so ist zwar dem Richter, den unentschiedenen Fall nach dem entschiedenen zu beurtheilen gestattet; doch soll ein solcher Fall jedesmal dem Landesfürsten angezeiget werden.

(29) §. 27. Die von dem Landesfürsten ertheilten besonderen Begünstigungen sind ebenfalls nach den buchstäblichen Innhalt zu nehmen, und wenn sich über eigentlichen Sinn erhebliche Anstände äußerten, ist der Fall dem Landesfürsten zur Entscheidung vorzulegen. Ausser solchen erheblichen Anständen ist in Ansehen der Begünstigungen überhaupt die Richtschnur: jede Befreiung ist auf das genaueste auszudeuten, folglich im Zweifel eine zur Beschwerde eines andern gereichende Befreiung mehr für persönlich und zeitlich als immerwährend zu achten. Und wo es auf eine Enthebung von den Gesezen, oder auf den

(30) Abbruch des von einem Dritten bereits erworbenen Rechts ankömmt, da soll darauf gesehen werden, daß von den Gesezen so wenig, als es mit der Wirkung der Befreiung geschehen kann, abgegangen, und dem Dritten, so wenig als möglich geschadet werde.

Zweites Hauptstück.

Von den Rechten der Unterthanen überhaupt.

§. 1. Unter dem Schutze, und nach der Leitung der Landesgeseze geniessen alle Unterthanen ohne Ausnahme die vollkommene Freiheit.

(31) §. 2. Unterthanen, die von dem Feinde angefangen werden, bleiben ihre Rechte und Gerechtsamme bis zu ihrer Rückkehr unvermindert, sowohl die, welche sie bereits gehabt, als die ihnen während der Gefangenschaft anfallen. Wäre aber auf eine oder andere Art etwas zu deren Beeinträchtigung geschehen, so soll wenn ihnen sonst nichts im Weege steht, ihnen die erfoderliche Rechtshilfe verschaffet werden. Auch was sie während der Gefangenschaft mit ihrem Eigenthum geordnet haben, hat vollen Bestand; wofern nur ihr freier und ungezwungener Wille genugsam erweislich ist, und sie ausser der Gefangenschaft zu einer solchen Anordnung fähig gewesen wären.

(32) §. 3. Alle, die in den Erbländern unter der landesfürstlichen Gewalt vereiniget leben, sind für Inländer und Unterthanen zu halten, und geniessen ohne Unterschied die Unterthanen und Inländern allgemein gebührenden Rechte. Fremde geniessen bei einer Durchreise, oder sonst bei ihrem Aufenthalte in den Erbländern den gemeinen Landesschutz, sind aber für keine Unterthanen zu achten.

§. 4. Alle Unterthanen in den Erbländern sind Erbsfähig, auch zu Erwerbung beweglicher und unbeweglicher Güter

(33) befugt. Daher können sie nicht nur in den Ländern, wo sie vermög der Landesfassung (!) landesfähig sind, sondern auch in andern Ländern, wo sie diese Fähigkeit noch nicht haben, wofern sie anders nicht durch die Landesverfassung ausgeschlossen sind, sowohl durch lebzeitige als leztwillige Handlungen landschäftliche Güter, Gülten und Rechte an sich bringen, auch zu dem landtäflichen Besitze derselben gelangen, und alle Rechte des Besitzes ausüben, ohne daß sie von einem Landmanne dieses Landes durch Anmeldung des Einstandrechts aus dem Besitze verdrungen werden mögen. Das Einstandsrecht wird hiermit ganz aufgehoben.

(34) §. 5. Doch ist niemand befugt, schon wegen dieses Besitzes, auch auf die Landmannschaft und die davon abhängenden Gerechtsame selbst Anspruch zu machen, so lange er nicht auf die vorgeschriebene Art die Eigenschaft eines Landmanns erworben hat.

§. 6. Was bei Landschäftlichen Gütern und Rechten vorgeschrieben wird, ist auch von bürgerlichen Gründen, und den darauf haftenden Rechten zu verstehen. Und wird bei bürgerlichen Gründen das bürgerliche Einstandsrecht ebenfalls gänzlich aufgehoben.

(35) §. 7. Auch Fremde können nicht nur bewegliche Guter, sondern, wenn sonst kein Hinderniß entgegen steht, auch landschäftliche, und bürgerliche Guter, Herrlichkeiten und Rechte an sich bringen. Jedoch nur auf rechtmäßige Art, und offenbar, keineswegs aber durch Scheinhandlungen, oder heimliches Einverständniß. Auch sind Fremde in Betreff der landschäftlichen, und bürgerlichen Güter, Herrlichkeiten, und Rechte so lang des Eigenthums und rechtlichen Besitzes unfähig, bis sie die Eigenschaft eines Inländers, und Unterthans angenommen, und in diesen Staaten ihren Wohnsitz genommen haben.

(36) §. 8. Gegen Fremde, denen in einem der Erbländer eine Erbschaft zufällt, soll das nämliche Recht gelten, welches gegen die Inwohner dieses Erblandes in ihrem Vaterlande geltend ist. Wenn in einer solchen Verlassenschaft, zu deren Erbschaft ein Fremder gelangen soll, landschäftliche oder bürgerliche Güter begriffen sind, so hat dasjenige Anwendung, was im vorigen §. festgesezet worden.

§. 9. Fremde können also um so mehr anderes unbewegliches Eigenthum, welches die Eigenschaft eines bürgerlichen

(37) oder landschäftl. Gutes nicht an sich hat, durch lebzeitige Handlungen erwerben, und durch die Erbfolge an sich bringen. In beiden Fällen aber sind sie verpflichtet, den festgesezten Grundrechten Genüge zu leisten. Widrigens die Grundobrigkeit befugt ist, sich ihres in der Landesverfassung gegründeten Rechts zu gebrauchen.

Drittes Hauptstück.

Von den Rechten zwischen Eheleuten.

§. 1. Eheversprechen, wodurch sich eine Manns- und Weibsperson die Ehe vorhinein zusagen, haben keine rechtliche Verbindlichkeit. Wenn daher ein

(38) Eheversprechen gleichwohl eingegangen wird, dasselbe möge auf was immer für eine Art gefasset, mit was immer für Feierlichkeiten versehen sein, soll es weder eine Verbindlichkeit zur künftigen Ehe nach sich ziehen, noch sonst, eine rechtliche Wirkung haben.

§. 2. Um so minder soll eine nach vorhergegangenem Eheversprechen geschehene Schwächung oder Schwängerung eine Verbindlichkeit zur künftigen Ehe gründen; eine solche Schwächung oder Schwängerung soll nicht anders angesehen werden, als wenn solche ohne vorheriges Eheversprechen geschehen ist.

(39) §. 3. Die Ehe an sich, als bürgerlicher Vertrag betrachtet, und die daraus fliessenden wechselseitigen bürgerlichen Gerechtsame und Verbindlichkeiten erhalten ihre Wesenheit, Kraft und Bestimmung ganz und einzig von den landesfürstlichen Gesezen. Die Entscheidung der hierüber entstehenden Streitigkeiten gehöret also für die landefürstlichen Gerichtsstellen.

§. 4. Jedermann ist befugt, einen Ehevertrag einzugehen, der durch folgende Anordnung dazu nicht unfähig erkläret wird.

(40) §. 5. Erstens: Sind zu Schliessung eines Ehevertrags nicht fähig, minderjährige, wenn sie ihres eheleiblichen Vaters oder in dessen Abgang des Großvaters väterlicher Seite Einwilligung darüber nicht eingehollet haben.

§. 6. Wenn jedoch Vater oder Großvater ihre Einwilligung versagen, ist den Kindern, oder dem Theile, mit welchem die Ehe nicht zugelassen werden will, wie auch seinem Vater oder Vormunde sich an die Gerichtsbehörde zu wenden gestattet.

(41) §. 7. Findet die Behörde, nachdem der Vater oder Großvater vernommen worden, die Ursache der verweigerten Einwilligung erheblich, so hat auch dieselbe das Gesuch auf eine den Umständen angemessene Art abzuschlagen. Können die Aeltern keine wichtige Ursache ihrer Weigerung anführen, so soll die Behörde versuchen, sie zur gütlichen Einwilligung zu vermögen: fällt der Versuch fruchtlos aus, so hat das Gericht die Einwilligung von Amtswegen zu ertheilen. Eine auf gerichtliche Bewilligung geschlossene Ehe hat nicht nur vollkommene Gültigkeit, sondern soll auch den Kindern an ihren Rechten zu keinem Nachtheile gereichen.

(42) §. 8. Wenn minderjährige, ohne Einwilligung des Vaters oder Großvaters, oder wider deren ausdrückliches Verbot, ohne die Gerichtsbewilligung angesuchet zu haben, oder gar nach einer gerichtlichen Abweisung eine Ehe schliessen, ist dieselbe ganz ungültig, und ohne alle Wirkung.

§. 9. Wofern der Vater oder Großvater väterlicher Seite zwar am Leben sind, aber das Gericht dieselben von der Vormundschaft entweder, weil sie darauf Verzicht gethan, oder wegen eines

(43) wider sie streitenden Bedenkens auszuschliessen, mithin einen andern Vormund zu bestellen befunden hat, ist nebst der Einwilligung des Vaters oder Großvaters auch die Einwilligung des Vormunds einzuhollen. Sind diese in ihrer Meinung unterschieden, hat das Gericht zu entscheiden.

§. 10. Zweitens: Wo Vater und Großvater väterlicher Seite gestorben sind, können Minderjährige dennoch ohne Einwilligung derjenigen, unter deren Obsorge sie stehen, sich nicht verehelichen. In einem solchen Falle aber ist die Einwilligung des Vormunds allein nicht

(44) genug, sondern muß auch die gerichtliche Genehmhaltung angesucht werden.

§. 11. Wollte ein Vormund weder selbst einwilligen, noch die Vormundschaftsbehörde angehen, so steht nach §. 6. dem Minderjährigen selbst, oder andern in seinem Namen frei, sich an die Behörde zu wenden, welche nach Vernehmung des Vormunds vorzukehren hat, was sie der Billigkeit gemäß findet.

§. 12. Die Heurath großjähriger Kinder, wenn sie gleich ohne, oder wider die

(45) Einwilligung des Vaters oder Großvaters geschlossen worden, ist gültig. Wofern aber die Ursache der von dem Vater oder Großvater geschehenen Weigerung so beschaffen ist, daß sie vom Gerichte für gründlich anerkennet wird, sollen die Aeltern nicht nur aller Ausstattung oder Versorgung, wie sie immer beschaffen sein mag, gänzlich entbunden, sondern auch befugt sein, so weit sie nicht etwann nachher die Heurath begnehmiget haben, ein solches ungehorsames Kind zu enterben.

§. 13. Bei einer solchen Heurath, sie möge gültig oder ungültig sein, sollen nach

(46) Beschaffenheit der Umstände diejenigen ohne Unterschied bestraffet werden, die dazu verführet, die aus Arglist oder Gewinnsucht sich dabei zur Unterhandlung gebrauchen lassen, oder dazu Anlaß, Gelegenheit, Vorschub gegeben haben.

§. 14. Drittens: Ehen zwischen einem Unterthan dieser Staaten von christlicher Religion, und einem andern, der der christlichen Religion nicht zugethan ist, sind nichtig und ungültig.

§. 15. Viertens: Ein Mann, der bereits mit einem Weibe, oder eine Weibsperson,

(47) die bereits mit einem Manne verheurathet ist, sind, so lang diese Ehe besteht, nicht befugt, eine zweite Ehe einzugehen. Wird eine solche zweite Ehe dennoch geschlossen, ist sie ungiltig.

§. 16. Wenn daher verehlicht gewesene Personen zur neuen Ehe schreiten wollen, sollen dieselben, wofern der Tod des ersten Ehegatten an dem Orte, wo sie sich wieder verehelichen wollen, nicht allgemein kündig ist, nicht eher zur zweiten Heurath gelassen werden, bis sie den Tod des vorigen Ehegatten auf eine im Recht zureichende Art bewiesen haben.

(48) §. 17. Fünftens: Blutsverwandte sind sich untereinander zu verehelichen unfähig. In der auf und absteigender (!) Linie ist diese Unfähigkeit immerwährend. Unter Seitenverwandten aber soll sie sich nicht weiter erstrecken, als auf die Heurath zwischen Bruder und Schwester, dann zwischen Bruder und seines Bruders oder seiner Schwester Tochter, wie auch zwischen Schwester und ihres Bruders oder ihrer Schwester Sohn, und auf die Heurath zwischen Geschwisterkindern.

§. 18. Diese Unfähigkeit zur Ehe zwischen Seitenverwandten bestehet ohne Unterschied,

(49) nicht nur wenn die Brüder und Schwestern von einem Vater und von einer Mutter abstammen, sondern auch wenn sie blos den Vater oder blos die Mutter gemeinschaftlich haben. Uiberhaupt jede Verwandschaft, sowohl, welche aus ehelicher, als die, welche aus unehelicher Erzeugung ihren Ursprung hat, wird in der angeführten Art ein Hinderniß der Ehe.

§. 19. Sechstens: Auch die Schwägerschaft macht zwischen dem Manne und den Verwandten seines Weibes, dann zwischen dem Weibe und den Verwandten ihres Mannes die Ehe ungültig.

(50) Der Mann nämlich kann die im §. 17 und 18. erwähnten Verwandten seines Weibs, und das Weib die daselbst erwähnten Verwandten ihres Manns nicht ehelichen.

§. 20. Wofern jedoch in irgend einem besondern Falle sehr wichtige Ursachen vorhanden wären, welche eine Ehe zwischen Personen, deren Verwandschaft oder Schwägerschaft die Verbindung hindert, räthlich machten, muß der Fall allzeit dem Landesfürsten angezeiget, und seiner darüber ergehenden Anordnung nachgelebt werden.

(51) §. 21. Siebentens: Wer eine Weibsperson gewaltthätiger weiße entführet, kann mit derselben eine gültige Ehe nicht schliessen. Wenn jedoch die Weibsperson, nachdem sie sich wieder außer Gewalt des Entführers befindet, denselben zu heurathen einwilliget, steht der Gültigkeit dieser Ehe nichts im Wege.

§. 22. Achtens: Ebenfalls werden ein Ehebrecher und eine Ehebrecherinn für unfähig erkläret, miteinander eine gültige Ehe zu schliessen, wofern der begangene Ehebruch, vor der zwischen

(52) denselben geschlossenen Ehe, gerichtlich erwiesen worden.

§. 23. Neuntens: Sollen auch diejenigen miteinander eine gültige Ehe einzugehen unfähig sein, die den ihrer Heurath im Wege stehenden Ehegatten des einen Theils ermordet haben; die Ermordung mag von ihnen selbst oder auf ihre Veranlassung von einem andern vollbracht, und entweder mit beiderseitiger Einwilligung, oder auch nur von einem Theile, ohne Willen und Wissen des andern Theils verübet worden seyn.

(53) §. 24. Zehntens: Militärpersonen sind ohne schriftliche Erlaubnis von ihren Regimentern, Korps, oder sonst von ihrer vorgesezten Obrigkeit sich zu verehelichen nicht fähig. Nicht nur, daß eine wider dieses Verbot eingegangene Ehe für sich ungültig und nichtig ist, sondern es werden auch die Partheien, welche sich geehlichet, und der Pfarrer, Pastor, oder Pope, welche Militärpersonen ohne die vorgeschriebene Erlaubniß getrauet haben würden, nach Beschaffenheit der Umstände bestrafet werden.

§. 25. In Ansehen der in der katholischen Kirche mit dem Stande der Geistlichkeit

(54) und den abgelegten Ordensgelübden verbundenen Unfähigkeit zur Ehe bleibt das bisher Bestehende unabgeändert.

§. 26. Der Ehevertrag (Kontrakt) selbst wird geschlossen, wenn eine Manns- und eine Weibsperson einwilligen, miteinander in eine unzertrennliche Gemeinschaft zu tretten, um Kinder zu erzeugen, und der mit diesem Stande verbundenen Rechte zu geniessen.

§. 27. Die Einwilligung in die Ehe muß klar und deutlich ausgedrücket, und im allgemeinen von den Partheien selbst

(55) gegeben werden. Zwar ist die Ehe auch durch einen Bevollmächtigten zu schliessen erlaubt; allein eine solche Ehe ist nur dann vollgültig, wann die Vollmacht auf die Heurath einer bestimmten Person gerichtet ist, und wann diese Vollmacht zur Zeit, da der Bevollmächtigte die Ehe schließt, nicht bereits widerrufen worden.

§. 28. Alles, was die Einwilligung verhindert, verhindert auch die Gültigkeit des Ehevertrags. Daher können diejenigen, die ihrer Vernunft beraubet sind, wenn sie nicht heitere Zwischenstunden haben, in welchen sie die Rechte und

(56) Verbindlichkeiten des Ehestands einsehen, keine gültige Ehe schliessen. Tauben und Stumen hingegen, die ihre Einwilligung durch Zeichen ausdrücken können, stehet zur Schliessung der Ehe nichts im Wege.

