Codex
Maximilianeus Bavaricus, Civilis
Oder
Neu Verbessert- und Ergänzt- Chur-Bayrisches Land-Recht,
Welches
Alle zur Bürgerlichen Rechts-Gelehrsamkeit gehörige Materien, so viel nicht
schon in dem bereits Ao. 1751. respectivè 1753. neu-eröfneten Codice Criminali
und Judiciario besonders hievon enthalten ist, sowohl (!) nach denen Gemein-
als Statutarischen Rechts-Grundsätzen, mit durchgängiger Applicirung der
Ersten. auf die Letztere, wie auch mit nöthiger Entscheid, oder Supplirung
deren vorhin entweder in Thesi strittig und zweifelhaft oder defectuos
befundener Stellen benebst dem am Ende beygefügten Lehen-Recht in sich
begreift, Sohin mit Einschluß obgedacht- neuer Gerichts- und Criminal-Ordnungen
ein kurz- deutlich- ordentlich- und vollständiges Systema juris privati
universi, Wie solches in hiesigen Chur-Landen dermahlen üblich und eingeführt
ist, In IV. Theilen, XLIX. Capituln, Doch allerweegen in ganz natürlich- und
ungezwungnen Zusammenhang darstellt.
München,
gedruckt von Johann Jacob Vötter, Churfürstl. Hof- und Landschaft-Buchdruckern,
im Jahr 1756.
Von Gottes Gnaden Wir Maximilian Joseph, in Ober- und
Niedern-Bayrn, auch der Obern-Pfalz Herzog, Pfalz-Graf bey Rhein, des Heil.
Römischen Reichs Erz-Truchseß, und Churfürst, Land-Graf zu Leuchtenberg etc.
etc. Entbieten Männiglich Unseren Gruß und Gnade zuvor. Uns ist in Folge der
seit einigen Jahren mit viel ersprießlichen Success. unternommener
Land-Rechts-Revision hierbey kommender Aufsatz eines neuen Codicis Civilis zur
Gnädigsten Ratification und Begnehmung gehorsamst vorgelegt worden, welchen Wir
auch Unserer bey dem Werk geführter Absicht um so mehr gemäß zu seyn befinden,
als hierinn. eben nicht viel Neues enthalten, sondern nur das ältere sowohl
gemein- als statutarische Recht, wie solches in hiesigen Chur-Landen bishero
meistentheils
gangbar und üblich gewest, aus seiner fast
unübersehlicher Weitschichtigkeit und höchstbeschwerlicher Unordnung in solche
Gestalt und Ende gebracht worden ist, daß es auch jeder, welcher selbes
entweder von Amts- oder eigner Angelegenheit wegen. zu wissen bedarf, desto
leichter begreiffen, behalten und befolgen kan.
In dieser wohlbedächtlich-Gnädigster Erwegung, und da
sowohl Unsere sammentliche Justiz-Dicasteria, als Gemeiner lieb- und getreuer
Landschafts-Verordnete mit ihrem hierüber erstatteten Räthlichen Gutachten
gleichfalls mit einverstanden seynd, haben Wir sothanen Aufsatz. nach Selbst
genommener höchster Einsicht und reiffer Uberlegung (!) seines völligen
Innhalts durchaus Gnädigst bestättiget. Setzen, ordnen und wollen auch hiermit,
daß man solchen in Unseren sammentlichen Chur-Landen, mit Einschluß der
Oberen-Pfalz, und all anderer Uns zugehöriger Herrschaften und Landereyen,
genau beobachte, sowohl bey hoh- als niederen Gerichten in denen daselbst vorfallenden.
Streithändlen pflichtmäßig. hierauf spreche und erkenne, jedoch soviel das Jus
novum betrifft, wodurch nemlich entweder etwas ganz Neues verordnet, oder das
ältere bisher üblich geweste Recht abgeschafft worden, erst auf
nächstkünfftigen ersten Tag Junii den Anfang damit mache; im. Übrigen hingegen,
wo das Vorige nur wiederholt, bestättiget, oder
in Thesi dubia & controversa declarirt wird, sich
gleich von nun an. in Erörterung deren sowohl künftig- als gegenwärtig- und
vergangener Handlungen, so weit nemlich diese letztere noch nicht abgeurtheilt,
und in rem judicatam. erwachsen seynd, hiernach regulire, endlichen auch die
mit der Zeit vorfallende erhebliche Dubia Juris in Thesi, welche sich wieder
Verhoffen ex Mente vel Verbis Legis nicht füglich heben liessen, aus denen
gemein- geschrieben- natürlich- und andern ehemahligen Rechts-Principiis, wie
es jede Obrigkeit ihrem besten Wissen und Gewissen nach gleichwohl (!) selbst
finden wird, ohne weiterer Rückfrag (!) gebührend entscheide. Gegeben in Unserer
Residenz-Stadt München den 2ten Januar. Ao. 1756.
Ex Commissione Seren(issi)mi Domini
D(omi) ni Ducis & Electoris speciali.
L(oco) S(igilli)
Philipp
Carl von Delling, Churfürstl. Hof-Rath und Geheimer Secretarius.
Summarischer Innhalt Deren in sammentlichen vier
Theilen befindlicher Capituln.
Erster Theil.
Cap. 1. Von der Rechts-Gelehrsamkeit, und
Gerechtigkeit, dann denen Rechten und Pflichten überhaupt.
2. Von dem Unterschied der Rechten.
3. Von Rechten und Pflichten der Personen in Ansehen
ihrer verschiedener Ständen.
4. Von dem Haus- oder Familien-Stand.
5. Von Vätterlicher Gewalt.
6. Von dem Ehestand.
7. Von Pfleg- und Vormundschaften.
8. Von der Leibeigenschaft.
Zweyter Theil.
1. Von denen Pflichten und Rechten in Ansehen Haab und
Guts überhaupt.
2. Von dem Eigenthum.
3. Von der Art und Weis das Eigenthum zu erlangen.
4. Von der Verjährung.
5. Von dem Innhaben.
6. Von Unterpfanden.
7. Von Dienstbarkeiten überhaupt.
Cap. 8. Von Haus- und Feld-Dienstbarkeiten, dann
anderen ähnlichen Gerechtigkeiten.
9. Von der Nutzniessung
10. Von dem Zehend-Recht.
11. Von Frohn- und Scharwerks-Diensten.
Dritter Theil.
1. Von der Succession und Erbschaft überhaupt
2. Von letzten Willen überhaupt.
3. Von Testamenten überhaupt.
4. Von privilegirt- und anderen besonderen Testamenten.
5. Von Codicillen.
6. Von Vermächtnussen oder Legatis überhaupt.
7. Von allerhand besonderen Vermächtnussen.
8. Von Schankungen unter Lebendigen und von Tod-wegen.
9. Von gemeinen Fideicommissen.
10. Von Geschlechts- oder Familie-Fideicommissen.
11. Von bedungener Erbschaft, insonderheit von
Erbschafts-Verzichten und Regress-Sprüchen.
12. Von natürlicher Erbfolg oder Succession ab
Intestato.
Vierter Theil.
1. Von der Convention und denen hieraus entspringenden
Pflichten überhaupt.
2. Von Contractibus nominatis und realibus, nemlich von
Mutuo, Commodato, Precario, Deposito, Sequestro, Pignore.
3. Von Contractibus Consensualibus, sonderbar dem
Kauf.
4. Von allerhand besonderen Käuffen.
5. Von dem Einstand, sonderbar bey dem Kauf.
Cap. 6. Von dem Ding- Stift- Mieth- Pacht- oder
Bestands-Contract
7. Von dem Contractu Emphyteutico, sonderbar dem
Erb-Recht, Leib-Geding, Neustift, Herrn-Gunst oder veranleiteter Freystift, und
anderen ähnlichen Handlungen.
8. Von dem Compagnie- oder Associations-Contract.
9. Von der Vollmacht und anderen ähnlichen Handlungen.
10. Von Contractibus Verbalibus, nemlich der
Stipulation und Bürgschaft.
11. Von dem Contractu Litterali oder Chirographario.
12. Von Contractibus innominatis, sonderbar von dem
Tausch, und Contractu æstimatorio, dann dem Spiel, Wettung, Wechsel, und
dergleichen Conventionen.
13. Von Quasi-Contractibus, besonders der Negotiorum
Gestione, Communione, Lege Rhodiâ, Solutione Indebiti, ob turpem Causam, Causâ
datâ Causâ. non secutâ, und dergleichen.
14. Von der Bezahlung.
15. Von denen übrigen Arten die Verbindlichkeit
wiederum aufzuheben,
benanntlich der Compensation, Confusion, Novation, Delegation, Satisfaction,
Assignation, Liberation, Renunciation, Contravention, Mutation, in integrum
Restitution &c.
16. Von Verbrechen und der hieraus entspringender
Verbindlichkeit.
17. Sonderbar von der Schmach.
18. Von dem Lehen-Recht.
(1) Erster Theil Des Neuen Chur-Bayrischen
Land-Rechts.
Erstes Capitul
Von der Rechts-Gelehrsamkeit und Gerechtigkeit, dann
denen Rechten und Pflichten überhaupt.
Was die Rechts-Gelehrsamkeit seye?
§. 1. Die Rechts-Gelehrsamkeit oder Jurisprudenz
bestehet nicht nur in gründlicher Känntnus. deren Rechten, sondern auch in
richtiger Anwendung derselben auf die vorkommende Fälle.
Und die Gerechtigkeit, oder Justitz?
§. 2. Unter der Gerechtigkeit wird allhier nur die
Ubereinstimmung der Handlung mit dem Recht verstanden.
(2) Dann das Recht.
§. 3. Das Recht hat zwar unterschiedliche Bedeutungen,
hier aber bedeutet es ein Gesätz, das ist, ein Oberherrschaftliches Gebott,
welches in Sachen das gemeine Beste betreffend dem Unterthan vorgeschrieben
ist.
Samt der hieraus entspringenden Verbindlichkeit und
Befügnuß.
§. 4. Hieraus entspringet die menschliche Pflicht und
Verbindlichkeit nicht nur in Ansehen des Gesätzgebers, sonder auch gegen all
Jene, welche aus dem Gesätz entweder mittel- oder unmittelbar eine rechtliche
Befügnus zu etwas erlangt haben.
Was hierzu erforderlich?
§. 5. Auf Seiten des Jenigen, welchem durch Recht und
Gesätz ein Auftrag geschehen soll, werden die dahin erforderliche Kräfften des
Verstands und Willens allzeit vorausgesetzt.
Promulgation eines Gesätz.
§. 6. Solchemnach muß das Recht offentlich kundbar
gemacht seyn, damit es jeder wissen und erfahren kan.
Unwissenheit desselben.
§. 7. Dahero auch die Unwissenheit, welche durch
gebührenden Fleiß und Aufmerksamkeit nach Gestalt der Person und Umständen wohl
vermieden werden kan, oder soll (Ignorantia crassa, affectata, &
vincibilis) Niemand vorträglich seyn mag, ausser wo es die Rechten specialiter
zulassen.
Erstreckung des Gesätz auf das gegenwärtig und
vergangene,
§. 8. Es erstreckt sich aber das Gesätz nur auf
zukünftige, nicht auf gegenwärtig- und vergangene Fälle, ausgenommen in blosen
Erläuterungen eines vorhin schon zweifelhaft gewesten Gesätz, oder wo es
ausdrücklich so verordnet wird.
Und die Auslegung,
§. 9. Deutliche Gesätz und Ordnungen soll man 1mò
nicht auszulegen suchen, sondern die Wort bei ihrer gewöhnlich- und
Landläuffiger Bedeutung ohne Verdrehung belassen. Dunkel und zweifelhafte
hingegen werden 2dò entweder durch Rechts-Gelehrte, oder durch den Gebrauch,
oder den Gesätzgebern
(3) selbst ausgelegt, die erste Interpretation heißt
doctrinalis, die andere usualis, die dritte authentica & legalis. Zu der
letzteren soll man 3tiò erst alsdann schreiten, wenn die zwey erste zu Behebung
des obwaltenden grossen Zweifels in Thesi nicht hinreichen.
Sonderbar von der Doctrinal-Auslegung.
§. 10. Bey der Doctrinal-Auslegung werden 1mò
zweifelhafte Wort ex mente & ratione Legis erklärt, 2dò wird das Gesätz von
einem hierin benannten Special-Fäll auch auf andere unbenannte Fäll aus der
nemlich- oder stärkeren Ration sowol in Strafen als sonst ausgedehnt, hingegen
aber auch 3tiò ein in all zu generalen Terminis lautende Ordnung in besonderen
Fällen eingeschrenkt, wenn offenbar und augenscheinlich ist, daß Ratio Legis
vollkommen und gänzlich hierin cessirt. All übrige bey denen Rechts-Gelehrten
findige Reguln sind 4tò entweder von keinem Nutzen, oder unter obigen schon
begriffen.
Von der Billigkeit und Æquität.
§. 11. Die natürliche Billigkeit, welche lediglich auf
jetzt gedachter dritter Auslegungs-Regul beruhet, soll keiner Obrigkeit zum
Vorwand dienen, um von dem truckenen. klaren Buchstaben des Gesätz abzuweichen,
wenn die angebliche Ratio Legis selbst noch in Zweifel oder ungewiß ist.
Aufhebung, Dispensation oder Collision deren Gesätzen.
§. 12. Das Gesätz wird entweder 1mò in Ansehen aller
Unterthanen aufgehoben, oder 2dò nur jemand besonders davon. ausgenommen, oder
es stoßt solches 3tiò mit einem anderen verbindlichen Gesätz dergestalt
zusammen, daß eins von beeden nicht befolgt werden kan. Auf den ersten Fall
heißt es Abrogatio, anderen Falls Dispensatio, und dritten Falls Collisio
Legis. Von dieser letzteren siehe Cap. seq. 2. §. 17. die erste zwey aber
können sich andergestalt nicht als durch ausdrücklich- oder stillschweigende
Bewilligung des Gesätzgebers ereignen, und wird im übrigen ein
Particular-Statutum, Privilegium oder Gewohnheit durch ein folgendes
General-Gesätz nicht aufgehoben, es seye dann von Jenen besondere Erwehnung
hierin geschehen, oder die Clausula omnium anteriorum Jurium tam generalium
quàm specialium Derogatoria mit einverleibt worden.
(4) Zweytes Capitul
Von dem Unterschied deren Rechten.
Eintheilung derselben.
§. 1. Das Recht wird hauptsächlich in Göttlich- und
Menschlich- Natur- und Völker- Staats und Bürgerlich- Weltlich- und Geistlich-
Römisch- Longobardisch- und Teutsch- Gemein- und statutarisch- geschrieben-
oder. ungeschrieben- durch Gewohnheit, Observanz oder besondere Freyheiten und
Verordnungen eingeführtes Recht getheilt.
Göttliches Recht.
§. 2. Göttliches Recht, welches Gott unmittelbar
selbst zum Urheber hat, (Jus Divinum) ist dem Menschen entweder mit der Natur
angebohren, oder durch die Schrift geoffenbahret. (naturale vel positivum) von
dem ersten siehe §. seq. 4.
Menschliches
§. 3. Was von menschlichen Gesätzgebern willkürlicher
Weis verordnet wird, heißt menschliches Recht. (Jus Humanum.)
Natürliches
§. 4. Das natürliche Recht (Jus Naturæ) ist ein
Gesätz, welches von Gott auf die menschliche Natur gegründet ist, und sich aus
dem Endzweck und innerlicher Beschaffenheit derselben dergestalt zu erkennen
giebt, daß der Mensch solches durch die blose Vernunft begreiffen, mithin auch
wissen kan, was er zuförderist Gott, sodann sich selbst, und endlich seinem
Nebenmenschen sowol insgemein als besonders zu seiner Nothdurft oder
Bequemlichkeit zu leisten habe.
Völkerrecht.
§. 5. Völker-Recht (Jus Gentium) wird eigentlich
genannt, was unter freyen Völkern durch stillschweigende Einwilligung zum
verbindlichen Gebrauch worden ist.
(5) Staats-Recht.
§. 6. Das Staats-Recht (Jus Publicum) welches die in
einem Staat sowol dem Oberhaupt von höchster Macht und Gewalt wegen, als denen
Unterthanen zustehende Rechten und Pflichten begreift, wird in das allgemeine
und besondere getheilt, nachdeme es entweder auf alle Staaten überhaupt, oder
nur auf einen besonderen gehet.
Bürgerliches
§. 7. Gesätz, welche nicht so viel den Staat selbst
und den Nexum Reipublicæ als die Privat- Handlungen und die Gerechtsamen
betreffen, machen das Bürgerliche Recht (Jus Privatum) eigentlich aus.
Weltlich- und Geistliches,
§. 8. Nach dem Unterschied deren Personen und Sachen
wird das Recht theils weltlich, theils geistlich benamset. Das letztere soll
nur in geistlichen Händlen und soweit solches mit denen Concordatis und der
Observanz einstimmig ist, beobachtet werden.
Römisches,
§. 9. Das Römische Recht, welches zwar ursprünglich
nur denen Römern gegeben, hernach aber auch in anderen und sonderbar in
Teutsch- und hiesigen Landen eingeführt worden, soll in Sachen, welche etwan
durch einheimisches Recht nicht gnug. bestimmt seynd, auf schicklich- und
thunliche Weis zur Hülf gebracht werden.
Longobardisches,
§. 10. Mit denen Longobardischen Lehen-Rechten, welche
den Römischen Gesätz-Büchern mit beygefügt seynd, hat es die nemliche
Beschaffenheit.
Teutsch- und einheimisches,
§. 11. Des Heil. Römischen Reichs gemeine Satz- und
Ordnungen kommen in Bürgerlichen Sachen nur so weit in gebührende Beobachtung,
als durch besondere Lands-Statuta, Privilegia und Gewohnheiten kein anderes
versehen und hergebracht ist.
(6) Gemeines,
§. 12. All obige §vo 4. 8. 9. 10. & 11. benannte
Rechten seynd unter dem Namen des Gemeinen Rechts (Juris Communis) begriffen,
der Sachsen- und Schwaben-Spiegel aber wird in hiesigen Churlanden so wenig als
andere dergleichen veraltete teutsche Gesätz darunter verstanden.
Statutarisches,
§. 13. Statuta gehen entweder auf das ganze Land oder
nur auf gewisse Städt, Märkt und Communitäten. Jene werden Provincialia und
Land-Rechten, diese hingegen Municipalia, Localia, oder Stadt- Markt- Gemeinds-
Handwerks- und dergleichen Rechten benamset. Von beeden. ist folgendes zu
merken: 1mò wird dem willkürlichen gemeinen Recht durch das Land-Recht, und
diesem hinwiederum. 2dò durch das Stadt- oder andere dergleichen
Particular-Recht derogirt. 3tio können die letztere ohne Landherrschaftlich-
ausdrücklich- oder stillschweigender Bewilligung niemahl (!) bestehen. Beede
müssen 4tò an Ort und End, wo sie nicht offentlich kundbar seynd, von deme, der
sich darauf beziehet, mittels Beybringung glaubwürdiger Urkunden und
Obrigkeitlich- gefertigter Extracten. oder sonst gnugsam bewiesen seyn. Ist nun
5tò das Statutum gebührend beygebracht, so stehet die rechtliche Vermuthung so
lange dafür, bis die Nichtigkeit desselben gnüglich dargethan worden. 6tò Wird
mit Auslegung zweifelhafter Statuten eben so, wie bey anderen Gesätzen, ohne
Unterschied verfahren.
Geschriebenes,
§. 14. Jus Scriptum gründet sich 1mò auf
ausdrücklichen, ungeschriebenes hingegen nur auf stillschweigenden Willen des
Gesätzgebers. 2dò Glossen und Meinungen deren Rechts-Gelehrten (sie seyen
gleich Communes oder nicht) gehören weder unter geschrieben- noch
ungeschriebenes Recht, und kommen nur so weit in Consideration als sie der
Doctrinal-Auslegung gemäß seynd. 3tiò Die bey der obristen Justitz-Instanz
ergangene Res Judicatæ und Præjudicia haben zwar die Krafft eines geschriebenen
General-Gesätz nicht, dienen aber in zweifelhaften gleichen Fällen zur
Usual-Interpretation, und ist mithin auch alle Contrarietät hierin zu
vermeiden. 4tò Hat es fast die
(7) nemliche Beschaffenheit mit Landsherrlichen
Rescripten, Decreten, Signaturen und anderen dergleichen in Forma Legis Publicæ
nicht ergangenen Verordnungen, welche nur gewisse Personen und
Privat-Angelegenheiten betreffen.
Gewohnheits-Recht.
§. 15. Gewohnheits-Recht oder Herkommen (Jus
Consuetudinarium) beruhet 1mò auf einem solchen Gebrauch, welcher nicht nur den
Willen der Gemeinde, sondern auch die Landsherrschaftliche Miteinstimmung
muthmaslich (!) anzeigt. Solchemnach muß derselbe 2dò vernünftig, offentlich,
widerholt, beständig, gleichförmig, und zwar in- oder ausser gerichtlich seyn.
3tiò Wird wenigst ein Zeit-Verlauf von 30. Jahren hierzu erfordert, ausgenommen
in Sachen, wo die Rechten eine minder- oder mehrere Zeit insonderheit
bestimmen, oder wo es nicht um die Einführung eines neuen, sondern nur um
Bestättig- oder Erläuterung eines vorigen zweifelhaften Rechts zu thun ist. Und
wie nun 4tò eine solche rechtmässige Gewohnheit vim Legis hat, so hebt sie das
ältere geschrieben- oder ungeschriebene Recht allerdings auf, wird aber
hingegen auch 5tò von dem jüngeren Gesätz oder wiedrigen Gebrauch jedoch in
Conformität obigen 1ten Cap. 12ten §vi ebenfalls wiederum aufgehoben. 6tò Soll
man das Herkommen, sonderbar jenes, welches gegen geschriebenes Recht lauft,
niemal auszudehnen, sondern vielmehr einzuschrenken suchen, und wer sich 7mo
darauf beziehet, der soll solches so weit es nicht ohnehin schon kund- und
offenbar ist, gnugsam beweisen.
Privilegirt oder besonderes,
§. 16. Privilegia, wodurch man einen Unterthan von
Beobachtung des Gesätz besonders befreyet, werden zwar 1mò nur von der
Lands-Herrschaft entweder auf Anruffen, oder aus eigner Bewegnus ertheilt,.
können aber 2dò durch 30. Jährig- ruhigen Gebrauch, wo die Rechten nicht ein
besonderes verordnen, erlangt werden, und da nun 3tiò der Innhalt oder die
Absicht des Privilegii lediglich auf die Person gerichtet ist, so erstreckt sich
solches nur auf die hierin benannte Personen, auf die unbenannte aber nur so
weit als dasselbe ohne ihnen nicht wol zu gebrauchen ist. Falls aber 4tò das
Privilegium nicht so viel auf die Person als die Sach selbst abzielet (!), so
gehet selbes
(8) samt der Sach auf alle Nachfolger mitfort. In
Zweifel werden 5tò die aus bloser Gnad erhaltene Privilegia für personal, die
mit beschwerlichen Titul erlangte aber für real gehalten. In beeden muß 6tò der
Allegant die angebliche Freyheit, so weit solche nicht kund- oder offenbar ist,
durch schrifftliche Urkunden oder sonst gnüglich beweisen. 7mo Leiden zwar die
Privilegia ob identitatem Rationis keine Interpretationem extensivam von einer
Person auf die andere, oder von einem Fall auf den anderen, sonderbar wenn solches
der offenbaren Billigkeit, dem Recht eines drittens oder gar dem gemeinen
Besten entgegen wäre, doch soll man auch dieselbe nicht gar zu genau, oder so
weit einschrenken, daß ihnen alle Würkung dadurch benommen werde. Immassen 8vò
dem privilegirten Theil sich. Freyheit gegen einen anderen ebenmässig Befreyten
zu gebrauchen nicht gestattet wird, er habe dann ein älteres oder stärkeres
Privilegium für sich, oder suche cæteris paribus seines Orts nur Verlust und
Schaden. zu vermeiden, sein Gegentheil aber einen Gewinn zu erhaschen.
General-Statuta derogiren. 9no ohne besonderen Ausdruck keiner Freyheit, es
erlöscht auch solche 10mò durch den Tod des Verleihers nicht und eben so wenig
11mò durch Absterben des Privilegiati, wenn das Privilegium nicht merè personale,
sondern reale ist, wol hingegen 12mò durch ausdrücklich- oder stillschweigende
Renunciation desselben, desgleichen 13tiò durch den Verlust der Sach oder
Eigenschaft, welcher das Privilegium anhangt, ferner 14tò mit Ausgang der
hierin bestimmter Zeit, nicht weniger 15tò durch den Wiederruf, wenn selber
entweder in dem Privilegio ausdrücklich vorbehalten, oder aber durch groben
Mißbrauch, begangenes Verbrechen, oder andere Rechts- erhebliche Ursach
veranlasset wird, endlich auch 16tò durch zehen- jährigen Nichtgebrauch,
ausgenommen, wo das Privilegium selbst, ein besonderes hierin ausweiset, oder
vielleicht die ganze Zeit über zu Ausübung des Privilegii. keine Gelegenheit
obhanden gewest, dasselbe von neuem confirmirt, dem gemein- geschriebenen Recht
oder Statuten-Buch einverleibt, oder wenigist an sich so beschaffen ist, daß
der Gebrauch desselben zu Niemands Præjuditz gereichen kan, in welchen Fällen
der blose non usus dem Privilegiato nicht im Weeg stehet.
(9) Collidierendes Recht oder Gesätz.
§. 17. Falls einige von obgedachten willkürlichen
Rechten selbst nicht miteinander zusammenstimmen, so soll man am ersten auf die
wol hergebrachte besondere Freyheiten, sodann auf jedes Orts löbliche
Gewohnheiten, Satz- und Ordnungen, hier nächst auf die General-Lands-Statuta
und endlich auf das gemeine Recht sehen. Dafern aber die Rechten, Statuten und
Gewohnheiten in loco Judicii, Delicti, Rei sitæ, Contractûs und Domicilii
unterschiedlich seynd, so soll quò ad formam Processûs auf die bey selbigen
Gericht, wo die Sach rechtshängig ist, übliche Rechten, mit Bestraffung eines
Verbrechens aber auf die Rechten des Orts, wo solches begangen worden, so viel
hingegen die blose Solennität einer Handlung betrifft, auf die Rechten des
Orts, wo solche unter Toden oder Lebendigen gepflogen wird, in merè
personalibus auf die Statuta in loco Domicilii, und endlich in realibus vel
mixtis auf die Rechten in loco rei sitæ ohne Unterschied der Sachen, ob sie
beweglich oder unbeweglich, cörperlich oder uncörperlich seynd, gesehen und
erkannt werden.
Von Retorsion des Rechts.
§. 18. Da ein benachbart- oder auswärtiger Stand in
seinem Gebiet denen Fremden nicht gleiches Recht, wie seinen eignen Unterthanen
wiederfahren laßt, so soll man gegen einen solchen Stand, und seine Unterthanen
hier zu Land das nemliche in ihren hiesigen Angelegenheiten jedoch allerwegen
mit Vorwissen Gnädigster Lands-Herrschaft beobachten.
Von sogenannter. Condictione ex Lege.
§. 19. Klagen, welche zwar keinen gewissen Namen,
gleichwol aber in denen Rechten, Statuten, Gebräuchen oder Freyheiten guten
Grund haben, werden Condictiones ex lege, Statuto, Consuetudine vel Privilegio
benamset, und seynd von der nemlichen Würkung wie die benannte Actiones.
(10) Drittes Capitul
Von. denen. Rechten. und. Pflichten deren Personen in
Ansehen ihrer. verschiedener Ständen überhaupt.
Von dem unterschiedlichen Stand der Menschen.
§. 1. Der Zustand oder die Eigenschaft, wornach denen
Menschen besondere Rechten und Pflichten zustehen, wird Status vel Conditio
Personæ genannt, und in den natürlich- oder eingeführten (naturalem vel
adventitium) eingetheilt.
Der natürliche.
§. 2. Nach dem natürlichen Zustand, worinn sich die
Menschen von Natur ohne weiteres. Zuthun befinden, (Statu naturali) seynd 1mò
dieselbe männlich- oder weiblichen Geschlechts. Keines von beeden hat vor dem
anderen Geschlecht einen Vorzug, ausser deren in denen Rechten besonders
ausgedruckten Fällen. Hermaphroditen werden 2dò dem Geschlecht beygezehlt,
welches nach Rath und Meinung deren Verständigen vordringt, falls sich aber die
Gleichheit hierin bezeigt, sollen sie selbst eins erwählen, und von dem
Erwählten sub Pœna Falsi nicht abweichen. Ungebohrne oder in Mutterleib
liegende (Embriones, spes Animantis, Posthumi) werden 3tiò für gebohren
geachtet, wenn es ihr Nutzen also erfordert, und die lebendige Geburt würklich
darauf erfolgt, man soll auch gegen die Mutter nichts verhengen, was der
Leibs-Frucht Schaden bringen kan. Gebohrne, welche der Rechten theilhaftig
werden sollen, müssen 4tò in menschlicher Gestalt lebendig zur Welt kommen, in
Zweifel aber, ob sie lebendig oder todt gebohren, ist regulariter darauf zu
sehen, ob die Geburt vollkommen, von einer gesunden Mutter, und zu rechter Zeit
geschehen seye. Bey diesen Umständen wird vermuthet, daß das Kind gelebt habe,
sonst aber nicht, so lange das Gegentheil nicht erwiesen ist. 5tò Seynd die
Mißgebuhrten (!), welche mehr viehisch- als menschliches Weesen
(11) an sich haben, und keine gnugsame Merkmahl von
menschlicher Natur blicken lassen, der Rechten zwar nicht theilhaftig, sollen
aber gleichwol ohne Vorwissen der Obrigkeit und Rath der Verständigen bey
Vermeidung des Puncto Homicidii auf sich ladenden schweren Verdachts
eigenmächtiger Weis nicht getödet oder auf die Seiten geraumt werden. Eheliche
Geburten werden 6tò allein für ächt- und rechtmäßig, all übrige aber für unächt
geachtet, und seynd diese letztere dreyerley Gattung, nemlich fürs erste
Naturales illegitimi, welche von zwey ledigen Personen erzeugt seynd, die zur
Zeit der Erzeugung einander hätten heyrathen können, zweytens Spurii &
vulgò quæsiti, welche zwar von zwey ledigen und solchen Personen, die damalen
einander hätten heyrathen mögen, jedoch von einer in offen- und gemeiner
Unzucht lebender Mutter erzeugt seynd, drittens illegitimi ex damnato Coitu,
das ist, von solchen Personen erzeugte Kinder, welche zur Zeit verübter
Leichtfertigkeit nicht einander ehelichen können. Findel-Kinder halt man 7mo in
Zweifel für ehelich Gebohrne, desgleichen 8vò all jene, welche zwar aus
ungültiger Ehe, jedoch wenigst von einem Theil bonâ fide erzeugt seynd, so viel
nemlich das Commodum dergleichen Kindern und des. unschuldigen Theils betrift.
Dahingegen zehlt man 9no den Unehelichen bey, welche die Frau nicht in rechter
Zeit, sondern von dem Tag an, da ihr Mann stirbt, oder derselben sonst
erweislicher massen nicht mehr beywohnt, erst über den Anfang des eilften
Monats, das ist nach dem 302.ten. Tag gebährt, und die nemliche Beschaffenheit
hat es mit der Geburt, welche vor rechter Zeit, und zwar vor Anfang des siebenden
Monats, das ist, vor dem 182.isten. Tag, von Zeit der Copulation angerechnet,
zur Welt kommt, welches alles sich jedoch 10mò allzeit nur von Ordinari und
solchen Geburten verstehet, die nichts ausserordentliches gegen den Lauf der
Natur an sich haben, dann bey diesen wird eben auf keine gewisse Zeit gesehen.
11mò Unter die mangelhafte Personen, welche ihrer Leibs- oder Gemüts-Gebrechen
halber besondere Rechten zu geniessen haben, gehören insonderheit Blinde,
Stumme, Taube, Blöd- und Unsinnige, wie auch Unmündig- Unvogtbar- oder
Minderjährige, wovon das mehrere in Cap. seq. 7.
Der eingeführte.
§. 3. Nach dem Stand, welchen man nicht so viel von
Natur als menschlicher Anordnung oder selbstiger Auswahl erlangt,
(12) werden zwar die Personen auf unzehliche (!),
fürnemlich aber auf folgende Weis betrachtet, und zwar von dem Statu Civitatis
als Unterthanen, oder Auswärtige, von dem Statu Familiæ als Hausvätter,
Eheleut, Eltern, Kinder, Dienstboten, Befreundt- und Unverwandte, unter fremder
Gewalt und Aufsicht Stehend- oder Selbstmächtige (sui vel alieni Juris) ferner
à Statu Libertatis als Frey- oder Leibeigne, von ihrem Herkommen, Würden und
Ehren als Adeliche oder Patricii, Graduirt, Siegelmäßig, item als Ehrlich,
Unehrlich, oder levi maculà Notirte, von ihren Aemtern als Geistlich- Weltlich-
Civil- Militar- und andere dergleichen hoh- und niedere Bediente, von dem
Nahrungsstand als Bürger in Städten und Marktflecken, oder als Bauersleut auf
dem Land, von ihren Künsten, Wissenschaften und Professionen als Academici,
dann Kriegs-Handwerks- oder Handelsleut und Künstler, von der Religion als
Christen, Ketzer, Juden und Unglaubige, von dem Nexu aber als einzele Personen,
oder als ganze Gemeinden, Universitäten, Corpora oder Collegia, und was
dergleichen Eintheilungen mehr seynd, welche von ihren besonderen Eigenschaften
und Umständen hergeleitet zu werden pflegen.
Actio
Statûs præjudicialis.
§. 4. Klagen, wodurch man den angeblichen Stand gegen
andere zu behaupten oder zu wiedersprechen sucht, werden 1mò Actiones
præjudiciales genannt, und weder denen Actionibus Personalibus noch Realibus
beygezehlt, greiffen aber 2dò gestalten Dingen nach sowol in Petitorio als
Possessorio Platz, gehören auch 3tiò wie all andere Klagen ohne Ausnahm für die
ordentliche Obrigkeit und wenn sie 4tò principaliter alldort angebracht seynd,
so soll man Quæstionem. Statûs zuförderist ausmachen, ehe man zur Verhandlung
deren daraus fliessender Rechten schreitet. Kommen sie aber 5tò nur incidenter
mit vor, so soll man sie zugleich nebst dem Haupt-Punct oder doch so viel
möglich und thunlich, summarie verhandlen. 6-tò Haben selbe nach Absterben des
Jenigen, welchem Quæstio Statûs gemacht wird, länger nicht als fünf Jahr von
Zeit des Tods noch statt, ausser da sie entweder schon vor dem Tod bey der
Behörde angebracht worden, oder es hierunter mehr um die Verbesser- als
Verschlimmerung des in Lebzeiten geführten Stands zu thun ist. 7mo. Muß der
angebliche Stand von deme, der sich darauf beziehet, erwiesen werden, sofern er
nicht entweder
(13) Præsumptionem Juris vor sich hat, oder für den
Jenigen, wofür er sich angiebt, schon vorhin allenthalben geachtet worden,
mithin in Possessione prætensi Statûs ist, bey welcherprobter Possession 8vò
jeder so lang beschützt werden soll, bis der Gegentheil gleichwol in Petitorio
ein anderes ausführt.
Von der Stands-Veränderung oder Capitis Diminutione.
§. 5. Die Stands-Veränderung (Capitis Diminutione)
ziehet auch regulariter den Verlust deren dem veränderten Stand anhangend-
besonderer Rechten nach sich. Wer also Z. (!) E. des Lands- oder Stadt-
Burgfriedens verwiesen wird, dem bleibt zwar, wenn er nicht zugleich in die
Reichs-Acht verfallt, das allgemeine Reichs-Burger-Recht und die davon
abhangende Jura noch bevor, all übrige aus der besonderen Land- respectivè
Stadt- oder Gemeinds-Verfassung abfliessende Jura & Privilegia hingegen
gehen verlohren.
(14) Viertes Capitul
Von dem Haus- oder Familien-Stand.
Was eine Familie seye?
§. 1. Die Familie ist eine Versammlung deren unter
einem Gemeinschaftlichen Haus-Vatter. beysammen lebender Personen, bedeutet
aber auch öffters eine Verwandtschaft, und begreift mithin nicht nur Eheleut,
Kinder und Eltern, sondern auch Dienstboten, Anverwandt- und Verschwägerte in
sich. Von Eheleuten insonderheit siehe Cap. seq. 6. von denen übrigen aber §vo
seq. 3. &c.
Von dem Haus-Vatter und denen Haus-Genossenen (!).
§. 2. Der Jenige, welcher der Familie vorstehet, wird
der Haus-Vatter (Paterfamilias) oder wenn es eine Weibs-Person ist, die
Haus-Mutter (Materfamilias) genannt. Sowol eins als das andere, vorzüglich aber
Jener, hat denen bey ihm lebenden Haus-Genossenen (!) (Domesticis) in
Haus-Sachen zu gebieten, wohingegen diesen theils besondere, theils der
Haus-Genossenschaft überhaupt anklebende gemeine Rechten und Pflichten zukommen.
Von Eltern und Kindern.
§. 3. Die Elteren sollen 1mò ihre Kinder Christlich
und ehrlich zum Dienst Gottes und des gemeinen Weesens erziehen, mögen sich
auch hierunter nöthigen Zwangs und allenfalliger Züchtigung mit Vernunft und
Mäßigkeit gegen sie gebrauchen, und falls dieselbe in Ungehorsam entlauffen,
oder von anderen widerrechtlich vorenthalten werden, solche allenthalben
zuruckfordern, wie nicht weniger die boshaften Verführer um den dardurch
verursachten Schaden und verdiente Straf gerichtlich belangen. Dahingegen seynd
die Kinder 2dò ihren Eltern nicht nur zu gebührenden Gehorsam, Ehrfurcht und
Dankbarkeit, sondern auch so lang sie den Unterhalt von ihnen geniessen, zur
gewöhnlich- und anständiger Dienstleistung verbunden, ohne daß
(15) sie derwegen eine besondere Belohnung zu fordern
hätten, ausgenommen, wenn ihnen für ihre Mühe, Dienst und Arbeit ausdrücklich
etwas bedungen worden. Der Gebrauch, nach welchen 3tiò die Kinder ihre Eltern
ohne vorgängiger Erlaubnus nicht für Gericht laden darffen, ist zwar wol dem
Römischen, nicht aber den Teutschen Rechten und den Lands-Gebrauch gemäß.
Gleichwie im übrigen 4tò unter den Kindern nicht nur Söhn und Töchter, sondern
auch Enklen und all übrige Descendenten in gerad absteigender Linie, sowol aus
ehelich- als unehelicher Geburt, so weit nicht etwan durch Special-Verordnungen
ein gewisses Ziel (!) hierin gesetzt ist, gemeiniglich verstanden seynd, also
auch und in der nemlichen Maaß werden unter dem Namen der Eltern alle
Ascendenten in gerad aufsteigender Linie sowol vätterlich- als mütterlicher
Seits begriffen, wobey jedoch 5tò der Vatter in der Concurrenz. regulariter
denen anderen vorgezogen wird. Die Rechten und Pflichten, welche von der
vätterlichen Gewalt allein abhangen, und anderen Eltern nicht gemein seynd,
siehe mit mehreren Cap. 5. & seq.
Von Dienstboten und Ehehalten.
§. 4. Leibeigne Leut, wovon in Cap. seq. 8. gehandlet
wird, sollen mit Dienstboten und Ehehalten (Famulis vel Servis mercenariis)
nicht verglichen werden, sondern diese letztere seynd als blose Vermiether
ihrer Diensten und Arbeit, (locatores operarum) anzusehen, mithin zu weiter
nichts verbunden, als was die Geding und der Lands-Gebrauch oder die
Ehehalten-Ordnung und die Natur des Mieth-Contracts mit sich bringen. Annebst
ist dem Haus-Vatter eine mäßig- und vernünftige Züchtigung in kleinen und das
Haus-Weesen. betreffenden Sachen gegen sie vorzunehmen nicht verwehrt.
Von der Cognation oder Verwandtschaft.
§. 5. Die Sipp- oder Verwandtschaft wird 1mò in die
Natürlich- Geistlich- und Bürgerliche, (Naturalem, Spiritualem, & Civilem
Cognationem) getheilt. Die erste ist ein Innbegrif aller von einem Geblüt oder
Gemeinschaftlichen Geschlechts-Vatter absprossender Personen, und wenn nun 2do
diese Abstammung durch lauter Manns-Personen geschiehet, so heißt es Agnatio
oder Schwerdmagschaft, geschiehet sie aber mittels der Frauens-Personen, so
wird sie im engen Verstand Cognatio
(16) oder Spielmagschaft genannt. Der Unterschied
zwischen Beeden äussert sich 3tiò nicht nur in Führung des Namens und Wappens,
sondern auch in Lehen, Fideicommiss- und mehr dergleichen Fällen. Es kommt
hierunter 4tò gar vielmal nicht allein auf die Verwandtschaft, sondern zugleich
auf die Nähe des Grads oder der Linie mit an, und ist Jener nichts anderes als
die mittels der Generation obwaltende Distanz zwischen versippten Personen, (!)
Die Linie aber bestehet 5tò in einer. Reihe von Generationen, welche mit dem
Stamm-Vatter oder Stamm-Mutter angefangen, und mit denen Kindern fortgesetzt
wird. Collateralis heißt dieselbe, wenn sie auf die Seite gehet, recta, wenn
solche gerad von einer Person auf die andere fortgesetzt wird. Diese enthalt
6tò nur solche Personen, welche mittel- oder unmittelbar einander erzeugt
haben. Jene. hingegen lauter Personen welche 7mo zwar nicht einander gezeugt
haben, doch mittels anderer Personen in einem gemeinen Stammen-Haupt (Stipite
communi) zusammen kommen. Dafern nun 8vò die Versippte, wovon die Frage ist, in
gleichen Grad von dem Stipite communi abstehen, so heist es Linea æqualis,
sonst aber inæqualis, und wird annebens 9no eine Parentel genannt, so weit die
Seiten-Verwandte statt der Eltern considerirt werden, wie es bey Brüder und
Schwestern aller Ascendenten in Ansehen der Descendenten allemal geschiehet. In
der Art und Weis die Gradus zu zehlen wird 10mò bey auf- und absteigender
gerader Linie sowol nach Geistlich- als Weltlichen. Rechten nur auf die Anzahl
der Personen gesehen, sofort mit Ausschluß des Stammen-Haupts auch der Grad
hiernach ausgerechnet. In der Seiten-Linie pflegt man 11mò nach Weltlichen
Rechten alle beederseitige Descendenten von dem Stipite communi an bis auf die
in der Frag seyende Personen inclusivè zu zehlen,. und so viel sich nun deren
mit Ausschluß des gemeinen Stammen-Haupts in der Anzahl befinden, so viele Grad
seynd auch die quæstionirte Personen einander verwandt. Dahingegen macht das
Geistliche Recht 12mò zwischen der gleich- und ungleichen beederseitigen Linie
einen Unterschied, und schreibt hierbey folgende zwey Reguln vor, nemlich von
gleicher Linie: In welchem Grad einer von beeden. quæstionirten
Bluts-Verwandten à Stipite communi mit Ausschluß desselben abstehet, in
demselbigen Grad ist auch einer
(17) dem anderen versippt. Von der ungleichen Linie
hingegen: in welchem Grad der entfernteste von quæstionirten beeden Verwandten
à Stipite communi mit Ausschluß desselben abstehet, in demselbigen Grad ist
auch einer dem anderen versippt. 13tiò Soll das Geistliche Recht nur in Ehe-
und anderen dergleichen Geistlichen Sachen, bey all übrigen aber das Weltliche Recht
disfalls beobachtet werden. So viel endlich 14tò die so genannte Cognationem
Spiritualem aut merè Civilem anlangt, so entspringt die erste lediglich aus dem
Tauf oder Firmung, und hat nur statt unter dem Tauffend- oder Firmenden, und
dem Getauft- oder sie Gefirmeten, dann dessen Tauf- oder Firmungs-Eltern. Die
letztere hingegen erwachset aus der blosen Arrogation und zwar nur zwischen dem
Arroganten, Arrogaten und. all seinen Descendenten, so dann zwischen dem
Arroganten und des Arrogati Ehe-Frauen, wie nicht weniger zwischen dem Arrogato
und des Arrogantis Ehe-Frauen, endlich auch zwischen dem Arrogato und all
Jenen, welche unter des Arrogantis Vätterlicher Gewalt stehen, so lang dieselbe
daurt.
Von der Affinität oder Schwagerschaft.
§. 6. Die Schwagerschaft ist 1mò eine zwischen dem
Mann und des Weibs Bluts-Befreundten an einem, dann zwischen dem Weib und des
Manns Bluts-Befreundten anderen theils entspringende Verwandtschaft, und wird
theils in auf- und absteigende, theils in die Seiten-Schwagerschaft getheilt.
Zu der aufsteigenden werden 2dò nicht nur alle eines Ehe-Gemächts
Bluts-Befreundte in aufsteigender Linie z. E. Schwieger-Vatter oder Mutter,
Aelter-Vatter Schwieger- oder Mutter, und so weiter, sondern auch seiner selbst
eigner Bluts-Befreundter in aufsteigender Linie Ehe-Gemächte, wovon man nicht
abstammet. Z. E. Stief-Vatter, Stief-Mutter, Stief-Ahn, Stief-Aehn und so
weiter gerechnet. Zu der. Absteigenden gehören 3tiò alle von einem Ehe-Gemächt
mit einer anderen Person erzeugte Kinder und Descendenten, z. E. Stief-Tochter,
Stief-Sohn oder Enkel, wie nicht weniger selbst eigner Kinder und Descendenten
Ehe-Gemächt. Z. E. Sohns-Frau, Tochter-Mann, Unter-Aidam, Unter-Schnur, und so
fort. Zu der Seiten- und Collateral- Schwagerschaft aber 4tò aller Collateral-Bluts-Freundter
(18) Ehe-Gemächte, und ingleichen alle des
Ehe-Gemächts Collateral-Bluts-Freund, z. E. Manns-Bruder oder Schwester,
Bruder-Weib oder Schwester-Mann und so weiter, wobey 5tò in Ausrechnung des
Grads die einzige Regul zu beobachten ist: In welchen Grad der
Bluts-Freundschaft man einem Ehegatten zugethan ist, in dem nemlichen Grad ist
man auch dem anderen Ehegatten verschwägert. Zwischen Mann und Weib selbst ist
6tò keine Schwagerschaft obhanden, sondern sie seynd nur der Grund und Anfang
davon, es gebährt auch 7mo. keine Schwagerschaft eine andere, und werden
annebens 8vò die so genannte Affinitates secundi vel tertii Generis nicht mehr
geachtet. Gleichwie im übrigen 9no ohne würklichen Beyschlaf niemal eine
Schwägerschaft gestiftet wird, so verstehet sich all obiges auf die blosse
Ehe-Verlobte nicht, sondern nur auf die Jene allein, welche entweder in Ehren
oder Unehren fleischlig (!) einander beygewohnt haben.
Von Alimentation, und Unterhaltung der Eltern, Kindern
etc.
§. 7. Eine der vornemsten (!) Pflichten und
Obligenheiten (!), welche von obgedachten Personen zu beobachten kommen, ist
die Verschaffung des nöthigen Unterhalts, und zwar folgender massen. 1mò Seynd
leibliche Eltern, zuförderst aber der Vatter, sodann die Mutter, hernach die
Ascendenten von Vätterlicher und endlich die von Mütterlicher Seite hierzu
verbunden. Dafern 2dò von all diesen Personen Niemand mehr vorhanden oder
vermöglich ist, so fallt die Burd des Unterhalts auf die leibliche Kinder und
Descendenten mit Beobachtung der in Successione üblicher Ordnung. Bruder und
Schwester seynd 3tiò ohne Unterschied, ob sie von einem oder zweyen Banden,
niemals hierzu verbunden, viel weniger mögen 4tò weitere Bluts-Befreundt oder
Verschwägerte von Rechtswegen dahin angehalten werden, wo nicht besondere
Geding oder Verordnungen hierinfalls obwalten. 5tò Werden unter obgedachten
Eltern und Kindern nicht nur Eheliche, sondern auch Uneheliche, ja so gar die
von verdammter Geburt in diesem Stück verstanden, wenn man nur der Ankunft
halber bey ihnen gnugsam versichert ist. Wer sich 6tò durch. eigne Mittel,
Dienst, und Arbeit selbst nähren kan, oder sich durch liederliche
Haus-Wirtschaft und eignes Verschulden in Armuth und Unvermögenheit stürzt, der
(19) kan den Unterhalt von anderen nicht forderen,
vielweniger mag solcher 7mo von Jenen gefordert werden, welche an eigner
Nahrung Abbruch leiden. Die Art und Weis oder das Quantum Alimentationis soll
man 8vò theils nach Stand und Nothdurft des Alimentandi, theils nach den
Kräften und Einkünften des Alimentantens ermässigen, und hierinfalls 9no. nicht
nur auf Anruffen, sondern auch gestalten Dingen nach von Amtswegen verfahren,
und hat in denen zur Alimentation gewidmeten Sachen weder Execution noch
Arrest, oder Retention Platz. 10mò So bald die Nothdurft aufhört, so bald hört
auch das Onus Alimentationis wiederum auf. Undankbarkeit halber wird man 11mò
des Unterhalts verlustig, wenn solche so groß ist, daß derwegen die Enterbung
Platz greiffen kan. Durch die blosse Emancipation oder Absönderung von
vätterlicher Haushaltung aber gehet dieses Recht 12mò niemal verlohren, sondern
bleibt ohngeachtet dessen auf den Nothfall allzeit noch bevor. Was man endlich
13tiò von Unterhaltswegen indebitè geleistet hat, das mag auch von dem, der es
entweder indebitè empfangen, oder von Rechtswegen zu leisten gehabt hätte,
wiederum begehrt werden, und wird eine Schankung hierinfalls von Niemand
vermuthet, sondern muß bewiesen werden. Von Alimentation deren Eheleuten siehe
Cap. seq. 6. §. 12. n. 7.
Von Veränderung des Familien-Stands.
§. 8. Nicht nur durch den natürlichen, sondern auch
durch den Burgerlichen Tod, das ist, durch die Reichs-Acht oder auch durch
Verdammung zur ewigen Gefängnus gehen 1mò alle Jura Familiæ, Cognationis,
Agnationis, Affinitatis, so viel den Nutzen und das Commodum des Geächteten
oder ad carceres perpetuos Condemnirten betrieft, verlohren. Die Schwagerschaft
wird 2dò durch den Tod des Ehe-Gemächts zwar wol nach Weltlichen, nicht aber
nach Geistlichen Recht aufgehoben. 3tiò Veränderen die Dienstboten ihren Stand,
wenn sie auf gebräuchige Art aus dem Dienst tretten, die Kinder aber, wenn sie
4tò nicht mehr in der Eltern Pfleg und Unterhalt stehen, sondern sich von ihnen
absönderen, woran man selbe auch nach erlangten 25isten Jahr ohne sonders
erheblicher Ursach nicht abhalten soll.
(20). De Quæstione Statûs Familiæ & Actione
præjudiciali.
§.
9. Wann die Frag de Statu Familiæ ist, und sich z. E.
Jemand für Vatter, Sohn, Geschwistert, Bluts-Befreundt, und dergleichen
angiebt, so soll man 1mò hierunter all jenes beobachten, was oben Cap. 3. §. 4.
de Actione præjudiciali überhaupt verordnet worden. Insonderheit aber ist 2dò
in Quæstione Paternitatis vel Filiationis zu merken, daß die von der Ehe-Frauen
in rechter Zeit gebohrne Kinder allemal dem Ehe-Mann beygemessen werden, es
seye dann das Widerspiel durch all zu lang andaurend beständige Abwesenheit
oder Impotenz und andere dergleichen augenscheinliche Proben (per Evidentiam
Facti) vollkommen dargelegt. Ohne solcher Prob schadet 3tiò dem Kind keines
Weegs, wenn etwan die Mutter selbst eingestehet, daß dasselbe nicht von ihrem
Ehe-Mann, sondern von einem anderen erzeugt seye, dann diese Geständnus ist nur
der Mutter allein so weit nachtheilig, daß sie des gestandenen Verbrechens
willen zur Straf und Abthuung. alles daraus erfolgenden Schadens aus eignen
Mittlen angehalten werden kan. Bey unehelichen Kindern wird 4tò der Jenige,
welcher sich zu den mit ihrer Mutter beygepflogenen Beyschlaf einbekennt, oder
dessen sonst gnugsam überwiesen ist, so lang für den Vatter geachtet, bis er
das Gegentheil darthun, oder wenigst so viel zeigen kan, daß die Mutter auch
anderen in Unehren fleischlich beygehalten habe, welch-letzteren Falls derselbe
zwar von der Paternität losgesprochen, hingegen aber des einbekannt- oder
erprobten Beyschlafs halber nicht nur gestraft, sondern auch in die
Alimentation des Kinds zum Theil oder ganz condemnirt wird. Die blose Anzeig
der in Unehren geschwängerten Mutter ist 5tò niemalen eine hinlängliche Prob
gegen den angeblichen Vatter, sofern solche nicht durch andere glaubwürdig- und
unwiederlegte Indicia unterstüzt (!) ist, und obwol 6tò die Mutter an sich
selbst denen Rechten nach für gewiß geachtet wird, so muß doch auf
allenfalligen Wiederspruch. die Geburt und würkliche Niderkunft (!) bewiesen
seyn, sofern man nicht durch die Possessionem Filiationis von dieser Prob
befreyet ist, dann in diesem Fall liegt dem Jenigen, welcher die Geburt
wiederspricht, der rechtliche Beweis ob, daß das angegebene Kind unterschoben,
oder von einer anderen Mutter seye. Im übrigen greiffen 7mo. bey Erprobung der
Paternität, Filiation, Verwandt- oder Schwägerschaft nicht nur alle ordinari
Probs-Mittel Platz, sondern es lassen sich auch
(21) hierin mehr unvollkommene Proben zu Bewürkung
eines ganz- und vollkommenen Beweiß vereinigen, und werden sowol Befreundt- als
Haus-Genossene (!) , ja so gar von Hörensagen deponirende Gezeugen gestalten
Umständen nach für hinlänglich geachtet. Dafern endlich 8vò jetzt bemelte
Quæstio Statûs zwischen solchen Personen obwaltet, welche Vermög vorgehenden
sechsten §vi. den Unterhalt einander zu reichen verbunden seynd, so soll bis zu
gänzlichen Austrag der Sach einsweilen auf die Alimenten, jedoch andergestalt
nicht, als nach Maaß und Ordnung bemelten §vi. provisorio modo gesprochen
werden.
De
Inspectione & Custodia Ventris.
§. 10. Wenn die Frau nach ihres Manns Tod oder
vorgenommener Ehe-Scheidung schwanger von ihm zu seyn vorgiebt, oder vermuthet
wird, so mag 1mò derselbe oder seine nächste Befreundte, welche am meisten
daran liegt, zur Sicherheit begehren, daß man sie wenigst durch eine geschworne
Hebahm und ohnpartheyische. zwey Frauen besichtige, und da sich 2dò die
Schwangerschaft bezeigt, oder von der Frau mit dem Juramento Credulitatis
erhärtet wird, so mögen Jene Custodiam Ventris, das ist, ein oder zwey Ehrbare
Frauen bestellen, welche nicht nur bis zur gewöhnlicher Niederkunfts-Zeit
beständig bey ihr verbleiben, und gute Absicht auf sie tragen, sondern auch der
Niederkunft persönlich beywohnen und obrigkeitlich darauf verpflichtet werden
sollen. Bis dahin hat auch 3tiò die Frau den gebührenden Unterhalt aus des
Manns Vermögen, oder der quæstionirten Verlassenschaft zu empfangen, und wann
4tò die Geburt innerhalb der oben Cap. 3. §. 2. n. 9. vorgeschriebener Zeit und
Maaß ordentlich geschiehet, so wird das Kind für rechtmäßig geachtet, so lange
nicht das Wiederspiel nach Ausweiß. §vi. præced. 9. n. 2. erwiesen werden kan.
Bezeigt sich nun 5tò die Frau hierin wiederspenstig, und will erwehnte
Inspectionem vel Custodiam nicht zu geben, so ist man zwar weder zu ihrem
Unterhalt, noch zu Agnoscirung des Kinds, denen gemeinen Rechten nach,
verbunden, damit aber gleichwol 6tò das letztere unschuldiger Weis nicht
hierunter zu leiden komme, so soll man solchenfalls demselben einen Curatorem
bestellen, welcher der Geburt halber behörige
(22) Vorsorg gebrauche, und sofern es nöthig, die
wiederspenstig- oder verdächtige Mutter bis zur Niederkunft entweder verwachten
oder gestalten Dingen nach mittels obrigkeitlicher Hülf gar in engen
Burgerlichen Arrest bringen lasse. Immassen 7mo. dem Kind auf den Fall, wenn zu
ihren Schaden etwas hierin verabsaumt oder begangen wird, nicht nur der Regress
gegen die Mutter oder bemelten Curatorem, sondern auch der Beweiß, daß die
Geburt in rechter Zeit würklich geschehen seye, gegen den Vatter oder die
Befreundte allzeit noch bevorstehet, wohingegen 8vò auf diesen, wenn sie
obberührte Inspection oder Custodiam Ventris nicht begehrt haben, die
Ausführung aller rechtmässiger Einwendungen. gegen die Geburt nicht weniger
vorbehalten bleibt. Im übrigen ist zwar 9no. hiesigen Lands-Gebrauch nach die
Frau weder zur. Verkündigung der Schwangerschaft inner gewisser Zeit, noch zur
Beobachtung aller in denen gemeinen Rechten, vorgeschriebener Præcautionen und
Solennitäten verbunden, doch ist rathsam, daß sie zu Verhütung alles Streits
sich währender Schwangerschaft, so viel immer möglich, ausser billigen Verdacht
und Argwohn zu halten suche. Wie und auf was Weis aber endlich auch die
Unterschiebung fremder Geburt zu bestraffen seye, siehe Cod. Crim. P. 1. Cap.
9. §. 2. Desgleichen siehe von der Missione Ventris in Possessionem Hæreditatis
unter P. 3. Cap. 1. §. 12.
(23) Fünftes Capitul
Von Vätterlicher Gewalt.
(Patriâ Potestate)
Was sie seye? wem selbe gebühre, und wie sie erlangt
werde?
§. 1. Die Vätterliche. Gewalt ist eine Herrschaft,
welche der Vatter über seine Kinder denen Rechten gemäß auszuüben hat. Sie
gebührt nur dem Vatter allein, nicht aber der Mutter, oder anderen, und
erstrecket sich über alle Descendenten, sowol in erst- als zweyt- und weiterer
Generation, so lang die von der ersten selbst noch nicht aus sothaner Gewalt
getretten und sui. Juris worden seynd, es wird auch dieselbe nicht nur durch
die Ehe, sondern auch in gewisser Maaß durch die Legitimation oder Adoption
erlangt. Von der Ehe siehe Cap. seq. 6. Von der Legitimation aber §vò seq. 8.
und von der Adoption §vo seq. 10. & 11.
Würkung derselben.
§. 2. Die Vätterliche Gewalt äussert sich 1mò unter
anderen noch meistentheils bey dem Vermögen deren Kindern (Peculio Liberorum)
wovon §vis. seq. 3. 4. 5. 6. das mehrere zu ersehen ist. All übriger Rechten
und Pflichten halber, welche dem Vatter 2dò entweder mit anderen Eltern gemein
oder in Kraft des Vätterlichen Gewalt besonders zuständig seynd, beziehet man
sich auf das, was anderwärts sowol in gegenwärtigen Cod. Civil. als Judic.
& Crimin. behöriger Orten davon angeregt ist. So viel 3tiò das alte so
genannte Dominium quiritarium belangt, Kraft dessen die Kinder dem Vatter sowol
ihrer Güter, als Person halber wie Knecht und Leibeigne unterworffen waren,
mithin für sich weder etwas thun, noch erlangen, und im Nothfall gar verkauft,
hingelegt, oder um verübter Missethaten halber getödet werden kunten, ist
solchalles nicht mehr in Uebung. Desgleichen obschon 4tò nach Römischen Rechten
Vatter und Kinder dergestalt für eine Person.
(24) geachtet werden, daß zwischen ihnen weder eine
Schankung, noch Contract,. Process, oder andere Handlung Platz greiffet, so ist
doch solches ebenfalls nicht mehr in Gebrauch, sondern es stehet ihnen
miteinander zu handlen und zu wandlen eben so, wie anderen, frey, wenn nur die
Kinder bey vollen Jahren oder währender Minderjährigkeit mit einem Curatore ad
Actum specialem versehen seynd.
Peculium Profectitium.
§. 3. Das Vermögen eines unter Vätterlicher Gewalt
stehenden Kinds heißt Peculium und zwar Profectitium, wenn solches von dem
Vatter selbst oder wenigst in Ansehen seiner von anderen herrührt. Es gebührt
dem Kind hierauf 1mò nichts, als die blosse Verwaltung, so lang es dem Vatter
gefällig ist, dann er bleibt nicht nur Innhaber und Nutzniesser, sondern auch
Eigenthümer davon, und wenn solches auf- oder abnimmt, so wachset ihm dieses
auch zu oder ab. Um die von dem Kind bonâ fide hierauf gemachte Schulden haftet
zwar 2dò der Vatter den Creditoribus, jedoch nur pro Quantitate Peculii und
länger nicht als ein Jahr von der Zeit an, da die Verwaltung dem Kind wiederum
abgenommen worden. Nach Erlöschung der Vätterlichen Gewalt hört zwar auch 3tiò
das Peculium auf, wenn aber der Vatter solches nicht zuruck nimmt, so bleibt es
dem Kind; sodann eigenthümlich, und unwiederruflich. 4tò Wird das Peculium in
Zweifel allzeit mehr pro. (!) Profectitio gehalten, wenn man nicht weiß, wie
und woher solches überkommen worden.
Peculium Castrense vel quasi.
§. 4. Peculium Castrense wird genannt, was die Kinder
durch Krieg-Dienst directè oder indirectè erwerben, quasi Castrense aber, was
ihnen durch Begleitung anderer Aemter oder durch Uebung freyer Künsten und
Wissenschaften zugehet. Sowol in ein- als anderen werden sie den Haus-Vätter
und Personis sui Juris durchgehends gleich geschätzt, und hat der Vatter hierin
gar nichts zu sagen, ausser wenn die Kinder noch minderjährig oder curatelmäßig
seynd, welchenfalls ihm die Administration dieser Güter bis zu erlangter
Majorennität gebührt.
(25) Peculium Adventitium Regulare & Ordinarium.
§. 5. Auf dem Peculio Adventitio Regulari, welches
nemlich die Kinder weder von dem Vatter noch in Ansehen seiner von anderen, und
eben so wenig auch im Krieg, oder durch andere Dienst, freye Künsten und
Wissenschaften, sondern nur in anderweeg durch Schankungen, Vermächtnuß,
Erbschaft, Glücks-Fäll, oder sonst eignen Fleiß, Arbeit und Gewerb erobert
haben, stehet ihnen zwar 1mò das Eigenthum, dem Vatter aber sowol die
Administration als Nutzniessung zu, welche jedoch 2dò nach Erlöschung der
Vätterlichen Gewalt auch wiederum aufhört, ausgenommen so viel 3tiò das dem
Kind Mütterlicher Seits angefallene Gut betrift, dann darin ist nach hiesigen
Land-Rechten zwischen Siegelmässigen und anderen ein Unterschied zu machen. Der
letzteren halber bleibt es in diesem Stück bey obgedachter Regul, dergestalt,
daß sie auch für die Emancipation des Kinds nichts mehr zuforderen haben. Jene
hingegen haben verstandenes Mutter-Gut auch nach aufgehobner Vätterlicher
Gewalt noch Lebenslänglich zu geniessen, seynd aber anbey das Kind mit
Aussteurung und sonst dergestalt zu verstehen schuldig, wie es einem Vatter
gebührt. Damit es auch 4tò mehr berührten Mutter-Guts halber desto weniger Irrung
gebe, soll solches nach der Mutter Tod längst inner einem Jahr bey
willkürlicher Straf von Siegelmässigen Vättern in Beyseyn der Verwandten, von
Unsiegelmässigen aber vor ihr oder ihrer Kindern ordentlicher Obrigkeit
gebührend ausgezeigt, und in Richtigkeit gebracht, auch bey verspürender
Nachlässigkeit von der Obrigkeit ex Officio hierinfalls vorgegriffen werden.
5tò Laßt man es sowol des Vätter- als Mütterlichen. Usûs-Fructûs halber in
Bonis Liberorum, ohne Unterschied. zwischen Siegelmässigen und anderen, bey dem
Ober-Pfälzischen Land-Recht p. 317, so viel dieselbige Lande betrift, noch
ferner bewenden.
Peculium Adventitium Irregulare & extraordinarium.
§. 6. Mit dem Peculio Adventitio Irregulari wird es
durchaus wie mit obberührten Castrensi vel quasi gehalten, es gehören aber nur
folgende Fälle hieher, wenn nemlich das Kind 1mò von anderen unter
ausdrücklichen Beding, daß der Vatter die Nutzniessung nicht haben soll, etwas
überkommt, 2dò eine Verlassenschaft oder sonst etwas gegen Vätterlichen Willen an
(26) sich bringt, 3tiò einem Geschwistert nebst dem
Vatter succedirt, 4tò entweder von der Landherrschaft oder anderer Fürstlicher
Person beschenkt wird, endlich 5tò wenn sich der Vatter selbst ausdrücklich
oder durch langen Nicht-Gebrauch seines Rechts hierin begiebt.
Wie die Vätterliche Gewalt aufhört.
§. 7. Die Vätterliche Gewalt hört auf 1mò nicht nur
durch natürlichen, sondern auch durch den Burgerlichen Tod des Vatters oder
Kinds, 2dò durch schweren Mißbrauch der Vätterlichen Gewalt, z. E. durch Grausamkeit,
Exposition und Hinlegung der Kindern, item durch derselben Verkuppl- oder
Verführung und dergleichen, 3tiò durch die Entlassung (Emancipationem) welche
jedoch von Siegelmässigen Personen schriftlich unter eigener Fertigung, von
Unsiegelmässigen aber vor ordentlicher Obrigkeit declarirt werden soll, 4tò
wenn die Kinder sich von Vätterlicher Haushaltung so weit absöndern, daß sie
dem Vatter nicht mehr auf dem Brod und Unterhalt stehen, woran sie auch nach
erlangten 25isten. Jahr von den Eltern ohne sonders erheblicher und allenfalls
von der Obrigkeit zu ermessender Ursach nicht abgehalten werden sollen. 5tò
Hebt zwar auch die würkliche Raths- und andere derselben gleichkommend- oder
noch höhere Dignität die Vätterliche Gewalt ebenfalls auf, wenn anders
obgedachte Absönderung darzu kommt, ausser dessen ist sie so wenig als die
Vereheligung allein zu diesem Effect hinlänglich, sobald aber 6tò die Kinder
auf obige Weis einmal aus der Vätterlichen Gewalt getretten und sui Juris
worden seynd, verbleiben auch ihre Kinder nicht mehr in des Groß-Vatters
Gewalt, sondern tretten alsogleich in die Gewalt ihres Vatters ein, und kan im
übrigen auch 7-mò die einmal erloschene Vätterliche Gewalt weiter nicht mehr
revivisciren.
Von der Legitimation und zwar per subsequens
Matrimonium.
§. 8. Die Legitimation eines unehelichen Kinds wird
nur durch Landsherrliche Verordnung, oder durch die von dem Vatter mit des
unehelichen Kinds leiblicher Mutter beschehene Vereheligung bewürkt. Von der
Legitimation erster Gattung siehe folgenden neunten §vum. Zu der anderen wird
nicht nur 1mò eine gültig- und Rechts-beständige, mittels
(27) Priesterlicher Einsegnung würklich geschlossen-
obschon durch den Beyschlaf noch nicht vollzogene Ehe, sondern. auch 2dò die
Einwilligung des dadurch zu legitimirenden Kinds erfordert, welche jedoch so
lang vermuthet wird, bis der Wiederspruch gnugsam erwiesen ist. 3tiò Werden auf
solche Weis nur die so genannte Naturales illegitimi, nicht aber Spurii, viel
weniger die ex Coitu damnato, ohngeacht erfolgter Dispensation legitimirt. 4tò
Würkt diese Legitimation so viel, daß das legitimirte Kind nicht nur unter
Vätterliche Gewalt kommt, sondern auch in all übrigen Stücken, wo keine
besondere Ausnahm gemacht ist, denen ehelichen Kindern regulariter gleich geschätzt
wird, und zwar 4tò nicht erst fürwärts von Zeit beschehener Vereheligung,
sondern ruckwärts von Zeit ihrer Geburt an. Im Fall auch 5tò das uneheliche mit
Hinterlassung eines anderen unehelichen Kinds bereits verstorben wäre, so wird
der Enkel durch die Heyrath des Groß-Vatters in obiger Maaß nicht legitimirt.
Von der Legitimation per Rescriptum Principis.
§. 9. Durch Landsherrliche Verordnung werden 1mò
unächte Kinder theils unmittelbar theils mittelbar durch Comites Palatinos nach
Maaß-Gaab Cod. Judic. C. 2. §. 7. legitimirt, und ist die Würkung sothaner
Legitimation 2dò daß die Geburts-Flecken dadurch getilgt wird, folglich dem
Legitimato weder ein Vorwurf deshalben gemacht, noch derselbe von
Ehren-Aemtern, Zünften, und Handwerken ausgeschlossen werden mag. Die
Vätterliche Gewalt aber wird dadurch 3tiò andergestalt nicht, als unter
folgenden vier Requisitis erlangt, nemlich wenn der Vatter selbst um die
Legitimation ansucht, annebens kein anderes eheliches Kind hat, sich auch mit
der Mutter eines obwaltenden rechtlichen Impedimenti, oder weil sie schon tod
ist, nicht mehr verehelichen kan, und hiernächst der Legitimandus seines Orts
einstimmig ist, welch-letzteres jedoch bis auf gegentheilige Prob allzeit
vermuthet wird. Wie weit nun 4tò gegenwärtige Legitimation die Succession und
andere Rechte nach sich ziehe, kommt anderwärts mit mehreren vor.
De Arrogatione.
§. 10. Die Wahl-Kindschaft (Adoptio) pflegt 1mò in
Arrogationem & Adoptionem in specie getheilt zu werden. Jene
(28) ist, da man Personam sui Juris an Kindsstatt.
annimmt, wozu aber folgendes erforderlich seyn will. Es muß nemlich 2dò der
Wahl-Vatter (Arrogans) von Natur zum Heyrathen zwar nicht untüchtig, jedoch
ohne Kind und männlichen Geschlechts, auch bereits im 60isten. Jahr seines Alters,
oder da die Obrigkeit hierinfalls dispensirt, wenigst über 18. Jahr und zwar
allemal älter als das Wahl-Kind oder Arrogatus seyn. 3tiò Ist sowol
jetztgedachten Arrogati ausdrückliche Einwilligung als auch die Confirmation
jener Obrigkeit, worunter entweder der Wahl-Vatter oder das Wahl-Kind seiner
Person halber zu stehen hat, vonnöthen. 4tò Wird bey Arrogirung minderjähriger
Personen über all obiges nicht nur des Curatoris Consens, sondern auch eine
vorläuffige Obrigkeitliche Untersuchung über die Nutzbarkeit sothaner Handlung,
wie nicht weniger von Seiten des Wahl-Vatters eine hinlängliche Versicherung
erfordert, daß wenn Arrogatus in der Minderjährigkeit ohne gültigen Testament
verstirbt, seine Verlassenschaft an die Erben ab Intestato ausgefolgt werde.
5tò Mögen uneheliche Kinder von ihren leiblichen Vatter nicht arrogirt werden,
solang er die Vätterliche Gewalt auf andere Art über sie erlangen kan. 6tò Mag
auch kein Vormund oder Curator sein Pfleg-Kind ohne vorgängiger
Rechnungs-Richtigkeit und Bestellung anderer Vormünder auf obige Weis
arrogiren. 7mo Tritt Arrogatus mittels solcher Wahl-Kindschaft unter die
Vätterliche Gewalt, und wird aller Pflichten oder Rechten, wie andere
rechtmässig-natürliche Kinder theilhaftig, ausser soviel die von natürlicher
Bluts-Verwandtschaft allein abhangende Rechten (Jura Sanguinis) betrift. 8vò
Greift die Emancipation des Wahl-Kinds gegen Aushändigung des Eingebrachten
Vermögens zwar Platz, wenn es aber ohne gnugsam und allenfalls von der
Obrigkeit zu ermessender Ursach geschiehet, so ist der Wahl-Vatter nicht nur zu
obiger Extradition verbunden, sondern er muß auch von seinem eigenen Vermögen
den vierten Theil an Arrogatum ausfolgen lassen.
Adoptio in specie.
§. 11. Wenn man Personam alieni Juris, welche noch
unter Vätterlicher Gewalt stehet, sowol mit ihr- als ihres Vatters Bewilligung
an Kindsstatt annimmt, so wird es adoptio in specie benamset, und zwar plena,
wenn dieses von des Adoptati leiblichen Groß-Eltern geschiehet, sonst aber
minùs plena.
(29) In. beeden hat all jenes statt was §vo præced.
10. n. 2. 3. 5. versehen ist, ausgenommen, daß minùs plena auch von
Weibs-Personen vorgenommen werden kan. Die erste ist desto stärker, weil
Adoptatus nicht nur des Adoptantens Vätterlicher Gewalt unterworffen wird,
sondern auch Jura Sanguinis & Cognationis participirt. Durch die Adoptionem
minùs plenam aber wird die Vätterliche Gewalt von des Adoptati Vattern auf den
Adoptantem nicht transferirt, und hat mithin auch dieselbe keine andere Würkung
als daß das Wahl-Kind dem Wahl-Vatter, wie andere leiblich- und rechtmässige
Kinder, ab Intestato succedirt.
Von der Einkindschaft oder Unione Prolium.
§. 12. Wenn aus unterschiedlichen Ehen erzeugte Kinder
durch beederseitige Einverständnuß ihrer Eltern der Erbfolg halber dergestalt vereinigt
werden, ob wären sie alle aus einerley Ehe erzeugt worden, so heist es eine
Einkindschaft, welche, gleichwie sie in hiesigen Landen bishero ganz unbekannt
und ungebräuchig gewesen, also auch in Zukunft um Vermeidung deren hieraus
besorglicher Strittigkeiten nicht eingeführt werden soll. Soviel aber die
Ober-Pfälzische Lande betrift, hat es in diesem Stück bey dortigen
Lands-Gebrauch und denen Statutis pag. 250. noch ferner sein ungeändertes
Verbleiben.
(30)
Sechstes Capitul
Von dem Ehestand. (Matrimonio.)
Was und wie vielerley des Ehestand seye?
§. 1. Der Ehestand ist eine zwischen Mann- und
Weibs-Person um Erzeugung der Kinder und Mutuelen Beystandswegen gestiftete
unzertrennliche Gesellschaft, und wird in Matrimonium ratum & consummatum
getheilt. Jenes entstehet aus der Priesterlichen Copulation, dieses aber aus
dem darauf erfolgenden ehelichen Beyschlaf.
Von der Ehe-Verlobnuß oder denen Sponsalibus.
§. 2. Die Ehe-Verlobnuß ist noch nicht die würkliche
Ehe selbst, sondern nur ein vorläuffig reciprocirliches Versprechen künftiger
Vereheligung zwischen solchen Personen, welchen keine rechtliche Hindernuß
disfalls im Weeg stehet. Es ist aber zwischen Sponsalibus de futuro &
præsenti, wie auch zwischen offentlich- und heimlichen Ehe-Verlobnüssen, sofern
diese letztere nur sattsam erweislich seynd, gar kein Unterschied mehr.
Von beederseitigen Consens in einso (!) anderen.
§. 3. Sowol zur gültiger Verlobnuß als würklicher
Vereheligung wird 1mò von beeden contrahirenden Haupt-Theilen die Einwilligung
erfordert, seynd demnach 2dò all jene davon ausgeschlossen, welchen es an
Willen oder genugsamen Begrif bey der Sach ermanglet. 3tiò Muß der Wille durch
Wort oder andere deutliche Zeichen nicht nur erklärt, sondern auch benöthigten
Falls von dem sich darauf beziehenden Theil bewiesen seyn. 4tò Gilt hierunter
gleich, ob die Erwilligung von denen Contrahenten selbst persönlich, oder durch
einen Anwalt geschehe, wenn dieser nur specialiter hierzu begwaltet, und die
Vollmacht vor geschehener Sach nicht wiederruffen ist. Das blosse
Stillschweigen wird 5tò ohne anderen Behelf für kein hinlängliches
(31) Zeichen geachtet, ausgenommen, 6tò bey Kindern,
wenn sie in persönlicher Gegenwart von ihren leiblichen Eltern an andere zur
Ehe verlobt werden.
Von dem Consens der Eltern, Vormündern, Obrigkeiten.
§. 4. Ehe-Verlobnussen und Vereheligungen, welche mit
Umgehung der Elteren, Vormündern und Obrigkeiten geschehen, seynd zwar 1mò an
sich nicht ungültig, lauffen aber gleichwol gegen die Ehrbarkeit, werden daher
nach hiesigen Land-Recht mit verschiedenen Straffen belegt, und zwar so viel
2dò die Kinder belangt, ist darauf zu sehen, ob sie sich ohne Consens der
leiblichen Elteren ihrem Stand gemäß vereheligen oder nicht. Letztenfalls seynd
ihnen dieselbe in Lebzeiten weder Heyrath-Gut noch Fertigung und Heimsteuer,
oder andere Hülf schuldig, nach ihren Tod aber erbt zwar der Sohn bey
ermanglender Disposition mit anderen Kinder gleich, die Tochter hingegen
bekommt nur die Helfte dessen, was ihr sonst von dem Vätter- oder Mütterlichen
Gut zugekommen wäre, oder da sie eine verzichene Tochter ist, die Helfte
dessen, was eine von denen verzichenen Töchtern am wenigsten erhalten hat, und
fallt der Ueberrest anderen Geschwisterten, oder nächsten Versippten zu. Thäte
sich aber 3tiò ein Kind auf solche Weis nicht nur an eine dem Stand und
Herkommen nach ungleich- sondern etwan gar an eine schlecht- leichtfertig- oder
verleumde Person verehelichen, so mag selbes von den præterirten Eltern gar
enterbt werden, oder da die Enterbung nicht geschiehet, so bekommt doch das
Kind ein mehrers nicht, als die Helfte der Nothgebührnuß, sofern die Elteren
nicht ausdrücklich ein anderes verordnen. Bey Standsmäßigen Heyrathen können
zwar 4tò die Kinder von denen umgangenen Eltern bey Lebzeiten weder Heyrath-Gut
noch Fürderung (!) oder Heimsteuer mit Recht forderen, all übrige obbenannte
Straffen aber greifen solchenfalls nicht Platz. Das nemliche was 5tò von Vatter
und Mutter hiermit geordnet ist, verstehet sich auch von Ahn-Herrn und
Ahn-Frauen, wenn jene nicht mehr bey Leben seynd. Es wird hiernächst 6tò zu
obigen Straffen erfordert, daß die Kinder noch unter Vätterlicher Gewalt, oder
in der Eltern Pfleg und Unterhalt stehen, annebens der Sohn das 30iste , die
Tochter aber das 25iste Jahr noch nicht erfüllet. habe, und endlichen auch
denenselbigen unter solchen Jahren von ihren Elteren bereits eine andere
anständige Heyrath angetragen, oder
(32) wenigst keine Hindernuß daran im Weeg. gelegt
worden seyn. Vormünder oder nächste Befreundte sollen zwar 7mo ihre Pfleg-Kinder,
Verwand- oder Anbefohlene von guten, Standsmässig- und ehrlichen Heyrathen
nicht abhalten, diese hingegen, wenn sie das 21iste , und soviel die
Weibs-Personen betrift, das 25iste Jahr noch nicht erfüllet haben, ohne
derselben Wissen, Willen und Rath sich nicht vereheligen, ausser dessen die
erstere mit Gefängnuß, oder in anderweeg, die letztere hingegen, welche sich
solchermassen an Manns- Personen von ungleichen Stand vereheligen, mit dem
Verlust des Vierten, oder sofern es gar eine schlecht, leichtfertig- oder
verleumte Person wäre, des dritten Theils ihres Vätter- oder Mütterlichen Erbs
gestraft werden, es wäre dann kein Befreundter mehr im Leben, welchem diese
verwürkte Portion von Rechtswegen zufallen könte. Ihro Churfürstliche
Durchläucht gedenken auch 8vò in Conformität der erklärten Lands-Freyheit P. 3.
Art. 11. keine Weibs-Person ohne ihren, und ihrer Elteren, oder da solche nicht
mehr bey Leben seynd, ihrer Befreund-. und Vormündern willen zu verheyrathen,
und soll 9no in all obigen Stücken zwischen denen von Adel und anderen kein
Unterschied seyn. 10mò Ist allen sowol hoh-. als niederen Churfürstl. Bedienten
und Officialen die eigenmächtige Vereheligung ohne Churfürstl. Gnädigsten
Consens bey Verlust ihres Diensts verbotten. Arm und unvermögliche Personen
betreffend, bleibt es 11mò bey deme,. was ihrer eigenmächtig- und ohne
Obrigkeitlichen Consens unternommener Verheyrathung wegen bereits in Cod. Crim.
P. 1. C. 11. §. 7. verordnet ist. 12mò Jene, welche zu dergleichen hieroben
verbottenen Winkel-Ehen aus Eigennutz, oder anderen ungebührlichen Ursachen
rathen helffen, oder anderen Gelegenheit machen, sollen von ihrer ordentlichen
Obrigkeit ernstlich gestraft werden. Bey vorfallenden Zweifel aber, ob die
getroffene Ehe Standsmäßig seye oder nicht, soll man 13tiò in richterlicher
Ermäßigung unter anderen Umständen vorzüglich dahin sehen, ob der Verwandschaft
dadurch merklicher Schimpf oder Nachtheil zuwachse.
Von Priesterlicher Copulation und Einseegnung.
§. 5. Die blosse Einwilligung ist zwar wol 1mò zur
Ehe-Verlobnuß, nicht aber zur würklicher Ehe erklecklich, sondern zu der
letzteren wird nach dem Schluß der Tridentinischen Kirchen-Versammlung auch die
Gegenwart des Pfarrers und zweyer
(33) Gezeugen bey Vermeidung der Nullität erfordert, also
und dergestalten daß 2dò bey der Copulation sowol beede Braut-Personen als
verstandene zwey Gezeugen nebst dem Pfarrer zu gleicher Zeit anwesend seyn, und
von deme was hierunter vorgehet, gute Wissenschaft tragen sollen. 3tiò Muß es
Parochus competens & ordinarius, das ist, der jenige Pfarrer seyn, worunter
entweder beede Braut-Personen oder wenigst eins davon wohnhaft ist, es seye
dann, daß ein anderer Pfarrer die Special-Erlaubnuß von ihm oder von dem
Ordinariat hat. 4tò Ist Niemand von der Gezeugschaft hierinfalls
ausgeschlossen, der von Natur dazu untüchtig ist.
Von denen Hindernussen der Ehe.
§. 6. Die rechtliche Hindernussen, welche der Ehe auf
eine Zeit oder beständig im Weeg stehen, seynd so beschaffen, daß sie dieselbe
entweder ganz und gar kraftlos oder nur ungebührlich und strafbar machen. Jene
heissen Impedimenta Dirimentia, diese Impedientia. Wie weit nun. in beede die
Dispensation Platz greiffe, auch wie und wo solche gesucht werden müsse, ist in
denen Geistlichen Rechten mit mehreren versehen.
und zwar von Impedimentis Impedientibus.
§. 7. Impedimenta impedientia bestehen 1mò in
vorläuffig dreymaliger Verkündung, 2dò in der Advent- und Fasten-Zeit oder 3tiò
in anderweiten besonderen Kirchen-Verbott, 4tò in der bereits vorhin schon mit
einer anderen Personen gepflogener Rechts beständiger Ehe-Verlobnuß, 5tò in dem
einfachen Gelübd der Keuschheit, dann so viel das zierliche Gelübd anbelangt,
siehe nächst folgenden achten §vum. Und ist annebens 6tò zu merken, daß durch
jetztbemelt- erst- und zweytes Impediment die Ehe-Verlobnuß niemal gehindert
werde.
dann dirimentibus.
§. 8. Nicht nur die Ehe-Verlobnuß sondern auch die Ehe
selbst wird durch folgende Hindernussen gänzlich entkräftet und vernichtet. 1mò
Durch wiederrechtlichen schweren Zwang, 2dò grossen Irrthum, welcher nicht
soviel in zufälligen Eigenschaften als in der Person selbst begangen worden.
3tiò Die Priester-Weyhe. 4tò Das vorhin schon abgelegte zierliche Gelübd der
Keuschheit. 5tò Die mit einer anderen Person würklich
(34) bestehende Ehe. 6tò Unheylbare Untüchtigkeit zum
Beyschlaf, welche sich nicht erst nach der Vereheligung ergeben hat. 7mo.
Unglauben in Ansehen Christglaubiger Personen. 8vò Impedimentum publicæ
Honestatis, das ist, die Hindernuß zwischen einem und denen Bluts-Verwandten
des anderen Ehe-Verlobtens bis auf den ersten Grad nach Geistlichen Rechten
gerechnet. 9no. Gewaltsame Entführung zwischen dem Entführer und der
Entführten, so lange diese nicht wiederum in ihrer voriger Freyheit ist. 10mò
Impedimentum. Criminis, das ist, fürsetzlicher Todschlag eines Ehegattens,
wodurch die Ehe zwischen dem anderen Ehegatten und der jenigen Person, welche
den Mord in Absicht sich miteinander zu vereheligen ausgeübt haben, verhindert
wird. Die nemliche Hindernuß ergiebt sich auch 11mò aus dem Ehebruch zwischen
den verbrechenden Theilen, wenn solcher entweder mit geflissener Ermordung des
anderen Ehegattens, oder aber mit beederseitigen Versprechen künftiger Ehe
begangen wird. Von dem Impediment der Verwand- oder Schwagerschaft, dann des Alters
siehe folgenden neunt- und zehenden §vum. Von dem Abweesenheit des Pfarrers und
der zweyen Gezeugen aber, wie auch von dem Mangel der Einwilligung siehe
vorhergehenden dritt- und fünften §vum.
Insonderheit jenen, welche von Verwand- oder
Schwagerschaft herkommen.
§. 9. Die Ehe hat nicht statt 1mò unter
Bluts-Verwandten in auf- und absteigender Linie, so weit sich solche immer
erstreckt, in der Seiten-Linie aber bis auf den vierten Grad inclusivè nach
Geistlichen Rechten gerechnet. 2dò zwischen dem Tauf-Pathen dann dem Getauften
und dessen leiblichen Eltern, desgleichen zwischen dem Firmungs-Pathen dann dem
Gefirmeten, und dessen leiblichen Eltern. 3tiò So viel die Verwandschaft per
Arrogationem betrift, zwischen dem Wahl-Vatter dann dem Wahl-Kind und des
letzteren leiblicher Descendenz, nicht weniger zwischen dem Wahl-Vatter und des
Wahl-Kinds Ehe-Frauen, hingegen auch zwischen dem Wahl-Kind und des
Wahl-Vatters Ehe-Frauen, endlichen so lang die Arrogation daurt, zwischen dem
Arrogato und all jenen, welche unter des Arrogantis Vätterlicher Gewalt
würklich stehen. 4tò Zwischen Verschwägerten bis in den vierten Grad der
Schwagerschaft, oder da selbe etwan aus unehelichen Beyschlaf entstanden ist,
bis in den zweyten Grad derselben inclusivè nach Ausrechnung der Geistlichen
Rechten.
(35) Oder von dem Alter.
§. 10. Das Alter hindert die Ehe, wenn das Weibs-Bild
noch nicht 12, oder das Manns-Bild noch nicht 14. Jahr erfüllet hat. Die
Ehe-Verlobnuß hingegen hat bey Unvogtbaren, nachdem sie das 7-te Jahr zuruck gelegt
haben, zwar allerdings statt, doch kan solche bey erlangter Vogtbarkeit
wiederruffen werden, welche Beschaffenheit es auch hat, wenn Unvogtbare von
ihren leiblichen Eltern zur Ehe verlobt worden seynd.
Von Ehe-Verbündungen sub Conditione, Demonstratione,
Causâ, Modo, Die vel Pœna.
§. 11. Wenn die Ehe nicht unbedungen, sondern nur in
gewisser Maaß und Bedingnuß zugesagt wird, so bleibt 1mò die Obligation des
Versprechens in Suspenso und muß mit dem Vollzug so lange angestanden werden,
bis die Condition erfüllet und der Contract dadurch purificirt ist. Es wird
aber 2dò derselbe für purificirt geachtet, wenn die Bedingnuß so beschaffen
ist, daß sie nothwendig existieren muß. Oder da 3tiò der Jenige, zu dessen
Favor sie beygeruckt wird, selbst wiederum mit Worten oder Werken davon
abweicht, welche Beschaffenheit es auch 4tò mit unmöglichen, das ist, mit
solchen Bedingnussen hat, die gegen die Natur lauffen, oder dem Gesatz so weit
zuwieder seynd, daß ein Verbrechen daraus entstunde. Dann dergleichen Zusätz
werden für null und nicht geschrieben geachtet, ausgenommen, da sie etwan gar
dem Entzweck (!) und der innerlichen Eigenschaft des Ehestands entgegen
lauffen, allermassen auf diesen Fall das Versprechen gänzlich dadurch annullirt
und entkräftet wird. Die von unversehenen Zufällen abhangend- oder vermischte
Bedingnussen (casuales vel mixtæ) werden 5tò ebenfalls für purificirt gehalten,
wenn deren Erfüllung von dem versprechenden Theil selbst mit Fleiß gehindert
wird. Hangt aber 6tò die Erfüllung der Bedingnuß nicht von einem künftigen
Zufall, sondern lediglich von der Macht und dem Willen des Versprechers ab,
(Conditio potestativa) so mag der andere Theil, nachdem er eine Zeitlang
zugewartet hat, auf die Erfüllung der Condition und den würklichen Vollzug der
Ehe andringen. 7mo. Wird die Ehe durch den in der Verlobung beschehenen
Ausdruck einer gewissen Eigenschaft oder Bewegs-Ursach (Demonstrationem vel
Causam) weder gehindert noch wenn diese nach der Hand falsch befunden worden,
entkräftet, es seye dann daß selbe auf einem Substantial-Irrthum beruhet.
Dafern 8vò sub Modo contrahirt wird
(36) folglich die Bedingnuß erst nach vollzogener Ehe
zur Erfüllung gebracht werden soll, so wird zwar die Heyrath nicht dadurch
aufgehalten, es kan aber gleichwol Caution deswegen verlangt, und nach
vollbrachter Ehe der säumige Theil zur Gebühr angestrengt werden. Die
Beyruckung eines gewissen Tags hemmt 9no die Verbindlichkeit des
Ehe-Versprechens keinesweegs, wol aber den Vollzug desselben so lang, bis der
Tag würklich erscheint. Endlich muß auch 10mò die auf dem Fall, wenn von der
Ehe-Verlobnuß ohne Rechtserheblicher Ursach abgegangen wird, bedungene Straf
solchenfalls entrichtet werden.
Pflichten und Rechten der Eheleuten.
§. 12. Die Pflichten und Rechten der Eheleuten, soviel
ihr eigene Person betrift, bestehen 1mò in Erweisung beständiger Lieb und
Treue, dann der Beywohnung und all nöthigen Beystand, wie nicht weniger in dem
ehelichen Beyschlaf, welcher ohne Rechtserheblicher Ursach einem Theil von dem
anderen nicht versagt werden kan. Insonderheit wird 2dò der Ehe-Mann für das
Haupt der Familie geachtet, dahero ihm seine Ehegattin nicht nur in Domesticis
subordinirt und untergeben, sondern auch zu gewöhnlich- und anständigen
Personal- und Haus-Diensten verbunden ist, wozu sie 3tiò von ihrem Mann der
Gebühr nach angehalten- und benöthigten Falls mit Mässigkeit gezüchtiget werden
mag. 4tò Hört die Curatel einer minderjährigen Ehe-Frauen nach beschehener
Vereheligung alsogleich auf, und wird mit der Potestate maritali, worunter
dieselbe währender Ehe zu stehen hat, verwechslet, hiernächst tritt auch 5tò
jede Frau in den Stand, Character, Würde, Familie und das Forum ihres
Ehegattens nicht nur ein, sondern behalt diese alles nach seinem Tod beständig
fort, so lange sie nicht den Wittib-Stand verruckt. Falls nun 6tò der Mann seyn
Domicilium verändert, so soll ihm die Frau folgen, es seye dann, daß jener
eines Verbrechens halber zu solcher Veränderung bemüssiget ist, oder sich erst
nach angetrettenen Ehestand auf das Vaganten-Leben verlegt. 7mo Hat die Frau
nicht nur von dem Mann sondern auch gestalten Dingen nach von seinen Erben den
Unterhalt Lebenslänglich zu forderen, ausgenommen, wenn sie sich selbst nähren
kan, oder der Mann unvermöglich und arm ist, welchenfalls er von seiner
bemittelten Frau oder ihren Erben vielmehr selbst ernährt und
(37) unterhalten werden muß. Doch kommt es sowol. auf
Seiten des Manns als Weibs meistentheils auf richterliche Ermessigung an, wobey
man nicht nur den Stand, Lebens-Wandel und Weesen der zu alimentirender Person,
sondern auch die Verlassenschaft nebst denen Umständen, worin sich die Erben
befinden, zumal bey Stief-Eltern zu betrachten, und hiernach sowol die
Quæstionem an als quomodo zu reguliren hat. Soviel endlich 8vò die Pflichten
und Rechten der Eheleuten in Ansehen ihrer Kindern betrift, siehe oben Cap. 4.
§. 3. 7. und in Ansehen ihrer Güter. §vo. seq. 13. &c.
Von ihren Gütern, sondernbar dem Heyrath-Gut.
§. 13. Heyrath-Gut oder Ehesteuer (Dos) wird 1mò
genannt, was dem Ehe-Mann ausdrücklich unter diesem Titul und Namen zugebracht.
wird, welches 2dò sowol von der Ehe-Frau selbst, wenn sie anderst sui Juris
ist, als von anderen statt ihrer, und zwar 3tiò entweder vor- oder nach der
Verehelichung geschehen kan, jedoch fangt letzterenfalls Jus & Privilegium
Dotis nicht von dem Hochzeit-Tag sondern erst à Die Constitutionis an. Unter
die Personen, welche zum Heyrath-Gut oder Aussteuer von Rechtswegen verbunden
seynd, wird 4tò vorzüglich der leibliche Vatter gezehlt, ausgenommen, wenn er
unvermöglich, oder die Tochter nicht mehr in seiner Vätterlicher Gewalt, oder
selbst gnug bemittlet, oder eine rechtmässige Enterbungs-Ursach gegen sie
verhanden ist. Mit dem Wahl-Vatter ex Arrogatione oder Adoptione ab Ascendente
facta hat es 5tò die nemliche Beschaffenheit. Ist aber 6tò der Vatter nicht im
Stand, so fallt diese Bürd auf den Groß- oder Ur-Groß-Vattern Vätterlicher Seit
in Ansehen deren unter seiner Gewalt stehender Enklen und Urenklen. Die Mutter
ist 7mo. in Subsidium nur alsdann hierzu verbunden, wenn die Tochter bereits
fünf und zwanzig Jahr alt, oder von der Mutter sectirischen Religion zum wahren
Glauben übergetretten ist. Brüdern, Schwestern oder anderen kan die Aussteuer
8vò nicht zugemuthet werden, und wer 9no. statt obiger Personen das schuldige
Heyrath-Gut einsweilen Vorschußweis ohne von einer Schankung disfalls
ausdrückliche Meldung zu thun, entrichtet, der mag solches auch von ihnen
wiederum erholen. Alles was 10mò in Commercio humano ist, kan zum Heyrath-Gut
gegeben werden, so gar. fremde Sachen quò ad Effectum Usucapionis, und da nun
selbes 11mò nicht in einer Summa oder
(38) Quantität, sondern in einer besonderen Gattung
von Sachen (Re specificâ) bestehet, annebens dem Ehe-Mann in einem gewissen
Anschlag übergeben wird, so halt man in Zweifel dafür, daß es ihm um das
taxirte Quantum verkauft, mithin die Æstimation mehr Venditionis als
Demonstrationis vel Taxationis gratiâ geschehen seye. Der Unterschied inter
Dotem. adventitiam vel profectitiam ist 12mò nach hiesigen Lands-Gebrauch aufgehoben,
kan also der Vatter das Heyrath-Gut, welches von ihm selbst oder in Ansehen
seiner von einem anderen gegeben worden, nach aufgelöster Ehe andergestalt als
ex Pacto vel Jure hæreditario nicht wiederum zuruck fordern. 13tiò Pflegt man
solches sowol durch Geding und letzten Willen, als mit Werken durch würkliche
Uebergab zu bestellen. Erstenfalls ist die Acceptation des Ehe-Manns
erforderlich, und stehen die Bedingnussen hierunter in der Paciscenten freyer
Willkur. Was aber einmal beschlossen ist, das laßt sich ohne Bewilligung
sammentlicher Interessenten, so wenig als in anderen Pactis, mehr änderen oder
modificiren. Wegen nicht erlegten Heyrath-Guts kan 14tò der Ehe-Mann sich von
seiner Frauen weder scheiden, noch derselben den gebührenden Unterhalt versagen,
und eben so wenig nach der Vereheligung eine Aussteuer, wenn solche nicht
vorher schon versprochen worden, von ihr prætendiren, wol aber mag er 15tò den
Jenigen, welcher etwan ex Pacto oder sonst darum haftet, rechtlich belangen,
und da sich 16tò über das Quantum Dotis ein Stritt ereignet, so soll solches
von der ordentlichen Obrigkeit ex æquo & bono bestimmt, und hierbey sowol
auf das Vermögen des Debitoris, als den Stand des Ehe-Manns, hauptsächlich aber
auf den Gebrauch und das Herkommen gesehen werden. Die würkliche Einbringung
des Heyrath-Guts hat 17mo auf Seiten des Manns verschiedene rechtliche
Würkungen, dann erstlich erlangt er dadurch Dominium Civile sowol auf dem
zugebrachten Gut selbst als dem Zuwachs desselben und denen davon abfallenden
Nutzungen. Zweytens ist er schuldig solches mit dem nemlichen Fleiß, welchen er
in anderen eignen Sachen zu verwenden pflegt, zu erhalten, und tragt auch in
Dote Venditionis gratiâ æstimata alle Gefahr auf sich. Drittens kan er in Casu
Dotis evictæ die Gewehrschaft zwar von der Frau oder ihrem Vatter, nicht aber
von einem Fremden, falls sie von ihm herrührt, begehren. Auf Seiten der
Ehe-Frau bleibt 18vò nach der Illation
(39) nicht als das so genannte Dominium Naturale mehr
übrig, welches auch in so lange ruhet, bis solches gleichwol mit dem Dominio
Civili wiederum consolidirt wird. 19no Supponirt das Heyrath-Gut allzeit eine
würkliche Ehe, was demnach unter Braut und Bräutigam oder anderen disfalls
verabredet und beschlossen wird, das kan ohne darauf erfolgender würklicher
Vereheligung wenigst in Vim Dotis nicht bestehen, was aber 20mò von dem
Heyrath-Gut mit oder ohne der Ehe-Frauen Wissen in anderweeg beygeschaft wird,
das tritt in die Stelle desselben ein, wenn solches auf andere gleichgültige
Weis nicht mehr zu haben ist. 21mò Wird es mit der Dote inofficiosa, welche
nemlich anderen zu Abbruch ihrer Nothgebührnuß gereicht, auf die nemliche Art
gehalten wie in P. 3. Cap. 8. §. 14. von Donationibus inofficiosis versehen
ist. Von Versicher- oder Veräusserung des Heyrath-Guts, wie auch von Verwürkung
und Heimfälligkeit desselben, dann dem Beweis würklicher Einbringung. und
anderen siehe mit mehrern in seq.
Von der Wiederlag oder Gegen-Vermächtnuß.
§. 14. Was die Ehe-Frau in Ansehen des Heyrath-Guts
von ihrem Mann oder statt seiner von anderen mit - oder auch ohne seinem
Vorwissen erlangt, das ist und heißt 1mò die Wiederlag oder Gegen-Vermächtnuß,
(Contrados vel Donatio propter Nuptias) wozu auch 2dò nicht nur der Mann
selbst, sondern, da er etwan nicht so viel in Vermögen hat, sein leiblicher
Vatter, Groß-Vatter oder Mutter, jedoch andergestalt nicht, als in der Maaß,
wie oben von dem Heyrath-Gut verordnet worden, verbunden ist. 3tiò Wird zwar
nicht erfordert, daß die Wiederlag dem Heyrath-Gut allzeit gleich seye, sondern
es kan mehr oder minder hievor bedungen werden, falls aber keine förmliche
Ehe-Pacta vorhanden seynd, so ist man der Ehe-Frauen soviel, als das
Heyrath-Gut betragt, pro Contradote schuldig. 4tò Kan selbe ohne würklich
eingebrachten Heyrath- Gut niemal bestehen, sondern wird allenfalls nur für
eine blosse Schankung, mithin nach Maaßgaab folgenden ein und dreyssigsten §vi.
geachtet. 5tò Stehet der Ehe-Frauen währender Ehe weder Eigenthum, noch
Nutzniess- oder Verwaltung hierauf zu, sofern nicht ein anderes ausdrücklich
bedungen ist, wie es aber nach aufgelöster Ehe und sonst mit selber
(40) gehalten werde, ist in seq. des mehrern versehen.
6tó Hat es mit der Contradote inofficiosa die nemliche Beschaffenheit wie mit
der Dote selbst, wenn sie anderen zur Schmälerung ihrer Nothgebührnuß gereicht.
Von dem Wittib-Sitz.
§. 15. Wittib-Sitz oder Leibgeding (Dotalitium vel
Vidualitium) ist jene Portion, welche die Ehe-Frau nach ihres Manns Tod von
seinem hinterlassenen Vermögen Lebenslänglich zu geniessen hat, wobey
zuforderist und pro 1mò dahin zu sehen ist, ob zwischen denen Eheleuten
förmliche Heyraths-Pacta errichtet worden oder nicht. Erstenfalls bleibt es
lediglich bey sothanen Pactis , und wenn hierin von dem Wittib-Sitz nichts
enthalten ist, so kann solcher auch nicht gefordert werden. Andersfalls gebührt
solcher nur denen adelich Gebohrnen, und zwar 2dò ohne Unterschied, ob sie dem
Mann ein Heyrath-Gut zugebracht haben oder nicht, und soll 3tiò das Quantum in
Entstehung der Güte von der Obrigkeit theils nach üblichen Herkommen, theils
nach dem Stand und Verlassenschaft, oder Anzahl deren Kinder des verstorbenen
Manns ex æquo & bono ermessen und bestimmt werden. 4tò Kan Wittib-Sitz und
Wiederlag nicht nebeneinander bestehen, ausgenommen, wenn beedes zugleich
bedungen ist, welchenfalls jedoch der Wittib-Sitz die Jura & Privilegia
Contradotis nicht gaudirt, sondern nur in Vim Debiti simplicis gilt. Wenn daher
5tò eine Gebohrne von Adel ihrem Ehe-Mann ein Heyrath-Gut zubringt, ohne daß
die Wiederlag nebst dem Wittib-Sitz ausbedungen worden, so hat sie eins von
beeden zu erwählen. 6tò Nimmt das Leibgeding erst von dem Tod des Ehe-Manns
seinen Anfang, und wird der Ehe-Frauen samt denen Fructibus naturalibus tempore
mortis pendentibus gegen Abzug deren pro Cura & Cultura verwendeter Kösten
zu Lebenslänglichen Nutzniessung alsofort eingeraumt,. Fructus Civiles aber
werden soviel das Sterb-Jahr betrift, zwischen ihr und des Manns-Erben also
beobachtet wird. 7mo. Fallt der Wittib-Sitz hinweg, fürs erste durch den Tod
der Wittib. Zweytens durch Verruckung des Wittib-Stuhls, das ist durch weitere
Verehlichung. Drittens durch liederlich- und unzüchtiges Leben währenden
(41) Wittib-Stand. Viertens durch die Ehe-Scheidung,
wenn solche aus Verschulden der Ehe-Frau erfolgt. Fünftens durch schwere
malefizische Verbrechen. Sechstens durch merklich und schuldhaften Abschleif-
oder völligen Untergang des zum Leibgeding ausgezeigten Guts. Siebendens durch
zehen- oder zwanzig-jährige Verjährung unter Gegenwärtig- und respectivè
Abweesenden. Dahingegen wird solcher 8vò weder durch Antrettung des Geistlichen
Ordens-Stands, ausgenommen den Bettel-Orden, der nichts Eignes haben kan, noch
durch Heimzahlung des eingebrachten Heyrath-Guts aufgehoben. 9no. Hat es mit
dem Wittib-Sitz welcher etwan von einem Dritten, statt des Manns, constituirt
worden, die nemliche Beschaffenheit, und kan solchenfalls die Frau von ihres
Manns Vermögen keinen besonderen oder doppelten Wittib-Sitz forderen. 10mò Wird
endlich allzeit supponirt, daß eine würklich- und Rechtsbeständige Ehe
vorhanden gewesen seye, ausser dessen weder bedungen- noch unbedungener
Wittib-Sitz Platz greift.
Von der Morgen-Gaab.
§. 16. Die Morgen-Gaab ist das Geschenk, womit die
Braut in Ansehen ihres Jungfräulichen Stands entweder von dem Bräutigam selbst,
oder von anderen in der nemlichen Absicht beehrt wird. Dieselbe kan 1mò sowol
vor- als nach der Copulation, und zwar 2dò durch Geding oder würkliche
Uebergaab geschehen. Letzternfalls erlangt die Braut das Eigenthum, erstenfalls
eine rechtliche Ansprach gegen den Versprecher, beedes in dem Supposito, daß
die Ehe zum Stand gekommen, und vollzogen worden ist. Dafern aber 3tiò weder
durch Pacta oder Uebergaab, noch sonst der Morgen-Gaab halber etwas ausgemacht
wird, so soll solche auf Instanz des interessirten Theils von der Obrigkeit
ausgesprochen, und das Quantum theils nach dem Gebrauch, theils nach dem
Vermögen des Ehe-Manns, jedoch niemal über den dritten Theil des bedungenen,
oder sofern kein Pactum desfalls vorhanden ist, pro Qualitate Personarum
gewöhnlichen Heyrath-Guts bestimmt werden. Die Beehrungen, womit 4tò einer
Braut, welche nicht Jungfräulichen Stand ist, oder dem Bräutigam selbst vor-
oder nach dem Hochzeit-Tag begegnet wird, seynd für keine Morgen-Gaab, sondern
nur für andere Schankungen zu achten, folglich auch deren anhero gehöriger
Freyheiten nicht fähig.
(42) Von dem Mahl-Schatz.
§. 17. Der Mahl-Schatz, welcher der Braut von dem
Bräutigam, oder diesem von jener zum Zeichen und Beweis der Ehe-Verlobnuß vor
der Copulation gegeben wird, (Arrha Sponsalitia) ist und bleibt pro 1mò dem
empfangenden Theil von Zeit würklicher Uebergaab eigenthumlich. Das blosse
Versprechen des Mahl-Schatz ist zwar 2dò nicht ungültig, sondern verbindet den
versprechenden Theil zu Erfüllung seines Worts, würkt aber das Eigenthum nicht
eher, bis auch die Uebergaab erfolgt. 3tiò Hat derselbe in allen Sachen, wie
das Heyrath-Gut, Platz, und ist 4tò die gerichtliche Insinuation nicht hierzu
erforderlich, wenn gleich der Werth die Summam von 1000. fl. übersteigt. Es
wird auch solcher 5tò durch die Copulation vielmehr bekräftiget, als
aufgehoben. Wol hingegen fallt er 6tò wiederum weg, und muß in natura vel
pretio restituirt werden, wenn die Ehe nicht zum Stand kommt, oder annullirt
wird, ausgenommen, wenn solches 7mo. aus Verschulden geschiehet, dann da
bekommt der schuldige Theil, von welchen die Ehe gehindert worden, nicht nur
den gegebenen Mahl-Schatz nicht wiederum zuruck, sondern verliehrt auch
allenfalls den, welchen er von dem unschuldigen Theil dagegen erhalten hat.
Von der so genannter (!) Sponsalitiâ Largitate.
§. 18. Mit denen Geschenken, welche sich Eheverlobte
Personen einander selbst aus Lieb und in Hoffnung künftiger Ehe, oder aber auch
andere denenselben in dieser nemlichen Zuversicht machen, wird es durchgehends
wie mit ermeltem Mahl-Schatz gehalten.
Von Hochzeit-Geschenken.
§. 19. Hochzeit-Geschenke, welche denen Braut-Personen
Ehrenhalber von anderen dargereicht werden, (Munera nuptialia) seynd und
bleiben auch denenselben währender Ehe gemeinschaftlich.
Von eheliger Errungenschaft oder à. Questu Conjugali.
§. 20. Gleiche Bewandnuß hat es mit deme, was die
Eheleut von ihren Einkünften erspahren, oder durch gemeinschaftlichen Fleiß und
Mitwürkung erringen, nicht aber, was einem Ehegatten
(43) allein schon vor der Ehe zugehörig gewest, oder
erst währender Ehe durch Erbschaft, Schankung Vermächtnuß oder sonst ohne
Zuthun und Mitwürkung des anderen Ehegattens zugegangen ist. Das übrige siehe
hievon unter §vo 32.
Von gemeinvermischter Haus-Fahrnuß.
§. 21. Ferner ist beeden Eheleuten gemeinschaftlich
nicht nur die gleich anfänglich zusammengebracht- sondern auch nachhero
vermehrt- oder beygeschafte Hauß-Fahrnuß, worunter jedoch 1mò nicht alle
bewegliche Güter, sondern nur der Haußrath, als da. ist, Leinwad (!) und
Bett-Gewand, Küchen- Zinn- Kupfer-Geschirr und dergleichen, wie nicht weniger
vorräthiges Gelt, Speiß, Trank und Getreid, so weit nemlich dieses alles nur
zum täglichen Gebrauch und Bestreittung des Hausweesens (!) dient. Wohingegen 2dò
all übriges Gelt, Getreid und Handels-Waar, wie auch Bücher, Gewähr, Pferd und
Equipage, Jagd- Fisch- oder Werk-Zeug, Wägen und Pflüg, samt dem vorhandenen
Viehe, nicht weniger End und Gebänd, Kleider, Kleinodien und was zu des Manns-
oder Frauen-Leib gehört, ist unter obverstandener gemein- und vermischter
Haus-Fahrnuß keinesweegs begriffen, sondern dem Mann allein eigenthümlich,
ausser soviel 3tiò der Ehe-Frauen End, Gebänd, Kleider und all anderes zu ihren
Leib Gehöriges betrift, massen ihr solches, nebst dem Geschmuck und Kleinodien
(die Jenige ausgenommen, welche derselben von ihrem Ehe-Mann nur zur blossen
Zierde überlassen seynd) allein zuständig ist.
Von Paraphernal oder vorbehaltenen Gut.
§. 22. Das gesamte Vermögen der Ehe-Frauen, welche sie
ihrem Mann nicht ausdrücklich als ein Heyrath-Gut zubringt, ist entweder
paraphernale oder receptitium, und zwar das letztere, so weit der derselben die
Administration und Nutzniessung durch besondere Geding hierauf ausdrücklich
vorbehalten ist, das erste aber, wenn. solcher Vorbehalt nicht geschiehet,
folglich gedachte Administration und Nutzniessung dem Mann zustehet. In beeden
Fällen bleibt die Frau allzeit Eigenthümerin von dem Gut.
(44) Unterschied zwischen Heyrath- dann Paraphernal
und anderem Gut.
§. 23. Von dem Unterschied obgedachter Güter ist
überhaupt folgendes zu merken. 1mò Wird in Zweifel allzeit vermuthet, daß das
Gut mehr dem Mann als der Frau eigen seye. Desgleichen werden 2dò der
Ehe-Frauen sammentliche Güter so lang für Paraphernal geachtet, bis das
angebliche Bonum dotale vel receptitium gnugsam bewiesen ist. Solchemnach halt
man 3tiò auch die Morgen-Gaab und den Mahl-Schatz, dann obgedachte Largitatem
Sponsalitiam samt dem der Ehe-Frauen gebührenden Theil an denen
Hochzeit-Geschenken, gemeiner Haus-Fahrnuß, und Errungenschaft bis auf anderen
gnüglichen Beweis, was und wieviel. hieran pro Bono dotali vel receptitio
erklärt worden, für ein wahres Paraphernal, dahingegen aber das so genannte
Spiel- oder Stecknadel-Gelt für ein Receptits-Gut. Was endlich 4tò der Mann mit
der Frauen Gelt oder Gut für sich und auf seinen Namen allein anschaft, das
wird ihm auch allein eigen, und obwol der Frau oder ihren Erben die Vergütung
ihres verwendeten Paraphernals solchenfalls gebührt, so mögen sie doch das Surrogatum
selbst weder in Subsidium bey ermanglenden anderen Mittlen noch sonst
vindiciren.
Von Einbringung des Heyrath- und anderen Guts, auch
wie solche zu beweisen.
§. 24. Die würkliche Einbringung des Heyrath- oder
anderen Guts wird 1mò nicht gemuthmasset, sondern muß von dem angebenden Theil
auf Wiedersprechen bewiesen werden, welches zwar 2dò sowol durch Gezeugen als
Urkunden und andere ordinari Probs-Mittel bewerkstelliget werden mag, falls
aber 3tiò der Beweis auf die blosse Geständnuß des Ehe-Manns ankommt, so ist
der Unterschied zu beobachten, ob die Einbringung von dem Ehe-Mann und dessen
Erben selbst, oder von seinen Glaubigern oder Kindern erster Ehe in Concursu
wiedersprochen werde. Von dem letztern Fall siehe Cod. Jud. Cap. 20. §. 6. n.
5. & 6. Erstenfalls aber ist 4tò nicht gnug, daß der Ehe-Mann den
würklichen Empfang des versprochenen Heyrath-Guts nur in denen Ehe-Pactis
allein gestehet, sondern es muß solcher noch anbey 5tò durch eine nachfolgende
absonderliche Quittung bescheiniget oder sonst bewiesen seyn, ausser dessen
greift 6tò Exceptio non numeratæ Dotis gegen solche Geständnuß, und zwar, wenn
die Ehe länger nicht als zwey Jahr gedaurt
(45) hat, inner einem Jahr von der Zeit an, da sie
durch den Tod oder sonst wiederum aufgelößt worden, oder aber da sie zwar
länger als zwey, doch nicht ganze zehen Jahr gedaurt hat, längst inner drey
Monaten oder neunzig Tägen noch Platz, und hindert hieran 7mo. nicht, daß die
Eingeständnuß des Empfangs in denen Ehe-Pactis wiederholet, oder auf gedachte Exception
in dem nemlichen Instrument renuncirt worden, wol hingegen fallt 8vò sothane
Einred gänzlich weg, nachdem die Ehe zehen ganzer Jahr gedaurt hat, welches
sich jedoch 9no. auch nur auf obigen Fall verstehet, da nemlich der Empfang des
Heyrath-Guts in denen Ehe-Pactis gestanden worden. Ein anderes ist, wenn
solches hierin nur versprochen oder constituirt wird, dann dagegen hat
mehrbemelte Einred auch nach zehen Jahren allzeit und so lange noch statt, bis
die Einbringung durch des Manns nachfolgende Quittung oder sonst sattsam
dergethan ist. Mit denen Paraphernal-Gütern hat es 10mò hierinfalls die
nemliche Beschaffenheit, wie bey dem Heyrath-Gut, sofern man deren würkliche
Einbringung auf andere Art nicht als durch durch die Ehe-Pacta gegen den Ehe-Mann
oder dessen Erben zu erproben weiß.
Von Versicherung obigen Guts.
§. 25. Ob und wie weit 1mò die Ehe-Frau ihrer
eingebrachter Güter und Heyrathlicher Sprüchen halber sich zur Sicherheit eines
stillschweigenden Unterpfands- Vorzugs- oder Separations-Rechts zu erfreuen
habe, ist bereits in dem zwanzigisten Capitul des Codicis Judiciarii mit
mehrern versehen, und da nun 2dò der Ehe-Mann durch liederliche
Haus-Wirthschaft, oder sonst in solchen Abfall gerathet, daß die Frau mit dem
Ihrigen in Gefahr stehet, so soll die Obrigkeit derselben entweder auf
Anruffen, oder nach vorläuffiger Erkundigung von Amtswegen einen oder zwey
Curatores Bonorum aus ihren nächsten Befreundten bestellen, welche ihr Vermögen
in so lang, bis man von ihrem Ehegatten gnugsam gesichert ist, prævio
Inventario verwalten. Wenn ferner 3tiò der Ehe-Frauen Güter nicht in
absonderlichen gewissen Stücken (in specie) sondern nur in Heyrathlichen
Sprüchen und Forderungen (in genere) bestehen, so soll man ihr oder ihren
Curatoribus in obigen Fall aus des Manns Vermögen, so weit solches hierum
haftet oder verschrieben ist, besondere gewiese (!) Stück jedoch salvo
cæteroquin Jure Mariti vel anteriorum Creditorum bey obwaltender
(46) Gefahr auszeigen (!) , und respectivè. zur
Verwaltung einantworten.
Wie weit der Mann mit seinen und seiner
Ehe-Frauen-Gütern (!) disponiren möge?
§. 26. Der Mann mag 1mò weder liegend- noch fahrendes
von seiner Ehe-Frauen Dotal, Paraphernal- oder Receptits- Gütern ohne ihrer
ausdrücklich- oder stillschweigender Bewilligung veräusseren, es geschehe dann
solches 2dò zum Nutzen derselben, oder aus Nothwendigkeit oder in solchen
Sachen, welche dem Gewicht, dann der Zahl und Maaß nach genommen (Res
fungibiles) oder dem Mann in gewissen Anschlag Kaufsweis überlassen worden (Venditionis
gratiâ æstimatæ) oder mehr zum Gewerb und täglichen Verkehr dienen. Ausser
dessen hat 3tiò eine solche Veräusserung keine Kraft, und mag das veräusserte
Gut sowol von der Frauen und ihren Erben als dem Mann selbst zum Besten seiner
Frauen und ihren Erben allzeit wiederum vindicirt und wiederruffen werden, doch
bleibt dem Innhaber solchenfalls 4tò der Regress seiner Schadloshaltung halber
an den Ehe-Mann, so weit er aus eignen Mittlen Satisfaction zu geben im Stand
ist, bevor, und da er etwan 5tò bereits Nutz und Gewähr ersessen hat, so greift
die Wiederruffung gegen ihn nicht mehr Platz, sondern die Frau mag sich alsdann
ihres Schadens gleichwol bey ihres Manns Vermögen erholen. Unter der
Veräusserung aber wird allhier 6tò nicht nur Kauf, Tausch,. Schankung oder
Vermächtnuß, sondern auch die Verpfänd- Verschreib- Belehn- Vererbrecht- und
all andere merkliche Beschwerung des Guts mit Grund-Dienstbarkeiten oder sonst
und nicht weniger die Abtheilung in gemeinschaftlichen Sachen, sofern nicht von
dem associirten Theil selbst darauf gedrungen wird, allerdings verstanden.
Soviel hiernächst 7mo. des Manns eigne Güter betrift, welche der Ehe-Frauen um
die Wiederlag, Wittib-Sitz oder andere Heyrathliche Sprüche und Forderungen
verpfändet seynd, solche mag er ohne ihrer Bewilligung mit Gültigkeit
gleichfalls nicht veräusseren, sofern sie nicht in anderweeg auf seinem übrigen
Vermögen noch gnugsam gesichert ist.
Wie weit solches der Ehe-Frauen erlaubt seye?
§. 27. Die Frau soll 1mò ohne ihres Manns Wissen und
Willen von ihren liegend- oder fahrenden Gütern, Rechten und Gerechtigkeiten
(die Receptits-Güter allein ausgenommen)
(47) weder etwas verpfänden, verschreiben, vertheilen,
oneriren oder veräusseren, noch sich einer Ansprach und Forderung begeben, und
quittiren, eben so wenig sich mit anderen in Streit oder Vergleich einlassen,
Erbschaften antretten, oder sonst etwas thun oder unterlassen, was ihr zu
Schaden kommen oder zu Schmälerung ihrer Güter gereichen möchte. Dann diese und
alle dergleichen Handlungen haben 2dò wenigst auf Seiten der Frauen keine Kraft
und mögen 3tiò von dem Mann inner fünf Jahren von Zeit, da er solche in
Erfahrung gebracht hat, wiederruffen werden, es seye dann 4tò zu erweisen, daß
er mit Worten oder Werken dazu eingewilliget habe, dahingegen bleibt 5tò der
Frauen unbenommen, mit ihren Gütern von Todwegen und durch letzten Willen, oder
aber auch unter Lebendigen jedoch nur conditionatè und auf den künftigen Fall,
wenn der Mann stirbt, oder die Ehe wieder aufgehoben seyn wird, frey zu disponiren.
Mit des Manns Gütern gebührt ihr 6-tò ohne dessen Bewilligung so wenig, als in
anderen fremden Sachen, jemalen die geringste Disposition.
Von Früchten und Kösten in Restituirung sothaner
Güter.
§. 28. Bey Restituirung des Heyrath- oder anderen zugebrachten
Guts müssen 1mò auch die von der Verfall-Zeit eingehobene Früchten wiederum
zuruckgegeben, und die von dem letzten Jahr, worin sich selbes verfallen hat,
pro rata vertheilt werden. Dagegen kommen 2dò die von dem Ehemann auf sothanes
Gut aus Noth oder zum Nutzen desselben verwendete Kösten und Ausgaaben (Expensæ
necessariæ vel utiles) wiederum in Abzug, jedoch dergestalt, daß 3tio unter dem
Vorwand der ersten weder die zu Abtragung deren auf dem. Gut haftender Onerum
noch zu Erhalt- oder Einbringung der Früchten erforderliche Ausgaben
aufgerechnet werden sollen. Desgleichen leiden auch 4tò Expensæ utiles keinen
Abzug, wenn der angebliche Nutzen nicht mehr existirt, oder der Aufwand nur in
Kleinigkeiten bestehet, oder hingegen so groß ist, daß er ohne Schulden zu
machen oder das Gut gar veräusseren zu müssen nicht ersetzt werden könnte (!).
Expensæ voluptuariæ, welche nur zur Lust dienen, werden 5tò nicht abgezogen,
sondern nur so weit es salvâ. Rei Substantiâ. geschehen kan, wiederum zuruck
genommen.
(48)
Von Heyraths-Pactis.
§. 29. Die zwischen. Braut-Personen oder Eheleuten
ihrer Güter, Kinder, Succession oder anderer Ehe-Sachen halber vorgehende
Beredungen und Gedinge (Pacta dotalia) seynd 1mò kein nothwendiges Stück bey
der Verehelichung, sondern hangen lediglich von der Paciscenten freyer Willkür
ab, und mögen 2dò sowol vor als nach der Copulation entweder von ihren selbst
oder mit ihrer Bewilligung auch von denen Eltern, Befreundten und anderen
errichtet werden, doch soll solches 3tio zwischer (!) Siegelmässigen Personen
allzeit unter eigner schriftlicher Fertigung, bey anderen aber vor
ordentlicher, das ist, vor jener Obrigkeit, worunter beede oder wenigst eins
von beeden Paciscenten seiner Person halber gehörig ist, bey Vermeidung der
Ungültigkeit, geschehen. Ausser dessen aber 4tò das eingebrachte Gut, wenn
gleich ein vorläuffiges Pactum oder actualis Illatio durch Gezeugen oder in
anderweeg erwiesen werden könte, Privilegia Dotis weder in- noch extra
Concursum zu geniessen hat, sondern nur für ein Paraphernum gehalten werden
solle. 5tò Ist hierunter das nemliche zu beobachten, was unter P. 3. Cap. 11.
§. 1. von Pactis Successoris überhaupt verordnet worden. Im übrigen geben 6tò
die Pacta in Strittigkeiten zwischen Eheleuten oder Ihren Erben allzeit
vorzüglichen Ausschlag, seynd aber keine vorhanden, so bleibt es bey dem, was
die Rechten überhaupt mit sich bringen.
Von anderen Handlungen und Contracten der Eheleuten.
§. 30. Kauf, Tausch, Mieth, Darlehen, Pfandschaft,
Hinterlag und all andere Handlungen sowol von Todwegen als unter Lebendigen,
welche nicht in denen Rechten besonders ausgenommen seynd, haben unter
Eheleuten auf die nemliche Art, wie bey anderen, Platz.
Von Schankungen unter Eheleuten.
§. 31. Donationes simplices, das ist, solche Schankungen,
welche unter obverstandenen Titul der Morgen-Gaab, Donationis propter Nuptias,
Arrhæ vel Largitatis Sponsalitiæ nicht gemacht worden, seynd 1mò unter
Eheleuten von keiner Gültigkeit, ausgenommen wenn 2dò weder von ihnen noch
voriger Ehe ein Kind vorhanden oder die Schankung durch Vorabsterben des
schenkenden Theils bestättiget ist. In beeden Fällen
(49) wird 3tiò zur beständigen Kraft solcher Schankung
erfordert, daß sie mittels würklicher Uebergaab zum Stand gekommen, annebens
vor dem Tod nicht wiederruffen, auch, da sie mehr als tausend Gulden
Landswehrung betragt, bey ordentlicher Obrigkeit insinuirt, und kein Kind mehr
aus selbiger Ehe nach beschehener Gaab erzeugt worden seye. Für die ordentliche
Obrigkeit wird 4tò hierinfalls jene geachtet, worunter der schenkende Theil
seiner Person halber zu stehen hat. Falls auch 5tò die selbe vor fünf Gezeugen
geschiehet, so gilt es statt gerichtlicher Insinuation. 6tò Verstehet sich
obige Summa der tausend Gulden nur von einer einzigen, nicht aber von mehr unterschiedlichen
Schankungen, sofern solche allem Ansehen nach bonâ fide und nicht in Fraudem
Legis geschehen. 7mo Wird durch den Mangel der Insinuation nicht die ganze
Schankung, sondern nur die Uebermaaß obgedachter Summa entkräftet. Der
Wiederruf kann 8vò nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend
geschehen, z. E. durch die Ehe-Scheidung, Veräusserung der geschenkten Sach,
wie auch durch Special-Verpfändung derselben. 9no. Was der Mann seiner Frauen
an Kleidern oder sonst zu ihrem Leib gehörig, schenkt, das bleibt bey Kräften,
ohngeacht dieselbe vor ihm stirbt. Wie es 10mò mit denen, Schankungen unter
Eheleuten, wenn Creditores oder Kinder von voriger Ehe vorhanden seynd,
gehalten werde, siehe in folgenden drey und dreyssigsten §vo n. 4to, dann in 47
und 48isten §vo. Jene Schankungen aber, welche 11mò die Frau nicht von ihrem
Mann, sondern von anderen bekommt, gehören nicht ihr, sondern dem Mann allein,
ausser soviel die Hochzeit-Geschenke, dann oberwehnte Morgen-Gaab, Donationem
propter Nuptias, Arrham vel Largitatem Sponsalitiam und allanderes betrift, was
ihr nicht in Ansehen des Manns sondern von Freundschaft- oder anderer
Ursachenwegen auf ehrbare Weis geschenkt wird.
De Communione Bonorum unter ihnen.
§. 32. Die Gemeinschaft der Güter, worinn. beede
Eheleut gewissermassen zu stehen haben, erstreckt sich 1mò entweder auf alle
sowol gegenwärtig- als künftige- (!) oder aber nur auf einige Güter, und wird
hiernach bald Generalis, bald Particularis benannt. Jene hat 2dò nur statt, wo
es durch besondere Geding ausdrücklich also beliebt worden, diese aber gehet
3tiò hiesigem Lands-Gebrauch nach und wo kein anderes bedungen
(50) ist, ebenfalls nicht weiter als auf die
Hochzeit-Geschenk, dann gemein-vermischte Haus-Fahrnuß und die Errungenschaft.
Beede Gattungen von Gemeinschaft, nemlich sowol generalis als particularis,
werden 4tò nach denen allgemeinen Gesellschafts-Rechten und Reguln, soweit
solche nicht durch besondere Verordnungen oder Geding beschränkt seynd, bey
vorfallenden Irrungen beurtheilt, mithin hat auch 5tò regulariter gleicher
Gewinn und Verlust bey gemeinschaftlichen Stücken zwischen Eheleuten Platz,
welches insonderheit 6tò bey Jenen wol zu merken ist, so zu offenen Kram- und
Markt-Sitzen, offene Gastung oder gemeines Gewerb und Handthirung treiben, als
da z. E. seynd Metzger, Becker, Braü, Küchel- und Zuckerbacker, Meth-Schenken,
Köch, welche Gastungen halten und dergleichen. Damit aber auch 7mo. unter eben
gedachten Personen wegen deren in Ansehen ihrer gemeinschaftlicher Handthirung und
Gewerbschaft gemachter Schulden und sonstigen Verlust oder Gewinns desto
weniger Streitt entstehe, soll die Obrigkeit fleissige Vorsehung thun, daß. in
denen Heyraths-Pactis allzeit vorher ausgetragen werde, wie es hierinfalls zu
halten seyn mögte.
Von der Correal-Obligation oder Intercession der
Eheleuten.
§. 33. 1mò Hat ein Ehegatt für das andere regulariter
weder ex Delicto noch Contractu zu haften, folgende drey Fälle ausgenommen.
Erstens wenn sie sich für- oder neben einander verbinden und verschreiben.
Zweytens in Casu Societatis vel Communionis Bonorum, oder wo sonst drittens
Causa debendi etwan unter ihnen gemeinschaftlich ist, wie z. E. bey denen
Hochzeits-Kösten, oder denen auf Belohnung der Heyraths-Unterhändlern
erloffenen billichen Ausgaaben, dann derwegen gemachten Schulden und
dergleichen. Es ist aber auch 2dò zu beobachten, daß die von der Ehe-Frauen
entweder mit oder für ihren Ehe-Mann, zumal in Schuld-Sachen, beschehene
Verschreibungen, Obligationes und Intercessiones auf ihrer Seite gar keine
Kraft oder Verbindlichkeit haben, es seye dann das entnommene Gelt zu ihrem
eigenen sonderbaren Nutzen verwendet, oder von selber auf ihre disfallige
Freyheit, nach vorläuffiger gnugsamer Certioration in Conformität
nächstfolgenden §vi. in Rechtsbehöriger Form renuncirt worden, welch
letzterenfalls sie jedoch auch andergestalt nicht, als salvo Jure Ordinis und
soviel die blosse Mitverschreibungen betrift, cum Beneficio
(51) Divisionis zu haften hat. 3tiò Stehet in Casu
Communionis vel Societatis Bonorum ein Ehegatt für das andere nur um die in
Ansehen des gemeinschaftlichen Vermögens gemachte Schulden, und auch bey diesen
nicht weiter, als à Proportion seines bedungen- oder Statutenmässigen Antheils.
Dahingegen kan sich aber auch 4tò kein Ehegatt die ihme von dem anderen
Ehegatten gemacht- und oben benannte Donationes simplices zueignen, solange
nicht desselben Schulden völlig getilgt seynd.
Von Erinnerung und Certioration einer Ehe-Frauen in
obverstandener Obligation.
§. 34. 1mò Kommt der Ehe-Frau, welche sich mit oder
ohne Verpfändung ihrer Güter für ihren Ehe-Wirth Bürgschaftsweis oder neben ihm
als selbst Schuldnerin (!) verschreibt, eine doppelte Freyheit zu, nemlich daß
erstlich eine solche Verschreibung obverstandener massen nicht gültig ist, zweytens
derselben ihrer Heyrathlicher Sprüchen halber nach mehrern Außweis des Codicis
Judiciarii der Vorgang in Concursu Creditorum gebührt. Sofern sich nun 2dò die
Frau dieser Freyheiten verzeihen will, soll man ihr solche vorhero in
Abweesenheit ihres Manns durch die ordentliche Obrigkeit, oder da sie eine
Siegelmässige Person ist, durch einen besonderen und gnugsam verständigen
Anweiser erinneren, und was ein- so andere Freyheit eigentlich mit sich bringt,
deutlich und unterschiedlich erklären, annebens aber 3tiò dieselbe befragen: ob
sie willig daran komme, oder von ihren Ehe-Mann gezwungen worden seye? Item ob
es nicht ihr oder ihren Kindern zum Schaden gereiche? und endlich ob sie sich
beeder Freyheiten oder nur einer allein begeben wolle? 4tò soll die Certioration
von der Obrigkeit allzeit protocollirt, und da die Summa mehr als 50 fl.
betrift, ordentlich verbrieft, unter Siegelmässigen Personen aber 5tò ein
schriftliches Instrument darüber errichtet, und sowol von der Frau selbst, wenn
sie schreiben kan, als dem Anweiser, und noch einer anderer gefreyter Person
mit unterschrieben und gefertiget werden, 6tò Ist nicht gnug, daß man die
Certioration also geschehen zu seyn in dem Instrument schlechterdings
hinschreibe, sondern es muß dieselbe in obverstandener Maaß würklich
vorgenommen worden seyn, indessen wird besagtem Instrument, worin von
beschehener Certioration ausdrückliche Meldung geschiehet, solange geglaubt,
bis das Wiederspiel sattsam erwiesen ist. 7mo. Halt man jene Obrigkeit
hierinfalls für die ordentliche,
(52) worunter die Frau ihrer Person oder Güter halber,
sofern solche mit verschrieben werden, gehörig ist. Von Verschreibungen der
Ehe-Frauen, welche nicht für ihren Ehe-Mann, sondern für andere geschehen,
siehe mit mehrern P. 4. Cap. 10. §. 23. & seq.
Wie sich Eheleut einander succediren.
§. 35. Obschon nach gemein- geschriebenen Recht das
überlebende Ehe-Gemächt, wenn solches arm und ohne Heyrath-Gut ist, den vierten
Theil von des Verabgestorbenens Vermögen, oder da mehr als drey Kinder vorhanden
seynd, einen gleichen Kinds-Theil überkommt, oder allenfalls bey ermanglenden
anderen Erben und Bluts-Befreundten in der völligen Verlassenschaft succedirt,
so ist doch dieses in hiesigen Landen niemal üblich gewest, und soll auch
hinführo nicht darauf gesehen, sondern falls weder durch Geding, noch letzten
Willen, ein andere Fürsehung von Succession der Eheleuten geschiehet, alsdann
lediglich das jenige beobachtet werden, was in nächst folgenden §vis von denen
unterschiedlichen vier Todfällen deutlich verordnet ist.
Erster Successions-Fall.
§. 36. Stirbt der Mann vor der Frau und verlaßt Kinder
von ihr, oder voriger Ehe, so folgt der Frauen 1mò all ihr eingebrachtes Gut,
2dò die Morgen-Gaab, 3tiò von der Errungenschaft ein gleicher Kinds-Theil,
soviel nemlich einem jeden Kind ohne Verzicht, letzten Willen oder besonderer
Disposition gebühren mag. 4tò All ihr End und Gebänd,. Kleider, und was zu
ihren Leib gehört, nebst denen Kleinodien, welche ihr nicht zur blossen Zierde
von ihrem Mann überlassen worden. 5tò Von der gemein-vermischter Haus-Fahrnuß
ein durchgehender gleicher Kinds-Theil. 6tò Was ihr der Mann förmlich- und
rechtmässiger Weis geschenkt hat. Dafern sie ihm aber 7mo. ein gewiss- und
rechtes Heyrath-Gut zugebracht hat, ohne daß der künftiger Tod-Fällen halber
etwas vorgesehen ist, so folgt ihr nicht nur das Heyrath-Gut, sondern auch die
Wiederlag, jedoch diese nur nutznießlich, solang sie lebt, und endlich auch all
Obiges ausser des Kinds-Theils von der Errungenschaft. Mit dem Wittib-Sitz aber
wird es 8vò nach Maaßgaab vorhergehenden fünfzehenden §vi gehalten.
(53) Zweiter Fall.
37. Stirbt die Frau vor dem Mann mit Hinterlassung
eines oder mehr Kindern von ihm oder ihnen vorigen Mann, so zeigt er 1mò seinen
eignen Kindern das Mütterliche Gut aus, denen Kindern aber, welche nicht von
ihm seynd giebt er 2dò alles hinaus, was ihm die Frau zugebracht hat.
Desgleichen 3tiò die Morgen-Gaab, sofern eine bedungen worden, 4tò ihr End und
Gebänd, samt obverstandenen Kleinodien, Kleidern und was zu ihren Leib gehörig
gewest. All übriges bleibt ihm 5tò allein, und ist er ein mehrers auszuzeigen
oder herauszugeben nicht schuldig. Wäre ihm aber 6tò ein Heyrath-Gut ohne
Geding, wie es auf künftige Todfälle Gehalten werden solle, zugebracht, so hat
er solches auch Lebenslänglich zu geniessen.
Dritter und vierter Fall.
§. 38. Stirbt der Mann vor der Frau, oder die Frau vor
dem Mann ohne Kinder von dieser oder voriger Ehe, so giebt das überlebende
Ehe-Gemächt denen Erben des Vorabgestorbenen hinaus 1mò alles was ihm von
demselben zugebracht worden, ausser des Ehe-Betts. Hingegen bleibt ihm 2dò die
Errungenschaft völlig, jedoch die Helfte nur nutznießlich, um welche auch
besagten Erben Caution zu leisten ist, daß sie nemlich sothane Helfte nach dem
Tod des überlebenden Ehegemächts ungeschmälert erhalten wollen. Hätten die
Eheleut 3tiò ein gewisses Heyrath-Gut und Wiederlag einander bedungen, so nimmt
die überlebende Frau jenes wiederum zuruck, und dieses geniesset sie
Lebenslänglich, oder falls sie vorabstirbt, so nimmt der Mann die Wiederlag
zuruck, und geniesset das Heyrath-Gut Lebenslänglich, gegen Leistung gnugsamer
Caution, annebens bleibt auf solchen Fall dem überlebenden die Helfte der
Errungenschaft eigenthümlich, die andere Helfte nutznießlich. 4tò Wird es mit
denen Schankungen nach Maaßgaab des ein- und dreyssigsten, und mit dem
Wittib-Sitz nach Ausweis des fünfzehenden §vi gehalten.
Von Aufhebung der Ehe-Verlobnüß.
§. 39. Die Ehe-Verlobnuß wird entweder beeder- oder
nur einerseits aufgelöst. Das erste ergiebt sich 1mò durch den Tod eines
Ehe-Verlobtens, 2dò durch ein zierliches Gelübde der Keuschheit,
(54) 3tiò durch nachfolgende Verehelichung mit einer
anderen Person, 4tò durch beederseitige Einverständnuß und Zurucknahm des
gegebenen Worts, ohngeacht solches mit einem Eid bekräftiget worden. Das andere
hingegen geschiehet 5tò wenn ein Theil untreu wird, und sich mit einer anderen
Persohn entweder auf weitere Ehe-Verlobnuß einlaßt, oder leichtfertig
verbricht, dann dadurch wird zwar der unschuldig-. nicht aber der schuldige
Theil seines Versprechens entbunden. Desgleichen wenn 6tò einerseits durch
Hervorkommung eines neu- und vorhin nicht bekannt gewesten Umstands die Sach
dergestalt alterirt wird, daß der andere Theil, wenn er hievon Wissenschaft
gehabt hätte, sich so leicht auf die Ehe-Verlobnuß nicht eingelassen haben
würde, so ist dieser alsdann auch nicht mehr hieran gebunden.
Von der Ehe-Scheidung oder Divortio.
§. 40. Eheleut werden 1mò entweder nur zu Tisch und zu
Bett, oder völlig und dergestalt geschieden, daß das Eheband dadurch aufgelößt
wird, und sich mithin jeder Theil wiederum weiter verehelichen kan. Keins von
beeden soll 2dò eigenmächtiger Weis geschehen, sondern dergleichen sich selbst
voneinander trennende Eheleut wiederum zusammengeschaft werden, solange sie
nicht von der geistlichen Obrigkeit Toleranz-Brief und so genannte Permittimus
beybringen, oder würklich. in dem Separations-Process gegeneinander stehen,
welch-letzternfalls 3tiò die Frau von dem Mann nicht nur die Nöthige
Streits-Kösten, sondern auch wenigst bis zu Austrag der Sach den gebührenden
Unterhalt forderen mag, es seye dann, daß sie sich boshafter Weis selbst von
ihm wegbegiebt, und auf Ermahnen nicht wiederum zuruckkehrt.
Soviel das Eheband oder Vinculum betrift,
§. 41. Das Eheband wird in Matrimonio rato nur durch
Antrettung und Profession des Geistlichen Ordens-Stands oder durch Päbstliche
Dispensation, in Matrimonio consummato aber andergestalt nicht, als durch ein
oder anderen Ehe-Gemächts natürlichen Tod aufgelößt, welcher jedoch auf dem
Fall, da das überlebende zur weiteren Ehe schreiten will, notorisch oder
vollkommen erwiesen seyn muß.
(55) Oder nur zu Tisch und zu Beth (!).
§. 42. Die Ehe-Scheidung zu Tisch und zu Bett (quò ad
Thorum & Mensam) kan begehrt werden 1mò wenn man mit dem anderen Ehegatten
ohne grosser Leibs- oder Seelen-Gefahr nicht mehr leben kan. 2dò Um verübten
Ehebruchswillen, ausgenommen da das Ehe-Gemächt, welches die Scheidung begehrt,
selbst dergleichen Verbrechen begangen, oder dem anderen schuldhafte Anlaß dazu
gegeben, oder sich mit Worten oder Werken wiederum ausgesöhnt hat, oder der
Ehebruch ohne Verschulden z. E. aus Zwang oder Irrthum geschehen ist. 3tiò Muß
die angebliche Ursach der anverlangten Scheidung wenigst durch starke Indicia
gnüglich bewiesen seyn, und da dieselbe 4tò von Ehebruchswegen vorgenommen
wird, so daurt, sie bis zu selbstig beederseitiger Wiederaussöhnung beständig,
ausser dessen aber nur so lang, als die Ursach nicht aufhört.
Würkung dieser letzteren Ehe-Scheidung.
§. 43. 1mò Wenn eine gültige Ehe aus Verschulden des
Ehe-Manns z. E. wegen verübten Ehebruchs oder Grausamkeit zu Tisch und zu Bett
geschieden wird, so nimmt die Frau alles zu sich, was ihr auf den Fall, wenn
der Mann vor ihr gestorben wäre, von Geding oder von Rechtswegen gebührt hätte.
Nebst deme fallt ihr die Wiederlag, oder da keine bedungen ist, ein gleicher
Kinds-Theil, oder bey ermanglenden Kindern der vierte Theil von des Manns
sammentlichen Vermögen, wie sich solches zur Zeit der Ehe-Scheidung befunden
hat, also gleich eigenthümlich zu, und was sie ihm ferner durch letztwillige
Disposition etwan zugedacht hat, wird dadurch aufgehoben. Tragt aber 2dò die
Ehe-Frau Schuld an sothaner Scheidung, so verliehrt sie nicht nur Heyrath-Gut
und Morgen-Gaab, samt ihren Antheil von der Errungenschaft, sondern auch was
ihr von dem Mann sowol vorals (!) währender Ehe geschenkt, oder durch letzten
Willen verschaft worden, welch-alles sofort demselben eigenthümlich verbleibt,
und da kein Heyraths-Gut bedungen ist; so bekommt er statt dessen von der Frau
sammentlichen Vermögen die nemliche Portion eigenthümlich, welche sie
obgedachtermassen in dem Gegenfall von seinem Vermögen zu suchen hat.
Desgleichen bleibt ihm ohngeacht der Scheidung die Administration und
Nutzniessung des Paraphernal-Guts, solang die Frau lebt,
(56) wohingegen er solche zu alimentiren schuldig ist,
so weit nicht etwan die Receptits-Güter zu ihrem Unterhalt hinreichen. Falls
nun 3tiò mehrgedachte Ehe-Scheidung Leibs- oder Gemüths-Krankheit halber oder
sonst ohne ein- oder anderen Ehegattens Verschulden vorgenommen wird, so seynd
zwar die geschiedene Eheleut auf Art und Maaß, wie oben §vo 12. n. 7. mit
mehrern versehen ist, zur Alimentation einander verbunden, im übrigen aber
bleibt es ihrer Güter halber, solang sie beede bey Leben seynd, durchgehends
dabey, wie es vor der Ehe-Scheidung gewest. 4tò Kommt endlich durch die
Wiederaussöhnung der geschiedener Eheleuten alles in den vorigen Stand,
dergestalt, als wäre die Ehe-Scheidung gar niemal zwischen ihnen vorgegangen.
Von ungültiger Ehe (Nuptiis irritis.)
§. 44. Wenn sich nach der Copulation ein Impedimentum
dirimens bezeigt, und die Ehe deswegen für ungültig und kraftlos erklärt wird,
so seynd drey Fälle wol dabey zu unterscheiden, nemlich ob sothane Verehelichung
1mò entweder von beeden Eheleuten, oder 2dò nur von einem allein, oder 3tiò von
keinem mit guten Glauben und in redlicher Meinung, daß selbe gültig- und
Rechts-beständig seye, contrahirt worden. In dem 1ten Fall nimmt die Ehe-Frau
sowol ihr Heyraths- als Paraphernal- und Receptits-Gut nebst der Morgen-Gaab
und dem von der Errungenschaft, gemein-vermischter Haus-Fahrnuß und denen
Hochzeit-Geschenken gebührenden Antheil, wie auch ihr End, Gebänd, Kleider,
Kleinodien und was zu ihrem Leib gehört, wiederum zuruck. All-anderes hingegen
verbleibt dem Mann, und was sie beede vor- oder währender Ehe einander
geschenkt haben, das fallt nebst dem Wittib-Sitz gleichfalls wiederum zuruck.
Im übrigen würkt eine solch-vermeinte Ehe (Matrimonium putativum) solang sich die
Eheleut in bona fide befinden, das nemliche, was eine wahrhaftlichen Sprüchen
und Freyheiten, als Rechtmässigkeit deren Kindern und Vätterlicher Gewalt, oder
sonst denen Rechten nach zu würken pflegt. In dem 2ten. Fall hat sich der
unschuldige Theil aller Rechten und Freyheiten, welche einer gültigen Ehe
anhangen, zu erfreuen, und erhalt mithin auch alles, was einem Ehegatten auf
Vorabsterben des anderen von Rechts- oder Gedingswegen gebührt, jedoch mit dem
in §vo 36. 37. 38.
(57) bemerkten Unterschied, ob Kinder vorhanden seynd
oder nicht, und weil derselbe hiernächst von dem anderen Theil auf eine so
nachtheilich- als betrügliche Weis eingeführt worden, so gebührt ihm zur
Gnugthuung ein gleicher Kinds- oder bey ermanglenden Kindern der vierte Theil
von des schuldigen Theils sammentlichen Vermögen alsogleich eigenthümlich, die
Kinder aber werden für rechtmässig gehalten, und wenn der Vatter in bona fide
gewest, so bleiben sie auch unter seiner Vätterlicher Gewalt, ausser dessen
folgen sie der Mutter, und müssen nichtsdestoweniger von dem in mala fide
gewesten Vatter alimentirt werden. In dem 3ten Fall seynd die Kinder für
unehelich zu halten und fallt sowol das Heyrath-Gut, als Wiederlag und
Morgen-Gaab nebst denen einander gemachten Schankungen, oder da kein
Heyraths-Gut bedungen ist, der vierte Theil von beederseitigen sammentlichen
Vermögen dem Fisco heim, und wie im übrigen bey dergleichen Verehelichungen auf
Seiten des jenigen Theil, welcher malâ fide darein gegangen ist, gemeiniglich
das Crimen Adulterii, Sacrilegii, Bigamiæ, Uxoricidii &c. mitunterlauft, so
bleibt die Criminal-Straf nach Ausweis des Cod. Crim. deswegen ebenfalls noch
bevor.
Von ungleichen Stands-Heyrathen.
§. 45. Die zwischen ungleichen Stands-Personen
vorgehende Verehelichungen werden ohne Unterschied, ob die Antrauung zur link-
oder rechter (!) Hand geschehen, sowol nach Geistlich- als Weltlichen Rechten
für eine wahre Ehe geachtet, und seynd mithin auch quò ad Effectus Civiles von
der nemlichen Würkung, ausser soweit durch besondere Geding, Herkommen, oder
Statuta ein anderes versehen ist.
Von zweyt oder weiterer Ehe.
§. 46. Nach Absterben eines Ehegattens kan 1mò das
andere nach eignen Belieben alsofort wiederum zur zweyt- oder weiteren Ehe
schreitten, und obwol 2dò in denen Römischen Rechten verschiedene Straffen
hierauf geschlagen seynd, so haben doch solche weder nach Geistlichen Recht,
noch hiesigen Lands-Gebrauch mehr statt, ausser soviel hievon im
nächstfolgenden §vo enthalten ist, welch-alles 3tiò auch gegen jene Wittiben
Platz greift, so sich zwar nicht wiederum vereheligen, jedoch einen schlecht-
und unzüchtigen Lebens-Wandel führen.
(58) Straf derselben.
§. 47. Die Straffen, womit die zweyt- oder weitere
Verehelichung üblicher Massen belegt zu werden pflegt, bestehen dem hiegen (!)