§. 29. Ungültig ist der Vertrag der Ehe, wenn in der Person, mit welcher die Ehe geschlossen worden, ein Irrthum vorgeht. Ein in Nebensachen, oder in den Eigenschaften der Person vorgegangener Irrthum aber hindert die Gültigkeit des Ehevertrags nicht, es sei denn, daß die Eigenschaft die ganze Wesenheit der Person verändere, und daß

(57) von der einen Seite die zur Ehe gegebene Einwilligung darauf ausdrücklich beschränket, von der andern Seite aber diese Eigenschaft betrüglicherweise vorgegeben worden.

§. 30. Das Ehehinderniß wird hiemit auch auf den Fall erweitert, da eine Weibsperson zur Zeit der eingegangenen Eheverbindung von einem Dritten wirklich schwanger ist, dieser Umstand ihrem künftigen Ehemanne nicht bekannt war, und dieser, sobald er von der vorgängigen Schwangerschaft Beweise gehabt, bei Behörde die Anzeige macht, auch vorher keine Wissenschaft davon gehabt zu haben, darthun kann.

(58) §. 31. Der Gültigkeit der Ehe steht weiters entgegen, wenn die Einwilligung durch Furcht und Gewalt erzwungen worden; wofern nämlich die Furcht zu dem Ende, um die Einwilligung zur Ehe dadurch zu erzwingen, eingejagt, auch so beschaffen war, daß eine Person, wie die, welche diese Furcht anführt, derselben nicht hat widerstehen können.

§. 32. Das Befugniß, eine aus Irrthume, oder Furcht eingegangene Ehe als ungültig anzufechten, hat nur der Theil, der in den Irrthum versetzet, oder dem

(59) die Furcht eingejagt worden, keineswegs aber, der andere, bei dem weder Irrthum, noch Zwang vorhanden war. Selbst der erstere soll mit keiner Klage wider die geschlossene Ehe weiter gehöret werden, wenn nach entdektem (!) Irrthume, oder vorübergegangener Furcht er seine Einwilligung entweder ausdrücklich, oder durch freiwillig fortgesezte eheliche Beiwohnung erneuert hat.

§. 33. Indessen wird hiermit erkläret: daß nicht jede obgleich deutlich ausgedrückte Einwilligung zur Schliessung der Ehe für hinlänglich anzuerkennen ist. Zur Wessenheit (!) des Ehevertrags, und als

(60) ein zu dessen Gültigkeit unumgängliches Bedingniß wird vorgeschrieben, daß die beiderseitige Einwilligung zur Ehe in gegenwart (!) des Pfarrers, Pastors, Popen oder Rabiner, in dessen Pfarre oder Sprengel die Brautleute wohnhaft sind, und in Beisein von zween Zeugen ausgedrückt werde. Doch ist dem Pfarrer, Pastor, Popen oder Rabiner das Befugniß eingeräumt, daß sie statt ihrer auch jemanden andern, um in ihrem Namen bei Schliessung der Ehe gegenwärtig zu sein, bestellen mögen.

§. 34. Wo Bräutigam und Braut unter verschiedene Pfarrbezirke gehören, ist es

(61) genug, wenn die eheliche Einwilligung entweder vor dem Pfarrer, Pastor, Popen oder Rabiner des Bräutigams, oder vor dem Pfarrer, Pastor, Popen oder Rabiner der Braut erkläret wird.

§. 35. Jede Ehe, bevor sie geschlossen wird, soll in der Pfarrkirche der Brautleute an einem Sonntage oder gebotenen Feuertage zur Zeit der Predigt, oder wenn sich sonst das Volk in größerer Menge versammelt, öffentlich aufgeboten (verkündiget), bei diesem Aufgebote (Verkünden) beide Brautleute mit Tauf- und Geschlechtsnamen, Geburtsorte und Stande deutlich bezeichnet,

(62) und das Aufgebot noch an zween folgenden Sonn- oder Feiertägen wiederholet werden; damit jedermann hinlänglich Zeit habe, ein ihm etwa bekanntes Hinderniß gehörig zu entdecken.

§. 36. Gehören die Brautleute unter verschiedene Pfarrbezirke, so soll das dreimalige Aufgebot in der Pfarre von beiden geschehen: und hätte eines der Brautleute sich in seiner dermaligen Pfarre noch nicht durch sechs Wochen aufgehalten, so soll das Aufgebot auch noch in derjenigen Pfarre geschehen, unter welche es vorher gehöret hat.

(63) §. 37. In ausserordentlichen Fällen oder wo Gefahr auf den Verzuge haftet, ist den Partheien gestattet, um Nachsicht des dreimaligen Aufgebots anzulangen. Um diese Nachsicht haben sie sich an ihre weltliche Behörde zu wenden, welcher das Befugniß eingeräumt ist, in solchen Fällen die angesuchte Nachsehung zu ertheilen.

§. 38. In allen Fällen, wo das Aufgebot in mehr als einer Pfarre zu geschehen hat, hat der Pfarrer, Pastor, Pope oder Rabiner, in dessen Gegenwart die Ehe geschlossen werden soll, sich das Zeugniß

(64) des auch in der andern Pfarre geschehenen Aufgebots geben zu lassen. Ohne Aufgebot soll kein Pfarrer, Pastor, Pope oder Rabiner unter schwerer Strafe eine Parthei trauen (kopuliren; oder zusammgeben) wenn ihm nicht die von der weltlichen Behörde erhaltene diesfällige Nachsehung, oder im Falle es eine Militärperson ist, die von ihrem Regimente, Korps oder vorgesezten Obrigkeit ertheilte Erlaubniß schriftlich vorgezeiget worden. Eine ohne das vorgeschriebene dreimalige Aufgebot, oder ohne eine über das Aufgebot erhaltene Nachsehung, oder endlich ohne gesezmässige Erlaubniß geschlossene Ehe ist gänzlich ungültig und nichtig.

(65) §. 39. Jeder Pfarrer, Pastor, Pope oder Rabiner ist schuldig, alle in seiner Pfarre geschlossenen Ehen mit deutlicher Benennung der Eheleute, wie auch der dabei gegenwärtigen Zeugen, dann mit Benennung des Orts, wo die Ehe geschlossen worden, und ob selbe vor ihm selbst, oder vor einem andern in seinem Namen, und vor wem sie geschlossen worden, in die zu diesem Ende bestimmten Trauungsbücher eigenhändig einzutragen, damit jeder über die Ehe, und Zeit, wann sie geschlossen worden, entstehende Zweifel daraus vollständig gehoben werden könne.

(66) §. 40. Jemand, der auf erlaubte Art zur Unterhandlung einer Ehe gebraucht wird, kann, wenn ihm dieses Geschäft eigends aufgetragen worden, seine Schadloshaltung ansuchen; ausser dem aber soll weder vor, noch nach erfolgter Heurath etwas für die Unterhandlung gefodert werden. Ist dem Unterhändler etwas versprochen oder gegeben worden, so soll das Versprechen ungültig sein, und zu dessen Einbringung unter keinem Vorwande einige Rechtshilfe ertheilet werden. Das bereits gegebene aber kann sowohl vor, als nach der Heurath, binnen einem Jahre, da dieselben geschlossen worden, zurück gefodert werden; es

(67) würde dann erwiesen, daß es auf jeden Fall, ohne Bedingniß, ob die Heurath erfolge, oder nicht erfolge, freiwillig geschenket worden.

§. 41. Was hingegen für die Unterhandlung nach erfolgter Heurath aus freiwilliger Erkenntlichkeit, und ohne Zunöthigung versprochen, verschrieben oder gegeben wird, hat alle Gültigkeit, die es von Rechtswegen haben kann. Ein solcher Unterhändler hat jedoch sich aller Arglist und ungeziemenden Absichten zu enthalten; widrigens wird er nicht nur dem hintergangenen Theile für allen Nachtheil verfänglich, sondern ist

(68) auch nach Beschaffenheit der Umstände zu bestraffen.

§. 42. Sogleich als der Vertrag der Ehe ordentlich geschlossen worden, nehmen die beidseitigen Rechte und Pflichten ihren Anfang.

§. 43. Die hauptsächlichste und wesentlichste Pflicht der Eheleute ist die eheliche Beiwohnung. Fände sich, daß ein Ehetheil wegen Unvermögenheit diese Pflicht nicht erfüllen könnte, so ist dem dadurch benachtheiligten Gatten das Recht vorbehalten, Klage anzubringen, damit die

(69) geschlossene Ehe für ungültig erkläret werde.

§. 44. Bei solchen Klagen soll das Gericht es niemals daran genügen lassen, daß die von der klagenden Parthei angeführte Unvermögenheit des andern Theils von diesem gerichtlich gestanden wird: die Wahrheit der angebrachten Unvermögenheit muß nach Verschiedenheit der Personen allezeit durch erfahrene Aerzte, Wundärzte oder Wehmütter (Hebammen) untersuchet werden.

§. 45. Finden sich bei dieser Untersuchung zuverlässige Zeichen einer fortdauernden

(70) Unvermögenheit, sie mag überhaupt, oder nur in Rücksicht auf den andern Ehegatten vorhanden sein, so ist die Ehe für ungültig und nichtig zu erklären. Wenn aber durch die äusserlichen Zeichen sich nicht zuverlässig bestimmen läßt, ob die Unvermögenheit nur zeitlich, oder beständig und fortwährend sei, so sollen die Eheleute noch durch drei Jahre beisammen wohnen, und nach deren Verlaufe nur alsdann getrennet werden, wann die Unvermögenheit bis dahin fortgedauert hat.

§. 46. Entdekt sich hingegen, daß die Unvermögenheit nur zeitlich ist, und durch

(71) Anwendung schicklicher Mittel gehoben werden kann, so ist das Gesuch abzuweisen. Eben so kann die Ehe nicht aufgelöst werden, wenn die Unvermögenheit zur Zeit der geschlossenen Ehe nicht vorhanden gewesen, sondern nur erst während der Ehe durch Krankheit oder andere Zufälle verursachet worden.

§. 47. Der Mann erwirbt über das Weib eine Gattung von Gewalt, welche jedoch nach Vernunft, Anständigkeit und Billigkeit gemäßiget sein muß. Hingegen liegt dem Manne auch ob, das Weib seinem Stande gemäß zu unterhalten, und sowohl gerichtlich als außergerichtlich zu vertreten.

(72) §. 48. Wenn wegen Unterhaltung des Eheweibs eine Beschwerde geführt wird, sollen die Gerichte die schleunige Vorsehung treffen, und wofern gütliche Versuche nichts verfiengen, solche durch gerichtliche Ausmessung bestimmet (!).

§. 49. Das Weib erlangt das Recht, den Namen, und Wappen des Manns zu führen, und wird nach seinem Stande bei aller seiner Ehren und Vorzüge theilhaftig. Dagegen des Weibs Schuldigkeit ist, dem Wohnsitze des Manns zu folgen, demselben nach Verschiedenheit

(73) des Standes in seinem Nahrungsstande Hilfe zu leisten, und ihn in Besorgung des Hauswesens nach Stande und Kräften zu überheben.

§. 50. Mehrere den Eheleuten wechselseitig zustehende Gerechtsame werden ihre gesezliche Bestimmung da erhalten, wo über die Gegenstände, welche sie betreffen, besonders angeordnet wird.

§. 51. Wenn die Brautleute mit ihrem Vermögen frei schalten und walten können, so hängt es von ihrer Willkühr ab,

(74) ob und was der Bräutigam sich zu einem Heurathsgute bedingen, und was die Braut ihm dazu bestimmen will. Wenn aber die Braut unter der Vormundschaft steht, so hat der Vormund mit obervormundschaftlicher Gutheisung das Heurathgut nach ihrem Vermögen und nach Beschaffenheit der Heurath zu bestellen. Eben so hat der Vater, wenn die Tochter ein eigenes, unter seiner Verwaltung stehendes Vermögen besitzt, und entweder mit seinem Willen oder doch mit gerichtlicher Einwilligung heurathet, ihr mit Genehmhaltung des Gerichts aus diesem Vermögen ein anständiges Heurathsgut auszumessen.

(75) §. 52. Wenn die Braut kein eigenes oder kein hinlängliches Vermögen hat, so sind die Aeltern und Großeltern nach der Ordnung, wie sie zum Unterhalte verbunden sind, auch gehalten, derselben ein Heurathsgut zu bestimmen, oder dazu so viel, als nöthig ist, beizutragen. Mutter und Großältern jedoch sind zu einem Heurathsgute für ihre Tochter und Enklinn anderst nicht verbunden, als wenn zu der Ehe auch ihre Einwilligung eingehollet worden, obwohl dieselbe sonst nicht nothwendig gewesen wäre.

(76) §. 53. Ausser den Ursachen, wodurch Aeltern vom standesmässigen Unterhalte der Kinder befreit werden, entbinden sie folgende Umstände noch besondees von der Schuldigkeit eines Heurathsguts: eigene Mittellosigkeit, wenn dadurch der selbst nöthige Unterhalt geschmälert, oder die Versorgung der andern Kinder erschweret würde: Ein zu dieser, oder einer andern Ehe bereits empfangenes Heurathgut, oder eine Abfertigung, ob schon das Empfangene auch ohne Schuld der Tochter verloren worden wäre: Die auedrückliche Begebung des Heurathsguts, bei großjährigem Alter: eine Verzicht, welche entweder von der Tochter

(77) auf die Erbschaft desjenigen, der zum Heurathsgute unmittelbar verbunden ist, oder von diesem auf die Erbschaft der Großältern, von welchen das Heurathgut gefodert wird, gethan worden.

§. 54. Wenn derjenige, so zur Bestallung des Heurathsguts verbunden ist, dasselbe verweigert, soll das Gericht auf Anrufung der Brautleute, oder derjenigen, denen sie zu vertreten zusteht, den Weigernden unversäumt verrufen, und zu erst durch gütliche Wege zu einem anständigen Heurahtgute zu vermögen suchen. Bei fruchtlos versuchter Vermitlung, und woferne hinlängliche Weigerungsursache vorhanden zu

(78) sein befunden wird, soll das Heurathgut von Amtswegen bestimmet, und der Weigernde zu dessen wirklicher Bestimmung binnen einer anberaumten Frist, nach Verlauf derselben aber durch gerichtliche Zwangsmittel angehalten werden. Doch steht dem Theile, der sich beschwert glaubet, der Zug an den obern Richter offen.

§. 55. Bei Ausmessung des Heurathguts sind zuerst Stand, Würde der Personen und die Kräfte des Vermögens zum Maßstabe zu nehmen, oder auf das Gewerb, oder sonstigen Vermögensstand, dann aber auch auf die Anzahl

(79) der noch unversorgten Kinder, und andere in den Hausaufwand einfliessende Umstände zu sehen; dabei jedoch sich aller nachtheiligen Untersuchung des Vermögens zu enthalten.

§. 56. Bei aussergerichtlicher, freiwilliger Bestimmung des Heurathguts hängt der mehrere oder mindere Betrag von der Willkühr der Aeltern und Großältern ab. Wenn diese jedoch ein zu geringes, und mit der Anständigkeit nicht übereinkommen, das (übereinkommendes ?) Heurathgut geben wollten, und die Partheien darüber nicht übereinkommen könnten, soll die Sache von dem Gerichte auf die oben vorgeschriebene Art entschieden werden.

(80) §. 57. Ein Heurathgut kann auch während der Ehe bestimmet, oder das vorhin schön bestimmte vermehret werden. Doch ist der Mann, wenn diese Bestimmung nicht vor der Heurath geschehen, oder angesuchet worden, nicht befugt, das Weib oder ihre Aeltern darum gerichtlich zu belangen.

§. 58. Diejenigen, welche ein Heurathgut zu bestimmen schuldig sind, können bei dessen Bestimmung ohne Einwilligung des Bräutigams keine Bedingnisse von was immer für einer Art beirücken.

(81) Aber auch das, was mit Einwilligung des Bräutigams bedungen wird, kann der Braut nicht zur Verkürzung gereichen; es sei dann, daß sie großjährig wäre, und das unter solchen Bedingnissen bestimmte Heurathgut auf Abschlag ihres künftigen Erbtheils, oder zu ihrer gänzlichen Abfertigung ausdrücklich angenommen hätte. Um so weniger kann einer minderjährigen Braut, wenn das Heurathgut aus ihren eigenen Mitteln bestimmet wird, durch solche Bedingnisse ein Nachtheil zugezogen werden. Wenn jedoch in einem oder den andern Falle der Braut eigener Vortheil mit unterliefe und dieser ohne Beifügnung eines derselben vielleicht nachtheilig scheinenden Bedingnisse nicht erhalten werden

(82) könnte, so soll darüber die gerichtliche Genehmhaltung eingeholt werden.