Lands-Gebrauch und Recht nach nur noch darin: 1mò Was man von des verstorbenen
Ehegattens Vermögen Titulo merè lucrativo & gratuito überkommt, das bleibt
dem anderen zur weiteren Ehe Schreittenden zwar noch Lebenslänglich
nutznießlich, aber das Eigenthum gehet davon verlohren und fallt denen Kindern
des verstorbenen Ehegattens, von welchen das Gut herrührt, zu gleichen Theilen
dergestalt zu, daß keinem Kind ein mehrers als dem anderen hievon zugeeignet
werden mag. Gleiche Beschaffenheit hat es 2dò mit dem von Vätterlichen- oder
respectivè Mütterlicher Seite herrührenden Vermögen eines Kinds oder Enkels,
soviel hievon der Vatter oder Ahn-Herr, Mutter oder Ahn-Frau mit und nebst des
Kinds oder Enkels-Geschwistert- respectivè Geschwistert-Kindern ererbt, massen
solches bemelten Eltern, welche entweder vor oder- nach dem Tod ihres Kinds
oder Enkels. wiederum heyrathen, zwar nutznießlich verbleibt, das Eigenthum
hingegen verstandenen Geschwistert- oder Geschwistert-Kindern von beeden Banden
ohne Unterschied, ob sie verzichten seynd oder nicht, zu gleichen Theilen
zufallt. 3tiò Kan auch das Ehegatt, welches sich abermals ehelichet, von seinem
eignen Vermögen dem neuen Ehegatten für seine Person kein mehrers als einem
Kind von voriger Ehe, welches am wenigsten bekommt, Titulo merè gratuito &
lucrativo durch letzten Willen oder sonst zuwenden, und soll allensfalls (!)
solcher Ueberschuß unter denen Kindern voriger Ehe allein vertheilt werden. 4tò
Verliehrt endlich die Mutter oder Ahn-Frau durch weitere Verehelichung die
Vormundschaft über ihre Kinder und Enklen.
Fälle, worin letztbemelte Straffen nicht Platz
greiffen.
§. 48. All jetztbemelte Straffen überhaupt greiffen
nicht Platz, wenn das verstorbene Ehegatt, von dessen Vermögen allenfalls die
Frag ist, auf die weitere Ehe erweislicher massen selbst eventualiter und
ausdrücklich eingewilliget hat. Insonderheit aber fallt obgedachte 1ste und 3te
Straf hinweg, wenn von voriger Ehe kein Kind oder Kinds-Kind mehr vorhanden
ist, oder die vorhanden geweste schon vor dem weiters
(59) verehelichten Ehegatten wiederum sammentlich
verstorben seynd, oder auf sothane weitere Verehelichung bereits nach erlangter
Volljährigkeit ohne Vorbehalt eingestimmt haben. Die 2te Straf hingegen hört
erstens auf in dem Vermögen, welches das geerbte Kind oder Enkel nicht von
Vätter- oder respectivè. Mütterlicher Seite, sondern anderwärtsher gehabt,
zweytens wenn von demselben kein Geschwistert respectivè Geschwistert-Kind von
beeden Banden mehr vorhanden gewest, oder drittens sammentliche schon vor dem
Binubo vel Binuba verstorben wären, viertens wenn der Sohn in einem
Bettel-Orden, der kein Eigenthum haben kan, Profession macht, fünftens wenn das
Kind oder Enkel auf weitere Verehelichung mit ausdrücklicher Vermeldung, daß
dadurch an dem Eigenthum nichts benommen seyn soll, einwilliget.
Von Ehe-Händlen.
§. 49. Von Strittigkeiten zwischen Eheleuten oder
Eheverlobten Personen (Causis matrimonialibus) ist hier nur folgendes zu
bemerken. 1mò Wenn es um die Ehe selbst, und deren Contrahir- oder Dissolvirung
zu thun ist, so gehört die Sach an die Geistliche Obrigkeit, falls aber 2dò der
Streitt nur die Güter der Eheleuten, insonderheit die Succession, Alimentation,
oder Rechtsmässigkeit ihrer Kindern und andere dergleichen Effectus merè
Civiles betrift, so soll sich die Weltliche Obrigkeit von der Geistlichen weder
unter dem Vorwand der Connexion noch sonst hierin einigermassen vorgreiffen
lassen, viel weniger die Partheyen selbst bey Vermeidung unnachlässiger Straf
und Ahndung ihren Recurs dahin nehmen. 3tiò Haben die hierin vorkommende Klagen
und Actiones nichts besonders an sich, ausser daß 4tó in der Prob auch
Domestiquen, Anverwandte und Vormünder, nach abgelegter Vormundschaft, für
unverwerfliche Gezeugen, angesehen werden. Wo im übrigen 5tò der Geistlichen
Obrigkeit durch obige Verordnungen an deme, was das Ecelesiasticum betrift,
keinesweegs vorgegriffen seyn, sondern solches dem Weltlichen Richter nur quò
ad Effectus Civiles zur Richt-Schnur dienen solle.
(60)
Siebendes Capitul
Von Pfleg-. und. Vormundschaften.
(Tutelâ vel Curatelâ).
Was die Vormundschaft seye?
§. 1. Die Vormundschaft ist eine Gewalt und Macht,
anderen, die sich Alters halber selbst noch nicht regiren können, fürzustehen,
und sowol ihr Person als Vermögen in gebührende Obsorg zu nehmen.
Wer unter der Vormundschaft zu stehen habe?
§. 2. 1mò Werden nur unmündig- oder unvogtbare Kinder
(Impuberes) und zwar die Knaben, welche das vierzehende, und Mägdlen, welche
das zwölfte Jahr ihres Alters noch nicht hinterlegt haben, mit Vormündern
versehen. 2dò Solang sie aber noch unter Vätter- oder Groß-Vätterlicher Gewalt
stehen, hat die Vormundschaft nicht statt, ausgenommen, da der Vatter,
respectivè Groß-Vatter, selbst curatelmässig ist, und seinen Kindern nicht
vorstehen kan. 3tiò Wer schon einen Vormund hat, wird nicht weiter bevormundet,
ausser. zu gewissen Handlungen oder nur Interims- oder Adjunctionsweis, wo es
die Umstände also erforderen.
Wer Vormund seyn könne?
§. 3. Jeder kan zum Vormund bestellt werden,
ausgenommen folgende. 1mò All Jene, welche mit solchen Leibs- oder
Gemüths-Mänglen behaftet seynd, daß sie sich selbst nicht, geschweigens anderen
recht fürstehen mögen, z. E. unsinnig- mondsüchtig- kränklicht- blind- stumm-
und taube Personen, declarirte Verschwender, wie auch Minderjährige, ohngeacht
sie ihrer Person halber bereits Veniam Ætatis erhalten haben. 2dò Geistliche
Ordens-Personen. 3tiò Weibsleut, jedoch mit Ausnahm der leiblichen Mutter und
Groß-Mutter. 4tò Ketzer und Unglaubige über Christ-Catholische Puppillen.
(61) 5tò Ehrlos, verleumd oder schlechte Personen
ausser über ihres Gleichen. 6tò Stief-Vätter ohne sonderbar erheblich- und von
der Obrigkeit gut befundener Ursach. 7mo. Churfürstlich-würkliche Räth und
Beamte, ohne Churfürstlich-Gnädigster Erlaubnuß, jedoch in Conformität der
neuverbesserter Raths-Ordnung. 8vò Wer durch Vätterliche Verordnung von der
Vormundschaft benanntlich ausgeschlossen, oder 9no. ausser Lands wohnhaft, oder
sonst von denen Pfleg-Kindern und ihren Gütern soweit entsessen ist, daß man
ohne grossen Kösten und Beschwernussen der Vormundschaft nicht wol abwarten
kan. 10mò Wer mit des Pfleg-Kinds Eltern in grosser Feindschaft gestanden, oder
11mò mit dem Puppillen selbst in Streitt und Irrung befangen, oder 12mò
demselben zur Zeit, da die Vormundschaft übernommen werden soll, schon würklich
schuldig ist, oder etwan selbst eine Forderung an ihn hat.
Unterschied der Vormundschaft.
§. 4. Die Vormundschaft wird entweder in Kraft eines
letzten Willens, oder nächster Bluts-Verwandschaftwegen, oder aus Obrigkeitlichen
Befehl übernommen. Die erste heißt Testamentaria - die andere Legitima, die
dritte Dativa. Es soll aber die letztere andergestalt nicht, als in Ermanglung
der zweyten, und diese ebenfalls nur bey ermanglender Testamentaria Platz
greiffen.
Tutela Testamentaria.
§. 5. Vatter oder Groß-Vatter haben 1mò das Recht
denen bey ihren Hintritt annoch unter Vätterlich- respectivè Großvätterlicher
Gewalt stehenden unvogtbaren Kindern oder Enklen einen oder mehr Vormünder
mittels letztwilliger Disposition zu verordnen, die Mutter hingegen, wie auch
andere mit Vätterlicher Gewalt nicht begabte Personen seynd 2dò dessen nur
soweit befugt, als sie denen Kindern etwas hinterlassen und wegen
Administrirung sothanen Guts besondere Anordnung machen. 3tiò Seynd zwar die
§vo præc. 3. benannte Personen von der Tutela Testamentaria regulariter
ausgeschlossen, wenn aber gleichwol in dem Vätter- oder Groß-Vätterlichen
letzten Willen ein Minderjähriger zum Vormund benannt ist, so bestelt die
Obrigkeit mittlerweil und in solang, bis der Tutor Testamentarius großjährig
wird, einen
(62) Interims-Vormund, desgleichen wenn 4tò der Vatter
Debitorem vel Creditorem Puppilli zum Vormund bestellt, und aus der Disposition
selbst oder sonst gnug erscheint, daß er von der Schuld oder Forderung gute
Wissenschafft gehabt hat, so bleibt es zwar bey dieser Bestellung, jedoch
dergestalt, daß neben ihm auch noch ein Curator von der Obrigkeit benannt wird,
um den Pupillen gegen seinen Vormund selbiger Schuld oder Forderung halber
gebührend zu vertretten. 5tò Kan Tutor Testamentarius unter gewisser Bedingnuß
oder auf gewisse Zeit von dem Vatter ernannt. werden, welchenfalls die
Obrigkeit pendente Conditione oder vor bestimmter Zeit mittels bestellender
Interims-Curatel nöthige Vorsehung thut. Dafern auch 6tò der Vätterliche letzte
Willen aus Abgang der erforderlicher Zierlichkeit oder anderen Mangels halber
nicht bestehen kan, so wird doch dadurch die hierin beschehene
Vormundschafts-Verordnung nicht kraftlos, wenn man nur von des Vatters Intention
gnugsam gesichert ist, im übrigen hat es 7mo dem alten Teutschen Gebrauch. und
Herkommen nach mit Vormündern, welche von dem Vatter auch ausser letztwilliger
Disposition auf andere Art benannt, oder gar durch Heyraths- und Familien-Pacta
verordnet seynd, die nemliche Bewandnuß, wie. mit Tutoribus Testamentariis.
Tutela Legitima.
§. 6. Wenn entweder keine Tutela Testamentaria
verordnet ist, oder die verordnete nicht zum Stand kommt, so fallt 1mò die
Vormundschaft auf des Puppillens nächste Bluts-Verwandte, und zwar vorzüglich
auf den Vatter, soweit die Kinder nicht mehr unter seiner Vätterlicher Gewalt
stehen, sodann auf die Mutter, hernach auf die Groß-Eltern und zwar zuförderst
auf. die von Vätterlicher Seite, endlich aber nach Abgang der aufsteigender Linie
auf die nächste Seiten-Verwandte der Ordnung nach, wie sie sonst ab Intestato
zu succediren pflegen, ohne Unterschied, der Cog- oder Agnation, ausgenommen
soviel 2dò die Manns-Lehen und Fideicommissa Familiæ betrift, in deren
Verwaltung die Agnaten denen Cognatis sowol von der Collateral (!) als
aufsteigender Linie allzeit vorgezogen werden. Das Eintrettungs-Recht (Jus
Repræsentationis) hat 3tiò hierinfalls wie in Erb-Fällen, unter ihnen Platz,
und da nun 4tò mehr Anverwandte von gleichen Grad vorhanden seynd, so gebührt
ihnen auch die Vormundschaft miteinander.
(63) Ein Tutor Legitimus muß 5tò zur Vormundschaft
tüchtig seyn, dergestalt daß der nächste unfähige von denen zwar weiter
Gesippten, aber fähigen, ausgeschlossen wird. Welches auch 6tò bey minderjährigen
Befreundten, jedoch nur solang, bis sie zu vollen Jahren gelangen, beobachtet,
und mitlerweil (!) die Vormundschaft denen übrigen Befreundten oder anderen von
der Obrigkeit übertragen werden soll. Bey der Mutter und Groß-Mutter ist 7mo.
zu unterscheiden, ob ihr die Vormundschaft durch letzten Willen,
Heyraths-Geding und andere dergleichen Vätterliche Disposition ausdrücklich
übertragen worden, oder nicht. Letzternfalls sollen ihr zwey ordentlich
verpflichtete Mitvormünder und zwar vorzüglich aus des Puppillens nächsten
Befreundten, erstenfalls aber nur zwey unverpflichtete Beyständer zugegeben
werden, welche allenfalls, wenn sie schlechte. Haus-Wirtschaft von ihr
verspüren, der Obrigkeit alsogleich gebührende Anzeig hierüber thun sollen. 8vò
Wenn die Anverwandte über die Fähigkeit, Nähe des Grads, oder sonst miteinander
der Vormundschaft halber streitten, so soll die Obrigkeit bis zu Austrag der
Sach nöthige Interims-Bestellung machen.
Tutela Dativa.
§. 7. Bey ermanglender Tutela Testamentaria & Legitima
wird 1mò die Vormundschaft von der ordentlich- das ist, von jeder Obrigkeit
bestellt, worunter des Puppillens Vatter zur Zeit des Tods seine ordinari
Wohnstatt, oder da er eine gefreyte Person gewest, sein Forum privilegiatum
gehabt hat. Wobey 2dò zuförderst auf die Fähigkeit der Person gesehen, und
keiner, der laut vorgehenden dritten §vi von der Vormundschaft ausgeschlossen
ist, hierzu gebracht werden solle. 3tiò Gebührt sich in Tutela Dativa
keinesweegs, daß die Bestellung nur unter gewissen Bedingnussen, oder auf
gewisse Zeit geschehe. 4tò Wenn sich unter denen Obrigkeiten ein Streit über
das Recht die Vormundschaft zu bestellen ereignet, soll solche provisionaliter
von der nächst höheren Obrigkeit bestellt werden.
Wer um die Bevormundung. ansuchen möge oder solle.
§. 8. Um die Bevormundung eines Puppillens mag 1mò
Jedermann von der ganzen Gemeinde, sogar der Puppill selbst, sonderbar aber
jene, welche etwan einer an ihn habender
(64) Forderung oder anderer Ursach halber daran liegt,
bey der behörigen Obrigkeit ansuchen, die nächste Anverwandte hingegen, wie
auch die von dem Vatter benannte Tutores Testamentarii seynd 2dò darum
anzusuchen schuldig und zwar längst inner dreyssig Tägen von der Zeit an, da
sie Wissenschaft von dem Vormundschafts-Fall haben, bey Vermeidung
willkürlicher Straf und Ersetzung alles Schadens, welcher dem Puppillen durch
längere Nachsicht zuwachset. 3tiò Liegt der behörigen Obrigkeit auf dem Fall,
wenn sich niemand darum meldet, von Amtswegen und bey der nemlichen Straf zeitlich
dafür zu sorgen allerdings ob. Was aber jemand 4tò um sothaner Bevormundung.
willen redlicher Weis aufgewendet hat, das soll man ihm von des Puppillens
Vermögen wiederum vergüten.
Was der Vormund vor Antrettung der Vormundschaft zu
beobachten habe?
§. 9. Man soll sich 1mò bey. schwerer Straf aus
Vätterlicher Anordnung, noch Obrigkeitlichen Befehl, oder von
Anverwandschaftswegen der Vormundschaft unterziehen, ohne daß vorhero erstlich
die gewöhnliche Pflicht nach Maaßgaab folgenden zehenden §vi abgelegt, und
zweytens, da es die Obrigkeit für nöthig finden wurde (!) , durch Bürgschaft
oder sonst gnugsame Caution geleitet, sofort auch drittens die Obrigkeitliche
Bestättigung erfolgt, und endlich viertens über des Puppillens sammentliches
Vermögen ein Legal- und förmliches Inventarium errichtet worden ist. Der Vatter
allein ist 2dò als Vormund deren in seiner Vätterlichen Gewalt nicht mehr
stehender Kindern dieser Obliegenheit soweit entübriget, daß er weder Pflicht
ablegen, noch Obrigkeitliche Confirmation und Bestättigung begehren, viel
weniger ohne anscheinender grosser Gefahr Caution leisten, oder ein förmliches
Inventarium errichten, sondern statt dessen nur eine summarische Specification
verfassen darf. Die Mutter hingegen kan sich 3tiò obiger Schuldigkeit sowenig,
als all andere Vormünder entschlagen, und ob sie wol 4tò nach hierländischen
Gebrauch und Herkommen weder auf die zweyte Ehe, noch ihre weibliche Freyheiten
vor angetrettener Vormundschaft ausdrücklich zu renunciren verbunden ist, so
wird dieselbe doch mittels der Antrettung in beeden Stücken soweit pro
renunciata gehalten, daß sie sich gegen den Puppillen ihrer Freyheiten
nimmermehr gebrauchen darf, und durch die weitere Ehe der Vormundschaft
(65) also fort verlustig wird. Auf Absterben Adelich-
Graduirt- oder Siegelmässiger Personen mögen zwar 5tó die nächste Befreundte
für sich selbst einen oder mehr taugliche Vormünder aus ihnen erwählen, es muß
aber auch all jenes von denenselben beobachtet werden, was sowol der
Verpflichtung und Confirmation halber, als sonst überhaupt num. præced. 1
verordnet worden. Wer sich nun 6tò mit Erholung mehrgedachter Bestättigung oder
Ablegung der Pflicht und sonst saumig finden laßt, der stehet auch für alle dem
Puppillen dadurch zugehende Schäden; und wer endlich 7mo die Errichtung eines
legalen Inventarii ohne Rechts-erheblicher Ursach gar unterlaßt, wird nicht nur
willkürlich gestraft, und in Litem gegen ihn geschworen, sondern man soll ihn
auch, wenn er nicht mehr solvendo ist, als einen muthwilligen Schuldner
tractiren. 8vò Gebührt die Vormundschafts-Bestättigung dem nemlichen Richter,
welcher solche obverstandener massen zu bestellen hat.
Von der Verpflichtung eines Vormunds.
§. 10. Die gewöhnliche Vormundschafts-Pflichts-Formul
lautet 1mò dahin, daß man des Pfleg-Kinds Person, Gut, Recht und Gerechtigkeit
sowol in- als ausser Gericht gebührend vertretten, liegende Güter ohne
Obrigkeitlicher Erkanntnuß werden veräusseren, noch veränderen oder beschweren,
sondern dieselbe in ihrem Weesen erhalten, was dem Kind nutz und gut ist, nicht
unterlassen, über sein sammentliches Vermögen ein legales Inventarium
errichten, zur gewöhnlicher rechter Zeit. Rechenschaft und Antwort darum geben,
auch was davon zu Handen kommt, seiner Zeit wiederum behörigen Orts auslieferen,
und sonst allenthalben getreulich, ehrlich und aufrichtig, wie einem
rechtschaffenen Vormund zustehet, hierin handlen und thun wolle. Gemein- und
Unsiegelmässige Leut sollen hierauf 2dò beeidiget werden, oder nach Gutbefinden
der Obrigkeit wenigst an Eidsstatt angeloben. Siegelmässige Personen aber
übergeben 3tiò sothane Pflicht unter eigner Hand-Unterschrift und Fertigung,
und zwar. 4tò bey der Obrigkeit, welche vorgedachtermassen die Vormundschaft zu
bestellen und zu bestättigen hat. Wenn aber 5tò der Vormund seiner Person
halber nicht unter selbiger, sondern unter anderer Obrigkeit stehet, so soll er
auch von dieser letztern, jedoch nur auf Requisition der ersten verpflichtet
werden.
(66) Von des Puppillens Education und Alimentation..
§. 11. Vor allen soll der Vormund 1mò für des
Puppillens Person, folglich auch für seinen Unterhalt und gute Auferziehung
fleissige Sorg tragen, und sich hierunter 2dò zuförderst nach dem Vätterlichen
Willen und Befehl richten, bey ermanglender Vätterlicher Disposition aber 3tiò
der leiblichen Mutter die Auferziehung des Kinds überlassen, wenn sie anderst
von ehrbaren guten Weesen. und Lebens-Wandel ist, und den Wittib-Stand nicht
verändert, welch-letzternfalls gleichwol bey Obrigkeitlicher Ermässigung steht,
ob man ihr solche ferner anvertrauen wolle. Nach der Mutter gebührt 4tò die
Education denen nächsten Bluts-Verwandten, und da etwan keiner mehr vorhanden
wäre, oder sonst erhebliche Bedenken. dagegen obwalten, so soll man den
Puppillens 5tò an sicheren guten Orten, wo weder Verführung noch andere Gefahr
zu besorgen ist, Christlich und ehrlich auferziehen, annebens 6tò nach Gestalt
seines Vermögens, Stand- und Weesens nicht nur mit Kost und Kleidung aus sein
des Puppillens eignen Mittlen versehen, sondern auch in der Religion und
anderen nutzlich- oder nöthigen Dingen seinem Beruf gemäß zeitlich unterrichten
lassen, wohingegen der Vormund einen Mittellosen Puppillen ex Propriis zu
unterhalten, oder die Alimentations-Kösten ohne Anhoffung künftigen Ersatz
vorzuschiessen. nicht gehalten ist. 7mo. Mögen ungehorsame Pfleg-Kinder sowol
von ihrem Vormund, als nächsten Befreundten und Lehrmeistern mit mässiger
Züchtigung bestraft werden, und da sie allenfalls ihren Vorgesetzten gar
entlauffen, so soll man ihnen nirgend einigen Schluß oder Unterschleif
gestatten.
Von Admistrir- und Verwaltung puppillarischer Güter.
§. 12. 1mò Hat der Vormund überhaupt in Verwaltung des
puppillarischen Vermögens dahin zu trachten, daß. solches auf thunliche Weis
nicht nur in guten Stand erhalten, sondern auch vermehrt werde. Solchemnach
soll man 2dò die Güter nicht unfruchtbar liegen lassen, sondern zum Nutzen zu
bringen suchen, das vorhandene baare Gelt zu Beyschaffung erträglicher
Immobilien verwenden, oder soweit es mit Sicherheit geschehen kan, auf jährliche
Zinsen, jedoch wenn er keine Siegelmässige Person ist, niemal anderst als mit
Vorwissen der Obrigkeit ausborgen, wie nichtweniger 3tiò die Passiv-Schulden,
(67) zuförderst jene, welche dem Puppillen etwan am
beschwerlichsten seynd, nach Möglichkeit abtragen, hingegen die unverzinßlich-
oder nicht sicher anliegende Activ-Schulden fleissig beytreiben. 4tò In
Vertrettung puppillarischer Gerichts-Händlen sich nöthigen Rath- und Beystands
verständiger Leuten und Rechtsgelehrter gebrauchen, und endlich auch 5tò die
Ausgaben dergestalten einrichten, daß sie die Einkünften nicht übersteigen,
ausgenommen, wo es des Puppillens bedürftiger Unterhalt oder sonst die
unausweichliche Noth erforderen möchte. 6tò Liegt dem Vormund auch die
Verwaltung ausser Land liegender Güter soweit ob, als für diese letztere nicht
etwan besondere Vorsehung von der Obrigkeit selbigen Orts gemacht ist.
Von Veräusserung derselben.
§. 13. Eine Veräusserung. soll 1mò in des Puppillens
liegenden Gütern von der Vormundschaft ohne Rechtserheblicher Ursach, dann
derselben vorläuffig gründlicher Untersuch- und Obrigkeitlicher Bestättigung
nicht vorgenommen werden, ausser dessen ist dieselbe 2dò von keiner Kraft, und
kan das veräusserte gut gegen Erstattung des hievor ausgelegten Werths, soweit
solcher dem Puppillen zu Guten gegangen, wiederum vindicirt werden, falls auch
dasselbe vor der Wiederruffung zu Grund gehet, so betrift der Verlust nicht den
Puppillen, sondern den, welcher es malâ fide an sich gebracht hat, und muß
jener auf solchen Fall von ihm indemnisirt werden. Der Beweis obgedachter
Requisiten liegt 3tiò dem Jenigen ob, der sich auf die Alienation gegen den
Puppillen beziehet, jedoch dergestalt, daß wenn die Obrigkeitliche Bestättigung
einmal dargethan ist, alsdann auch die übrige Stücke solang præsumirt werden,
bis das Wiederspiel gnugsam erprobt worden. Für eine hinlängliche
Veräusserungs-Ursach wird 4tò geachtet, wenn es die Nothwendigkeit oder der
augenscheinliche Nutzen des Puppillens also erfordert. Und wie nun 5tò die Bestättigung
entweder bey der Obrigkeit des Orts, worunter die Güter liegen, oder worunter
der Puppill sein ordinari Forum hat, begehrt werden mag, so soll auch 6tò
daselbst die gebührende Untersuchung geschehen, wobey jedoch dem blossen
Vorgeben des Vormunds nicht so schlechterdings getrauet, sondern der Sach auf
den rechten Grund gesehen werden soll. Unter der Veräusserung seynd hierinfalls
7mo. alle Handlungen verstanden, wodurch
(68) dem Puppillen entweder das Eigenthum selbst, oder
andere bey der Sach habende Gerechtsame zum Theil oder gänzlich entzogen oder
geschmälert wird, z. E. durch Verpfändung des Guts, Beschwerung mit
Grund-Dienstbarkeiten, oder Einraumung des Nutzbrauchs, und dergleichen.
Dahingegen ist 8vò die blosse Verpachtung keinem Vormund verwehrt, und da etwan
das Gut vorhin schon zu Erb- Leib- oder Freystifts-Gerechtigkeit verliehen ist,
so mag solches auch bey der Heimfälligkeit, jedoch allzeit nur in der nemlichen
Maaß oder wenigst nicht auf beschwerlichere Conditiones von der Vormundschaft wiederum
weiter verliehen werden, ohne daß man obiger Requisiten hierzu bedarf.
Desgleichen seynd solche 9no nicht vonnöthen, wenn die Veräusserung aus
Special-Anordnung des Gesätz selbst, oder weil es der Erblasser also befohlen,
oder ausdrücklich bewilliget hat, vorgenommen wird. Es kan aber auch 10mò eine
aus Mangel mehrgedachter Requisiten ungültige Alienation nicht angefochten
werden, wenn der Puppill des Vormunds Erb wird, oder nach erlangter
Volljährigkeit die Veräusserung mit Worten oder Werken bestättiget,
welchletzteres unter anderen auch aus fünfjährigem Stillschweigen à Die
Majorennitatis vel impetratæ Veniæ gemuthmasset wird. Mit fahrender Haab,
welche sich mit Nutzen erhalten lasst, soll es 11mò eben so, wie mit liegender
hierinfalls gehalten werden; all anderes aber, insonderheit Getreid, Wein,
Obst, Bier, und Früchten, wie auch unnöthig- und überflüssiger Vorrath an
Kleider, Kleinodien, und Meublen mag der Vormund auch ohne Obrigkeitlicher
Erkanntnuß versilberen, wenn es nur in guter Absicht, zur rechter Zeit, und um
billichen Werth geschiehet. Gleichwie im übrigen 12mò dem Puppillen auch gegen
eine zwar gültig- aber schädliche Alienation Restitutio in integrum noch
bevorbleibt, also auch soll die Obrigkeit bey der Bestättigung die unförmliche Clausulam
salvo Jure Puppilli hinweglassen, und endlich 13tiò auf den Fall, wenn der
Vatter selbst tutorio Nomine die Confirmatio begehrt, sich weder mit selber,
noch mit der Untersuchung eben so genau, wie bey anderen Vormündern, bezeigen.
14tò Von dem Vergleich in Strittigkeiten den Puppillen betreffend, siehe Cod.
Jud. Cap. 17. §. 1. n. 7.
(69) De Periculo Tutorum, und was sie für eine Culpam
zu præstiren haben?
§. 14. Den Fleiß, welchen 1mò jeder guter Haus-Wirth
in dem Seinigen zu verwenden pflegt, soll auch ein Vormund in seinem Amt
verwenden, sonst begehet er Culpam levem und muß den dadurch verursachten
Schaden dem Puppillen ersetzen. Nur destomehr haftet er 2dò
um alle Schäden, wenn er nicht einmal soviel Fleiß,
als ein schlechter Haus-Wirth, verwendet, mithin Culpam latam begehet; oder
3tiò etwan gar fürsetzlich- und gefährlicher Weis (dolosè) zu Schaden des
Puppillens handlet. Dahingegen stehet er 4tò für keinen Unglücks-Fall (Casu
fortuito) und eben sowenig ist er auch 5tò schuldig, Culpam levissimam zu
præstiren, und soviel Fleiß zu bezeigen, als der allerklügst- und sorgfältigste
Haus-Vatter anzuwenden pflegt.
Von Schadloshalt und Recompensirung eines Vormunds.
§. 15. Alles, was der Vormund von dem Seinigen zu des
Puppillens Nutzen und Nothdurft verwendet, soll 1mò demselben wiederum vergütet
werden, wenn gleich die Besserung ohne des Vormunds Verschulden nicht mehr
existirt. Von dem hierzu ausgelegt- und vorgeschossenen Geld gebühren ihm 2dò
die gewöhnliche Zinsen, es wäre dann, daß der Puppill selbst mit Baarschaft
versehen ist, und der Vormund solche fruchtlos liegen laßt. 3tiò Mag ein
Advocat, welcher zugleich Vormund ist, für die in des Puppillens Strittigkeit
verfestigte Schriften und andere Arbeit den gebührenden Advocaten-Verdienst
aufrechnen, und wie er nun 4tò überhaupt um allen der Vormundschaft halber
erlittenen Kösten, Schaden und Entgang satisfacirt werden muß, also auch hat er
5tò von dem Puppillen nach Beschaffenheit seines Stands und Vermögens, dann
gehabter Mühe, Verrichtung und Sorg eine proportionirliche Verehr- und
Ergötzung zu forderen, wenn anderst die Vormundschaft redlich, ehrbar und
getreulich verwaltet worden. Immassen bey grösseren und considerableren
Vormundschaften das Honorarium nicht nur nach geendigter Vormundschaft sondern
auch auf Begehren zu Ende jeden Jahrs von der Obrigkeit ausgesprochen werden
mag.
Von Vormundschafts-Rechnungen.
§. 16. Der Vormund muß von seiner Geführten Verwaltung
Rechenschaft geben, und zu dem Ende 1mò über alle Einnahm und
(70) Ausgab, wie ein jeder anderer getreu und
redlicher Verwalter, richtig- und ordentliches Manualhalten (!) , damit er
seine Rechnung hieraus verfertigen, und solche 2dò nicht nur bey geendigter
Vormundschaft ablegen, sondern auch auf Begehren jährlich, oder so offt man es
für nöthig finden wurde, wenigst summarische Anzeig thun möge, und zwar 3tiò
dem Puppillen selbst nach bereits erlangter Majorennität, oder da die
Vormundschaft noch fortdauren soll, der Obrigkeit, oder unter Siegelmässigen
Personen denen nächsten Anverwandten oder sonst jenen, welche den Puppillen von
Rechtswegen zu vertretten haben. 4tò Ist der Vatter als Vormund eine förmliche
Rechnung abzulegen zwar niemal schuldig, von der summarischen Anzeig und
Specification aber sowenig als die Mutter und andere Vormünder befreyet. 5tò
Wenn der Vormund. unter einer anderen Obrigkeit stehet, als welche ihn
anfänglich bestellt und bestättiget hat, so gebührt zwar dieser letzteren die
Rechnungs-Aufnahm, Einsicht und Verhandlung, jener hingegen die Verschaffung
und auf allenfalligen Ruckstand die Execution, beedes andergestalt nicht, als
auf Requisition. 6tò Seynd bey der Rechnungs-Aufnahm alle Gastereyen. und
andere unnöthige Aufwände zu unterlassen, sohin auch in der Rechnung nicht zu
passiren. 7mo. Soll dem Vormund nach abgelegter Rechnung und befundener
Richtigkeit von dem Jenigen, welchem er solche obgedachtermassen abzulegen
gehabt hat, ein schriftliches Absolutorium oder. Quittung ertheilt, oder da
sich etwan 8vò Streit und Irrung hierüber ergiebt, die Sach bey obbemeldter
Obrigkeit rechtlich verhandlet und entschieden werden. Soviel aber 9no. die
nochmalige Revision einer bereits abgelegt- und ajoustirter
Vormundschafts-Rechnung betrift, ist der Unterschied zu machen, ob das
Absolutorium. und die Quittung bereits von dem Puppillen selbst nach erlangter
Majorennität, oder aber nur währender. Vormundschaft von der Obrigkeit,
Anverwandschaft und anderen den Puppillen vertrettenden Personen ausgestellt
worden seye. Erstenfalls hat eine neue und nochmalige Rechnungs-Revision
andergestalt nicht, als ex Capite Doli aut Erroris calculi mehr Platz,
anderenfalls aber kan man per Viam Restitutionis in integrum, wenn anderst eine
merkliche Læsion dargethan werden mag, annoch dazu gelangen.
(71) Von Vormundschaftlicher Authorität in des
Puppillens Handlungen mit anderen,
§. 17. Was der Puppill in seinen Sachen ohne
Bewilligung und Authorität des Vormunds thun oder handlet, hat 1mò wenigst auf
seiner Seit keine Kraft und Verbündlichkeit (!) , wol hingegen ist und bleibt
2dò der andere, welcher sich mit ihm einlaßt, verbunden, wenn der Puppill
Vortheil davon hat, und seines Orts gleichfalls Præstanda præstiren will.
Nichtweniger (!) bleibt 3tiò der Bürg, welcher sich für den Puppillen
dargestellt, allerdings obligirt, und kan sich mit der Ungültigkeit der
Haupt-Handlung nicht schützen. 4tò Haftet der Puppill aus solcher Handlung
selbst soweit, als er sich dadurch bereichert, oder gefährlicher Weis jemand
Schaden gethan hat. In Sachen welche 5tò zu des Puppillens offenbaren Nutzen gereichen,
kan der Vormund den Consens nicht abschlagen, und wird derselbe allenfalls von
Amtswegen durch die Obrigkeit ersetzt. Im übrigen machen zwar 6tò die Römische
Rechten zwischen Puppillen unter- oder über sieben Jahren hierinfalls auch
einen Unterschied und erforderen hiernächst, daß der Vormund bey der Handlung
selbst allzeit gegenwärtig seye, und gleich auf der Stell, ohne Bedingnuß und
Vorbehalt, dareinwillige, es ist aber all dieses dem hiesigen Land-Gebrauch
nicht gemäß, sondern es kan der Vormund auch abweesend, oder erst nach
beschehener Handlung, Bedingnußweis und ohne Unterschied, ob der Puppill das
siebende Jahr schon erfüllet hat, oder nicht, seine Authorität interponiren.
Was aber 7mo auf solche Weis einmal von ihm gutgeheissen ist, das bleibt bey
Kräften, jedoch mit Vorbehalt der Restitution in integrum, wenn der Puppill
merklich dadurch lædirt worden.
Und in Handlungen den Vormund selbst betreffend.
§. 18. In Sachen, welche den Vormund selbst betreffen,
kan er 1mò seine Vormundschaftliche Authorität nicht verwenden, sondern es muß
dieses bey Vermeidung der Nullität durch den Neben-Vormund, oder da keiner
vorhanden ist, durch einen von der Obrigkeit ad hunc Actum specialiter
bestellten Curatorem geschehen, insonderheit kan und soll er 2dò ohne
Begnehmigung der Obrigkeit weder von dem Puppillen-Geld Anlehensweis aufnehmen,
noch sich selbst um das, was ihm jener nicht von der Vormundschaft, sondern
anderer Ursachenwegen etwan schuldig ist, bezahlt machen, vielweniger von ihm
(72) kauffen, tauschen, oder sonst auf andere Weis
entweder selbst, oder durch Mittels-Personen mit ihm handlen, oder sich von
anderen die Jura gegen den Puppillen cediren lassen. Wol hingegen kan er 3tiò
in Sachen, welche zwischen ihm und dem Puppillen gemeinschaftlich seynd,
zugleich proprio und tutorio Nomine mit anderen handlen, ohne daß es derwegen
eines besonderen Curatoris oder Neben-Vormunds hierzu bedarf, und diese
nemliche Beschaffenheit hat es 4tò wenn der Vormund von des Puppillens Gütern
durch offentlich- und von der Obrigkeit angeordnete Gand etwas an sich bringt.
Von dem Facto Tutoris und wie der Puppill solches zu
præstiren habe?. §. 19. Was der Vormund in Vormundschafts-Sachen thut oder
handlet, das wird auch 1mò samt allen daraus fliessenden Rechten und Verbündlichkeiten
für des Puppillens eigne Sach geachtet, derowegen er 2dò nach geendigter
Vormundschaft und erlangter Großjährigkeit ex Facto Tutoris sowol andere
rechtlich belangen als von anderen hierum belangt werden kan. Ein anderes ist
3tiò was der Vormund nicht in Vormundschaftlichen, sondern selbst eigen- oder
anderen Sachen thut, welches auch 4ò in Zweifel allzeit gemuthmasset wird,
solange nicht aus der Handlung selbst, oder sonst das Wiederspiel erscheinet.
5tò Wenn sich der Vormund in Vormundschaft-Sachen zugleich als Bürgen
darstellt, so mag er auch hierum sowol vor- als. nach geendigter Vormundschaft
belangt werden, und da er etwan 6tò zwar für sich und in eignen Namen, jedoch
mit des Puppillens Geld handelt, so mag sich dieser seiner Zeit an das erhandlete
Gut und die davon abgefallene Nutzungen halten, soweit er das hierzu verwendete
Geld samt denen gewöhnlichen Interessen auf andere Art nicht mehr erholen kan.
Ex Dolo vel Culpa Tutoris haftet 7mo der Puppill nur soweit, daß er dem
beleidigten Theil entweder gnugthun oder wenigst seine Action gegen den Vormund
cediren muß. 8vò Hat er auf dem Fall, da er durch das Factum Tutoris lædirt
wird, die Wahl, ob er gegen den Vormund seinen Regress suchen wolle. 9no Kan
kein Vormundschaftliche Handlung von dem Puppillen unter dem Vorwand, daß er
von dem Vormund nicht mitbeygezogen worden, umgestossen werden. Falls aber 10mò
andere Rechtserhebliche Ursachen dazu vorhanden seynd, so laßt sich
(73) gleichwol das Factum nicht abtheilen, sondern der
Puppill muß solches entweder ganz agnosciren, oder ganz anfechten.
Von Excusation und Entschuldigung eines Vormunds.
§. 20. Die Vormundschaft kan 1mò ohne
Rechts-erheblicher Entschuldigung nicht abgeleint werden. Wer aber gnugsame
Entschuldigungs-Ursach zu haben vermeint, soll solche 2dò bey behöriger
Obrigkeit, das ist, bey jener, welche ihn bestellt hat, und zwar von Zeit, da
ihm der Obrigkeitliche Auftrag intimirt ist, längst inner vierzehen Tägen sub
Pœna præclusi anzeigen. Seynd der Ursachen mehr, so soll man sie auch 3tiò
unter der nemlichen Straf zugleich auf einmal vorbringen. 4tò Ist nicht gnug,
daß man die Ursach nur allegire, sondern wenn sie auf der Geschicht beruhet,
und nicht sonst notorisch ist, so muß selbe auch bewisen seyn, wobey mit dem
Beweis summarissimè und mehr von Amtswegen verfahren werden soll. Mutter und
Ahn-Frau müssen sich zwar 5tò ebenfalls entschuldigen, seynd aber gleichwol die
Ursach zu specificiren nicht verbunden. Untüchtige und Vermög vorhergehenden
dritten §vi von der Vormundschaft ausgeschlossene Personen bedarffen 6tò keiner
Entschuldigung, dafern aber ihre Untüchtigkeit nicht kundbar ist, so soll man
sie inner obigen Termin bey willkürlicher Straf anzeigen, und sich sofort die
Obrigkeit von Amtswegen hierüber erkündigen. Von blosser Benenn- oder
Bestellung eines Vormunds hat, 7mo keine Appellation statt, sondern man soll
sich zuvor entschuldigen, und da dessen ohngeacht dem Auftrag inhærirt wird,
alsdann erst greift die Appellation an den höheren Richterplatz, wo immittels
pendente lite ein Curator bestellt wird. Muthwillig befundene Appellanten, wie
auch all Jene, welche sich 8vò der Vormundschaft ohne hinlänglicher Ursach
weigern, oder ihre Entschuldigung nicht legaliter vorbringen, sollen nicht nur
durch ergiebige Zwangs-Mittel angehalten, sondern auch in alle dem Puppillen
aus ihrer Verzögerung und Wiederspenstigkeit zugehende Schäden condemnirt,
annebens von der Obrigkeit willkürlich gestraft werden, wohingegen 9no all
übrige in denen Gemeinen Rechten hierauf gesetzte Straffen nicht mehr in übung
(!) seynd.
Rechtmässige Entschuldigungs-Ursachen.
§. 21. Obschon in denen Römische Rechten gewisse
Entschuldigungs-Ursachen, insonderheit hohes Alter, Vielheit der Kindern, lange
(74) Abwesenheit in Lands-Fürstlichen oder anderen das
gemeine Wesen betreffenden Geschäften, obhabende andere
Vormundschafts-Verwaltungen, Begleitung wichtig- und ansehlicher (!) Aemter,
Unerfahrenheit in denen zur Vormundschaft gehöriger Sachen und mehr dergleichen
ausdrücklich vorgeschrieben seynd, so kommt es doch hierin nach hiesigen
Lands-Gebrauch nicht soviel auf die Vorschrift der Rechten als die
Beschaffenheit. der Umständen an, woraus die Obrigkeit von selbst leicht
ermessen wird, ob und wie weit die vorgebrachte Ursach entweder vor- oder nach
angetrettener Vormundschaft zur Entschuldigung hinreiche.
Von Endigung der Vormundschaft.
§. 22. Die Vormundschaft wird 1mò auf Seiten des
Puppillens geendiget, erstlich durch den Tod, zweytens durch die Adoption, wenn
er mittels selber unter Vätterliche Gewalt kommt, drittens nach Römischen Recht
auch durch die Vogtbarkeit, oder das zwölft- und respectivè vierzehende Jahr,
welches jedoch durch die Lands-Statuta und den Gebrauch dergestalt abgeändert
ist, daß die Vormundschaft bis zur erlangter Majorennität fortgesetzt werden
muß. Auf Seiten des Vormunds wird 2dò die Vormundschaft geendiget, erstens
durch den seinen Tod, zweytens durch Erfüllung der Maaß, nach welcher etwan
derselbe zum Vormund bestellt worden. Drittens durch seine Untüchtigkeit, wenn
sich selbe erst nach angetrettener Vormundschaft entdeckt, oder neuerlich
ergiebt, viertens durch die Entlassung aus erheblicher Entschuldigungs-Ursach,
fünftens durch die in nächstfolgenden §vo bemerkte Remotion, sechstens durch
weitere Verehelichung der Mutter oder Ahn-Frau, wenn sie Vormünderin ist.
Ausser jetzgedachter Fällen soll 3tiò Niemand von der Vormundschaft eigenwillig
abstehen, wiedrigenfalls man nicht nur dem Puppillen die dadurch verursachte
Schäden abzuthun schuldig ist, sondern auch der Obrigkeit in willkürliche Straf
verfällt. Dafern sich nun 4tò die Vormundschaft nur auf Seiten des Vormunds
endiget, folglich statt des vorigen ein anderer Vormund bestellt werden soll,
so liegt zwar die neue Bestellung ohne Unterschied, ob der vorige Tutor
Testamentarius, Legitimus oder Dativus gewest, der Obrigkeit ob, doch soll man
hierbey die nächste Befreundte, sofern sie tauglich dazu seynd, nicht umgehen.
Von Amotion und Entsetzung des Vormunds.
(75) §. 23. Ein jeder Vormund kan 1mò aus erheblicher
Ursach der Vormundschaft entsetzt werden, stehet auch 2dò Jedermann, sogar dem
Puppillen selbst, frey, einen verdächtigen Vormund behörigen Orts zu
denunciren. 3tiò Hat die Obrigkeit allenfalls von Amtswegen darauf zu sehen,
jedoch 4tò die Ursach der Entsetzung allemal mit vorläuffig summarischer
Vernehmung des Vormunds in möglicher Kürze zu untersuchen, und da 5tò die Sach
zweifelhaft oder weitschichtig zu werden scheint, einen Neben-Vormund oder
Interims-Curatorem zu bestellen, 6tò seynd die Bluts-Verwandte niemal befugt,
den Vormund eigenmächtiger Weis zu entsetzen, sondern es gebührt dieses der
Obrigkeit allein, und zwar jener, welche die Bestellung gemacht hat. Im übrigen
ziehet auch 7mo die Remotion allemal eine willkürliche Straf nach sich, wenn
sie ob Dolum vel Culpam latam Tutoris verhengt wird.
Rechtmässige Ursachen der Entsetzung.
§. 24. Eine rechtmässige Ursach den Vormund zu
entsetzen, ist 1mò wenn er ohne Obrigkeitlicher Bestättigung die Vormundschaft
antritt, 2dò kein Inventarium verfaßt, 3tiò für des Puppillens Person, oder
Vermögen nicht sorgt, 4tò dessen unbewegliche Güter illegaliter veräussert,
oder sonst 5tò in der Verwaltung Dolum vel Culpam latam zu Schulden bringt, 6tò
in schlechten liederlichen Lebens-Wandel, grossen Abfall seines Vermögens, oder
in solche Umstände verfallt, worin er laut vorgehenden dritten §vi nicht
Vormund seyn kan. 7mo Wenn sich nach der Hand bezeigt, daß er Debitor vel
Creditor Puppilli seye, dann ein solcher wird nicht nur der Vormundschaft
entsetzt, sondern verliehrt auch seine gegen den Puppillen gehabte Action,
respectivè. Exception, ausgenommen, da aus denen Umständen erscheint, daß er
bey dem Antritt der Vormundschaft keine Wissenschaft von der Schuld oder
Forderung gehabt, oder sich solche erst währender Vormundschaft ergeben hat, welchenfalls
dem Puppillen. nur ein Curator ad hunc Actum specialem beygegeben wird, sofern
die Schuld, oder Forderung nicht aus der Vormundschaft selbst, sondern aus
anderen Ursachen entspringt.
(76) Was der Vormund nach geendigter Vormundschaft zu
beobachten habe?
§. 25. Die Obliegenheit eines Vormunds nach geendigter
Vormundschaft ist 1mò die Ablegung der Rechnung, 2dò Vergütung des befundenen
Ruckstands, 3tiò Exhibirung des errichteten Inventarii, 4tò Auslieferung des
puppillarischen Vermögens, und bis 5tò dieses letztere auf vergnügliche Art
geschehen ist, die weitere getreuliche Besorg- und Verwaltung desselben.
Von des Puppillens Actionibus, insonderheit de Actione
Tutelæ directa,
§. 26. 1mò Kan der Vormund um alles, was er
obgedachtermassen als Vormund zu leisten hat, von dem Puppillen rechtlich
belangt werden, und gehet 2dò dieser Anspruch activè & passivè auf die
Erben, jedoch dergestalt, daß 3tiò die Erben des Vormunds nur pro Dolo &
Culpa lata, nicht aber pro Culpa levi ihres Erblassers haften, ausgenommen
soweit sie in Facto proprio versiren, oder der Krieg mit dem Erblasser schon in
Lebzeiten befestiget gewest, oder derselbe von des Puppillens Schaden profitirt
hat. 4tò Greift diese Action nicht nur nach geendigter Vormundschaft, sondern
auch während derselben Platz, und wird 5tò der Puppill vor erlangter
Majorennität von einem Curatore speciali, oder dem Jenigen, welcher in der
Vormundschaft succedirt, allenfalls hierin vertretten. Von der Actione
Hypothecaria und dem Prælations-Recht des Puppillens siehe Cod. Jud. Cap. 20.
§. 5. n. 6. §. 7. & §. 12. n. 1.
Und des. Vormunds Actione contraria gegen den
Puppillen,
§. 27. Dahingegen kan aber auch der Vormund den
Puppillen um alles, was er ihm obermeltermassen von geführter
Vormundschaftswegen schuldig ist, gleichfalls belangen, und gehet diese Action
ebenmässig auf die Erben sowol activè, als passivè, jedoch ohne Hypothec oder
Vorzugs-Recht.
Item gegen die Vormundschaftliche Bürgen.
§. 28. Wenn der Puppill das Seinige bey dem Vormund,
oder dessen Erben nicht mehr erholen kan, so haften ihm 1mò die gestellte
Bürgern und Caventen. Seynd nun 2dò derselben mehr, oder stellt aus mehr
Vormündern jeder einen besondern Bürgen, so stehet auch jeder für die ganze
Schuld, doch bleibt dem
(77) Jenigen, welcher für andere bezahlt, der Regress
pro rata bevor. Ein anderes ist 3tiò wenn der Cavent nur für eine gewisse
Summam gutspricht, oder die Vormundschaft mit Obrigkeitlicher Bewilligung
getheilt ist, dann da haftet jeder Bürg nur à Proportion. 4tò Stehen auch die
Caventen allzeit nur für das, was der Vormund als Vormund währender
Vormundschaft thut. 5tò Werden zwar jene, welche der Obrigkeit. einen Vormund
vorschlagen, oder anrühmen und für tauglich angeben, nach Römischen Recht denen
Bürgen in all obigen Stücken gleich geachtet, es ist aber dieses dem hiesigen
Lands-Gebrauch nicht gemäß.
Von der Actione subsidaria gegen die Obrigkeit.
§. 29. Nach all obbenannten Personen haftet endlich
auch die Obrigkeit selbst in Subsidium, das ist, zur Hülfe um allen dem
Puppillen verursachten Schaden, wenn sie in Bestellung der Vormundschaft,
gebührender Aufsicht, oder sonst an ihrem Ober-Vormundschaftlichen Amt etwas
ermanglen laßt, und da dieselbe etwan in mehr Personen bestehet, so haften all
jene zugleich, welche an diesem Verschulden Antheil genommen haben, es wäre
dann die Sach einem allein committirt gewest, welchem sodann die Gnugthuung
auch ganz allein obliegt.
Von des Puppillens Restitution in integrum.
§. 30. In Extrajudicial-Handlungen, welche zwar an
sich gültig, jedoch so beschaffen seynd, daß sie dem Puppillen
erweislichermassen zu merklichen Schaden gereichen, hat er 1mò die Wahl, ob
sich selber deshalb bey seinem Vormund durch obverstandene Actionem Tutelæ,
oder aber bey dem Jenigen, mit welchem der Handel vorgegangen, per
Restitutionem in integrum erholen wolle. Durch die letztere wird zwar 2dò alles
in vorigen Stand gestellt, wie es vor-gepflogener (!) Handlung gewest, und wird
mithin der erlittene Schaden dadurch abgethan. Es hat aber auch selbe 3tiò in
Criminel- oder solchen Händlen, worin der Puppill selbst einen Betrug zu
Schulden kommen laßt, niemal statt. 4tò Hangt sie als ein Privilegium merè
personale lediglich der Person des Pupillens an, und erstreckt sich weder auf
Bürgen, noch auf Compagnons, ausser in Causis individuis, und eben sowenig auf
seine Erben, wo nicht die Sach schon in seinem Lebzeiten würklich bey
(78) behöriger Obrigkeit incaminirt (!) , und der
Krieg befestiget worden ist. Gegen einen Minderjährigen oder gleich
Privilegirten greift solche 5tò nur auf dem Fall, wenn er blos de Lucro
captando streitet, und gegen einen dritten Innhaber, mit welchen man nicht
gehandlet hat, soweit Platz, als er malâ fide an sich gebracht hat. 6tò Muß das
Restitutions-Gesuch, wie all anderes, regulariter in Foro des Beklagtens,
mithin auch gestalten Dingen nach in Foro rei sitæ, oder da es nur incidenter
mitvorkommt, alldort, wo die Hauptsach selbst hangt, angebracht werden und
fallt endlich 7mo wiederum weg, wenn auf Seiten des Puppillens nach erlangter
Großjährigkeit die Ratification entweder mit Worten oder Werken erfolgt, oder
aber von Zeit der Majorennität, sie seye gleich per Veniam, oder sonst
ordinariè erlangt worden, vier ganze Jahr verstreichen, ohne daß man
Restitutionem begehrt hat. Von Judicial- Handlungen und wie weit die
Restitution hierin Platz greiffe, siehe Cod. Jud. Cap. 16. §. 1.
Was zu beobachten, wenn mehr Vormunder in gleich
seynd?
§. 31. Die Obrigkeit soll 1mò regulariter, wo kein
anderes Herkommens ist, zu jeder Vormundschaft mehr nicht, als einen Vormund
bestellen, es seye dann, daß die Vätterliche Anordnung, Gleichheit des Grads
unter mehr Bluts-Verwandten, oder die Weitschichtigkeit der Vormundschaft und
dergleichen Umständen ein anderes entweder gleich anfänglich oder nach der Hand
Adjunctionsweis erheischen. In diesen Fällen nun ist sich 2dò mit der
Vormundschafts-Verwaltung zuförderst nach dem Vätterlichen Willen zu richten.
Hat der Vatter ein oder anderen aus denen benannten Vormündern von der
Verwaltung gar ausgeschlossen, oder eine Abtheilung unter ihnen hierinfalls
gemacht, so soll auch jeder dabey verbleiben, und keiner weiter um sich
greiffen, wohingegen solchenfalls auch jeder nur für den zu verwalten gehabten
Theil allein, nicht aber für andere zu haften hat, ausgenommen wenn üble Administration.
von dem Neben-Vormund verspührt, und solche gleichwol der Obrigkeit, wie sich
doch allerdings gebührt, nicht alsobald angezeigt wird. Die nemliche
Beschaffenheit hat es 3tiò wenn die behörige Obrigkeit besondere Abtheil- und
Anordnung unter denen Vormündern macht, und dieselbe sammentlich darauf
einverstanden seynd, massen keiner wieder seinen Willen durch blossen
Obrigkeitlichen Befehl gleich anfänglich von
(79) der Coadministration ganz, oder zum Theil
ausgeschlossen werden mag. In Ermanglung jetztbemelt- Vätterlich- oder
Obrigkeitlicher Disposition seynd 4tò folgende vier Fäll zu unterscheiden.
Erstens ob die Vormundschafts-Administration von keinem, oder zweytens nur von
einigen, oder aber drittens von allen und zwar vertheilt oder viertens unvertheilter
Weis geführt worden. Erstenfalls haftet zwar 5tò jeder für den aus
unterlassener Administration erfolgten ganzen Schaden (in solidum) jedoch salvâ
Exceptione Divisionis, Kraft welcher auch die übrige, so weit sie solvendo
seynd, ihre Ratam und Manns-Portion beytragen müssen. Zweytenfalls haften 6tò
alle ohne Unterschied, ob sie administrirt haben oder nicht, in solidum, jedoch
ebenfalls vorbehaltlich obiger Exception, und soviel die nicht Administrirende
betrift, salvâ Exceptione Ordinis & Excussionis, nach welchen sie nur
soweit belangt werden mögen, als die Administratores nicht mehr solvendo seynd.
Drittenfalls hat zwar 7mo jeder nur seinen Theil allein zu verwalten, und darf
sich seiner Vormundschaftlicher Authorität weiter nicht, als für selbigen
unterziehen, haftet aber nichts destoweniger auch für die andere Theil salvo
Jure Ordinis & Excussionis. Viertenfalls ist 8vò jeder der Administration
samt und sonders berechtiget, und was einer für sich allein ohne Beyziehung der
anderen thut, ist soviel, als ob es von allen geschehen wäre, ausgenommen, wo
es um die völlige. Aufhebung der Vormundschaft zu thun ist, oder die Bestellung
gleich Anfangs so gemacht wird, daß keiner ohne dem (!) anderen verfahren darf,
oder ein Vormund dem anderen ausdrücklich wiederspricht, in welchen Fällen es
auf die Majora, oder wo Paria seynd, auf den Obrigkeitlichen Ausspruch ankommt.
Allergestalten auch alle um einer solch- unvertheilter Administration willen,
jedoch mit obbenannten Beneficio Divisionis, haften. Hätte aber 9no in all
obigen Fällen ein Vormund seines Mitvormunds üble Verwaltung bey behöriger
Obrigkeit zeitlich angezeigt, so ist er von aller Mithaftung disfalls
entlediget, und fallt die Ruckschadloshaltung vielmehr auf die saumige
Obrigkeit. Dahingegen gehet 10mò das Beneficium Ordinis in obgedachten zweyt-
und dritten Fall verlohren, wenn der Vormund dem Neben-Vormund in seiner
schlechten Haus-Wirthschaft ohne Obrigkeitlicher Anzeig wissentlich zusiehet,
oder sich etwan gar des von ihm gespielten Betrugs theilhaftig. macht.
(80) Von Ober- oder Ehren-Vormündern.
§. 32. Ein blosser Ehren- und Ober-Vormund (Tutor
Honorarius) distinguirt sich von anderen Ordinari-Vormündern in folgenden
Stücken. 1mò Kan und soll er sich der Administration niemal unterziehen,
sondern solche lediglich dem Ordinari-Vormund überlassen. Indeme (!) ihm 2dò
weiter nichts als die Ober-Aufsicht über die Vormundschaft gebührt. Solchemnach
gehet auch 3tiò seine Pflicht nur dahin, daß er besagte Inspection zum Nutzen
des Puppillens fleissig führen, und die an der Vormundschaft verspürende Mängel
allzeit gleich erinneren, oder wo nöthig, bey behöriger Obrigkeit anzeigen
wolle. 4tò Wird ihm keine Cautions-Leistung, und eben sowenig auch 5tò die
Errichtung des Inventarii oder Rechnungs-Ablegung zugemuthet, wol hingegen kan.
und soll er 6tò von Inspections-wegen in beeden gebührende Einsicht nehmen.
7mo. Interponirt er in des Puppillens Handlung seine Authorität niemal, sondern
dieses stehet lediglich dem Ordinari Vormund zu, und da er etwan 8vò mit dem
Puppillen selbst einen Handel hat, so muß dieses ebenfalls unter der Authorität
des Ordinari-Vormunds geschehen. 9no Haftet er dem Puppillen nur auf den.
einzigen Fall, wenn er des Ordinari-Vormunds übler Administration ohne.
zeitlicher Errinnerung und Anzeig zuschauet, oder sonst an gebührender Aufsicht
etwas ermanglen laßt. 10mò Hat er sich zwar in solchen Fall des Beneficii
Ordinis, jedoch nur in Ansehen des Ordinari-Vormunds, nicht aber in Ansehen der
Obrigkeit zu erfreuen, sondern diese haftet erst nach ihm. In all übrigen
Stücken wird es 11mò mit ihm wie mit anderen Vormündern gehalten, und gleichwie
endlich 12mò die Bestellung eines Ehren-Vormunds niemand als dem Vatter des
Puppillens, oder der Obrigkeit von Rechtswegen zukommt, also auch soll der
jenige keineswegs dafür angesehen werden, welcher der würklichen Administration
nur aus blosser Privat-Verständnuß anderer Neben-Vormündern begeben ist.
Von Vormundschafts-Vertrettern.
§. 33. Jene, welche zwar zu Vormündern nicht würklich
bestellt seynd, gleichwol aber dem Puppillen in guter Meinung und Absicht
vorstehen, (Protutores) haften dem Puppillen hierum auf die nemliche Art, wie
andere Ordinari-Vormünder. Sonst
(81) aber wird es mit der Protutelâ wie mit der
Negotiorum Gestione beobachtet.
Von falschen Vormündern,
§. 34. Wer sich falsch- und betrüglicher Weis für
einen Vormund angiebt, der haftet zwar 1mò seines Orts wie ein wahrer
Ordinari-Vormund, sonst aber seynd 2dò alle seine Handlungen kraftlos, und wenn
3tiò der Puppill Schaden dadurch leidet, so wird benöthigtenfalls in Litem
gegen ihn geschworen. Annebens soll er 4tò nach Beschaffenheit des Betrugs
willkürlich bestraft werden, und wer 5tò mit einem solchen Vormund wissentlich
handlet, muß sich selbst beymessen, wenn er sich an seinem Recht dadurch
verkürzt, soweit aber 6tò der falsche Vormund dem Puppillen zu Nutzen handlet,
soweit wird er auch pro Negotiorum Gestore angesehen. 7mo Wenn sich mehr
falsche Vormünder zugleich angeben, haften sie für den Schaden in Solidum,
jedoch cum Beneficio Divisionis, soweit jeder aus ihnen solvendo ist.
Von der Curatel,
§. 35. Die Curatel ist eine Gattung von Vormundschaft,
und pflegt nicht nur minderjährigen sondern auch blöd- oder unsinnigen
Verschwendern, abwesenden, auf der Gand stehenden, und in gewissen Sachen
öffters auch anderen Personen verordnet zu werden. Von denen Curatoribus
Bonorum währender Gand, siehe Cod. Jud. Cap. 19. §. 18. Von denen übrigen aber
§vum seq. 36. &c.
Und zwar Minderjähriger,
§. 36. Minderjährige Personen werden 1mò nach gemeinen
Rechten genannt, welche das fünf- und zwanzigste, oder nach Bayrischen und
hinführo auch Oberpfälzischen Rechten das ein- und zwanzigste Jahr noch nicht
völlig erfüllt haben. Es seynd dieselbe 2dò denen Puppillen und unvogtbaren
Personen in all obgenannten Stücken von §vo 1. bis 34. inclusivè. durchgehends
gleich geschätzt, und ist mithin auch zwischen gegenwärtiger Curatel und Tutel
überhaupt kein Unterschied, wol aber ist von jener noch. besonders zu merken,
daß wer 3tiò über einen Unvogtbaren schon einmal Vormund gewest, der soll es
auch nach erlangter Vogtbarkeit bis zur Majorennität verbleiben, und ohne
erheblicher Entschuldigungs-Ursach nicht entlassen
(82) werden. 4tò Muß der Minderjährige, auch wieder
seinen Willen, einen Curatorem haben, ohngeacht das Römische Recht ein anderes
disfalls mit sich bringt. Desgleichen ist 5tò aufgehoben, was jetztbemelt-
Römisches Recht von verbottener Verehelichung zwischen der minderjährigen
Pfleg-Tochter und ihren(!) Vormund, oder dessen Sohn und Enkel verordnet. 6tò
Hat Restitutio in integrum ex Capite Minorennitatis gegen letztwillige
Dispositionen, oder Handlungen in Ehe-Sachen niemal Platz, sonst aber pflegt
man Minderjährige auf die nemliche Art, wie oben von Puppillen mit mehrern
geordnet ist, zu restituiren. 7mo. Wird die Curatel eines Minderjährigen ebenso
wie die Vormundschaft, annebens aber auch in folgenden Fällen geendiget.
Erstens. durch Erstreckung des Statutenmässigen Alters, oder zweitens noch vor
demselben durch besondere Lands-Fürstliche Begnadigung (Veniam Ætatis)
welchenfalls jedoch der Begnadigte vor Erlangung der gewöhnlicher
Majorennitäts-Jahren sich weder einer Curatel oder Vormundschaft über andere,
noch ohne Gutheissen der Obrigkeit einer Veräusserung seiner liegender Güter
anmassen soll. Drittens durch Ablegung der Profession in einem Geistlichen
Ordens-Stand. Viertens durch die Verehelichung sowol auf Seiten des Manns als
des Weibs, jedoch dergestalt, daß sie wie andere minderjährige Personen in
integrum restituirt werden, wenn sie vor vollstreckten 21isten. Jahr merklich
gevortheilt seynd. 8vò Werden zwar Kirchen, Spitäler, Allmosen-Aemter und
andere approbirte ganze Corpora, oder Communitäten, soweit es ihrer
Beschaffenheit nach immer thunlich und das Herkommen nicht entgegen ist, denen
Minderjährigen gleich geachtet, dieweil sie aber gleichwol nimmermehr majorenn
zu werden pflegen, so soll bey ihrer Restitution der Lauf des Quadriennii von
dem Tag an, da die Læsion geschehen und kundbar ist, oder wenn der Vorsteher
selbst daran Schuld tragt, von dem Tag an, da ein anderer Vorsteher statt
seiner bestellt worden, gerechnet werden.
Oder Verschwendern, Blöd- und Unsinniger.
§. 37. Unsinnige Personen, wie auch all jene, welche
aus Mangel der Vernunft ihren Sachen selbst vorzustehen nicht im Stand seynd,
oder das Ihrige liederlich- oder verschwenderischer Weis verthun, sollen 1mò
auf Anzeig ihrer Befreundten, oder auch Amtshalber von der Obrigkeit, nach
vorläuffig- gnugsamer
(83) Erkundigung ihres Zustands auf Art und Maaß wie
andere Puppillen und Minderjährige bevormundet, sohin auch durchgehends auf die
nemliche Weis tractirt werden. Und wenn sie mit minderjährigen Kindern versehen
seynd, so erstreckt sich die Curatel zugleich mit auf selbe, wo kein besonderes
hierin verordnet wird. Soviel 2dò die muthwillige Verschwender in specie
betrift, soll man sie vor allen zur Besseren Haus-Wirthschaft ermahnen, in
Entstehung deren aber durch Obrigkeitliche Erkanntnuß für Verschwender
erklären, und sobald selbe in Rem judicatam erwachsen ist, nicht nur mit
würklicher Bestellung der Curatel, sondern auch, damit sich Jederman in Handel
und Wandel hiernach zu richten wisse, mit offentlicher Anschlagung der Sentenz
ad Valvas Judicii verfahren, und solang nicht wahrscheinliche Hofnung zur
Besserung obhanden ist, mit sothaner Curatel continuiren. Alles was 3tiò ein
Unsinniger in seiner Raserey thut oder handlet, ist aus Mangel des Willens und
Verstands ohnehin, weder auf seiner, noch anderer Seite, von der geringsten
Kraft, und dieses nur destomehr, wenn er bereits einen Curatorem hat, dafern er
aber zuweilen wiederum zu sich kommt, so kan er während-diesem (!) Intervallo,
welches jedoch von dem Alleganten allzeit gnüglich bewiesen seyn muß, auch ohne
Curatore handlen, dann obwol die Curatel deswegen nicht gleich aufgehoben,
sondern solang, bis der Curandus vollkommen restituirt ist, fortgesetzt wird,
so ruhet doch das Amt des Curatoris tempore dilucidi Intervalli und reviviscirt
allzeit wiederum ipso facto ohne weiteren Befehl, sobald der Curandus in seine
vorige Raserey verfallt.
Von Interims-Curatoribus oder ad Actum specialem.
§. 38. Ob man wol regulariter Niemand, der schon einen
Vormund oder Curatorem hat, mit anderweiter Curatel zu verstehen pflegt, so
leidet doch 1mò diese Regul vielmal ihren Absatz, insonderheit, wenn die unter
Vätterlicher Gewalt stehende minderjährige Kinder mit ihrem Vatter selbst, oder
Pfleg-Kinder mit ihren Vormund zu handlen haben, dann da soll man einen. ad
hunc Actum specialem verpflichteten Curatorem bestellen, welcher hierin alles,
was sonst einem Vormund zustehet, genau beobachten, und die Kinder gegen ihren
Vattern, respectivè Pfleg-Vattern, getreulich vertretten, auch ohne
Rechts-erheblicher Ursach, ehe und bevor selbige Handlung völlig geendiget ist,
von der Curatel
(84) nicht abstehen soll. Interims-Vormünder werden
2dò bestellt, wenn Tutor Testamentarius vel Legitimus selbst noch minderjährig
ist, oder wenn der Vatter sub Conditione vel ad certum Diem einen Vormund
benennt, oder wenn Tutores Legitimi über die Fähigkeit oder Nähe des Grads
miteinander streiten, oder wenn man gegen einen verdächtigen Vormund in der
Untersuchung begriffen ist, oder wenn der Vormund durch Reiß, Krankheit,
Persönlichen Arrest und dergleichen an der Administration auf eine Zeit
gehindert wird, oder wenn es die Obrigkeit sonst anderer bedenklicher
Umständenhalber für nöthig findet.
Abwesender Personen oder liegender Erbschaften.
§. 39. Liegenden Erbschaften giebt man 1mò Curatores,
wenn die Erben entweder gar nicht bekannt, oder wenigst noch in der
Deliberation begriffen seynd. Ein gleiches geschiehet 2dò gegen Abwesende, in
Ansehen ihrer hinterlassener Güter, wenn sie sich auf Instanz der Jenigen,
welchen an ihrer Gegenwart gelegen ist, weder persönlich stellen, noch einen
Anwald benennen. Dergleichen Curatelen hat 3tiò die Obrigkeit, worunter die
Güter liegen, zu bestellen, und allzeit vorzüglich auf die nächste Befreundte
zu reflectiren. 4tò Ist in der Administration das nemliche hierbey zu
beobachten, was auch anderen Curatoribus obliegt, und wenn 5tò der Abwesende
zuruckkommt, oder stirbt, so ist der Curator ihm, oder respectivè. seinem Erben
Rechenschaft zu geben und die Curatel abzulegen schuldig. Dafern aber 6tò die
Abwesenheit solang daurt, daß man entweder hieraus, oder sonst aus anderen Umständen,
den Tod wahrscheinlich vermuthen kan, so bedarf es keiner Curatel mehr, sondern
der Abwesende wird für abgestorben erklärt, und seine Hinterlassenschaft auf
Art und Weis, wie in Sterb-Fällen gebräuchig ist, denen rechtmässigen
Successoribus jedoch andergestalt nicht, als gegen genugsame Sicherheit
ausgefolgt, daß solche seiner Zeit dem Abwesenden, auf allenfallige
Zuruckkunft, samt allen Nutzungen, getreulich wiederum restituirt werde.
Von Beyständer
§. 40. Was hieroben von Vormündern und Curatoribus
verordnet worden, das last sich auf unverflichtete !) Beyständer, weil sie nur
blose Rathgeber seynd, und keine Verwaltung auf sich haben, keinesweegs
anwenden.
(85)
Achtes Capitul
Von
der Leibeigenschaft. (Servitute.)
Was
die Leibeigenschaft seye?
§.
1. Obwol nach Römischen Rechten ein Leibeigner seinem Herrn mit Leib und Gut
dergestalt unterwürffig war, daß er mehr dem Viehe als Menschen gleich
geschätzt wurde, so hat es doch mit der heutigen Leibeigenschaft eine gantz
(!)andere Bewandnuß, und bestehet solche nur noch lediglich in gewissen
Personal-Diensten und Gaben, wo im übrigen der Leibeigne, wie jeder anderer (!)
, bey seiner Freyheit verbleibt.
Eintheilung
derselben in Servitutem personalem, realem, mixtam.
§.
2. Die Leibeigenschaft ist zwar regulariter nur eine blosse Personal-Sache,
haftet aber auch zuweilen auf den Gütern, und da nun beedes öffters
zusammentrift, so giebt es auch eine Gattung von vermischter Leibeigenschaft.
Art
und Weis die Personal-Leibeigenschaft zu erlangen.
§.
3. Es wird die Personal-Leibeigenschaft heut zu Tag nur auf folgende Weis
erlangt. 1mò Durch Geding, 2dò durch die Geburt, 3tò durch die Verjährung, 4tò
durch die Ehe.
Wie
sie durch Pacta erlangt werde.
§.
4. Durch Pacta wird dieselbe erlangt, 1mò wenn ein unter fremder Gewalt oder
Curatel nicht stehender freyer Mensch sich selbst an einen anderen für
Leibeigen ergiebt, welches jedoch weder denen bereits gebohrnen Kindern noch
sonst einem Dritten zu Præjuditz gereichen soll. 2dò Wenn man einen Leibeignen
von seinem rechtmässigen Herrn durch Kauf- Tausch- und dergleichen zulässigen
Handel an sich bringt. Wie nun 3tiò die Leibeigenschaft in denen
Ober-Pfälzischen Landen bishero gar nicht üblich gewest, so soll sie auch.
künftighin
(86)
alldort nicht eingeführt werden, und seynd mithin dergleichen Pacta, wodurch
man mit Leib oder Gut in die Leibeigenschaft gezogen wird, von keiner Kraft.
Wie
durch die Geburt?
§.
5. Aus Leibeignen Eltern gebohrne Kinder seynd 1mò ebenfalls Leibeigen, und
gehören dem nemlichen Herrn zu, welchem ihre Eltern eigen seynd, haben aber 2dò
diese nicht einen, sondern verschiedene Herrn, so folgen nach hiesigem
Land-Recht die Söhne der Mutter, und die Töchter dem Vatter. Verehelichet sich
3tiò ein Freyer mit einer Leibeigner, oder eine Leibeigne mit einem Freyen, so
folgen die aus dieser Ehe erzeugte sammentliche Kinder der Mutter, und seynd
mithin frey, wenn die Mutter frey ist, oder Leibeigen, wenn sie sich in solchen
Stand befindet. 4tò Wird allzeit auf die Zeit gesehen, welche dem Kind
vortheilhafter ist, dergestalt, daß wenn die Mutter entweder zur Empfängnuß-
Geburts- oder Mittler-Zeit frey gewest, alsdann das Kind für frey geacht werden
muß.
Wie
durch die Verjährung?
§.
6. Durch die Verjährung wird die Leibeigenschaft erlangt, wenn einer wenigst
dreyssig ganzer Jahr für Leibeigen gehalten worden, ohngeacht kein anderer
Titul deswegen vorhanden ist. Kommt aber ein rechtmässiger Titul dazu, so
erkleckt (!) eine kürtzere Zeit, und zwar unter Gegenwärtigen fünf, unter
Abwesenden zehen Jahr.
Wie
durch die Ehe?
§.
7. Wenn sich ein Freyer mit einer Leibeigner Weibs-Person ehelichet, so wird er
dadurch niemal Leibeigen, sondern bleibt ohngeacht dessen frey. Gleiche
Beschaffenheit hat es mit freyen Weibs-Personen, welche sich mit Leibeignen
verehelichen.
Art
und Weis die Leibeigenschaft zu erlangen.
§.
8. Das Gut macht 1mò den Innhaber niemal zu Leibeigen, ohngeacht schon vor ihm
ein oder mehr Leibeigne darauf
(87)
gesessen seynd, ausgenommen 2dò an Orthen, wo es wenigst von dreyssig Jahren
also hergebracht ist, und der Innhaber bey seinem Aufzug gute Wissenschaft
davon gehabt. hat, welche jedoch 3tiò nicht von ihm præsumirt. wird, es seye
dann das Herkommen notorisch, und erstrecke sich. eben nicht auf selbes Gut
allein, sondern auf mehr benachtbarte (!) Güter in selbiger Refier (!). Eine
solche Real-Leibeigenschaft betrift 4tò nur den Innhaber, nicht aber Weib und
Kinder, vielweniger blosse Beständner, weil sie das Gut nicht. in eignen,
sondern fremden Namen besitzen.
Würkung
der Leibeigenschaft.
§.
9. Die Leibeigenschaft ist nicht aller Orten von gleicher Würkung, und soll
auch dieselbe weder aus denen Römischen noch anderen ausländischen Rechten und
Gebräuchen, sondern zuförderst. aus deme, was bedungen oder hergebracht ist,
ermessen werden. Wo aber kein ausdrückliches Geding, oder besonderes Herkommen
sich bezeigen will, da soll der Effect nur in folgenden Stücken bestehen.
Erster
Effect derselben.
§.
10. Erstens ist der Leibeigne seinem Herrn zu all. anständig und herkommlichen
Diensten verbunden, jedoch gegen gebührenden Lohn und mit solcher Mässigkeit,
daß allenfalls auch der Jurisdictions- oder Grund-Herr wegen deren ihnen etwan
schuldiger Vogt- und respective Gült-Scharwerks-Diensten dabey bestehen kan.