§. 59. Einem Dritten, der aus freier Willkühr ein Heurathsgut bestimmt, wie auch einer großjährigen Braut, oder Ehegattin steht frei, nach eigenem Belieben, Bedingnisse und Nebenverträge beizufügen. Doch müssen diese Bedingnisse und Nebenverträge gleich bei der Bestimmung des Heurathguts beigesezet werden.

§. 60. Anfangs beigefügte Bedingnisse können zum Schaden eines Dritten, zu

(83) dessen Vortheil sie gereichen, nach der Hand nicht mehr abgeändert werden. Wenn jedoch diese Bedingnisse den Vortheil eines oder beider Eheleuten allein betreffen; können sie, so weit sie Verbindungen zu erlassen fähig sind, sich dieser zugedachten Wohlthat nicht nur dann begeben, wann die Bedingnisse von ihnen selbst eingegangen worden, sondern auch, wann solche von den Aeltern, Vormündern, oder einem Dritten herrühren.

§. 61. Wenn zu Erlegung des Heurathsguts eine Frist bedungen ist, muß dieselbe abgewartet werden. Wo aber keine Frist bestimmet worden, sollen dem

(84) Bestimmenden, bevor er gerichtlich belanget werden kann, vom Tage der geschlossenen Ehe noch sechs Wochen zugestanden werden. Nach deren Verlauf kann das Heurathgut rechtlich mit allen, von der bedungenen Erlagsfrist, oder wo keine Frist bedungen worden, vom Tage der Ehe verfallenen Zinsen oder eingehobenen Nutzungen gesucht werden.

§. 62. Der Rechtszwang wider die Aeltern und Großältern erstreckt sie aber nicht weiter, als auf dasjenige, was sie füglich thun können, ohne sich selbst einem Nothstande auszusetzen. Fremde geniessen dieser rechtlichen Wohlthat nur alsdann, wann sie das Heurathgut aus blosser Freigebigkeit besteller haben.

(85) §. 63. Wenn das Heurathgut in baarem Gelde, in Sachen, welche im Handel und Wandel nach Gewicht, Zahl und Maaß geschätzet werden, oder in abgetrettenen Schuldfoderungen besteht; überhaupt wenn die Sache, worinn das Heurathgut bestimmt ist, in einem gewissen Werthe angeschlagen wird, es sei beweglich, oder unbeweglich Gut; so erwirbt der Mann nach geschehener Uibergabe daran das volle und unwiderrufliche Eigenthum: hat also allen Aufwand, Gefahr und Schaden davon zu tragen, und kann damit als mit seinem eigenen Gute frei schalten und walten. Daher nach aufgelöster Ehe nicht eben

(86) dasjenige, was gegeben worden, sondern eben so viel von gleicher Güte und Eigenschaft, oder der angeschlagene Werth des Heurathguts zurückgestellet werden muß.

§. 64. Sind aber Fahrnisse nach ihrer Gestalt und stückweise, ohne einen bestimmten Werth zum Heurathgute gegeben worden, so müssen solche zwar wenn sie bei dem Rückfalle des Heurathsguts noch bei dem Manne, oder dessen Erben vorhanden sind, in dem Stande, wie sie sich finden, zurückgegeben werden: Ein dritter Besitzer aber kann deswegen nicht angefochten werden;

(87) sondern sowohl in diesem Falle, als wenn diese Sachen, ausser der Abnützung durch des Mannes, oder seiner Erben Schuld zu Schaden gekommen, gebühret nur derjenige Werth, den sie zur Zeit der Veräusserung oder geschehenen Beschädigung gehabt haben.

§. 65. Wenn liegende Güter, oder darauf haftende Rechte ohne Zuschätzung und Bedingung des Werths zum Heurathgute bestimmt worden; so erwirbt der Mann daran die blosse Nutzniessung; das Eigenthum bleibt bei dem Weibe, oder demjenigen, der das Heurathgut bestimmet, das Eigenthum aber sich vorbehalten hat.

(88) §. 66. Die Nutzniessung des Heurathsguts erwirbt dem Manne während der Ehe nicht nur die Verwaltung, sondern auch den vollen Genuß aller abfallenden Nutzungen. Was aber dem Heurathgute dergestalten zuwächst, daß es mit demselben durch die Natur, durch Zufall, oder das Recht unzertrennlich vereinigt wird, bleibt bei dem Heurathgute; nur gebührt dem Manne auch von diesem Zuwachse die Nutzung.

§. 67. Dem Manne liegt ob, bei der Verwaltung des Heurathsgutes allen Fleiß, alle Sorgfalt und Vorsicht anzuwenden,

(89) und solches in allen Fällen, wo es um den Genuß zu thun ist, allein, wo es aber auf das Eigenthum, oder Gerechtsamme desselben ankömmt, mit Einverständniß des Eigenthümers gerichtlich und aussergerichtlich zu vertretten. Um so mehr hat er sich aller Veräusserung und aller Handlungen zu enthalten, woraus in der Folge eine Verschlimmerung oder Beschwerung des Heurathguts entstehen könnte. Auf jeden Fall ist das, was von dem Manne gegen diese Verordnung geschehen sollte, dem andern unschädlich, und, wenn durch des Mannes Thun oder Unterlassen das Gut gleichwohl beschädiget, vermindert oder abgewürdiget worden; so hat derselbe oder seine Erben dafür zu haften.

(90) §. 68. Zufälle verbinden den Mann zu keiner Haftung: der zur beständigen Erhaltung und künftig besserer Benutzung des Heurathguts erweislich gemachte Aufwand aber muß demselben bei der Zurückstellung vergütet werden.

§. 69. Dem, welcher das Heurathgut bestimmt, stehe es frei, wenn dasselbe in gleichem Betrage, oder Werthe zurück zustellen ist, deswegen in dem Heurathsbriefe selbst, oder auf andere Art die Sicherheit zu bedingen. Im allgemeinen aber hat das zur Versicherung des Heurathguts bestimmte Unterpfand vor

(91) andern Pfandverschreibungen kein vorzügliches Recht: und wird diese Sicherheit weder durch die allgemeine Verschreibung alles Vermögens, noch durch die Verschreibung eines sonderbaren Gutes, sondern allein dadurch erworben, wenn an einem liegenden Gute, oder darauf haftenden Rechte ein besonderes Unterpfand verschrieben, und der Heurathsbrief, oder die Versicherungsurkunde bei der Landtafel, bei den Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket, oder da wo keine Landtafel und Grundbücher bestünden, sonst auf die nach der Landesverfassung eingeführte Art bedecket worden.

§. 70. Wenn gleich das Heurathgut nicht von Anfang versichert worden; so mag

(92) dessen Sicherstellung an dem Vermögen des Manns, oder desjenigen, der zu dieser Sicherstellung verbunden ist, er habe nun das Vermögen bei Bestimmung des Heurathguths bereits gehabt, oder erst hernach erworben, noch allezeit nachgesucht werden. Der Mann, oder wer sonst zur Sicherstellung verbunden ist, kann entweder zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Verschreibung einer Hypotek angehalten, oder wenn eine allgemeine Hypotek verschrieben ist, ein gerichtliches Pfandrecht an einem vor Gerichte namentlich angezeigten Gute erworben werden. Die gerichtliche Vormerkung giebt jedoch nicht den Vorzug von Gläubigern, die auf diesem Gute schon vorher versichert waren.

(93) §. 71. Obwohl ohne diese gerichtliche Einverleibung eines besonderen Unterpfandes, das Heurathgut nur als eine briefliche Forderung anzusehen ist; so wird zur besonderen Begünstigung der Ehe dem unversicherten Heurathgute an den Zahlungsmitteln, die nach Abzahlung aller mit einem Pfandrechte bedekten (!) Foderungen übrig bleiben, der Vorzug vor andern blossen brieflichen, oder sonst persönlichen Sprüchen und Foderungen in derjenigen Klasse verliehen, welche in der Konkurordnung festgesetzet ist.

§. 72. Zu Gewinnung dieses Vorzugs aber muß auf die in der allgemeinen

(94) Gerichtsordnung vorgeschriebene Art dargethan werden: daß das Heurathgut dem Manne wirklich zugebracht worden. Das Bekenntniß des Mannes allein hat zwar seine Wirkung wider ihn und seine Erben, aber nicht wider die Gläubiger: und kann auf dieses Geständniß allein im Abgang aller anderen Beweise das Weib nicht zu dem Eide gelassen werden.

§. 73. Wenn Braut- oder Eheleute mit ihrem Vermögen frei schalten und walten können; so ist die Sicherstellung des Heurathguts ihrer eigenen Willkühr überlassen. Bei Verehelichung

(95) minderjähriger Weibspersonen aber sollen diejenigen, unter deren Obsorge sie stehen, wo unbewegliche Güter vorhanden sind, von Amtswegen auf die Sicherstellung des Heurathguts bedacht sein, und dasselbe längstens binnen sechs Wochen von Zeit der Verehlichung behörig vormerken lassen. Bei Verabsäumung dieser Vorschrift haben sie, wenn das Heurathgut vor erreichter Großjährigkeit der neu Verehlichten Gefahr laufen sollte, dafür zu haften.

§. 74. Diese Sicherstellung hat vorzüglich an dem eigenem Vermögen des Mannes zu geschehen; von ihm selbst, wenn er die freie Verwaltung hat, oder von

(96) seinem Vater, oder Vormunde, denen die Besorgung seines Vermögens oblieget.

§. 75. Wenn der Mann kein eigenes oder kein hinreichendes Vermögen hätte; sind die Aeltern und Großältern nach Maaß, als sie zur Widerklage verbunden sind, das Heurathgut, doch nur in so fern zu versichern schuldig, als es ohne ihren merklichen Nachtheil geschehen kann,

§. 76. Das Heurathgut kann während der Ehe nicht zurück gefodert werden. Bei kundbarer Verschwendung des Mannes aber, oder sonst wenn bei Abnahme

(97) seines Vermögens, ein dem unversicherten Heurathgute bevorstehender Nachtheil zu erweisen ist, kann nicht nur auf die §. 70. verordnete Art die Sicherstellung, sondern auch, wo diese Sicherstellung aus Mangel liegender Güter nicht geschehen kann, anderweitige sichere Anlegung angesuchet werden.

§. 77. Was wegen des Heurathguts angeordnet ist, hat auch bei der Widerlage statt, welche der Braut von dem Bräutigam zu leisten ist. Eine Widerlage kann nicht anderst begehrt werden, als wenn ein Heurathgut zugebracht worden. Freiwillig hingegen kann sowohl

(98) eine Widerlage ohne Heurathgut, als ein Heurathgut ohne Widerlage bestellet werden, und die leztere mit dem Heuratgute in gleichem, auch in einem größern, oder minderen Betrage bestehen.

§. 78. Diejenigen Personen, die den Töchtern und Enklinnen zu einem Heurathgut verpflichtet sind, haben in Ansehung der Söhne und Enkeln ebenfalls die Verbindlichkeit zur Widerlag, wenn dieselbe begehret wird. Wenn sich über den Betrag der Widerlage nicht vereiniget werden könnte; sind bei der gerichtlichen Ausmessung das Vermögen desjenigen,

(99) der zur Widerlage verbunden ist, und ander zu erwegen, billige Umstände zum Grunde zu legen.

§. 79. Während der Ehe kann das Weib weder die Uibergabe der Widerlage fodern, noch auf die Nutzungen einen Anspruch machen: die Verwaltung sowohl, als die Benutzung gehört demjenigen, der sie bestimmet hat.

§. 80. In allen übrigen, worüber in Ansehen der Widerlage hier nicht besonders verordnet wird, ist sich nach dem zu

(100) halten, was bei ähnlichen Fällen in Ansehung des Heurathguts festgesetzet worden. Nur daß der Vorzug, der dem Heurathgute im §. 71 vor andern Foderungen zugestanden ist, der Widerlage für den Betrag allein gebühret, der dem Heurathgute gleich ist.

§. 81. Ausser dem Heurathgute und der Widerlager können die Eheleute sich zwar auch mit Geschenken betreuen; doch sind diese Geschenke von andern Geschenken nicht unterschieden.

§. 82. Wofern aber diese Geschenke namentlich zu Vermehrung des Heurathguts

(101) oder der Widerlage geschehen; geniessen sie auch ohne bestellte Hypotek des Vorzugs, der §. 71 dem Heurathgute zugestanden wird. In diesem Falle folgen sie auch im Uibrigen der Natur des Heurathguts oder der Widerlage; und wenn der beschenkte Theil vor dem Schenkenden stirbt, fallen sie an den letztern wieder zurück.

§. 83. Jedem Ehegatten bleibt sein Vermögen sowohl, das er vor der Ehe gehabt, als was ihm nachher zukömmt, allein eigen; ohne daß der andere auf dasselbe einen Anspruch machen kann.

(102) §. 84. Nicht minder gehört jedem Ehegatten die freie Verwaltung seines Vermögens, ohne daß er von dem andern darin geirret werden kann. Dem Manne ist zwar unbenommen, sich der Geschäfte des Weibs, und der Verwaltung ihres Vermögens anzunehmen, und hat derselbe in Fällen, die keine besondere Vollmacht fodern, überhaupt eine stillschweigende Gewalt und Vollmacht: Doch ist dem Weibe allzeit vorbehalten, der ferneren Verwaltung des Mannes zu widersprechen, und solche selbst zu übernehmen.

(103) §. 85. Hat aber ein Ehegatte dem andern die Verwaltung seines Vermögens ausdrücklich aufgetragen, so soll es bei dem was rechtlich erwiesen werden kann, ein unwiderrufliches Bewenden haben. Wenn also die Verwaltung unbestimmt, doch nicht auf allzeit aufgetragen worden, so kann dieselbe nach Wohlgefallen widerrufen werden: Ist aber der Auftrag auf eine gewisse Zeit, oder auf beständig geschehen, so findet diese Widerrufung lm ersten Falle vor der augedruckten (!) Zeit, im zweiten Falle während der Ehe nicht statt.

(104) §. 86. Die Verwaltung von dem Vermögen des Weibes, sie mag dem Manne ausdrücklich oder stillschweigend aufgetragen sein, verbindet ihn zu allem, wozu jeder Sachwalter verbunden ist. Wenn daher das Weib die Schmälerung, oder wegen der übeln Verwaltung des Mannes eine bevorstehende Gefahr ihres Vermögens zu erweisen fähig ist, kann sie den Auftrag auch vor der Zeit widerrufen.

§. 87. Wenn dem Manne, nebst der Verwaltung nicht zugleich die Nutzniessung überlassen worden; so kann er auf die Früchte keinen Anspruch machen.

(105) Woferne aber der Mann sich nicht ausdrücklich zur Verrechnung des verwalteten Vermögens verbunden hat, kann derselbe oder seine Erben zu nichts mehr, als zur Berechnung und Ausweisung derjenigen Nutzungen verhalten werden, welche von dem Tage der geschehenen Widerrufung, oder des erfolgten Todes eingehoben worden. Alle Foderungen hingegen, welche in Ansehung der früheren Verwaltung oder der vorher schon eingehobenen Früchte gemacht werden könnten, sind für berichtiget, oder für gänzlich erlassen zu achten. Wenn aber der Mann durch seine Verwaltung an dem Gute selbst Schaden verursachet hätte, so bleibt es (!) darüber jederzeit verantwortlich.

(106) §. 88. Woferne dem Manne gleich die Nutzniessung, nicht aber auch die Verwaltung überlassen worden, ist derselbe, sich der Verwaltung wider Willen des Weibes anzumassen, nicht berechtiget. Wären die Nutzungen dem Manne zwar überlassen, doch von dem Weibe eingehoben worden, und diese Nutzungen würden dann von dem Manne oder dessen Erben begehret, so soll diese Foderung auf die nämliche Art, wie nur erst wegen des Weibes angeordnet ist, sich nicht weiter erstrecken, als auf das, was ferner von Zeit der geschehenen Foderung eingehoben worden.

(107) §. 89. Das Weib wird weder durch die dem Manne aufgetragene Verwaltung noch durch die ihm überlassene Nutzniessung an Veräusserung ihrer Sachen verhindert. Ist jedoch die Nutzniessung an liegenden Gütern dem Manne durch gerichtliche Vormerkung gesichert worden; so kann die geschehene Veräusserung zu seinem Nachtheile nicht bestehen. Außer dem Falle der gerichtlichen Vormerkung hat er wegen des ihm zugehenden Schadens gegen das Weib nur eine persönliche Foderung.

§. 90. Auch wenn das Weib ihr Vermögen selbst verwaltet, steht dem Manne

(108) zu, auf ihr Benehmen Acht zu haben, um, wenn besonders Kinder da sind, der Verschwendung und Versplitterung vorzukommen. In einem solchen Falle ist nicht nur der Manne, sondern auch die beiderseitige Verwandtschaft befugt, die gerichtliche Hilfe anzusuchen. Wird das Angeben wahr befunden; so soll das Gericht zuerst das Weib zu einem freiwilligen Auftrage zu vermögen suchen; woferne sie dessen sich weigert, ist die Verwaltung dem Manne, oder stünden ihm erhebliche Bedenken entgegen, einem Anverwandten, und bei dessen Ermanglung einem Dritten von Amtswegen aufzutragen; übrigens aber auf die Art vorzugehen, die in Ansehen derjenigen vorgeschrieben wird, die ihrem

(109) eigenen Vermögen vorzustehen unfähig sind.

§. 91. Wo der Mann das Vermögen des Weibs verwaltet, und die ihm nicht überlassenen Nutzungen zu verrechnen hat, gebührt ihm stets die Schadloshaltung. Wenn ihm aber die Nutzniessung zugestanden worden, und er die Früchte nicht verrechnen darf; ist er wegen des hinein gemachten Aufwandes eine Entschädigung anzusprechen nicht berechtiget; den Fall ausgenommen, wenn er erweiset, daß der nothwendige oder nützliche Aufwand die behobenen Nutzungen überstiegen habe. In dem

(110) §. 87. entschiedenen Falle aber kann in Ansehung der Zeit, da der Mann von der Rechnungslegung enthoben wird von einer Entschädigung unter keinem Vorwande die Frage sein.

§. 92. Wenn die Eheleute unter sich eine Gemeinschaft der Güter errichten, so wird dadurch an dem Eigenthume des Vermögens von ein oder anderer Seite nichts geändert, jeder Theil behält darüber ungebundene Macht, und kann davon auch wider Willen des anderen Theils veräußern. Das dem andern Theile zukommende Recht geht weiter nicht, als auf die Hälfte desjenigen,

(111) was an dem der Gemeinschaft unterzogenen Gute, nach Vorsterben des Einen vorhanden sein wird.

§. 93. Wenn jedoch die Gemeinschaft sich auf unbewegliche Güter erstrecket, und die darüber errichtete Urkunde in der Landtafel, bei Stadt- oder Grundbüchern darauf einverleibet worden; so kann der eine Theil ohne Einwilligung des Andern zwar mit der Hälfte, aber nicht mit der ganzen so behafteten Sache eine Anordnung machen; und nach dem Tode des einen gebührt dem überlebenden Theile an der Hälfte sogleich das volle und freie Eigenthum. Eine

(112) solche Einverleibung in der Landtafel, oder bei Grundbüchern kann jedoch den auf diese Güter vorher versicherten Gläubigern nicht zum Nachtheil gereichen.

§. 94. Wenn eine Gütergemeinschaft zwischen Eheleuten entweder das künftige Vermögen allein, oder auch alles gegenwärtige und künftige unter sich begreift; so gehört dennoch dasjenige, was künftig ererbet wird, nicht darunter, als wenn von der Erbserwerbung ausdrücklich Meldung gemacht worden. Alles aber, was sich unter dem künftigen Vermögen findet, ist so lang für erworben und gemeinschaftlich zu halten, bis das Gegentheil erwiesen wird.

(113) §. 95. Eine Gütergemeinschaft über das gegenwärtige und künftige Vermögen, mit oder ohne Einschluß der Ererbungen, kann ohne weitere Feierlichkeit eingegangen werden. Wenn dieselbe aber nur das gegenwärtige Vermögen, oder nur das, welches künftig erworben, oder das künftig erworben und ererbt wird, betrift; so soll sie nicht anders gültig sein, als wenn bei Errichtung der Gemeinschaft eine ordentliche und verläßliche Beschreibung über beider Theile Habschaft, und mit beider Theile Fertigung verfasset worden. Diese Beschreibung wird die Richtschnur sein, was in die Gemeinschaft gehöret oder nicht, ohne

(114) dieselbe aber soll weder ein anderer Beweis zugelassen, noch aus dieser Gemeinschaft dem Uiberlebenden das mindeste Recht erworben, auch die Gemeinschaft selbst zur gerichtlichen Vormerkung nicht angenommen werden.

§. 96. Vor der Theilung des gemeinschaftlichen Vermögens sind die Schulden sowohl des verstorbenen, als überlebenden Theils in Abzug zu bringen. Hat sich die Gemeinschaft auf alles Vermögen erstreckt; so sind alle Schulden ohne Ausnahme gemeinschaftlich zu bezahlen. Wenn nur das gegenwärtige, oder allein das künftige Vermögen in die Gemeinschaft gehörte; sind auch diejenigen Schulde gemeinschaftlich

(115) zu bezahlen, welche von einem oder andern Theile zum Nutzen und Bedürfnisse eben dieses gemeinschaftlichen Guts gemacht worden. Alle übrigen Schulden hingegen sind von dem eigenen Vermögen dessen, der sie gemacht, und von dem, was von dem gemeinschaftlichen Gute auf seinen Antheil ausfällt, abzufertigen.

§. 97. Eine Gütergemeinschaft zwischen Eheleuten soll in keinem Falle als bestehend angesehen werden, als wenn der Vertrag, wodurch sie eingegangen worden, von den Partheien rechtsbeständig erwiesen wird.

(116) §. 98. Der nach Vorschrift der Geseze eingegangene Vertrag der Ehe ist unauflöslich, und kann das Band derselben, so lang beide Eheleute leben, unter keinem Vorwande getrennet werden.

§. 99. Doch ist die Absicht der Geseze nicht, den Eheleuten die Erfüllung der ehelichem Verbindlichkeiten auch in solchen Fällen aufzubürden, wo dieselbe mit besonderen Beschwerlichkeiten verbunden ist. Für dergleichen Fälle werden folgende Maaßregeln zur genauesten Beobachtung vorgeschrieben.

(117) §. 100. Wenn ein Ehegatte von dem andern gröblich mishandelt, oder der Verführung zu Lastern und verderbten Sitten ausgesetzet wird, ist dem beleidigten Theile vorbehalten, durch die gewöhnlichen Rechtswege Hilfe und Sicherheit zu suchen. Eine Sonderung vom Tisch und Bette aber soll im keinem Falle anders geschehen können, als wenn beide Eheleute übereingekommen sind, getrennet zu wohnen, und sich dazu beide über den Antheil, den jedes zu behalten, oder zu empfangen hat, vorläufig einverstanden haben, als worin gerichtliche Untersuchung oder richterlicher Spruch nicht statt finden.

(118) §. 101. Sind die Eheleute darüber einverstanden, so sollen sie noch vor der Trennung sich bei ihrer Obrigkeit oder Gerichtsstelle persönlich melden, und, ohne daß sie, wessen sie miteinander übereingekommen sind, anzuzeigen nöthig haben, daselbst bloß versichern, daß beide zur Trennung freiwillig einstimmen, und mit den getroffenen Vorsehungen zufrieden sind. Um jedoch die Vervielfältigung solcher Trennungen zu verhüten, soll die Obrigkeit oder Gerichtstelle über die Trennung nicht anders Gehör geben, als wenn die Eheleute zugleich ein schriftliches Zeugniß von ihrem Pfarrer, Pastor, Popen oder Rabiner mitbringen.

(119) §. 102. Zu diesem Ende sind beide Partheien, bevor sie sich der Sonderung wegen bei der Obrigkeit oder Gerichtsstelle melden, verbunden, sich an ihren Pfarrer, Pastor, Popen oder Rabiner persönlich zu wenden; diese aber sollen zur Widervereinigung solcher Eheleute nachdrückliche Vorstellungen über Gewissen und Pflicht, und alle sonst mögliche Mittel der Beredung versuchen, und nur, wenn diese Versuche fruchtlos sind, ein schriftliches Zeugniß ausstellen, daß sie bei diesen uneinigen Eheleuten die ihnen auferlegte Pflicht erfüllet haben, daß sie aber die Trennung entweder wirklich für billig halten, oder daß sie

(120) ungeachtet aller Bemühungen die Partheien davon abzubringen nicht vermocht haben.

§. 103. Den auf solche Art getrennten Eheleuten steht zu allen Zeiten frei, sich gegen blosse Anmeldung bei ihrer Obrigkeit oder Gerichtsstelle wieder zu vereinigen, und bleiben alle zwischen ihnen errichtete Heurathsverträge in voller Kraft. Wegen der erzeugten Kinder aber ist dajenige zu beobachten, was in §. 115, vorgeschrieben wird.

§. 104. Unterthanen dieser Staaten, welche der katholischen Religion nicht

(121) zugethan sind, werden von der im §. 98. gesezten allgemeinen Regel wegen Unauflöslichkeit der Ehen in folgenden Punkten entbunden.

§. 105. Erstens wird in dem Falle, wo ein Ehegatte dem andern nach dem Leben gestanden, oder einen Ehebruch begangen hat, dem beleidigten Theile die gänzliche Trennung des Ehebandes anzusuchen bewilliget. Wenn die That erwiesen ist, so soll der Richter das ganze Eheband für aufgehoben erklären.

§. 106. Zweitens soll ein gleiches Recht auch dem Ehegatten zustehen,

(122) der von dem andern auf boshafte Art verlassen worden. In diesem Falle soll der Abwesende vorher nach Vorschrift der Gerichtsordnung, zu Rechtfertigung seiner Abwesenheit durch öffentliche Edikte dreimal vorgeladen, und der zurückgelassene Theil von dessen Ansprüchen nicht eher frei erkläret werden, als wenn der Abwesende binnen der anberaumten Frist sich nicht gerechtfertiget hat.

§. 107. Drittens wird die Trennung des Ehebandes auch in dem Falle verstattet, wenn zwischen den Eheleuten eine Hauptfeindschaftt, oder eine unüberwindliche Abneigung entstanden ist, und beide

(123) Theile die Ehescheidung verlangen. In solchen Fällen sollen jedoch die Gerichte die angesuchte Ehescheidung nie sogleich bewilligen, sondern vorher eine einstweilige Trennung vom Tisch und Bett veranlassen, und diese nach beschaffenen Umständen wiederhollen.

§. 108. Wenn dann alle angewendeten Mittel fehlschlagen, und alle Hoffnung verschwunden ist, dergleichen Eheleute in Eintracht jemals wider zu vereinbaren, so können die Gerichte zur gänzlichen Ehescheidung schreiten, allein nur alsdann, wann beide Eheleute dieselbe noch verlangen, und wann den aus einer solchen

(124) Ehe erzeugten Kindern dadurch kein Nachtheil zugezogen wird.

§. 109. In jedem Ehescheidungsfalle sind alle von einer, oder der andern Parthei angebrachten Ansprüche und Foderungen zugleich mit zu berichtigen. Insbesondere soll, wenn Kinder vorhanden sind, keine Ehescheidung gewilliget werden, bis die Frage wegen Unterhaltung und Erziehung derselben entweder durch einen gerichtlich bestättigten Vergleich der Partheien, oder durch richterliche Ausmessung entschieden worden. Weswegen unter Strafe der Absezung keinen (!) ihrer Geistlichen einen geschiedenen

(125) Ehegatten, welcher aus der ersten Ehe Kinder hat, nochmals trauen soll, als nachdem er sich die wegen der Kinder getroffenen Vorsehung vorzeigen lassen.

§. 110. Nach geschehener Ehescheidung steht beiden Theilen frei, sich wieder zu verehlichen. In Fällen jedoch, wo das von dem einen Ehegatten wider den andern begangene Verbrechen zur Ehescheidung Anlaß gegeben, ist der Verbrecher nicht befugt, denjenigen zu heurathen, der nach gerichtlichem Beweise in diesem Verbrechen mit ihm verfangen gewesen.

(126) §. 111. Auch ist bei der Verehlichung eines geschiedenen Weibes allzeit die gehörige Zeit abzuwarten, damit wegen eines aus der vorigen Ehe empfangenen Kindes kein Irrthum oder Zweifel entstehen könne.

§. 112. Sollten geschiedene Eheleute nach einiger Zeit sich abermal vereinigen wollen; so ist dieses ein neuer Ehevertrag, wobei abermal alles dasjenige zu beobachten ist, was zur ersten Eingehung jeder Ehe gefodert wird.

§. 113. Wäre eine Ehe wegen eines zwischen den Eheleuten vorhandenen

(127) Hindernisses ungültig, aber dieses Hinderniß den Partheien unbekannt gewesen, so soll dasselbe, so weit es möglich ist, immer in Geheim gehoben werden. In denjenigen Fällen aber, wo die Partheien das Hinderniß gewußt, und dennoch die Ehe geschlossen haben, ist nicht nur die Ehe ungültig, sondern die Partheien sind nach Verschiedenheit des Standes, auch mit dreijährigem Arreste und Arbeit, und mit einer andern angemessenen Strafe zu belegen.

§. 114. Sobald eine Ehe ungültig erkläret wird, hören zwischen den gewesenen Eheleuten auch alle aus dem Ehevertrage

(128) entspringenden wechselseitigen Rechte und Verbindlichkeiten auf. Und sollen die Gerichte Bedacht nehmen, damit die Zusammenwohnung zwischen den gewesenen Eheleuten aufgehoben, und alle verdächtige Gemeinschaft vermieden werde.

§. 115. Die in einer ungültigen Ehe erzeugten Kinder bleiben stets unter der Gewalt des Vaters; was aber zur Erhaltung und Erziehung derselben von dem Vermögen beider Aeltern verhältnißmässig beizutragen ist, muß sogleich bestimmt werden. Uiber alles dieses, wie auch über die Ansprüche, welche wegen Vorenthaltung des zugebrachten

(129) Gutes, wegen des aus Anlaß einer ungültigen Ehe erlittenen Schadens, oder auf andere Weise zwischen den Partheien entstehen könnten, haben die Gerichte nach Vorschrift der Geseze zu erkennen.

§. 116. Bei einer durch den Tod aufgelösten Ehe fällt an das überlebende Weib das Heurathgut, und an den überlebenden Mann die Widerlage zurück. Außer dem aber gewinnt das Weib auch die ihr verschriebene Wiederlage, und der Mann das ihm zugebrachte Heurathgut unwiderruflich, ausgenommen, daß wegen eines oder andern ausdrücklich

(130) bedungen worden: wie es auch nach aufgelöster Ehe damit gehalten werden soll.

§. 117. Wenn der Wittwe ein Leibgeding, Witthumsrecht, oder wittiblicher Unterhalt verschrieben worden; so ist derselben dieser Verschreibung gemäß zu verabfolgen. Ist der Wittwe erwas, so zum Bedürfnüsse, oder Bequemlichkeit des Lebens gehöret, bestimmt, und in der Natur abzureichen, in dem Ehevertrage angewiesen, oder durch gerichtlichen Ausspruch festgesezt; so muß sie sich mit der Naturalleistung begnügen, ohne berechtigt zu sein, dafür den Betrag in Geld zu fodern. Wenn für

(131) gewisse Nothwendigkeiten eine bestimmte Summe ausgesetzet worden; hat es dabei sein Bewenden, diese Summe mag der Bestimmung zureichen, oder nicht. Wenn aber entweder Sachen, oder dafür ein Geldbetrag bestimmt worden; so hat die Wittwe die Wahl, wofern das Gegentheil nicht deutlich aus der Verschreibung zu entnehmen ist.

§. 118. Der wittibliche Unterhalt nimmt nach sechs Wochen von des Mannes Tode den Anfang. Bis dahin soll die Wittwe, wie bei dessen Lebzeit, noch aus der Verlassenschaft erhalten werden, außer wenn diese Verpflegung nicht ohne Nachtheil der Gläubiger geschehen

(132) könnte. Ist eine Wlttwe schwanger hinterlassen worden: so genießt sie den Unterhalt aus der Verlassenschaft des Mannes bis sechs Wochen nach der Niederkunft. Daraus sind ebenfalls alle Kosten der Kindswochen (Kindbett) ohne Einrechnung in ihre Heurathsprüche zu bestreiten; es wäre denn, das Weib wollte sich dieses Rechts freiwillig begeben, und an ihren Heurathssprüchen begnügen.

§. 119. Der wittibliche Unterhalt, wenn er nicht durch gerichtliche Einverleibung auf ein liegendes Gut vorgemerket worden, genießt keine Begünstigung, oder

(133) Vorzug, sondern ist als ein Geschenk von der Gattung zu betrachten, worüber §. 81. verordnet worden.

§. 120. Wenn jedoch einer minderjährigen Braut in dem Heurathsbriefe entweder ein wittiblicher Unterhalt, oder auch bei Lebzeit des Mannes eine jährliche Summe zu ihrem Gebrauche bestimmet worden, sollen diejenigen, unter deren Obsorge die Braut steht, auf die behörige Versicherung dieses Betrags unter eigener Haftung bedacht sein.