Zweyter
Effect.
§.
11. Zweytens kan er von seinem Herrn verkauft, verschenkt, vertauscht,
verpfändet, verschrieben, vermacht, vererbt, und überhaupt, wie all anderes
Eigenthum veräussert und verhandlet werden. Jedoch andergestalt nicht als nach
der Observanz, welche in Leibeigenschafts-Sachen sowol in diesem als all
anderen Puncten zur vorzuglichen Regul dienen soll.
Dritter
Effect.
§.
12. Drittens soll er bey. Vermeidung willkürlicher Straf ausser Lands gar
nicht, und im Land nicht ohne Bewilligung
(88)
seines Herrns heyrathen, dahingegen aber auch der Herr für den ertheilten
Consens nichts zu forderen hat, ausser das sogenannte Abzugs Gelt, wo solches
hergebracht ist.
Vierter
Effect.
§.
13. Viertens bezahlt er dem Herrn alljährlich den bedungen- oder hergebrachten
Leib-Zinß, und wenn beede Eheleut Leibeigen seynd, so bezahlt keins für das
andere, wol aber haften die Erben für das, was bereits in Lebzeiten des.
Erblassers hieran verfallen und ruckständig ist.
Fünftes
Effect.
§.
14. Fünftens hat der Herr auf Absterben seines Leibeignens den von Alters hergebrachten
Todten-Fall (Mortuarium) bey dessen. Verlassenschaft, jedoch länger nicht, als
fünf Jahr nach dem Tod zu suchen, und gebührt ihm hierum sowenig, als
obbemelt-ruckständigen Leib-Zinßhalber in Concursu Creditorum ein
stillschweigendes Unterpfands- oder Vorzugs-Recht.
Sechster
Effect.
§.
15. Sechstens kan ein Leibeigner, ohne Bewilligung seines Herrns, nicht von ihm
abziehen, und da er dieses gleichwol thut, so mag er folgendermassen wiederum
zuruckberuffen werden, nemlich 1mò hat die Avocation statt ohne Unterschied, wo
und in was für einem Stand sich Avocatus immer befinden mag, damit aber auch
2dò ein Dritter nicht darunter zu leiden habe, so soll der Leibeigne, wenn er
sich zu anderen Diensten verdungen hat, nicht zur Unzeit, sondern zu gewöhnlicher
Aufkündungs-Zeit avocirt werden. Und da er etwan 3tiò auf einem Bauern-Gut
unter einem anderen Herrn sitzt, so soll er von ihm ohne Entrichtung dessen,
was er demselben von Gutswegen schuldig ist, nicht abfahren. 4tò Folgt Weib und
Kind dem Avocato nach, und wenn sie etwan 5tò einem anderen Herrn eigen seynd,
so mag er sie von ihrem Ehe-Mann respective Vattern, solang wenigst die Kinder
in seinem Brod und Unterhalt seynd, nicht abforderen. 6tò Muß der
Zuruckberuffene von seinem Herrn wiederum zu anderen Diensten angestellt, oder
7tò statt des ingehabten Bauern-Guts,
(89)
welches er hat verlassen müssen, mit einem anderen dergleichen Gut versehen
werden. 8vò Soll dem Herrn an seinem Jure avocandi Niemand hinderlich seyn,
dahingegen er sich 9no dieser Rechts-Befugnuß im Fall, wenn er auf den Abzug
des Leibeignens selbst eingewilliget hat, ohne Noth und eigner Bedürftigkeit
nicht gebrauchen darf.
Siebender
Effect.
§.
16. Siebendens gebührt zwar dem Herrn in Kraft der Leibeigenschaft. keine
Jurisdiction über seinem Leibeignen, wenn er solche nicht auf. andere Art über
ihn erlangt hat, doch mag er verübte Ungebühr mit mässiger Züchtigung an ihm
bestraffen, und da er flüchtig wird, denselben aller Orthen an Gut und Leib
angreiffen.
Wie
die Personal-Leibeigenschaft wiederum aufgehoben werde?
§.
17. Die Personal-Leibeigenschaft wird andergestalt nicht, als durch den Tod des
Leibeignens, dann die Verjähr- oder Freylassung aufgehoben.
Wie
durch die Verjährung?
§.
18. Drey Dinge werden zu gegenwärtiger Verjährung erfordert, 1mò ein
dreyssig-jähriger Zeit-Verlauf, 2dò daß diese ganze Zeit über der Herr nicht
nur von der Leibeigenschaft, sondern auch von dem Ort, wo sich der Leibeigne
aufgehalten hat, Wissenschaft gehabt, gleichwol aber weder von ihme noch von
seinen Eltern etwas gefordert, genommen, oder sich sonst auf andere Weis bey
seinem Recht zu erhalten gesucht, 3tiò der Leibeigne selbst von seinem Zustand
niemal informirt gewest, mithin durchaus in gutem Trauen und Glauben (bonâ
fide) sich befunden habe, welch-letzteres jedoch in Zweifel allzeit
gemuthmasset wird.
Wie
durch die Freylassung?
§.
19. Die Freylassung geschiehet 1mò entweder ausdrücklich oder stillschweigend,
und zwar jenes, wenn sich ein Leibeigner von
(90)
seinem Herrn abkauft, oder sonst durch Schankung, letzten Willen, oder Geding
entlassen wird, das letztere aber geschiehet erstens, wenn der Herr selbst zur
Verheyrathung eines Leibeignens mit einer freyen Personen hülft, oder solche
wenigst ohne Gewarnung geschehen laßt. Zweytens, wenn der Leibeigne einen Ort
beziehet, allwo er Kraft besonderer Local-Freyheit nach Verstreichung eines
gewissen Termins nicht. mehr abgeruffen werden darf. Drittens, durch Erlangung
adelich- oder anderer ansehlicher (!) Würde. Viertens, durch verübte
Grausamkeit oder sonstigen grossen Mißbrauch der Herrschaftlicher Gewalt.
Fünftens, durch Verstossung eines krank- und hülflosen Leibeignens, nicht aber
sechstens, durch die blosse Bezahlung des Todten-Falls, dann diese würkt in
Ansehen Leibeigner Kinder, welche den ruckständigen Fall entrichtet haben, die
Freyheit für sich allein nicht. 2dò Wenn ein gemeinschaftlicher Leibeigner von
einem Herrn privativè ohne Einstimmung (!) der anderen ausdrücklich oder
stillschweigend freygelassen wird, so ist er zwar in Ansehen sammentlicher Herrschaft
frey, es müssen aber gleichwol jene, welche nicht einstimmig gewest, von dem
Freylasser ihres gehabten Antheilswegen schadlos gehalten werden, und da man
sich desfalls in Güte nicht vereinigen kan, so giebt die Obrigkeit den
Ausspruch, und wird bey dem Anschlag theils das Alter und Vermögen des
Leibeigenens, theils der Nutzen und Gebrauch, welchen man von ihm gehabt hat,
nebst anderen Eigenschaften in Erwegung gezogen. 3tiò Ist die Obrigkeitliche
Bestättigung zur Freylassung überhaupt nicht nöthig, ausgenommen, wenn solche
von der Vormundschaft geschiehet, oder sonst andere der Obrigkeitlichen
Confirmation bedürftige Umstände miteinschlagen.
Wie
die Real-Leibeigenschaft aufgehoben werde?
§.
20. Von der Real-Leibeigenschaft wird der Guts-Innhaber befreyet, wenn er von
dem Gut kommt, es seye dann, daß er zugleich mit der Personal-Leibeigenschaft
behaftet gewest, dann diese wird durch den blossen Abzug von dem Gut nicht
aufgehoben. Im übrigen kan der Herr auch um sothanen
(91)
Abzugswegen von dem Leibeignen niemal etwas forderen, ausser wo es von Alters
also hergebracht ist.
Von
dem Streit zwischen Herrn und Leibeignen um die Leibeigenschaft.
§.
21. Wenn 1mò nicht soviel über die Würkungen als Substanz der Leibeigenschaft
selbst zwischen dem Herrn und Leibeignen der Streit ist, dergestalten, daß
dieser die Freyheit, und jener die Herrschaft über ihn zu behaupten sucht, so
heißt es Causa liberalis, und ist hierunter zuförderst all jenes zu beobachten,
was oben im dritten Capitul, vierten §vo überhaupt von Quæstionibus Statûs, und
Præjudicial-Actionen verordnet worden. Insonderheit aber hat 2dò jeder ohne
Unterschied des Stands, er seye gleich Burger oder Bauer, Præsumptionem
Libertatis für sich, welche auch 3tiò von solcher Stärke ist, daß sie durch die
gegentheilige Possession, soviel das Momentaneum betrift, nicht entkräftet
wird, derowegen 4tò der angesprochene Leibeigne solang bey seiner angeblicher
Freyheit geschützet werden soll, bis die Herrschaft in Petitorio über ihn
erprobt, oder wenigst Possessio ordinaria von zehen oder mehr Jahren zuruck
dargethan ist. Die blosse Geständnuß des Leibeignen wird 5tò zu sothanen Beweis
nicht für hinlänglich erachtet, es seye dann solche vor behöriger Obrigkeit,
und zwar in der nemlich- zwischen dem Herrn und Leibeignen obwaltender
Streit-Sache geschehen. Wol aber kan 6tò der Beweis durch Gezeugschaften,
briefliche Urkunden, und andere Ordinari-Probs-Mittel gemacht werden,
dergestalt, daß man 7mo auch des Leibeignens Anverwandte sowol hierin als in
all anderen die Leibeigenschaft betreffenden Dingen für unverwerfliche Zeugen
halt.
Um
den Streit zwischen zwey angeblichen Herrn um den Leibeignen.
§.
22. Ist der Streit obgedachtermassen nicht zwischen Herrn und Leibeignen,
sondern zwischen zwey oder mehr angeblichen Herrn um die Leibeigenschaft, und
wem solche von Rechtswegen
(92)
aus ihnen zuständig seye, so wird die Sach zwar nicht ad Causas liberales
gezehlt, es ist aber gleichwol folgendes hierbey zu beobachten. 1mò Ist der
Possessor zum Beweis, wenn er solchen nicht selbst gern auf sich nimmt, sowenig
als in anderen Causis verbunden, sondern derselbe liegt vielmehr seinem
Gegentheil ob. 2dò Seynd hierinfalls des Leibeignens Anverwandte nicht nur
unverwerfliche, sondern auch nothwendige Gezeugen, also und dergestalt, daß sie
demselben von Mütterlicher Seite, und zwar so nahe, daß keine gültige Ehe
zwischen ihnen bestehen mag, von Rechtswegen verwand seyn müssen. Je näher nun
die Verwandschaft ist, je mehr Glauben verdient solche Gezeugschaft. Den
weiter- oder gar nicht verwandten Gezeugen aber wird nur in Ermanglung anderer
Gezeugschaft geglaubt, und da endlich 3tiò die Geständnuß des Leibeignens
obbemeltermassen ihme selbst niemal schädlich seyn mag, also kan sie nur
destoweniger einem von beeden miteinander streittenden Herrschaften
præjudiciren.
(93)
Zweyter Theil Des Neuen Chur-Bayrischen Land-Rechts.
Erstes
Capitul
Von
denen Pflichten und Rechten in Ansehen Haab und Guts überhaupt.
Von
dem Unterschied der Sachen,(Divisione Rerum.)
§.
1. Haab und Gut begreift alle zum menschlichen Gebrauch dienliche Dinge, und
diese seynd entweder in- oder extra Patrimonium Singulorum, beweglich oder
unbeweglich, cörperlich oder uncörperlich. Res extra Patrimonium, das ist,
solche Dinge welche in Niemands-Vermögen seynd, bestehen in Rebus Sacris,
Sanctis, Religiosis, Communibus & Jure Gentium Publicis, Universitatis ac
nullius. Alles nach mehreren Innhalt folgender Ordnung.
(94)
Res Sacræ,
§.
2. Geweyht- und zum Gottes-Dienst unmittelbar gewidmete Sachen, z. E. Kirchen,
Altär, Kelch, Monstranzen, und ander vergleichen Gottes-Geräth werden Res Sacræ
genannt, was aber nur mittelbar dahin gewidmet, und etwan zur Fundation, Dotir-
und Unterhaltung der Gottes Häusern, Kirchen Bedienter, oder Geistlicher
Personen gehörig ist, das heißt Res Ecclesiastica. In beeden soll man sich zwar
nach Geistlichen Rechten, jedoch allerwegen denen Concordatis oder dem
Herkommen gemäß, richten.
Sanctæ,
§.
3. Alle zum Gebrauch des Publici gewidmet- und durch besonderes Verbott von
freventlicher Mißhandl- und Entunehrung verwahrte Dinge z. E. Stadt-Thore und
Mauren, Fortificationes, Landsherrliche Residentien oder Luft-Schlösser, Raths
Häuser, offentliche Statuen und dergleichen werden Res Sanctæ benamset, und
seynd der Landsherrschaft, respectivè dem Publico, eigen, dahero sich auch
Niemand anderst, als Authoritate publicâ unterstehen darf, etwas vorzunehmen,
was zu derenselben Verstalt- Verunehr- oder Veränderung und sonstiger
Ungelegenheit gereichen mag.
Religiosæ,
§.
4. Begräbnussen werden zwar nach Römischen Recht pro Rebus Religiosis geachtet,
heut zu Tag aber gehören sie mehr ad Res Sacras und ist allhier folgendes davon
zu merken. 1mò Seynd alle Privat-Begräbnussen ausserhalb geweyhter Grüften und
Gottes-Aekern (!) weder zulässig noch gebräuchig, und sollen vergleichen todte
Cörper alsogleich wiederum aus- und in geweyhten Erdreich begraben werden ,
ausgenommen 2dò Ketzer und Unglaubige, oder von dem Scharfrichter
hingerichtete, oder wenigst schon zum Tod condemnirte Missethäter, sofern nicht
ein anderes specialiter beliebt und zugelassen wird, wie nicht weniger sich
selbst boshafter Weis entleibte Personen, oder Mißgeburten, welche mehr
viehisch- als menschliches Weesen an sich haben. 3tiò Ist in Zweifel, ob die
Geistliche Begräbnuß statt habe, mit der Geistlichen Obrigkeit allzeit zu
correspondiren, und derselben von denen
(95)
eingeholten Erfahrungen Communication zu ertheilen. 4tò Stehet jedem frey, ob
er sich in seiner Pfarr oder salvis Juribus Parochialibus auf einem fremden
Freythof zur Erden bestätten lassen wolle, jedoch mit Ausnahm deren Familie-
und Erb- Begräbnussen, welche nur denen Erben oder von der Familie allein
zustehen. 5tò Hat jede Obrigkeit von Amtswegen zu sorgen, daß man todte Cörper
nicht lang unbegraben liegen lasse, man soll auch solche 6tò weder Schulden
halber arrestiren oder aufhalten, noch sonst Jemand 7mo an der Begräbnuß
hinderen, wenn selbe nur an Ort und End beschiehet, wo man deren berechtiget
ist. Die Kösten werden 8vò von des Verstorbenen eignen Mittlen bestritten, und
wer sie einsweilen vorschüsset, der mag solche in gebührender Maaß alldort
wiederum erholen. Von dem Vorzugs- Recht sothaner Kösten siehe Cod. Jud. Cap.
20. §. 3. Von Violirung der Todten- Gräbern siehe Cod. Crim. p. 1. C. 2. §. 10.
Und von dem Viso reperto der todten Cörpern. Ibid. p. 2. C. 3. §. 2.
Communes
& Publicæ,
§.
5. Unter die Res Communes & Jure Gentium Publicas, deren Gebrauch zwar
Jedermann, das Eigenthum aber Niemand zuständig ist, wird insgemein nicht nur
das Meer samt dem Gestatt, dann die uneingeschränkte freye Luft und
vorbeyfliessende Wässer, sondern auch Schifreiche Ström und offene freye Land-
und Heerstrassen gerechnet, welches jedoch nach teutsch- und hiesigen Land-
Rechten, zumal was gedachte Ström und Strassen anbelangt, andergestalt nicht als
salvis Juribus Territorialibus zu verstehen ist.
Universitatis,
§.
6. Was einer ganzen Stadt, Dorfschaft, Zunft, oder anderer Gemeinde eigen ist ,
jedoch dergestalt , daß sich jedes Mitglied von der Communität dessen
gebrauchen kan, wie z. E. Gemein-Waid (!) oder Holzschläg, Schützenstätt,
offentliche Gäng und Gassen, Schulen, Brünnen und dergleichen, das ist und
heißt Res Universitatis.
Nullius,
§.
7. Ad Res Nullius, welche niemalen einen rechtmässigen Eigenthums-Herrn gehabt,
oder solchen wiederum verlohren haben,
(96)
gehören zwar nach Römischen Recht alle wilde Thier, liegende Erbschaften, Res
derelictæ, und überhaupt alle Bona vacantia, wie und auf was Weis aber das
Eigenthum hierüber erlangt werde, siehe anderwärts.
Mobiles
und Immobiles.
§.
8. Was sich von einem Ort zum anderen ganz und unverletzte nicht überbringen
laßt, ist ein unbewegliches, ausser dessen aber ein bewegliches Ding, doch
werden auch öffters bewegliche Stücke für unbeweglich geachtet, wenn jene
diesen letzteren anhangen, wie z. E. die Früchten auf dem Feld und an denen
Bäumen, oder aber da sie zum beständigen Gebrauch dahin gewidmet seynd.
Corporales
und Incorporales.
§.
9. Cörperliche Dinge seynd, welche in die äusserliche Sinne fallen,
uncörperliche aber, welche leiblicher Weis nicht begriffen werden, als da seynd
z. E. alle Rechten, Gerechtigkeiten, Dienstbarkeiten, Erbschaften, Klagen,
Pflichten und Befügnussen, und obwol diese letztere ihrer Natur nach weder zu
den beweglich- noch unbeweglichen Dingen gehören, so folgen sie doch dem
Objecto, worauf sie gehen, oder der Qualität des jenigen Dings, welchem sie
anhangen.
Von
dem Jure reali und personali.
§.
10. Man hat das Recht zu einer Sach, entweder mit oder ohne Absicht auf eine
gewisse andere Person. Erstenfalls heißt es Jus personale, anderenfalls reale,
und gründet sich das letztere entweder auf das Eigenthum, Innhaben, Unterpfand,
oder die Dienstbarkeit. Das mehrere hievon siehe in folgenden Capituln, von dem
Jure personali aber den vierten Theil gegenwärtigen Codicis.
Von
Real- und Personal- Actionen.
§.
11. Gleichwie nun ex Jure reali die Real- und ex Jure personali die
Personal-Klagen entspringen, so bestehet auch der
(97)
Unterschied zwischen beeden überhaupt darin: es werden nemlich jene regulariter
in Loco Rei sitæ angebracht, erstrecken sich auf jeden Innhaber derselben,
gegen die Erben aber nur soweit, als sie in würklichen Innhaben seynd, gehen
mit der Sach selbst zu Grund, richten sich auch in der Verjährung nach selber
und muß zwar der Kläger das angebliche Jus in Re beweisen, ist hingegen den
Titul und die Causam proximam Actionis in dem Klag- Libell zu allegiren nicht
schuldig. Die Personal-Klagen aber gehen nicht soviel gegen den Innhaber, als
Jenen, welcher aus einem Contract oder Verbrechen haftet, erstrecken sich auch
auf die Erben nur pro Quotâ de Erbschaft, erlöschen nicht durch den Verlust und
Untergang der Sach, dauren regulariter 30. Jahr , gehören ad Forum Domicilii,
respectivè Contractus vel Delicti und erforderen in dem Klag-Libell nicht nur
die Ausdruckung, sondern auch den Beweis der Causæ remotæ vel specialis, wenn
selbe wiedersprochen wird.
(98) Zweytes Capitul
Von
dem Eigenthum.
(Dominio
vel Proprietate.)
Was
das Eigenthum seye?
§.
1. Das Eigenthum ist eine Macht und Gewalt mit dem Seinigen nach eignen
Belieben frey und ungehindert soweit zu disponiren, als Gesatz und Ordnung
zulaßt.
Wie
vielerley?
§.
2. Dasselbe wird unter anderen hauptsächlich in Dominium plenum, verum vel
quasi, directum & utile, naturale & civile, solitarium & commune
getheilt. Von dem Gemeinschaftlichen Eigenthum oder Condominio siehe §vum seq.
16. Quasi Dominium gehet auf uncörperlich- und verum auf cörperliche Dinge,
directum & utile wird genannt, wenn die Sach mehr Herren hat, und einem
davon die Grund- Herrschaft, dem anderen aber nur das nutzbare Eigenthum, wie
z. E. bey Lehen Erb- Recht, Leibgeding, veranleiteter Freystift und anderen
dergleichen Gütern zugehört. Civile heißt dasjenige Recht, welches durch
besondere Verordnung die Kraft des Dominii erlangt hat, naturale hingegen,
welches so lang ruhet, als einem anderen das Dominium civile darauf gebührt,
wie z. E. auf dem Heyrath- Gut, da der Frauen währender Ehe Dominium naturale,
und dem Mann Dominium civile zustehet, plenum endlich, welches man ohne
Einschränkung sowol mit der Grund-Herrschaft, als dem nutzbaren Eigenthum
vollkommen innhat.
Wer
dessen fähig?
§.
3. Jeder, der seiner Vernunft mächtig ist, kan sowol für sich selbst, als durch
andere das Eigenthum einer Sache erlangen, es mögen aber Blöd- und Unsinnige,
dann Kinder und
(99)
Curatelmässige, wie in anderen Dingen, also auch hierin von ihren Vormündern
oder Curatoribus vertretten werden.
Worin
selbes Platz greiffe?
§.
4. In Regula kan alles eigenthumlich werden, ausser was von Natur nicht in
unseren Besitz und Gewahrsame kommen kan, oder sonst durch Special-Verordnungen
ausgenommen ist.
Art
und Weis solches zu erlangen.
§.
5. Die Art und Weis das Eigenthum zu erlangen gründet sich theils auf
natürlich- theils geschriebenes Recht, (Modi acquirendi Dominium naturales vel
civiles) von denen ersten siehe Cap. seq. 3. Die andere seynd entweder
Universales oder Particulares. Jene bestehen in der Erbschaft, und Arrogation,
diese aber in der Verjährung, und letztwilligenVermächtnuß. Von der Arrogation
siehe oben P. 1. Cap. 5. §. 10. Von der Verjährung unten Cap. 4. Von der
Erbschaft und letztwilligen Vermächtnüssen. P. 3. C. 1. &c. Blosse Pacta
und Conventiones aber mögen für sich allein, ohne daß einer von obgedachten
Modis acquirendi naturalibus vel civilibus dazukommt, das Eigenthum von einem
auf den anderen niemals transferiren.
Würkungen
desselben.
§.
6. Wer vollkommner Herr von der Sach ist, und Dominium plenum &
irrevocabile hat, der kan sie auch mit Ausschlus all anderer nicht nur zu
eignen Nutzen verwenden, und gebrauchen, sondern auch veräusseren, verpfänden,
oneriren, oder sonst nach Gutbefinden damit schalten und walten. Kommt ihm aber
die Sach aus der Hand, oder wird ihm unrechtmässiger Weis von anderen
vorenthalten, so mag er sie nach Maaßgab folgenden §vi 7mi aller Orthen retten
und vindiciren, jedoch dergestalt, daß er sich derselben eigenmächtiger Weis
nicht unterziehe, es seye dann Possessio vacua, oder ohne eigner Selbsthülf
grosse Verlusts-Gefahr obhanden. Desgleichen kan er auch von denen Verwaltern
oder Administratoribus seiner Sachen über alle Einnahm und Ausgaab richtige
Rechnung forderen, es seye dann per Pacta ein anderes ausdrücklich beliebt
worden.
De
Rei Vindicatione.
§.
7. Bey Vindications-Klagen hat man 1mò all jenes zu beobachten, was oben Cap.
1. §. 11. von Real-Klagen überhaupt
(100)
versehen ist. 2dò Muß der Kläger von dem vindicirten Gut nöthige Beschreibung
machen, und sich gleich anfänglich erklären, ob er solches ganz oder zum Theil
vindiciren wolle. 3tiò Soll er auf Wiedersprechen nicht nur nach Ausweis
folgenden achten §vi das angebliche Eigenthum, sondern auch, daß Beklagter die
Sach würklich besitze, oder malâ fide aus Handen gelassen habe, beweisen. 4tò
Wird zwar hierinfalls auch ein blosser Detentor pro Possessore geachtet, kan
aber hingegen Vermög Cod. Jud. Cap. 8. §. 3. Authorem nominiren, und sich der
Klag dadurch entschütten. Unterlaßt er dieses und giebt sich selbst für den
Gegner an, so muß derselbe in Casu Succumbentiæ den Werth mit Refundirung aller
Streits-Kösten auf Begehren restituiren. 5tò Gehet diese Klag nur auf
einschichtig- und cörperliche Dinge, wohingegen die Erbschaften und
uncörperliche Dinge durch andere Rechts-Mittel und Actiones gerettet werden,
ausgenommen, wenn die letztere cörperlichen Dingen anhangen, dann da folgen sie
der Hauptsach. 6tò Wenn Jemand in eignen Namen mit fremden Geld etwas
erhandlet, so kan derjenige, welchem das Geld gehörig gewest, zwar sein Geld
begehren, nicht aber das dadurch erhandlete Gut vindiciren, ausgenommen die in
denen Rechten specialiter benannte Fälle. 7mo Ist inter directam & utilem
Rei Vindicationem kein anderer Unterschied, ausser soviel den §vo seq.
bemerkten Beweis betrift. Und wenn 8vò die vindicirte Sach einmal rechtmässig
verjährt ist, so hat auch diese Klag nach selbiger Zeit nicht mehr statt, und
wird also nach Gestalt der Sachen bald in kurz- bald längerer Zeit verjährt.
Von
dem Beweis in Rei Vindicatione.
§.
8. Der Kläger muß in Erprobung des Eigenthums nicht nur seines Orts einen
rechtmässigen Titul, wodurch er die Sach an sich gebracht hat, sondern auch
eben dergleichen von seinem Vorfahrer gnüglich beweisen, und reichen hierbey
keine blosse Indicia, oder wahrscheinliche Muthmassungen hin , sondern die Prob
soll auf offenbar- wahrhaft- und schliessenden Ursachen beruhen. Wenn aber die
Klag nicht aus dem Dominio directo sondern nur utili fließt, so bedarf man
obigen scharffen Beweis nicht, sondern der Kläger hat nur dasjenige zu
erweisen, woraus ihm die angebliche Gerechtsame zustehet.
De
Publiciana in rem Actione.
(101)
§. 9. Hat Jemand das Gut einmal rechtmässiger Weis inngehabt, hernach aber den
Besitz desselben wiederum verlohren, so kan er solches von jedem Innhaber, der
nicht ein gleich- oder besseres Recht hierzu beweisen mag, vindiciren, und ist
hierunter des in §vo præced. 8vò erwehnten beschwerlichen Beweis überhoben ,
indem er seines Orts weiter nichts als die vorhin gehabte rechtmässige
Possession zu beweisen hat, im übrigen hat es mit gegenwärtiger Action die
nemliche Beschaffenheit, wie mit obgedachter Rei Vindicatione.
Von
dem bonæ Fidei Possessore in vorbemelten Klagen.
§.
10. Wenn der Beklagte das vindicirte Gut abtretten muß, so ist inter bonæ &
malæ Fidei Possessorem ein Unterschied zu machen. Von dem letzteren siehe §vum
seq. Der Erste giebt 1mò die Sach cum Fructibus pendentibus und anderer Zugehör
heraus, dahingegen bezahlt er 2dò den Werth von deme nicht, was er bereits bonâ
fide veräussert hat. 3tiò Restituirt er die eingehobene Früchten nur soweit,
als sie noch würklich in Naturâ vorhanden seynd, oder der Innhaber sich damit
bereichert hat. Um die übrige Fructus perceptos vel percipiendos aber, wie auch
um die Extantes, welche bereits verjährt seynd, haftet er keineswegs. 4tò Hat
es mit denen für ausgeborgt-fremdes Geld eingenommenen Zinsen die nemliche Beschaffenheit,
wie mit anderen Früchten. 5tò Ist er den an der Sach verursachten Schaden oder
Abschleif zu vergüten nicht schuldig, vielweniger stehet er 6tò für die
Unglücks-Fäll, wenn die Sach dadurch verlohren gehet. 7mo Deren auf das Gut
verwendeter Köstenhalber seynd die Expensæ necessariæ, utiles & voluptuariæ
wol zu unterscheiden. Die erste ziehet er ab, und bedient sich derwegen des
Retentions-Rechts, wenn gleich der Effect nicht mehr existirt. Die andere mag
er zwar begehren, jedoch ohne Retentions-Recht, und nur soweit sich die
Melioration noch bezeigt. Die dritte nimmt er weg, soviel ohne Beschädigung der
Sach geschehen kan. 8vò Wird bona Fides in Possessore solange vermuthet, bis
mala Fides aus gnugsamen Indiciis dargethan ist.
Und
malæ Fidei Possessore.
(102)
§. 11. Malæ Fidei Possessor giebt 1mò nicht nur das Gut selbst mit allem
Anwachs wiederum heraus, sondern wenn solches 2dò malâ fide von ihm veräussert
worden, so erstattet er den Werth desselben, und hat Juramentum in Litem gegen
ihn Platz. 3tiò Kan Kläger die Sach selbst, ohngeacht er den Werth bereits
hievor erhalten hat, von dem neuen Besitzer, jedoch gegen Restitution des
empfangenen Werths, vindiciren. 4tò Restituirt er Fructus extantes, &
consumptos, perceptos & percipiendos, sie seyen gleich naturales, civiles
oder industriales, und hat keine Verjährung hierin statt, ohngeacht das
Haupt-Gut selbst etwan Titulo oneroso erlangt worden. 5tò Bezahlt er auch die
Zinsen von dem an sich gebrachten fremden Geld. 6tò Ziehet er von denen auf das
vindicirte Gut verwendeten Kösten zwar Expensas necessarias ab, und hat auch
derowegen Jus Retentionis zu exerciren, utiles & voluptuarias aber nimmt er
soweit zuruck, als es ohne Schaden des Haupt-Guts geschehen mag. 8vò Wenn das
vindicirte Gut durch Unglücks-Fäll beschädiget wird, oder gar verlohren gehet,
so haftet er für nichts, es seye dann, daß er das Gut durch Raub, Diebstall und
unzulässige Gewalt an sich gebracht, oder den Casum durch eignes Verschulden
veranlaßt hat. Der Schaden, welcher Dolo vel Culpâ hierin geschiehet, muß von
ihm ersetzt werden, und zwar in Culpâ latâ vel Dolo nach den eingebildeten, in
Culpâ levi aber nur nach den wahren Werth desselben. 9no Haften die Erben eines
malæ Fidei Possessoris wie der Erblasser selbst, wenn sie ebenfalls in malâ
Fide seynd, ausser dessen aber wie andere bonæ Fidei Possessores.
De
Actione ad exhibendum.
§.
12. Ein Jeder, der ein Interesse bei der Sach hat, folglich auch der Jenige,
welcher dieselbe zu vindiciren sucht, mag die Exhibition und Vorlegung derselben
præparatoriè begehren, um eine Gewißheit dadurch zu erlangen, ob der Gegentheil
die nemliche Sach, welche man in Anspruch zu nehmen gedenkt, würklich besitze.
Es muß aber 1mò der Kläger hierbey zuförderst nicht nur sein vermeintes Recht
oder Interesse vorläuffig summariè bescheinigen, sondern auch, daß der andere
die Sach entweder für sich selbst, oder wenigst eines anderen wegen innhabe,
wahrscheinlich darthun. 2dò Gehet die Exhibitions-Klag
(103)
Klag nur auf bewegliche Dinge, weil die unbewegliche ohnehin Jederman vor Augen
liegen, sohin keiner Exhibition mehr bedarffen. 3tiò Ziehlet dieselbe dahin,
daß der Beklagte entweder ad exhibendum, oder aber, wenn er den Besitz der Sach
abläugnet, zum Schwur angehalten werde, wasgestalten er nemlich die Sach weder
besitze, noch dieselbe malâ fide aus Händen gelassen habe, oder den dermaligen
Innhaber wisse. Wer nun 4tò sowol eins als das andere weigert, muß dem Kläger
sein vermeint- und durch das Juramentum in Litem erhärtetes Interesse
richterlicher Ermässigung nach abthun, welche Beschaffenheit es auch 5tò auf
den Fall hat, da der Beklagte die Sach dolosè um Vermeidung der Exhibition ab
Seiten bringt. 6tò hat nach abgelegten Eid eine weitere Exhibitions-Klag gegen
den Beklagten nicht mehr statt, es seye dann, daß er die Sach erst hernach
überkommen hat, oder aber eines begangenen Meineids durch vollkommene Prob
überwiesen werden kan.
De
Finibus regundis.
§.
13. Wenn die Gränzen des Eigenthums oder anderer Gerechtsame zwischen
benachbarten stritt- und irrig seynd, so sollen sie 1mò von ordentlicher
Obrigkeit auf Instanz ein oder anderen Theils nach vorläufig gnugsamer
Vernehmung sammentlicher Interessenten mit Zuziehnung geschworner Feldmesser
und Verständiger regulirt und ausgemarkt werden, wobey 2dò der Jenige, welcher
sich bey der Obrigkeit am ersten meldet, allzeit die Stell des Klägers zu
vertretten hat, und gleichwie 3tiò diese Klag theils ex Jure reali theils
personali entspringt, mithin vermischter Natur ist, so hat sich auch jeder
Theil, welchem der Beweis in Possessorio vel Petitorio disfalls obliegt,
hiernach zu richten, und sein angebliches Recht durch sichtige Gränz-Zeichen,
und authentische Beschreibungen, oder in Ermanglung deren gleichwol durch
Zeugen und andere Probs- Mittel gnüglich darzuthun. 4tò Bleiben die strittig-
und zweifelhafte Gränzen, bis zu gänzlichen Austrag der Sach in Possessorio vel
Petitorio, zwar beeden Theilen gleichsam gemeinschaftlich, dafern sich aber 5tò
am Ende bezeigt, daß einer von des anderen Theils Portion unrechtmässiger Weis
etwas genossen hat, so wird es hierinfalls mit der Restitution ebenso, wie oben
§vo 10 & 11. in Rei Vindicatione gehalten, und nicht weniger ein gleiches
wegen des Abzugs deren hinauf verwendeter
(104)
Kösten beobachtet. Damit aber auch 6tò der Gränzen halber desto weniger Irrung
entstehe, so soll man solche in Beyseyn sammentlicher Interessenten von Zeit zu
Zeit fleissig besichtigen, die mangelhaft befundene Mark-Zeichen mit all
gewöhnlicher Præcaution erneueren, eine umständig- und deutliche Beschreibung
davon machen, und ein Obrigkeitliches oder sonst legales Instrument darüber
errichten lassen, welches hernach 7mo bey vorfallenden weiteren Irrungen den
Ausschlag zu geben, und die Einwendung, daß ein anderes hergebracht worden
seye, nicht mehr dagegen statt hat.
Von
Zugehörungen und Pertinentien.
§.
14. Das Eigenthum begreift zwar nicht nur die Hauptsach selbst, sondern auch
alle derselben Zugehörungen, wie aber von Natur keine Sach zur anderen gehört,
ohne daß sie durch Gesatz, Gewohnheit, oder deutlichen Willen des Jenigen,
welcher damit zu disponiren hat, auf beständig dahin gewidmet und einverleibt
wird, so müssen dergleichen angebliche Zugehörungen gnüglich bewiesen seyn, und
wird man durch die etwan in dem Uebergabs-Instrument enthaltene General-Clausul:
mit allen Ein-und Zugehörungen, sofern solche nicht specificirt seynd, von
verstandener Prob keineswegs entlediget.
Wie
das Eigenthum wiederum aufhört?
§.
15. Das Eigenthum gehet regulariter auch auf des Eigenthümers Erben, und
erlöscht nicht durch den Tod, ausser wo solches durch Gesatz oder Geding auf
die Person eingeschränkt ist. Wol hingegen hört solches auf durch die
Veräusserung, und wenn ein anderer das nemliche Eigenthums-Recht auf zulässige
Art an sich bringt, oder durch den völligen Untergang der Sach, wobey die
Rechts-Regul zu beobachten ist, daß jedes Ding seinem eigenen Herrn verlohren
gehe.
Von
dem Condominio.
§.
16. Wenn eine Sach mehr Herrn zugleich hat, so werden sie zwar sammentlich für
einem Mann gerechnet, und darf keiner den anderen in seinem hergebrachten
Condominio stöhren, oder beeinträchtigen, wie weit aber einer gegen den anderen
währender Gemeinschaft das Jus prohibendi habe, auch wie es allenfalls mit der
Abtheilung zu halten seye, siehe unten P. 3. Cap. 13. §vo 3.
(105)
Drittes Capitul
Unterschiedliche
Art und Weis das Eigenthum zu erlangen. (Modi acquirendi Dominium.)
Modi naturales.
§.
1. Von denen Modis civilibus acquirendi Dominium siehe oben Cap. 2. §. 5. Modi
naturales bestehen theils in der Apprehension oder Occupation, theils in der
Accession.
§.
2.
[Occupatio
vel Apprehensio. ]Apprehendiren heißt soviel als sich einer Sach in der Absicht
auf das Eigenthum würklich bemächtigen, welches auf unterschiedliche Weis zu
geschehen pflegt, dann entweder haben die Sachen schon einen Herrn oder nicht.
Jene werden per Occupationem bellicam, Traditionem, Cessionem, diese aber per
Venationem, Inventionem, & Rei derelictæ Occupationem acquirirt, und ist
bey denen letzteren überhaupt die Regul zu bemerken, Res cedit primo occupanti,
das ist, die Sach gehört demjenigen, der sich solcher am ersten bemächtiget.
Venatio,
Piscatio, Aucupium.
§.
3. Ungezähmte wilde Thier, sowol auf Erden, als im Wasser und der Luft, seynd
zwar nach Römischen Recht Res nullius und gehören primo occupanti, nach
teutsch- und hiesigen Land-Rechten aber darf man sich weder der Jagd, noch des
Vogel-Fangs und eben sowenig in freyen Flüssen, Seen und dergleichen offenen
Wässern der Fischerey anmassen, es seye dann aus Lands-Fürstlicher
Special-Concession oder sonst rechtmässiger Weis hergebracht.
(106)
Inventio.
§.
4. Gefundener Schätzenhalber, welche solange Zeit vergraben, eingemaurt, oder
sonst verborgen gewest, daß man den Eigenthümer nicht mehr davon weiß, wird das
General-Mandat von Anno 1752 hiermit folgendermassen erneuert. 1mò Soll man den
Schatz in deren Theile theilen, wovon dem Fisco zwey Drittel zugehen, der
Ueberrest aber dem Erfinder, wenn er den Fund auf seinem Eigenthum thut,
verbleibt. Falls aber 2dò derselbe in fremden geschiehet, so theilt der
Erfinder sothanes Drittel mit dem Eigenthümer des Orts, ausser da der Schatz
nicht von ungefehr gefunden, sondern ohne des Eigenthümers Wissen und Willen
mit Fleiß darauf nachgesucht oder gegraben worden, welchenfalls das ganze
Drittel dem Proprietario Loci allein zugehört. Gebraucht man sich aber 3tiò
etwan gar Aberglaubischer Dingen hierunter, so verfallt man dadurch nicht nur
in malefizische Straf, sondern der Antheil, welchen man sonst dabey gehabt
hätte, gehet verlohren, und kommt dem Fisco zu, jedoch ohne Præjuditz des
Eigenthümers, wenn er bey der Sach unschuldig ist. Unter dem Eigenthum wird 4tò
disfalls vorzüglich das Dominium utile verstanden, mithin dem Dominio directo
præferirt, wohingegen Usufructuarius, Commodatarius, Depositarius, Pignoratarius
und dergleichen von der Participation ausgeschlossen seynd. Ergiebt sich nun
5tò der Fall in Kirchen, geweyhten Orten, oder auf Gemeinds-Gründen, öden und
Herrnlosen Gütern, so kommt erstenfalls des Eigenthümers Antheil der Kirch oder
Causæ piæ, anderenfalls der Gemeinde, und drittenfalls dem Fisco zu. Solte sich
endlich 6tò Jemand unterstehen, den gefundenen Schatz zu verhelen, und nicht
alsogleich anzuzeigen, so wird er nicht nur mit malefizisch-willkürlicher Straf
belegt, sondern er verwürkt anbey seinen ihm sonst gebührenden Anteil, und
fallt solcher vielmehr demjenigen zu, der dieses am ersten angiebt.
Rei
derelictæ Occupatio.
§.
5. Für verlassenes Gut wird geachtet, was man animo derelinquendi, das ist, in
der Meinung und Absicht solches nicht mehr zu haben, wegwirft, verlaßt, und
Jedermann preisgibt. Es muß aber Animus aus deutlich- und Weltüblichen
Merkmahlen, wie z. E. bey offentlichen Geld-Auswurf gnugsam
(107)
zu Tag liegen. Was demnach nicht in dieser Absicht, sondern z. E. zu Abwendung
besorglichen Schifbruchs (!) von dem Schif ausgeworffen wird, von dem Wagen
fallt, oder sonst ungefehr verlohren gehet, ist nicht Res derelicta und kommt
primo occupanti keineswegs zu, sondern muß dem Eigenthümer, wenn er sich anders
gnugsam hierzu legitimiren kan, ausgefolgt, und da man solchen nicht weiß, die
gefundene Sach offentlich verkündet werden, damit er sich behörigen Orts zu
melden wisse, wo immittels das gefundene Gut in des Erfinders Handen verbleibt,
und nach ersessener Verjährung gar nicht mehr von ihm gefordert werden mag.
Occupatio
bellica.
§.
6. Was währenden Krieg von dem Feind an beweglichen Gütern erbeutet wird,
gehört von der Zeit an, da sie in Sicherheit gebracht seynd, dem Erbeuter,
salvo tamen Jure Postliminii in Ansehen jener Güter, welche von Freunds in
Feinds-Handen, nachhero aber und währenden Krieg Jure Belli oder Handlungsweis
wiederum in disseitige Gewalt gekommen seynd.
Traditio.
§.
7. Eine rechtmässige Uebergab oder Einraumung, wodurch das Eigenthum von einem
auf den anderen gebracht wird, erfordert 1mò daß der Uebergeber zur
Auslieferung und der andere Theil zur Acceptation befugt seye, dahero z. E.
Kinder, Unsinnige und dergleichen keine Uebergab thun oder annehmen können. 2dò
Soll ein Titulus Dominii translativus, das ist, eine solche Ursach, wodurch man
das Eigenthum auf andere zu bringen pflegt z. E. ein Tausch, Kauf, Darlehen,
Schankung, etc. vorhanden seyn. 3tiò Ist inter Titulum onerosum vel lucrativum
disfalls kein Unterschied, und wird unter dem letzteren eine solche unentgeltliche
Handlung verstanden, welche mit gar keiner Gegenverbindlichkeit oder sonstiger
Beschwärde verknüpft ist, z. E. eine blosse Schankung unter Lebendigen oder von
Todwegen. 4tò Muß derjenige, welcher sich auf die Uebergab beruft, den Titul
insonderheit beweisen. Und da sich 5tò ein Irrthum oder Ungerechtigkeit hieran
bezeigt, so bleibt zwar das Eigenthum nichts destoweniger transferirt, dem
Uebergeber hingegen stehet solchenfalls frey, denjenigen, welcher aus irriger
oder unrechtmässiger Ursach etwas von ihm ermpfangen hat,
(108)
persöhnlich (!) wiederum darum zu belangen. 6tò Kan die Uebergab auch brevi
manu durch die Anweis- und Vorzeigung des Guts, oder per constitutum
Possessorium, wie nicht weniger durch Zeichen, nemlich durch Aufdruckung des
Insigels, Aushändigung der Schlüsseln, Documenten und dergleichen geschehen.
(Quali
Traditio vel Cessio.)
§.
8. Durch obbemelte Uebergab werden nur cörperliche Dinge von einem auf den
anderen gebracht, uncörperliche Dinge pflegt man per Cessionem, oder soviel die
Servitutes und andere dergleichen Gerechtigkeiten betrift durch deren
würklichen Gebrauch zu übergeben welcher in Juribus negativis auf dem Verbott
an einer und der Acquiescenz an anderer Seit, in affirmativis aber auf der
Uebung an einer und der Gestattung an anderer Seite beruhet. Solchemnach ist
hierunter das nemliche wiederum zu beobachten, was §vo præced. n. 1 bis 5.
inclusivè, geordnet ist, die Cession insonderheit belangend, kommt es 1mò
hiermit lediglich auf den Willen des Cedentens und Cessionarii an. Sobald diese
beede über den Transport miteinander verstanden seynd, hat die Cession ohne
weiteren Zuthun seine vollständige Richtigkeit. Die Miteinwilligung des
Debitoris cessi ist 2dò hierzu nicht nöthig, sondern das Recht, was man gegen
ihn hat, kan auch wieder seinen Willen an andere cedirt und überlassen werden.
Juden mögen 3tiò ihre gegen Christen habende Forderungen an einen anderen
Christen ohne Nullität nicht überlassen, was aber 4tó das gemeine Recht von
Cessionibus in Potentiores vel Milites statuirt, wird wenigst hier zu Land
nicht mehr attendirt. 5tò Können regulariter alle sowol gegenwärtig- als
zukünftige Jura vel Actiones, soweit nicht ein besondere Ausnahm gemacht wird,
cedirt werden. 6tò Muß die Cession von dem, der sich darauf beruft, erwiesen
werden, und ist auch der blosse Briefs-Innhaber, wenn er sich nicht in anderweg
dazu legitimiren kan, von diesem Beweis nicht befreyet, ohngedacht der Brief
die Clausulam, jeden Briefs-Innhaber, in sich halt, weil sich solches nur von
rechtmässigen Briefs-Innhabern versteht. 7mo Seynd bey Ueberlassung einer
Principal-Action auch die Accessoriæ vel Præparatoriæ allzeit stillschweigend
mit darunter verstanden. 8vò Tritt Cessionarius in alle Rechten des Cessonarii,
welche durch Besatz oder Beding
(109)
nicht besonders ausgenommen seynd, durchgehends ein, und ist der disfalls in
Römischen Rechten gemachte Unterschied zwischen dem Dominio vel Exercitio
Juris, dann der Actione directa vel utili, nach teutsch- und Landüblichen
Rechten als eine unnöthige Subtilität aufgehoben. Beedes kommt dem Cessionario
nach beschehener Cession zu, und hat sodann 9nó Cedens mit dem Jure cesso gar
nichts mehr zu thun, dahingegen stehen 10mò dem Ersten alle Exceptiones im
Weeg, welche Cedens selbst von Rechtswegen zu leiden gehabt hätte. Es kan sich
auch jener 11mò deren ihm eigens zustehender Privilegien in Re cessâ zu
Nachtheil eines Drittens nicht gebrauchen, und muß 12mò die Sach mit allen
darauf haftenden Bürden übernehmen. 13tiò Haftet auch Debitor cessus von der Zeit
an, da er Nachricht von der Cession hat, dem Cessionario dergestalt, daß er von
dem Cedenten weder belangt noch der Obligation mehr entbunden werden mag. Wenn
aber 14tò zwey unterschiedliche Cessionarii sich bey ihm angeben, so muß er
sich an jenen halten, der die ältere Cession vor sich hat, und da er etwan aus
Unwissenheit sich bey dem letzteren abfindet, so ist, er der Obligation loß.
15tò Ist Lex Anastasiana, Kraft welcher Debitor cessus dem Cessionario nur das
für die cedirte Schuld ausgelegte Quantum zu entrichten hat, zwar nicht
aufgehoben, es muß aber derjenige, welcher sich damit schützen will, zwey Dinge
beweisen, nemlich erstens, daß Cessionarius die cedirte Schuld nicht nur um
billichen Preis nicht an sich gebracht, sondern auch zweytens mit sonderbarer
Bemühung hiernach gestrebt habe. Derowegen sich auch in strittig- und
zweifelhaft- oder gefährlich- und solchen Schuld-Forderungen, welche einer
Verlusts-Gefahr unterworffen seynd, auf gedachte Legem niemal bezogen werden
kan.
Accessio.
§.
9. Accessio wird genannt, wenn eine Sach ihrer Prævalenz und Ueberlegenheit
nach die andere mit ihr vereinigte geringere Sach an- und folglich das
Eigenthum derselben nach sich ziehet, welches theils durch die Natur selbst,
theils durch menschlichen Fleiß und zwar per Alluvionem, Insulæ Productionem,
Alvei Destitutionem, Coalitionem, Specificationem, Confusionem, Commixtionem,
Adjunctionem, Inædificationem, Implantationem, Sationem, Scripturam,
(110)
Picturam, Fœturam, Fructuum vel Usurarum perceptionem zu geschehen pflegt.
Alluvio.
§.
10. Was durch die Gewalt des vorbeyfliessenden Wassers an einem fremden Grund
unvermerkter Weis nach und nach angeschüttet wird, das gehört auch zu selbigen
Grund, wenn solcher anders keine gewisse ausgezeigte Gränzen hat, sondern der
Fluß selbst die Scheidung macht. Es soll auch dem Fisco an deme, was er der
Anschütten, Ufern und Insuln halber rechtlich hergebracht hat, weder durch
diesen noch nächstfolgenden §vum 11. & 12. etwas benommen seyn.
Insula.
§.
11. Bey denen Insuln und Werden, welche mit Wasser völlig umgeben seynd, ist zu
unterscheiden, ob solche in dem Fluß nur Anschüttweis nach und nach, oder aber
auf einmal durch Gewaltsamen Wasser-Einbruch entstanden seynd. Letztenfalls
bleiben sie deme, welchem der Grund vorhin zugehört hat, erstenfalls aber
werden sie zwischen denen, welche mit ihren Gründen dis- und jenseits zunächst
am Wasser liegen, à Portion getheilt.
Alvei
Derelictio.
§.
12. Nimmt der Fluß einen anderen Gang und verändert sein voriges Wasser-Bett,
so gehört dieses denen nächst anstossenden à Proportion ihrer Anstössen. Gehet
er aber in sein voriges Bett wiederum zuruck, so gehört der neu-verlassene
Alveus ebenfalls denjenigen, welche zunächst daran liegen. Blosse
Ueberschwemmungen verändern nichts an dem Eigenthum des überschwemmten Grund
und Bodens, sondern lassen ihn nach abgelauffenen Wasser in dem vorigen Stand.
Coalitio.
§.
13. Wird ein Stück Lands durch die Gewalt des vorbeyfließenden Wassers nicht
nach und nach, sondern auf einmal abgerissen, und einem fremden Grund angelegt,
so ist zu sehen, ob er bereits Wurzel alldort gefaßt habe, und angewachsen seye
oder nicht. Letztenfalls bleibt er dem vorigen Eigenthümer, erstenfalls aber
nicht, doch muß ihm der Werth desselben
(111)
nach unpartheyischen Anschlag vergütet werden. Ob und wie weit übrigens zu
Verhütung dergleichen Wasser-Schäden die Verwahrung seines Gestatts von
Rechtwegen gegründet seye, siehe unten P. 4. Cap. 16. & 11.
Specificatio.
§.
14. Wer 1mò eine frembde (!) Materie in neue Gestalt und Form bringt, so daß
die Sach in ihren vorigen Stand und Speciem nicht wieder hergestellt werden
mag, der erlangt das Eigenthum davon, wenn es anders bonâ fide und für sich in
eigenen Namen geschehen ist. Dagegen muß 2dò derjenige, welchem die Materie
zugehört hat, um den wahren Werth derselben nach unpartheyischen Anschlag
befriediget werden, und kan sich bis dahin des Retentions-Rechts bey der novâ
specie, wenn er solche in Handen hat, bedienen. Ist aber 3tiò bemelte neue
Species wissentlich und malâ fide verfertiget worden, so gehört sie nicht dem
Verfertiger, sondern dem Eigenthümer der Materie zu, und wenn ihm solche nicht
anständig ist, mag er den Werth forderen, und benöthigtenfalls Juramentum in
Litem darüber abschwören.
Confusio
& Commixtio.
§.
15. Wenn man theils eigne, theils fremde Materie bonâ Fide in eine solche neue
Gestalt bringt, daß man beede Materien weder unterscheiden noch absönderen kan,
so wird das Eigenthum der fremden Materie und zwar in flüssigen Dingen per
Confusionem, in truckenen per Commixtionem erlanget, geschiehet aber ein oder
anderes nicht in eignen sondern in des Drittens Namen, oder gar nur von
ungefehr, so werden beede vermischte Materien gemeinschaftlich. Im übrigen wird
es, wie mit der Specification, gehalten.
Adjunctio.
§.
16. Wenn fremdes Ding mit Eignen dergestalt vereiniget wird, daß ein Corpus
oder Totum daraus entsteht, und sich die vereinigte Theil zwar noch
unterscheiden, aber nicht füglich mehr absönderen lassen, so ist 1mò die
Rechts-Regul, daß der Haupt- den Neben-Theil, und der stärkere den schwächeren
nach sich ziehet. Es wird aber 2dò der Neben- oder
(112)
schwächere Theil daraus beurtheilt, wenn er nur zur Beziehr- Vermehr- Ergänz-
oder Ausbesserung des anderen Theils dienen soll, oder gar so beschaffen ist,
daß er für sich allein nicht einmal bestehen kan. 3tiò ist der Eigenthümer des
Haupt-Theils schuldig den Werth des adjungirten Theil zu vergüten, ohne
Unterscheid, ob die Adjunction bonâ vel malâ fide geschehen seye. 4tò Wird zwar
wol die Anschweissung, nicht aber die Anlöthung für eine Adjunction gehalten,
weil der angelöthete Theil sich füglich wiederum absönderen laßt.
Inædificatio.
§.
17. Ein Gebäude wird entweder 1mò mit fremden Materialien auf fremden Grund,
oder 2dò auf fremden Grund mit eignen Materialien, oder 3tiò auf eignen Grund
mit fremden Materialien errichtet. In all diesen Fällen gehört solches dem
Eigenthümer Grund und Bodens zu, und ist hiernächst auf den 1ten Fall zu
merken, daß derjenige, welcher einen nützlich- oder nothwendigen Bau geführt hat,
seine Kösten, und der andere, deme die Materialia zugehörig gewest, den Werth
derselben von dem Grund-Herrn forderen, oder nach niedergerissenen Gebäu die
Materialia wieder zu sich nehmen möge. 2ten Falls wird es deren
Bau-Köstenhalber mit dem Unterscheid inter bonam & malam Fidem nach Maaßgab
obigen 2ten Capituls 10ten §vi 7ten Num. und 11ten §vi 6ten Num. respectivè
beobachtet. 3ten Falls werden die Materialia ohnepartheyischen Anschlag nach
vergütet, und hat die Actio in duplum niemal mehr statt.
Implantatio,
Satio.
§.
18. Die nemliche Bewandnuß hat es mit denen Bäumen, Pflanzen und Saamen, dann
sobald der letztere einmal ausgesäet ist, und jene auf dem Grund-Wurzel gefaßt
haben, gehört alles dem Grund-Herrn, jedoch soviel die Vergütung der Kösten
oder Erstattung des Werths betrift, mit Beobachtung des §vo præced. 17.
bemerkteu Unterschieds. Soviel aber die Bäum und Pflanzen belangt, welche sich
mit ihren Wurzlen auf mehrley Herrn-Gründe erstrecken, seynd solche auch
zwischen ihnen gemeinschaftlich.
Scriptura,
Pictura, Fœtura,
§.
19. Wer auf fremder Tafel mahlt, behalt das Gemählde, und bezahlt dagegen den
Werth der Tafel, bey der Schrift
(113)
auf fremden Papier verordnen zwar die Römische Rechten das Wiederspiel, es soll
aber dem ohngeacht die Schrift dem Schreiber gegen Vergütung des Papiers
verbleiben. Soviel die Vieh-Zucht belangt, laßt man es bey der Rechts-Regul:
Partus sequitur Ventrem, nemlich das Junge folgt der Mutter.
Perceptio
Fructuum.
§.
20. Die Früchten oder Nutzungen einer Sach werden 1mò in Naturales, Civiles,
Industriales, Pendentes, Separatos, Perceptos, Percipiendos, Futuros, Extantes
& Consumptos getheilt. Naturales werden genannt, welche die Natur der Sach
selbst meistentheils ohne menschlichen Zuthun giebt. Civiles, welche mit Gelegenheit
der Sach genossen werden, z. E. Stiften, Gilten, Zinsen, wovon in §vo seq.
Industriales, welche durch menschlichen Fleiß hervorkommen. Pendentes, welche
noch an den Bäumen hangen, oder auf dem Feld stehen. Separati, welche bereits
geschnitten oder abgelößt seynd. Percepti vel Percipiendi, welche man würklich
eingebracht hat, oder respectivè durch gemeine Haus-Wirthschaft hätte
einbringen können. Futuri, welche nur auf blosser Hofnung beruhen. Extantes,
welche noch in Naturâ & Specie, oder wenigst dem Werth nach vorhanden
seynd. Consumpti, welche auf diese Art nicht mehr vorhanden, sondern verzehrt
seynd. Wem nun 2dò das Gut selbst zugehört, dem gehören auch regulariter die
Früchten zu, sofern nicht ein anderer das Recht dazu hat, wie z. E. ein Nutzniesser,
oder Pachter der Guts-Nutzungen, oder der Nachbar in Ansehen deren
Bäum-Früchten, welche von denen auf seinem Grund hinüber hangenden Aesten
abfallen. Soviel aber 3tiò fremde Güter betrift, ist unter einem bonæ vel malæ
Fidei Possessore ein Unterschied, jenem werden zwar regulariter alle Fructus
percepti oder separati eigen, doch muß er sie dem wahren Eigenthümer, wenn er
sich seiner Zeit darum meldet, wiederum restituiren, soweit selbe nicht schon
consummirt oder verjährt seynd. Dieser hingegen kan sich von denen Früchten
nichts zueignen, sondern muß sogar Consumptos restituiren, die Extantes aber
mögen von ihm oder von anderen, in deren Handen sie sich befinden, allerdings
vindicirt werden. 4tò Ziehet endlich sowol bonæ als malæ Fidei Possessor die Kösten
wiederum ab, welche auf Fructus restituendos verwendet worden.
Vel
Usurarum.
(114)
§. 21. Obschon das Geld an sich ein unfruchtbares Ding ist, so tragt es doch
1mò dem Creditori öfftermal Zinsen und Interessen, welche ihm der Debitor ab
der schuldigen Haupt-Summa, jedoch 2dò niemal anderst zu entrichten hat, als
wenn ein ausdrückliches Geding, oder in Entrichtung der Schuldigkeit ein
Saumsal, oder sonst ein Special-Gesätz darüber vorhanden ist. Der Saumsal wird
3tiò auf Seiten des Debitoris begangen in Obligatione definitâ von der Zeit an,
da der hierin bestimmte Tag würklich verstrichen ist, in Obligatione indefinitâ
aber, welche auf keinen gewissen Tag eingeschränkt ist, von der Zeit an, da
Debitor entweder gerichtlich, oder erweislichermassen aussergerichtlich um die
Schuld einmal angegangen worden. 4tò Hat der nach Römischen Rechten inter
Actiones bonæ Fidei & stricti Juris disfalls obwaltende Unterschied nach
teutschen Reichs- und hiesigen Land-Rechten nicht mehr statt. 5tò Bestehen die
gewöhnliche Zinsen regulariter auf jährlichen fünf von hundert, es seye dann,
daß sub Nomine Lucri cessantis vel Damni emergentis ein mehrers bewisen werden
kan. Wer nun 6tò in dieser Prob unterliegt, verliehrt derwegen die übrige
gewöhnliche Zinsen keineswegs. 7mo Ist Niemand erlaubt höhere als obige Zinsen
zu bedingen, und wenn dergleichen entweder offentlich oder verdeckter Weis
geschiehet, so mag 8vò von der Obrigkeit auf sothanen Ueberschuß ohne
obgedachter Prob des Lucri cessantis vel Damni emergentis nicht nur nicht
gesprochen, sondern was daran bereits indebitè bezahlt ist, wiederum zuruck
gefordert, oder an der übrigen Schuld abgezogen werden. Der sogenannte
Anatocismus, da die Zinsen zu verzinslichen Capital geschlagen werden, ist 9no
gleichfalls verbotten, ausgenommen, da die Zinsen würklich bezahlt, sofort zu
neuen Darlehen gegeben, oder aber die Person des Debitoris verändert worden.
10mò Wird man durch die Einred, daß das Capital bereits ultra alterum tantum
verinteressirt seye, von Bezahlung weiterer Zinsen nicht befreyet. 11mò Seynd
die mit übermässig- verbottenen Zinsen angefülte Contracten, soviel die
Uebermaaß betrift, nicht nur von keiner Gültigkeit, sondern sollen auch 12mò
wenn der Wucher groß und gefährlich ist, gestalten Dingen nach willkürlich bestraft
werden.
(115)
Viertes Capitul
Von
der Verjährung.
(Usucapione
vel Præscriptione.)
Was
die Verjährung seye?
§.
1. Wenn das Eigenthum einer fremden Sache, oder eine besondere Gerechtsame
hierauf mittels der Zeit erlangt wird, so ist und heißt es eine Verjährung,
Nutz- und Gewähr-Ersitzung.
Wer
verjähren könne?
§.
2. Wer des Eigenthums oder Innhabens der zuverjährender Sache fähig ist, der
kan auch solche mit Recht verjähren, und mag dieses nicht nur für sich selbst,
sondern auch durch andere z. E. durch einen Anwald, Vormund oder Curatorem
geschehen.
Was
für Sachen?
§.
3. Alle fremden Sachen leiden regulariter die Verjährung, sofern solche nicht
durch Gesätz oder Gewohnheit besonders davon ausgenommen werden, als da z. E.
seynd 1mò Res extra Patrimonium vel Commercium humanum. 2dò Res vitiosæ, das
ist, entwendete oder mit unrechtmässiger Gewalt an sich gebrachte Dinge,
solange das Vitium nicht purgirt ist. 3tiò Res meræ Facultatis, deren man sich
nemlich nicht soviel aus besonderen als allgemeinen Recht jedesmal, und soofft
es nur die Gelegenheit giebt, frey gebrauchen kan oder nicht, ohne daß man
durch fremdes Innhaben oder Verbott daran gehindert wird.
Requisita
der Verjährung.
§.
4. Zur Verjährung werden regulariter folgende Stücke erfordert. 1mò Das Innhaben
des verjährten Guts, 2dò ein rechtmässiger Titul, 3tiò bona Fides, das ist, die
gute Meinung,
(116)
nach welcher man die Sach nicht für fremd, sondern für die seinige halt. 4tò
Die Vollstreckung des in denen Rechten bestimmten Zeit-Verlaufs.
Und
zwar Possessio.
§.
5. Von dem Besitz der verjährten Sache ist 1mò die Regul zu merken: tantum
Præscriptum, quantum Possessum, das ist, die Verjährung erstreckt sich nur
soweit als man würklich im Besitz gehabt hat. 2dò Wird die ganze
Verjährungs-Zeit hindurch ein ununterbrochen-beständiger Besitz erfordert, und
da nun 3tiò Anfang und Ende desselben einmal bewiesen ist, so wird solcher auch
von der mittleren Zeit gemuthmasset, dergestalt, daß derjenige, welcher den
Unterbruch vorschützt, die Prob machen muß. 4tò Dient zwar bey uncörperlichen
Dingen der Gebrauch statt der Possession, doch soll derselbe 5tò in
Præscribirung jährlicher Zinsen oder Verreichnüssen gewissermassen gleichförmig
seyn. 6tò Ist in Juribus discontinuis, welche ihrer Natur nach von einem unterbrochenen
Gebrauch seynd, kein beständiges Actual-Exercitium vonnöthen, sondern es ist
gnug, wenn man sich in Facultate exercendi beständig findet, mithin sich der
Sach bey jeder Gelegenheit unhinderlich hätte gebrauchen können.
Titulus.
§.
6. Für einen rechtmässigen Verjährungs-Titul wird 1mò nur jener gehalten,
wodurch das Eigenthum der Sach transferirt werden kan, z. E. Kauf, Tausch,
Darlehen, Schankung, Vermächtnuß, Erbschaft, und dergleichen. Solchemnach
reicht 2dò der blosse Titulus Depositi, Commodati, Precarii, Pignoris, Locati
conducti &c. nimmermehr hin. 3tiò Muß der Titul auf Wiedersprechen bewiesen
seyn, ausgenommen in dreyssig- oder mehr jährig- oder gar unfürdenklicher
Præscription, massen wenn diese einmal bewiesen ist, die Länge der Zeit statt
des Tituls gilt, folglich der Beweis allenfalls demjenigen obliegt, welcher die
Verjährung unter dem Vorwand, daß solche auf einem Titulo vitioso beruhe, zu
bestreitten sucht.
Bona
Fides.
§.
7. Bona Fides ist 1mò nicht nur anfänglich, sondern auch die ganze
Verjährungs-Zeit hindurch vonnöthen, wird aber
(117)
gleichwol 2dò im Zweifel allzeit præsumirt, und bedarf folglich keines Beweis
mehr, sondern es muß im Gegentheil derjenige, welcher malam Fidem vorschutzt
(!), die Prob machen. 3tiò Schadet mala Fides nicht, wenn man erst nach
vollstreckter Verjährung darein kommt. 4tò Stehet auch bonæ Fidei Possessori
mala Fides Compossessoris nicht im Weeg, wol aber kan bona Fides des ersteren
dem letzteren in untheilbaren Sachen nutzen.
Tempus.
§.
8. Wo keine Special-Verordnung oder Ausnahm vorhanden ist, da werden 1mò die
bewegliche Dinge in drey, die unbewegliche aber in zehen wieder Gegenwärtige,
und in zwanzig gegen Abwesende, endlich die uncörperliche in dreyssig Jahren
ohne Titul, in zehen und respectivè zwanzig Jahren mit einem Titul verjährt.
Ist auch 2dò in Præscribirung jährlicher Zinsen oder Verreichnüssen nicht
nöthig, jede derselben besonders zu verjähren, sondern die werden alle zusammen
in einer Zeit sowol activè als passivè verjährt. 3tiò Halt man hierinfalls nur
jenen für abwesend, der sich auswärts an einem der Chur-Fürstlichen
Lands-Hoheit nicht unterworffenen Ort die ganze Zeit über aufhalt, welches
jedoch 4tò niemal gemuthmasset wird, sondern von dem, der sich mit der
Abwesenheit entschuldiget, bewiesen werden soll. 5tò Pflegt man die Zeit nicht
utiliter, sondern continuò, das ist, mit Einrechnung deren Feyertägen zu
zehlen, dergestalt, daß sobald nur der letzte Tag erscheint, auch die
Verjährung selbigen Augenblick ihr End nimmt. Gegen Jene, welche 6tò Alters-
oder anderer Personal-Mänglenhalber (!) unter zeitlicher Curatel stehen, lauft
die Zeit währender Minderjährigkeit oder Curatel nicht, sondern wird an der
vorhergehend- und nachfolgender Zeit abgerechnet. Die nemliche Beschaffenheit
hat es 7mo mit denen um des gemeinen Wesens wegen Abwesenden, wie auch mit all
anderen, welche entweder von Rechtswegen noch nicht efficaciter klagen können,
oder wenigst durch Krieg, Pest, Wasser-Noth und dergleichen äusserliche Zufäll
daran gehindert werden, massen auch diese Zeit, solange nemlich dergleichen
ehehafte Hindernuß daurt, abgezogen wird.
Verjährung
von unfürdenklicher Zeit.
(118)
§. 9. Eine Verjährung von unfürdenklichen Zeiten (Præscriptio Temporis
immemorialis) wird genannt, da Niemand mehr lebt, der die Sach in einem anderen
Stand als sie ist, entweder selbst, oder durch andere erfahren hat. Solchemnach
müssen die hierinfalls beygebrachte Gezeugen 1mò wenigst 54. Jahr alt seyn, und
2dò nicht nur 40. Jahr zuruck von der strittigen Sach aus eignen guten Wissen,
sondern auch, daß sie 3tió ein anderes niemal gehört, und den Anfang der
strittigen Sach weder selbst wissen, noch anderwärts in Erfahrung gebracht
haben, deponiren.
Wie
der Successor die Verjährung continuire?
Die
einmal angefangen- aber noch nicht gänzlich vollstreckte Verjährung wird 1mò
sowol in Successore universali als singulari, wenn er sich nur in
gleichmässigen Innhaben befindet, allerdings fortgesetzt. Wobey jedoch 2dò der
Unterschied zu beobachten ist, ob sich der Vorfahrer in bonâ oder malâ Fide
befunden habe. Erstenfalls kan der Successor die ganze Zeit seines Vorfahrers,
und solang nemlich dieser die Sach inngehabt hat, in die seinige miteinrechnen,
und auf solche Weis die Verjährung completiren. Anderenfalls aber hat 3tio die
Einrechnung nicht statt, sondern er muß für sich selbst so lange Zeit in
würklichen Besitz seyn, als zur Verjährung erfordert wird, welch letzterenfalls
ihm sodann 4tò mala Fides Antecessoris, und zwar ohne Unterschied inter
Successionem universalem & particularem nicht mehr schadet, dafern er (!)
Successor nur seines Orts jederzeit in bonâ Fide sich befunden hat.
Von
dem Unterbruch der Verjährung.
§.
11. Die Verjährung wird entweder naturaliter oder civiliter unterbrochen.
Dieses geschiehet in- oder sofern es nur gnüglich dargethan werden kan, auch
durch aussergerichtliche Interpellation, jenes aber, wenn man währender
Præscription aus dem Besitz kommt. In beeden Fällen kan die
(119)
Verjährung nach der Interpellation wiederum von neuem, und zwar nach der Naturali
von der Zeit, da man den Besitz wiederum erlangt hat, nach der Civili aber von
der Zeit, da man sich das letztemal gemeldet hat, abermal angefangen werden,
jedoch dergestalt, daß weder ein- noch anderenfalls die vorige Zeit
miteingerechnet wird.
Von
der Restitution in intègrum gegen die Verjährung.
§.
12. Gegen die bereits vollstreckte rechtmässige Verjährung hat Restitutio in
integrum weder unter dem Vorwand der Unwissenheit, noch Abwesenheit, neu
vorgefundener Urkunden und dergleichen mehr statt, allermassen sich derselben
auch minderjährige Personen um soweniger zu erfreuen haben sollen, als die
Verjährung obverstandenermassen währender Curatel ohnehin in Suspenso
verbleibt.
(120)
Fünftes Capitul
Von
dem Innhaben. (Possessione.)
Was
das Innhaben seye?
§.
1. Besitz oder Innhaben bedeutet eigentlich jenen Zustand, da man eine Sach mit
der Absicht, solche für sich zu haben (animo sibi habendi) in seiner Gewalt und
Gewahrsame hat.
Eintheilung
desselben.
§.
2. Die Possession wird in Veram & Quasi, bonæ vel malæ Fidei, Justam &
Injustam, Civilem & Naturalem getheilt. Vera verstehet sich nur von
cörperlichen, Quasi von uncörperlichen Dingen. Bonæ Fidei, wenn der Innhaber
billich glaubt, daß ihm die Sach zugehörig seye. Malæ Fidei, wenn er
wissentlich eine fremde Sach für die seinige behalt. Justa, welche auf einem
rechtmässigen Ankunfts-Titul beruhet. Injusta, welche dergleichen Titul nicht
vor sich hat. Civilis, da man die Sach nicht leiblicher Weis (Corpore) sondern
nur in der Meinung und Absicht allein (solo Animo) innhat, wie z. E. ein
Abwesender, oder da man die Sach Corpore & Animo zugleich, und zwar
entweder von Eigenthums- oder wenigst von eines anderen Rechtswegen z. E. von
Pfandschaft, Nutzniessung, oder Pachtungsweis innhat. Naturalis, da man die
Sach nur Corpore allein, ohne Absicht solche für sich oder die Seinige zu
behalten, innhat, wie z. E. ein blosser Anwald, Depositiarius, oder Possessor
merè Precarius, welches jedoch nur in uneigentlichen Verstand eine Possession
genannt wird, und in der That nichts als eine blosse Detention ist.
Wer
possediren könne?
§.
3. Wer des Eigenthums von einer Sach fähig ist, mag auch wol das Innhaben davon
erlangen.
(121)
Was für Sachen?
§.
4. Alles kan possedirt werden, was nicht besonders davon ausgenommen ist, als da
z. E. seynd Res extra Patrimonium vel Commercium humanum, wie auch Res meræ
Facultatis, solang sie die nemliche verbleiben, und ihr Natur nicht veränderen.
Von
Erlang- und Acquirirung der Possess.
§.
5. Das Innhaben einer Sach wird 1mò andergestalt nicht erlangt, als wenn man
selbe aus hinlänglicher Ursach nach Maaßgab nächstfolgenden sechsten §vi in der
Absicht solche für sich zu behalten würklich ergreift. Solchemnach ist 2dò
Animus allein ohne sothaner Apprehension zu Erlangung der Possession nicht hinreichend,
und es kan solche auch 3tiò ohne erfolgend- würklicher Einraum- oder
Ergreiffung nicht cedirt werden, wol hingegen mag sie 4tò jeder nicht nur
selbst, sondern auch durch andere erlangen, wenn selbe nur statt seiner und auf
seinem Namen ergriffen wird. 5tò Kan man ein Ding zwar aus mehrley Ursachen
zugleich innhaben, die Causam Possessionis aber mag keiner durch blosse
Einbildung, ohne daß in der That eine neue Causa hervorkommt, für sich selbst
abänderen.
Von
Apprehendir- und Ergreiffung derselben.
§.
6. Die Ergreiffung der Possess ist ein solches Factum, wodurch man sich der
Sach bemächtiget, und wird in Veram & Fictam getheilt. Jene kan 1mò auf
unterschiedliche Weis geschehen, und zwar bey beweglichen Dingen gemeiniglich
dadurch, wenn man solche zu Handen bringt, bey unbeweglichen aber durch den
Eintritt also und dergestalt, daß 3tiò in einem zusammenhangenden Ding (Corpore
connexo) z. E. in einem Wald- oder Grund-Stuck alle Theil desselben zu
betretten oder zu berühren nicht nöthig ist, sondern es wird das ganze Corpus
mittels eines Theils oder dazu gehörigen Stucks apprehendirt. Dahingegen 4tò in
einem aus mehr abgesonderten Theilen bestehenden Ding (Corpore disjunctivo) z.
E. bey einer Heerd Viehe, der Unterschied zu machen ist, ob das ganze Corpus
auf einem Hauffen beysammen und gegenwärtig, oder aber zerstreuet, und zum
Theil abwesend seye, erstenfalls wird das ganze Corpus mittels eines einzigen
Stücks ergriffen, wenn
(122)
nur die Absicht auf das ganze hierunter gerichtet ist, anderenfalls müssen die
zerstreut- oder abwesende Stück, jedes besonders, ergriffen werden, und
erstreckt sich ausser deme die Apprehension von einem auf das andere nicht.