§. 121. Eine Ehegattin, welche die in dem Heurathsbriefe bei des Mannes Lebzeit

(134) zu ihrem Gebrauche bestimmte jährliche Summe durch mehrere Jahre zu erheben unterläßt, wenn ihre Foderung gleich vorgemerkt ist; soll den durch diese Vormerkung durch andern Gläubigern erworbenen Vorzug nur für die drei letzten Jahre geniessen. Die ältern Rückstände aber sind eben so, als wenn die Foderung nicht vorgemerket worden wäre, bloßerdings als Geschenke des Mannes zu betrachten.

§. 122. Auch wenn eine Wittwe nach dem Tode ihres Manns mit Rückständen von dessen Lebzeit hervorkömmt, und Kinder des Mannes vorhanden sind, so

(135) sollen diejenigen Rückstande, welche über drei Jahre alt sind, nicht vor Bestimmung des Pflichtheils abgezogen, sondern unter der Verlassenschaft, wovon der Pflichttheil auszumessen ist, gelassen, und nur nach erfolgter Bestimmung des Pflichttheils aus demjenigen Betrage bezahlet werden, worüber der Verstorbene willkührlich anzuordnen berechtiget war.

§. 123. Alle dem einen Ehegatten aus der Verlassenschaft des anderen zukommenden Rechte haben volle Kraft, wenn der eine Theil gleich vor der wirklichen Beiwohnung verstorben ist. Auch

(136) schadet ihm die Ungiltigkeit der Ehe an seinen erworbenen Gerechtsamen nicht, woferne diese Ungiltigkeit bis zum Tode des andern Theils verborgen geblieben, und der Uiberlebende die Ehe für gültig gehalten hat.

§. 124. Der wittibliche Unterhalt insbesondere höret auf, wenn die Wittwe zur neuen Ehe schreit, ausser, wenn das Gegentheil in dem Heurathsbriefe bedungen worden. Uiberhaupt aber macht sich jeder Ehegatte der ihm von dem Verstorbenen im Heurathsbriefe, oder auf andere Art zugedachten Vortheile aus eben den Ursachen unwürdig, wegen

(137) welcher er von dem Antheile ausgeschlossen wird, der ihm nach den Gesezen zugeflossen wäre. In einem solchen Falle erhält der Uiberlebende zwar was er dem Verstorbenen zugebracht, wieder zurück; soll aber von dessen Verlassenschaft gänzlich ausgeschlossen sein.

§. 125. Wenn dasjenige, was an den überlebenden Ehegatten zurückfällt, in der Verlassenschaft wirklich vorhanden ist, oder wenn das, was ihm von dem Verstorbenen zufällt, entweder übergeben, oder gerichtlich vorgemerket worden; so erwirbt derselbe sogleich daran das volle Eigenthum. Und wäre diese

(138) Vormerkung gleich bei Lebzeit des Andern nicht geschehen; so kann sie auch nach dem Tode desselben angesucht werden, wenn nur die Urkunde, worauf sie gesucht wird, die Erfodernisse (!) hat, die zur Einverleibung nöthig sind.

§. 126. Ausser dem hat der Uiberlebende, wenn er nicht ein ausdrückliches Unterpfand erhalten hat, bloß eine persönliche Rechtsfoderung (!). Diese aber bleibt ihm auch dann vorbehalten, wenn er aus dem erhaltenen Unterpfande seine völlige Befriedigung nicht erhielte, oder wenn ihm in dem, was ihm eigenthumlich zuzufallen hat, weil die Vormerkung

(139) später geschehen, durch die früher darauf versicherten Gläubiger Nachtheil zugewachsen wäre.

Viertes Hauptstück

Von den Rechten zwischen Aeltern und Kindern.

§. 1. Alle Kinder sind für ehlich zu halten, welche während der Ehe empfangen worden, das ist, welche im siebenten Monate nach der Trauung, oder nach dem zehnten Monate nach des Vaters Tode gebohren worden sind. Würde aber ein Kind vor dem siebenten Monate nach der Trauung, oder nach dem zehnten

(140) Monate nach des Vaters Tode gebohren; so sollen alle Umstände genau untersuchet, und das Gutachten der Naturkündigen eingeholet werden, ob die Geburt so frühzeitig, oder so spät habe erfolgen können. Wenn der Mann ein zu früh gebohrnes Kind für das seinige anerkennet, macht dieses für die ehliche Geburt des Kindes den vollen Beweis.

§. 2. Niemand als der Mann ist berechtiget, gegen die ehliche Geburt eines Kindes Zweifel zu erheben. Aber auch der Mann, der wegen seiner langen Abwesenheit dem während der Ehe gebohrnen Kinde die ehliche Geburt streitig machen will, ist mit seiner Beschwerde

(141) anders nicht zu hören, als wenn er nicht nur seine Abwesenheit ein ganzes Jahr vor der Geburt, sondern auch einen von der Mutter begangenen wirklichen Ehebruch landgerichtmässig darthut.

§. 3. Die Pflicht des Mannes ist, die Kinder zu einem für den Staat nützlichen Stand zu erziehen, und, wenn sie nicht ein eigenes Vermögen haben, dessen Einkünfte hinreichen, dieselben so lang zu erhalten, bis sie sich selbst ernähren können.

§. 4. Wenn eine Tochter mit, oder ohne Heurathgut verheurathet worden, und

(142) der Mann sie zu unterhalten nicht im Stande ist, liegt ihre Unterhaltung den Aeltern desselben, und weiters seinen Großältern ob. Sind aber diese unvermögend, so ist der Vater die Tochter zu unterhalten verbunden.

§. 5. Die Mutter ist verpflichtet, die Kinder mit Sorgfalt zu pflegen, zu warten, und zu Erziehung derselben nach Kräften beizutragen. Während der Ehe aber ist sie zu deren Unterhalt von ihrem Vermögen etwas beizutragen nicht schuldig, als wenn der Vater dazu nicht im Stande ist. Nach dem Tode des Vaters aber liegt der Mutter gleiche Schuldigkeit wie dem Vater ob.

(143) §. 6. Die Verbindlichkeit, den Unterhalt zu reichen, gehet nach Abgang der Aeltern auf die Großältern über. Doch sind die Großältern von väterlicher Seite vorzüglich dazu verbunden: den Großältern von mütterlicher Seite kann der Unterhalt der Enkeln nur in dem Falle aufgebürdet werden, über welchem §. 4. wegen der Tochter die Verordnung gemacht worden.

§. 7. Wenn ein Kind gleich verdient hat, enterbet zu werden, so werden die Aeltern im Nothfalle von Abreichung

(144) des nothdürftigen Unterhalts noch nicht entbunden. Wenn der Nothfall fortdauernd ist, soll dieser Unterhalt dem Kinde auch durch den lezten Willen angewiesen werden.

§. 8. Die Kinder ihrer Seite sind gleichfalls schuldig, ihren dürftigen Aeltern und so weiter ihren Vorältern den Unterhalt nach Vermögen und Kräften zu verschaffen.

§. 9. Das, was entweder Aeltern zu Ernährung der Kinder, oder diese für

(145) die Aeltern aufgewendet haben, kann nicht wieder zurückgefodert (!) werden.

§. 10. Auch unehlichen Kindern, aus was für eigem (!) verbotenen Beischlafe sie auch erzeuget wären, gebühret von ihren Aeltern der Unterhalt. Diese Schuldigkeit liegt vorzüglich dem Vater ob, für welchen derjenige zu halten ist, der entweder während der Schwangerschaft, bei der Geburt oder sonst durch die kleinste Handlung zu erkennen giebt, daß er das Kind als das seinige ansehe. Kann der Vater durch kein solches Anzeichen bestimmet werden, so ist die Mutter berechtiget, denjenigen zu Unterhaltung

(146) ihres Kindes zu belangen, der eines in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft mit ihr gepflogenen Beischlafs entweder geständig ist, oder überwiesen werden kann.

§. 11. Der Unterhalt des unehlichen Kindes ist nach dem Stande der Mutter abzumessen. Der Vater muß dasselbe so unterhalten, daß es der Hilfe der Mutter entbehren, und diese auf jeden Fall ihr Nahrungsgeschäft fortsezen (!) kann, ohne von der Sorge für das Kind daran verhindert zu werden.

(147) §. 12. Es hängt von der Willkuhr (!) des Vaters ab, das Kind in oder ausser dem Hause zu unterhalten. Nach dem Maaße aber, als der Vater das Kind unterhält, gebührt ihm darüber auch die väterliche Gewalt, wenn er sich derselben nicht freiwillig begeben will.

§. 13. Wollte oder könnte die Mutter den Vater nicht anzeigen, oder den binnen drei Monaten mit ihr gepflogenen Beischlaf nicht beweisen, so liegt ihr allein ob, das Kind zu unterhalten.

(148) §. 14. Dem unehlichen Kinde gebührt der Unterhalt nicht nur von dem Vater oder der Mutter bei Lebenszeit derselben, sondern auch nach ihrem Tode von allen denjenigen, an welchen die väterliche oder mütterliche Erbschaft durch was immer für einen Weg gelanget ist.

§. 15. Wenn ein unehliches Kind von Aeltern gezeigt (!) worden, welche entweder beide, oder einer desselben zu Zeit der Erzeugung verehlichet waren, oder wenn zwischen den Aeltern ein Ehehinderniß vorhanden war, das nicht gehoben werden konnte, ist das Kind für

(149) wahrhaft unehlich zu halten, und dessen Recht blos auf den ausgemessenen Unterhalt zu beschränken, ohne daß ihm von der väterlichen, oder von der mütterlichen Seite andere verwandschaftliche (!) Rechte zukommen.

§. 16. Hingegen wenn ein Kind zwar ausser der Ehe, doch von zwo unverehlichten Personen gezeuget worden, und desto mehr, wenn ein Kind nur aus einer ungültigen Ehe gebohren ist, wo nämlich das Hinderniß so beschaffen war, daß es hätte gehoben werden können, ist das Kind den ehlichen Kindern gleichzuhalten, und wird dasselbe von der

(150) väterlichen sowohl als mütterlichen Seite aller Gerechtsame theilhaft, die den ehlich gebohrnen Kindern zugestanden sind.

§. 17. Bei Kindern jedoch, die von zwo unverehlichten Personen gezeuget worden, hat diese Anordnung nur dan(n) Platz, wan(n) solche Kinder nicht nachher durch eine von ihrem Vater, oder von ihrer Mutter mit einer dritten Person geschlossene Verehlichung wirklich unehlich gemacht worden: eine solche Ehe aber soll nicht anders gestattet werden, als wenn vorher wegen des vorhandenen Kindes vor der Gerichtsstelle zwischen den Aeltern ein gütliches Abkommen getroffen worden. Wo dieses nicht geschehen ist,

(151) bleiben dem Kinde seine Gerechtsame vorbehalten.

§. 18. Der Vater ist befugt seine Kinder gerichtlich und aussergerichtlich zu vertreten, auch für die ihnen zugefügten Unbilden Genugthuung zu fodern (!). Er hat das Recht ihnen in den wichtigeren Angelegenheiten ihres Lebens zu rathen, sie zu leiten, und durch vernünftige Vorstellungen zu bestimmen. Ihnen (!) stehet zu, die fehlenden Kinder durch mässige Zichtigungen (!) zu bessern, die flüchtig gewordenen überall zu ergreifen, und die ihm von Anderen vorenthaltenen zurückzufodern (!): In welchen Fällen

(152) er, wenn er im Besitze des väterlichen Rechts ist, oder die rechtliche Vermuthung für sich hat, des Beweises enthoben ist. Wenn er aber sich im Besitze des väterlichen Rechts nicht befindet, und ihm selbes streitig gemacht wird, muß er sein Recht gehörig erweisen.

§. 19. Bei dieser dem Vater eingeräumten Gewalt aber hat er kein Recht, über Freiheit, Ehre und guten Namen der Kinder: auch kann die zugestandene Züchtigung nicht zum Nachtheile des Leibes und der Gesundheit gemißbraucht, einem Kinde von dem Vater bei der

(153) Wahl eines Ehegatten nicht durch Drohungen und Gewaltthaten Zwang gethan werden. Wider einen solchen Zwang ist nicht das Kind allein berechtiget, Schutz zu suchen, sondern auch jeder, dem die Ausübung eines solchen Zwangs bekannt wird, kann den Richter um Leistung dieses Schutzes angehen. In einem solchen Falle soll der Richter sogleich durch freimüthige Aussage des Kindes oder andere dienliche Mittel die Wahrheit zu erheben bedacht sein, nach entdektem (!) Zwange aber das Kind wider alle Gewaltthaten des Vaters in Sicherheit setzen. Würde ein Kind seiner beständig geäusserten Abneigung ungeachtet durch Gewaltthaten des Vaters zu einer Ehe gezwungen, so tritt der Fall der im

(154) vorigen Hauptstücke §. 31. festgesetzten Nichtigkeit ein.

§. 20. Die Kinder sind dem Vater Ehrerbietung, Gehorsam, und eine vollkommene Unterwerfung in seinem Willen schuldig, in so weit seine Befehle nicht wider die Geseze (!) und guten Sitten laufen. Hingegen werden sie des väterlichen Namens und Wappens, aller Ehren, Würden und Vorzüge, die nicht auf die Person des Vaters beschränkt sind, theilhaftig, und erwerben ein Recht an dessen Vermögen und Erbfolge.

(155) §. 21. Kinder, die ihre Großjährigkeit nicht erreichet haben, sind in ihren Handlungen, woraus ihr Vermögen vermindert, oder ihre Person verbindlich gemacht werden könnte, andern Waisen oder Minderjährigen vollkommen gleich zu achten.

§. 22. Wenn Kinder ein eigenes Vermögen haben, dasselbe mag auf rechtmässige Art von dem Vater an sie gelanget, ihnen von andern zugekommen, oder von ihnen selbst ausser dem Gute und Gewerbe des Vaters gewonnen worden sein, so hat der Vater darüber

(156) die Verwaltung, ausser wenn derjenige, von dem das Gut an die Kinder gelangt ist, den Vater davon ausgesch(l)ossen hat, oder gegen ihn der gegründete Verdacht einer übeln (!) Verwaltung vorhanden ist.

§. 23. Doch soll kein Vater sich der Verwaltung des kindlichen Vermögens anmassen, noch kann dasjenige, was er vorgenommen, rechtsgültig sein, bevor ihm das Gut gerichtlich eingeantwortet worden. Woferne es nöthig ist, soll vor dieser Einantwertung (!) das Vermögen gerichtlich beschrieben, oder doch dessen Beschaffenheit, Werth und Erträgniß zur Sicherheit der Kinder angemerket werden.

(157) §. 24. Der Vater hat die Nutzniessung des kindlichen Vermögens nicht, sondern er ist, wie ein anderer Vormund dasselbe zu versichern, und darüber jährliche Rechnung zu legen schuldig. Wenn die Einkünfte mehr betragen, als der Unterhalt, dieses Kindes fodert (!); so ist es damit, wie mit den Ersparnissen anderer Minderjährigen zu halten.

§. 25. Sobald der Vater einer geflissentlichen Benachtheiligung oder grossen Verwahrlossung (!) des kindlichen Vermögens überzeuget wird, ist den Kindern ein anderer zum Vormunde zu bestellen

(158) und durch denselben sowohl das Vernachlässigte wieder in Ordnung zu bringen, als der Ersatz nach Beschaffenheit der Umstände von dem Vater gerichtlich einzutreiben.

§. 26. Kinder sind der Mutter zu eben der Ehrerbietung, als dem Vater verpflichtet. Die Mutter hat ebenfalls das Recht, den Kindern in den wichtigeren Angelegenheiten ihres Lebens zu rathen, sie zu leiten, und durch mässige Züchtigungen zu bessern. Doch erstrekt (!) dieses Recht sich nicht weiter, als §. 19. in Ansehen des Vaters verordnet ist.

(159) §. 27. Außer den hier berührten Rechten sind noch mehrere, welche die Geseze (!) dem Vater und Kindern, wie auch der Mutter und Kindern wechselseitig zugestehen. Diese werden da, wo die Gegenstände vorkommen, näher bestimmet.

§. 28. Wenn jemand einen andern an Kindesstatt annimmt, und dieser Großjährig (!) ist; so hat dasjenige Bestand, wessen sie miteinander übereingekommen sind. Ist aber der Angenommene minderjährig, so soll auch die Einwilligung des Vaters, oder wenn dieser nicht mehr lebt, die Einwilligung des Vormunds, wie auch der Vormundschaftsbehörde eingehollet (!) werden.

(160) §. 29. Dem Wahlvater liegt ob, das Wahlkind gleich einem leiblichen zu erziehen, zu schützen, und zu vertreten. Hat das Wahlkind ein eigenes Vermögen, so ist der Wahlvater schuldig, dasselbe während der Minderjährigkeit wie ein anderer Vormund zu verwalten, und zu verrechnen. Ist das Wahlkind vorher bereits unter der Vormundschaft gestanden, so muß der Vormund dieselbe dem Wahlvater abtretten (!).