Zuweilen wird 5tò die Possess nur durch das Angesicht erlangt, wenn nemlich die
Sach vor Augen liegt, und mit beederseitiger Einverständnuß von dem Innhaber
oder dessen Anwald in der Meinung und Absicht, solche dem anderen zu überlassen
und einzuraumen, würklich vorgezeigt wird. Uncörperliche Dinge, welche
cörperlichen anhangen, werden 6tò mittels der letzteren allzeit zugleich
ergriffen, sonst aber geschiehet 7mo die Apprehension in incorporalibus durch
deren würklichen Gebrauch, oder Actus possessorios, und zwar in Juribus
negativis, Kraft deren etwas nicht geschehen soll, z. E. in Unterlassung eines
gewissen Bau, oder Gang-Steigs und dergleichen durch das Verbott auf einer, und
die Acquiescenz auf anderer Seite, in affirmativis aber durch den Gebrauch auf
einer, und die Gestattung auf anderer Seite. Ficta Apprehensio bestehet 8vò in
gewissen üblichen Zeichen, als da z. E. seynd, die Uebergebung der Schlüsseln,
oder Instrumenten, Ausschneidung Spahn oder Wasens, Aufdruckung des Sigels (!),
Einpflichtung der Unterthanen, Verschliess- oder Bewachtung der Sach, und nicht
weniger durch das in nächstfolgenden §vo bemerkte Constitutum possessorium. 9no
Kan die Apprehension auch Bedingnußweis geschehen, welchenfalls jedoch die
Possession erst existente Conditione erlangt wird.
Von
dem sogenannten Constituto possessorio.
§.
7. Constitutum possessorium wird genant, wenn sich der Innhaber anheischig
macht, die Sach hinführo nicht mehr für sich, sondern für einen anderen mit
dessen Bewilligung behalten zu wollen, welches 1mo nicht nur ausdrücklich,
sondern auch stillschweigend geschehen kan, da nemlich z. E. Constituent sich
in Ansehen des Constitutarii nur für einen Usufructuarium, Depositarium,
Commodatarium, Mandatarium, oder Conductorem erklärt. 2dò Richtet sich das
Constitutum lediglich nach der Natur des Haupt-Geschäfts, welchem es
mitbeygefügt ist, und falls nun dieses gewisse Bedingnussen auf sich hat, so
wird jenes ebenfalls pro conditionato gehalten. 3tiò Erstreckt sich selbes auch
auf des Constitutarii Erben, dergestalt, daß ihnen alle Remedia possessoria,
wie ihm
(123)
selbst, zu Guten geben. 4tò Wird unter mehr Constitutariis allzeit der erste
für den rechtmässigen Innhaber geachtet. 5tò Hört das Constitutum auf, wenn das
Haupt-Geschäft, deme es einverleibt worden ist, wegfallt, oder wenn Constituens
sich selbst nur auf gewisse Zeit der Possess zu erfreuen hat, und diese
gänzlich verflossen ist, oder wenn sich ein anderer die würkliche Possession
ergreift, und er sich von Zeit der Wissenschaft nicht längst inner drey Tägen
meldet.
Würkung
des Innhabens.
§.
8. Die merklichste Würkungen der Possession bestehen darin: 1mò Kan sich jeder
bey seinem Innhaben gegen unrechtmässige Eingriffe selbst eigenmächtiger Weis
schützen, und sofern es auf der Stell geschiehet, Gewalt mit Gewalt abtreiben.
2dò Soll Niemand seines Innhabens entsetzt werden, solang nicht ein anderer ein
besseres Recht zur Sach gnüglich darthut. 3tiò Ist in Zweifel allzeit melior
Conditio Possidentis. 4tò Kann man ihm regulariter und sofern er nicht eine
stärkere Præsumptionem vel Resistentiam Juris wider sich hat, den Titul oder
Causam Possessionis anzugeben keineswegs zumuthen. Eben sowenig ist er 5tò
schuldig, den Beweis, daß ihm die Sach zugehörig seye, auf sich zu nehmen,
sondern das Onus probandi liegt vielmehr dem Gegentheil ob, welcher auch 6tò
auf dem Fall, wenn er die Causam Possessionis für unrechtmässig angiebt,
solches gebührend zu erweisen hat. 7mo Stehet dem Innhaber bey Restituirung des
inngehabten Guts wegen deren darauf verwendeter passirlicher Kösten Jus
Retentionis in Regula zu.
Von
Verliehrung der Possess.
§.
9. Die Possession gehet 1mò verlohren durch den Tod des Innhabers, dann ist sie
Facti; und gehet nicht auf den Erben, ehe und bevor sie sich doch, solang
Possessio vacua bleibt, und Niemand anderer das Prævenire spielt,
eigenmächtiger Weis ohne Erwartung gerichtlicher Einweisung zu prævaliren
haben. Eine andere Beschaffenheit hat es 2dò mit der Compossessione pro
indiviso, dann diese wird durch Absterben eines Compossessoris nicht leer,
sondern wird von dem Ueberlebenden, soweit er vorhin schon in unzertheilter
Compossession
(124)
gewest, continuirt und bleibt ihm von selber Zeit an ganz allein. Bey Lebzeiten
des Innhabers gehet 3tiò die Possession entweder nur Animo oder Corpore allein,
oder auf beede Weis zugleich verlohren, und zwar solo Animo z. E. in dem Fall
obgedachten Constituti possessorii auf Seiten des Constituentens, solo Corpore,
wenn man wider Sinn und Willen, z. E. durch Gewaltsame Abnahm oder Vertreibung,
gänzlichen Verlust oder Untergang der Sach entsetzt oder beraubt wird. Corpore
& Animo zugleich, wenn man sich der Possess selbst gutwillig z. E. durch
würkliche Uebergab, Dereliction, oder obverstandene Acquiescenz auf
gegentheiliges Verbott, und dergleichen begiebt. 4tò Ist gleichgültig, ob man
selbst oder derjenige, durch welchen man sie exercirt hat, z. E: ein Anwald
oder Depositarius des Innhabens entsetzt wird. 5tò Gehet durch die blosse
Abwesenheit oder Entfernung des Innhabers die Possess nicht verlohren, solang
noch Animus retinendi vorhanden ist, und sich Niemand anderer darein setzt,
dann obwol zu Erlangung des Innhabens Animus allein ohne Actu corporali nicht
erklecklich ist, so reicht er doch zu Erhaltung desselben allerdings hin.
De Actionibus & Remediis possessoriis seu
interdictis.
§.
10. Klagen, welche hauptsächlich auf das Innhaben gerichtet seynd, werden
Interdicta genannt, und gehen entweder auf die Erlang- und Wiederbring- oder
Erhaltung desselben (acquirendam, recuperandam, retinendam Possessionem) die
von erster Gattung haben nur in gewissen Fällen statt, und kommen anderwärts
vor. Die von der anderen und dritten aber siehe §vis seq. 11. & 12.
De
Interdictis recuperandæ.
§.
11. Wer der Possession mit unrechtmässiger Gewalt entsetzt und spolirt wird,
hat zwar nach gemeinen Rechten unterschiedliche Actiones, insonderheit das
Interdictum unde vi, wie auch Remedium ex Canone redintegrandâ, es ziehlen aber
all dergleichen Klagen 1mò lediglich dahin, daß Spoliatus in integrum
restituirt, annebens aller Schaden abgethan, und wenn die Sach nicht mehr in
Naturâ vorhanden ist, der
(125)
Werth derselben vergütet werde. 2dò Rührt diese Klag mehr aus einem Verbrechen
als ex Possessione her, und ist mithin ein blosser Personal-Spruch, welcher nur
gegen Spolianten und seine Helfer, nicht aber gegen Erben Platz greift,
ausgenommen die in Cod. Jud. cap. 4. §. 2. n. 5. & 6. benannte Fälle.
Vielweniger hat sie 3tiò gegen einen Dritten statt, es seye dann, daß er
Wissenschaft davon gehabt, gleichwol aber die Sach an sich gebracht hat. Wider
einen Compossessorem greift solche 4tò ebenfalls Platz, wenn man von ihm aus dem
Mitbesitz geworffen wird. 5tò Muß der Kläger nicht nur, daß er in Possessione
gewesen, sondern auch die Dejection sattsam beweisen, und wie nun 7mo die
blosse Detention obverstandenermassen keine wahre eigentliche Possession ist,
so laßt sich auch diese Klag nicht darauf fundiren. Im übrigen ist 8vò unter
beweglich- und unbeweglichen, cörperlich- und uncörperlichen Dingen hierinfalls
kein Unterschied mehr, und daurt auch 9no diese Action überhaupt dreyssig Jahr
lang ohne Distinction, ob es die Sach selbst, oder nur das Interesse und den
Werth derselben betreffe.
Vel
retinendæ.
§.
12. Wird man seines Innhabens nicht gänzlich entsetzt, sondern nur darin
gestört und beunruhiget, so kann man in unbeweglich- und uncörperlichen Dingen
ex Interdicto utì possidetis, in beweglichen aber ex Interdicto utrubi den
Störer dahin actioniren, daß er fürs Künftige von weiterer Turbation abstehe,
auch genugsame Caution derwegen leiste, für das Vergangene aber all
verursachten Schaden abthue. Es wird 1mò diese Klag unter die Real-Sprüch
gezehlt, und obwol hierin 2dò beede Theil die Stelle des Klägers respectivè
Beklagtens zu vertretten haben, so halt man doch jenen pro Actore, welcher sich
am ersten meldet, oder wenn dieses beederseits zugleich beschiehet, so soll das
Loos den Ausschlag geben. 3tiò Liegt dem Kläger ob, nicht nur die würckliche
Possession auf seiner, sondern auch die Turbation von der anderen Seite zu
beweisen. Detentoribus kommt 4tò diese Action niemal zu, wol aber 5tò einem
Compossessori gegen den anderen, wenn er in dem Mitbesitz von ihm gestört wird.
6tò Falls sich aus dem Beweis oder sonst bezeigt, daß beede Theil in Possession
seynd, so soll man sie soweit darin manuteniren, als jeder seines Orts
(126)
dargethan hat, oder sofern dieses nicht wol thunlich ist, ein schickliches
Provisorium ergreiffen, bis gleichwol das Petitorium ein anderes giebt. 7mo
Daurt diese Klag von Zeit der Turbation länger nicht als ein Jahr.
Von
dem Beweis der Possession und anderen Verfahren in Possessorio.
§.
13. Possessio ist Facti, und wird nicht præsumirt, sondern muß von deme, der
sich darauf fusset, entweder durch Gezeugen, Urkunden, oder andere Probsmittel
dargethan werden, und obwolen dieselbe 1mò in der Auslegung allzeit mehr
eingeschränkt als ausgedehnt zu werden pflegt, so stehet doch zu richterlicher
Ermässigung, ob und wie weit hierinfalls von einem Ort, Person oder Causa auf
die andere wegen obwaltender Gleichheit und Connexion mit Fug zu schliessen
seyn mögte. Nachdem auch 2dò öfters de Animo gezweiflet wird, so bleibt
ebenfalls dem richterlichen Gutbedunken anheimgestellt, ob und wie weit denen
Muthmassungen oder dem Eid in diesem Stück Platz gegeben werden wolle. Soviel
endlich 3tiò den Process in Possessorio plenario & momentaneo betrieft,
siehe Cod. Jud. cap. 3. §vo 4. & 5.
(127)
Sechstes Capitul
Von
Unterpfanden.
(Pignoribus
vel Hypothecis.)
Was
und wie vielerley das Unterpfand seye?
Das
Recht, welches der Glaubiger zur Sicherheit seiner Forderung in des Schuldners
Vermögen zum Theil oder ganz überkommt, heißt ein Unterpfand, und zwar wenn das
verpfändete Gut würklich ausgeantwortet und übergeben wird, so nennt man es
ohne Unterschied beweglich- oder unbeweglicher Gütern ein Faust-Pfand, oder da
solches nur mittels blosser Verschreibung ohne Extradition geschiehet, eine
Hypothec, ein so anderes pflegt man in Pignus voluntarium & necessarium,
expressum & tacitum, generale & speciale zu theilen.
Von
freywillig und bedungenen Unterpfang (!).
§.
2. Pignus voluntarium vel conventionale rührt entweder aus einem Geding oder
letzten Willen her. Falls nun Creditor und Debitor sich soweit miteinander
verstehen, daß es bey der blossen Verschreib- oder Verhypothecirung eines Guts
nicht verbleibt, sondern solches dem Glaubiger der Versicherungs willen bis zu
Entrichtung der Schuld würklich extradirt wird, so entstehet hieraus der
sogenannte Contractus pignoratitius, welcher zwar hauptsächlich nur die
Paciscentes personaliter unter sich verbindet, annebens aber auch wegen des auf
dem Pfand haftenden Real-Rechts seine Würkung gegen einen dritten Possessorem
eben so, wie eine blosse Hypothec äussert, alles nach mehreren Innhalt
folgender §vorum.
Von
nothwendig- oder gerichtlichen,
§.
3. Wenn dem Glaubiger zu seiner Sicherheit von des Debitoris Vermögen an
liegend- oder fahrenden Gütern durch die Obrigkeit etwas Pfandweis eingeraumt
wird, so heißt es Pignus
(128)
necessarium vel judiciale, weil dieses nicht soviel aus freyen Willen des
Schuldners, als aus Nothwendigkeit und richterlicher Authorität beschiehet.
Von
ausdrücklich- oder stillschweigenden,
§.
4. Pignus expressum beruhet auf ausdrücklichen, legale & tacitum aber auf
stillschweigend- und durch das Gesatz allein determinirten Willen des
Debitoris. Die zur letzteren Gattung gehörige sowol befreyt- als unbefreyte
Pfand-Glaubiger seynd bereits in Cod. Jud. cap. 20. specificirt, und sollen
auch die daselbst benannte Fälle auf andere unbenannte per Interpretationem
doctrinalem nicht ausgedehnt werden.
Von
special- und generalen.
§.
5. Ein Special-Unterpfand geht zwar nur auf einen gewissen Theil des Vermögens,
soweit selber verpfändet, oder verschrieben ist, begreift aber gleichwol alle
Accessiones und Zugehörungen des eingesetzten Pfands unter sich. Eine
General-Verschreibung hingegen gehet auf beweglich- als unbewegliches,
cörperlich- und uncörperliches, gegenwärtig- und künftiges Vermögen, soweit nur
solches dem Debitori zustehet, doch seynd hievon jene Dinge ausgenommen, welche
entweder keine Verpfändung leiden, oder wenigst der Debitor unter der
General-Verschreibung wahrscheinlich nicht verstanden hat, z. E. was er zur
täglichen Nothdurft, an Hausrath, Tisch-Gezeug, Bett-Gewand, Kleidungen, und
dergleichen gebraucht, oder das dargelehnte nemliche Geld, um welches man das
Pfand ausgestellt hat, item Lehen- Fideicommiss- Erbrechts-Güter ohne Consens
deren Grund-Herrn und Interessenten, ausgenommen, soviel die Fructus von
dergleichen Gütern, oder Hypothecam generalem tacitam & legalem betrift,
dann diese erstreckt sich auch auf Erbrechts- und alle Beutel-Lehen-Güter, wenn
gleich der Grund- und Lehen-Herr nicht darein gewilliget hat.
Wer
Pfand geben könne?
§.
6. Legal und stillschweigendes Unterpfand wird 1mò nur durch den Gesätzgeber
(!) allein ertheilt, Pignus necessarium vel judiciale hingegen giebt 2dò jede
ordentliche Obrigkeit, und zwar entweder unmittelbar, oder aber da das Pfand
unter anderer
(129)
Jurisdiction liegt, mittelbar durch Requisition des Judicis Loci Rei sitæ, in
beeden Fällen aber niemal anderst, als um erkannt- oder sonst liquide
Fordererungen pro Quantitate Debiti auf Instanz des Creditoris & prævia
Cognitione Causæ, immassen ihr hierinfalls bey Vermeidung willkürlicher oder
gestalten Dingen nach wol gar malefizischer Straf kein Wiederstand bezeigt
werden soll. Voluntarium aut conventionale Pignus kann 3tiò jeder Debitor
ausstellen, soweit er solches zu veräusseren, und damit zu disponiren Fug und
Macht hat. 4tò Mag man die Verpfändung nicht nur selbst, sondern auch durch
andere z. E. einen Anwald vornehmen, wozu aber 5tò ein General-Vollmacht
erklecklich ist, es seye dann zum Nutzen des Principalens hierunter gehandlet,
oder die Handlung nachhero von ihme selbst mit Worten oder Werken gutgeheissen
worden. 6tò Hat zwar auch bonæ Fidei Possessor Jus oppignorandi, wobey aber die
Rechts-Regul: resoluto Jure Dantis resolvitur Jus Accipientis, Platz greift.
Wer
Pfand erlangen möge?
§.
7. Das Pfand ist ein Accessorium, und dient nur zur Versicherung der
Schuld-Forderung. Kann also dergleichen 1mò Niemand für sich erlangen, der
keine rechtmässige Forderung hat. Vielweniger kann solches 2dò eigenmächtig-
oder illegaler Weis von dem Creditore allein geschehen. In Debito conditionato
aut futuro wird auch 3tiò das Pfand niemal anderst als conditionatè &
eventualiter von dem Glaubiger erlangt. 4tò Brauchen minderjährig- und Curatelmässige
Personen zur Erlangung eines Unterpfands die Vormundschaftliche Authorität
keineswegs, ausser wenn sie gar nicht bey Verstand seynd, wie Unsinnige, oder
Kinder unter sieben Jahren. Und gleichwie 5tò ein Pfand mandatario, tutorio,
vel administratorio Nomine für andere gegeben werden mag, also auch kann
solches eodem Nomine für andere angenommen werden.
In
was für Sachen?
§.
8. 1mò Mögen regulariter alle Güter des Debitoris, soweit sie ihm eigen seynd,
an andere verpfändet werden. Wer aber 2dò fremdes Gut für das seinige
verpfändet, soll zu Ausstellung eines anderen tauglich- und hinlänglichen
Pfands, oder zu
(130)
Entrichtung der Schuld und Abthuung aller Kösten und Schäden angehalten,
annebens der Verpfänder, welcher dieses wissentlich thut, willkürlich bestraft
werden. Es ist auch eine solche Verpfändung fremden Guts von keiner Gültigkeit,
ausser wenn selbe von dem Eigenthümer ausdrücklich oder stillschweigend
begnehmiget wird, oder da der Verpfänder selbst nachhero das Eigenthum des
Pfands erlangt, oder aber der Eigenthümer ihme erblich succedirt. Sachen,
welche 3tiò bereits verpfändet seynd, mögen mit Gültigkeit anderen nicht
verpfändet werden, ausser soviel die Uebermaß betrift, um welche sie etwan im
Werth mehr, als die Schuld betragen. Ist aber keine Uebermaß vorhanden, so soll
der Verpfänder nicht nur willkürlich gestraft werden, sondern auch ein anderes
gleichgültiges Pfand geben, und den Creditorem schadlos halten, oder die Schuld
heimzahlen, welch alles sich jedoch nur von Special-Unterpfanden verstehet,
dann generaliter mag man eine Sach wol mehrern verschreiben. Hiernächst
erlangen auch dergleichen Special-Verpfändungen ihre Kraft, wenn der erste
Pfandglaubiger seiner Forderung befriediget ist, oder selbst in sothane weitere
Oppignoration einwilliget, welch letzternfalls er auch Respectu desjenigen, zu
dessen Favor er consentirt, das Prioritäts-Recht verliehrt. Grund- und
Lehenbare Güter mögen 4tò ohne ausdrücklicher Bewilligung des Grund- respectivè
Lehens-Herrns, soviel das Gut selbst betrift, nicht verpfändet werden, ist auch
allenfalls besagten Grund- und Lehen-Herrn sothane Bewilligung an seinem
Vorgangs-Recht, sofern er sich dessen nicht ausdrücklich begiebt, bey denen
Grundherrlichen Præstandis nicht nachtheilig. Wie weit aber dergleichen Güter
unter der Hypotheca tacita legali begriffen seynd, siehe oben §vo 5.
Von
denen Formalitäten eines Unterpfands.
§.
9. Zu einer ausdrücklichen Hypothec wird 1mò nach Maaßgab des Cod. Jud. cap.
20. §. 9. Die schriftliche und respectivè von Unsiegelmässigen Schuldnern gar
die Obrigkeitliche Errichtung erfordert. Im übrigen ist 2dò keine gewisse
Formul zur Verpfändung vorgeschrieben, sondern es kommt lediglich auf den
Willen der Paciscenten und dahin an, daß solcher mit Worten oder Werken gnugsam
geäussert werde.
(131)
Von des Pfands Eigenthum und Innhaben.
§.
10. Der Debitor bleibt 1mò ohngeacht der Verpfändung Eigenthümer von dem Pfand,
und kann solches mithin 2dò auch währender Pfandschaft, wenn keine andere
Hindernuß im Weeg stehet, nach eignen Belieben veräusseren, jedoch niemal
anderst, als mit der Bürd des darauf haftenden Pfand-Rechts, annebens soll er
solchenfalls dem Creditori die Alienation, sofern es ein Special-Unterpfand
betrift, bey Vermeidung willkürlicher Straf und Abthuung des dadurch verursachten
Schadens allzeit gleich anzeigen. Desgleichen gehet auch 3tiò die Possession
des Pfands durch die blosse Verschreib- oder Hypothecisirung, solang die
würkliche Extradition nicht erfolgt, auf Seiten bemelten Debitoris keineswegs
verlohren.
Von
dem Pfands-Genuß.
§.
11. Regulariter darf 1mò der Creditor das verpfändete Gut, ohngeacht ihm
solches eingeantwortet worden, währender Pfandschaft weder für sich gebrauchen
noch benutzen, sonst fallt er 2dò nicht nur in willkürliche Straf, sondern muß
auch dem Debitori allen dadurch verursachten Schaden und Entgang gutmachen.
Doch seynd 3tiò drey Fäll von obiger Regul ausgenommen, erstens in Pignore
Judiciali, worein der Creditor eigens zu dem Ende immittirt worden, daß er
solches in Abschlag seiner Forderung zu geniessen haben soll. Zweytens, wenn
das Pfand in Viehe bestehet, dann dieses kann der Pfands-Innhaber für die
Atzung, jedoch andergestalt nicht, als auf gebührliche Weis brauchen. Drittens,
wenn der Debitor selbst in den Gebrauch oder Genuß des Pfands ausdrücklich oder
stillschweigend einwilliget. In all diesen Fällen aber wird 4tò der Genuß oder
Gebrauch billichem Anschlag nach auf vorläuffige Berechnung an der Forderung
wiederum abgezogen. Und da endlich 5tò dem Creditori die Fructus des
innhabenden Pfands statt der jährlichen Zinsen durch das sogenannte Pactum
antichreticum ausgedungen seynd, so kann dieses nur soweit bestehen, als die
Landsgebräuchige Zinsen von erwehnten Früchten und Gefällen nicht überstiegen
seynd, welches sich jedoch nur von gewissen und gleichförmigen Gefällen
verstehet, dann mit denen ungewissen und ungleichförmigen wird es hierinfalls
eben nicht sogenau genommen. Im übrigen ist auch 6tò in Berechnung
(132)
sothaner von dem Pfands-Innhaber eingebrachter Nutzungen nicht nur auf das, was
er hieran würklich genossen und eingebracht hat, sondern auch was er gemeiner
Haus-Wirthschaft nach hätte geniessen und einbringen könne, oder sollen, zu
sehen.
Von
Veräusserung des Pfands.
§.
12. 1mò Kan jeder Creditor sein Recht, welches er an dem Unterpfand hat, eben
so, wie andere ihm angehörige Dinge nach Belieben cediren, transportiren, und
auf allerhand Art veräusseren. Soviel aber 2dò das verpfändete Gut selbst
belangt, mag zwar solches von ihm ebenfalls angegriffen und veräussert werden,
jedoch 3tiò andergestalt nicht als unter folgenden Requisitis. Erstlich muß
Debitor in Morâ solvendi seyn. Zweytens soll man den in der Obligation
vorgeschriebenen Modum Alienationis beobachten, und wenn disfalls nichts
pactirt ist, so soll man drittens Terminum legalem à Die Moræ erwarten.
Hiernächst auch viertens dem Debitori die vorhabende Veräusserung verkünden,
und endlich fünftens dieselbe durch den ordentlichen Richter auf Art und Weis,
wie in Cod. Jud. cap. 19. §. 7. deutlich verordnet ist, vornehmen lassen. Wie
und auf was Weis Debitor in Morâ solvendi constituirt werde, siehe oben Cap. 3.
§. 21. n. 3. Obverstandener Terminus legalis aber erstreckt sich 4tò à Die Moræ
in Veräusserung liegender Pfandschaften auf ein Jahr, in fahrenden hingegen nur
auf vierzehen Täg, oder wenn der Schuldner abwesend ist, auf drey Monath, es
seye dann, daß das Pfand nur in Viehe oder Comestibilien bestehet, massen man
hierin gegen Abwesende, wie gegen Anwesende, und zwar wenn es verpfändetes
Viehe betrift, nach drey Tägen verfahret. 5tò Soll obige Denunciation dem
Debitori, wenn er anderst gegenwärtig ist, unter Augen, oder wenigst bey seinem
häuslichen Anwesen geschehen. Wer 6tò eine Special- und General-Hypothec
zugleich hat, der muß non obstante Clausula, ne specialis generali &
vicissim deroget, zuförderst jene angreiffen. Bey General-Hypothequen hat zwar
7mo Creditor die Wahl, was er am ersten angreiffen wolle, doch kann er auch
hierin die Veräusserung niemal weiter, als pro Quantitate Debiti begehren. 8vò
Stehet das Pactum de non alienando Pignus der Veräusserung nicht im Weeg, und
hat keine andere
(133)
Kraft, als daß oberwehnter Terminus legalis verdoppelt wird, und die
Denunciation dreymal nach einander, wenigst von vierzehn zu vierzehn Tägen
geschehen muß. Dafern nun 9no bey der Pfands-Veräußerung an denen sub Num. 3.
oben angeführten Requisitis etwas ermanglet, so ist dieselbe nicht nur
kraftlos, sondern wenn dem Debitori Schaden dadurch zugehet, muß solcher à
Creditore ersetzt werden. Dahingegen wenn sich 10mò nach der Hand bezeigt, daß
das distrahirte Pfand dem Debitori nicht zugehört habe, so erlangt der Käuffer
nur die Befugnuß, solches verjähren zu können, und haftet im übrigen nicht der
Creditor, sondern der Debitor um die Eviction, es seye dann, daß jener sich hierzu
verbunden, oder das Pfand für sein Eigenthum bey dem Verkauf angegeben, oder
von der Beschaffenheit des fremden Guts Wissenschaft gehabt habe. Die Würkung
einer rechtmässigen Pfands-Veräusserung ist 11mò daß das Eigenthum von dem
Debitore auf den Käuffer kommt, und alle auf dem veräusserten Pfand gelegene
Hypothequen erlöschen.
Von
dem Vorgangs-Recht bey dem Pfand.
§.
13. Das Prioritäts-Recht, Kraft dessen ein älterer Pfand-Glaubiger dem Jüngern
in Concursu vorgehet, kommt 1mò nicht nur auf Jahr, Monat und Tag, sondern
auch, soweit solches nur erwiesen werden kan, auf Stund und Augenblick an, und
zwar 2dò ohne Unterschied deren Pfändern, sofern nicht eins vor dem anderen
nach Ausweis des Cod. Jud. 20isten Capituls etwan sonst ein besonderes Jus Prælationis
hat. 3tiò Wird zwar in Ausrechnung der Zeit eben nicht auf das Haupt-Geschäft
allein, sondern vielmehr auf das Tempus constituti Pignoris gesehen, annebens
aber auch 4tò allzeit dabey supponirt, daß bemeltes Haupt-Geschäft bereits
würklich zum Stand gekom(m) en seye. In bedungenen Conventionibus ist 5tò zu
unterscheiden, ob es Conditio merè potestativa seye, deren Erfüllung lediglich
von der Willkur des Paciscentens abhangt, oder nicht. Erstenfalls fangt die
Priorität von der Zeit an, da die Condition existirt, anderenfalls aber wird
sie von dem Contract angerechnet, mithin retrotrahirt. Bey Faust-Pfändern wird
hierinfalls 6tò auf die Zeit würklich beschehener, oder da man geflissene
Hindernuß macht, auf die Zeit beschlossener Extradition oder Immission gesehen.
In Verpfändung Grund- Lehenbar- oder fremder Gütern rechnet man 7mo von
(134)
Zeit der Confirmation oder Ratification an. Bey Pfand-Verschreibungen welche
8vò zu gleicher Zeit an mehr Glaubiger geschehen, ist zu distinquiren (!), ob
man sich an sammentliche in solidum und unzertheilt, oder jedem nur pro Parte
verschrieben habe. Letzterenfalls concuriren sie nicht pro Ratâ vel Quantitate
Debiti, sondern jeder für seinen Theil, erstenfalls aber ist melior Conditio
Possidentis, oder wenn keiner in Possessione Pignoris ist, concurrirt jeder à
Proportion seiner Forderung. 9no Gehen Pfand-Verschreibungen, worin sich kein
Datum bezeigt, denen Datirten solang nach, bis nicht erwiesen werden kan, daß
jene älter seynd. Immassen 10mò demjenigen, der sich auf die Priorität fusset,
überhaupt allzeit der Beweis obliegt.
Retentions-Recht
auf selben.
§.
14. Wenn der Glaubiger das Pfand in Handen hat, so mag er 1mò solches Jure
Retentionis solang innbehalten, bis er befriediget, oder Concursu Creditorum
von anderen ein Vorrecht darauf docirt und erkannt ist. 2dò Hat erst-gedachtes
Jus Retentionis nicht nur um das nemliche Debitum, wofür das Pfand ausgestellt
ist, sondern auch um andere gegen den nemlichen Debitorem habend- eigen-
richtige Forderungen, ob sie schon mit der Pfand-Schuld selbst keine Connexion
haben, allerdings Platz, welches jedoch 3tiò auf dem Fall limitirt wird, wenn
ein anderes ausdrücklich bedungen ist, oder zu gleicher Zeit zweyerley Schulden
contrahirt werden, und das Pfand nur für eine ausgestellt ist. 4tò Mag zwar der
Glaubiger sich auch bey einem verpfändeten fremden Gut mit dem Jure Retentionis
gegen den Debitorem, nicht aber gegen den Eigenthümer, welchem das Pfand
zugehörig ist, schützen.
Was
das sogenannte Jus offerendi seye?
§.
15. Wasmassen ein jeder Pfand-Glaubiger den älteren oder vorgehenden Glaubiger
mit baar Geld zu entrichten, und dagegen in seine Stell einzutretten befugt
seye, ist bereits in Cod. Jud. cap. 20 §. 14. mit mehrern versehen, wobey es
noch weiter sein Verbleiben hat, jedoch mit dem wolmerklichen Beysatz, daß der
ältere oder vorgehende Glaubiger die offerirte Bezahlung nur alsdann anzunehmen
schuldig seye, wenn er sich nicht in Possessione Pignoris befindet, dann der
Possessor Pignoris
(135)
hat die freye Wahl, ob er die Possession behaupten und die sich anmeldende
Glaubiger, sie seyen gleich Hypothecarii oder Chirographarii, älter oder
jünger, mit ihren Forderungen gegen Cedir- und Ueberlassung derselben
entrichten, oder aber das Pfand an sie abtretten wolle.
Von
Restitution oder Wiederlösung (!) des Pfands.
§.
16. Der Debitor hat das Recht sein ausgestelltes Pfand bey dem Creditore gegen
Entrichtung der Schuld jederzeit wiederum zu reluiren. Solchenfalls muß ihm
auch selbes 1mò in dem nemlichen Stand, wie es zur Zeit der Extradition
gewesen, und zwar 2dò mit allen währender Pfandschaft zugegangenen Anwachs und
Nutzungen, soweit kein anderes bedungen ist, restituirt werden. Hat der
Pfands-Innhaber 3tiò mit dem Pfand ungebührlich gehandlet, und hierunter Dolum
vel Culpam latam aut levem zu Schulden kommen lassen, so thut er Debitori allen
dadurch verursachten Schaden ab. Culpam levissimam oder Casum fortuitum
præstirt er 4tò nicht, es seye dann, daß er den letzteren durch vorläuffig
eignes Verschulden selbst veranlaßt hat. Nebst deme muß er 5tò den angeblichen
Casum, soweit solcher nicht ohnehin schon gnugsam kundbar ist, glaubwürdig
darthun. In Pignore necessario vel judiciali wird 6tò nur Dolus
& Culpa lata von ihm gutgemacht. Dahingegen kan derselbe 7mo die auf das Pfand verwendete
nothwendige Kösten forderen, und derwegen Jus Retentionis exerciren, utiles
& voluptuarias Expensas aber soweit es salvâ Pignoris Substantiâ geschehen
mag, aufheben, und endlich allen durch das Pfand selbst, oder mit Gelegenheit
desselben erlittenen Schadenshalber von dem Debitore Indemnisation begehren.
8vò Gehet das Jus Reluitionis nicht nur auf die Erben, sondern auch auf
Cessionarios und all andere, welchen es von dem Debitore überlassen wird.
Wie
das Pfandrecht aufhöre.
§.
17. Die Pfandschaft hört auf 1mò wenn die Schuld mittels Bezahlung, oder in
anderweeg getilgt ist. 2dò Durch ausdrücklich- oder stillschweigende Remission,
welch- letzteres z. E. nicht nur durch die ohne Reservation beschehene
Zuruckgab des Unterpfands, sondern auch durch Bewilligung in die Alienation
desselben, nicht aber durch den blosen Consens in weitere Verpfändung
(136)
geschiehet, dann dieses würkt obverstandenermassen nur soviel, daß man in
Concursu demjenigen, zu dessen Favor in sothane anderweite Oppignoration consentirt
worden, nachstehen muß. 3tiò Durch Ausfluß der Zeit, woraus das Pfand-Recht
durch Geding eingeschenkt worden. 4tò Durch Erlöschung des Rechts, welches der
Debitor auf dem ausgestellten Pfand gehabt. 5tò Durch völligen Untergang des
Pfands, oder da dasselbe seine Gestalt solchermassen verändert, daß sie nicht
wieder hergestellt werden mag. 6tò Durch legal und förmliche Distraction oder
gerichtliche Heimschlagung. 7mo Durch die Reluition, und endlich 8vò durch die
Verjährung, wovon jedoch unten das mehrere versehen ist. Im übrigen gehet durch
jetztgedachten 2ten 3ten 4ten 5ten und 8ten Modum nur das Pfand-Recht, nicht
aber auch die Haupt-Schuld-Forderung zugleich mitverlohren, sondern diese
bleibt ohngeacht dessen noch in salvo.
Von
dem Pacto commissorio in Pfandschaften.
§.
18. Das sogenannte Pactum commissorium, Kraft dessen dem Creditori das Pfand
aus dem Fall, wenn solches zur bestimmten Zeit nicht gelößt wird, heimfällig
seyn soll, ist von keiner Gültigkeit, und dieweil dieses auch öffters in
Fraudem Legis solchergestalt verdeckt wird, daß es dem äusserlichen Schein nach
mehr für einen Wiederkaufs oder anderen dergleichen Contract aufgenommen werden
könte, so soll man doch auf solche simulirte Pacta, zumal bey anscheinenden
Wucher eben sowenig als auf obbenanntes Pactum sprechen, und den Handel in
Zweifel allzeit mehr für eine Verpfändung als einen Wiederkauf ansehen.
Die Actione hypothecariâ vel quasi servianâ
§.
19. Kein Glaubiger soll bey Vermeidung willkürlicher Straf das verpfändete Gut,
sofern nicht Possessio vacua ist, eigenmächtiger Weis occupiren, sondern
gleichwol in Petitorio oder gestalten Dingen nach in Possessorio gebührende
Klag darum stellen. Die petitorische Klagen bestehen in Actione hypothecariâ
& pignoratitiâ. Von dieser letzteren siehe unten §vo 21. Jene zihlet (!)
1mò dahin, daß das eingeklagte Gut für sein des Klägers Pfand erklärt, folglich
ihm auch Pfandsweis eingeraumt werde. 2dò Kommt selbe sowol Creditori als
seinen Erben, (137) und zwar, wenn derselben mehr seynd, jeden ganz und in
solidum zu. 3tiò Gehet sie nicht nur gegen den Debitorem und seine Erben,
sondern auch gegen einen Dritten, jedoch nur soweit, als sich Beklagte in
Possessione Pignoris befinden, oder wenigst denen Rechten nach pro
Possessoribus geachtet werden. Derowegen muß 4tò der Kläger zuförderst die
Possession des beklagten Theils nebst der Verpfändung und nicht weniger, daß
Debitor das Jus oppignorandi bey der Sach gehabt habe, beweisen. 5tò Gehört
zwar diese Action unter die Real-Sprüch, kan aber gegen den Debitorem oder
dessen Erben mit der Personal-Haupt-Action ex Debito alternativè dahin cumulirt
werden, daß man entweder die Schuld bezahle, oder das Pfand abtrette. Gegen
einen dritten Possessorem hat 6tò jetztgedachte Alternativa ebenfalls und zwar
um somehr Platz, als er sich 7mo durch Entrichtung der Schuld eben sogut, als
der Debitor selbst, von der Klag entbinden kan. 8vò Wer in Actione hypothecariâ
unterliegt, hat derwegen die Haupt-Personal-Action ex Debito noch nicht
verlohren, es seye dann jene ex Defectu Debiti aberkannt worden.
Von
denen Exceptionibus hierwieder.
§.
20. Unter anderen Einreden, welche dem Beklagten hierin zu statten kommen, und
sich meistentheils aus obigen §vis von selbst ergeben, seynd fürnemlich
folgende allhier zu bemerken. Nemlich 1mò Exceptio Excussionis vel
Ordinis, 2dò Præscriptionis und 3tiò Dominii. Die 1te Exception, daß nemlich zuförderst der Schuldner
selbst, oder dessen Erben um die Bezahlung belangt und ausgeklagt werden
sollen, kommt regulariter jedem dritten Pfands-Innhaber zu, ausser wenn er
Wissenschaft von dem Pfand bey dessen Erlangung gehabt hat, oder der Debitor
nicht mehr solvendo oder wenigst difficilis Conventionis, oder das Pfand erst
nach der gegen den Debitorem gestellter Klag von ihm alienirt worden ist. Ad
2dum erlöscht Actio Hypothecaria gegen den Debitorem und dessen Erben erst nach
vierzig Jahren, gegen einen dritten Possessorem nach zehen oder in der
Abwesenheit nach zwanzig Jahren, ausgenommen in Käuffen, dann da wird das
gekaufte Pfand nach hiesigen Land-Rechten in fünf, und unter Abwesenden in
zehen Jahren verjährt. Es fangt aber auch in all diesen Fällen die Zeit der
Verjährung erst à Possessione Pignoris an, und ist kein Unterschied, ob der
Pfands-Innhaber von dem Pfands-Recht Wissenschaft gehabt oder nicht.
(138)
Ad 3tium kan zwar Beklagter Exceptionem Dominii proprii machen, da er nemlich
das eingeklagte Pfand wiederspricht, und solches für sein eigenes Gut angiebt,
mit der Exceptione Dominii alieni hingegen und das nemlich nicht der Debitor,
sondern ein anderer von dem Pfand Eigenthümer seye, soll er nicht angehört
werden.
De
Actione pignoratitiâ
§.
21. Actio pignoratitia entspringt 1mò aus dem Pfands-Contract, und ist entweder
directa oder contraria. Jene stellt 2dò der Debitor gegen den Creditorem, um
nicht nur gegen Entrichtung der Schuld das Pfand wiederum zu restituiren,
sondern auch all anderes, was ihm obverstandenermassen von Pfandswegen obliegt,
zu præstiren. Diese kommt 3tiò Creditori gegen den Debitorem um Schadloshaltung
und all anderes, was er obiger Verordnung nach seines Orts gleichfalls zu
leisten hat, hinwiederum zu. Sowol ein als die andere ist 4tò Actio merè
personalis, hat folglich nur unter denen Paciscenten und deren beederseitigen
Erben allein, niemal aber gegen einen Dritten statt. Dahero wenn 5tò dem
Creditori das Pfand aus der Hand kommt, so kan Debitor den Pfands-Innhaber
nicht mittels gegenwärtiger Action belangen, sondern er muß gleichwol von
Pfand-Herrschaftswegen die einem jeden Eigenthümer in denen Rechten vergönnt, und
oben cap. 2. §. 7. 9. & seq. vorgeschriebenen Mittel und Weeg an Hand
nehmen. Im übrigen kan sich 6tò Creditor mit obverstandener Exceptione Dominii
alieni gegen den Debitorem niemal schützen, und eben sowenig auch 7mo
Exceptionem Præscriptionis, solang die Zeit auch immer seyn mögte, hierinfalls
einwenden.
De
Actionibus possessoriis in Pfandschaften.
§.
22. Wird der Creditor in dem Besitz des ihm eingeantworteten Pfands entweder
von dem Debitore selbst, oder von anderen beunruhiget, oder gar mit Gewalt herausgesetzt,
so kan er 1mò gegen selbe ex Interdicto retinendæ, respectivè recuperandæ
Possessionis auf Art und Maaß, wie in nächstvorhergehendem Capitul §. 11. &
12. versehen ist, agiren. Ist er aber nicht in Possessione des Pfands, so kan
er solche 2dò aus dem sogenannten Interdicto Salviano erlangen, welches von der
(139)
Actione Hypothecariâ soweit unterschieden ist, daß hierin auch gegen einen
Dritten das Jus oppignorandi nicht, sondern nur das Factum der angeblichen
Oppignoration nebst der Possession des Beklagtens erwiesen werden darf, mithin
die Prob, daß es an dem Jure oppignorandi gefehlt habe, dem Gegentheil
gleichwol in Petitorio obliegt. Nebst deme hat obbemelte Exceptio Excussionis
bey dieser Possessions-Klag niemal statt.
Von
dem Beweis der Pfandschaft.
§.
23. Wer sich 1mò auf eine Pfandschaft beziehet, muß solche auch gnüglich
erweisen, und zwar wenn es 2dò ein Pfand ist, welches ohne Schrift nicht
bestehen kan, so muß der Beweis durch die nemliche schriftliche Urkund
geschehen, ausser wenn solche verlohren gegangen, welchenfalls die Prob auch
auf andere Weis gemacht werden kan. Faust-Pfänder können 3tiò in Ermanglung
anderer Prob allenfalls durch den Eid des Creditoris erwiesen werden.
Gerichtliche Einsätz und Pfandschaften lassen zwar 4tò den Beweis sowol durch
Gezeugschaften, als andere Ordinari-Probsmittel zu, wenn aber dieselbe durch
eine gerichtliche Urkund erwiesen seynd, so machen sie stärkeren Beweis, und
gehen demjenigen allzeit vor, der den älteren gerichtlichen Einsatz nur durch
Gezeugen oder andere aussergerichtliche Probsmittel darthut. 5tò Laugnet
entweder der Creditor oder Debitor die angebliche Pfandschaft ab, und wird
dessen überwiesen, so soll er willkürlich gestraft werden.
Von
Pignorationen und Pfandungen.
§.
24. Pfandungen, welche nicht soviel zur Sicherheit der Schuld, als aus anderen
Ursachen oder eigenmächtiger Weis vorgenommen werden, seynd mit obigen
Pfandschaften nicht zu vermengen, und ist folgendes hievon zu merken. 1mò Seynd
regulariter alle Pignorationes, welche einer gegen den anderen um seines
vermeinten Rechts oder Anspruchswegen aus eigner Gewalt verhengt, bey
willkürlicher Straf verbotten. Jene ausgenommen, welche man 2dò um zugefügten
Schadenswillen vornimmt, wobey aber 3tiò erforderlich ist, daß der Schade nicht
nur geschehen, sondern auch ohne vornehmender Pfandung
(140)
schwer zu beweisen, oder zu erholen seye. 4tò Muß die Pignoration solchenfalls
auf frischer That geschehen, auch 5tò keine unnöthig- oder allzusichtige
Uebermaß hierunter gebraucht, vielweniger mit Schlägen und anderen
ungebürlichen (!) Excessen zu Werk gegangen werden. 6tò Soll man das Pfand
baldmöglichst, und wenn keine ehehafte Hindernuß im Weeg liegt, längst inner
drey Tägen für Gericht bringen. 7mo Hat die Pfandung nicht nur gegen Viehe und
Aetz- und anderen Schaden, sondern auch gegen Menschen, z. E. um überäckeren,
übermähen, überzäunen, überfahren, überreitten und dergleichen Beschädigungen
statt, wenn aber 8vò Viehe gepfändet wird, so soll solches Pignorato, sofern er
bekannt ist, gleich des anderen Tags in Beyseyn zweyer Gezeugen zugesellt, und
ein anderes unessendes Pfand von ihm ausgehändiget werden, da im wiedrigen Fall
die auf seine Kösten zu verhörende Gezeugschaft statt des Pfands dient. Eine
solche förmliche Pignoration, welche 9no auf obbemelte Weis vorgenommen wird,
hat sowol in Ansehen des Beweis, als der Gerichtsbarkeit und
Satisfactions-Leistung dreyfache Würkung, und zwar soviel 10mò das Forum oder
die Gerichtsbarkeit betrift, so gebührt die Verhandlung dem Gericht des Orts,
wo der Schaden geschehen ist, und falls Pignoratus unter einem anderen Gericht
sitzt, muß er auf Requisition von dort verschaft werden, ohngeacht Pignorant
etwan selbst in Loco Damni dati die Jurisdiction hat, dann dieser ist nicht
schuldig das Pfand an den höheren Richter zu bringen, oder Pignorato in ein
anderes Gericht nachzufahren, sondern er nimmt die Verhandlung mittels
Bestellung eines unpartheyischen Richters selbst vor. Den Beweis belangend, ist
11mò Pignorans den angeblichen Schaden zu beweisen nicht schuldig, sondern das
Pfand soll statt der Prob seyn, solange nicht Pignoratus beweisen kan, daß
entweder gar kein Schaden geschehen, oder von anderen als von ihm und seinem
Viehe zugefügt, oder das Pfand anderer Ursach wegen abgenommen worden seye. Es
ist auch der Kläger auf das Pfand zu schwören nicht schuldig, ausgenommen, wenn
die Pfandung nächtlicherweil geschehen ist. Was aber endlich 12mò die
Satisfaction betrift, muß Pignoratus inner drey Tägen nach dem richterlichen
Ausspruch das Pfand lösen, oder es wird solches nach Maaßgab des Cod. Jud. cap.
18. §. 17. verkauft. Man ist ferner nicht schuldig mit dem Verkauf so lang zu
zuwarten, bis das Pfand durch die Schäden und Gerichts-Kösten absumirt ist. Die
Repignoration oder Gegenpfändung
(141)
hat 13tiò bey willkürlicher Straf niemal statt, und falls 14tò die Pignoration
selbst unförmlich und illegaliter vorgenommen wird, so fallt obgedachte
dreyfache Würkung hinweg, und muß Pignorant nicht nur Pignorato in das Gericht,
worunter er seßhaft ist, nachfahren und seinen angeblichen Schaden auf andere
Weis als mittels des abgenommenen Pfands gnüglich beweisen, sondern auch dieses
alsofort wiederum restituiren, und verfallt annebens der Obrigkeit des Orts, wo
die ungebührliche Pignoration geschehen ist, in willkürliche Straf.
Von
den sogenannten Obstagio, wie auch von Grundherrlichen Auspfändungen.
§.
25. Das sogenannte Obstagium, Kraft dessen sich der Schuldner nach Ausgang des
beliebten Termins an dem bestimmten Ort auf eigne Kösten persönlich stellen,
und ohne Erlaubnuß des Creditoris vor entrichteter Schuld nicht von dannen
gehen solle, ist in hiesigen Landen nicht gebräuchig, und soll auch hinführo
auf dergleichen Pacta von keiner Obrigkeit gesprochen werden. Von
Grundherrlichen Auspfändungen aber siehe unten P. 4. cap. 7. §. 27.
(142)
Siebendes Capitul
Von
Dienstbarkeiten (Servitutibus) überhaupt.
Was
die Dienstbarkeit seye?
§.
1. Die Dienstbarkeit ist eine Gerechtsame, welcher man sich zu eignen Besten
auf fremden Gut zu erfreuen hat.
Wie
vielerley?
§. 2.
Sie ist unterschiedlich, und zwar 1mò affirmativa, wenn derjenige, welcher
hierzu verbunden ist, entweder in dem Seinigen etwas zu leiden oder zu thun
hat. 2dò Negativa, wenn von ihm etwas unterlassen werden soll. 3tiò Continua,
welche für sich selbst ohne menschlicher Uebung bestehet, wie z. E. Servitus
tigni immittendi, Stillicidii &c. 4tò Discontinua, deren Gebrauch lediglich
auf menschlicher Uebung beruhet, mithin auch öfters unterbrochen wird, wie z.
E. Servitus Viæ, Actûs, Pascui &c. 5tò Realis oder eine
Grund-Dienstbarkeit, wenn man selbe auf fremden Gut von seines daran
stossenden, oder in gewisser Maaß benachtbarten Gutswegen hergebracht hat,
gestalten das letztere in dieser Absicht Prædium dominas, und das fremde
serviens benamset wird. 6tò Personalis, welche man ohne Absicht auf ein
gewisses Gut in alieno gaudirt, als da insonderheit das
Benutzungs-Scharwerks-Zehends- und andere dergleichen Rechte seynd, wovon das
mehrere im folgenden 9ten 10ten und 11ten Capitul zu sehen ist. 7mo Urbana vel
Rustica, das ist, eine Haus- oder Feld- Dienstbarkeit, wovon im nächstfolgenden
8ten Capitul gehandlet wird.
Wie
sie constituirt werde?
§.
3. Die Dienstbarkeit wird 1mò meistentheils entweder durch rechtliche
Disposition sowol unter Lebendigen als von Todwegen,
(143)
oder durch Verjährung constituirt, und kan dieses 2dò nicht nur unter gewissen
Bedingnussen oder Modificationen, sondern auch von einer gewissen Zeit an, oder
nur auf gewisse Zeit, nach hiesigen Recht und Lands-Gebrauch, allerdings geschehen, ohne daß die Servitut derwegen in
ein anderer Gerechtigkeit verwandlet wird. 3tio Wenn billicher Zweifel
vorfallt, ob man die Dienstbarkeit nur personaliter, oder in Absicht auf ein
gewisses Gut realiter constituirt habe, so wird das erste allzeit mehr gemuthmasset,
wo nicht das letztere aus denen Worten oder Werken und Umständen deutlich gnug
erscheint.
Wie
durch rechtliche Disposition?
§.
4. Auf Seiten des Constituentens wird erfordert, daß er 1mò von der Sach,
welche mit der Dienstbarkeit beschwert werden solle, Herr seye, und damit
disponiren zu können, freye Macht habe. Solchemnach kan 2dò keiner in
gemeinschaftlich- und ungetheilter Sache, zu Præjuditz und Nachtheil des
Condomini, ohne dessen Bewilligung eine solche Bürde auf sich nehmen,
vielweniger 3tiò eine fremde Sach, woran er gar keinen Theil hat, damit
beladen, es seye dann, daß er erst hernach das Eigenthum davon erlangt,
welchenfalls die Handlung reconvalescirt. 4tò Kan auch ein blosser Nutzniesser,
oder welcher nur Dominium revocabile hat, eine Servitut länger nicht
constituiren, als seines Orts der Ususfructus, oder verstandenes Dominium
andaurt, massen sofort mit selben auch die auferlegte Bürd hinwegfallt. Auf
Seiten des Acquirentens wird zwar 5tò nach Römischen Rechten das Eigenthum in
Prædio dominante bey denen Grund-Dienstbarkeiten erfordert, nach teutsch- und
hiesigen Land-Rechten aber kan solche auch ein blosser Usufructuarius, und zwar
für beständig auf das Gut bringen, immassen ein gleiches 6tò per Negotiorum
Gestorem oder Condominum, und um soviel mehr durch einen Anwald geschehen mag.
Wie
durch die Verjährung?
§.
5. Von Verjährung deren Personal-Dienstbarkeiten siehe cap. seq. 9. &c.
Soviel die Grund-Dienstbarkeiten in diesem Stück belangt, ist 1mò unter
Servitutibus continuis & discontinuis
(144)
zu distinguiren. Jene werden unter Anwesenden inner zehen, unter Abwesenden
inner zwanzig Jahren præscribirt, sofern hierbey entweder ein hinlänglicher
Ankunfts-Titul, oder wenigst, daß der Gegentheil solches gewußt, und gestattet
habe, gnüglich bewiesen werden kan, anerwogen solch- letzterenfalls Scientia
& Patientia statt des Tituls dient. In vierzig-jähriger Præscription aber
braucht man 2dò bey erwehnten Servitutibus continuis weder den Titul, noch die
gegentheilige Scientiam & Patientiam darzuthun, sondern beedes wird durch
die Länge der Zeit ersetzt. Discontinuæ Servitutes verjähren sich 3tiò eheunter
nicht, als nach unfürdenklicher Seit, ausgenommen, wenn man nebst einem
tauglichen Titul auch verstandene Scientiam & Patientiam beweisen kan, dann
da wird die Verjährung inner zehen, und unter Abwesenden inner zwanzig Jahren
vollbracht. 4tò Ist in allen Verjährungen deren Dienstbarkeiten ohne
Unterschied, ob sie unterbrochen- oder ununterbrochen Gebrauchs seynd,
erforderlich, daß man sich derselben nicht aus blossen nachbarlichen Vertrauen
und Freundschaft, sondern in Meinung eine rechtliche Befugnuß dadurch zu
erlangen, (non ex Precario vel merâ Familiaritate, sed Jure Servitutis)
gebraucht habe, welch- letzteres jedoch niemal præsumirt wird, sondern bewiesen
werden muß, es seye dann bereits ein lang- und wenigst zehen- jähriger Gebrauch
vorhanden, dann da muß der Gegentheil, welcher nur ein blosses Precarium oder
Familiarität daraus machen will, den Beweis auf sich nehmen. 5tò Wird
obgedachte Zeit deren zehen, und respectivè zwanzig Jahren in Verjährung einer
durch Kauf an sich gebrachter Dienstbarkeit hiesigen Land-Recht nach auf die Helfte herunter gesetzt.
Würkung
der Dienstbarkeit.
§.
6. Die Würkungen einer Grund-Dienstbarkeit bestehen hauptsächlich darin. 1mò
Erwachset hieraus ein Jus reale, welches sowol auf dem Prædio dominante als
serviente der gestalt haftet, daß es mit denen Gütern und deren Anwachs sowol
activè als passivè auf jeden Innhaber mitfortgehet. 2dò Hangt zwar solches
nicht nur dem ganzen Gut, sondern auch jeden Theil oder Stück desselben an, kan
aber gleichwol nicht allzeit auf jeden Stück des Prædii servientis würklich
ausgeübt werden, sondern man hat sich mit dem Gebrauch,
(145)
zuförderst nach denen Pactis und dem Herkommen, oder wo solche ermanglen, nach
denen Statutis, oder der Billichkeit, und was der Natur oder besonderer
Eigenschaft jeder Servitut gemäß ist, zu richten. 3tiò Ist der Eigenthümer des
Prædii dominantis auf eigne Kösten in Prædio serviente alles zu thun befugt,
was zu Ausübung seiner Gerechtsame vonnöthen ist. Dahingegen wird ihm 4tò
dasjenige, was nur zur besseren Gemäch- oder Bequemlichkeit in dem Gebrauch der
Servitut dient, weiter nicht gestattet, als es ohne Schaden des Dienstbaren
Guts oder Innhabers geschehen mag. 5tò Darf der Eigenthümer auf seinem Grund
nichts bauen, oder sonst vornehmen, wodurch dem anderen sein
Dienstbarkeits-Recht zum Theil oder ganz benommen, geschmählert oder erschwert
wird, was er aber zu seinen Nutzen hierauf bauet oder macht, ohne daß es dem
anderen Schaden thut, sondern die Dienstbarkeit ohngeacht dessen der Nothdurft
nach gebraucht werden mag, das kan und soll man ihm auch nicht verwehren.
Desgleichen mag ihn 6tò der Eigenthümer des Prædii dominantis an der
Veräusserung des Prædii servientis um soweniger hindern, als das Onus nichts
desto weniger allzeit darauf bleibt. 7mô Ist die Servitut an sich eine
untheilbare Sach, und wird also auf den Fall, wenn sie mehrern constituirt
worden, von jedem in solidum exercirt. 8vò Pflegt man solche in zweifelhaften
Fällen allzeit auf das engst- und eingeschränktiste zu erklären, jedoch niemal
so weit, daß sie gar alle Würkung dadurch verliehrt. Von denen aus dem
Dienstbarkeits-Recht fliessenden Actionibus siehe §vum seq. 8. &c. und von
denen Würkungen der Personal-Servituten cap. seq. 9. 10. & 11.
Wie
die Dienstbarkeit wiederum aufhört?
§.
7. Wie und auf was Weis die Personal- Dienstbarkeiten erlöschen, ist in
mehrberührten neunt- und folgenden Capituln zu ersehen. Die
Grund-Dienstbarkeiten aber hören auf 1mò durch den Verlauf der Zeit, worauf
dieselbe durch Geding eingeschränkt worden. 2dò Wenn das Recht desjenigen,
welcher die Servitut constituirt hat, wegfallt, wie z. E. bey einem
Nutzniesser, Vasallen, und mehr dergleichen, so nur Dominium revocabile haben.
3tiò Durch die Consolidation deren Güteren, da nemlich Prædium dominans und
serviens ganz und auf unwiederrufliche Weis zusammen unter einen Herrn
(146)
kommen, welchenfalls auch die einmal erloschene Servitut durch Veräusserung
eines von beeden consolidirten Gütern nicht wiederum reviviscirt. 4tò Durch den
totalen Untergang des Prædii dominantis oder servientis, z. E. durch
Niederreissung eines Hauses, oder Ueberschwemmung eines Grunds, jedoch
dergestalt, daß die Servitut durch Wiedererbauung des Haus, oder Ablauf des
Wassers in vorigen Stand gesetzt wird. 5tò Durch ausdrücklich- oder
stillschweigende Renunciation, welch-letztere theils per non Usum, theils durch
andere der Servitut zuwiederlauffende Facta, sofern man denenselben acquiescirt,
zu geschehen pflegt, wobey aber auch zu merken ist, daß wo mehrley Servitutes
auf einem Gut zugleich haften, man eine durch Begebung der anderen keinesweegs
verliehrt. Von dem non Usu siehe insonderheit nächstfolgenden 8ten §vum.
Wie
per non Usum?
§.
8. Wenn man sich der Dienstbarkeit weder selbst, noch durch andere mehr
gebraucht , so ist 1mò zwischen Servitutibus continuis & discontinuis ein
Unterschied zu machen. Jene erlöschen zwar per non Usum inner zehen, und unter
Abwesenden inner zwanzig Jahren, jedoch andergestalt nicht, als wenn der
Innhaber des Prædii servientis etwas thut, welches der Dienstbarkeit entgegen
ist. In discontinuis ist 2dò weiter zu unterscheiden, ob man die Dienstbarkeit
nicht jederzeit, und nach Gelegenheit, sondern nur zu gewissen Zeiten
Abwechslungsweis zu gebrauchen befugt seye? Dafern nun diese Abwechslung nur
Stunden- Täg- oder Wochenweis geschiehet, so erlöscht die Servitut per non Usum
ebenfalls in zehen, und unter Abwesenden in zwanzig Jahren. Geschiehet sie aber
Monat- oder Jahrsweis, so wird obige Zeit verdoppelt. Wohingegen weder in ein-
noch anderen Fall auf Seiten des Prædii servientis ein solches Factum wie in
Servitutibus continuis erfordert wird. Zwischen Haus- und Feld-Dienstbarkeiten
ist 3tiò Disfalls kein Unterschied. 4tò Stehet auch mala Fides in diesem Stück
niemal entgegen, weil der Nichtgebrauch eine stillschweigende Renunciation ist,
mithin das Recht nicht soviel præscribirt als vergeben wird. 5tò Muß endlich
non Usus mit dem Abusu nicht vermischt werden, dann der Mißbrauch hebt den
guten Gebrauch niemal auf, es seye dann ein ausdrückliches Pactum oder die
Obrigkeitliche Commination bei Verlust der Gerechtigkeit vorausgegangen.
(147)
Von denen Actionibus in Dienstbarkeiten.
§.
9. Bei Servituts-Klagen ist 1mò inter Servitutem constituendam &
constitutam ein Unterschied. Servitus constituenda wird genannt, wenn sie noch
nicht würklich übergeben, sondern nur versprochen und zugesagt ist. Constituta
hingegen, wenn sie würklich übergeben, oder wenigst, wie es in letztwilligen
Dispositionen zu geschehen pflegt, die Gerechtigkeit ipso Jure transferirt ist.
Wie und auf was Weis nun 2dò die Uebergab hierinfalls geschehe, siehe oben cap.
3. §. 8. in princ. Es würkt aber 3tiò Servitus constituenda, oder das blosse Versprechen
kein mehrers als Jus merè personale, folglich kan auch hierauf kein Dritter,
sondern nur der Versprecher und dessen Erben allein dahin belangt werden, daß
die Servitut zum Stand gebracht, und dasjenige erfüllt werde, was man in Kraft
der Zusag zu thun, zu gestatten, oder zu unterlassen hat. Servitus constituta
hingegen giebt 4tò ein Jus reale, worauf sich die sogenannte Actio confessoria
samt der derselben entgegen gesetzter Actione negatoriâ hauptsächlich gründet.
Sowol von einer als der anderen siehe §vum seq. 9. & 10. Soviel endlich 5tò
das Possessorium betrift, worin man nur lediglich auf das Innhaben der Servitut
klagt, hat solches in Grund-Dienstbarkeiten nicht statt, und wer demnach seine
Klag hierinfalls nur auf die Possession gründet, der soll von solanger Zeit
articuliren, als nach Maaßgab obigen fünften §vi zur Verjährung sothaner
Dienstbarkeit erforderlich ist, welches sich aber auch 6tò nur von
Grund-Dienstbarkeiten allein, und von der Klag in Possessorio plenario vel
ordinario verstehet, dann quò ad Possessorium momentaneum vel summarissimum
bleibt es bey dem Cod. Jud. cap. 3. §. 5. n. I. Desgleichen greiffen der
anderen Gerechtigkeiten halber, wegen welcher sonst etwan kein Special-Ausnahm
vorhanden ist, Remedia possessoria tam retinendæ quám recuperandæ Possessionis
auf die nemliche Art Platz, wie in cap. præc. 5. §. 11. & 12. überhaupt mit
mehrern geordnet ist.
Von
der Actione con fessoriâ
§.
10. Actio confessoria kommt 1mò jenen zu Guten, welche mit Fug eine Real- oder
Personal- Dienstbarkeit zu suchen haben, und zwar 2dò gegen all jene, welche
Hindernuß hierinn machen oder beeinträchtigen, sonderbar aber gegen den
Besitzer
(148)
des onerirten Guts, oder welcher solches wenigst dolosè zu besitzen aufgehört
hat. Dafern aber 3tiò bemeltes Gut mehr Herren hat, und nur einer allein
Hindernuß im Weeg legt, so kan man ihn auch in solidum hierum belangen.
Dahingegen 4tò ein jeder, welcher an dem Prædio dominante Theil hat, und hieran
gehindert wird, in solidum Klag stellen kan. 5tò Ziehlt diese Real-Action nicht
nur auf die Behauptung der Dienstbarkeit, sondern auch auf Wiedererstattung
aller durch die unbefugte Hindernuß verursachter Schäden, wie nicht weniger auf
die Caution de non turbando und Dictirung eines ergiebigen Pönfalls ab. 6tò Muß
der Kläger nicht nur Servitutem constitutam, sondern auch in
Real-Dienstbarkeiten das Eigenthum des Prædii dominantis oder wenigst den
rechtmässigen Besitz desselben beweisen. 7mo Hat es mit der Actione confessoria
utili, welche die Römische Rechten um anderer in alieno zustehender
Gerechtigkeiten willen mittheilen, die nemliche Beschaffenheit.
Und
negatoriâ.
§.
11. Actio negatoria, wodurch Kläger dem Beklagten die angemaßte Dienstbarkeit,
oder andere dergleichen Gerechtigkeit in dem Seinigen wiederspricht, gehet 1mò
dahin, daß man von dieser Burd freygesprochen, dem Gegentheil aber all weitere
Anmassung hierin untersagt, oder wenn er in der hergebrachten Servitut
excedirt, derselbe in gebührende Schranken gesetzt werde. 2dò Fundirt sich
diese Klag in der natürlichen Freyheit, folglich ist der Kläger, welcher dem
Beklagten seine angemaßte Gerechtsame nur simpliciter negirt, den Beweis zu
machen nicht verbunden, sondern es muß vielmehr der Beklagte selbst die
angebliche Servitut, oder Gerechtigkeit, ohngeacht er etwan in Possessione
momentaneâ wäre, erweisen, weil die sonst in Regulâ für den Besitz obwaltende
rechtliche Muthmassung soviel das Momentaneum betrift, nicht so stark, als die
pro Libertate naturali ist, wenn demnach in besagten Possessorio momentaneo auf
die Servitut einmal gesprochen worden, so bleibt zwar der Obsieger solang im
Besitz, bis in Petitorio ein anderes erkannt wird, aber von dem Beweis, welcher
auf die in jetztbemelten Petitorio gestellte Actionem negatoriam gemacht werden
soll, ist er nicht befreyet, er seye dann wenigst in zehen-jährig- ruhigen
Besitz gewest, welchenfalls die Præsumptio pro Libertate der pro Possessione
solang ausweicht, bis gleichwol die Freyheit in Petitorio gnüglich dargethan
ist.
(149)
Achtes Capitul
Von
Haus- und Feld-Dienstbarkeiten, wieauch anderen dergleichen ähnlichen
Gerechtigkeiten.
Unterschied
zwischen Haus- und Feld-Dienstbarkeiten.
§.
1. Bey Unterscheidung deren Haus- und Feld-Dienstbarkeiten soll weder auf die
Lag und den Ort, noch den Zweck und Gebrauch derselben gesehen werden, sondern
wenn einer auf des anderen Haus, Stadel, Stallung oder anderen dergleichen
Gebäu eine Dienstbarkeit hat, so heißt es eine Haus-Dienstbarkeit, (Servitus
urbana) die auf Grund- Stücken, Aeckern, Wiesen, Gärten, Holzwachs, Wasser und
Weyern hergebrachte Dienstbarkeiten aber werden Feld- Dienstbarkeiten
(Servitutes rusticæ) genannt. Beede werden unter die Servitutes reales
gerechnet, und pflegt man denen von erster Gattung insgemein die in §vo seq. 2.
bis 10. inclusivè, denen von der anderen aber die in §vo seq. 11. bis 14.
exclusivè beyzuzehlen.
Insonderheit
von der Servitute tigni immittendi.
§.
2. Vermög des Balken- oder Tram-Rechts ist man zwar befugt, einen Tram oder
Balken in des Nachbars Mauer einzuschieben, damit er alldort ruhe, wenn aber an
dem Tram selbst, oder an der Mauer eine Reparation vonnöthen ist, so tragt der
Dominus Prædii dominantis die Kösten, und muß sich bey der Erneuerung allzeit
wiederum nach der vorigen Bau-Art richten.
Oneris
ferendi
§.
3. Das Recht auf des anderen Mauer oder Untergebäu etwas legen oder bauen zu
darffen gehet weiter als das Tram-Recht, und ist der Dominus Prædii servientis
schuldig, verstandenes Untergebäu auf eigne Kösten zu unterhalten, oder da
(150)
er sich hierzu nicht einverstehen will, das ganze Prædium serviens an den
Dominum Prædii dominantis zu überlassen. Die währender Reparation des
Untergebäu zu Unterstützung des oberen erforderliche Kösten hat dieser letztere
zu bestreitten.
Altiùs
non tollendi,
§.
4. Die Verbindlichkeit, mit seinem Gebäu nicht höher auffahren zu därffen,
hindert nicht, daß der Dominus Prædii servientis nicht ein Altan mit Bäum oder
Pflanzen darauf setzen kann.
Altiùs
tollendi
§.
5. Regulariter hat zwar jeder die Freyheit auf dem Seinigen so hoch zu bauen,
als ihm beliebig ist, wenn aber durch besonderer Statuta oder Local-Gebräuch
eine gewisse Maaß hierin gesetzt ist, so darf solche eigenmächtiger Weis von
Niemand überschritten werden, der nicht die Befugnuß höher zu bauen specialiter
hergebracht hat. Nebst deme kan sich auch Servitus altiùs tollendi ergeben,
wenn der Nachbar Vermög Revers höher aufzubauen verbunden ist.
Projiciendi
& protegendi,
§.
6. Wenn Jemand von seiner Wand mittels eines freyen Erkers, Wetterdachs, oder
anderen dergleichen weder in die fremde Wand eingeschoben- noch darauf ruhenden
Gebäu in des Nachbars Hof, Garten, oder Grund hinauszufahren berechtiget ist,
so heißt es Servitus projiciendi vel protegendi, woraus aber weder das Jus
Stillicidii noch Aquæ immittendæ gefolgert werden kan. Wol hingegen folget
sowol aus ein- als anderen, daß der Nachbar die in seinem Grund hinüber
hangende Aest des auf dem Prædio dominante stehenden Baums nicht abhauen darf,
wie er dessen sonst ohne sothaner Servitut wol berechtiget wäre.
Luminum
& Prospectûs,
§.
7. Dafern Jemand um des Liechts- oder Aussehens-willen entweder 1mò die Öffnung
in seiner eigenthümlich- oder gemeinschaftlicher Wand leiden muß, oder damit er
2dò dem anderen selbst nicht einsehen kan, dieselbe nicht öffnen darf, oder
3tiò in dem Seinigen all jenes, was anderen das Liecht, oder
(151)
die Aussicht hinderen könte, unterlassen muß, so wird das erste Servitus
immittendi Luminis vel Fenestrarum, das zweyte Servitus officiendi Luminibus
vel Prospectui, und das dritte Servitus non officiendi Luminibus vel Prospectui
genannt.
Stillicidii,
§.
8. Das Trauf- Recht kan sich sowol activè als passivè ergeben, da man nemlich
das Tach-Trauf (!) von seinem Haus oder Gebäu in dem benachbarten Grund fallen
zu lassen entweder befugt, oder aber verbunden ist.
Fluminis,
§.
9. Mit der Servitute Fluminis hat es die nemliche Beschaffenheit, wie mit dem
Trauf-Recht, und ist kein anderer Unterschied, als daß eines Tropffenweis, das
andere aber Flußweis durch Canal oder Rinnen zu gehen pflegt.
Andere
dergleichen Haus-Dienstbarkeiten.
§.
10. Nebst obigen seynd noch mehr Haus-Dienstbarkeiten, insonderheit Servitus
Cloacæ aut Aquæ immittendæ, Fumi aut positum habendi. Da nemlich der Nachbar
schuldig, ist, das Privet nahe an seine Wand anlegen- oder gar auf seinen Grund
leiten zu lassen, den Ausguß des Wassers oder anderer Unreinigkeit,
ausserordentlichen Rauch, oder eine Niederlag und dergleichen zu gestatten.
Von
Feld-Dienstbarkeiten, und zwar de Servitute Itineris, Viæ & Actûs.
§.
11. Unter die Feld-Dienstbarkeiten gehört 1mò der Fußsteig oder Durchgang,
(Servitus Itineris. 2dò Die Straß oder Durchfuhr, Servitus Viæ. 3tiò Der
Durchtrieb des Viehes. Servitus Actûs.) Ad 1mum Wird der Durchgang oder
Fußsteig auf fremden Grund nicht nur dem Domino Prædii dominantis, sondern auch
seinen Kindern, Domestiquen und anderen, welche mit ihm zuthun haben,
gestattet, es kan auch solches zu Fuß und zu Pferd, jedoch ohne Fuhrwerk
geschehen. Hiernächst muß wenigst ein Spatium von drey Werk- Schuhen in der
Breite zu dem Ende offen gelassen werden. Ad 2dum Kan derjenige, welcher
Servitutem Viæ hat, nicht nur
(152)
darauf gehen und reitten, sondern auch mit beladen- oder unbeladenen Wägen
fahren, und wo kein Besonderes bedungen oder hergebracht ist, da soll der
Fahrweeg acht Werk- Schuhe breit in der Grade, und sechzehen in der Krümme
seyn. Ad 3tium Soll man bey dem Durchtrieb oder Servitute Actûs ebenfalls vor
all anderen auf die Pacta, oder das Herkommen sehen. Wenn aber nichts dadurch
bestimmt ist, so erstreckt sich solcher sowol auf Horn- als all anderes Viehe,
und insonderheit auch auf Last-Thier. Der Ort, wo man durchtreibt, muß wenigst
acht Werk-Schuh breit seyn, und da sich etwan eine Irrung hierüber ergiebt, so
soll die Obrigkeit einen zwar bequemen, jedoch solchen Ort auszeigen, wo dem
Eigenthums-Herrn auf seinem Grund nicht mehr Schaden geschiehet, als was die
Eigenschaft dieser Dienstbarkeit mit sich bringt. Es pflegt auch der Durchtrieb
allzeit nur mit fliegender Geisel zu geschehen, folglich kan man sich der Weid
oder des Blum-Besuchs, sofern nicht ein anderes hergebracht ist, keineswegs
hierunter anmassen. Im übrigen ist Servitus Actûs zwar wol unter der Servitute
Viæ, nicht aber Itineris begriffen, und wer nur des Durchtriebs allein
berechtiget ist, kan sich selbiger Orten des Gangsteigs oder Fahrweegs nur
währenden Trieb und soweit es hierzu vonnöthen ist, bedienen.
Aquæ
Haustûs, Pecoris ad Aquam Appulsus & Aquæ ductus
§.
12. 1mò Aus fremden Brunnen, Teich und Privat- Flüssen Wasser zu schöpffen, daß
Viehe zur Tränk alldahin zu treiben, Wasser von dort ab- und auf seinen Grund
entweder unmittelbar oder über die dazwischen liegende fremde Gründe zu leiten,
gehört ebenfalls zu denen Feld- Dienstbarkeiten, doch soll der Innhaber des
Prædii dominantis ohne Geding oder Herkommen dergleichen Recht niemal von einer
Specie auf die andere extendiren, sofern dem Prædio servienti eine grössere
Beschwerde dadurch zugehet. Es begreiffen auch 2dò die erste zwei Gattungen
obgedachte Servitutem Viæ, Actûs, Itineris soweit unter sich, als man derselben
zur Wasser-Schöpffung oder Vieh-Tränk benöthiget ist. Ausser obgedachter
Servitut aber hat 3tiò weder aus fremden Brunnen, und Wasser noch über fremde
Gründe ohne allerseitiger Eigenthumus-Herrn Bewilligung eine eigenmächtige
Wasser-Leitung statt, und wenn hienächst 4tò dieselbe gar aus einem
offentlichen Stromm (!), (Flumine publico) oder über offentliche freye
(153)
Land- und Heer-Strassen (Viam publicam)
geführt werden solle, so gehet dieses auch ohne Lands-Herrschaftlich-gnädigster
Bewilligung nicht an. Wer aber 5tò die Wasser-Leitungs-Gerechtigkeit einmal
erlangt hat, der ist auch ohne weiteren Consens der nöthigen Ausbesserung,
sofern nur nichts neues hierunter gemacht, sondern die vorige Gestalt der Sach
beybehalten wird, allerdings befugt. Wo im übrigen 6tò bey gemeinen Bächen oder
Wasser-Leitungen auch alle anliegende Theilhaber, welche Nutzen von dem Wasser
haben, zu denen nöthigen Ausbesserungs-Kösten concurriren. Von anderen
Wasser-Werken, welche nicht zur Leitung angesehen seynd, kommt unten p. 4. cap.
16. §. 11. das mehrere vor.
Pascendi
§.
13. Der Trieb oder Blum-Besuch, kraft dessen man sein Viehe auf fremden Grund
weiden lassen darf, erstreckt sich 1mò regulariter sowol auf Horn- als all
anderes Viehe, ausgenommen was krank oder inficirt ist. 2dò Darf zwar die
Anzahl des Viehes, sofern eine determinirt ist, ohne Bewilligung deren
Interessenten nicht überschritten werden, dahingegen pflegt man aber auch das
junge Viehe, welches noch kein Jahr alt ist, niemal miteinzurechnen. 3tiò Wenn
der Zeit und des Orts halber, wo und wenn nemlich die Weid gebraucht werden
mag, nichts gewisses ausgemacht ist, so findet solche zu aller Zeit, und auf
allen Stücken des mit dieser Dienstbarkeit behafteten Grunds ohne Wiederred
Platz. Jedoch 4tò soviel die Holz-Gründ und Waldungen betrift, jedesmal mit
Beobachtung dessen, was die Forst-Ordnung überhaupt mit sich bringt. 5tò Ist
nicht erlaubt, das Gras statt der Weid abmähen zu lassen, und die Gerechtigkeit
auf diese oder andere Art eigenmächtiger Weis abzuänderen. 6tò Kan der
Eigenthümer sich der Mitweidschaft nur soweit bedienen, als solches zu Abbruch
oder Schmälerung der Dienstbarkeit nicht gereicht. 7mo Mag auch der dienstbare
Grund nicht von ihm angebauet werden, es seye dann, daß das jus pascendi nur zu
offenen Zeiten nach abgeraumten Feldern darauf hergebracht, oder noch
hinlängliche Weidschaft auf anderen Gründen vorhanden ist. Dafern endlich 8vò
mehr Prædia dominantia oder von einem Prædio mehr Domini sich dieser Servitut
auf dem nemlichen Grund zu erfreuen haben, so soll sie die Obrigkeit bei
entstehender Irrung zu vereinigen, oder ex æquo & bono abzutheilen suchen.
(154)
Jus Compascui
§.
14. Gemein oder Koppel-Weid, welche einer ganzen Stadt, Markt, Dorfschaft oder
anderer Communität auf Gemeinds-Gründen zustehet, wird zwar 1mò nicht Jure
Servitutis, sondern Communitatis & Condominii exercirt, nichts destoweniger
soll man es bei denen sich hierüber ergebenden Strittigkeiten mit Ausführ- und
Beweisung sothanen Rechts auf die nemliche Art, wie oben mit denen
Dienstbarkeiten überhaupt geordnet ist, beobachten. 2dò Hat jeder, welcher von
der Communität ist, Theil an sothaner Gemein-Weid, und seynd die Innwohner
gefreyten Stands sowenig als andere, welche die Onera Communitatis mittragen
helffen, davon ausgeschlossen. 3tiò Soll keiner von der Gemeinde mehr Vieh auf
die Gemein-Weid treiben, als er mit der Fütterey von seinem Gut überwinteren
kan. 4tò Ist auch denen Hofmarchs- und anderen in Loco Communitatis wohnenden
Gerichts-Herrschaften, wie auch jenen, welche den Hof-Bau in Pacht haben, nicht
verwehrt, von ihrem eigenen Viehe, soviel zu ihrer Haus-Nothdurft erforderlich
ist, auf die Gemein-Weid zu schlagen, das auf blossen Bestand, oder zur Mast-
und Verkauffung von ihnen angenommene Viehe hingegen wird hierauf nicht
geduldet. 5tò Pflegt man auch mehrbesagte Gemein-Weid nur zu offener Zeit, das
ist, nach abgeraumten Felderen bis auf Georgi zu besuchen. Im übrigen bleibt es
6tò der Schaafen und Schäffereyenhalber bei der Policei- und soviel den Besuch
deren Gemeinds-Hölzern betrift, bey der Forst-Ordnung.
Jus lignandi aut Glandis legendæ &c.
§.
15. Wer in fremden Waldungen das Recht hat, sich daraus behölzen zu därffen,
oder Eichel zu klauben, und Laub zu raumen, der soll sich dessen mit
Bescheidenheit, und der Forst-Ordnung gemäß um somehr gebrauchen, als sich
sogar in eigenthumlichen Waldungen, wo man erwehntes Jus lignandi vel Glandis
legendæ nicht als eine Servitut, sondern Jure Dominii & Proprietatis zu
exerciren hat, allerdings hiernach geachtet werden muß, damit auf solche Weis
nicht nur die Waldungen in ihrem Stand und Wesen beständig verbleiben, sondern
auch demjenigen, welcher etwan die Jagd der Orten hergebracht hat, an seiner
Gerechtsame kein merklicher Abtrag geschehen möge.
(155)
Von denen übrigen Servituten oder ähnlichen Gerechtigkeiten
§.
16. Jetztbenannten Dienstbarkeiten wird ferner beygerechnet das sogenannte
Zwang-Recht, kraft dessen man z. E. eine gewisse Mühl zu besuchen, bei einem
gewissen Wirths- oder Bräuhaus Wein oder respectivè Bier zu kauffen verbunden
ist, item da man auf einem fremden Grund Kalch zu brennen, Ziegel- oder
Glashütten zu errichten, Sand oder Leim zu graben, Stein zu klauben oder zu
brechen, Zäun gegen das Wild, oder Gräben gegen das Wasser zu machen, das Recht
hat, und was dergleichen unbenannte Gerechtigkeiten mehr seynd, welche sich
nicht wol specificiren lassen.
Von
denen Bräu- und Ehehafts-Gerechtigkeiten
§.
17. Die Bräu-Gerechtigkeit sowol zum Haus-Trunk, als Verschleis ist zwar
ebenfalls keine Servitut, doch darf man sich derselben weder auf eigner noch
fremder Bräustatt anmassen, ohne die Lands-Herrschaftliche gnädigste
Bewilligung darüber erhalten zu haben. Desgleichen werden die sogenannte vier
Ehehaften, nemlich Schmidt- Mühl- Bad- und Tafern-Gerechtigkeit weder auf dem
Seinigen noch in Fremden andergestalt als durch Lands-Fürstliche Concession
oder Verjährung von unfürdenklichen Zeiten erlangt, welches sich jedoch nur von
Getreid-Mühlen, nicht aber von Säg- Oehl- und anderen dergleichen Mühlen
verstehet, als welche zum Theil von der Niedergerichtsbarkeit, oder gar von dem
Eigenthum abhangen.
(156)
Neuntes Capitul
Von
der Nutzniessung (Usufructu)
Was
die Nutzniessung seye?
§.
1. Die Nutzniessung ist eine rechtliche Befugnuß fremdes Gut zu benutzen.
Wie
sie erlangt werde?
§.
2. Sie wird 1mò theils durch rechtliche Disposition auf Art und Maaß, wie
andere Servitutes überhaupt, theils durch zehen- und respectivè zwanzig- oder
ohne Titul durch dreyssig-jährige Præscription, öffters aber auch durch das
Gesatz selbst und zuweilen bey strittigen Abtheilungen durch richterlichen
Ausspruch erlangt. Soviel nun 2dò die letztwillig- oder andere Dispositiones
betrift, stehet aus dem Innhalt deren und sonst zu ermessen, ob und wie weit
dieselbe nur von dem Ususfructu allein, oder von dem Eigenthum, oder von beeden
zugleich zu verstehen seyen? 3tiò Die Bedingnuß, daß der Usufructuarius auch
eine andere Servitut neben sich leiden soll, ändert die Natur der Nutzniessung
keinesweegs, und verwandlet solche nicht in das Eigenthum. 4tò Wenn einem ein
gewisses Gut, und dem anderen Ususfructus darauf verschaft wird, so gebührt dem
letzteren die Nutzniessung allein, und hat der erste nichts hievon zu
prætendiren ohngeacht das Römische Recht ein anderes hierin verordnet. 5tò Wird
Ususfructus mehr Personen zugleich verliehen, so acquirirt zwar jeder das Recht
auf dem ganzen Gut in solidum, die Nutzung wird aber pro ratâ soweit getheilt,
als sie sich theilen laßt.
In
was für Sachen?
§.
3. Ususfructus hat 1mò in allen Dingen, sofern sie nur in Patrimonio &
Commercio humano seynd, ja sogar 2dò in sammentlichen Vermögen, jedoch niemal
anders als deducto Ære alieno und wo Noth-Erben vorhanden seynd, salvâ legitimâ
statt.
(157)
Dafern aber auch 3tiò einer Frauen die Lebenslängliche Nutzniessung nicht auf
gewissen Gütern, sondern auf sammentlicher Haabschaft vermacht wird, und ein
oder mehr eheliche Kinder von dem Testatore vorhanden seynd, so gebührt ihr
nach hiesigen Land-Recht mehr nicht als der Standsmässige Unterhalt von
sothaner Haabschaft, die übrige Nutzungen soll sie als Verwalterin denen
Kindern verrechnen, es seye dann eine ander- und nähere Erklärung, wie es
hierinfalls gehalten werden solle, von dem Testatore vorhanden, bey welcher es
sodann, salvâ tamen legitimâ sein Verbleiben hat.
Recht
des Nutzniessers
§.
4. 1mò Gebühren Usufructuario alle Fructus tam naturales quàm civiles, welche
aus dem Gut selbst, dessen Zugehör und Anwachs, oder auch mit Gelegenheit und
in Ansehen desselben genossen werden mögen. 2dò Dient ihm das Gut nicht nur zum
Nutzen, sondern auch zur blossen Zierde und Lustbarkeit. 3tiò Ist er alles zu
thun berechtiget, was zu diesen Zweck erforderlich seyn mag, welches allenfalls
bey entstehender Irrung ex æquo & bono ermessen wird. 4tò Kan derselbe in
Usufructu constituendo zwar nur den Constituenten oder dessen Erben allein
Actione personali zu Berichtigung des versprochenen Ususfructûs, in constituto
hingegen auch jeden anderen, der ihn hierin störrt oder beeinträchtiget,
Actione confessoriâ, und gestalten Dingen nach ex Interdicto retinendæ vel
recuperandæ Possessionis belangen, wie nicht weniger 5tò die entweder Facto
tertii oder Naturâ vel Casu von dem Gut abgesonderte Früchten, soweit sie nicht
schon verjährt, oder bonâ Fide percipirt seynd, von jedem Innhaber vindiciren. 6tò
Fallen ihm die zur Zeit der Acquisition annoch stehend- oder hangende Fructus
naturales über Abzug deren hierauf verwendeter Bau-Kösten gleichfalls zu,
civiles hingegen werden für das letzte Jahr zwischen ihm und dem Proprietario
pro ratâ getheilt. Im übrigen stehet ihm 7mo frey, mit denen Guts-Nutzungen,
solang sein Recht daurt, nach Belieben zu schalten und zu walten, folglich auch
solche an jemand anderen verschreiben, veräusseren, cediren oder überlassen zu
können.
Obligation
desselben
§.
5. 1mò Ist er schuldig, das Gut seiner Zeit nach geendigten Usufructu dem
Eigenthümer oder dessen Erben und Nachkommen
(158)
in dem Stand, wie er es empfangen, samt dem Anwachs und aller Zugehör wiederum
zu restituiren, folglich 2dò solches auf eigne Kösten zu erhalten, und
andergestalt nicht als auf Haus-Wirthschaftliche Art & salvâ Substantiâ zu
benutzen, mithin 3tiò allen Schaden, welcher Dolo vel Culpâ latâ & levi auf
dem Gut durch ihne geschiehet, zu erstatten, auch daß dieses alles 4tò von ihm
genau befolgt werde, auf Art und Maaß, wie in §vo seq. enthalten ist,
hinlängliche Caution zu leisten, 5tò hat er alle auf dem Gut haftend- oder in
Ansehen desselben zu entrichtende Onera zu tragen, oder da ihm solche etwan zu
schwer fallen, sich gleichwol der Nutzniessung zu entschütten. 6tò Kan er sich
des auf dem Gut gefundenen Schatz weiter nicht anmassen, als was dem Inventori,
falls er derjenige ist, laut obigen 3ten cap. 4ten §vi gebührt. 7mo Darf er das
Gut selbst weder verpfänden, noch sonst in anderweeg veräusseren, ausser wenn
ihm diese Macht von dem Eigenthümer specialiter eingeraumt ist, dann da ist er
nicht mehr soviel Usufructuarius als Proprietarius.
De
Cautione Usufructuariâ.
§.
6. Obgedachte Caution, welche nemlich jeder Usufructuarius sowol wegen
Conservir- als Restituirung des nutznießlichen Guts zu præstiren hat, pflegt
1mò nur auf Begehren des Eigenthümers geleistet zu werden, und ist 2dò Niemand
davon befreyet, als erstens der Fiscus, zweytens der Vatter in Ansehen
nutznießlicher Kinder-Gütern, drittens der Fructuarius, welchem zugleich das
Eigenthum nach Ablauf einer gewissen Zeit zufällig werden soll, viertens, der
das Seinige zum Theil oder ganz mit Vorbehaltung des Ususfructûs verschenkt,
fünftens, wenn sich Proprietarius derselben begiebt, welches jedoch durch die
blosse Auslieferung des Nutznießlichen Guts niemal vermuthet wird. 3tiò Aus
mehr Usufructuariis cavirt jeder nur pro ratâ. 4tò Vor geleisteter Caution ist
der Eigenthümer nicht schuldig, dem Usufructuario das Gut ausfolgen zu lassen,
sondern kan zur Sicherheit begehren, daß man selbes verpachte, oder durch einen
anderen auf des Fructuarii Kösten verwalten lasse, welchenfalls jedoch 5tò
diesem letzteren der Pachtschilling, und respectivè die Rechnungs- Aufnahm samt
denen Fructibus des verwalteten Guts gebührt. Ob 6tò in Ermanglung anderer
Caution das blosse Jurament auf Seiten des Usufructuarii hinlänglich seye, muß
theils aus Beschaffenheit
(159)
der Person, theils aus anderen Umständen ermessen werden. Damit sich aber auch
7mo über die Vollziehung dessen, was cavirt worden ist, destoweniger Irrung mit
der Zeit ergeben möge, soll das nutznießliche Gut, zumal auf Begehren des
Eigenthümers, vor der Auslieferung förmlich beschrieben und inventirt, oder
wenn die Auslieferung ohne Inventario schon geschehen ist, von dem
Usufructuario eine beschworne Specification sub Pœnâ Juramenti in Litem
herausgegeben werden, den Vatter oder jene allein ausgenommen, welche der
Inventur durch Geding oder letzten Willen begeben seynd, dann diese thun statt
des Inventarii oder eidlicher Manifestation nur eine getreue Anzeig.
Pflichten
und Rechten des Proprietarii
§.
7. Der Eigenthümer muß 1mò dem Fructuario auf dem nutznießlichen Gut alles
gestatten, was zu desselben rechtmässiger Benutzung erforderlich ist. 2dò Kan
er zwar das Eigenthum auch ohne Wissen oder Willen des Usufructuarii jedoch
niemal anderst, als salvo Jure Ususfructûs verpfänden oder veräusseren. 3tiò
Hat er gegen all jene, welche sich der Nutzniessung ohne Fug und Recht
anmassen, nicht nur obverstandene Actionem negatoriam, sondern auch gestalten
Dingen nach Remedia possessoria an der Hand. Nach geendigtem Usufructu fallt
ihm 4tò das Gut zwar frey wiederum heim, dagegen entrichtet er alle hierauf
verwendete Kösten in der Maaß, wie es jeder anderer bonæ Fidei Possessor
forderen mag oder soll. Die selbiger Zeit noch stehend- oder hangende Früchten
nimmt er 5tò ebenfalls über Abzug deren Bau-Kösten zu sich, Fructus civiles
ultimi Anni aber werden zwischen ihm und dem Usufructuario, oder denen Erben
pro ratâ getheilt.
Wie
der Ususfructus aufhört?
§.
8. Die Nutzniessung hört auf 1mò per non Usum und zwar inner zehen, oder unter
Abwesenden inner zwanzig Jahren, ohne daß ein Verbott oder anderes Factum
hierzu vonnöthen ist. 2dò Durch den völligen Untergang des Nutznießlichen Guts.
3tiò Durch die Existenz des Tags oder der Bedingnuß, worauf der Ususfructus
durch Pacta oder andere Anordnung eingeschränkt ist. 4tò Durch die
Consolidation der Nutzniessung und des Eigenthums, da nemlich z. E. der
Proprietarius dem
(160)
Usufructuario oder dieser vicissim jenem succedirt. 5tò Wenn das Recht
desjenigen, welcher den Usumfructum verliehen hat, aufhört. 6tò Durch
geflissenen Abschleif oder anderen schweren Mißbrauch des Guts. 7mo Endlich
auch durch den Tod des Usufructuarii nach Maaßgab nächstfolgenden §vi.
Wie
durch den Tod?
§.
9. 1mò Erlöscht Ususfructus durch den Tod des Eigenthümers niemalen, wol
hingegen durch den Tod des Usufructuarii, und ist hierinfalls 2dò zwischen dem
natürlich- und Burgerlichen Tod kein Unterschied, z. E. da der Usufructuarius
geächtet, zur ewigen Gefängnuß verdammt, oder in einem der Weltlicher Gütern
unfähigen Geistlichen Orden zur Profession gelassen wird. In einer ganzen
Gemeinde, oder anderen dergleichen Corpore non moriente ist 3tiò in diesem Stück
die gänzliche Dissolution oder Aufhebung des Corporis, oder aber ein
hundert-jähriger Zeit-Verlauf statt des Tods. 4tò Wird bei Verleihung des
Ususfructûs auch öffters der Erben mitgedacht, welchenfalls sich selber zwar
auch auf sie erstreckt, jedoch regulariter nur bis auf den ersten Grad der
Succession und nicht soviel Jure hæreditario als ex primævâ Concessione.
De
Quasi-Usufructu.
§.
10. Quasi-Ususfructus wird genannt, wenn man die Nutzniessung in Wein, Bier,
Brod und dergleichen Dingen erlangt, welche sich ohne Angreiff- oder Verzehrung
der Substanz nicht wol gebrauchen lassen. Der Unterschied zwischen diesem und
obgedachten vero Usufructu bestehet in folgenden: 1mò Erlangt Fructuarius das
Eigenthum der Sach durch die Uebergab, und kan damit, wie in anderen
eigenthümlichen Sachen, nach Belieben disponiren. Dagegen fallt auch 2dò die
Gefahr auf ihn, wenn die Sach Casu verlohren gehet. 3tiò Ist er nach geendigten
Quasi-Usufructu schuldig, das Gut zwar nicht in Specie, doch in Genere, &
eâdem Qualitate aut Quantitate vel Pretio zu restituiren, auch 4tò derwegen auf
Begehren annemliche Caution zu leisten. Im übrigen wird 5tò jetztbemelter
Quasi-Ususfructus auf die nemliche Art, wie Ususfructus verus, verliehen und
geendigt.
(161)
De Servitute Usus
§.
11. Wenn die Nutzniessung fremden Guts nur soweit als die tägliche Nothdurft
mit sich bringt, eingeschränkt ist, so heißt es 1mò Servitus Usûs, und wird 2dò
die Nothdurft nach der Person des Usuarii seinen Stand, Familie, Haushaltung
und dergleichen Umständen, nicht aber nach seinen anderen Vermögen ermessen,
anerwogen auch ein Bemittleter, oder der schon von anderen dergleichen Usum
hat, in Kraft dieser Servitut soviel forderen mag, als seinem Stand nach die
tägliche Nothdurft erheischt. 3tiò Gehören all übrige Nutzungen, welche die
Nothdurft des Usuarii übersteigen, dem Proprietario. 4tò Laßt sich der Usus
nicht theilen, sondern wo mehr Usuarii zugleich seynd, nimmt jeder à Proportion
seiner Nothdurft, desgleichen kan er auch 5tò nicht an andere überlassen werden,
ausser soweit die Sach andergestalt nicht als auf solche Weis zu gebrauchen
ist. Im übrigen kommt derselbe 6tò mit dem Usufructu und soviel die
Consumptibilia betrifft, mit dem quasi Usufructu übereins.
De
Servitute Habitationis
§.
12. Unter jetztgedachter Servitute Usûs und Habitationis ist kein anderer
Unterschied, als daß man sich kraft der letzteren eines fremden Haus für sich
und seine Domestiquen zur blosser Standsmässiger Wohnung, jedoch nicht weiter
gebrauchen darf, und hindert hieran nicht, wenn man bereits selbst mit einem
eigenthümlichen Haus versehen ist.
(162)
Zehendes Capitul
Von
dem Zehend-Recht (Jure Decimarum)
Was
der Zehend seye?
§.
1. Der Zehend ist ein gewisser Antheil von Früchten, welchen man der
Geistlichkeit zum Unterhalt, oder auch anderen von Gesätz- oder
Gewohnheitswegen schuldig ist.
Wie
vielerley?
§.
2. Nach gemeinen Rechten wird derselbe hauptsächlich in den Personal und Real,
dieser letztere aber weiter in den gross- und kleinen Zehend getheilt. Decimæ
personales betreffen den durch blossen Fleiß, z. E. von Amts-Kaufmannschaft-
oder anderer ehrlicher Handthierung-wegen zugegangenen rechtmässigen Gewinn,
reales oder prædiales hingegen nicht nur die an Getreid, Wein, Oehl, Holz,
Obst, Gras und Kräutern, dann andere aus der Erden erzieglete (!) Früchten und
Gewächse, sondern auch die mit Gelegenheit eines Guts an Stiften, Zinsen, und
anderen derley Verreichnussen genossene Fructus civiles, wie nicht weniger
alles, was entweder durch die Jagd, Fischerey und den Vogelfang, oder aber
durch die Vieh-Zucht sowol an dem Viehe selbst, als an Käß, Butter, Milch und
anderen davon zu nutzen gebracht wird. Der grosse Zehend begreift überhaupt nur
die grössere Frucht, als da ist, Wein und Getreid, samt dem Halm oder Stroh,
insonderheit Weitzen, Korn, Fesen, Dunkel, Gersten, Habern, Erbsen, Heidelprey
(!), Linsen, Bonnen und Mischling, der kleine hingegen nur die geringere
Gattung von Früchten, als da ist, Obst, Kraut, Ruben, Flachs, Hanf, Hopfen,
Bräun, Heu, Grummet, Erdäpfel, Toback und dergleichen, nebst dem sogenannten
Blut-Zehend.
(163)
Landesübliche Gattungen desselben.
§.
3. Jetztverstandener Personal-Zehend ist 1mò in hiesigen Landen gar nicht, der
Real oder Prædial aber nur soweit gebräuchig, als er 2dò unter obspecificirten
Gattungen von gross- und kleinen Zehend begriffen ist. 3tiò Giebt man nach
uralter Lands-Observanz den kleinen Zehend überhaupt nur an Orten, wo er
Herkommens ist, und in der Maaß, wie er Herkommens ist. 4tò Wird unter dem
Blut-Zehend nur das Viehe, nicht aber Milch, Butter, Käß und andere von dem
Viehe komende Nutzung verstanden.
Wer
den Zehend zu geben habe?
§.
4. Der Geistliche Zehend wird 1mò von allen Eingepfarrten, und zwar soviel 2dò
den grossen Zehend insonderheit betrift, von jedem Innhaber des in selbiger
Pfarr gelegenen Guts gereicht, sofern man anders nicht 3tiò eine wiederige
Observanz, oder andere rechtmässige Exemption beweisen kan. 4tò Giebt den
Weltlichen Zehend ebenfalls nur der Innhaber des Zehendbaren Guts. 5tò Ist
hierinfalls einerley, ob man das Gut eigenthümlich- oder nur nutznießlicher
Weis innhabe. 6tò Kan sich der Zehend-Herr auch an den Guts-Pachter halten, und
bleibt diesem gleichwol der Regress an den Verpachter allenfalls bevor. 7mo
haftet der Guts-Innhaber für die unter seinem Vorfahrer etwan verfallen- und
ruckständige Zehenden nicht, er seye dann Successor universalis.
Wem
solcher gebühre?
§.
5. 1mò Gebührt der Zehend regulariter der Geistlichkeit, und zwar 2dò
zuförderst dem Pfarrer, welcher des grossen Zehends-halber gegen jeden Guts-Innhabern
in seiner Pfarr fundirtes Recht und Præsumption soweit für sich hat, als ihm
3tiò keine besondere Gewohnheit, oder sonstige Exemption entgegen stehet.
Weltliche Personen seynd zwar 3tiò des Geistlichen Zehends-Rechts überhaupt
nicht fähig, wenn sie es aber gleichwol auf rechtmässige Art einmal erlangt
haben, soll man sie unbekränkt dabey schützen und handhaben. Unter mehr
rechtmässigen Zehend-Herrn und Condecimatoribus bleibt 4tò jeder bey der ihm
zustehender Gattung oder
(164)
Antheil des Zehends, ohne daß einer dem anderen hierin vor- oder einzugreiffen
hat. Thor-Wächter darffen sich 5tò unter dem Vorwand, daß sie zu Ernd-Zeit die
Thor früher auf- oder später zusperren müssen, nicht unterstehen, von den
Getreid-Fuhren eine Garb vielweniger den Zehend zu nehmen. Was man aber 6tò dem
Gesell-Priester, Schmidt, Bader, Hüter, Mesner oder auch dem Schergen an
Getreid entweder aus guten Willen oder Schuldigkeit zu reichen pflegt, ist kein
Zehend, sondern eine andere Gaab, welche jeder gleichwol von dem Seinigen ohne
Abbruch der gewöhnlichen Zehend-Gebühr zu entrichten hat.
Von
Erlangung des Geistlichen Zehends unter Geistlichen Personen.
§.
6. Wie und auf was Weis der Geistliche Zehend durch Kauf, Tausch, Pacht,
Vergleich, Compromiss, Belehnung, Union, Privilegium, Gewohnheit oder
Verjährung von einer Kirch oder Geistlichen Person auf die andere gebracht
werde, ist in denen gemein geschrieben- Geistlichen Rechten des mehrern
versehen, wobey es auch in hiesigen Landen soweit sein Verbleiben hat, als solches
denen Concordatis, oder besonderen Herkommen nicht zuwieder ist.
Wie
der Geistliche Zehend von Weltlichen Personen erlangt werde?
§.
7. An Weltliche Personen kan der Geistliche Zehend nicht anders gelangen als
1mò durch Päbstliche oder gestalten Dingen nach Bischöffliche Bewilligung, und
zwar durch jene auf beständig, durch diese aber nur auf einige Jahr. 2dò Durch
die Verjährung von unfürdenklicher Zeit, welch- alles sich jedoch 3tiò nur von
dem Geistlichen Zehend-Recht selbst, nicht aber von denen Zehend-Früchten
verstehet, dann diese mögen von jedem Geistlichen Decimatore, solang er lebt,
an Weltliche Bestands- oder anderer Weis überlassen werden.
Von
Erlangung des Weltlichen Zehends.
§.
8. Zehenden, welche schon einmal auf rechtmässige Weis in Weltliche Hände
gekommen, mithin sæcularisirt seynd, werden, wie andere Weltliche Dinge
überhaupt, geachtet, folglich auch auf die nemliche Art durch rechtliche
Disposition unter Lebendigen oder von Todwegen von einem an den anderen
gebracht.
(165)
Von was für Sachen der Zehend gegeben werde?
§.
9. Obwol der Real-Zehend eine solche Bürde ist, welche auf dem Zehendbaren Gut
selbst haftet, so wird doch selber 1mò nicht von dem Gut, sondern nur von denen
darauf gewachsenen Früchten, und zwar 2dò von jenen, welche nach Anleitung
obigen dritten §vi decimabel seynd, gereicht. Solchemnach kan 3tiò von öd- oder
unangebauten Gründen, solang sie in diesem Stand verbleiben, zwar kein Zehend
gefordert werden, wenn aber gleichwol erscheint, daß der Zehend-Mann den
Feld-Bau aus blosser Neidsucht oder sonst dem Zehend-Herrn zum Schaden
geflissener Weis unterlaßt, so mag er Obrigkeitlich hierzu angehalten werden,
und ist den Schaden zu ersetzen schuldig.
Von
denen Neubrüchen und Vorländern.
§.
10. Auf den sogenannten Novalien oder Neubrüchen gehört 1mò der Zehend hiesigen
Lands-Gebrauch nach dem Pfarrer selbigen Orts nur die erste drey Jahr, sodann
aber demjenigen, der ihn daselbst hergebracht hat. Ein Neubruch heißt aber 2dò
was vorhin noch nie angebauet, sondern erst neuerlich umgerissen worden,
welches sich aus den Furchen und anderen derley sichtigen Kennzeichen leicht
abnehmen laßt. Wo nun 3tiò dergleichen Merkmahl vorhanden seynd, da ist kein
Neubruch mehr, und gebührt mithin der Zehend demjenigen, der ihn vorhin gehabt
hat. Die Vorländer werden 4tò deme, der die daran stossende Aecker zu decimiren
hat, verzehend. 5tò Ist besagter Neubrüchen oder Vorländern halber an einem Ort
etwas besonderes hergebracht, so hat es hierbey sein Verbleiben, immassen,
soviel die obere Pfaltz betrift, dasjenige, was Concordatenmässig ist,
beobachtet werden soll.
Wie
es bey Veränderung des Feld-Bau mit der Auszehendung der neuen Früchten zu
halten?
§.
11. Wenn der Feld-Bau verändert, und statt der vorigen eine andere Gattung von
Früchten erziehlet wird, seynd hauptsächlich folgend Fälle wol zu merken. 1mò
Ist etwan der Zehend unter mehr Decimatoribus dergestalt getheilt, daß einer
bey dieser, der andere bey jener Gattung Früchten den Zehend zu geniessen hat,
so ist zu unterscheiden, ob ein oder des anderen Zehend-Recht nur auf gewissen
Gründen, oder aber auf
(166)
einer gewisser Art von Früchten hafte. Letzterenfalls kan durch die Aenderung
des Feld-Bau an denen Zehendbaren Früchten einem Condecimatori etwas ab- und
dem anderen zuwachsen, ausgenommen, da etwan durch solchen Entgang dem Pfarrer
seine Congrua zusehr geschmählert wurde, welchenfalls sich der Condecimator des
Zuwachs-halber mit ihm billicher Dingen nach zu vergleichen hat. Anderenfalls
hindert 2dò die Aenderung des Feld-Bau keineswegs, daß nicht der Zehend-Herr
die auf dem Zehendbaren Grund erbaute Früchten, sie seyen gleich von Gattung,
was sie wollen, auszehenden könne, ohne daß er bey erfolgender Abänderung deren
Früchten einen Condecimatorem hierauf zu zulassen schuldig ist. Solchemnach kan
z. E. derjenige, den den kleinen Zehend nirgend als in den Gärten hat, solchen
auch von anderen und grösseren darin gebauten neuen Früchten sich zueignen,
wohingegen derjenige, welcher den grossen Zehend nur auf dem Feld hat, solchen
gleichfalls von denen alldort neu gebauten kleineren Früchten geniesset. Hätte
aber 3tiò Jemand den kleinen Zehend nicht nur in Gärten, sondern auch auf dem
Feld, so empfängt er hiesigen Lands-Gebrauch nach zwar den Zehend von allen
Früchten in den Gärten, aber auf dem Feld nur von denen kleineren, und zwar auf
einem halben Juchart Ackers, das übrige gehört dem Zehend-Herrn des grösseren
Zehends, wo kein anderes Herkommens ist. 4tò Macht Jemand Gärten oder Heuwisen
aus Aeckern, so giebt man den Heuzehend davon, es wären dann solche Aecker
vorhin schon einmal Zehend-freye Gärten oder Heuwisen gewest. Wird hingegen 5tò
aus einem Garten ein Feld gemacht, so wird solches von dem, der vorher
Decimator von dem Garten gewest, ausgezehend. 6tò Erweitert einer seinen
Garten, so giebt er den Zehend von solchen neuen Einfang demjenigen, der ihn
vorhin darauf gehabt hat, oder findet sich billicher Dingen von ihm ab. 7mo Die
in Zehendbaren Feldern gemachte Auffang werden, wie das Feld selbst,
ausgezehend, wenn anderst der Auffang mit decimablen Früchten angebaut wird.
8vò Hat einer den Zehend durch Verjährung an gewissen Orten, wo nur eine
gewisse Gattung von Früchten selbiger Zeit gebaut worden ist, rechtmässig
hergebracht, und wurden hernach andere Früchten gebaut, so kan er sich bey diesen
letzteren des Zehends nicht anmassen, er habe dann Titulum universalem vor
sich, und stehe ihm keine besondere Gerechtsame eines Drittens disfalls im
Weeg.
(167)
Von dem Modo in Einbringung des Zehends.
§.
12. 1mò Muß der Zehend in Naturâ gereicht werden, und ist der Zehend-Herr nicht
schuldig, sich mit Geld oder anderen Æquivalent abfertigen zulassen, sofern er
nicht durch ein Rechtsbeständiges Pactum hierzu verbunden ist. Die blosse
Verjährung stehet ihm 2dò hierin niemals im Weeg, solang sie auch immer gedaurt
haben mag, ausgenommen soviel 3tiò den kleinen Zehend betrift, dann weil sich
dieser obverstandenermassen lediglich nach dem Herkommen richtet, so kan der
Zehend-Herr, welcher sich von dreyssig oder mehr Jahren her mit Geld oder
anderer gleichförmiger Præstation hat abfertigen lassen, den Natural-Zehend
nicht mehr forderen, er könte dann beweisen, daß dieses nur Pachtweis, oder auf
andere wiederrufliche Art geschehen seye.
Von
dem Quanto desselben.
§.
13. Wo kein mehr- oder minderes hergebracht ist, da bleibt es 1mò regulariter
bey dem zehenden Theil deren jedes Jahr gewachsener Zehendbarer Früchten. Was
nun 2dò die zehende Garb nach völliger Auszehlung alles Zehends nicht erreicht,
davon soll auch nichts genommen werden. 3tiò Ist weder auf die Anzahl der
Garben vorigen Jahrs, noch da im letzten Jahr einige Garben unter zehen übrig
geblieben seynd, im folgenden Jahr darauf zu zehlen, wol aber mag 4tò von einem
Acker auf den anderen, sofern er dem nemlichen Zehend-Mann gehört, und von
einer Gattung Getreid auf die andere selbigen Jahrs gezehlt werden. 5tò Hat der
Zehend-Herr die Wahl, bey was für einer Garb er die Auszehlung anfangen, und
sofort bis auf die zehende allzeit fortzehlen wolle. Bey dem Blut-Zehend pflegt
man 6tò, wo kein anderes Herkommens, die Auszehlung nach dem Durchlauf und zwar
von einem Jahr auf das andere zu machen.
Von
dem Ort der aus Auszehendung.
§.
14. 1mò Stehet dem Zehend-Herrn frey, den Zehend auf dem Feld, in dem Stadel,
oder da er sich mit dem Zehend-Mann vergleichen wolte, in dem Sack an Körnern
einzubringen. Hindert auch 2dò daran keinesweegs, daß ein anderes schon lange
Zeit im Brauch gewest seye, sofern nicht einerseits das Verbott, und
andererseits die Acquiescenz bewiesen werden mag.
(168)
Die Auszehendung auf der Wurzel hat 3tiò nicht statt, ausser an Orten, wo
solche von Alters Herkommens ist. Dafern nun selbe 4tò auf dem Feld geschiehet,
so ist der Zehend-Mann den Zehend nur solang daselbst zu verwahren schuldig,
bis er sein eigen Getreid einbringt, und mag sodann 5tò der Zehend-Herr
gleichwol selbst ohne Entgeld des Zehend-Manns davor Sorg tragen. Man soll auch
6tò bis zu Einbringung des Zehends weder auf dem Feld ackeren, noch das Vieh
darauf treiben, wohingegen sich 7mo der Zehend-Herr mit der Einbringung nicht saumig
finden lassen solle. Wird nun 8vò der Fang nicht auf dem Feld, sondern im
Stadel vorgenommen, so ist der Zehend-Mann solchen alldort zu verwahren, und
hierunter Dolum & Culpam latam aut levem zu præstiren schuldig, jedoch
länger nicht als dreyssig Tag.
Von
der Einbringungs-Zeit.
§.
15. Die Auszehendung soll 1mò zu rechter Zeit, wenn die Früchten reiff seynd,
vorgenommen, solchemnach auch 2dò mit dem Zehendbaren Getreid eher nicht in den
Schnitt gesetzt werden, ausser wenn 3tiò der Bauersmann soweit ausgezehrt hat,
daß er mit der Speiß nicht mehr versehen ist, welchenfalls er zwar mit
Vorwissen des Zehend-Herrns an Orten, wo die Zeitigung sehr nahe ist, schneiden
kan, sich aber gleichwol des Schadenshalber mit ihm zu vergleichen hat. Die
nemliche Beschaffenheit hat es 4tò mit dem Mischling, soweit solches vor der
Zeitigung zum Pferd-Futter geschnitten wird. 5tò soll der Schnitt dem
Zehend-Herrn, wenn er anderst auf dem Feld auszehenden will, den Tag vorher
verkündiget werden, ausser dessen und da 6tò sothane Verkündung unterlassen,
und die Frucht zufrüh und zuspat gesammlet wird, ist man den Zehend-Herrn all
dadurch verursachten Schaden zu vergüten schuldig. 7mo Wird der Zehend-Mann
deswegen, weil der Zehend nicht zur rechter Zeit gefordert worden, seiner Obligation
nicht entbunden.
Von
denen Zehends Kösten.
§.
16. Die sowol zu Auszehendung der Früchten als Liefer- und Einbringung
derenselben erforderliche Kösten werden 1mò von dem Zehend-Herrn bestritten.
Dahingegen mag der Zehend-Mann 2dò weder die Saam- oder Bau-Kösten, noch daß
Schnitter-
(169)
Drescher- und Arbeits-Lohn, vielweniger was zur Feld- Hut- und Abtreibung des
Wilds verwendet, oder dem Schmidt, Wagner, Bader, Mesner, und anderen aus Noth
oder Bittweis an Getreid verreicht zu werden pflegt, und eben sowenig auch die
Stift, Gilt, und andere dergleichen Abgaben an dem Zehend abziehen. Gleichwie
im übrigen 3tò der Personal-Zehend in hiesigen Landen nicht üblich ist, so
fallt dasjenige, was die gemeine Rechten deren Köstenhalber hierin besonders verordnen,
von selbst weg.
Von
Defraudirung des Zehends.
§.
17. Jeder Zehend-Mann soll 1mò sowol den gross- als kleinen Zehend, wie er
solchen schuldig ist, getreulich und ohne Abgang verreichen, im wiederigen Fall
von der Obrigkeit zwar willkürlich, jedoch unnachlässig, und nach Gestalt des
gespielten Betrugs und verursachten Schadens gar malefizisch gestraft werden.
Damit aber auch 2dò alle Betrügerey destomehr vermieden bleibe, ist der
Zehend-Herr befugt, dem Zehend-Mann in dem Stadel nochmal auszuzehenden, wenn
er redliche Anzeigungen hat, daß eine Gefährde oder Irrthum in der Abreichung
vorgegangen seye. Wird nun 3tiò der Zehend-Mann hierbey ungerecht befunden, so
bezahlt er die auf sothane neue Auszehendung erloffene Kösten. Bezeigt sich
aber 4tò daß der Zehend richtig gegeben worden, so tragt der Zehend-Herr selbst
die Kösten, und wird annebens gestraft, wenn die zweyte Auszehendung ohne
gnugsamen Verdacht, aus blossen Haß, und Neid vorgenommen worden zu seyn
scheint. 5tò Soll auch derselbe den Zehend-Mann mit sothaner neuer Auszehendung
bey willkürlicher Straf weder bedrohen, noch daß er solche unterlasse, sich
durch Gaab oder Schankung von ihm abfinden.
Von
denen übrigen Pflichten und Rechten des Zehend-Herrns.
§.
18. Der Zehend-Herr kan 1mò nicht nur den Zehend-Mann, sondern auch jeden
anderen Innhaber deren Zehendbarer Früchten um seinen Zehend rechtlich
belangen, und da etwan dieser 2dò von denen übrigen Früchten schon einmal
separirt ist, so hat er das Eigenthum davon, und kommt mithin bey allenfalligen
Concurs Jure Separationis, solang wenigst der separirte Zehend noch in Naturâ
& Specie vorhanden ist. 3tiò Mag er den Zehendbaren Grund nicht nur eigenem
Gutbefinden nach jederzeit
(170)
besichtigen, und beschreiben, sondern auch mit Zuziehung deren Interessenten
versteinen und ausmarken, wie nicht weniger sammentlich decimable Feld-Früchten
durch Schätzmänner in Anschlag bringen lassen, damit er den Zehend-Fang
allenfalls an andere mit desto besseren Bestand und Zuverlässigkeit verpachten,
oder veräusseren könne, immassen ihm 4tò dieses allerdings frey stehet, ohne
daß ihn der Zehend-Mann hieran hinderen, oder vor anderen ein Einstands-Recht
behaupten mag. 5tò Stehen ihm auch gestalten Dingen nach alle Remedia
possessoria & petitoria an der Hand, welche zu Rettung anderer dergleichen
auf fremden Boden zustehender Rechten und Gerechtigkeiten vergönnt seynd.
Dahingegen kan er 6tò auf dem Fall, wenn er sich des Zehends unbefugter Dingen
anmasset, Actione negatoriâ belangt werden, und ist im übrigen 7mo die Land-Rechtmässige
Verkündung auf Seiten des Zehend-Manns, falls er den Zehendbaren Grund an
andere verkauft oder sonst überlaßt, nicht mehr üblich. Soviel aber endlich 8vò
die Concurrenz des Zehend-Herrns zum Pfarrkirchen-Bau oder Reparation betrift,
bleibt es hierinfalls bey dem Schluß der Tridentinischer Versammlung Sess. 21.
c. 7. und der Landsüblicher Observanz.
Von
der Zehends Befreyung und Immunität.
§.
19. Die Zehens-Befreyung (!), Kraft welcher man den Zehend entweder gar nicht
oder wenigst nicht nach Maaß der General-Vorschrift z. E. in geringeren Quanto,
oder nur in einer gewisser Gattung Früchten zu reichen hat, wird theils durch
besonderes Privilegium, theils durch Gewohnheit, Verjährung oder Geding
erlangt. Es geschehe nun die Exemption auf ein oder andere Weis, wird allzeit
hierunter supponirt, daß der Pfarrer seine gebührende Congruam und Unterhalt
habe, als welche ihm in keinerley Weeg benommen oder geschmählert werden kan.
Wie
solche durch ein Privilegium erlangt werde?
§.
20. Von dem Geistlichen Zehend kan man per Privilegium andergestalt nicht als
durch Seine Päbstliche Heiligkeit, oder gestalten Dingen nach durch den
Ordinarium nach Maaßgab der Geistlichen Rechten erlediget werden.
(171)
Wie durch die Gewohnheit?
§.
21. Durch die Gewohnheit wird man von dem Weltlichen Zehend inner dreyssig, und
von dem Geistlichen inner vierzig Jahren befreyet, sofern nur sonst alle zu
einer rechtmässiger Gewohnheit erforderlich- und oben Part. 1. cap. 2. §. 15.
mit mehrern beschriebene Requisita vorhanden seynd.
Wie
durch die Verjährung?
§.
22. Bey der Verjährung, welche mit der Gewohnheit ohnehin niemal vermischt
werden muß, ist 1mò ebenfalls unter dem Geistlich- und Weltlichen Zehend ein
Unterschied zu machen. Die Befreyung von dem letzten wird auf die nemliche Art,
wie andere uncörperliche Dinge überhaupt verjährt. Bey dem ersten hingegen wird
2dò gegen den Pfarrer eine Zeit von vierzig, und ohne Titul eine Zeit von
unfürdenklichen Jahren, gegen andere aber zehen, respectivè unter Abwesenden
zwanzig, und ohne Titul vierzig Jahr zur Verjährung erfordert.
Wie
durch Pacta?
§.
23. Soviel den Geistlichen Zehend belangt, kan jeder Pfarrer sowol über
verfallen- als künftige Zehend-Früchte auf Lebenslänglichen Nachlaß
eigenmächtig handlen und transigiren, soll aber das Pactum auch seine
Nachfolger binden, so wird der Consens seiner Geistlichen Obrigkeit, und zwar
nach Maaß der Geistlichen Rechten erfordert, mit den Weltlichen wird es hierin
eben so, wie mit anderen Weltlichen Rechten und Gerechtigkeiten gehalten.
De Causis
decimalibus.
§.
24. Der Zehend-Herr soll 1mò gegen saumig- oder wiederspenstige Zehend-Leut,
sofern sie nicht unter seiner Jurisdiction stehen, eigenmächtiger Weis nicht
vorgreiffen, sondern vielmehr Obrigkeitliche Hülf suchen, welche ihn auch 2dò
nicht versagt, sondern auf gebührendes Ansuchen mit behörigen Zwangs-Mittlen
verfahren werden soll. 3tiò Bleibt es quò ad Forum in Causis Decimarum bey den
Concordaten und der Observanz.
(172)
Von dem Beweis in Causis decimalibus.
§.
25. 1mò Hat jeder Pfarrer des grossen Zehends-halber die rechtliche Muthmassung
in seinem Pfarr-District für sich, und ist mithin 2dò bey stellender Klag kein
mehrers zu beweisen schuldig, als daß er von dem Ort des eingeklagten grossen
Zehends Pfarrer seye. Wo sodann 3tiò Beklagter, welcher ein besseres Recht oder
Exemption hierzu zu haben vermeint, solches gnüglich beweisen muß, doch wenn er
sich in Possessione Exemptionis befindet, soll er währenden Streit seines
Innhabens nicht entsetzt werden. Klagt aber 4tò nicht der Pfarrer, sondern eine
andere Geistlich- oder Weltliche Person, oder betrift des Pfarrers klag nicht
den grossen, sondern den kleinen Zehend, so bleibt es bey der Regul, daß jeder
Kläger den Grund seiner Klag beweisen müsse, sonderbar, wenn Beklagter in
Possessione ist. 5tò Verstehet sich die Rechts-Lehr, daß in Zehend-Sachen auch
einschichtige Gezeugen gnugsame Prob machen können, nur von der sogenannten
Singularitate adminiculativâ, da nemlich die Gezeugen nur in medio concludendi
differiren, im übrigen mit ihrer Aussag auf den nemlichen Zweck gehen, mithin
nicht soviel für einschichtig- als gleichförmige Zeugen zu halten seynd. 6tò
Laßt sich endlich auch in dem obliegenden Beweis weder von dem kleinen auf den
grossen, noch von dem grossen auf den kleinen Zehend schliessen.
(173)
Eilftes Capitul
Von
Frohn- und Scharwerks-Diensten (Operis Rusticorum.)
Was
die Scharwerk seye?
§.
1. Die Frohn, Robold (!) oder Scharwerk bestehet in Diensten und Arbeiten,
welche der Unterthan seinem Gerichts- oder Vogt-Herrn zur Leibs- oder
Haus-Nothdurft mit Vieh oder Leib verrichten muß.
Wie
vielerley?
§.
2. Jetztgedachte Vogtey oder Jurisdictions-Scharwerk wird hauptsächlich in die
Lands-gebräuchig- und ungebräuchige, gemessen- oder ungemessene, dann Hand- und
Roß-Scharwerk getheilt. Von der ersten siehe §vum seq. 3. Die gemessene ist,
welche der Unterthan in gewiß bestimmter Maaß zu verrichten hat, ohngeacht der
Gerichts-Herr etwan ein mehr- oder minderes vonnöthen hätte. Die ungemessene
hingegen, welche ohne gewisser Maaß, Zeit oder Anzahl, soweit es die Nothdurft
der Herrschaft erfordert, und der Lands- Gebrauch zulaßt, verrichtet werden
muß. Die Hand- und Roß-Scharwerk aber wird genannt, nachdem sie entweder mit
der Hand, oder mit Pferd und Vieh verrichtet wird.
Von
Lands-gebräuchig- und ungebräuchiger Scharwerk.
§.
3. Ungebräuchige Scharwerk ist überhaupt alle Arbeit, welche jeder Haus-Vatter
durch gebrödte Diener und Ehehalten verrichten zu lassen pflegt, insonderheit
werden folgende Gattungen hierunter gerechnet. 1mò Das gehackt- und
geschnittene Holz klieben, Holz oder Wasser in die Kuchen tragen, Brod backen
oder knetten, Obst schehlen oder schneiden, Spänn machen, Besen binden, fegen,
waschen, auskeren, einheitzen, Stall säuberen, 2dò Weyer raumen, 3tiò Wasser
schöpffen und führen, ausgenommen an Orten, wo auf den Berg-Häusern
(174)
solcher Mangel an Wasser ist, daß man selbes aus tieffen Brunnen schöpffen,
oder aus den Thälern in Fässern auf den Berg führen muß. 4tò Hund halten,
treschen, spinnen, es seye dann von Alters Herkommens, oder bedungen, oder in
Saal-Büchern begriffen, welchenfalls man jedoch gebührende Maaß damit brauchen,
und soviel die Gespunst insonderheit betrift, bey dem Mittel-Garn verbleiben,
mithin den Unterthan zur feinen Garn-Gespunst nicht anhalten soll. 5tò Die
Schloß-Wacht, ausser wo selbe zu Verhütung gemeiner oder der Herrschaft
besonderer Gefahr im Schloß oder Dorf bestellt wird, dann diese ist man, solang
es die Noth erheischt, umgehend zu verrichten schuldig, und keiner, sogar jene,
welche sonst die Roß-Scharwerk verrichten, nicht davon befreyt. 6tò Getreid
schneiden oder sammlen hingegen, wieauch das Anbauen, Ackern, Eggen, und all
anderes zum Herrschaftlichen Hof-Bau Gehöriges nebst der Einfuhr des
geschnitten- und gesammleten Getreids gehört nicht unter die ungebräuchige
Scharwerk. 7mo Botten lauffen ist zwar eine gebräuchige Scharwerk, jedoch
dergestalt, daß man jene, welche über eine Meilweegs also verschickt werden,
einen obschon etwas geringeren Lohn als sonst üblich ist, von denen übrigen
Meilen verreiche. 8vò Alle Scharwerk ausser Lands ist ebenfalls ungebräuchig,
jedoch mit der in folgenden neunten §vo gemachter Limitation. Desgleichen 9no
die Hand-Scharwerk in Ansehen derjenigen, welche mit Rossen scharwerken, und
hingegen auch die Roß-Scharwerk in Ansehen deren Hand-Fröhnern, wo nicht ein
oder anderes besonders Herkommens ist. 10mò Hopfen brocken, Obs abnehmen, Ruben
häupten oder schehlen, wieauch Haar riffen, spreitten, brechen und dergleichen
Haar-Arbeit gehört unter die gebräuchige Scharwerk. Gleiche Beschaffenheit hat
es 11mò mit nothwendiger Reparation des Schloß-Gebäu und denen hierzu
erforderlichen Stein- Holz- und Sand-Fuhren. 12mò Mag endlich durch eine
dreyssig- o(d)er mehrjährige Observanz alle gebräuchige Scharwerk zur
ungebräuchiger (!) und vicissim alle ungebräuchige zur gebräuchigen werden.
Wer
solche forderen könne?
§.
4. Die Scharwerk kan 1mò nur jeder allein mit Recht forderen, der die
Niedergerichtsbarkeit über die Frohn- und Scharwerker zu exerciren hat. Nach
seinem Tod mögen 2dò unvertheilte
(175)
neben die Scharwerk von dem Unterthan in der Maaß und Gestalt forderen, ob wäre
der Erblasser noch bey Leben. Seynd sie aber 3tiò sowol denen Gütern als der
Gerichtbarkeit nach getheilt, so wird auch die Scharwerk hiernach abgetheilt.
Wer
sie zu verrichten habe?
§.
5. 1mò Wird die Scharwerk nur von Bauers-Leuten und Gerichts-Unterthanen auf
dem Land, nicht aber von Burgern und Innwohnern in Städten und gebahnten
Märkten, vielweniger von adelichen oder sonst gefreyten Personen verrichtet, es
seye dann daß, 2dò dergleichen Personen ein mit solchem Onere behaftetes
Bauern-Gut besitzen, welchenfalls sie die Scharwerk, wie jeder anderer, der
dieselbe in Person entweder nicht verrichten kan oder nicht will, per
Substitutum leisten zu lassen haben. Hinterlassene Erben eines verstorbenen
Untherthans scharwerken 3tiò solang sie unvertheilt bleiben, nur insgesamt für
ihres Erblassers Gut oder Person auf Art und Weis, wie es ihm selbst in
Lebzeiten obgelegen gewest, nach der Vertheilung scharwerken 4tò jene allein,
welche sonderbare Haushaltung haben, nicht aber die, welche nur in Diensten
oder eines anderen Pfleg und Unterhalt seynd. Zur Roß-Scharwerk seynd 5tò jene
Unterthanen allein verbunden, welche mit Monath versehen seynd, wohingegen die
Hand-Scharwerk denen übrigen, so sich mit der Hand-Arbeit fortzubringen
pflegen, obliegt.
Wie
sie erlangt werde?
§.
6. Das Scharwerks-Recht hangt obverstandenermassen lediglich von der
Niedergerichtsbarkeit ab, und wird mithin andergestalt nicht als mittels selber
erlangt. Die übrige Dienst und Arbeiten aber, welche man auch ohne Jurisdiction
über blosse Grund oder andere fremde Gerichts-Unterthanen durch Geding oder
Verjährung öffters zu erlangen pflegt, seynd nicht soviel für Scharwerken als
andere unbenannte Gerechtigkeiten anzusehen.
Wie
sie verrichtet werde?
§.
7. Soviel die gemessene Scharwerk betrift, bleibt es hierinfalls bey der einmal
regulirter Maaß, dergestalt, daß solche ohne beederseitiger Einstimmung weder
in ungemessen oder andere
(176)
abgeändert, noch unter dem Vorwand, daß die Herrschaft mehr oder weniger
vonnöthen hat, eingeschränkt, oder erweitert werden mag. Ihro Churfürstliche
Durchleucht versehen sich dabey gänzlich, daß keine Herrschaft den Unterthan
durch Vergleich, oder sonst hierin soweit zu treiben suchen werde, daß die
bedungene Scharwerk nebst anderen gleich- oder mehr privilegirten Abgaben nicht
bestehen möge. Mit der ungemessener(!) Scharwerk aber hat man sich
folgendermassen zu verhalten. 1mò Soll solche der Herrschaft lediglich zur
Leibs- und Haus-Nothdurft, nicht aber zum Gewinn und Gewerb dienen. 2dò Ist man
selbe andergestalt nicht, als auf Begehren der Herrschaft, und zwar 3tiò nur
bey Tag, nicht aber zu Nacht, weniger an gebottenen Kirchen-Feyertägen zu
leisten schuldig. 4tò Muß unter sammentlichen Unterthanen in Corpore eine
solche Gleichheit und Proportion beobachtet werden, daß sich keiner vor dem
anderen einer merklicher Ueberlegung mit Fug beschweren mag. 5to Hat man auch
überhaupt solche Bescheidenheit und Moderation in Erforderung der
ungemessener(!) Scharwerk zu gebrauchen, daß dennoch der Unterthan seinem
Feld-Bau und anderer nothwendiger Arbeit abwarten, sohin auch sowol seine als
auch der Seinigen Nahrung suchen möge.
Ob
statt der Natural-Scharwerk Geld gefordert werden möge?
§.
8. 1mò Leistet man die Scharwerk regulariter in Naturâ, folglich ist 2dò keine
Herrschaft befugt, statt der Natural-Scharwerk Geld oder anderes zu forderen,
und da sich dem ohngeacht 3tiò die Unterthanen einhellig auf eine Geld- oder
andere Præstation mit der Herrschaft verstehen, so hat doch jeder Theil freye
Wahl, dieselbe wiederum alle Jahr aufzukünden, sofort die Natural-Scharwerk zu
leisten, oder respectivè zu forderen, es seye dann, daß man 4tò auf ein
Beständig- und und(!) Unwiederrufliches sich ausdrücklich miteinander
verstanden, oder die Natural-Scharwerk einerseits geweigert, und anderseits
dreyssig ganzer Jahr acquiescirt habe. 5tò Ist niemal zu gestatten, daß sich
die Herrschaft mit einigen Unterthanen auf Geld, mit anderen auf die
Natural-Scharwerk verstehe, sondern es soll hierin eine Gleichheit gehalten
werden, ausser wo die Herrschaft mehr Hofmärchen oder einschichtige Unterthanen
hätte, dann da mag dieselbe sich bey einer Hofmarch oder einschichtigen Gut wol
auf Geld, und bey denen anderen auf die
(177)
Natural-Scharwerk mit denen Unterthanen vergleichen. 6tò Wenn der Vergleich
alternativè gefaßt ist, so hat der Unterthan die Wahl, ob er eins oder anderes
præstiren wolle, sofern nicht aus den Worten oder Umständen klar erscheint, daß
die Wahl von beeden der Herrschaft zugemeint seye. 7mo Unterlaßt der Unterthan
die obliegende Scharwerk, so muß er solche billicher Schätzung nach der
Herrschaft mit Gelt ersetzen, ausgenommen, wenn die Arbeit dennoch von anderen
geschehen ist, welchenfalls sich der säumige Unterthan zwar nicht mit der
Herrschaft, wol aber mit jenen, welche ihn vertretten haben, auf ein billiches
Vergleichen, annebens auch 8vò wegen unterlassener Gebühr, wenn anderst eine
geflissene Boßheit und Renitenz mitunterlauft, bestraft werden soll.
Von
der Scharwerk ausser Land.
§.
9. Ausser Land ist 1mò kein Lands-Unterthan seiner Gerichts-Herrschaft zu
Scharwerken schuldig, es seye dann 2dò so nahe an der Gränitz, daß er von Hauß
oder dem Ort, wo die Fuhr aufgenommen wird, zu einer Stadt, Schrannen oder
Anschütt nicht über sechs oder höchstens sieben kleine Meilen zu fahren hätte,
welchenfalls er zwar das Herrschaftliche Gilt und Zehend-Getreid-, nicht aber
andere Fuhren dahin zu thun hat. Desgleichen kann man ihn auch 3tiò wider
Willen nicht aufbürden, daß er sich Bothen-weis ausser Lands verschicken lasse,
es geschehe dann solches nur auf der Gränitz und nicht über eine Meil-wegs
weit.
Von
denen Scharwerks- Fuhren inner Lands.
§.
10. Herrschaftliches Gilt und Zehend- wie auch selbst erbautes Getreid ist der
Unterthan 1mò zwar auf die Schrannen, Anschütt, oder dorthin, wo es verkauft
werden soll, jedoch über sechs oder höchstens sieben kleine Meilen andergestalt
nicht, als gegen gebührliches Fuhr- Lohn für die übrige Meilen, zu führen
schuldig. Gleiche Beschaffenheit hat es 2dò mit anderen nöthigen
Scharwerks-Fuhren, sonderbar mit jenen, welche 3tiò von einer Hofmarch in die
andere, oder von einem einschichtigen Gut zur Hofmarch geschehen sollen, dann
dazu ist der Unterthan ebenfalls nicht weiter als in obriger Distanz verbunden.
Wie weit man aber in die Scharwerk zum Hof- Bau zu fahren schuldig seye, siehe
§vum seq. 11.
(178)
Von der Scharwerk zum Hof-Bau.
§.
11. Mit der Scharwerk zum Herrschaftlichen Hof-Bau soll man zuförderst auf den
Gebrauch sehen, und wo dieser den Ausschlag in Sachen nicht geben mag, folgende
Regul beachten. 1mò Bauet ein ganzer Bauer zwey Joch Acker winterig, und zwey
sommerig, ein halber Bauer oder Huber halb soviel und vier Lehner zusammen mehr
nicht dann ein ganzer Bauer, sofort jeder nach Proportion seines Guts, nebst
aller zum Feld-Bau gehöriger Arbeit, welche jedoch 2dò sowol überhaupt, als
insonderheit soviel die Einfuhr des Getreids und Hauets (!), dann die Ausfuhr
des Dungets betrift, unter denen Scharwerkern so einzutheilen ist, daß keiner
merklich prægravirt wird. In dieser Maaß und Ordnung mag 3tiò die Herrschaft
den Hof-Bau ihrer Gelegenheit nach wol bestellen, ohngeacht sie vorhin einen
grossen, kleinen, oder gar keinen Hof-Bau gehabt hätte, welcher jedoch über die
Gebühr nicht zu erweiteren ist. 4tò Soll man die Unterthanen, welche zum
Hof-Bau scharwerken, mit anderer Frohn desto leidentlicher halten, und da sie
etwan 5tò von einer Hofmarch in die andere, oder von einschichtigen Gütern zur
Arbeit in den Hof-Bau gefordert werden, so ist nicht nur in anderweg eine
Milderung gegen sie zu gebrauchen, sondern dieselbe seynd auch über eine Meil
zu fahren nicht schuldig.
Von
Verköst- und Schadloshaltung der Scharwerks-Leuten.
§.
12. 1mò Wer soweit mit Rossen scharwerkt, daß er über Nacht ausbleiben muß,
deme ist die Herrschaft nebst der Manns-Zehrung auch das Futter zu geben
schuldig, es wäre dann ein gewisses Geld oder Futter für die Liefer- und
Zehrung von Alters Herkommens, wobey es sein Verbleiben haben soll. So viel
aber 2dò der Handwerkern Speiß und Brod, oder Geld betrift, wird es in hiesigen
Landen nicht durchaus gleich damit gehalten, und bleibt also hierin gleichfalls
bey jedes Orts alten Gebrauch und Herkommen, welches entweder von dem asserirenden
Theil, wenn sich circa Quantum Stritt und Irr ergiebt, bewiesen, oder bey
ermanglender Prob durch die Obrigkeit ex æquo & bono bestimmt werden soll.
3tiò Ist die Herrschaft den zur Frohn benöthigten Werkzeug z. E. Wägen, Pflüg,
Hauen, Picklen, Schaufflen, und dergleichen anzuschaffen nicht verbunden, und
haftet auch denen Unterthanen für den
(179)
Schaden, welcher ihnen hieran geschiehet, nur so weit, als sie solchen etwan
durch eigenes Verschulden verursacht hat.
Von
Scharwerks-Strittigkeiten.
§.
13. Gegen wiederspenstige Unterthanen mag 1mò die Herrschaft nicht nur in dem
Weeg rechtens, sondern auch eigenmächtiger Weiß mit behörigen Zwangsmittlen
verfahren, wohingegen aber auch 2dò auf der Unterthanen Klag bey befundener
Uebermaß von Landsfürstlicher hoher Obrigkeit gebührendes Einsehen wider die
Herrschaft fürgekehrt werden soll.
Von
dem Beweis in Scharwerks-Strittigkeiten.
§.
14. 1mò Wird in Zweifel die Scharwerk allzeit für ungemessen gehalten, so lange
nicht derjenige, welcher sich auf die gemessene beziehet, solche gnüglich
beweisen kann, z. E. durch Kauf- Freyheits- Vertrags- Spruch- oder andere
dergleichen Brief und Beweisthümer. Was nun 2dò deshalb in denen
Grundherrlichen Brieffen allein enthalten ist, das beweiset nicht gegen den
Gerichts-Herrn, er seye dann zugleich Grund-Herr, und erhelle annebens aus dem
Brief, oder sonst nicht deutlich, daß nur die sogenannte Gilt oder
Grund-herrliche Scharwerk darunter verstanden seye. 3tiò Macht das blosse
Herkommen, da man nemlich vorher mehr oder minder oder andere Scharwerk als man
jetzt begehrt, verrichtet hat, den erforderlichen Beweis nicht aus,
ausgenommen, wenn die Weigerung auf einer, und die dreyssig-jährige Acquiescenz
auf anderer Seite, oder sonst dergleichen Anzeigungen von einer beederseitiger
Verbindlichkeit zur gemessener Scharwerk dazu kommen.
Wie
das Scharwerks-Recht verlohren gehe?
§.
15. Das Recht Scharwerk zu forderen hört auf 1mò durch Verlust der
Jurisdiction, 2dò durch rechtmässige Begeb- oder Befreyung, jedoch dergestalt,
daß, wenn solche nicht gegen alle sondern nur einige Unterthanen geschiehet,
denen übrigen Unbefreyten keine mehrere Last dadurch zuwachse. 3tiò Durch
schwere Excess und groben Mißbrauch der Scharwerk, wenn anderst die Herrschaft
auf vorläuffig- Obrigkeitliche Ermahnung und Commination nicht davon abstehet.
4tò Durch die Verjährung andergestalt nicht, als wenn sich der Unterthan einmal
weigert, und die Herrschaft dreyssig Jahr acquiescirt.
(180)
Von der Gilt dann anderer bedungen- oder hergebrachter Scharwerk.
§.
16. Die sogenannte Gilt-Scharwerk, welche nicht von der Jurisdiction, sondern
von Geding zwischen der Grund-Herrschaft und dem Unterthan herrührt, ist nicht
soviel eine Scharwerk als bedungene gewisse Fahrt oder Arbeit, wobey man
hauptsächlich folgendes zu beobachten hat. 1mò Soll sie dergestalten beschaffen
seyn, daß der Unterthan auch die Gerichts-Scharwerk und andere ihm obliegende
Bürden dabey tragen, annebens seiner Bauern-Arbeit und Nahrung der Nothdurft
nach abwarten kan. 2dò Wenn die Gerichts- und Gilt-Scharwerk nicht wol
beysammen stehen kan, so soll diese letztere entweder gar abgethan, oder
wenigst so gemildert werden, daß der Unterthan solche neben der anderen wol
bestreiten mag. 3tiò Wird hierbey nicht auf des Grund-Herrns Nothdurft, sondern
lediglich auf das Geding gesehen, und ohngeacht 4tò die bedungene Fuhren ohne
über Nacht auszubleiben nicht verrichtet werden mögen, kan gleichwol der
Grund-Unterthan weder für die Fütterung noch Zehrung etwas forderen, soweit
nicht ein anderes pactirt ist. 5tò Hat es die nemliche Beschaffenheit mit jenen
Fährten oder Arbeiten, welche man etwan bey anderen fremden Grund- oder
Jurisdictions-Unterthanen durch Geding oder Verjährung hergebracht hat.
Von
der Kriegs- und Landsfürstlicher Scharwerk.
§.
17. Die Kriegs- und andere Landsfürstliche Scharwerk, welche zu Behuf des
Militaris, oder sonst von gemeiner Lands-Noth wegen zu verrichten ist, soll mit
obigen Scharwerken nicht vermischt werden, und wird auch denenselben in
Concursu soweit vorgezogen, als sie etwan neben einander nicht bestehen mögen.
(181)
Dritter Theil des Neuen Chur-Bayrischen Landrechts.
Erstes
Capitul
Von
der Succession und Erbschaft überhaupt.
Unterschiedliche
Art der Succession.
§.
1. Man succedirt einem anderen in seinen Gütern oder Rechten Titulo universali
vel singulari. Auf die erste Weis geschiehet solches durch die Erbfolge ohne
Unterschied, ob man die ganze Erbschaft, oder nur einen Theil davon erlangt.
All übrige Nachfolge, welche nicht erbschaftlich, sondern auf andere Weis z. E.
durch Vermächtnuß, Kauf, Tausch, Schankung, oder dergleichen Handlungen, unter
Lebendigen und von Tod wegen, in gewissen oder sammentlichen Gütern und Rechten
geschiehet, wird Successio singularis genannt.
(182)
Von Erbschaftlicher Succession.
§.
2. Die Erbschaft ist ein General-Begrif (Universitas Juris) aller und jeder von
dem Verstorbenen hinterlassener Gütern, dann Activ- oder Passiv-Rechten, und
wird gemeiniglich in futuram, delatam, jacentem & aditam getheilt,
Hæreditas futura heißt, welche noch nicht angefallen ist, sondern nur angehoft
wird. Delata, welche durch den Tod des Erblassers bereits anfällig worden,
jacens, welche zwar schon angefallen, aber noch nicht angetretten ist, und
endlich adita, welche man würklich angetretten hat. Soviel die sogenannte Hæreditatem
prætoriam oder Bonorum Possessionem, (wie sie in den Römischen Rechten
beschrieben wird) belangt, ist solche heut zu Tag nicht mehr im Gebrauch,
ausgenommen, die in §vo seq. 12. & 13. benannte zwey Fälle. Von der Civili
aber, welche entweder ab Intestato, oder ex Testamento vel Pacto deferirt wird,
siehe cap. seq. 3. &c.
Von
den Erben.
§.
3. Jene, welchen die Erbschaft zum Theil oder ganz zukom(m) t, seynd 1mò
entweder Hæredes necessarii, sui oder extranei. Unter Necessariis oder
Noth-Erben werden heut zu Tag nur jene allein verstanden, welche Vermög
folgenden 3ten cap. 14ten §vi von dem Erblasser ohne rechtmässiger Ursach nicht
umgangen werden mögen, unter Hæredibus suis aber jene, welche zur Zeit des
Erblassers Tod nicht nur seine nächste Erben, sondern zugleich noch unter
seiner Vätterlicher Gewalt seynd. All übrige, welche 2dò unter
jetztverstandenen Hæredibus suis oder necessariis nicht begriffen seynd, werden
pro extraneis geachtet. Die besondere Würkungen dieses Unterschieds siehe §vis
seq(.) Im übrigen wird 3tiò auch an jedem Erben, er seye gleich suus,
necessarius oder extraneus allzeit eine solche Person supponirt, welche der
Erbschaft nicht nur fähig, sondern auch würdig ist. Von Unwürdigen siehe unten
§vo 20. Für unfähig aber werden 4to nur die Geächtete, zum Tod Verdammte, wie
auch Ketzer und Unglaubige, item unzulässige Collegia und Confraternitäten,
benebst denen Mendicanten-Clöstern, welche nicht Bonorum capaces seynd, und all
jenen, welche Profession davon machen, gerechnet.
(183)
§. 4. Von dem Anfall der Erbschaft. (Delatione Hæreditatis.)
Die
Erbschaft wird 1mò dem rechtmässigen Erben regulariter im selbigem Augenblick,
da der Erblasser stirbt, anfällig sofern keine Bedingnuß oder andere Hindernuß
im Weg stehet, wie z. E. den Hæredibus ab Intestato, wenn ein Testament
vorhanden, oder den jenen, welche nur substituirt, oder conditionatè instituirt
seynd. 2dò Gehet durch den blossen Anfall kein mehrers zu, als die Befugnuß
oder das Recht, Hæreditatem delatam mit Worten oder Werken antretten zu
darffen. Solang nun 3tiò solche nicht würklich angetretten ist, solang wird sie
für liegend geachtet. Und wenn 4tò der Erb vor dem Antritt der deferirt- oder
angefallener Erbschaft stirbt, so fallt sie nicht auf seine, sondern auf seines
vorabgestorbenen Erblassers andere Erben, nach der Regul: Hæreditas delata,
nondum adita, non transmittitur. Ausgenommen 5tò da jetztgedachter Erb, welchem
die Erbschaft angefallen ist, entweder der Hæredes necessarios oder suos, oder
wenigst Descendentes hinterläßt, dann auf diese transmittirt er die deferirte
Erbschaft soweit, daß sie solche statt seiner antretten können, auf andere
Erben hingegen, welche weder Necessarii noch Sui, oder Descendentes seynd, wird
sie nur in dem einzigen Fall transmittirt, wenn der Todfall noch inner dem
Legal, oder allenfalls von der Obrigkeit bestimmten Spatio deliberandi
geschehen ist.
§.
5. Von dem Antritt der Erbschaft. (Aditione Hæreditatis.)
Die
Erbschafts-Antrettung ist eine freywillig- und zuverlässige Erklärung, daß man
Erb seyn wolle, wozu aber folgende Stück erfordert werden. 1mò Muß derjenige,
welcher die Erbschaft antretten will, nicht nur derselben nicht unfähig,
sondern auch so beschaffen seyn, daß er sich gegen andere verbindlich machen
möge. 2dò Kan solches entweder für sich selbst, oder durch einen specialiter
hierzu bevollmächtigten Anwald geschehen. Kinder oder Pflegbefohlne werden 3tiò
wie in anderen Sachen, also auch hierin von ihren respektivè Vättern, Vormündern, oder Curatoribus vertretten, und
was diese jenen zum Schaden etwan unterlassen, das kan per Restitutionem in
integrum wiederum ersetzt werden. 4tò Greift der Antritt vor dem würklichen
Anfall niemal Platz, solchemnach kan derjenige, welcher nur Bedingnuß-weis zum
Erben ernannt ist,
(184)
vor existirender Bedingnuß sowenig als ein Erb ab Intestato, solang einer ex
Testamento verhanden ist, vielweniger ein Substitutus, ehe und bevor der
Institutus von der Erbschaft abstehet, solche antretten. 5tò Ist nicht erlaubt,
die Erbschaft nur Stück-weis antretten zu wollen, sondern es muß solche ganz
und soweit nemlich dieselbe anfällig worden, angetretten, oder repudirt werden.
Wer demnach einmal einen Theil davon angetretten hat, der wird eben so
geachtet, als hätte er sich auf das Ganze eingelassen. Daraus folgt 6tò von
selbst, daß sich keiner die Noth-Gebührnuß allein mit Ausschlagung der übrigen
Erbschaft zueignen möge, sondern man muß sich entweder beedes zugleich, oder
keins von beeden gefallen lassen. 7mo Stehet dem Testaments-Erben, welcher
zugleich Hæres ab Intestato ist, allerdings frey, ob er die Erbschaft ex
Testamento oder ab Intestato antretten wolle, jedoch soviel die Legata und
Fideicommissa betrift, mit dem cap. seq. 3. §. 29. n. 3. bemerkten Anhang. 8vò
Hat der Erb dreyssig ganzer Jahr Zeit zum Antritt, es seye dann, daß er von
denen Cohæredibus, Substitutis, Legatariis, Creditoribus oder anderen
Interessatis auf eine positive Declaration getrieben wird, welchenfalls ihm die
Obrigkeit einen peremptorischen Termin von einem oder mehr Monaten bey Verlust der
Erbschaft zur Deliberation und endlicher Erklärung anberaumen, indessen aber
auch benöthigtenfalls solche Provisional-Bestellung machen soll, damit die
Verlassenschaft, soviel wie möglich, in Esse erhalten werde. 10mò Ist die
aditio Facti, und muß also von dem, der sich darauf beziehet, erwiesen werden.
Von denen Würkungen derselben, siehe nächstfolgenden sechsten §vum.
§.