§. 30. Ist dem Wahlkinde an dem Vermögen des Wahlvaters ein gewisser Antheil bestimmet worden, so kann dieser

(161) Theil ihm nicht anders, als wegen solcher Ursachen benommen werden, wegen welcher auch leibliche Kinder enterbet werden mögen. Ausser diesem Antheile aber hat das Wahlkind auf einen weiteren Erb- und Pflichttheil kein Recht, auch kann dasselbe von Seite des Wahlvaters keiner andern Familienrechte theilhaft werden. Hingegen bleiben dem Kinde von Seite der eigenen Familie alle Rechte der Blutsverwandschaft (!) vorbehalten.

§. 31. Eine solche Annehmung an Kindes Statt stehet Jedermann frei. Auch Weibspersonen können an Kindes Statt

(162) angenommen werden, und annehmen. In letztern (!) Falle jedoch können sie sich solcher Gerechtsame nicht anmassen, die nur den Vormündern zukommen.

§. 32. Wofern aber bei einer Annehmung an Kindes Statt, es auch sich um Führung des Namens und Wappens, um Theilnehmung an Stande und Würden, oder andern Geschlechtsrechten handelte, soll bei Personen höhern Standes der Fall dem Landesfürsten zur Begnehmigung (!) vorgeleget, bei minderen Ständen aber die Bewilligung der Landesstelle dazu bewirkt werden.

§. 33. Das in einigen Orten üblich gewesene Einkindschaften wird für das

(163) Künftige gänzlich abgestellet, und soll daraus weder eine Gleichheit in der Erbfolge, noch was immer sonst für eine Rechtswirkung entstehen.

Fünftes Hauptstück.

Von den Rechten der Waisen, und anderer, die ihre Geschäfte selbst nicht besorgen können.

§. 1. Der Vater ist befugt, durch letzten Willen seinen Kindern sowohl für ihre Personen einen Vormund, als für ihr Vermögen einen Kurator zu benennen. Wenn dem von dem Vater Benennten

sonst nichts im Wege steht, auch der letzte Willen rechtsgiltig ist; soll diese Benennung allzeit gehandhabet werden, die Kinder mögen im letzten Willen zu Erben eingesetzet, oder enterbet worden seyn.

§. 2. Wenn der Vater bloß einen Vormund benennet hat, soll dieser auch Kurator des Vermögens, und wenn der Vater bloß einen Kurator des Vermögens bestimmet hat, soll er auch Vormund seyn. Eben so, wenn der Vater nur einem Kinde einen Vormund, oder nur für einen Theil des Vermögens einen Kurator benennet hat; soll er auch der andern Kinder Vormund, und der

(164) Kurator des gesammten Vermögens seyn; woferne wegen des einen oder andern kein (!) besondere Vorsehung gemacht worden.

§. 3. Fremde Erblasser können zwar einem Kinde für das Vermögen, daß (!) sie demselben im lezten (!) Willen zugewendet auch einen Kurator benennen: Doch gehört von dem übrigen Vermögen des Kindes nichts unter diese Kuratel, wenn es gleich von eben dem Erblasser durch Schenkung dem Kinde zugekommen ist, ausser es wäre bei der Schenkung ausdrücklich bedungen worden.

(165) §. 4. So lang eine letztwillige Vormundschaft gehoffet wird, oder so lang das Recht eines solchen Vormunds währet, können die Anverwandten auf dieselbe keinen Anspruch machen. Wenn aber kein letztwilliger Vormund benennet worden, oder diese Vormundschaft nicht zur Wirkung gelanget, oder nachher aufhöret; berufen die Gesetze dazu die Anverwandten männlichen Geschlechts, und unter diesen vorzüglich den Nächsten.

§. 5. Für den nächsten ist zu halten derjenige, welcher unter denen, die sich gemeldet, oder wenn sich keiner gemeldet

(167) unter denen, die dem Gerichte bekannt sind, der nächste ist. Das Gericht hat diese Anmeldung nicht länger als durch 14 Tage abzuwarten. Hat binnen derselben sich ein tauglicher nicht gemeldet, oder die Verwandschaft (!) nicht erwiesen; so ist dem bekannten nächsten Verwandten, oder in dessen Ermanglung auch einem Fremden die Vormundschaft aufzutragen.

§. 6. Wenn jedoch die Vormundschaft einem Fremden aufgetragen worden, so ist jedem Anverwandten, und wenn der Auftrag einem enfernteren Anverwandten geschehen, jedem näheren sich binnen einem Jahre zu melden gestattet: Nach

(168) Verlauf des Jahres kann der bestellte Vormund nicht verdrungen (!) werden, als wenn derjenige, der sich so spät meldet, ein rechtmässiges Hinderniß, wegen dessen er sich nicht früher melden konnte, erweist.

§. 7. Dem Gerichte aber bleibt in Fällen, wo das Wohl des Waisen es fodert (!), allezeit vorbehalten, einem binnen diesem Jahre, oder auch nachher ihm bekannt gewordenen Anverwandten die Vormundschaft aufzutragen, und den bisherigen Vormund zu entlassen. Auch der Vormund selbst ist befugt, wenn immer ein näherer Anverwandter gefunden wird, seine Entlassung zu begehren.

(169) §. 8. Während des Jahrganges kann der Vormund zu Abtrettung (!) der Vormundschaft nicht verhalten werden. Wenn jedoch beide damit zufrieden sind; oder noch nichts in Vormundschaftsgeschäften gehandelt worden, oder das Wohl der Waisen die Abtrettung (!) ohne Aufschub fodert (!); so ist es der Behörde überlassen; auch unter dem Jahre zu einer Abände(rung) zu schreiten.

§. 9. Ein Verwandter, dem die Vormundschaft aufgetragen wird, kann sich derselben aus der Ursache, daß er nicht der nächste sei, nicht entziehen. Er

(170) wäre dann vermögend, auf der Stelle einen näheren anzuzeigen. Wenn aber dieser untauglich ist, oder eine rechtmässige Entschuldigung hat, ist der erste schuldig, dem Auftrage sofort Folge zu leisten.

§. 10. Weibspersonen, wenn sie gleich die nächsten Verwandten sind, wären von der Vormundschaft ausgeschlossen. Nur der Mutter, Großmutter, und Urgroßmutter ist erlaubt, die Vormundschaft, wenn sie freiwillig wollen, anzusuchen. Von der Verbindlichkeit aber, dieselbe wider Willen anzunehmen, werden sie völlig enthoben.

(171) §. 11. Die Vormundschaft gebührt zuerst dem väterlichen Großvater. Nach dem väterlichen Großvater hat die Mutter, wenn sie noch im Wittibstande ist, vor allen Verwandten den Vorzug. Wäre sie aber noch minderjährig, so ist zwar indessen ein anderer Vormund zu benennen, doch muß dieser nach erreichter Großjährigkeit die Vormundschaft der Mutter abtretten (!).

§. 12. Ist die Mutter wider verehlichet, so ist auch ihr Recht erloschen, oder wenn sie nach übernommener Vormundschaft zur neuen Ehe geschritten, hat sie die

(172) Vormundschaft sogleich abzutreten. Wenn sie jedoch vor oder nach ihrer Verehlichung eine besondere Bewilligung der Behörde zu Führung der Vormundschaft erhalten hat; so kann ihr dieselbe aufgetragen, oder gelassen werden; doch unter dem Bedingnisse, daß ihr Ehemann, wenn sie nicht selbst hinlängliche Sicherheit leisten kann, das Waisengut nebst ihr versichere.

§. 13. Jeder zur Vormundschaft gelangenden Mutter soll ein Mitvormund zugegeben, und wenn dieser abgeht, wieder ersetzet werden. Diesen Mitvormund kann zwar die Mutter vorschlagen; doch

(173) beruhet es bei der Vormundschaftsbehörde, ihn zu bestättigen (!), oder einen andern, und wo es geschehen kann, einen Anverwanden (!) zu nehmen. Der Mitvormund ist, wie ein anderer Vormund die Mitvormundschaft anzunehmen schuldig.

§. 14. Wenn dem Mitvormunde entweder mit Willen der Mutter, oder vom Gerichte die Verwaltung des Waisenguts ganz oder zum Theile aufgetragen worden; ist er als ein wahrer Kurator zu betrachten. Außer dem ist die Mutter die wahre Vormünderin, welche die Verwaltung allein zu besorgen hat. Nur

(174) in Geschäften, zu deren Gültigkeit die Einwilligung der Vormundschaftsbehörde nöthig ist, soll diese nicht anders ertheilet werden, als wenn sie von dem Mitvormunde mit angesucht, oder derselbe über das Anbringen der Mutter vernommen worden.

§. 15. Dem Mitvormunde liegt ob, der Mutter nicht nur auf ihr Ersuchen in Vormundschaftsangelegenheiten beizustehen, sondern auch von selbst alles an Hand zu geben, was zum Vortheil der Waisen gereichen kann. Seine Pflicht ist weiters, die Vorkehrungen der Mutter mit Anständigkeit

(175) zu beobachten, und die wahrgenommenen Gebrechen der Vormundschaftsbehörde anzuzeigen: hingegen der Mitvormund auch weiter nicht verfänglich wird, als in soferne ihm wegen Vernachlässigung dieser Pflichten etwas zur Last fällt.

§. 16. Nach der Mutter gebührt die Vormundschaft jedem Verwandten, welcher zur Erbfolge der Waisen der nächste ist, ohne Rücksicht, ob die Verwandschaft (!) von väterlicher oder mütterlicher Seite entspringe. Sind mehrere gleich nahe vorhanden, so soll das Gericht unter ihnen wählen, allzeit aber die Vormundschaft und Verwaltung nur einem auftragen.

(176) §. 17. Wie im §. 11. wegen der Mutter verordnet worden; soll auch einem zur Zeit der anfangenden Vormundschaft noch minderjährigen Bruder, wenn er nach erreichter Großjährigkeit die Vormundschaft über die noch minderjährigen Geschwister ansucht, dieselbe übertragen werden, woferne nicht etwann der Vater das Gegentheil angeordnet hat, oder ihm andere Bedenken entgegenstehen.

§. 18. Wenn das Vermögen der Waisen in solchen Gütern besteht, wozu der alleinige Mannsstamm berufen ist; so

(177) haben jene, die vom Mannsstamme sind, vor dem andern obgleich näheren Verwandten bei der Vormundschaft den Vorzug. Nur die Mutter, die väterliche Großmutter, und die Mutter des väterlichen Großvaters sollen alsdann zugelassen werden, wann sie nicht durch die vom Landesfürsten genehmigten Familienordnungen ausgeschlossen sind.

§. 19. Haben aber die Waisen nebst den Geschlechtsgütern noch andere freie Güter, zu welchen einer von der weiblichen Seite der nächste ist; so soll diesem nicht nur die Vormundschaft und die Verwaltung der freien Güter, sondern

(178) auch der Geschlechtsgüter aufgetragen werden. Dieser Vormund aber ist verbunden, jedes Vermögen unvermengt zu erhalten, auch über jede Verwaltung besondere Rechnung zu führen. Nur alsdann soll die Verwaltung der Geschlechtsgüter einen (!) Andern besonders anvertrauet werden; wann die gemeinschaftliche Verwaltung den Waisen nachtheilig, oder sonst eine offenbare Nothwendigkeit zu einer gesonderten Verwaltung vorhanden ist.

§. 20. Weder ein leztwillig (!) benennter, noch wegen der Verwandtschaft berufener Vormund erlangt dadurch sogleich die

(179) wirkliche Vormundschaft, sondern jeder muß die gerichtliche Bestättigung (!) ansuchen, und alles das genau beobachten, was wegen andere (!) Vormünder verordnet ist.

§. 21. Bei Anlegung der Sperre soll das Gericht über alle Umstände des Verstorbenen, die in Ansehen der hinterlassenen Kinder, oder der von ihm geführten Vormundschaften eine Vorsehung fodern (!), genaue Nachricht einziehen. Auch sind die Mutter, die Großältern, und andere Verwandte unter eigener Haftung verbunden, den Todfall des Vaters, besonders wenn er außer der Gerichtsbarkeit der Behörde gestorben ist,

(180) sogleich als er denselben bekannt wird, dem Gerichte anzuzeigen.

§. 22. Ist weder ein leztwilliger (!) Vormund, noch ein Anverwandter vorhanden; so sollen die Gerichte den Waisen Vormünder bestellen. Diese Bestellung, wie auch die Bestättigung (!) der Vormünder liegt demjenigen Gerichte ob, dem der Vater zur Zeit des Todes unmittelbar unterworfen war.

§. 23. Die aufgetragene Vormundschaft erstreckt sich auf die Verwaltung des ganzen in dieser Provinz befindlichen

(181) Vermögens, unter was immer für eine Gerichtsbarkeit dasselbige gehörig sein möge. Doch muß der Vormund sich nach dem verhalten, was die Eigenschaft des Guts da, wo es liegt, fodert (!), und kann die Vormundschaftsbehörde in die dem Gerichte des Orts gehörigen Handlungen keinen Eingrif (!) machen. Hingegen das Gericht des Orts nicht befugt ist, den Vormund in der Verwaltung des daselbst gelegenen Gutes zu hindern, noch minder sich über die von der Vormundschaftsbehörde wegen dieses Guts getrofenen (!) Verfügungen einer Untersuchung anzumassen.

§. 24. Haben die Waisen Güter in mehreren Provinzen, so steht der Behörde

(182) jeder Provinz zu, über das darin gelegene Gut einen Kurator zu bestellen. Hiezu hat der leztwillig (!) benennte (!) Vormund, und nächste Anverwandte, wenn er in dieser Provinz tauglich befunden wird, den Vorzug, ob ihm gleich in der andern Provinz die Verwaltung der daselbst gelegenen Güter nicht aufgetragen worden wäre. Der in einer Provinz von dem Gerichte bestellte Vormund aber hat auf die Verwaltung der in einer andern Provinz gelegenen Güter kein vorzügliches Recht.

§. 25. So ferne die Verwaltung von Gütern in verschiedenen Provinzen in

(183) einer Person vereinbaret wird, muß jede Verwaltu(n)g besonders geführt, die Rechnung zur Behörde jeder Provinz geleget, und das Vermögen einer Provinz mit dem Vermögen der andern Provinz nicht vermengt werden. Dieses soll aber nicht hindern, daß der Uiberschuß der Einkünfte in einer, zum Besten des Waisen in der andern Provinz verwendet werden möge.

§. 26. Besteht des den Waisen in einer andern Provinz gehörige Vermögen blos in beweglichen Sachen, oder auch in gerichtlich vorgemerkten Kapitalien; so steht dessen Verwaltung der Behörde

(184) derjenigen Provinz zu, wo die liegenden Güter sind, und wenn diese in verschiedenen Provinzen liegen, oder wenn keine liegenden Güter vorhanden sind, der Behörde, welcher der Vater der Waisen untergeben war.

§. 27. Von dem wichtigen vormundschaftlichen Amte sind alle Weibspersonen mit Ausname (!) derjenigen, die oben besonders benennet worden, ausgeschlossen. Ferner sind zur Vormundschaft untüchtig alle diejenigen, welche wegen natürlicher Leibs(-) oder Gemüthsgebrechen, Krankheiten, oder unreifen Alters ihren eigenen Geschäften nicht vorstehen können.

(185) §. 28. Auch soll den wirklichen Kriegsleuten, und sämmtlichen Staatsbeamten von den Gerichten keine Vormundschaft aufgetragen werden. Wenn dieselben jedoch im lezten (!) Willen benennet worden, oder wegen der Verwandschaft (!) zur Vormundschaft berufen werden; so steht es ihnen frei, solche anzunehmen.

§. 29. Leuten, bei denen die Gefahr einer übeln, oder dem Stande der Waisen nicht angemessenen Erziehung vorhanden ist, soll die Vormundschaft ebenfalls nicht aufgetragen werden. Auch entfernet davon der Verdacht einer übeln

(186) Verwaltung überhaupt, oder wenn der Vater jemanden im lezten (!) Willen von der Vormundschaft ausgeschlossen hat.

§. 30. Wer an die Waisen einen noch streitigen Anspruch hat, oder entgegen an den die Waisen einen noch unentschiedenen Anspruch haben, soll zur Vormundschaft nicht zugelassen werden, bis der Streit geendiget ist. Wegen richtiger Ansprüche und Schuldfoderungen (!) hingegen wird niemand von der Vormundschaft ausgeschlossen. Nur muß er die Beschaffenheit der Sache dem Gerichte getreulich anzeigen, widrigens ihm die erhaltene Vormundschaft wieder abgenommen wird.

(186) §. 31. Jedermann, dem keines der vorangeführten Hindernisse im Wege steht, ist zur Vormundschaft tauglich. Wenn er jedoch eine rechtmässige Entschuldigungsursache hat: so kann er dazu wider Willen nicht gezwungen werden. Eine Ursache zur Entschuldigung ist überhaupt, wenn jemand aus der Vormundschaft wahrscheinlich Gefahr und Nachtheil zu befürchten hat. Wie dann auch alle Ursachen, wegen welcher die Vormundschaft nicht aufgetragen werden soll, als eine Entschuldigung zur Ablehnung angeführet werden können, wenn sie jemanden dennoch aufgetragen worden.