6. Würkung des Antritts.
Die
Erbschafts-Antrettung thut folgende Würkungen. 1mò Repræsentirt der Erb
durchaus die Person des Erblassers, und tritt in seine Stell sowol activè als
passivè ein, Jura personalissima ausgenommen, welche nur auf des Verstorbenen
Person allein eingeschränkt gewest, sohin durch dessen Tod erlöschen. 2dò
haftet er denen Creditoribus des Erblassers auch über die Kräften der
Erbschaft, es seye dann, daß er solche nur cum Beneficio Legis & Inventarii
angetretten hat. 3tiò Wird zwischen dem Testaments-Erben dann denen hierin
benannten Legatariis, Mortis causâ Donatariis und Fideicommissariis
particularibus mittels der Antrettung gleichsam stillschweigend
(185)
contrahirt, wie im vierten Theil zwölften §vo zu ersehen ist. 4tò Erlangt man
durch die Adition ipso Jure das Eigenthum aller und jeder zur Erbschaft
gehöriger Sachen, und wenn 5tò der Erb nach beschehenen Antritt stirbt, so
fallt die angetrettene Erbschaft auf seine hinterlassene Testaments- oder
andere Erben. Die Possession der Verlassenschaft wird 6tò durch den Antritt,
sofern er nur in blossen Worten bestehet, vor würklicher Ergreiffung derselben
nicht erlangt, und ist auch nicht erlaubt, sich eigenmächtiger Weis darein zu
setzen, ausser soweit solche leer und noch von Niemand anderen præoccupirt ist.
7mo Pflegt man die Zeit des Antritts dergestalt zuruckzuschieben, daß man dafür
halt, ob wäre solcher schon zur Zeit des Anfalls geschehen. 8vò Verliehrt die
Erbschaft von Zeit der Antrettung ihren Namen, und heißt eigentlich keine
Erbschaft mehr, sodern proprium Hæredis Patrimonium, weil sie dadurch mit
seinem übrigen Vermögen vermischt wird, dahero auch 9no keine Repudiation oder
Entschlagung mehr statt hat, es seye dann, daß man ex Capite Minorennitatis
gegen die Adition in integrum restituirt worden. Von denen Actionibus
hæreditariis, welche dem Erben nach angetrettener Erbschaft zukommen, siehe
§vum seq. 9. &c.
§.
7. De Gestione pro Hærede.
Die
Erbschaft kann 1mò nicht nur ausdrücklich mit Worten, sondern auch
stillschweigend mit Werken ausgetretten werden, da man nemlich etwas thut, was
keinem anderen als dem Erben zu thun gebührt, z. E. da man entweder mit der
Verlassenschaft überhaupt oder denen dazu gehörigen Dingen zu schalten und
walten anfangt, solche gebraucht, veräussert, verpachtet, und dergleichen
Handlungen damit vornimmt, dann daraus wird 2dò der Wille die Erbschaft
anzutretten solange gemuthmasset, bis nicht aus eingelegter Protestation oder
anderen Umständen gnüglich erscheint, daß dieses nicht in der Meinung, die
Erbschaft antretten zu wollen, sondern aus Irrthum, Anwaldschaft, Negotiorum
Gestione, oder anderer Absicht geschehen seye. Insonderheit wird 3tiò die
Vornehmung der Inventur für eine Gestionem pro Hærede nicht geachtet.
Desgleichen wenn derjenige, welcher in des Verstorbenen Hauß und Unterhalten
gewest, währender Deliberation oder Inventur einsweilen die tägliche
Hauß-Fahrnuß von der Verlassenschaft zur Nothdurft fortgebraucht, und solches
bey der
(186)
Inventur ohne Verhelung redlich anzeigt, so kann man ihn derwegen pro Hærede so
wenig als jenen ansehen, welcher von der Verlassenschaft ungefährlich etwas an
sich bringt, so von keiner oder gar geringer Importanz ist, und von ihme selbst
gleich zu dem Ende angegeben wird, damit es in das Inventarium eingetragen
werde, und dergleichen. Im übrigen hat es 4tò mit der stillschweigenden
Erbschafts-Antrettung die nemliche Beschaffenheit, wie mit der ausdrücklichen.
§.
8. De Immixtione oder Einmischung in die Erbschaft.
Obwol
vor diesem Hæredes sui die Erbschaft ipso Jure acquirirten, dergestalt daß sie
des Antritts hierzu nicht vonnöthen hatten, sondern Aditio und Delatio eins bey
ihnen war, so ist doch nachhero ein anderes disfalls eingeführt worden, und
müssen sich demnach Hæredes sui eben sowol als andere entweder mit Worten oder
Werken auf obverstandene Weis erklären, ob sie sich der Erbschaft annehmen
wollen oder nicht, welche Erklärung zwar einen besonderen Namen hat, und auf
Latein Immixtio genannt wird, im Hauptwerk selbst aber von obbemelter Aditione
Hæreditatis, respectivè Gestione pro Hærede in keinem einzigen Stück
unterschieden ist, folglich wird auch selbe niemal gemuthmasset, sondern muß
von deme, welcher sich hierauf belendet (!) , als Res Facti, bewiesen werden.
§.
9. De Petitione Hæreditatis.
Unter
die Erbschafts-Klagen gehört zuförderst die sogenannte Petitio Hæreditatis,
mittels welcher 1mò der rechtmässige Erb (er seye gleich Testamentarius,
Pactitius oder Legitimus, Directus oder Fideicommissarius, ex Asse vel pro
Parte Hæres) denjenigen, der die Erbschaft entweder pro Hærede oder Possessore
innhat, um die Abtrettung derselben belangt. Possessor pro Hærede wird 2dò
jener genannt, welcher die Erbschaft darum besitzt, weil er selbst der rechte
Erb zu seyn behauptet, Pro Possessore, welcher sich blos mit dem Besitz zu
schützen sucht und hierum entweder gar keinen oder nur einen offenbar
unrechtmässigen Titul aufzuweisen hat. Wer demnach 3tiò einen scheinbaren
Titulum singularem für sich hat, kan Petitione Hæreditatis zwar nicht, wol
hingegen Rei Vindicatione, Publicianâ, oder sonst rechtlich belangt werden. Um
aber auch 4tò zu wissen, quo Titulo der Beklagte die Erbschaft innehabe,
(187)
muß er solchen dem Kläger auf Begehren gegen die sonst obwaltende gemeine
Rechts-Regul, daß niemand Titulum Possessionis suæ zu ediren schuldig ist,
namhaft machen. 5tò Gehet diese Klag nicht nur gegen die Erben desjenigen,
welcher pro Hærede vel Possessore im Besitz ist, sondern auch gegen ihre
Successores singulares, soweit sie in mala Fide seynd. Der Kläger soll 6tò bey
dieser Klag auf gegentheiliges Widersprechen nicht nur den Tod des Erblassers,
sondern auch sein angebliches Erbschafts-Recht gnüglich darthun, sohin 7mo die
letztwillige Disposition oder das Pactum Successorium, sofern es schriftlich
verfaßt ist, in offenbar glaubwürdiger Form unversehrt und unbemahlt
beybringen, oder 8vò in Successione ab Intestato die Sippschaft und zwar, wenn
der Gegner dem Erblasser ebenfalls versippt ist, den gleich- oder näheren Grad
derselben mit Beyfügung eines förmlichen Schematis Genealogici beweisen. Nebst
deme soll er 9no wenigst summariè dociren, daß Beklagter die Erbschaft, zum
Theil oder ganz, verè oder fictè, innhabe, und wird unter dem ficto Possessore
jener verstanden, der sich betrüglicher Weis entweder des Innhabens zu Fleiß
entschlagen, oder wenigst bey dem Streitt für den Innhaber angegeben hat. Das
Objectum dieser Klag ist 10mò die Erbschaft oder das Vermögen des Erblassers,
wie sich solches zur Zeit seines Absterbens erweislichermassen bezeigt hat,
samt aller Zugehör und von selbiger Zeit an sich ergebenen Zuwachs, dann denen
davon abgefallenen Früchten, Gewinn und Nutzungen, oder soviel den Fictum
Possessorem betrift, dem wahren Werth nach unpartheyischen Anschlag. Wobey aber
auch 11mò zwischen dem bonæ und malæ Fidei Possessore ein wolmerklicher
Unterschied zu machen ist. Jener restituirt die inngehabte Erbschaft samt denen
Fructibus nur soweit, als noch Tempore motæ Litis in Natura davon vorhanden,
oder er dadurch reicher worden ist. Nebst deme haftet er für keinen anderen
Schaden, als welcher geflissen und betrüglicher Weis von ihm selbst daran
verursacht worden. Malæ Fidei Possessor hingegen restituirt 12mò die inngehabte
Erbschaft in dem Stand, wie sie Tempore Delationis gewest, und zwar in Natura,
oder was nicht mehr davon existirt, im Werth, samt denen Fructibus perceptis
& percipiendis, wie auch mit Abthuung aller Schäden, welche Dolo vel Culpâ
latâ, levi aut levissimâ hieran geschehen seynd, die unversehene Unglücks-Fäll
allein ausgenommen, dann diese werden nur von qualificirten malæ Fidei
Possessoribus, z. E. von Dieben und Raubern,
(188)
nicht aber von Gemeinen præstirt. Was 13tiò auf Entrichtung deren
Vermächtnussen oder Erbschafts-Schulden verwendet worden, wird sowol von bonæ
als malæ Fidei Possessore abgezogen. Gleiche Beschaffenheit hat es 14tò mit
denen Kösten, welche auf Erziehl- oder Einbringung deren in die Restitution
kommender Früchten und Nutzungen verwendet werden, und zwar bey dem bonæ Fidei
Possessore gar auf dem Fall, wenn gleich die Früchten nicht würklich erziehlet
worden, sondern ohne seinem Verschulden zuruckgeblieben seynd. All übrige auf
die Erbschaft ergangene Impensas necessarias, utiles, & voluptuarias ziehet
15tò bonæ Fidei Possessor gleichfalls ab, ohngeacht die Sach selbst, woran man
sie angelegt hat, nicht mehr vorhanden ist. Malæ Fidei Possessor hingegen
bringt necessarias & utiles nur soweit in Abzug, als die Sach würklich
dadurch erhalten oder verbessert worden ist, von denen Voluptariis aber nimmt
er soviel zuruck, als sich ohne Beschädigung der Substanz thun laßt. Währenden
Streitt soll 16tò von der Erbschaft nichts veräussert werden, es geschehe dann
solches aus Nothwendigkeit, oder zum merklichen Nutzen der Erbschaft, und mit
Obrigkeitlichen Consens præviâ Causæ Cognitione, oder auf vorläuffig
hinlängliche Caution. 17mo Seynd Creditores oder Legatarii nicht schuldig, den
Ausgang des Streitts abzuwarten, sondern mögen das Ihrige gegen Caution
begehren, dahingegen mag auch 18vò der Erbschafts-Innhaber die dahin haftende
Debitores pendente Lite zwar belangen, welche aber zur Zahlung andergestalt
nicht, als gegen Sicherheit oder zu Gerichtshanden angehalten werden mögen.
19no Erlöscht diese Action, wie all andere regulariter, inner dreyssig Jahren.
§. 10. De Interdicto quorum Bonorum & Edicto divi
Adriani.
Die
Erbschafts-Klagen gehen entweder auf das Petitorium oder Possessorium. Unter
die erste Gattung gehört obbenannte Petitio Hæreditatis, unter die andere aber
das sogenannte Interdictum quorum Bonorum & Edictum divi Adriani, das
letztere ist heut zu Tag nur noch allein mehr üblich, und zwar 1mò auf dem
Fall, wenn eine schriftlich- mit keinem sichtigen Mangel behaftete Disposition
vorhanden ist, dann da kan derjenige, welcher Vi Dispositionis succediren soll,
nach Maß und Inhalt derselben in die Possession der Verlassenschaft, sofern
kein legitimus Contradictor vorhanden ist, immittirt
(189)
zu werden begehren. Jetztgedachte Immission kommt 2dò nur denen Erben, nicht
aber Legatariis, Mortis causâ Donatariis, und Fideicommissariis particularibus
zu Guten. 3tiò Wird auch ein von Mund ausgesprochene Disposition hierinfalls
nicht attendirt, es seye dann von einem recipirten Notario oder der Obrigkeit
selbst ein legales Instrument darüber verfertiget. Ein sichtiger Mangel heißt
4tò, welcher ohne vielen Nachdenken gleich aus der blossen Einsicht des
producirten letzten Willens in die Augen fallt, z. E. da an der Schrifft,
Unterschrifft, erforderlicher Anzahl deren Gezeugen, und der Erbs-Einsatzung
etwas fehlet, oder der Inhalt des Instruments in Passu concernenti so dunkel
und zweifelhaft ist, daß er auf wahrscheinliche Weis unterschiedliche Auslegung
leidet, folglich der wahre Verstand erst in Petitorio dargelegt werden muß.
Legitimus Contradictor wird 5tò genannt, der gegen den producirten letzten
Willen nicht nur Rechts-erhebliche, sondern auch in Continenti liquidirliche,
mithin solche Exceptiones zu machen weiß, welche keines ordentlichen Beweis
durch Gezeugen bedarffen, sondern gleich durch richtige Urkunden, und
summarische Probsmittel dargethan werden mögen. Immassen auch 6tò jetzt
bemeltes Edictum in älteren und nicht ab ultimo Defuncto herrührenden
Fideicommiss-Dispositionen, sonderbar wenn solche schon lang ausser Uebung bey
der Familie gewesen seynd, nicht statt hat, sondern die Sach bey entstehender
Contradiction vielmehr ad Petitorium gehört. 7mo Wer nur sub Conditione
instituirt ist, wird vor erfüllter Bedingnuß andersgestalt nicht als
provisionaliter ad Effectum Administrationis gegen Caution immittirt.
§.
11. Actio ad exhibendum & Interdictum de Tabulis exhibendis.
Wenn
der Erb zweiflet, ob der Gegentheil die prætendirte Verlassenschaft innhabe,
oder nicht, so kan er zu seiner Sicherheit Actionem præparatoriam ad exhibendum
auf Art und Maß, wie bereits oben P. 2. cap. 2. §. 12. mit mehreren verordnet
ist, gegen ihn anstellen. Auf die nemliche Weis wird verfahren, wenn der Erb
oder anderer interessirter Theil auf die Herausgebung vorenthaltener oder etwan
gar unterschlagener Disposition gegen den vermuthlichen Detentorem oder
Suppressorem entweder Actione ad exhibendum, oder welches in der That einerley
ist, ex Interdicto de Tabulis exhibendis klagt, worinfalls auch dem Kläger die
Einred, daß die
(190)
Disposition nicht gültig seye, so wenig als all andere dergleichen zur
Hauptsach selbst gehörige Exceptiones im Weg stehen.
§. 12. De Missione Ventris in Possessionem Hæreditatis.
Liegt
der præsumirte rechtmässige Erb etwan noch in Mutter-Leib, so kan die Mutter
währender Schwangerschaft statt seiner den einsweilligen Besitz der
Verlassenschaft, nebst der Standsmässigen Alimentation bis zur Niederkunft
begehren, muß aber dagegen auf Instanz der Interessaten die in P. 1. cap. 4. §.
10. beschriebene Inspectionem & Custodiam Ventris leiden, und wenn sich
nach der Hand bezeigt, daß die Schwangerschaft nur boshafter Weis fälschlich
von ihr angegeben worden, so thut sie nicht nur allen dadurch verursachten
Schaden ab, sondern wird annebens gestraft. Dafern auch nebst dem im Mutter(-)
Leib liegenden noch ein oder mehr andere Miterben vorhanden seynd, sollen diese
zwar ebenfalls coimmittirt, jedoch keinem andersgestalt als provisoriè auf den
Nothfall etwas davon ausgefolgt, sohin mit der Erbschafts-Vertheil- oder
Verhandlung bis zur Niederkunft an sich gehalten werden.
§. 13. De Immissione ex Edicto Carboniano.
Dafern
einem Posthumo oder Unvogtbaren Quæstio Statûs & Filiationis gemacht, und
aus dieser Ursach die Vätter- Mütter- Brüderlich- oder andere Succession
bestritten wird, so soll man ohngeacht dessen den bestellten Vormund oder
Curatorem Puppilli vel Posthumi Nomine einsweilen in die Possession der
strittigen Verlassenschaft setzen, und die Quæstionem Statûs bis zu erlangter
Vogtbarkeit ausgestellt seyn lassen, es seye dann, daß die oben P. 1. cap. 4.
§. 9. n. 2. erforderliche Prob per Evidentiam Facti also gleich gemacht werden
könte.
§.
14. Von Erbschafts-Vertheilungen und der Actione Familiæ herciscundæ.
So
wenig man schuldig ist in Communione beständig zu verbleiben, so wenig kan
solches auch einem Miterben in Ansehen gemeinschaftlicher Erbschaft, ohngeacht
solches ausdrücklich also pactirt worden, wider seinen Willen zugemuthet
werden, und hat demnach unter Cohæredibus die sogenannte Actio Familiæ
herciscundæ zu dem Ende statt, damit sie voneinander abgetheilt, und jedem
seine gebührende Erbs-Portion angewiesen
(191)
werde, wobey aber folgendes zu merken ist. 1mò Ist diese Action theils realis
theils personalis, mithin vermischter Natur, weil sie sowol ex Jure hæreditario
als Quasi-Contractu entspringt, indeme sich ein Erb gegen seinen Miterben durch
Antrett- und Administrirung gemeinschaftlicher Erbschaft nicht nur zu derselben
redlicher Vertheilung, sondern auch zu all gebührenden persönlichen
Præstationen im Werk selbst verbindlich macht. 2dò Werden unter jetzt gedachten
Præstationibus personalibus die Nutzung, Meliorationen, Kösten und Schäden
verstanden, dann was ein Miterb zu Erhalt- oder Verbesserung der gemeinschaftlichen
Erbschaft von dem Seinigen erweislichermassen verwendet, muß ihm von denen
anderen Miterben wiederum vergütet werden, wohingegen er die ex Massa communi
privativè sich zugeeignete Nutzungen um der Vertheilungs willen wiederum dahin
bringen, wie nicht weniger allen Schaden, welchen er Dolo vel Culpâ latâ aut
levi hieran verursacht hat, ex Propriis ersetzen muß. 3tiò Kan ein Puppill oder
anderer unter der Curatel stehender ohne des Curatoris und der Obrigkeit
Begnehmigung weder gegen seines Gleichen, noch einen Volljährigen die Theilung
begehren, wol hingegen 4tò ein Volljähriger, gegen einen Puppillen oder
Curatelmässigen, desgleichen 5tò ein Anwesender gegen Abwesende jedoch
dergestalt, daß diesen letzteren, sofern nicht von ihnen selbst ein hinlänglicher
Anwald bestellt ist, ein Procurator ex Officio ad hunc Actum von der Obrigkeit
ernannt wird, ohne daß eine vorläuffige Edictal-Citation hierzu vonnöthen ist.
Wer 6tò aus mehr Erbs-Interessenten am ersten klagt, und auf die Theilung
provocirt, wird für den Kläger geachtet. 7mo kommt alles in gegenwärtige
Vertheilung, was nur zur Erbschaft gehörig ist, samt allem seit des Anfalls
sich ergebenen Zuwachs, und mögen 8vo die Früchten sogar nach beschehener
Theilung, so weit die etwan hierunter ausser Acht gelassen worden, mittels
einer besonderen Nachklag pro debita Portione von dem Miterben, welcher
dieselbe an sich gebracht hat, gefordert werden. 9no Schädlich oder schändliche
Dinge z. E. Gifft (!), verbottene Bücher, und dergleichen, item fremd- oder gar
entwendetes Gut, wie auch 10mò alles, was nicht conferirt zu werden pflegt,
kommt nicht in die Erbschafts-Vertheilung. 11mò Sachen, welche nicht Jure
Hæreditario sondern Dominii oder sonst Titulo singulari gemein seynd, gehören
zwar nicht zu gegenwärtiger Klag, wol aber ad Actionem
(192)
communi dividundo, wovon im vierten Theil dreyzehenden Capitul gehandlet wird,
und die nemliche Beschaffenheit hat es mit denen Erbschafts-Stücken, welche aus
Verstoß oder sonst unvertheilt zuruckgeblieben seynd. 12mò Personal-Sprüch und
Obligationes seynd zwar ipso Jure inter Cohæredes pro rata getheilt, ereignet
sich aber allenfalls ein Zweytracht hierüber, so legt sie der Richter gegen
andere billiche Ausgleichung einem allein bey, oder bestellt zu deren
Ausführung einen gemeinschaftlichen Anwald von Amtswegen, und nimmt die
Obligations-Brief einsweilen zu Gerichts-Handen, die zur Erbschaft gehörige
Documenta aber werden zuförderst demjenigen übergeben, der die Sach selbst,
wovon selbe hauptsächlich handlen, in die Theilung bekommt, sonst aber gebühren
sie regulariter dem ältesten Manns-Erben, oder nach ihm dem stärkesten
Erbs-Interessenten, jedoch dergestalten, daß denen übrigen Interessatis
vidimirte Abschriften auf gemeinschaftliche Kösten ausgefolgt werden müssen. 13tiò
In unbeweglichen Gütern hat der ältere weltliche Manns-Erb, sofern er anders
die übrige Miterben in leidentlichen Anschlag pro ratâ hinauszuzahlen vermag,
den Vorzug. 14tò Soll man auch denen Kindern überhaupt das Vätterliche Erb-Gut
vor der Mutter, oder anderen auswärtigen Erb-Genossenen, sofern diese nicht
etwan ein stärkeres Anbott hierum thun, in der Vertheilung zukom(m) en lassen.
All übrige theilbare Güter werden 15tò nach der einen jeden betreffender
Erbs-Portion getheilt. In anderen Sachen aber welche sich 16tò nicht füglich
theilen lassen, kom(m) t es entweder auf die Adjudication, oder auf die
Licitation, oder auf das Loos an. Es wird aber 17mo eine Sach bald civiliter
bald naturaliter für untheilbar geachtet, und zwar civiliter, wenn die Theilung
durch Gesatz oder Geding verbotten ist, naturaliter, wenn sie ohne merkliche
Beschädigung, oder Verminderung des Werths nicht so getheilt werden mag, das
sammentliche Stück noch soviel als das ganze gelten. 18vò Soll zum Loos niemal
anders als mit Einverständnuß aller Erbs-Interessenten geschritten werden. Bey
der Adjudication, mittels welcher 19no einem Erbs-Genossen dieses oder jenes
gegen Herauszahlung der übrigen Interessenten allein angewiesen wird, hat der
Richter ausser dem Num. præced. 13. benannten Fall, weder auf das Alter, noch
die mehrere Stimmen deren Cohæredum, wol aber auf den stärkesten Antheil der zu
suchen habender Portion, und vorzüglich auf das meiste Anbott zu attendiren,
die Licitation
(193)
oder Verkauffung quanti plurimi aber hat 20mò nur auf dem Fall statt, wenn
weder von dem Erblasser selbst ein gewisses Pretium von der Sach bestimmt
worden, noch die Erben sich hierüber miteinander gütlich vergleichen können.
21mò In Lehen, Fideicommiss und anderen derley inalienablen Gütern werden unter
mehr Erbs-Interessenten nur die Fructus pro ratâ getheilt, und zu dem Ende
entweder ein gemeinschaftlicher Verwalter bestellt, oder aber in den Genuß von
Zeit zu Zeit abgewechslet. Daß aber 22dò unter Kindern und Erben das Aeltere
die Theil zu machen, und das Jüngere hieraus zu erwählen habe, ist weder dem
Römischen, noch hiesigen Land-Recht gemäß, folglich auch ausser
selbstig-gutwilliger Einverständnuß sammentlicher Theilen nicht zu beobachten.
Desgleichen obschon 23tiò der Richter denen gemeinen Rechten nach einem
Cohæredi das Eigenthum, dem anderen die Nutzniessung zuzutheilen vermag, so
soll doch dieses ohne allseitiger Einverständnuß oder in anderen Stücken
beobachtend- reciprocirlich- und gleichmässiger Zutheilung nicht geschehen.
24tò Will etwan der Beklagte den Kläger für einen Miterben nicht erkennen, so
muß jener sein angebliches Miterbschafts-Recht, soweit er nicht schon in
desselben rechtlichen Besitz ist, gnüglich erweisen, kan auch zu Vermeidung
eines doppelten Process gleich anfänglich in der Klag-Schrift Petitionem
Hæreditatis mit gegenwärtiger Action eventualiter cumuliren. Dahingegen
præjudicirt sich Kläger 25tò durch die Actionem Familiæ herciscundæ niemal so
weit, daß er nicht dennoch auf den Fall, wenn der Beklagte kein Miterb gewest
zu seyn sich nach der Hand bezeigt, den aus Verstoß ausgefolgten Antheil
Petitione Hæreditatis vel Condictione Indebiti wiederum von ihm forderen möge,
es seye dann derselbe præviâ Cognitione Causæ bereits für einen Miterben
ausdrücklich declarirt, und der Spruch in Rem judicatam erwachsen. 26tò Kan
Beklagter gegen diese Klag Exceptionem Præscriptionis nimmermehr vorschützen,
so weit er die unvertheilte Erbschaft nur communi und nicht proprio Nomine für
sich allein privativè besessen zu haben dociren kan, welch-letzteres unter
anderen daraus erhellet, wenn er die Nutzungen beständig allein eingehoben, und
klagender Seits niemal etwas davon begehrt, oder wenigst von der Prætension
selbst wiederum desistirt, und dreyssig Jahr stillgschwiegen hat. 27mo Mag keine
Erbschafts-Vertheilung ex Capite Læsionis gänzlich umgestossen, wol aber
moderirt
(194)
und verbessert werden, sofern sich eine merkliche oder soviel die
Judicial-Abtheilung betrift, eine enorme Læsion über die Helfte erst nach der
Hand äusseren thäte. Mit der Gewehrschaft-Leistung pflegt man es 28vò hierin
eben so, wie in Kauf- und Tausch-Handlungen zu halten, und da im übrigen 29no
ein Erb nicht gegen einen Cohæredem, sondern wieder einen dritten Innhaber der
ad Hæreditatem gehöriger Sach klagt, so wird ihm solche nur pro ratâ vel
Portione hæreditariâ, oder wenn sie untheilbar ist, zwar ganz, jedoch
andergestalt nicht als gegen Caution eingeraumt. 30mò Mag ein Cohæres, welcher
von einem Erbschafts-Glaubiger nur pro suâ Portione Debiti um die Bezahlung
belangt wird, demselben Exceptionem plurium Litis Consortum nicht machen, wol
aber, wenn er in solidum actionirt wird. 31mò So lang die Erben in
unvertheilter Erbschaft beysammen bleiben, hat unter ihnen all jenes statt, was
unten P. 3. c. 13. §. 3. von anderen in Communione stehenden Consorten versehen
ist.
Von
der Collation in Erbschafts-Vertheilungen.
§.
15. Die Collation oder Einwerffung ist eine Handlung, da der Erb dasjenige, was
er von dem Erblasser bereits bey Lebzeiten empfangen hat, zu gemeinschaftlicher
Erbs-Massa bringt, damit es zwischen ihm und den anderen Miterben getheilt
werde. Es conferiren aber 1mò nicht alle, sondern nur die Noth-Erben ohne
Unterschied, ob sie ex Testamento, Pacto, vel ab Intestato in auf- oder
absteigender Linie, zu gleich- oder ungleichen Theilen succediren. Dafern aber
2dò der Noth-Erb sich der Miterbschaft entschlagt, oder rechtmässig enterbt
wird, oder nur Titulo merè singulari succedirt, so ist er zur Collation nicht
verbunden. 3tiò Wird nur eingeworffen, was man von dem Erblasser noch in seinem
Lebzeiten empfangen hat, folglich kommen weder Legata, noch Schankungen von Tod
wegen in die Collation, weil sie erst nach dem Tod des Erblassers empfangen
werden. 4tò Muß jetztgedachter Empfang auch aus des Erblassers Vermögen
geschehen seyn. Solchemnach wird 5tò weder Peculium Castrense vel Quasi noch
Adventitium ordinarium vel extraordinarium, vielweniger Fideicommiss- oder
Stamm-Lehen-Güter, welche der Erb nicht von dem Erblasser, sondern von denen
Voreltern, oder anderen erhalten, und eben sowenig auch bey Vätterlicher
Erbfolg dasjenige, was man von Mütterlicher Seite her hat, & vicissim
eingeworffen.
(195)
Gleiche Beschaffenheit hat es 6tò mit deme, was die Elteren auf ihrer Kinder
Erziehung und nöthigen Unterhalt, Erlernung eines Handwerks, oder anderer
nutzlicher Profession, Kunst und Wissenschaft, anständige Leibs-Exercitia,
Anschaffung bedürftiger Bücher, Erlangung des Gradûs Academici, Reisen in
fremde Länder, oder da sie in das Feld gehen, auf ihre Ausstaffirung und
Equipage verwenden, ausgenommen, soviel hievon 7mo den zu merklichen Abbruch
der Noth-Gebührnuß anderer Kindern gereichenden sichtigen Ueberfluß betrift,
oder was von denen Kindern hieran offenbar mißbraucht und übel angelegt wird,
oder wenn dieselbe mit eignen und zu Bestreittung obiger Auslagen erklecklichen
Mittlen versehen gewest, welchenfalls der von denen Elteren hierinfalls
beschehene Vorschuß allerdings conferirt werden muß. 8vò Kommt ebenfalls in
keine Collation, was zu Erledigung des Noth-Erbens aus Türkischer Sclaverey
oder feindlicher Gefangenschaft ausgelegt wird, wie auch 9no der denen Kindern
entweder ex Statuto oder Elterlicher Special-Verordnung gebührende
Manns-Vortheil. Dahingegen muß 10mò nicht nur Peculium Profectitium, und was
die Kinder zwar mit eigenen Fleiß, jedoch aus der Elteren Gut acquiriren, oder
zum blossen Gebrauch von ihnen überkommen, sondern auch was um Schulden willen
ex Contractu vel Delicto für sie ausgegeben wird, nebst allen per Actum inter
Vivos von denenselben erhaltenen Schankungen (ausser soweit solche etwan um
sonderbarer Verdiensten wegen geschehen seynd) in die Erbschaft miteingeworffen
werden. 11mò Wirft man ferner ein, was für die Kinder zu Erlangung eines
nutzlichen Amts, Geistlicher Præbend, ansehlicher Würde, oder Accommodation
verwendet wird. Desgleichen 12mò was bey ihrer Versorg- oder Verehelichung auf
Aussteuer- oder Ausfertigung, Heyrath-Gut, Wiederlag, Morgengab und andere
denenselben zu Guten gehende Elterliche Ausgaben erlauft, das Hochzeitmal allein
ausgenommen, welches man in die Erbschaft einwerffen zu lassen nicht schuldig
ist. 13tiò Fallt auch die Vätterlich- respectivè Mütterliche Beyhülf zur
Haushaltung deren Kindern in die Collation, und endlich 14tò alle von
obbemelten Conferendis gefallene Zinsen und Früchten, jedoch nur von der Zeit
an, da man um die Collation in- oder aussergerichtlich belangt, folglich in
Moram constituirt worden ist. Kinds-Kinder und Enklen conferiren 15tò in der
Concurrenz mit Kindern nicht nur das, was sie etwan
(196)
selbst, sondern auch was ihre Eltern, welche von ihnen repræsentirt werden, von
dem Erblasser in seinen Lebzeiten empfangen haben. 16tò Kan der Erblasser die
Collation in Fällen, wo selbe sonst regulariter statt hat, entweder
ausdrücklich oder stillschweigend nachlassen, welches jedoch von dem angebenden
Theil bewiesen, und den übrigen Miterben an der Legitima unabbrüchig seyn muß,
dahingegen kan er solche 17mo in Fällen, wo sie sonst regulariter nicht statt
hat, nichts destoweniger anordnen, soweit nicht des Conferentens Noth-Gebührnuß
dadurch zu Nahe getretten wird, es muß aber der Wille des Erblassers von jenen,
welche in solchen Fällen die Collation begehren, entweder durch die Disposition
selbst, oder in anderweg durch Gezeugen, Urkunden, oder gestalten Dingen nach
durch den Eid gnüglich bewiesen seyn, massen die blosse Aufzeichnung der
Collations-Posten in des Erblassers Haus-Calender oder Einschreib-Büchlein
sowenig als andere dergleichen Muthmassungen zu disfalligen Beweis erklecklich
seynd. Die Art und Weis zu conferiren bestehet 18vò darin, daß man die Sach
entweder in Naturâ oder unpartheyischen Anschlag nach in Pretio ad Massam
bringt, oder wenigst in der Theilung solang stillstehet, bis auch die andere
Miterben soviel erlangt haben. Jene, welche sich 19no hierzu nicht bequemen
wollen, mögen per Actionem Familiæ herciscundæ, vel Implorationem Officii
Judicis angehalten, oder da sie gleichwol ihr anderes Erbtheil verlangen,
Exceptione nondum factæ Collationis einsweilen abgetrieben werden. 20mò Mag jeder
Interessent die Collation auch nach beschehener Theilung noch begehren, und hat
die Exceptio Præscriptionis inter Cohæredes nur in denen Fällen Platz, worin
solche obgedachtermassen auch in Actione Familiæ herciscundæ ihren Eingang
findet. Ist etwan 21mò noch ungewiß, ob und wie viel man zu conferiren habe, so
wird zwar die Theilung nicht aufgehalten, es muß aber der Conferent auf
Begehren hinlängliche Caution leisten. 22dò Widerspricht derjenige, welcher
conferiren soll, von dem Erblasser etwas empfangen zu haben, so müssen jene,
welche auf der Collation bestehen, den Beweis machen, welcher auch durch des
Erblassers eigenhändige Aufzeichnung allerdings bewerkstelliget werden kan.
Dann obschon verstandenermassen der Wille des Erblassers, daß die aufgezeichnete
Stück eingeworffen werden sollen, sich durch sothane blosse Annotation nicht
erweisen last (!) , so wird doch der Empfang dadurch
(197)
in solang erprobt, bis das Widerspiel gnugsam dargethan ist. Widerspricht aber
23tiò der Conferent nicht den Empfang, sondern nur das Quantum desselben, so
kan er von denen Miterben zum Manifestations-Eid getrieben werden. Im übrigen
hört 24tò die Collation auf, wenn das einzuwerffende Stück zur Zeit des
Erblassers Tod bey den Erben in Naturâ nicht mehr vorhanden, sondern ohne
seinen Verschulden verlohren gegangen, oder bonâ Fide von ihm verzehrt, und er
dadurch nicht reicher worden ist.
Von
dem Jure accrescendi in Erbschaften.
§.
16. Wenn unter mehr Erbs-Interessenten eine Portion aus Ursach, weil man sie
entweder nicht haben will, oder nicht kan, vacirend wird, so thut solche den
übrigen nicht vacirenden Erbs-Portionen und zwar jeder à Proportion und pro
ratâ mit dem darauf haftenden Onere, auch allenfalls wider gedachter
Erbs-Interessenten Willen, und ohne daß sie dieses Zuwachs halber eines
besonderen Antritts oder Agnition bedarffen, ipso Jure accresciren. Doch werden
hierin jene, welche Nomine collectivo als Cohæredes beruffen seynd, bey der
ihnen sammentlich zugemeinter Erbs-Portion in Casu Vacaturæ denen übrigen Cohæredibus
vorgezogen. Hiernächst hat auch das Jus accrescendi nicht statt, wenn Jemand in
der vacirenden Portion substituirt ist, oder der Erblasser sonst auf solchen
Fall andere Verordnung macht, oder die Portion durch besondere Verzicht
vacirend wird, welch-letzterenfalls dieselbe nicht allen Miterben, sondern nur
jenen allein zufallt, zu deren Favor besonders hierauf renuncirt worden ist.
Desgleichen kan die schon einmal agnoscirt- und angenommene Erbs-Portion,
ohngeacht man sich derselben hinnach erst wiederum entschlagen wolte, denen
anderen Erbs-Interessenten nicht mehr accresciren. Von dem Jure accrescendi
unter Collegatariis und anderen siehe unten cap. 6. §. 13.
Von
Obsignirung der Erbschaft und derselben Reseration.
§.
17. Stirbt Jemand mit oder ohne Disposition, so soll 1mò die Verlassenschaft
zuförderst gebührend obsignirt und versperrt werden, welches 2dò bey gemeinen
Leuten von der ordentlichen Obrigkeit in Beyseyn des Actuarii und zweyer
glaubwürdiger Personen, wieauch mit Zuziehung deren bey der Stell befindlicher
(198)
Erben unverzüglich bewerkstelliget, und ihr zu dem Ende 3tiò von jetztgedachten
Erben der Todfall alsobald angezeigt, oder da dieses unterlassen und durch
andere in Erfahrung gebracht wird, von Amts-wegen hierunter verfahren werden
solle. 4tò Ist unter der ordentlichen Obrigkeit hierinfalls regulariter jene
verstanden, worunter der Verstorbene sein Domicilium, oder da er etwan eine
gefreyte Person gewest, sein Forum privilegiatum gehabt hat. Anderen
Obrigkeiten gebührt die Sperr andergestalt nicht, als ex Commissione Judicis
ordinarii, oder in Ansehen deren unter ihren Gerichts-District liegender
Gütern, oder aber bey obwaltender Gefahr nur einsweilen provisorio Modo. Bey
Verstorbenen von Adel oder würklich Churfürstlichen Räthen stehet solche 5tò
denen männlichen Bluts-Verwandten von Vätterlich- oder Mütterlicher Seite,
jedoch nur in eigner Person und in Beyseyn ehrbarer Leuten, auch andergestalt
nicht zu, als wenn sie ebenfalls von Adel oder würklich Churfürstliche Räthe
und bey der Erbschaft nicht selbst interessirt seynd. Dafern sie auch nicht
gleich bey der Stelle seynd, soll die Sperr einsweilen von der ordentlichen
Obrigkeit und zwar bey den Justitz-Dicasteriis durch einen hierzu abgeordneten
Secretarium mit dem kleinen Cantzley-Signet vorgenommen, solches aber bey
Ankunft gedachter Befreunden alsofort wiederum abgehoben werden. Der
Geistlichkeit halber bleibt es 6tò bey jedes Orts vorhandener Concordaten und
Observanzmässiger Cumulativ-Sperr, wobey sowol denen Churfürstlichen Beamten,
als denen Hofmarchs-Herrschaften, welche sothanes Obsignations-Recht besonders
hergebracht haben, wieauch ihren Substitutis allerwegen die Præcedenz gebührt.
Auf Absterben eines in Verrechnung gestandenen Churfürstlichen Beamtens wird
zwar 7mo die Cassa-Sperr von Seiten der Churfürstlichen Hof-Cammer, respectivè
des Rent-Amts verfügt, um aber doppelte Kösten zu erspahren, soll man solche
zugleich demjenigen, der die Obsignation auch bey der anderen Verlassenschaft
vorzunehmen hat, commissionaliter übertragen. 8vò Was des Verstorbenen
hinterlassene Ehe-Frau, Kinder und Domestiquen, welche sich zur Zeit seines
Absterbens in dessen Haus und Unterhalt befunden haben, zur täglichen Nothdurft
bedarffen, wieauch was sich in die Länge nicht erhalten last(!) , das soll
nicht versperrt, sondern nur einsweilen summariè aufgezeichnet werden, damit
man es seiner Zeit in das Inventarium bringen möge. 9no Nachdeme der Eheleuten
(199)
Vermögen in Zweifel überhaupt allzeit mehr dem Ehe-Mann als der Ehe-Frauen angehörig
zu seyn gemuthmasset wird, so soll auf Absterben der letzteren in Lebzeiten des
erstens keine Inventur, folglich auch keine Sperr vorgenommen werden, sondern
was jener von seiner Ehe-Frauen Mittlen denen Rechten nach etwan auszuzeigen,
oder gar herauszugeben hat, das soll er gleichwol selbst seiner Zeit redlich
auszeigen, respectivè herausgeben. Soviel aber die Bauers-Leut betrift, bleibt
es in diesem Stück bey dem, was die Tax-Ordnung pag. 44. dergleichen Inventuren
halber mit sich bringt. 10mò Hat man bey der Sperr zu beobachten, daß nicht
zuweit damit gegangen, und solche etwan gar auf fremde zur Verlassenschaft
nicht gehörige Dinge erstreckt werde, immassen dieses einem Dritten an seiner
Gerechtsame weder in Possessorio noch Petitorio schädlich seyn soll. 11mò Nach
der Sperr soll in Conformität folgenden achtzehenden §vi zur Inventur, wo
solche anders erforderlich ist, oder von dem Erben selbst verlangt wird, längst
inner dreyssig Tägen, sofort endlich auch zur förmlichen Reseration,
Extradition und gestalten Dingen nach, zur Vertheil- oder anderer nöthiger
Erbschafts-Verhandlung geschritten werden.
Von
Inventirung der Erbschaft.
§.
18. Das Inventarium ist 1mò eine Beschreibung sammentlicher Verlassenschaft
sowol an liegend- als fahrenden Gütern, Rechten und Gerechtigkeiten, Activ- und
Passiv-Forderungen, und wird 2dò regulariter von dem nemlichen verfertiget,
welcher obgedachtermassen die Sperr und Obsignation bey der Verlassenschaft
vorzunehmen gehabt hat, und zwar 3tiò nicht nur in Gegenwart sammentlicher
Erbs-Interessenten, sondern auch anderer zwey ehrbarer Personen, zu welchem
Ende auch 4tò jenen der Tag, da die Inventur vorgenommen werden soll, zeitlich
zu notificiren ist. 5tò Seynd statt derer minderjähriger Erbs-Interessenten die
Vormünder oder Curatores mit beyzuziehen. 6tò Soll die Inventur wegen
Abwesenheit ein- oder anderen Erb-Interessentens, zumal wenn die Notification
oder Ladung richtig geschehen ist, nicht aufgeschoben werden, und da man den
Ort nicht weiß, wo sich der Abwesende aufhalt, so ist nicht nöthig, derwegen
eine Edictal-Citation vorausgehen zu lassen, sondern es wird dessen Stell durch
einen ad hunc Actum von Amts-wegen zu bestellenden Anwald, oder auch durch die
adhibirte Gezeugen einsweilen ersetzt. 7mo Soll
(200)
auch das Inventarium soviel immer möglich und nach Gestalt oder Grösse des
Vermögens thunlich ist, beschleuniget, sofort ein ordentlicher Libell darüber
errichtet, und von denen Anwesenden, welche des Schreibens kündig seynd,
unterschrieben, endlichen aber nicht nur denen Erbs- sondern auch all übrigen
Interessenten z. E. denen Legatariis oder Creditoribus, auf Begehren und soweit
es ihr Interesse erfordert, eine glaubwürdig- und gleichlautende Abschrift
Sumptibus Petentis ertheilt, das Originale aber zu Gerichts-Handen genommen,
oder gleichwol demjenigen, welchen es in der Theilung gebührt, zugestellt
werden. 8vò Wird die Inventur nicht um des Eigennutz, sondern lediglich der
Sicherheit wegen vorgenommen, folglich soll man solche auch dem Erben wider
seinen Willen nicht aufdringen ausser in folgenden Fällen. Wenn nemlich 9no der
Erben mehr seynd, und einer hierunter das Inventarium verlangt, item bey
minderjährig- oder abwesenden Erbs-Interessenten, oder da ihrer Armuth halber
denen Creditoribus eine Verlusts-Gefahr zu besorgen ist, oder bey gemeinen
einfältigen Bauers-Leuten, oder da wegen Unterschlagung der Steuer,
Siegelamts-Gebühr, und dergleichen Gefällen ein billicher Verdacht obwaltet,
oder ein Testaments-Executor von dem Verstorbenen benannt wird. 10mò Ziehet die
Errichtung eines förmlichen Inventarii verschiedene Würkungen und Freyheiten
nach sich. Dann erstlich haftet der Erb um die Erbschafts-Schulden, dann Legata
und andere Forderungen nur soweit, als sich die Kräften der Erbschaft
erstrecken. Andertens kan er um sothane Sprüch und Forderungen währender
Inventur nicht belangt werden. Drittens ist er in Entrichtung derselben die
Priorität zu beobachten nicht schuldig, sofern nur gnugsame Caution von ihnen
geleistet wird. Viertens mag er das, was man aus der Erbschaft an Gelt oder
gewissen Werth schuldig, und in Naturâ vel eâdem Specie nicht mehr darin
vorhanden ist, mit anderen Werth unpartheyischen Anschlag nach bezahlen, und
ist nicht schuldig die in der Verlassenschaft befindliche Habschaft selbst
derwegen zu versilberen. Fünftens wird die Falcidia und Trebellianica dadurch
erhalten. Sechstens bleiben ihm all seine gegen den Erblasser gehabte Rechten
bevor, und erlöschen nicht per Confusionem. Siebendens hat er auch das
Retentions-Recht wegen deren auf die Verlassenschaft, oder Begräbnuß des
Erblassers verwendeter passirlicher Kösten. All jetztbenannter Freyheiten wird
11mò der
(201)
Erb, welcher sich der Erbschaft ohne Inventario entweder mit Worten oder Werken
unterziehet, gänzlich verlustig, und hat 12mò keine Restitutio in integrum mehr
dagegen Platz, ohngeacht man sich 13tiò zur eidlichen Manifestation anheischig
machen wolte, die minderjährige Personen allein ausgenommen, als welchen 14tò
die Unterlassung der Inventur nicht schädlich seyn soll, wenn sie nur das an
sich gebrachte wieder erstatten, und ad Inventarium bringen. 15tò Verliehrt der
Erb, welcher vor oder unter der Inventur von der Verlassenschaft etwas
unterschlagt, zwar obige Freyheiten nicht, wird aber zur Restitution angehalten
und willkürlich gestraft, oder da er 16tò etwan die Sigill gefährlicher Weis
verletzt, so mag in Litem wider ihn geschworen werden. 17mo Kan der Erblasser
die Inventur zu Præjuditz der Creditorum nicht, wol hingegen zum Nachtheil der
Legatarien oder Cohæredum, soweit es nicht bey diesen letzteren die Legitimam
betrift, verbiethen oder nachlassen, derowegen auch der Erb auf solchen Fall
durch die Unterlassung des Inventarii weder Falcidiam noch Trebellianicam
verliehrt. Doch soll man auch 18vó dergleichen Verbott oder Nachlaß auf den
Fall, wenn minderjährig- oder abwesende Erben vorhanden seynd, nicht
attendiren, sondern dem ohngeacht mit der Inventur verfahren. 19no Dafern die
Glaubiger oder andere Interessenten vermeinen, daß zu ihren Nachtheil von der
Erbschaft etwas hinterschlagen worden, so mögen sie dieses beweisen, oder gegen
jenen, welcher in billichen Verdacht desfalls ist, auf den Manifestations-Eid
treiben, nachdeme der Eid der Boßheit vorläuffig von ihnen abgelegt worden.
Wie
die Erbschaft verlohren gehe?
§.
19. Die Erbschaft wird 1mò entweder dem Erben als unwürdig abgenommen, oder er
begiebt sich deren selbst freywillig, und zwar per Renuntiationem vel
Repudiationem. Renuntiatio gehet in eigentlichen Verstand nur auf zukünftige,
Repudiatio aber auf angefallene Erbschaften. Von jener siehe das mehrere unten
cap. 11. §. 2. Die letztere stehet 2dò heut zu Tag jedem frey ohne Unterschied
inter Hæredes suos, necessarios & extraneos, und ist annebens 3tiò inter
Abstentionem & Repudiationem ebenfalls keine reale Differenz mehr. Die
stillschweigende Repudiation, welche 4tò mehr in Werken als Worten bestehet,
wird aus dem blossen Nichtgebrauch
(202)
ohne anderweiten dazukommenden deutlichen Merkmalen nicht gemuthmasset, wol
aber wird 5tò die Erbschaft ipso Facto pro repudiatâ geachtet, wenn solche
inner dreyssig Jahren von Zeit des Anfalls, oder inner dem von der Obrigkeit
præfigirten Spatio deliberandi nicht angetretten wird. 6tò Wer die Erbschaft
nur mit Worten repudirt, im Werk selbst aber ohne Protestation antritt, der wird
pro Hærede geachtet, indeme seine Declaration dem Facto schnurgrad entgegen
lauft. Es muß aber auch 7mo jener, der sich der Erbschaft entschlagen will,
sein eigner Herr seyn, und freye Disposition von seinem Vermögen haben.
Annebens wird 8vò erfordert, daß die Erbschaft bereits angefallen, aber noch
nicht angetretten seye, und soll hiernächst 9no die Repudiation nicht
Stück-weis sondern ganz geschehen. 10mò Kan die Noth-Gebührnuß allein mit
Repudirung der übrigen Erbschaft niemal angetretten werden. Wol hingegen kan
11mò der Enkel die Groß-Vätterliche Erbschaft antretten, und die Vätterliche
repudiren. Desgleichen kan 12mò der Testaments-Erb, welcher zugleich der
nächste Bluts-Befreund ist, mit Repudirung der Testamentarischen Erbschaft ab
Intestato succediren. Die Würkung der Repudiation ist 13tiò daß die Erbschaft
nicht auf des Repudiantens-Erben transmittirt wird, sondern entweder auf den
Substitutum oder Jure accrescendi auf die Cohæredes, oder wo weder Substitutus
noch Cohæres vorhanden ist, auf des Defuncti Erben ab Intestato fallt,
welch-allen jedoch auch das nemliche Recht die Erbschaft anzutretten oder zu
repudiren zustehet. Wider die einmal beschehene Repudiation hat 14tò keine
Restitutio in integrum mehr statt, ausgenommen bey Minderjährigen, im übrigen
darff 15tò aus der repudirten Erbschaft nichts zuruck behalten werden, und was
16tò der Erb vor der Repudiation bonâ Fide für die Erbschaft gethan hat, das
muß diese auch allerdings vertretten.
Von
jenen, welche der Erbschaft unwürdig seynd.
§. 20.
Erben, welche der Erbschaft an sich nicht unfähig seynd, sich jedoch derselben
gleichwol wegen eines an dem Erblasser selbst oder an der Erbschaft begangenen
Verbrechens oder anderer Ursach halber unwürdig gemacht haben, mögen solche
zwar wie andere Erben acquiriren, aber nicht behalten, sondern sobald selbe mit
Worten oder Werken einmal von ihnen
(203)
angetretten ist, nimmt sie der Fiscus, jedoch andergestalt nicht als præviâ
Sententiâ declaratoria und mit allen darauf haftenden Legatis, Schuld-Forderungen,
und anderen Onere, soviel nemlich den Antheil des Unwürdigen hievon betrift,
hinweg. Es werden aber heut zu Tag nur noch folgende für unwürdig geachtet. 1mò
Wer den Erblasser oder dessen Kinder und Elteren fürsetzlich um das Leben
bringt. 2dò Boshafter Weis Gelegenheit und Ursach dazu giebt. 3tiò Denselben
nach errichteter Disposition eines schweren Verbrechens beschuldiget, oder 4tò
Zwang braucht, damit die Disposition entweder gemacht, oder unterlassen werde,
5tò Ihme Quæstionem Statûs movirt. 6tò Sich dazu gebrauchen laßt, daß die
Erbschaft einem Unwürdigen unter der Hand zugespielt werden möge.
(204)
Zweytes Capitul
Von
letzten Willen (ultimis Voluntatibus) überhaupt.
Unterschied
zwischen Actibus inter Vivos vel Mortis causa.
§.
1. Die Handlungen werden 1mò entweder unter Lebendigen oder von Tod wegen
gepflogen, und zwar auf jene Weis, wenn sie so beschaffen seynd, daß sie noch
in Lebzeiten der handlenden Person zu Kräften kommen, auf diese hingegen, wenn
sie erst durch den Tod derselben ihre Kraft und Verbindlichkeit erlangen.
Solchemnach wird 2dò eine an sich schon kräftige Handlung derwegen, weil nur
die Execution derselben bis zum Tod verschoben ist, pro Actu Mortis causâ nicht
gehalten, sondern bleibt ohngeacht dessen ein Actus inter Vivos. Desgleichen
wenn 3tiò denen Handlungen unter Lebendigen eine erst nach dem Tod zu erfüllen
kommende Bedingnuß beygesetzt wird, so ist und bleibt sie nichts destoweniger
ein Actus inter Vivos, weil man den bedungenen Handlungen nicht auf die Zeit,
wenn die Bedingnuß existirt, sondern wenn sie bedungen wird, zuruckzusehen,
mithin auch die Handlung zuruck für gültig zu halten pflegt. Es werden aber 4tò
denen Handlungen von erster Gattung regulariter alle Pacta und Contractus
beygezehlt, soweit solche nicht für letztwillig- oder wiederrufflich- oder erst
durch den Tod zu Kräften kommende Handlungen ausdrücklich declarirt seynd, wie
es insonderheit bey Pactis Dotalibus aut Successoriis öffter zu geschehen
pflegt. Immassen 5tò bey dergleichen Pactis aus der blossen Anzahl deren
Gezeugen, wieauch wenn die Paciscenten von künftigen Todfällen, Succession,
Erbschaft, Noth-Gebührnuß und dergleichen disponiren, ohne obiger
ausdrücklicher Declaration noch kein Actus ultimæ Voluntatis geschlossen wird.
Von
letztwilligen Dispositionen.
§.
2. Was Jemand verstandenermassen auf seinen künftigen Todfall von dem Seinigen
disponirt und verordnet, das heißt regulariter
(205)
ein letzter Will, (ultima Voluntas) und wird nach dem Unterschied der
Disposition bald ein Testament, bald ein Codicill, Legat, Donation oder
Fideicommiss benamset. Die Specialia von jeder solcher Gattung siehe in cap.
seq. 3. &c. Die Generalia aber §vo seq. 3. &c.
General-Requisita
eines letzten Willens.
§.
3. Ein jeder letzter Will erfordert regulariter, wo keine besondere Ausnahm
gemacht ist, bey Vermeidung der Nullität folgende Essential Stücke: nemlich er
muß 1mò des Disponentens letzter, 2dò selbsteigner, 3tiò vollkommener, 4tò
wahr- und freyer, 5tò verständlich- 6tò sicher (!) und 7mo auch erweislicher
Wille seyn, wie aus nachstehender Erläuterung mit mehrern erhellet.
Und
zwar 1mò daß er der letzte seye?
§.
4. Das erste von jetztgedachten Requisitis beruhet lediglich auf der
Wiederruflichkeit eines letzten Willens, dann eben darum, weil er seiner Natur
und Eigenschaft nach revocabel ist, und sich unter anderen auch hierin von
Actibus inter Vivos mercklich distinguirt, so kan er andergestalt nicht
bestehen, er seye dann der letzte, mithin durch weitere wiederige Disposition
nicht wiederum aufgehoben. Es wird aber auch ein jeder Will solang für den
letzten gehalten, bis nicht ein andere nachfolgende Disposition dargethan
werden mag.
2dò
ein selbsteigner,
§.
5. Aus dem zweiten Requisito ergiebt sich 1mò, daß obschon in Actibus inter
Vivos der Will auch allerdings dem Arbitrio eines anderens überlassen werden
möge, ein solches gleichwol in ultimis Voluntatibus & Actibus Mortis causâ
nicht angehe, es folget ferner 2dò daß gleichwie ein Minderjähriger nach
erlangter Pubertät des Curatoris Consens zu Errichtung einer letztwilliger (!)
Disposition nicht vonnöthen hat, also auch hingegen bey unvogtbaren, unsinnigen
und anderen dergleichen Personen der Mangel durch den Consens und Willen ihres
Vatters, oder Curatoris hierinfalls niemal ersetzt werde.
(206)
3tiò ein vollkommener,
§.
6. Ob und wieweit der letzte Will für vollkommen oder unvollkommen zu achten
seye, muß der Richter aus denen Umständen ermessen, insonderheit werden blosse
Aufsätz oder Entwürf und Vormerkungen, ohne anderweiter Berichtigung für eine
zwar vorgehabt- aber nicht völlig zum Stand gekommene Disposition angesehen.
Gleiche Beschaffenheit hat es mit all jenen Handlungen, welche vor dem Beschluß
abgebrochen worden, oder sonst nicht alles an sich haben, was nach Vorschrift
der Rechten zur Vollkommenheit derselben erfordert wird.
4tò
ein wahr- und freyer,
§.
7. Wenn es dem Disponenten etwan an gnugsamen Verstand, wie z. E. Kindern,
Unsinnigen, Schlaffend- stark Betrunkenen ermanglet, oder die Disposition
erweislichermassen nur mit Gewalt und Furcht erzwungen, betrüglich- und
hinterlistiger Weis erschlichen, durch wesentlichen Irrthum veranlasset, im
Scherz oder blossen Discurs, ohne anscheinenden rechten Ernst geäussert worden,
so ist es entweder kein freyer oder doch kein wahrer Will.
5tò
ein verständlicher,
§.
8. An der Verständlichkeit manglet es, da der Wille weder mündlich noch
schriftlich, sondern nur durch andere Zeichen eröffnet, allzugeneral und
ungewiß, oder sonst so dunkel, perplex oder contradictorisch ist, daß zu dessen
gnüglicher Erklärung keine schicklich(-) und wahrscheinliche Interpretation
mehr hinreicht.
6tò
ein sicherer,
§.
9. Die Sicherheit fehlt z. E. 1mò bey blind- oder sonst des Lesens und
Schreibens unkundigen Personen, wenn sie schriftliche Disposition machen, ohne
daß hieraus oder sonst in anderweg von beschehener Vorlesung derselben gnugsam
erhellet. 2dò Da der Wille nur durch andere, ohne sein des Disponentens
Gegenwart und Begnehmigung, oder zwar 3tiò von ihme selbst, jedoch nur auf
beschehene Anfrag mit Ja oder Nein ohne anderweiter gnüglicher Vernehmlassung
und deutlicher Explication schlechthin declarirt, oder 4tò in einer dem
Disponenten
(207)
unbekannter Sprach verfaßt wird. 5tò Wenn die Person oder Sach selbst, worauf
die Disposition lautet, weder aus dem Namen noch anderen deutlichen Merkmalen
sattsam erhellet, oder wenn ein Blinder zwar die Person mit Namen nennt, aber
nicht zugleich beschreibt. 6tò Was in der Disposition zu Guten des
Schriftenstellers enthalten ist, ohne daß der Principal selbst in der
Unterschrift oder sonst ausdrückliche Erwehnung hievon thut, wird zwar nach
Römischen Recht ebenfalls für unsicher, mithin auch für ungültig geachtet,
welches aber hier zu Land nicht recipirt ist, wenn nur sonst an dem letzten
Will sich kein anderer Mangel bezeigt.
7mo
ein erweislicher Will.
§.
10. Jeder letzter Will ist Facti und wird mithin nicht gemuthmasset, sondern
muß von demjenigen, der sich darauf beziehet, gnüglich bewiesen seyn, und
soviel den Beweis durch Gezeugen insonderheit betrift, seynd zwar zwey Gezeugen
auch zu Erprobung eines zierlichen Willens, sofern die andere etwan nicht mehr
bey Leben seynd, erklecklich, doch müssen sie nicht nur von dem Inhalt des
letzten Willens, sondern auch von all übrigen hierzu erforderlichen in- und
äusserlichen Requisitis, legaliter deponiren. Wie aber mit dem Beweis zu
verfahren, wenn das Instrument eines schriftlichen letzten Willens verlohren
gehet, siehe Cod. Jud. cap. §. 12.
Von
der Restitutione in integrum gegen letztwillige Dispositiones.
§.
11. Nachdeme der Disponent an seinem letzten Willen ohnehin niemal so gebunden
ist, daß er nicht solchen selbst nach eignen Belieben in seinen Lebzeiten
allemal wiederum zurucknehmen möge, so wird auch Restitutio in integrum gegen
dergleichen Disposition niemal erkannt, sondern auf Begehren als unnöthig und
überflüssig abgeschlagen.
Interpretation
und Auslegung eines letzten Willens.
§.
12. In Auslegung eines letzten Willens seynd hauptsächlich folgende Reguln zu
beobachten. 1mò Soll man deutlich- und klare Dispositiones niemal auszulegen,
oder zu verdrehen suchen. Sohin 2dò die Wort bei ihrer gewöhnlich- und
Landläuffiger Bedeutung belassen, ausgenommen 3tiò in folgenden zwey Fällen,
(208)
da nemlich fürs erste in der nemlichen Disposition selbst anderwärts deutlich
und unzweifentlich angezeigt wird, daß man die Wort in anderen Verstand
genommen habe, zweytens wenn aus der gewöhnlichen Bedeutung entweder gar keine,
oder ein offenbar ungereimte Würkung erfolgen wurde (!). 4tò haben die Wort
offt unterschiedliche Bedeutungen oder seynd sonst sehr zweifelhaft, und schwer
zu verstehen. Solchenfalls soll man nicht soviel auf den Buchstaben, als die
Intention und Absicht des Disponentens sein Augenmerk richten, sohin selbe
durch vernünftig- und wahrscheinliche Muthmassungen zu entdecken suchen. Es ergeben
sich aber 5tò dergleichen Muthmassungen entweder aus der unter Handen habender
Sach selbst (ex substratâ Materiâ) oder 6tò aus Zusammenhaltung deren damit
vereinigt- und sowol vor- als nachgehender Stellen und Umständen, oder 7mo aus
denen Würkungen der zweifelhaften Disposition, oder endlich 8vo aus denen
Ursachen, welche den Disponenten zu sothaner Verordnung hauptsächlich bewogen
haben. 9no Soll man auch die Stellen, welche sich einigermassen zu
wiedersprechen scheinen, durch schickliche Auslegung dergestalt zu vereinigen
trachten, daß sie füglich nebeneinander bestehen können. Offenbar- und
augenscheinliche Wiedersprüch aber leiden keine Combination mehr, sondern die
sich solchergestalten contradicirend- sammentliche Passus werden pro non
Scriptis gehalten, folglich wenn sie sich in Partibus substantialibus ereignen,
die ganze Disposition selbst als perplex und unverständlich dadurch entkräftet.
Von
Obrigkeitlicher Bestättigung desselben.
§.
13. Die gerichtliche Confirmation eines letzten Willens ist zwar an sich keine
Nothwendigkeit, wenn aber solche gleichwol gesucht wird, so muß dieses vor sein
des Disponentens ordentlicher Obrigkeit geschehen, und wird die gebettene
Confirmation andergestalt nicht, als nach gnugsamer Einsicht und Ueberlegung der
entweder persönlich oder per Mandatarium, jedoch allerwegen in Originali
übergebener Disposition ertheilt. Dafern es hingegen nicht um die Bestättigung,
sondern nur um Vermeid- oder Supplirung deren zu einen letzten Willen
erforderlicher Zierlichkeiten und Solennitäten zu thun ist, kan die Uebergab
vor ordentlich- oder anderer Obrigkeit, offen oder verschlossener, jedoch in
alle Weg nach Maßgab folgenden 4ten cap. 10ten §vi geschehen. Soviel die
Confirmation deren von
(209)
Welt-Priestern errichteter letztwilliger Dispositionen betrift, bleibt es bey
denen Concordatis und der Observanz.
Von
Publicir- und Eröffnung desselben.
§.
14. Die Eröffnung und Publication eines letzten Willens geschiehet in keiner
anderen Absicht, als daß all jene, welchen daran liegt, behörige Nachricht
davon erlangen. Wer nun 1mò obgedachtermassen die Sperr und Obsignation bey der
Verlassenschaft von Rechts-wegen vorzunehmen hat, deme gebührt auch regulariter
die letzte Willens-Publication, ausgenommen wenn solcher 2dò etwan in Lebzeiten
ad Acta Judicialia hinterlegt worden ist, dann da gebührt die Publication zwar
jener innländischer Obrigkeit, wo die Uebergab geschehen ist, jedoch
dergestalt, daß wenn selbe nicht zugleich Judex ordinarius ist, das Original
nach dem Publications-Act retentis Copiis alsogleich an jene Instanz
verwahrlich ausgeliefert werde, welcher die Obrigkeitliche Verhandlung über die
Verlassenschaft allenfalls zustehet. Erben, Legatarii, oder andere sollen sich
3tiò wissentlich- und eigenmächtiger Eröffnung bey willkürlicher Straf nicht
unterziehen, es seye dann solches 4tò der Begräbnuß oder anderer vorläuffig zu
wissen nöthiger Dingen halber erforderlich, welchenfalls die verschlossene
Disposition entweder von der Obrigkeit, oder wo solche zuweit entsessen ist, auch
von anderen in Beyseyn eines Notarii, oder ehrbarer unpartheyischer Leuten zwar
einsweil (!) eröffnet, jedoch nach genommener nöthiger Einsicht alsogleich
wiederum von allen Anwesenden obsignirt werden solle. 5tò Ist vonnöthen daß man
zum vorhabenden förmlichen Publications-Act, wo nicht alle, doch wenigst die
Haupt-Interessenten, soviel deren aus vorläuffiger Einsicht des letzten Willens
oder sonst bekannt seynd, zeitlich beruffe, und obwol 6tò das Römische Recht
auch ein gleiches mit denen in der letztwilligen Disposition unterschriebenen
Gezeugen beobachtet wissen will, so bringt doch der hiesige Lands-Gebrauch,
disfalls ein anderes mit sich. Bey der Publication selbst sollen 7mo zuförderst
die Sigillen und Unterschriften inspicirt, sodann der Innhalt des letzten
Willens deutlich abgelesen, und endlich ein ordentliches Protocoll mit
Vormerkung aller Anwesender, dann Jahr, Monat und Tags hierüber gehalten
werden. Wegen Abwesenheit ein- oder anderen Interessentens hat man sich 8vò an
bemelter Publication, zumal wenn die Citation richtig geliefert worden ist,
zwar nicht
(210)
hinderen zu lassen, jedoch zur mehrern Præcaution einen Anwald ex Officio zu
bestellen, oder unpartheyische Gezeugen mitbeizuziehen, und da hiernächst 9no
der Obrigkeit allerdings obliegt, für die genaue Vollziehung letztwilliger
Dispositionen zu sorgen, so hat man die Publication nicht nur auf Begehren der
Interessenten, sondern auch allenfalls von Amts-wegen vorzunehmen, und sich
derhalb gleich bey vornehmender Sperr und notificirten Todfall behöriger Orten
zu erkundigen, ob der Verstorbene dergleichen Disposition hinterlassen habe
oder nicht. Das Originale von der publicirten Disposition soll 10mò bis nach
gänzlicher Vollziehung derselben nicht abgefolgt, wol aber die Inspection einem
jeden, der sein vermeintliches Interesse entweder durch den Eid der Boßheit,
oder auf andere wahrscheinliche Weis darzuthun vermag, auf Begehren
unweigerlich gestattet, und nicht weniger gleichlautende Abschrift davon
mitgetheilt werden. Ob und wie weit aber 11mò der Richter jene Stellen, welche
der Disponent per Articulum separatum & additionalem ingeheim zu halten
verordnet hat, publiciren oder communiciren wolle, stehet gleichwol bey
richterlicher Ermässigung. Im übrigen soll man 12mò weder vor der Publication
mit der Inventur, noch vor Endigung deren gewöhnlicher Gottes-Diensten mit der
Publication verfahren, und falls endlich diese 13tiò entweder gar nicht oder
nicht förmlich vorgenommen worden ist, so wird der letzte Willen derwegen nicht
entkräftet, sondern bleibt dem ohngeacht wie er ist.
Execution
und Vollziehung desselben.
§.
15. Bey der Execution eines letzten Willens, sofern Jemand von dem Verstorbenen
besonders hierzu ernannt worden ist, kommt verschiedenes sowol in Ansehen der
Benennung selbst, als auch, wie sich der ernannte Executer vor- in- und nach
dem Vollzug zu verhalten habe, in folgende wol beträchtliche Erwegung.
Von
der Benennung des Executoris.
§.
16. 1mò Kan regulariter ein jeder pro Executore benannt werden, der nicht
Alters halber oder sonst von Natur dazu untauglich ist, wie z. E. Kinder,
Unvogtbare, Unsinnige, Stumme, Taube, Blinde und dergleichen. 2dò Ist zwar
nicht verwehrt, einen Geistlichen pro Executore in weltlichen
(211)
Verlassenschafts-Sachen zu benennen, doch muß er hierin das weltliche Forum
erkennen, soviel aber die Execution in Verlassenschaften Geistlicher Personen
betrift, bleibt es bey denen Concordatis und der Observanz. 3tiò Wenn eine
unfähige Person hierzu bestellt wird, so fallt deshalben der letzte Will in anderen
Stücken nicht über den Hauffen. 4tò Kan die Benennung nicht nur in dem letzten
Willen selbst, welcher in den Vollzug kommen soll, sondern auch in anderweg
mündlich oder schriftlich geschehen, sofern solche nur genugsam bewiesen werden
mag. 5tò Wird der Executor entweder zu Ausrichtung des ganzen letzten Willens,
oder nur zu eines sonderbaren gewissen Geschäfts verordnet. Erstenfalls heißt
er universalis, anderenfalls particularis Executor.
Was
man vor der Execution zu beobachten hat?
§.
17. Obschon 1mò der ernannte Executor wider seinen Willen von der Execution
nicht ausgeschlossen oder umgangen werden mag, so kan er sich doch derselben
eigenmächtiger Weis nicht anmassen, ohne daß ihm solche von der Obrigkeit,
worunter die Verlassenschafts-Sach gehört, vorhero aufgetragen worden. Nachdem
aber auch 2dò verstandene Execution auf den Fall, wenn der letzte Will
angefochten und bestritten wird, in denen strittigen Puncten bis zu gänzlichen
Austrag der Sach entweder gar nicht oder andergestalt nicht als gegen hinlängliche
in Casum Succumbentiæ geleistete Caution statt hat, so soll man zuförderst die
Erbs-Interessenten mit ihrer Erklärung, ob und wie weit sie nemlich den letzten
Willen zu agnosciren gedenken, unter allenfalliger Præfigirung eines
peremptorischen Termins & sub Pœna Testamenti agniti vorläuffig vernehmen,
und sich sofort gleichwol mit obgedachten Auftrag hiernach richten. 3tiò Stehet
jedem Executori frey, ob er die ihm übertragene Execution annehmen, oder sich
selber gegen Verliehrung dessen, was ihm derhalben verschaft ist, entschlagen
wolle, welch-letzterenfalls die Obrigkeit einen anderen statt seiner bestellt,
oder da sich keiner hierzu brauchen lassen will, endlich die Execution selbst
auf sich nimmt. Wenn aber 4tò dieselbe einmal übernommen ist so kan man sich
solcher ohne wahrhaft- und erheblicher Ursach ferner nicht mehr begeben. 5tò
Ist eine Caution oder vorläuffige Verpflichtung des Executoris weder nöthig
noch üblich, wol hingegen ist 6tò die Errichtung des Inventarii über die
auszurichtende Verlassenschaft
(212)
das allererste, was ein Executor universalis nach übertragen- und angenommener
Execution seines Orts vor all anderen zu beobachten hat, und soll er sich
hierunter durchaus nach Maßgab obigen ersten Capituls, achtzehenden §vi
verhalten, folglich auch die Interessatos ad hunc Actum allerdings
mitbeyziehen. Im übrigen kan zwar 7mo ein Universal-Executor, nachdem ihm die
Execution bereits Obrigkeitlich übertragen ist, sich der Verlassenschaft,
sofern Possessio vacua ist, gleich selbst ohne gerichtlicher Einantwortung
bemächtigen, Executor particularis aber ist dessen niemal befugt, sondern muß
das Gut, welches er ausrichten soll, ohne Unterschied inter Possessionem vacuam
& non vacuam aus denen Handen des Erbens, Universal-Executoris oder Gerichts
empfangen.
Von
dem Verhalt des Executoris in der Execution.
§.
18. Vor allen soll man sich 1mò an den von dem Verstorbenen selbst
vorgeschriebenen Modum exequendi halten, und ohne Vorwissen der Obrigkeit und
einhelliger Bewilligung sammentlicher Interessenten nicht davon abgehen. 2dò
Wenn von ihnen disfalls nichts bestimmt ist, so soll die Execution auf Art und
Maß, wie es der Verlassenschaft am besten und vorträglichsten zu seyn befunden
wird, getreulich vollbracht werden. Solchemnach kan und soll 3tiò Executor
währender Execution alles thun und verrichten, was sowol zu Erhalt- als
Vermehr- oder Ergänzung derselben dienlich und thunlich ist. Die dahin gehörige
und etwan von einem Dritten usurpirt(-) und vorenthaltene Güter mag er 4tò
eigenmächtiger Weis nicht occupiren, sondern nur von obhabender
Executions-wegen in Viâ Juris gebührend suchen, wie auch 5tò die bereits von
dem Verstorbenen activè vel passivè angefangene Strittigkeiten der Nothdurft
nach einsweilen fortsetzen, nicht weniger 6tò die vorhandene Liquid und
richtige Erbschafts-Schulden entrichten, und ingleichen 7mo die von dem
Verstorbenen angeordnete Gebäu ohne ungebührlicher Uebermaß bewerkstelligen.
Dahingegen soll er sich 8vò nicht nur aller eigenmächtiger Veräusserungen,
soweit solche zu Entrichtung der Legaten, oder sonst nicht unvermeidlich
nothwendig seynd, gänzlich enthalten, sondern auch 9no in anderen wichtigeren
Dingeren (!) die Erbsinteressenten nicht übergehen, immassen wenn sich 10mò ein
Zweytracht hierüber ergiebt, die Obrigkeit præviâ summarissimâ
(213)
Causæ Cognitione und ohne Gestattung eines Schriften-Wechsels den Ausschlag ex
æquo & bono zu geben hat, indeme der Executor selbst als Executor keine
Jurisdiction gaudirt. Was hiernächst 11mò denen Armen verschaft ist, das soll
er nicht nach eigenen Belieben vertheilen, sondern vielmehr an Orten, wo
offentliche Armen-Cassen angeordnet seynd, fleißig dahin lieferen. Im übrigen
kan zwar 12mò keine gewisse Zeit bestimmt werden, inner welcher man die
Execution zu vollenden hätte, doch soll sich der Executor soviel möglich hierin
beschleinigen, sonderbar aber die Legata pro Alimentis, und andere dergleichen
milde Vermächtnussen fördersamst zu entrichten suchen. Einen anderen statt
seiner zu substituiren ist er 13tiò ohne erheblicher Ursach und Obrigkeitlicher
Begnehmigung nicht befugt, wol aber mag 14tò die Obrigkeit bei verspürenden
Saumsal oder anderer ungebührlicher Handlung ihme entweder die Execution gar
benehmen, oder wenigst einen Coexcutorem bestellen. 15tò Ist mehrverstandene
Execution ein blosses Personal-Geschäft, und erstreckt sich mithin nicht auf
die Erben, sondern hört mit dem Tod des Executoris auf, doch haften seine Erben
für all jenes, was der Verstorbene selbst bereits hierin gethan hat. 16tò
Sobald Executor wahrnimmt, daß der Concurs nicht wol zu vermeiden seye, soll er
die Execution niederlegen, und das Weitere der Obrigkeit überlassen.
Wenn
mehr Executores benennt seynd.
§.
19. Wenn der Verstorbene mehr Executores zugleich benannt, und jedem nur einen
gewissen Theil der Verlassenschaft zur Execution anvertraut hat, so soll auch
1mò jeder bey seinem ausgezeigten Antheil und zwar in obbeschriebener Maß
verbleiben. Ist aber 2dò keine Abtheilung unter ihnen gemacht, so kan einer
ohne dem anderen nichts thun, ausgenommen, da sich einer der Coexecution völlig
entschlagt, oder durch Krankheit, Abwesenheit und dergleichen Ursachen daran
gehindert ist. 3tiò Seynd die Executores in ihren Meinungen gespalten, so gehet
es nach den mehreren Stimmen, oder wenn diese allenfalls gleich seynd, nach
richterlichen Ausspruch.
(214)
Was nach der Execution zu beobachten?
§.