(188) §. 32. Insbesondere können sich diejenigen, die bereits ein sechzigjähriges Alter erreichet haben, von Vormundschaften entschuldigen. Eine nothwendige, entweder wirkliche, oder nächst bevorstehende Abwesenheit entschuldiget nur für die Zeit, als sie dauert.

§. 33. Auch soll ein Vater entschuldigt sein, wenn er 5 unversorgte Kinder oder unter eine (!) Obsorge stehende Enkeln hat. Eine jemanden schon aufgetragene aber weitläuftige und beschwerliche Vormundschaft entschuldiget von der zwoten. Auch von minder wichtigen Vormundschaften können mehr als drei niemanden wider Willen aufgetragen werden.

(189) §. 34. Wenn sich bei einem Vormunde nach angetretener Vormundschaft oft Umstände ergeben, die ihn entweder von deren Fortsetzung entschuldigen, oder dazu untüchtig machen; so ist auf die nämliche Art vorzugehen, als wären diese Umstände vor Antrettung (!) der Vormundschaft vorhanden gewesen.

§. 35. Einem bekanntermassen Untauglichen, wenn er gleich im letzten Willen benennet, oder der nächste Anverwandte ist, soll die Vormundschaft gar nicht aufgetragen, sondern nach den vorausgesendeten Anordnungen der Auftrag sogleich

(190) an einen andern erlassen, darin aber wegen des ersten blos im Allgemeinen sich auf erhebliche Ursachen bezogen werden. Wenn aber der Ausgeschlossene dawider Beschwerde führt, ist ihm die Ursache seiner Ausschliessung durch einen ordentlichen Bescheid bekannt zu machen.

§. 36. Jedem Vormunde ohne Unterschied, wenn er gleich einer fremden Gerichtsbarkeit unterworfen wäre, soll der Auftrag unmittelbar von der Vormundschaftsbehörde gemacht, und ihm darinn zur Antretung der Vormundschaft eine 14tägige, oder, wenn diese Zeit wegen der Entfernung zu kurz wäre, eine

(191) verhältnißmässige Frist doch ohne alle Erstreckung bestimmet werden.

§. 37. Binnen dieser Frist soll der Vormund entweder die Vormundschaft antreten, oder seine Entschuldigungsursache, und hätte er deren mehrere, alle zugleich bei der Vormundschaftsbehörde anbringen. Ist er aber einer andern Gerichtsbarkeit unterworfen, so ist genug, wenn er bei der Vormundschaftsbehörde blos die Erklärung, daß er sich entschuldigen wolle, die Entschuldigungsursache selbst aber binnen eben der Frist bei der eigenen Behörde anbringet . Und hat das Gericht, bei dem die Entschuldigungsursache

(192) angebracht worden, über deren Zulänglichkeit zu erkennen.

§. 38. Von dem Tage der freiwilligen Erklärung oder des zu Rechtskräften erwachsenen Auftrags wird der Vormund, wenn er schon unter einer andern Gerichtsbarkeit steht, in Ansehung aller Waisengeschäfte der Vormundschaftsbehörde unterworfen, ohne daß eine besondere Verzicht nothwendig ist.

§. 39. Würde aber ein Vormund dieser seiner Schuldigkeit nicht nachkommen, so ist er nach Beschaffenheit des Standes

(193) durch Geld, oder Leibsstrafen dazu anzuhalten, und für allen während seiner Weigerung den Waisen zugegangenen Schaden verantwortlich.

§. 40. Jeder Vormund, ohne alle Ausnahme, soll bei der Vormundschaftsbehörde angeloben, daß er sich der Waisen getreulich annehmen, sie zur Gottesfurcht und Tugend anführen, nach ihrem Stande zum Nutzen des gemeinen Wesens erziehen, ihr Vermögen gleich dem Seinigen besorgen, und sich in allem nach den Anordnungen der Geseze (!) verhalten wolle.

(194) §. 41. Jeder Vormund, wenn er nicht vom Erblasser im lezten (!) Willen ausdrücklich davon enthoben worden, hat das Waisengut sicher zu stellen. Doch soll sich diese Sicherstellung nicht weiter als auf dasjenige erstrecken, was dem Vormunde solchergestalt behändigt wird, daß er es allenfalls zu seinem Nutzen verwenden, oder verderben lassen könnte.

§. 42. Ob wegen dieser Sicherstellung sich an einer gerichtlichen Verpflichtung des Vormunds zu begnügen, oder ob eine mehrere, und was für eine Sicherstellung zu fordern sei, dieses wird den

(195) Vormundschaftsbehörden überlassen, welche dabei auf zweierlei bedacht sein sollen, daß weder die Waisen einer gegründeten Gefahr ausgesetzet, noch taugliche Vormünder von Annehmung der Vormundschaft abgeschreket (!) werden.

§. 43. Bei jeder Vormundschaft, auch wenn es von dem Erblasser nachgesehen, oder gar verboten worden, soll die Vormundschaftsbehörde vor deren Antretung eine ordentliche Beschreibung aller den Waisen zugehörigen Güter und Habschaften vornehmen, davon drei gleichlautende Urkunden verfassen, und eine bei den Verlassenschaftsschriften, eine bei dem Waisenbuche aufbehalten,

(196) eine aber dem Vormunde zustellen. Fällt dem Waisen in der Folge etwas zu, oder kömmt (!) etwas hervor, das in der Beschreibung nicht enthalten ist, so ist es nachzutragen; und in (!) Gegentheile wenn sich ein Abgang äussert; so ist er ebenfalls anzumerken. Die jährlichen Ersparnisse aber und die aus dem beschriebenen Vermögen sich ergebenden Zuwächse gehören in die Rechnungen.

§. 44. Der Vormundschaftsbehörde köm(m)t (!) im Allgemeinen das Recht zu, das ganze Waisenvermögen zu beschreiben. Befindet sich jedoch ein den Waisen zugehöriges liegendes Gut unter einer andern Gerichtsbarkeit, so steht dieser die

(197) Beschreibung desselben zu; jedoch ist sie schuldig der Vormundschaftsbehörde auf ihr Ersuchen eine beglaubte (!) Abschrift davon mitzutheilen. Wo in mehreren Provinzen eine abgesonderte Verwaltung geführt wird, muß die Beschreibung in jeder Provinz besonders vorgenommen, und was hernach aus einer Provinz in die andere übertragen wird, jedes Mal ab- und zugeschrieben werden.

§. 45. Die Beschreibung des Waisenvermögens ist nicht zu verschieben, wenn gleich mit der Vormundschaft eine Verzögerung sich ereignen sollte. die (!) Gegenwart des Vormunds ist dabei zwar

(198) insgemein nicht nothwendig, doch kann ihm nicht verwehret werden, derselben beizuwohnen.

§. 46. Nach dieser Beschreibung und ihrer Beschaffenheit ist das Waisenvermögen auf die unten vorgeschriebene Art dem Vormunde gerichtlich einzuantworten. Tritt in der Folge ein neuer Vormund an die Stelle des vorigen, so ist es an dem genug, wenn ihm das vorhandene Waisengut der ersten Beschreibung und der lezten (!) Schlußrechnung gemäß übergeben wird.

§. 47. Jedem Vormunde soll bei dem Antritte der Vormundschaft von der

(199) Vormundschaftsbehörde eine gerichtliche Beglaubigungsurkunde ertheilet werden, damit er sich dadurch aller Orten gehörig ausweisen könne.

§. 48. Alle Gerichtsstellen und Obrigkeiten, denen die Bestellung der Vormünder obliegt, werden hiemit verpflichtet, ein eigenes Vormundschafts- oder Waisenbuch zu errichten, und dasselbe mit aller Verläßlichkeit fortzuführen. In dieses Buch soll jede Vormundschaft, und bei derselben alles, was bei dem Antritte derselben, während ihrer Dauer, und bei ihrer Erledigung geschehen, in Kürze und mit Beziehung auf den Ort, wo darüber das nöthige

(200) Mehrere zu finden ist, auf eine Art eingetragen werden, damit sowohl das Gericht davon zu allen Zeiten Wissenschaft und Einsicht nehmen, als die Waisen nach erreichter Großjährigkeit alle ihnen dienlichen Nachrichten in beglaubter (!) Forme (!) erhalten mögen.

§. 49. Die hauptsächliche Pflicht eines Vormunds bestehet nach Inhalt des abgelegten Eides darinn, daß er die Waisen ihrem Stande gemäß und gut erziehe, auch wider alle Bedrückung schüze (!).

§. 50. Die Erziehung der Waisen nicht in der Kindheit allein, sondern so lang

(201) bis eine andere Erziehung nothwendig wird, steht der Mutter zu, auch wenn zu einer neuen Ehe geschritten wäre, wofern anders wider sie kein Bedenken ist. Wo aber auch die Waisen immer erzogen werden, ist es eine Pflicht des Vormunds darauf Acht zu tragen, und die gefundenen Gebrechen der Vormundschaftsbehörde anzuzeigen.

§. 51. Den Aufwand auf die Erziehung hat die Vormundschaftsbehörde nach den Umständen zu bestimmen: und obwohl dazu in einem letzten Willen etwas Gewisses festgesetzet ist; kann dasselbe dennoch bei befundenem offenbaren

(202) Uibermasse (!) eingeschränket, und entgegen bei dessen Unzulänglichkeit nach Kräften des Vermögens auf ein Mehreres erstrecket werden.

§. 52. Wenn die Einkünfte der Waisen zu Bestreitung ihrer Erziehung gleich nur genau zureichen; soll der Vormund doch bedacht sein, wenigstens das Haup(t)vermögen unvermindert zu erhalten. Nur dann kann dasselbe nach eingeholter Einwilligung der Behörde, ganz oder zum Theile zur Erziehung verwendet werden, wann die Einkünfte offenbar nicht zulänglich sind, und zu Erhaltung der Waisen sonst kein Rath

(203) geschaffet werden kann, oder wenn dieselben durch einen größern Aufwand in einen beständigen Nahrungsstand gesezet (!) werden können.

§. 53. Sind aber die Waisen ganz mittellos; so hat der Vormund Sorge zu tragen, damit ihrer Dürftigkeit soviel möglich abgeholfen, und nebst dem nothdürftigen Unterhalte ihnen auch die Fähigkeit verschaffet werde, sich durch Dienen ihren Unterhalt selbst zu erwerben.

§. 54. Wenn Waisen an ein anderes (!) Ort in den Erbländern versendet werden sollen: kann es mit Bewilligung der Behörde

(204) geschehen. Bei einer Versendung außerhalb der Erbländer aber ist sich nach den politischen Verordnung (!) zu halten.

§. 55. Die Pflicht des Vormunds als Kurator des Vermögens fodert (!), daß er das ihm anvertraute Vermögen als ein getreuer und fleisiger (!) Hausvater verwalte, und alle sowohl gerichtliche als aussergerichtliche Geschäfte im Namen der Waisen mit Redlichkeit besorge.

§. 56. Die Waisen selbst sind nicht befugt von ihrem dem Vormunde anvertrauten Vermögen ohne Einwilligung desselben etwas zu veräussern, oder zu beschweren, noch eine auf die Verminderung

(205) dieses Vermögens gerichtete persönliche Verbindung einzugehen. Alle Handlungen dieser Art sind ungültig, und wirkungslos; und muß das Veräußerte sammt Nutzungen, Zinsen, Schaden und Unkösten zurückgestellet werden. Wenn jedoch der andere Theil dem Waisen etwas gegeben; so kann er dieses, so weit es noch vorhanden, oder zu des Waisen Nutzen verwendet worden, zurückfodern (!).

§. 57. Hat der Waise eine Handlung vorgenommen, die eine Verbindlichkeit von beiden Seiten nach sich zieht; so wird weder der Waise dem andern, noch dieser dem Waisen eher verbunden, bis der

(206) Vormund die geschlossene Handlung genehmhält. Hingegen hat eine vom Waisen vorgenommene Handlung, die zu dessen einseitigem Vortheil gereichet, auch ohne Einwilligung des Vormunds sogleich ihre vollkommene Gültigkeit.

§. 58. Wenn der Waise ein erhaltenes Darlehen ganz oder zum Theile wieder erstattet hat; kann er solches nicht mehr zurückfodern (!). Auch ist er zur Zahlung eines im minderen Alter empfangenen Darlehens verbunden, wenn er nach erreichter Großjährigkeit wohlwissend, daß er zu dessen Zahlung nicht verpflichtet ist, dasselbe zu zahlen freiwillig versprochen hat. Die nach erreichter Großjährigkeit

(207) geschehene Zahlung der Zinsen hingegen macht ihn weder zur Zahlung des Kapitals, noch die Zahlung eines Theils vom Kapital zur Zahlung des Uiberrestes verbindlich.

§. 59. Wird einem Waisen von seinen Einkünften zu seinem Unterhalte eine gewisse Summe in die Hände gegeben, wenn ihm zu seinem Bedürfnisse oder Nutzen Sachen angeschaffet werden, und in seinen Händen sind, so hat er mit diesen Summen und Sachen die freie Schaltung. Auf die noch nicht in die Hände bekommenen Summen aber vorhinein Schulden zu machen, ist er nicht berechtiget.

(208) §. 60. Waisen sind befugt, auch ohne Einwilligung des Vormunds sich zu Diensten und Arbeiten zu verdingen. Doch steht dem Vormunde das Recht zu, dieselben nach Vorschrift der Dienstbothenordnung, aus dem Dienste zurückzufodern (!).

§. 61. Wenn Waisen, die sich zu einem Dienste oder in einer Arbeit verdungen haben, Schulden machen, wenn sie in Dienst (!), und Gewerbssachen mit einem andern eine Verbindlichkeit eingehen, oder den andern Kontrahenten in Schaden versezen (!); kann dieser wider ihre Personen und an ihrem Verdienste sich

(209) aller Rechte gebrauchen, die der Vertrag mit sich bringt; das unter der vormundschaftlichen Verwaltung stehende Vermögen dieser Waisen aber kann deswegen nicht angesprochen und vermindert werden.

§. 62. Wenn den Waisen eine Erbschaft anfällt; ist der Vormund dieselbe weder anzutretten (!), noch auszuschlagen befugt, ohne darüber ein gerichtliches Inventarium errichtet zu haben.

§. 63. Sind zwischen dem Vormunde und den Waisen Rechtsstreitigkeiten vorhanden, so muß den Waisen ein besonderer Vertreter bestellet werden: dieser tritt

(210) inzwischen in die vollen Pflichten des Vormunds ein. Dieses wird auch in allen gerichtlichen und aussergerichtlichen Handlungen geschehen, wo wegen des zugleich mit unterlaufenden Vortheils des Vormunds der Nutzen der Waisen ausser Acht gelassen werden könnte.

§. 64. Wenn zwischen mehreren Waisen, die der Obsorge des nämlichen Vormunds übergeben sind, Rechtsstreitigkeiten entstehen, oder sonst Geschäfte vorfallen, wo beidseitiger Vortheil und Schaden verflochten ist, soll vom Vormunde keiner von beiden vertreten, sondern jedem ein eigener Vertreter gegeben werden.

(211) §. 65. Minder beträchtliche Vormundschaftsgeschäfte können vom Vormunde auch ohne Einwilligung der Behörde geschlossen werden. Geschäfte von größerer Wichtigkeit aber sind ganz und gar ungültig, wenn die Einwilligung der Behörde dazu nicht eingehollet (!) worden. Unter diese Geschäfte von Wichtigkeit gehören die Veräusserung liegender Güter, die Abtretung oder Aufkündigung vorgemerkter Foderungen (!), der Ankauf liegender Güter, oder kostbahrer Fahrnisse, die Eingehung eines Vergleichs in einem wider die Waisen anhängigen Rechtsstreite, die Fortsetzung oder Aufhebung einer den Waisen zugehörigen

(212) Fabrike, Handlung oder eines andern Gewerbs, die Einschuldung der Waisen, und alles, was zu Verminderung ihres Vermögens gereichen kann.

§. 66. Wenn unter dem beweglichen Vermögen der Waisen etwas ist, was als ein besonderes Denkmal bei der Familie zu bewahre(n), oder desse(n) Aufbewahrung durch letztwillige, oder andere Anordnungen anbefohlen worden, oder, was den Waisen dereinst nützlich sein kann, und nicht leicht wieder zu haben ist; so soll es nicht veräussert werden. Entsteht darüber ein Zweifel; so hat die Vormundschaftsbehörde darüber zu entscheiden.

(213) §. 67. Sowohl dasjenige, was aufzubehalten, als was zu veräussern befunden wird; soll gerichtlich geschätzet, und die Preise der gerichtlichen Beschreibung beigefüget werden. Könnte jedoch die Schätzung sogleich nicht ohne grossen Aufwand geschehen, so kann sie auch bis zur wirklichen Veräusserung oder Erbtheilung verschoben werden.

§. 68. Alles, was von dem Waisenvermögen aufbehalten werden soll, ist dem Vormunde einzuhändigen, oder an einem sichern Orte beizulegen. Das übrige ist entweder da, wo es befindlich ist, oder wo es am vortheilhaftesten verkauft werden

(214) kann, durch gerichtliche Feilbietung bald möglichst zu veräussern, ausser wenn es Sachen sind, die mit der Zeit bessere Käuffer (!) finden, oder durch längere Aufbewahrung im Werthe steigen werden. Was bei der gerichtlichen Feilbietung ohne Käufer liegen bleibt, davon ist dem Vormunde der Verkauf allenfalls auch unter dem Schätzungspreiße (!) zu überlassen.

§. 69. Alle den Waisen zugehörigen Schuldbriefe, Quittungen und andere Urkunden, wie auch Juwellen (!) und andere Kostbarkeiten sollen in gerichtliche Verwahrung genommen, von den Urkunden dem Vormunde Verzeichnisse und

(215) Abschriften mitgetheilt, die Urschriften selbst aber nicht eingehändiget werden, als wenn es die Umstände fodern (!).

§. 70. Wenn der Vormund ein Kapital aufgekündet hat, oder ein Kapital vom Schuldner aufgekündet worden, und das Geld nicht auf eine andere Art, wie §. 73. verordnet, nützlicher verwendet werden kann, so liegt ihm ob, dasselbe wieder sicher anzulegen. Wenn er keinen sichern Ort ausfindig machen kann, ist dieser Umstand wenigstens vier Wochen vor der Zahlungszeit der Behörde anzuzeigen. Die Behörde aber hat entweder durch öffentliche Kundmachung das Kapital auszubieten, oder auf andere

(216) Art vorzubeugen, damit das Geld nicht unfruchtbar liegen bleibe.

§. 71. Zu Erhebung eines Kapitals, welches zurückgezahlet werden soll, muß der Vormund von der Behörde eine besondere Verordnung bewirken, und solche bei der Erhebung beibringen. Ohne dieser (!) Verordnung soll die vom Vormunde ausgestellte Quittung bei keinem Gerichte zur Einverleibung angenommen, auch dem Vormunde das Kapital von dem Schuldner nicht anders, als auf eine eigene Gefahr ausgezahlet, sondern auf Unkosten des Vormunds zu Gerichtshänden erleget werden.

(217) §. 72. Wenn in einem den Waisen zugehörigen Schuldbriefe ein Unterpfand behörig (!) verschrieben, aber noch nicht vorgemerket worden; so ist dasselbe unversäumt zur gerichtlichen Einverleibung zu bringen. Wo kein Unterpfand verschrieben ist, soll eines anbegehret, oder, wenn es nicht erlanget werden kann, die Schuld eingetrieben, auch, wenn inzwischen eine Gefahr bevorsteht, auf die Sicherheit der Waisen, wie es am füglichsten geschehen kann, gedacht werden. Unverbriefte Ausstände und Forderungen aber kann der Vormund auch ohne besondere Bewilligung selbst erheben, und wenn sie streitig sind, zu berichtigen suchen.

(218) §. 73. Erübrigte Baarschaft, weiters eingehende Gelder und Ersparnisse von dem Waisenvermögen sind verzinslich anzulegen. Doch soll solches Geld vorzüglich zu Tilgung der Waisenschulden, und zur Befreiung des Waisenguts von den darauf versicherten Haftunge(n) verwendet werden. Nach getilgten Schulden ist weiters zu sehen, ob bei dem Waisengute nicht eine Verbesserung vorgenommen, oder das Geld auf eine andere Art einträglicher gemacht werden könnne (!).

§. 74. Der Vormund hat für allen Schaden zu haften, der den Waisen aus seiner

(219) Schuld oder Verwahrlosung zugeht. Und wenn er einer wahren Gefährde überwiesen wird, ist er auch der Vormundschaft zu entsetzen und dem Verbrechen gemäß zu bestrafen.

§. 75. Für die Schuld derjenigen, deren sich der Vormund bei Verwaltung der Waisengeschäfte bedienet, wird er nicht verbindlich. Doch hat er über begangene Fehler, von denselben die Verantwortung einzuholen, der Vormundschaftsbehörde darüber die Auskunft zu erstatten, auch den Ersatz des Schadens pflichtmässig einzutreiben. Woferne ihm aber in der Auswahl der angestellten, oder im (!) Beibehaltung der untauglich

(220) befundenen Beamten, oder in Eintreibung des Ersatzes, den sie zu leisten schuldig sind, eine Nachlässigkeit zur Last fällt; muß der den Waisen dadurch verursachte Schaden von ihm vergütet werden.

§. 76. Wenn ein Erblasser die Vormundschaft zwischen mehrere vertheilet hat; hat jeder mehr nicht sicher zu stellen, noch für mehr zu haften, als was ihm zur Verwaltung anvertrauet werden. Gerichtsstellen aber sollen die Vormundschaft nur dann unter mehrere vertheilen, wann die Zerstreuung oder Weitläufigkeit des Waisenvermögens, oder die Beschaffenheit der vorfallenden

(221) Geschäfte es fodert (!). Bei mehreren Vormündern ist für den eigentlichen derjenige zu halten, dem die Personen der Waisen anvertrauet worden: die übrigen sind nur als Kuratoren des Vermögens, oder als Gehilfen anzusehen.

§. 77. Jeder Vormund muß Rechnung legen, auch der leibliche Vater, und ohne darauf zu sehen, daß er vielleicht durch lebzeitige, oder leztwillige (!) Anordnung desjenigen, von dem das Vermögen, welches verrechnet werden soll, an die Waisen gelanget ist, ausdrücklich davon wäre entbunden worden.

(222) §. 78. Die Vormundschaftsrechnung soll jedes Jahr geleget werden. Uiberhaupt soll die Rechnung so eingerichtet sein, daß daraus die Einnahme und Ausgabe, und der ganze Vermögensstand des Waisen entnommen werden möge. Sowohl der Empfang, wenn er nicht aus der Rechnng deutlich erhellet, als die Ausgaben, wenn sie über einen Gulden betragen, müssen mit Beilagen bewähret werden.

§. 79. Wirthschafts(-) und andere besondere Rechnungen sind beizulegen. Doch ist aus denselben nicht mehr in die Vormundschaftsrechnung zu ziehen, als was

(223) daher empfangen, oder dahin verwendet worden.

§. 80. Diese Rechnungen sind nach der bestehenden Vorschrift zu untersuchen, und zu erledigen. Bei der Erledigung soll alles, was dem Waisen von dem Vormunde, oder dem Vormunde von dem Waisen bedingt oder unbedingt zu ersetzen ist, deutlich ausgedrückt werden.

§. 81. Außer dem, was bestimmt ausgedrückt ist, kann in Ansehen der Vormundschaftsrechnung weder der Vormund an den Waisen, noch der Waise an dem (!) Vormund weiter eine Foderung (!) stellen. Wenn jedoch in der Rechnung ein

(224) Verstoß (error calculi) geschehen, wenn entweder bei der Einnahme oder bei der Ausgabe in Ansetzung oder Auslassung einer Post ein offenbarer Irrthum unterläuft; soll dieses niemanden weder zum Schaden, noch zum Vortheile gereichen. Hätte aber ein Vormund wissentlich etwas zurückgehalten, so ist er nicht nur wie jeder unrechtmässiger Besitzer zur vollkommenen Entschädigung zu verhalten, sondern nach Größe des Betrugs und Verbrechens zu bestrafen.

§. 82. Wenn der Vormund sich durch die Erledigung der Rechnung beschwert findet, und die Beschwerde eine Förmlichkeit der Rechnung betrift (!), kann er sich

(225) an den obern Richter wenden. Ist ihm aber eine Vergüttung (!), die er fodert (!), abgeschlagen, oder ein Ersatz, den er nicht schuldig zu sein glaubt, aufgebürdet worden; soll er für den Waisen einen Kurator begehren, und mit diesem die Angelegenheit vor der Vormundschaftsbehörde abthun.

§. 83. Bei Vormundschaften aus der Volksklasse, wo das Vermögen nicht beträchtlich, und daher sowohl dasselbe als die Rechnung nicht leicht einer Verwirrung unterworfen ist, muß von der Vormundschaftsbehörde für die Sicherheit des Waisenvermögens und dessen Benutzung zwar ebenfalls gesorget, in

(226) der Verrechnung Empfang und Ausgabe ordentlich angesezt (!), überhaupt aber sich an einer dem Begriffe des gemeinen Mannes angemessenen Rechnungsart begnüget, und die Rechnung auf die leichteste und kürzeste Art erlediget werden.

§. 84. Die Billigkeit fodert (!), ämsige(!) Vorminder (!) zu belohnen. Diese Belohnung soll von der Vormundschaftsbehörde nach den Umständen, besonders nach der je größeren oder kleineren Mühe bei der Erziehung der Waisen, bei der Verwaltung des Vermögens, und bei Erhebung der Einkünfte bestimmet, doch niemals höher als mit fünf vom

(227) Hundert der reinen Einkünfte angemessen, und in keinem Falle der Betrag von vier tausend Gulden überschritten werden.

§. 85. Wo das Vermögen der Waisen so gering ist, daß wenig oder nichts in jährliche Ersparung gebracht werden kann; da ist der Vormund die Vormundschaft in der Zwischenzeit unentgeltlich zu führen schuldig. Zeigt sich dann am Ende derselben, daß ein klarer Zuwachs erübriget, oder wenigstens das Vermögen unvermindert erhalten, oder die Waisen durch gute Erziehung in den Stand gesezet (!) worden, ohne Verringerung ihres Vermögens sich selbst zu unterhalten;

(228) so ist dem Vormunde eine mässige Erkenntlichkeit zuzuerkennen.

§. 86. Ein Vormund, der dafürhält, eine Belohnung fodern (!) zu können, wenn demselben keine zugesprochen worden, hat, seine Foderung (!) gelten (!) zu machen, eine Frist von drei Jahren. Wäre aber die ihm ausgeworfene Belohnung im Verhältnisse zu §. 84. berührten Umständen zu gering, oder zu übermässig; so steht im ersten Falle dem Vormunde binnen 14 Tagen, und im lezten (!) Falle den Verwandten der Waisen binnen einem Jahre vom Tage der Erledigung der Rechnung frei, bei dem obern Richter Beschwerde zu führen.

(229) §. 87. Wenn ein Minderhähriger sich verehlichet, ist ihm ein anständiger Betrag zu standesmässigem Unterhalte auszumessen. Im übrigen befreiet die Verehlichung nicht von der Vormundschaft, und hängt es bei einer verehlichten minderjährigen Weibsperson von der Behörde ab, sie unter der vorigen Vormundschaft zu lassen, oder die Vormundschaft ihrem Ehegatten aufzutragen.

§. 88. Mit Vollendung des vier und zwanzigsten Jahres erreicht der Minderjährige die Großjährigkeit, mit welcher die Vormundschaft geendiget wird. Die Vormundschaftsbehörde hat daher insgemein

(230) den Waisen auf sein Anlangen sogleich für Großjährig (!) zu erklären. Wenn aber Leibs- oder Gemüthsgebrechen ihn zur Selbstversorgung seines Vermögens unfähig machen; soll, ungeachtet der erreichten Großjährigkeit die Vormundschaft über ihn noch vorgesetzet (!), und dieses von der Vormundschaftsbehörde überall, wo es nöthig ist, kundgemacht werden.

§. 89. Wird hingegen ein Minderjähriger, auch vor erfüllten vier und zwanzigsten Jahre seine Geschäfte selbst zu besorgen fähig befunden; so ist der Vormundschaftsbehörde im Allgemeinen die Macht eingeräumt, einem solchen auf sein,

(231) seiner Verwandten, oder seines Vormundes Ansuchen, die Nachsicht des Alters zu ertheilen, und sein Vermögen einzuantworten. Doch muß der Vormund, wenn er nicht selbst um die Nachsicht ansuchet, allzeit vor Verleihung derselben vorgenommen werden.

§. 90. Wenn ein Vormund sich verdächtig macht, aus Arglist oder Nachlässigkeit etwas zu thun, was seinen Pflichten entgegen ist, oder etwas zu unterlassen, was seine Pflicht fodert (!); so soll die Vormundschaftsbehörde alles vorkehren, was sie zur Sicherheit der Waisen dienlich (!) finden wird. Ein Vormund aber, der einer übeln Verwaltung oder

(232) Untreue überwiesen wird, ist der Vormundschaft sogleich zu entsetzen.

§. 91. Jeder Vormund, der aufhört, Vormund zu sein, wie auch der Erb eines verstorbenen Vormunds muß die Schlußrechnung legen. Wenn ein Vormund gestorben, oder von amtswegen der Vormundschaft entfernet wird, ist von dem Gerichte wegen Verwaltung des Waisenguts unversäumte Vorsehung zu treffen. Außer diesen Fällen liegt dem gewesenen Vormunde ob, die Verwaltung des Vermögens so lang fortzuführen, bis das Vermögen dem nachfolgenden Vormunde, dem Großjährigen oder den Erben des Waisen eingeantwortet werden kann.

(233) §. 92. Die Schlußrechnung ist gerichtlich aufzunehmen, und zu erledigen, auch dem großjährig Gewordenen sein Vermögen nach Ausweis derselben einzuantworten. Würde aber die Schlußrechnung durch Umstände aufgehalten; so kann die Einantwortung des Vermögens auch vor derselben vorgenommen, und das Uibrige nach berichtigter Schlußrechnung nachgetragen werden.

§. 93. Wo sich wegen Ersatz eines von dem Vormunde den Waisen zugefügten Schadens weder an dem Vormunde, noch dessen Bürgen, noch sonst an jemanden

(234) erholet werden kann, hat die Vormundschaftsbehörde, falls von ihrer Seite eine Gefährde oder Schuld untergelaufen ist, gut zu sein. Für einem (!) Schaden aber, den die Vormundschaftsbehörde durch ihre üblen Verfügungen den Waisen selbst zugezogen, hat sie unmittelbar zu haften. In beiden Fällen jedoch fällt der Ersatz dieses Schadens nur auf jene Mitglieder der Vormundschaftsbehörde, die an demselben Ursache gewesen sind.

§. 94. Nach gepflogener Berichtigung soll dem gewesenen Vormunde, oder dessen Erben eine gerichtliche Urkunde gegeben, in derselben die vollständige Uibergabe

(235) des Vermögens bezeuget, und der Vormund von allen ferneren Ansprüchen im Betreff der geführten Vormundschaft losgezählet werden.

§. 95. Wenn jemand durch Leibs- oder Gemüthsgebrechen, oder durch andere Zufälle außer Stand gesetzt wird, seine Geschäfte zu besorgen; so ist ihm ein Kurator zu bestellen. Gebrechliche aber, die durch ihre Gebrechlichkeit, von dem Zustande ihrer Angelegenheiten Kenntniß zu nehmen, und ihren Willen darüber zu erklären, nicht gehindert werden, oder solche, welche in eine Gemüthsschwachheit nur zu gewisser Zeit verfallen, in heitern Zwischenstunden

(236) aber für die Zeit des ihnen zustossenden Uibels das Nöthige anordnen können; bedürfen keines Kurators, außer wenn sie selbst darum ansuchen.

§. 96. Alles, was in Ansehung der Vormünder geordnet worden, ist nach Maaß und Umständen auch bei derlei Kuratorn zu beobachten. Die Kuratel dauret aber solang, bis derjenige, über den sie verhänget worden, zeigen kann, das (!) die Ursache, wegen welcher sie verhänget worden, aufhöre.

§. 97. Auch Abwesenden hat das Gericht, wenn ihm die Anzeige der Abwesenheit

(237) gemacht wird, einen Kurator zu bestellen, wenn sie entweder keinen Bevollmächtigten zurückgelassen, oder dieser ausser Stand ist, ihre Geschäfte zu besorgen und wenn ihnen wegen ihres unbekannten, oder weit entfernten Aufenthalts Nachteil (!) bevorsteht.

§. 98. Diesem Kurator liegt ob, den Aufenthaltsort des Abwesenden, wo möglich auszuforschen, denselben dem Gerichte anzudeuten, auch dem Abwesenden selbst die Nothwendigkeit, daß er wegen seiner Sachen Vorsehung treffe, vorzustellen. Bis diese erfolgt, ist er schuldig, die ihm aufgetragene (!) Geschäfte behörig (!) zu verwalten, auch

(238) bei länger dauernden Abwesenheit, und wenn die Natur die (!) Geschäfte es fodert (!), über das ihm anvertraute Vermögen jährliche Rechnung zu legen.