20. Nach vollbrachter Execution legt 1mò der Executor denen Interessenten nicht
nur gebührende Rechnung hierum ab, sondern giebt auch 2dò denenselben das
errichtete Inventarium, als den Grund seiner Rechenschaft, in authentischer
Form heraus, ersetzt annebens 3tiò allen Schaden, welchen er etwan durch
geflissenen Saumsal, oder sonst Dolo vel Culpâ latâ an der Verlassenschaft
verursacht hat. Dagegen wird er 4tò von gedachten Interessenten nicht nur um
alle von Executions-wegen erlittene Schäden und aufgewendete Kösten, soviel
deren immer erweislich und passirlich seynd, indemnisirt, sondern es gebührt
ihm auch 5tò die von dem Verstorbenen selbst bestimmte, oder da nichts bestimmt
ist, eine proportionirliche Ergetzlichkeit, für seine gehabte Mühwaltung, und
da sich übrigens 6tò in ein- so anderen Puncten Streitt und Irr hierüber
ergiebt, so richtet nicht die Obrigkeit, worunter etwan der Executor seiner
Person halber zu stehen hat, sondern worunter die Verlassenschaft, oder der
Verstorbene gestanden ist, als welcher durch den Executorem hierinfalls nur
vertretten wird.
(215) Drittes Capitul
Von
Testamenten überhaupt.
Was
ein Testament seye? und wie vielerley?
§.
1. Testament heißt eigentlich ein solcher letzter Will, worin der Erb directè
benamset ist, und zwar Sollenne vel minùs Sollenne, Scriptum vel Nuncupativum,
nachdem nemlich dasselbe mit oder ohne Zierlichkeit, schrift- oder mündlich
verfertiget wird.
In-
und äusserliche Requisita desselben.
§.
2. Zu einem gültig- und zierlichen Testament werden 1mò all obbenannte
Requisita Voluntatis generalia, 2dò Testabilitas activa, das ist, auf Seiten
des Testatoris die Macht und Fähigkeit zu testiren, 3tiò die Erb-Einsatzung oder
Institutio Hæredis, 4tò Testabilitas passiva, das ist, auf Seiten des benannten
Erbens die Fähigkeit instituirt zu werden, und endlich über all jetztgedachte
Substantial-Requisita auch 5tò die in denen Rechten vorgeschriebene äusserliche
Zierlichkeiten und Sollennia extrinseca erfordert. Alles nach mehreren Inhalt
folgender Ordnung.
Wer
activè testabilis seye, und Testament machen könne?
§.
3. 1mò kan regulariter jeder von dem Seinigen testiren, der nicht von Natur
oder durch besonderes Verbott daran gehindert ist. Es seynd aber 2dò von Natur
all jene gehindert, welche entweder gar keinen, oder nicht hinlänglichen Begrif
von der Sach haben, oder wenigst solchen nicht deutlich gnug zu äusseren
vermögen, wie z. E. unsinnig- schlaffend- stark betrunken- oder unvogtbare
Personen, welche nemlich das vierzehende Jahr noch nicht erfüllt haben. Item
Stumme und Taube, welche zugleich des Lesens und Schreibens unkundig seynd. Das
Verbott stehet 3tiò nur erstlich declarirten Verschwendern,
(216)
zweytens geächteten und all anderen Ubelthätern, welche ihr ganzes Vermögen
verwürkt haben, drittens Ketzern und Abtrinnigen, worunter jedoch die Juden
hierinfalls nicht verstanden seynd, viertens unter Vätterlicher Gewalt annoch
Stehenden, ausgenommen soweit sie de Peculio Castrensi vel Quasi testiren, und
endlich fünftens Religiosen nach abgelegter Profession entgegen. Soviel nun 4tò
diejenige betrift, welche nur von Natur gehindert seynd, wird bey ihnen
lediglich auf die Zeit, da man das Testament verfertiget, gesehen, folglich die
vor- oder nachgehende Unfähigkeit nicht attendirt, also wenn z. E. ein
Unsinniger vor- oder nach der Raserey oder während erweislichen dilucido
Intervallo testirt, so stehet die vor- und nachgängige Raserey nicht mehr im
Weg, die andere hingegen, welchen ein besonderes Verbott entgegen stehet,
müssen nicht nur zur Zeit des verfertigten Testaments, sondern auch zur Zeit
ihres Absterbens fähig seyn. Was nun aber 5tò all obbenannte Personen, sie
seyen gleich von Natur oder von Verbott-wegen unfähig, testiren oder verordnen,
das gilt nicht einmal in Favorem Causæ piæ geschweigens anderer.
Aeusserliche Sollenitäten in Testamento scripto sollenni.
§.
4. Ein zierlich geschriebenes Testament erfordert regulariter, wo kein anderes
rechtmässig hergebracht ist, folgende äusserliche Sollennitäten. 1mò Soll der
Testator seinen letzten Willen schriftlich verfassen, und solchen 2dò vor
sieben tüchtigen Gezeugen, welche 3tiò eigens hierzu erbetten worden, und zwar
4tò in sammentlich ihrer Gegenwart entweder offen oder verschlossen, jedoch 5tò
allzeit mit der ausdrücklichen Declaration, daß hierin sein letzter Will
enthalten seye, nicht nur vorlegen, sondern auch 6tò eigenhändig
unterschreiben, und nicht weniger 7mo von allen sieben Gezeugen mit ihrer
eigner Handschrift und Petschaft gleichfalls unterzeichnen lassen, annebens 8vò
diese ganze Handlung in uno Actu continuo ohne merklichen Unterbruch und
Einmischung anderer auswärtiger Dingen verrichten. Damit aber auch 9no auf
Absterben deren Gezeugen ihrer Handschrift und Petschaften halber destoweniger
Anlaß zum Streitten seyn möge, so ist zwar nicht nöthig, doch rathsam, daß der
Testator einen Notarium, welcher jedoch in die Anzahl deren sieben Gezeugen
nicht eingerechnet
(217)
wird, hierzu gebraucht, um sowol über seine als deren Gezeugen Fertigung, dann
den ganzen Act nach vorläuffig allerseitiger Recognitione Manuum &
Sigillorum ein förmliches Notariats-Instrument zu errichten.
Erläuterung
jetzgedachter Sollenitäten.
§.
5. Ad 1mum ist gleichgültig, ob das Testament von dem Testatore selbst, oder
mit seinem Wissen und Willen von einem anderen geschrieben, auch mit oder ohne
Dato, auf Papier oder Pergament, in aus- oder inländischer Sprach, doppelt oder
einfach verfertiget seye, sofern es nur leßlich, verständlich, und in einer dem
Testatori bekannter Sprach gefaßt ist. Wo benebens die Zahlen entweder ganz mit
Worten ausgesprochen, oder mit gewöhnlicher Zifern angezeigt werden mögen. Was
für Testaments-Gezeugen ad 2dum für tüchtig oder untüchtig gehalten seynd,
siehe unten im folgenden achten §vo. Und wie sich nun eben hierüber gar leicht
ein Zweifel erregen kan, so ist rathsam, mehr als sieben Gezeugen zu
gebrauchen. Ad 3tium soll die Erbittung derselben von dem Testatore selbst oder
von anderen in seinem Namen, auch in dem Testament oder der Unterschrift
ausdrückliche Meldung hievon geschehen, da im widrigen Fall dieselbe auf andere
Art bewiesen werden muß. Die blosse Ermahn- oder Erinnerung aber kan statt der
Erbittung dienen, wenn die Gezeugen sich bey dem Testaments-Act ohnehin
zufälliger Weis einfinden. Ad 4tum wird nicht nur die leibliche, sondern auch
die moralische Gegenwart deren Gezeugen, und zwar nicht einschichtiger Weis,
sondern insgesamt und zu gleicher Zeit erfordert, dergestalt, daß sie den
Testatorem selbst sehen, hören und verstehen, mithin was bey der ganzen Sach
vorgehet, wol wissen mögen. Ad 5tum ist weder die mündliche Benennung des
Erbens, nach Vorlesung des schriftlich verfaßten Testaments, oder sonstige
Eröffnung desselben vonnöthen, ausser wenn der Testator des Lesens unkündig
ist. Ad 6tum soll der Testator das Testament in- oder aussenher auf dem
Uberschlag (!) und zwar in Gegenwart der Gezeugen mit eigner Hand
unterschreiben, oder da er des Schreibens nicht kündig ist, den achten Gezeugen
oder einen Notarium gebrauchen, welcher statt seiner unterschreibe. Doch ist
seine Unterschrift nicht nöthig, wenn er das ganze Testament selbst eigenhändig
geschrieben hat, und dieses in dem Context bemerkt oder seine Hand sonst
gnugsam bekannt,
(218)
und erprobt ist. Ad 7mum kan ein Gezeug nicht nur für den anderen des
Schreibens Unkündigen Mitgezeugen unterschreiben, sondern auch wenn er sein
eignes Wappen nicht bey der Hand hat, eines anderen Mitgezeugens Petschaft
gebrauchen, doch ist ein so anderes in der Unterschrift zu melden, und annebens
erforderlich, daß gleichwol der mehreste Theil deren Gezeugen mit eignen
Petschaften versehen, und des Schreibens kündig seye. Im übrigen ist eins, ob
die Unterzeichnung in- oder aussenher auf dem Ueberschlag geschehe, und wenn
die erste zwey Gezeugen in ihrer Unterschrift einmal Meldung gethan haben, daß
der Testator seinen letzten Willen hierin enthalten zu seyn bekennt hätte, so
ist nicht nöthig, daß solches bey denen weiteren Unterschriften wiederholt
werde, sondern man kan sich auf die vorige z. E. mit denen Worten: attestire
wie vorstehende Mitgezeugen kurz beziehen. Ad 8vum Wird ein etwan von dem
Testatore selbst oder einem Gezeugen währenden Testaments-Act zur
Leibs-Nothdurft genommener kurzer Abtritt oder anderes dergleichen kleines
Incidens für keinen bedenklichen Unterbruch gehalten.
Aeusserliche
Sollenitäten eines Testamenti nuncupativi sollennis.
§.
6. Zu einem von Mund ausgesprochenen zierlichen Testament gehören folgende
äusserliche Sollenitäten. 1mò Soll der Testator den Erben, oder was er sonst
noch verordnen will, nicht nur mündlich, sondern auch 2dò offentlich vor sieben
Gezeugen, und zwar 3tiò auf eine deutlich- und verständliche Weis, mithin auch
in der denen sammentlichen Gezeugen beywohnender Sprach entweder mit Namen und
explicitè, oder aber 4tò wenigst implicitè benennen, da er sich nemlich auf
einen bereits verfertigt- oder erst zu verfertigenden Zettul oder Codicill
beziehet, welcher jedoch 5tò nach Maßgab folgenden fünften Capitulus achten §vi
verfasset seyn muß. Nebst deme wird auch 6tò sowol die Tüchtigkeit, als
Erbittung der Gezeugen, dann sammentlich derselben Gegenwart, und daß die
Handlung in uno continuo ununterbrochen vor sich gehe, auf die nemliche Art,
wie in Testamento scripto sollenni erfordert. Die Schrift hingegen ist 7mo zwar
nicht nöthig, hätte aber gleichwol Testator diesen seinen letzten Willen der
Gedächtnuß-wegen, entweder in Beyseyn der Gezeugen, oder schon vorher
aufzeichnen lassen, so soll solche Verzeichnunß offentlich vor denen
(219)
Gezeugen abgelesen, und daß hierin des Testatoris Willen enthalten seye, mit
vernemlichen klaren Worten von ihm angezeigt werden. 8vò Ist zu einem von Mund
ausgesprochenen letzten Willen überhaupt, folglich auch ad Testamentum
nuncupativum nicht erklecklich, wenn man sich nur auf eines anderen Anfrag mit
Ja oder Nein ohne anderweiter verständlich- und ausführlicher Antwort vernehmen
laßt, es wäre dann der ernstlich- und bedächtliche Will auf andere Art zu
beweisen. 9no Die Beyziehung eines Notarii ist zwar im Testamento nuncupativo
sowenig, als in scripto nothwendig, jedoch nutzlich und rathsam, um sowol über
den mündlichen Ausspruch des Testatoris, als den ganzen Act ein förmliches
Instrument zu errichten, und dadurch all jene Irrungen zu verhüten, welche sich
leicht ergeben können, wenn die Gezeugen mit der Zeit absterben, sohin von der
Obrigkeit nicht wol mehr verhört werden mögen. Im übrigen wird auch 10mò ein
Testamentum nuncupativum mittels des allenfalls hierüber errichteten
Notariats-Instruments-oder sonst schriftlicher Verzeichnuß in kein Testamentum
scriptum verwandlet, sondern bleibt dem ohngeacht bey seiner voriger
Eigenschaft. Wol hingegen kan 11mò ein Testamentum scriptum sollenne in Vim
Nuncupativi gelten, wenn alles verhanden ist, was ad Nuncupativum gehört,
ohngeacht es an denen ad Testamentum scriptum nöthigen Sollennitäten ermanglet.
Von
denen besonderen Sollenitäten in dem Testament eines Blindens.
§.
7. Ein Blinder kan 1mò niemal schriftlich, sondern nur von Mund aus testiren,
folglich muß er 2dò alles beobachten, was oben in Testamento nuncupativo
verordnet worden. Nebst dem soll er 3tiò den Erben nicht nur klärlich mit Namen
nennen, sondern auch seinem Stand, Wesen und Würden nach so beschreiben, damit
man hieraus erkennen mag, ob er sich nicht in der Person verfehlt habe. Wäre
aber 4tò sein letzter Will währenden Testations-Act oder vorher schon
aufgezeichnet worden, so soll er durch einen Notarium, oder da keiner
gelegentlich zu haben ist, durch den achten hierzu erbettenen Gezeugen nicht
nur offentlich vor denen übrigen Gezeugen abgelesen, und daß dieses sein
rechter Will seye, von dem Testatore deutlich erklärt, sondern auch von dem
Notario und sammentlichen Gezeugen mit Handschrift und Petschaft unterzeichnet,
wie nicht weniger, damit man weiter nichts mehr beysetzen könne, in
(220)
solang verschlossen gehalten werde, bis gleichwol seiner Zeit die förmliche
Publication geschiehet.
Von
Untüchtigkeit deren Testaments Gezeugen.
§.
8. Von der Testaments-Gezeugschaft seynd nur folgende ausgeschlossen. 1mò
Welchen es an gnugsamen Verstand hierzu ermanglet, wie z. E. Blöd- und
Unsinnige, stark Betrunkene, Blinde, Stumme, Taube, Unvogtbare, 2dò Ehrlose
ohne Unterschied inter Infamiam Juris & Facti, sofern ein- oder anderes
einmal declarirt ist. 3tiò Declarirte Verschwender, 4tiò Weibs-Personen, 5tò
Intestabiles sowol activè als passivè, Söhn in des Vatters Testament, und
vicissim, sofern der Sohn nicht Jure militari testirt. 7mo Wenn der Testator
und der Gezeug unter nemlicher Vätterlicher Gewalt miteinander stehen. 8vò Der
benannte Erb oder After-Erb, samt deme, der in desselben Vätterlicher Gewalt
ist, oder ihn in solcher Gewalt hat. Wohingegen 9no Legatarii oder
Fidei-commissarii particulares, ohngeacht ihnen etwan das ganze Vermögen zukommt,
von der Gezeugschaft nicht ausgeschlossen seynd. 10mò Siehet man der
Tüchtigkeit halber bey Gezeugen lediglich auf die Zeit, da das Testament
gemacht wird, dergestalt, daß auch ein Untüchtiger, welcher selbiger Zeit nur
in Possessione Habilitatis gewest, und insgemein für tüchtig geachtet worden,
ebenfalls nicht ausgeschlossen ist.
Von
der Erb-Einsatzung.
§.
9. Die Erb-Einsatzung (Hæredis Institutio) ist zwar 1mò ein Haupt- und
Essential-Stück eines Testaments, doch ist 2dò der Testator an keine gewisse Wort
oder Expressiones hierin gebunden, sondern es kan solche auch mit
gleichgültigen Worten, und zwar explicitè oder auf die in cap. 5. §. 8.
bemerkte Weis relativè und implicitè, vor oder nach denen Legatis geschehen,
wenn nur der Wille des Testatoris und die Person des Erbens sattsam hieraus
erscheint. 3tiò Hat der Testator vollkommene Freyheit, entweder einen oder mehr
Erben zu benennen, und da nun 4tò einer allein benannt ist, so bekommt er die
ganze Erbschaft, ohngeacht derselbe nur in einer gewisser Erbs-Portion, oder
gar in einer gewisser Sach (Re certâ & specificâ) als Erb benamset wäre,
weil regulariter Niemand zum Theil Testatus zum Theil Intestatus abfahren
(221)
kan, wo es die Rechten nicht besonders gestatten. Unter mehr benannten Erben
kan 5tò die Erbschaft in soviele Theile vertheilt werden, als dem Testatori
beliebig ist. Gesetzt nun daß 6tò ein jeder aus ihnen ex Asse oder überhaupt
ohne einem oder anderen ein gewisses auszusprechen instituirt worden, so ist es
soviel, als wären sie zu gleichen Theilen instituirt. Gesetzt aber, daß 7mo ein
jeder aus ihnen nur in einer gewisser Sach (Re certâ & specificâ)
instituirt ist, so empfangt auch jeder die Seinige gleichsam als ein Prælegat,
in der übrigen Erbschaft gehen sie zu gleichen Theilen. Seynd etwan 8vò nur
einige in Re certâ, die andere aber simpliciter und überhaupt instituirt, so
bekommen jene ihr Sach, diese aber den Ueberrest der Erbschaft. Ist hingegen
9no einem jeden aus ihnen seine gewisse Erbs-Portion ausgesprochen, so wird in
diesem Fall heut zu Tag nicht mehr auf Römischen Fuß secundum Uncias aut Assem,
Dupondium vel Tripondium gerechnet, sondern die Erbschaft wird in die von dem
Testatore ausgesprochene Portiones naturales (sie mögen viel oder wenig seyn)
vertheilt, mithin jedem Erben soviel davon ausgefolgt, als ihm dieser
Abtheilung nach gebührt, z. E. da der Testator drey Erben benent (!) , und dem
Ersten ein Viertel, dem Zweyten ein Fünftel, dem Dritten ein Sechstel von der
Erbschaft ausspricht, so gehet dieselbe in fünfzehen Theil, wovon der Erste
vier, der Zweyte fünf, und der Dritte sechs Portiones bekommt. Ein anderes ist
10mò wenn nur einige von mehr Erben in gewisser Erbs-Portionen, andere aber
simpliciter und überhaupt instituirt seynd, dann da kommt es auf obgedachte
Römische Abtheilung an, und ist nach solcher zu unterscheiden, ob die
assignirte gewisse Portiones unter oder über einer Asse stehen, oder derselben
gleich seynd. Erstenfalls, da sie nemlich unter einer Asse stehen, bekommen
simpliciter instituti das, was nach Abzug deren ausgezeigter gewisser Portionen
an selber noch übrig bleibt. Anderenfalls wird die Erbschaft in Dupondium, das
ist, in eine doppelte Assem oder da auch diese überstiegen ist, in dreyfache
Assem oder Tripondium und soweiter getheilt, mithin das, was nach Abzug derer
gewisser Erbs-Portionen daran restirt, simpliciter Institutis eingeraumt.
Drittenfalls gehet es ad Dupondium wovon simpliciter Institutis nach Abzug
deren gewisser Erbs-Portionen der Ueberrest, mithin die Helfte zugehet. Man
verstehet aber 11mò unter einer Asse alle zwölf Theil oder Uncias, worin die
ganze Erbschaft nach legaler Römischer Rechnung
(222)
bestehet. Dupondium aber bedeutet eine doppelte Assem oder vier und zwanzig
Uncias, Tripondium endlich eine dreyfache Assem oder sechs und dreyssig Uncias.
Was für Personen im übrigen zu Erben instituirt werden können oder müssen, item
wie die Erb-Einsatzung sub Conditione, Die, Modo, Causâ vel Demonstratione
anzusehen seye, siehe §vos seq.
Von
der Erbeinsatzung sub Conditione,
§.
10. 1mò Conditiones, Naturâ, Lege aut Facto impossibiles, das ist, solche
Bedingnussen, welche gegen die Natur lauffen, oder so beschaffen seynd, daß ein
Verbrechen daraus erfolgt, item Conditiones perplexæ, welche nemlich so
verwirrt und dunkel seynd, daß man nicht weiß, was Testator damit gewolt,
ferner extravagant- oder lächerliche Bedingnussen werden in letztwilligen
Dispositionen überhaupt, mithin auch in Testamenten pro non adjectis und
dergleichen Erb-Einsatzung allzeit pro purâ gehalten. Eben diese Beschaffenheit
hat es 2dò mit jenen Bedingnussen, womit der Noth-Erb in seiner Noth-Gebührnuß
beschränkt wird, und zwar nach hiesigen Lands-Gebrauch ohne Unterschied inter
Conditionem potestativam & casualem. All übrige von dem Testatore
vorgeschriebene Conditiones, sie seyen gleich potestativæ, casuales vel mixtæ,
müssen 3tiò vollkommen und specificè, oder in ganz gleichgültigen Dingen
æquipollenter, und in Dispositione conjunctivâ sammentlich, in disjunctivâ aber
ein oder andere erfüllt werden, also und dergestalt das 4tò in Conditione
potestativâ. welche nemlich lediglich von der Macht und Willkur des Erbens
abhangt, das Implementum sowol vor, als nach dem Tod des Testatoris, wo die
Disposition oder besondere Eigenschaft der Condition kein anderes erfordert oder
anzeigt, erfolgen kan, und so verhalt es sich auch 5tò mit der Conditione
casuali, welche nemlich entweder von einem künftigen Zufall, oder dem Willen
eines Drittens abhangt, wie auch in mixtâ, welche aus der casuali &
potestativa vermischt ist. 6tò Conditiones, welche nicht für beständig, sondern
nur auf eine Zeit unmöglich seynd, werden denen möglichen gleich geschätzt, und
müssen seiner Zeit ebenfalls in die Erfüllung kommen. 7mo Conditio potestativa
negativa, welche nemlich in non faciendo bestehet, und auf keine gewisse Zeit
eingeschränkt ist, kann regulariter vor dem Tod des Erbens nicht vollkommen
adimplirt werden. 8vò ist die Fort- und Andaurung der einmal
(223)
existirter Condition ohne besonderer Verordnung des Testatoris nicht nöthig.
9no Kan einer zum Theil purè, zum Theil conditionatè instituirt werden. 10mò
Wenn mehr Erben unter einerley unzertrenlicher (!) Condition instituirt seynd,
so wird sie auch nur für eine Condition gehalten, und ist mithin gnug, wenn sie
nur von einem erfüllt wird, sonst aber muß sie jeder erfüllen. 11mò Conditio
faciendi ist regulariter personal, und kan also durch keinen Substituten
erfüllt werden. 12mò Unerfüllte Conditiones werden für erfüllt geacht, wenn die
Erfüllung entweder von einem Dritten, dem sie nachtheilig ist, mit Fleiß
gehindert wird, oder soviel die Conditionem potestativam betrift, nicht aus
Verschulden des Erbens unterbleibt. 13tiò Kan der Erb in Conditione potestativâ
affirmativâ, welche nemlich in faciendo bestehet, auf Instanz der Glaubigern,
substituirter Erben, oder anderer Interessenten zur Erfüllung sub Pœnâ
Conditionis pro non impleta habendæ angehalten werden. Die Würkung einer
Condition ist 14tò unterschiedlich, dann entweder ist sie erfüllet, oder hat
ermanglet, oder hangt noch. Erstenfalls wird die Institution purificirt, und
die Condition auf den Tod des Testatoris retrotrahirt. Anderenfalls fallt die
Erb-Einsatzung, und reviviscirt die Condition niemal wieder. Drittens bleibt
zwar die Institution in suspenso, es kan aber der eingesetzte Erb einsweilen
Caution von dem Erben ab Intestato begehren, oder da er solche nicht aufbringen
kan, sich auf die Erbschaft gegen gnugsamer Sicherheit immittiren lassen, und
wenn er pendente Conditione stirbt, so wird sie pro non impleta geachtet,
folglich Facultas adimplendi nicht so, wie es in Contractibus & Actibus
inter Vivos geschiehet, auf seine Erben transmittirt. 15tò Seynd zwar die
Conditiones strictæ Interpretationis, und lassen sich so leicht nicht
ausdehnen, doch gehen sie von Institutis ad Substitutos, nicht aber vicissim.
Und da sich 16tò der Zweifel ereignet, ob die Disposition pro conditionata zu
halten seye, soll man nicht soviel den Buchstaben und die Particulas
conjunctivas, als den ganzen Sensum der Rede, und die Natur einer Condition
betrachten, welche darin bestehet, daß sie die Disposition auf einen künftig-
und ungewissen Zufall ausstellt. Was aber 17mo die Sach selbst schon ihrer
Eigenschaft, oder dem Gesatz nach stillschweigend in sich begreift, wird für
keine Bedingnuß mehr gehalten. Damit aber auch 18vò über dergleichen
zweifelhafte Expressiones, und deren Auslegung
(224)
destoweniger Streit und Irr entstehe, sollen sich die Testatores oder ihre
Schriftensteller soviel möglich der Klarheit befleissen. Insonderheit ist 19no
von der bekannten Condition, si sinè Liberis decesserit, das ist, wenn er ohne
Kinder stirbt, zu merken. Erstens, daß auch die Enkel unter denen Kindern
soweit mit verstanden seynd, daß wenn Institutus zwar ohne Kinder, jedoch mit
Hinterlassung eines Enkels oder Descendentens stirbt, alsdann die Condition
eben sowenig existirt, als wenn er Kinder hinterlaßt. Zweytens werden die
Kinder solchenfalls nicht pro Coinstitutis gehalten, sondern die Regul: Positus
in Conditione non censetur esse positus in Institutione, greift hier Platz.
Wornach sich sodann drittens die anderweite rechtliche Folgen von selbst
ergeben.
Oder
sub Die, Causa, Demonstratione, Modo, Pœna.
§.
11. Die Bewegs-Ursach (Causa) oder der Ausdruck einer gewissen Eigenschaft,
welche nur der Beschreibung halber beygefügt wird (Demonstratio) thut 1mò weder
die Erb-Einsatzung suspendiren, noch wenn sie sich nach der Hand falsch
bezeigt, dieselbe entkräften, es seye dann, daß sie auf einem
Substantial-Irrthum beruhet. Modus muß zwar 2dò wenn er anders möglich ist, erfüllt
werden, und kan man auch deswegen Caution begehren, dem ohngeacht aber wird
Institutio dadurch weder suspendirt, noch Implemento non secuto annullirt,
folglich auch wenn der Erb vor der Erfüllung stirbt, die Transmission nicht
dadurch gehindert. Man erkennt aber 3tiò Modum hauptsächlich daraus, wenn um
der Erb-Einsatzung-wegen etwas geschehen soll, und sich der Testator der
Worten: um, damit, auf daß, und dergleichen bedient, wohingegen die Worte,
wenn, wo, dafern, sobald, und dergleichen gemeiniglich auf eine Condition
deuten, wobey jedoch obgedachtermassen allzeit auf die Eigenschaft der Sach zu
sehen, und in Dubio mehr pro Modo, Causa, Demonstratione, als pro Conditione zu
præsumiren ist. Soviel endlich 4tò Institutionem sub Die belangt, so ist der
Tag entweder gewiß oder ungewiß. Jener wird pro non adjecto gehalten, ohne
Unterschied, ob man ex vel ad Diem instituirt seye, z. E. da man von Zeit des
Testatoris Tod erst nach erst nach zwey Jahren oder zwar gleich, jedoch nicht
länger als auf zwey Jahr Erb seyn soll. Ein ungewisser Tag kan 5tò auf
dreyerley Weis ungewiß seyn,
(225)
nemlich fürs erste, da man nicht weiß, ob und wenn er existiren werde, z. E.
den Tag, da Titius einen Sohn bekommt. Zweytens da man nicht weiß, ob, wol aber
wenn er existiren werde, z. E. den Tag, da Titius 30. Jahr alt wird. Drittens
da man zwar weiß, ob, nicht aber wenn er existiren werde, z. E. den Tag, da
Titius stirbt. Der erst und zweyte Fall wird einer Condition gleich geschätzt,
und die nemliche Beschaffenheit hat es mit dem letzten Fall, wenn dabey
zweifelhaft ist, ob der Tag vor oder nach des Erbens Tod existiren werde, z. E.
da der Tag des Todfalls auf die Person eines Drittens lautet. Ein anderes ist,
wenn er auf den Erben selbst gehet, z. E. den Tag, da er stirbt, dann dieser
wird ebenfalls pro non adiecto, folglich die Institution pro purâ gehalten. 6tò
Fallt endlich dieselbe auch in Casu, da der Erb dasjenige, was ihm sub Pœnâ
amittendæ Hæreditatis aufgetragen worden, nicht thut, es seye dann, daß der
Auftrag etwas Unmögliches, Verbottenes oder Extravagantes in sich halt.
Wer
passive testabilis sey, und zum Erben eingesetzt werden könne?
§.
12. Es kan Jederman zum Erben eingesetzt werden, ausgenommen die oben in cap.
1. §. 3. n. 4. benannte Personen als welche aller Erbschaft ganz und gar
unfähig seynd. Soviel die uneheliche Kinder insonderheit betrift, siehe §vum
seq. 13. und ist im übrigen auch zu merken, daß der Erb nicht nur zur Zeit der
Verfertigung des Testaments, sondern auch zur Zeit, da er die Erbschaft antritt,
und in Institutionibus conditionatis zur Zeit, da die Condition existirt,
passivè testabilis und fähig seyn muß, wohingegen ihm die Unfähigkeit in vor-
nachgehend- oder mittlerer Zeit nicht im Weg stehet.
Ob
und wie weit uneheliche Kinder passivè testabiles seynd?
§.
13. 1mò Kan der Vatter seine uneheliche Kinder, welche nicht legitimirt seynd,
weiter nicht als in dem blossen Unterhalt, bis sie sich gleichwol selbst nähren
können, zu Erben einsetzen, es seye dann, daß er weder in auf- noch absteigender
oder Collateral-Linie einen Befreunden mehr hat. Seynd aber 2dò dergleichen
Kinder legitimirt, so ist zu unterscheiden, ob neben ihnen noch andere Kinder
oder Descendenten aus ehelicher Geburt vorhanden seynd oder nicht. Erstenfalls
kan der Vatter die Legitimatos und ihre Mutter zusammen weiter nicht, als
(226)
in dem zwölften Theil seines Vermögens instituiren, ausgenommen wenn solcher zu
ihren Unterhalt nicht erklecklich ist, welches zu richterlicher Ermässigung
stehet. Anderenfalls hat er freyen Willen jedoch dergestalt, daß er seinen
Elteren, wenn sie noch bey Leben seynd, ihr Noth-Gebührnuß lassen muß. Die
Mutter kan 3tiò ihre uneheliche Kinder, welche nicht legitimirt seynd,
ebenfalls nicht weiter, als in dem Unterhalt instituiren, ausgenommen, wenn
kein anderer Erb in auf- oder absteigender Linie vorhanden ist. In Ansehen
legitimirter Kinder aber hat sie sich hierinfalls eben so, wie der Vatter, zu
verhalten. 4tò Ist die Rede hier nur von Legitimatis per Rescriptum Principis,
massen es mit Legitimatis per subsequens Matrimonium disfalls die nemliche
Beschaffenheit hat, wie mit anderen ehelichen Kindern. Jene, welche aus
verdammter Geburt seynd, können 5tò ohngeacht aller Legitimation, sie mag
gleich seyn, von wem sie wolle, weder von Vatter noch Mutter weiter als in dem
blossen Unterhalt instituirt werden, ausgenommen, wenn die Erbschaft bey
Ermanglung anderer Befreunder dem Fisco heimfällig, und das Testament von der
Lands-Herrschaft bestättiget wurde. 6tò Verstehet sich all obiges nicht nur von
der Erb-Einsatzung, sondern auch von anderen letztwilligen Dispositionen, wie
nicht weniger von Schankungen unter Lebendigen, immassen denen Eltern die Hände
ebenfalls in obiger Maß gebunden seynd.
Von
Noth-Erben oder Hæeredibus necessariis und derselben Einsatzung.
§.
14. Ein Noth-Erb heißt, welcher entweder rechtmässig enterbt, oder wenigst in
der Noth-Gebührnuß als Erb instituirt werden muß. Von der Enterbung siehe
folgenden sechzehnden und von der Noth-Gebührnuß den fünfzehenden §vum. Es
werden aber 1mò unter die Noth-Erben gerechnet des Testatoris Kinder und
Elteren, sowol erst- als anderen und weiteren Grads, jedoch allzeit nur die
Nächste, welche ihm nemlich auf dem Fall, da er kein Testament gemacht hätte,
ab Intestato entweder Jure proprio, oder Repræsentationis succedirt haben
würden. Solchemnach seynd z. E. Elteren und Groß-Elteren solang keine
Noth-Erben, als ein Erb in absteigender Linie von dem Testatore vorhanden ist,
und ingleichen ist der Enkel seines Ahn-Herrns Noth-Erb nicht, es seye dann der
Vatter entweder rechtmässig enterbt, oder bey Absterben des Ahn-Herrns nicht
mehr bey Leben. 2dò Seynd unter den Kindern hierinfalls auch
(227)
Arrogati, so viel die Verlassenschaft des Wahl-Vatters betrift, item Posthumi,
und Legitimati per subsequens Matrimonium, nicht aber Legitimati per Rescriptum
Principis oder Uneheliche verstanden, massen diese zwar obverstandenermassen in
gewissen Fällen instituirt werden können, aber nicht müssen.
Collateral-Befreunde seynd 3tiò niemal Noth-Erben, ausgenommen Brüder und
Schwester auf dem Fall, wenn eine ehrlos- oder bemacklete Person instituirt
ist, und sie nicht selbst von dergleichen Gattung seynd. 4tò Wird bey all
obigen Personen supponirt, daß sie fähig und passivè testabiles seynd, sonst
werden sie für Noth-Erben nicht mehr geachtet, und da etwan 5tò einer aus ihnen
freywillig auf die Erbschaft renuncirt hätte, oder ipso Jure pro renunciato zu
halten wäre, wie z. E. die Töchter Edelmanns-Freyheits fähiger Personen, so
müssen sie nichtsdestoweniger in der bereits empfangen- oder von Rechts-wegen
zu empfangen habender Portion instituirt werden. 6tò Die blosse Substitution
eines Noth-Erbens, wie auch 7mo die stillschweigende Institution desselben, da
man ihn z. E. nur in Conditione mitbegreift, wird pro Præteritione gehalten,
und ist mithin nicht hinlänglich, sondern der Noth-Erb muß ausdrücklich und
zwar 8vo entweder specificè mit Namen, oder wenigst genericè aut collectivè, z.
E. mit denen Worten: meine Kinder, Enkeln, Elteren oder Noth-Erben instituirt
seyn.
Von
der Noth-Gebührnuß oder Legitima.
§.
15. Der Pflicht-Theil oder die Noth-Gebührnuß ist 1mò jene Erbs-Portion, welche
man denen Noth-Erben schuldig ist, und bestehet 2dò regulariter in Triente, das
ist, in dem dritten Theil des von dem Erblasser hinterbliebenen sammentlichen
Vermögens, ausser da der Noth-Erben fünf oder mehr seynd, dann da gebührt ihnen
zusammen Semissis oder die Helfte des Vermögens. 3tiò Werden unter diese Anzahl
auch die Renuncirte, nicht aber die rechtmässig enterbt- oder unfähige, oder jene,
welche die ihnen angefallene Erbschaft repudiren, gerechnet. 4tò Zehlt man die
Enkeln, welche nur Jure Repræsentationis kommen, nicht in Capita, sondern nur
in Stirpes, folglich nur soviel Personen, als sie etwan zu repræsentiren haben.
5tò Kan zwar der Noth-Erb seine Legitimam ab jedem Gut der ganzen
Verlassenschaft prætendiren, nichtsdestoweniger aber mag ihm
(228)
selbe an Gelt oder gewissen Stücken verordnet werden, wenn solches nur nicht
Titulo merè singulari geschiehet, dann sie gebührt 6tò allzeit Titulo
Institutionis & Hæreditatis, welcher jedoch in Dubio allzeit mehr
præsumirt, und sogar aus denen Worten: verschaffen, vermachen, verordnen,
assigniren, und dergleichen geschlossen wird. 7mo Mag die Noth-Gebührnuß mit
keiner Condition, Nutzniessung oder anderer Servitut, und eben so wenig mit
Fideicommiss oder anderer Bürde beschwert werden, sondern dergleichen Beysätz
halt man pro non adjectis. 8vò Wird das Vermögen nur geschätzt, wie es sich zur
Zeit des Testatoris Tod befunden halt, Juden und Ketzer ausgenommen, welche
ihren convertirenden Kindern die Legitimam nach dem Vermögen, wie sich solches
Tempore Conversionis bezeigt, alsogleich herausgeben müssen, es wäre dann, daß
diese den Tod ihrer Elteren selbst gutwillig erwarten, und die Legitimam eheunter
nicht prætendiren wolten. 9no Kan der Testator sein Vermögen zu Abbruch der
Noth-Gebührnuß nicht selbst nach Belieben taxiren, und mag dem ohngeacht jeder
Noth-Erb, jedoch auf seine Kösten unpartheyische Schätzung begehren. 10mò
Rechnet man die Legitimam andergestalt nicht, als über Abzug aller kündlich-
bewust- und richtiger Schulden, und kan auch solche aus einer Verlassenschaft
öffter nicht als einmal prætendirt werden, dahero z. E. der Enkel von der
Ahnherrlichen Verlassenschaft unter dem Vorwand der Legitimæ nichts mehr
begehren kan, nachdem sein Vatter solche schon einmal daraus erhalten hat. Wol
hingegen gebührt ihm selbe noch von Vätterlicher Verlassenschaft. 11mò Wird in
dieselbe alles miteingerechnet, was dem Noth-Erben schon in Lebzeiten des
Testatoris aus seinem Vermögen zugegangen und so beschaffen ist, daß es nach
Maßgab obigen ersten Capituls, fünfzehnden §vi in die Collation kommt. Nicht
weniger das, was ihm 12mò erst nach des Testatoris Tod aus seiner
Verlassenschaft durch Legata, Fideicommissa oder Schankungen von Toden wegen
dergestalt zugehet, daß er solches ohne Zuwart, oder anderer Bürd und
beschwerlicher Bedingnuß alsogleich haben kan. Dafern nun 13tiò die von dem
Testatore benannte Portion die Legitimam nicht völlig erreicht, oder die
Verlassenschaft zu Abbruch der Noth-Gebührnuß mit allzuviel oder excessiven
Legatis, Fideicommissis und dergleichen Verordnungen überladen ist, so kan der
Noth-Erb zwar nicht ad Nullitatem vel Rescissionem Testamenti, wol aber inner
(229)
30. Jahr ad Supplementum Legitimæ klagen, und schadet ihm die stillschweigende
Renuntiation daran nicht. Es gehet auch diese Action auf die Erben, und haltet
die einsweilige Entrichtung der verordneter Portion nicht auf. Im übrigen
bleibt es 14tò auch bey dem General-Mandat von Anno 1672. Kraft dessen sich
adelich verzichte Töchter zu beschweren nicht befugt seynd, wenn gleich die
ihnen nach Gestalt des Vätter- oder Mütterlichen Vermögens zur Aussteuer und
Fertigung assignirte Standsmässige Quota die Legitimam nicht völlig erreicht,
welches sich jedoch auf die obere Pfalz nicht extendirt.
Von
der Enterbung oder Exhæredation.
§.
16. Die Enterbung, Kraft welcher ein Noth-Erb von der Erbschaft ausgeschlossen
wird, muß 1mò in einem gültigen Testament, und zwar 2dò purè ohne einiger
Bedingnuß, auch 3tiò simpliciter in der ganzen Erbschaft geschehen. 4tò Wenn
mehr Noth-Erben vorhanden seynd, muß der Enterbte mit Namen genennt werden.
Hiernächst soll 5tò eine von denen in nächstfolgenden §vis benannten
Enterbungs-Ursachen vorhanden seyn, jedoch seynd andere dergleichen von der
nemlich- oder noch grösserer Stärke nicht ausgeschlossen. 6tò Ist nöthig, daß
die Ursach deutlich in dem Testament ausgedruckt, und nicht weniger 7mo auf
Wiedersprechen des Enterbtens von dem instituirten Erben gnüglich dargethan
werde. Fehlt nun 8vò eins aus obbenannten ersten sechs Requisiten, so ist das
Testament quò ad In- & Substitutionem nichtig, und hat Querela Nullitatis
Platz. Manglet es aber 9no nur an dem siebenden Requisito allein, nemlich an dem
erforderlichen Beweis der allegirter Enterbungs-Ursach, so kan das Testament
soviel den Punctum In- & Substitutionis betrift, per Querelam inofficiosi
inner fünf Jahren von der Zeit, da die Erbschaft angetretten ist, rescindirt
werden, doch erstreckt sich 10mò diese Klag auf die Erben nicht, ausser wenn
der Enterbte sich schon in Lebzeiten damit gemeldet hat, oder vor Antrettung
der Erbschaft gestorben ist. 11mò Seynd etwan mehr Noth-Erben enterbt, so ist
zu unterscheiden, ob sie eodem vel diverso Successionis Ordine succediren.
Letztenfalls kan auf dem Fall, wenn der Erste nicht klagt, oder mit seiner Klag
durchfallt, der Zweyte und sofort der weitere in Ordine quereliren, erstenfalls
aber nicht. Durch die Reconciliation und Aussöhnung wird 12mò die Enterbung
wieder aufgehoben, wenn jene
(230)
noch vor Errichtung des Testaments und zwar ausdrücklich geschiehet, nach
errichtetem Testament aber hört die Enterbung per Reconciliationem nicht auf,
ohne daß Testator ein ganz anderes Testament macht, oder das gemachte wiederum
gänzlich cassirt, wobey aber die Aussöhnung der Obrigkeit an der verdienter
Straf niemal præjudicirt. Die sogenannte Exhæredatio bonâ mente facta aber wird
13tiò um so mehr hiermit aufgehoben, als die Elteren ihren Kindern auf andere
Art vorzusehen wol im Stand seynd, mithin dieser Römischen Subtilität nicht
mehr vonnöthen haben.
Ursachen,
wegen welcher man Kinder enterben mag.
§.
17. Kinder mogen enterbt werden 1mò wenn sie ihren Elteren mit Real- oder
schweren Verbal-Injurien begegnen. 2dò Dieselbe ausser des Lasters der
Ketzerey, Zauberey oder beleidigter Majestät bey Gericht auf Leib oder Leben
anklagen. 3tiò Zu ihren merklichen Schaden an Leib, Haab und Gut gefährlich
verrathen oder angeben. 4tò Mit Gift oder in anderweg um das Leben zu bringen
suchen. 5tò Entweder selbst Zauberey treiben, oder wenigst mit Zauberern in
Gesellschaft stehen, 6tò Sich mit Stief-Vatter oder Stief-Mutter in Unzucht
vermischen. 7mo Ohne der Elteren Wissen und Willen eine verbotten- oder
leichtfertige Profession ergreiffen, sofern die Elteren solcher nicht selbst
ergeben seynd. 8vò Ihre gefangene Elteren durch die Bürgschaft oder auf andere
thunliche Weis nicht zu erledigen trachten. 9no Sich derenselben in ihrer
Krank- oder Blödsinnigkeit nicht annehmen. 10mò Sie in Verfertigung eines
Testaments oder anderen letzten Willens geflissen verhinderen 11mò Sich auf Art
und Weis verehelichen, wie oben P. 1. cap. 6. §. 4. n. 3. mit mehrern bemerkt
ist, oder endlich 12mò wenn die Elteren Christ- Katholisch- die Kinder hingegen
von Ketzerischer Religion seynd.
Oder
Elteren und Geschwistert,
§.
18. Elteren mögen enterbt werden, 1mò wenn sie die Kinder ausser des Lasters
der Ketzerey, Zauberey oder beleidigter Majestät peinlich anklagen, es wäre
dann, daß der Vatter sein Kind in guter Meinung und um Verringerung der Straf
wegen selbst zu Gericht liefert. 2dò Wenn sie den Kindern oder sich selbst
einander durch Gift oder Zauberey Schaden thun,
(231)
oder auf solche Weis nach dem Leben streben. 3tiò Mit ihrer Kindern Ehegatten fleischliche
Unzucht treiben, 4tò dieselbe in gebührender Errichtung ihres letzten Willens
geflissener Weis hindern, oder 5tò in ihrer Gefangenschaft Krank- oder
Blödsinnigkeit nicht besorgen. Brüder und Schwester seynd zwar 6tò
obverstandnermassen regulariter keine Noth-Erben, in dem Fall aber, wo sie die
Legitimam prætendiren könten, mögen sie aus dreyerley Ursachen enterbt werden.
Ersten wenn sie sich einander entweder nach dem Leben streben, oder sonst
grossen Schaden thun, oder ausser obverstandenen Criminibus exceptis peinlich
anklagen.
Von
After-Erb-Einsatzungen (Substitutionibus) insonderheit de vulgari,
§.
19. Die Einsetzung eines After- Unter- oder Nach-Erbens (Substitutio Hæredis)
ist entweder directa oder fideicommissaria, von dieser letzteren siehe unten
cap. 9. Jene wird weiter in vulgarem, puppillarem, exemplarem, militarem
getheilt. Ueberhaupt ist nur soviel allhier davon zu merken, daß die
Substitution in Dubio allzeit mehr pro directa & vulgari als pro
fideicommissaria præsumirt werde. Es ist aber 1mò vulgaris Substitutio nichts
anders, als wenn dem eingesetzten Erben in Casum Noluntatis vel Impotentiæ, das
ist, auf dem Fall, da es nicht Erb seyn will oder kan, eventualiter ein anderer
substituirt wird. Der Casus Noluntatis ergiebt sich 2dò wenn der instituirte
Erb, oder jener, der ihn von Rechts-wegen zu vertretten hat, z. E. der Vatter,
Vormund, Curator die Erbschaft repudirt und ausschlagt, oder wieder die bereits
angetrettene in integrum restituirt wird. Casus Impotentiæ aber existirt 3tiò
wenn z. E. der Erb unfähig ist, die ihm vorgeschriebene Condition nicht
erfüllt, den Testatorem nicht überlebt, oder zwar nach demselben, jedoch noch
vor angetrettener Erbschaft stirbt, und annebens jene, welche vielleicht solch-
letzterenfalls Jure Transmissionis ein Recht dazu hätten, die Erbschaft
ebenfalls nicht antretten. Dafern nun 4tò der Testator von jetztverstandenen
beeden Casibus nur einen allein exprimirt, so ist nichtsdestoweniger der andere
allzeit stillschweigend darunter verstanden. 5tò Muß die Substitution in einem
gültigen Testament auf die nemliche Art und Weis, wie die Institution
geschehen, und was etwan in einem Codicill disfalls geschiehet, hat höchstens
nur Vim Fideicommissi. Wer nun 6tò nicht instituiren kan, der kan auch nicht substituiren,
(232)
und wer nicht instituirt werden kan, der kan auch nicht substituirt werden. 7mo
Stehet Testatori frey, ob er purè, conditionatè, sub Die, Modo, Causa,
Demonstratione vel Pœna substituiren wolle, wenn aber dergleichen Beysätz in
Substitutione unterlassen werden, so halt man dafür, daß die Substitution auf
die nemliche Weis und Conditiones, wie die Institution selbst, geschehen seye,
folglich muß auch Substitutus sich das nemliche gefallen lassen. 8vò Seynd
allenfalls der Substituten mehr, so ist zu unterscheiden, utrùm plures uni,
plures pluribus simul, aut singuli singulis Substituti, das ist, ob mehr
Substituti nur einem allein, oder mehrern insgesamt, oder jeder auch jedem
besonders substituirt seye. Ersten- und anderenfalls gehen sie Casu existente
in gleiche Theil, ohngeacht Instituti in ungleichen Theilen benannt seynd,
drittenfalls empfangt jeder den Theil desjenigen, dem er besonders substituirt
gewest. Seynd aber 9no Instituti selbst einander substituirt, so werden sie bey
der Institution exprimirte Theil bey der Substitution tacitè für wiederholt
geachtet. De Substitutione Substitutionis ist 10mò die Regul, daß Substitutus
Substituti auch pro Substituto Instituti gehalten werde, welches sich sofort
auf die dritte, vierte und weitere Substitutiones erstreckt. 11mò Die Würkung
einer rechtlichen Substitution in obgedachten Casibus Noluntatis vel Impotentiæ
ist, daß der Substitutus in allen und jeden, was nicht besonders ausgenommen
wird, in den Platz des Instituti eintritt. Hiernächst wird 12mò Jus accrescendi
soweit dadurch gehemt, daß Substitutus des Instituti benannte Miterben von der
Portion, worin er substituirt ist, ausschliesset. Dahingegen fallt 13tiò die
Substitution weg, wenn das Testament null oder entkräftet ist, item wenn obgedachter
Casus Noluntatis vel Impotentiæ auf Seiten des Instituti nicht exisitirt, oder
vielleicht bey ihme Substituto selbst sich ergiebt, insonderheit aber wenn er
vor dem Instituto stirbt, massen 14tò das Jus Transmissionis in Hæredibus
Substituti nimmermehr Platz greift.
Puppillari.
§.
20. Vatter oder Ahn-Herr kan denen unter seiner Vätterlicher Gewalt annoch
stehenden Kindern auf dem Fall, wenn sie zwar Erben seynd, jedoch vor erlangter
Vogtbarkeit sterben, einen anderen Erben substituiren, und dieses heißt
eigentlich Substitutio Puppillaris, deren innerliche Beschaffenheit und
(233)
Haupt-Requisita zwar schon aus jetztverstandener Beschreibung, noch mehr aber
aus folgenden erhellen. 1mò Ist unter der Puppillari expressâ auch Tacita
vulgaris begriffen, also wenn z. E. der Vatter Sempronium seinen Kindern nur
puppillariter substituirt, und diese zwar nicht in der Unvogtbarkeit sterben,
jedoch sonst nicht Erben seyn wollen oder können, so kan Sempronius ex tacitâ
vulgari succediren. Dahingegen ist 2dò tacita puppillaris unter der vulgari
expressâ ebenfalls begriffen. Also wenn z. E. der Vatter Sempronium seinen
Kindern vulgariter substituirt, und diese zwar die Erbschaft antretten, jedoch
in der Unvogtbarkeit sterben, so kan Sempronius ex tacità puppillari succediren,
es seye dann daß 3tiò der Vatter sowol in diesem, als jenem Fall ein anderes
deutlich zu erkennen giebt. 4tò Ist ein Unterschied, ob der Vatter in dem
nemlichen Testament, welches er für sich, und sein eigenes Vermögen macht, oder
aber in einem besonderen Testament puppillariter substituirt. Letztenfalls kan
beedes auf unterschiedliche Art und zu unterschiedlichen Zeiten geschehen.
Erstenfalls aber wird es für ein einzige Disposition geachtet, welche in einem
Actu, Contextu & Sollennitate hingehet, dergestalt, daß das Vätterliche
Testament pro Principali, das puppillarische pro accessorio anzusehen ist,
folglich mit demselben fallt oder bestehet. 5tò Kan die puppillarische
Substitution in Ansehen vogtbarer oder unter Vätterlicher Gewalt nicht mehr stehender
Kindern höchstens nur in Vim Fideicommissi aut Legati gelten, wenn anders das
Testament mit der Clausulâ Codicillari versehen ist. 6tò Wird erfordert, daß
die Kinder nicht nur zur Zeit der Testaments-Errichtung und des Testatoris Tod
noch in seiner Vätterlicher Gewalt stehen, sondern auch nach seinem Tod niemand
anderen mehr unter Vätterliche Gewalt fallen. 7mo Arrogirten Kindern kan nur in
dem Vermögen, welches sie von dem Wahl-Vatter, oder in Ansehen seiner erlangt
haben, puppillariter substituirt werden. 8vò Enterbten Kindern kan man nur
soweit auf diese Art substituiren, als eine rechtmässige Enterbung in dem
unvogtbaren Alter gegen sie Platz greiffen mag. 9no Würket die Substitution
Casu existente soviel, daß Substitutus nicht nur in des unvogtbar verstorbenen
Kinds, sondern auch zugleich in des Vatters Verlassenschaft succedirt, welche
beede nicht voneinander getrennt, folglich à Substituto entweder zugleich
angetretten, oder zugleich repudirt werden müssen. 10mò Schliesset Substitutus
alle des
(234) Instituti Verwandte und Erben von der Succession
dergestalten aus, daß auch 11mò die leibliche Mutter des instituirten Kindes
nicht einmal die Legitimam forderen kan, ausser darin, was dem Kind nicht von
dem Vatter, sondern von anderen, oder zwar von ihm, jedoch nur aus Schuldigkeit
und in Kraft der Noth-Gebührnuß zugegangen ist, welches sich auch allerdings
von der Puppillari tacitâ verstehet. 12mò Fallt gegenwärtige Substitution
zusammen, erstlich wenn Institutus, oder da deren mehr seynd, nur einer aus
ihnen die Vogtbarkeit erreicht, oder zweytens vor dem Vatter stirbt, oder
drittens die Erbschaft repudirt, in welchen drey Fällen jedoch obverstandene
Tacita vulgaris suppositis supponendis noch Platz greiffen kan. Viertens wenn
die dem Substituto gesetzte Condition ermanglet, oder fünftens das Vätterliche
Testament wenigst quò ad Institutionem für kraftlos declarirt wird, sechstens
Substitutus etwan gar unfähig ist, oder siebendens vor dem Instituto verstirbt,
massen er die Erbschaft niemal transmittirt, und endlich achtens, wenn der
Substitution an obigen Haupt- und Essential-Requisitis etwas ermanglet.
Quasi
puppillari vel exemplari,
§. 21. Kindern, welche zwar vogtbar, aber Gemüths-
oder Leibs-Mangel halber, wie z. E. Blödsinnige, Stumm- und Taube, declarirte
Verschwender, und dergleichen selbst nicht testiren können, mag auf dem Fall,
wenn sie Erben seynd, und in solchem Zustand absterben, von Elteren und
Groß-Elteren quasi puppillariter oder exemplariter substituirt werden, und ist
1mò diese Substitution sowol unter der Expressâ vulgari als Expressâ puppillari
stillschweigend verstanden, sofern nicht aus der Disposition ein anderes
erscheint. 2dò Wenn Elteren oder Groß-Elteren hierinfalls concurriren, so gilt
eines jeden seine Verordnung vorzüglich in den Gütern, welche von ihm
herkommen, in denen übrigen Gütern hat der Vatter, sodann die Mutter, den
Vorzug, die anderweite Ascendenten aber disponiren zu gleichen Theilen hierin.
3tiò Muß mit der Substitution auf die Noth-Erben des Instituti, sofern einige
davon vorhanden seynd, und zwar der Ordnung nach, wie sie sonst ab Intestato
succediren, wenigst in Legitima reflectirt, oder dieselbe rechtmässig enterbt
werden. Unvogtbaren Kindern kan 4tò auf diese Art nicht substituirt werden. 5tò
Bey
(235)
Enterbten hat diese Substitution ebenfalls nicht Platz. 6tò Nachdeme der
Testator entweder in seinem eigenen oder in einem besonderen Testament auf
diese Weis substituirt, so hat auch der im nächstvorgehenden §vo Num. 4tò
bemerkte Unterschied wiederum Statt. 7mo Succedirt Substitutus Casu existente
sowol in des Instituti als des Testatoris Verlassenschaft, dahingegen fallt 8vò
die Substitution zu Boden, erstens wenn der mangelhafte Zustand des Instituti
aufhört, zweytens wenn Institutus erst nach der Substitution ein Kind bekommt,
drittens in all obigen Fällen, worin auch die Puppillaris aufhört, ausgenommen
den ersten Fall.
Militari
& compendiosâ.
§. 22. Substitutio militaris hat 1mò nur statt in
Testamenten, welche Jure militari errichtet werden, und heißt auch 2dò
Compendiosa, weil sie Substitutionem vulgarem, puppillarem, exemplarem
stillschweigend unter sich begreift. Solchemnach mag 3tiò Substitutus unter was
für einem Casu oder Formular immer substituirt werden, succedirt er allemal in
denen Fällen, welche Substitutio vulgaris, puppillaris, exemplaris
obgedachtermassen supponirt, hiernächst hat 4tò diese Substitution auch ohne
Testament Platz, und hindert 5tò nicht, wenn die Kinder im Testament umgangen
seynd, ferner darf 6tò auch vogtbaren Kindern und nicht weniger 7mo sogar
Extraneis auf solche Art substituirt werden, doch gehet 8vò in diesen letzten
zwey Fällen die Substitution nur auf des Testatoris eigene, oder wenigst von
ihm auf den Institutum gekommene Güter.
Von der Clausula codicillari und anderen dergleichen
Testaments-Clausuln.
§. 23. Die in Testamenten sehr gewöhnlich- und
nutzliche Clausula Codicillaris: Daß nemlich das Testament, wo nicht als ein
zierlicher Will, doch als ein Codicill gelten soll, kann zwar 1mò die Mängel
nicht heilen, welche sich an obbemelten Requisitis Voluntatis, oder an der
Testabilitate activa vel passiva äusseren. Wol hingegen ersetzt selbe 2dò all
übrige Mängel, mit welchen das Testament gleich anfänglich bey dessen
Errichtung behaftet gewesen, soweit, daß selbes für ein Codicill, Legat,
Fideicommiss, oder Schankung von
(236) Tod wegen gelten kan, wenn nur wenigst die zu
solch- letzten Willen erforderliche Requisita vorhanden seynd. 4tò Thut die
Clausul diesen Effect, ohngeacht solche etwan nur von dem Notario oder Concipisten
Stylo ordinario ohne Erinnerung oder Explication beygesetzt, oder Verbis futuri
Temporis begriffen worden ist. All übrige bey denen Rechts-Gelehrten findige
Würkungen haben 5tò nur soweit Platz, als sie in gegenwärtigen Codice besonders
ausgedruckt seynd. 6tò Wird derselben auch die Clausula: Daß das Testament auf
all andere Weis, wie es immer seyn kan, gleichgeschätzt. 7mo Von der Clausul,
daß die von dem Testatore eingelegt- eigenhändige Zettul, oder was er auf die
leere Blätter schreibt, wie das Testament selbst gültig seyn solle, siehe unten
cap. 5, §. 8. Ausser jetztgedachter Testaments-Clausuln haben 8vò all übrige
keinen Nutzen mehr.
Von
Entkräftung der Testamenten.
§.
24. Ein Testament ist entweder gleich anfänglich mangelhaft und kraftlos, oder
wird es erst nach der Hand. Von dem letzten Fall wird in §vis seq. gehandlet.
Von dem ersten Fall ist zu merken, 1mò wenn das Testament deswegen ungültig und
kraftlos ist, weil es einen Mangel an mehrverstandenen Requisitis Voluntatis
leidet, so fallt das ganze Testament in allen Stücken ohne Ausnahm zusammen.
Gleiche Beschaffenheit hat es 2dò in Defectu Testabilitatis activæ, da nemlich
der Testator zu testiren unfähig ist. Fehlt aber 3tiò nur an anderen in- oder
äusserlichen Requisitis etwas, so bleiben gleichwol fürs erste die Legata pia,
soweit sie gnüglich zu erweisen seynd. Zweytens wird auch verstandener Defect
durch erwehnte Clausulam codicillarem einigermassen ersetzt, drittens wenn der
Mangel aus unrechtmässiger Enterbung oder wissentlicher Præterition eines
Noth-Erbens herrührt, so hat zwar nach Maßgab obigen sechzehnden §vi Querela
Nullitatis, respectivè inofficiosi Platz, doch bestehen in solchen beeden
Fällen die Legata & Fideicommissa particularia & universalia
gleichfalls und wird nur das Punctum In- & Substitutionis directæ dadurch
umgestossen. Übrigens reconvalescirt auch 4tò ein ungültiges Testament
regulariter dadurch nicht, wenn die Sach etwan nach der Hand erst in den Stand
kommt, worin es gleich anfänglich hätte gelten mögen.
(237) De Testamento rupto per Agnationem sui Hæredis.
§.
25. Ein gültiges Testament wird auf zweyerley Weis rumpirt: nemlich per
Agnationem sui Hæredis, aut Mutationem Voluntatis, von dieser siehe §vum seq.
Jene tragt sich civiliter oder naturaliter zu, und z(w) ar 1mò naturaliter,
wenn der Testator nach errichteten Testament einen Noth-Erben bekommt, und
desselben bey der Erb-Einsatzung weder specialiter noch generaliter z. E. unter
dem Namen künftiger Kinder oder Noth-Erben in Eventum gedenkt. 2dò Civiliter,
wenn z. E. der Sohn zum Erben eingesetzt wird, und noch in Lebzeiten des
Vatters mit Hinterlassung eines eheleiblichen Kinds stirbt, ohne daß selbes
eventualiter instituirt worden, oder da der Testator nach errichteten Testament
per Legitimationem, Adoptionem vel Arrogationem einen Noth-Erben erlangt. Es
geschehe nun 3tiò die Ruptio Testamenti entweder civiliter oder naturaliter, so
werden nebst der Erb-Einsatzung auch die Legata und all anderes dadurch
entkräftet, und hat 4tò die Clausula codicillaris keinen Effect, ausgenommen
wenn der Testator die Schwangerschaft gewust, mithin den Noth-Erben vermuthet
hat, welchenfalls derselbe in Kraft jetztgedachter Clausul nicht nur dem
benannten Erben nach Abzug der Noth-Gebührnuß die Erbschaft per Modum
Fideicommissi restituiren, sondern auch all-andere Legata und Verordnungen
entrichten muß, falls aber 5tò der Noth-Erb durch welchen das Testament rumpirt
worden ist, vor dem Testatore stirbt, so reconvalescirt dasselbe wiederum.
Per Mutationem Voluntatis & quidem Revocationem.
§.
26. Testator kann 1mò seinen letzten Willen bis auf den letzten Augenblick
seines Lebens allemal wiederum zurucknehmen und abänderen, welches 2dò entweder
mit Worten oder Werken zu geschehen pflegt, und zwar das letztere durch
Cassirung des errichteten- oder durch Errichtung eines anderen und neuen
Testaments. Von diesen beeden siehe §vum seq. Der blosse Wiederruf mit Worten
soll 3tiò sowol bey privilegirt- als anderen Testamenten, entweder gerichtlich,
oder wenigst vor sieben tüchtigen Gezeugen offentlich geschehen. Seynd nun 4tò
deren Gezeugen weniger, doch wenigst drey gewest, so gilt der
(238)
Wiederruf nur quò ad Legata, und andere dergleichen Particular-Geschäft, quò ad
Institutionem vel Substitutionem aber andergestalt nicht als wenn von Zeit des
Wiederrufs zehen Jahr verflossen seynd.
Per
Tabularum Cassationem,
§.
27. Mit Werken wird 1mò ein Testament auf unterschiedliche Weis, insonderheit
durch dessen Zerschneid- Zerreiss- Durchstreich- Verdunkl- oder Auslöschung
cassirt. Wobey jedoch 2dò zu unterscheiden ist, ob dasselbe auf solche Weis
ganz oder nur zum Theil cassirt und geändert wird, erstenfalls fallt das ganze
Testament in allen Stücken zusammen, letztenfalls bleibt alles, was nicht
solchermassen cassirt oder geändert ist, ohne Distinction unter der
Erb-Einsatzung und anderen Verordnungen, es seye dann 3tiò zu beweisen, daß die
Particular-Aenderung oder Cassation in der Meinung das ganze dadurch umstossen
zu wollen geschehen, oder da etwan an denen Sollennibus, z. E. an denen
nöthigen Unterschriften, Sigillen, Schnürren und dergleichen etwas mutirt
worden, dann dieses würkt allemal soviel, als eine gänzliche Cassation. 4tò Ist
sowol ad Cassationem generalem als particularem erforderlich, daß sie nicht von
ungefehr, sondern mit Fleiß und fürsetzlich von dem Testatore geschehen. Das
letztere wird 5tò gemuthmasset, wenn das Testament bey ihm selbst gefunden
worden. Ein anderes ist 6tò da man selbes bey einem Dritten, oder gar bey jenen
findet, welchen die Cassation Nutzen bringt, dann da muß der Vorsatz des
Testatoris von dem, der sich auf die Cassation gründet, gnüglich bewiesen
werden, ausser dessen wird vielmehr præsumirt, daß es von ungefehr oder wenigst
ohne Wissen und Willen des Testatoris geschehen seye, folglich bleibt 7mo das
Testament solch-letzterenfalls, soweit es wenigst noch leßlich und verständlich
ist, bey Kräften. 8vò Kan zwar ein Testament auch von einem Dritten ex
Commissione Testatoris cassirt werden, doch muß er die angebliche Commission
auf Begehren entweder durch den Reinigungs-Eid oder sonst gnüglich beweisen,
sonst soll er denen Interessatis auf vorläufige Bescheinigung ihres
vermeintlichen Interesse allen Schaden abthun, und kan nicht nur in Litem gegen
ihn geschworen werden, sondern es hat auch Pœna Falsi wider ihn Platz. 9no die
blosse Eröffung eines Testaments ohne Verletzung deren Sigillen oder Schnürren,
wie auch wenn 10mò aus mehr
(239) gleichlautenden Originalien nur eines davon
cassirt wird, ist ohne anderen deutlicheren Merkmalen der hierin geführter
Intention für keine Cassation zu achten. 11mò Werden auch die Marginal- Bey-
oder Zusätz in dem Testament ausser deren in cap. seq. 5. §. 8. bemerkter
Zettuln und leerer Blättern für kein Zeichen der Cassation aufgenommen, sondern
vielmehr pro non adjectis gehalten. Wol hingegen wird 12mò Testamentum
nuncupativum pro cassato angesehen, wenn das hierüber errichtete Instrument
cassirt ist, ohngeacht die Matrix oder das Protocoll noch vorhanden wäre. Im
übrigen convalescirt 13tiò das einmal cassirte Testament weder durch die
Clausulam Codicillarem, noch durch die weitere Obsignation desselben, sondern
wenn anders der Testator nicht ab Intestato absterben will, so muß er gleichwol
ein anderes ganz neues Testament verfertigen.
Per
secundi Testamenti Confectionem.
§. 28. Ein älteres Testament wird 1mò durch das
Jüngere allzeit ipso Jure in allen Stücken wieder aufgehoben, obschon 2dò in
dem letzteren keine Erwehnung des älteren geschehen, oder der Testator
desselben gar nicht mehr ingedenk (!) gewest, oder etwan in älteren die
Clausula omnium Posteriorum derogatoria enthalten, oder ein gewisser Modus
testandi darin vorgeschrieben, und solcher gleichwol hernach nicht beobachtet
worden, oder da eins von beeden Sollenne, das andere Privilegiatum, oder das
letztere gar destituirt, oder der Erb hierin nur in Re certâ aut sub Conditione
instituirt wäre, und die Condition nicht einmal existirte. Dahingegen wird 3tiò
das ältere nicht rumpirt, wenn das letztere ex Defectu Voluntatis aut
Sollennitatis in- vel extrinsecæ ungültig ist, oder da das ältere in dem
letzten entweder ausdrücklich oder per Clausulam Codicillarem stillschweigend
bestättiget wird, dann da bleibt jenes in Vim Fideicommissi, dergestalt, daß
der in dem Jüngeren benannte Erb die Erbschaft nach abgezogener Trebellianicâ dem
älteren Testaments-Erben restituiren muß. 4tò Reconvalescirt auch das ältere,
wenn das letzte in Ansehen des ersten wiederum cassirt worden. Dafern sich aber
5tò zwey oder mehr Testamenta verschiedenen Inhalts bezeigten,
(240)
ohne zu wissen, welches älter oder jünger seye, so gelten beede, ausgenommen in
Puncten, welche sich einander contrar seynd, dann da gilt keines von beeden.
De Testamento irrito per Destitutionem aut Statûs
Mutationem.
§.
29. Vereitlet oder vergeblich wird ein Testament entweder auf Seiten des
Testatoris, oder auf Seiten des Erbens. Jenes geschiehet 1mò wenn Testator nach
errichteten Testament geächtet, oder zur ewigen Gefängnuß verdam(m) t, oder per
Arrogationem unter Vätterliche Gewalt gebracht wird. Dieses hingegen ergiebt
sich 2dò wenn die Erbschaft von dem instituirten Erben nicht angetretten wird,
oder nicht angetretten werden kan, welchenfalls 3tiò nicht nur die Legata und
Fideicommissa particularia & universalia, sondern auch Inhalt obigen 18ten
§vi &c. die Substitutiones directæ gleichwol noch bestehen.
(241) Viertes Capitul
Von privilegirt- und anderen besonderen Testamenten.
General-Anmerkungen von privilegirten Testamenten.
§. 1. 1mò Werden unter die Testamenta privilegiata
& minùs sollennia nicht nur Judicialia, aut Principi oblata, sondern auch
Militaria, oder ad pias Causas, vel Tempore Pestis, aut à Rusticis facta, wie
nicht weniger Testamenta Parentum inter Liberos gerechnet, alles nach mehrern
Ausweis folgender Ordnung. 2dò Nennet man sie darum minùs sollennia, weil sie
von denen zu einem zierlichen Testament erforderlichen Sollennitatibus
extrinsecis entweder gar nichts, oder wenigst nicht soviel vonnöthen haben, in
all übrigen Stücken aber wird es 3tiò mit denenselben, ohne wo specialiter ein
anderes versehen ist, eben so wie mit Testamentis sollennibus gehalten,
insonderheit müssen dabey auch die Requisita Voluntatis generalia nebst denen
in vorigem Capitul angeführten Requisitis intrinsecis & substantialibus
regulariter beobachtet seyn.
De Testamento judiciali ad Acta.
§. 2. Judicialiter ad Acta wird testirt, wenn man 1mò
seinen letzten Willen vor Obrigkeit entweder mündlich oder schriftlich
declarirt, welches jedoch 2dò der Testator nicht durch einen anderen, sondern
allzeit selbst in persönlicher Gegenwart, und annebens 3tiò bey der Uebergab
eines schriftlich- verschlossenen Testaments mit der ausdrücklichen
Declaration, daß hierin sein letzter Will enthalten seye, verrichten soll. Die
Auf- oder Uebernahm eines solchen letzten Willens ist 4tò Actus Jurisdictionis
merè voluntariæ von jener Gattung, welche zwar eine vorläuffige Imploration,
jedoch keine Einsicht oder Cognition erfordert, solchemnach kan selbe 5tò nicht
nur ausser dem gewöhnlichen Gerichts-Ort, sondern sogar ausser dem Gerichts-
(242)
Gebieth sowol an Feyer- als Werktägen coram Judice quocunque etiam incompetente
vorgenommen werden, wenn er nur sonst Jurisdictionem bassam & ordinariam
entweder proprio vel administratorio Nomine, oder aber wie die Staabs- und
Pflegs-Commissarii ex Commissione perpetua zu exerciren hat. Der Richter selbst
kan zwar 6tò nach gemeinen Rechten vor dem nemlichen Gericht, welchem er
vorstehet, ohne Unterschied inter Jurisdictionem patrimonialem, & merè
administratoriam auf solche Art testiren, doch soll dieses hinführo zu Vermeidung
alles Verdachts und Unterschleifs nicht mehr geschehen, es seye dann, daß das
Gericht nicht von ihm allein , sondern mit mehrern besetzt seye, welchenfalls
ein jeder aus ihnen vor denen anderen solchermassen testiren kan. 7mo Soll zwar
auch der Actuarius allzeit mitbeygezogen werden, falls aber das Amt mit keinem
Actuario versehen, oder derselbe etwan verhindert ist, so soll sich der Richter
statt dessen eines ad hunc Actum angelobten Amts-Schreibers oder wenigst zweyer
Beysitzern gebrauchen, wohingegen es 8vò anderer Gezeugen um so weniger
hierunter bedarf, als dergleichen äusserliche Sollennitäten durch die
richterliche Authorität ohnehin schon gnug ersetzt seynd. 9no Die in einem
ganzen Senat oder Collegio bestehende Obrigkeiten, wie auch jene, welche
Jurisdictionem propriam & Patrimonialem haben, mögen allein statt ihrer
Jemand anderen hierzu committiren, welchenfalls sodann 10mò Delegatus all jenes
zu beobachten hat, was dem Richter selbst wegen Beyziehung eines Actuarii, oder
sonst zu observiren obliegt. 11mò Gebührt keinem Actuario die Stell des
Richters, ohngeacht dieser etwan abwesend oder sonst verhindert wäre,
eigenmächtiger Weis hierin zu vertretten, sofern er nicht von deme, der Vi Cod.
Jud. cap. 1. §. 18. Jus delegandi hat, hierzu besonders committirt ist. 12mò
Soll über den ganzen Testaments-Aufnahms-Actum ein förmliches Protocoll mit
Vormerkung aller gegenwärtig gewester Personen verfaßt werden, und wenn 13tiò
der letzte Wille nicht schriftlich dabey übergeben, sondern nur von Mund ausgesprochen
worden, so soll man solchen seinem ganzen Inhalt nach dem Protocoll
einverleiben. 14tò Ist das Protocoll besamt dem letzten Willen nach beschehener
Aufnahm nicht nur obsignirter ad Conservatorium vel Registraturam zu legen, und
verwahrlich alldort aufzubehalten, sondern auch dem Testatori auf Begehren eine
authentische Abschrift davon zukommen zu lassen, welche
(243)
auf allen Fall, wenn das Original-Testament oder Protocoll verlohren gehet, zum
Beweis dienen kan. Das schriftliche Ansuchen um die Aufnahm soll 15tò dem
Protocoll ebenfalls mitbeygelegt, oder da es mündlich geschehen, demselben
einverleibt werden, bezeigt sich aber nach der Hand weder in Protocollo noch
sonst etwas davon, so wird solches nichtsdestoweniger præsumirt. 16tò Sobald
der Testator seinen übergebenen letzten Willen ab Actis wiederum zurucknimmt,
so wird derselbe eben dadurch pro cassato vel revocato geachtet, ohngeacht man
solchen bey ihme nach der Hand noch verschlossen- oder unverletzter befunden
hätte. Von der Publication eines solchen gerichtlichen Testaments, und wem
solche eigentlich zustehe, siehe oben cap. 2. §. 14. n. 2.
Oder
ad Manus Principis.
§.
3. Die Testaments-Uebergab ad Manus Serenissimas ist zwar 1mò heut zu Tag nicht
mehr üblich, wenn es aber gleichwol geschiehet, so wird 2dò hierzu erfordert,
daß der Testator besagtes Testament schriftlich und zwar offen oder
verschlossener mit der ausdrücklichen Declaration, daß hierin sein letzter Will
begriffen seye, in selbsteigner Person ad Manus übergebe, auch 3tiò wegen beschehener
Uebernahm und daß all obiges hierunter beobachtet worden, von der geheimen
Kanzley oder dem Cabinet bescheiniget werde. Falls nun 4tò Seine Churfürstliche
Durchläucht das Testament selbst nicht ad Manus übernehmen, sondern hierzu
jemand zu committiren gnädigst geruhen, so hat der Commissarius das nemliche
hierbey zu beobachten, was im nächst vorhergehenden §vo de Testamento Judiciali
ad Acta verordnet worden ist.
Von
dem Testamento Militari.
§.
4. 1mò haben die Testamenta, welche von Kriegs-Leuten Jure militari errichtet
werden, viele besondere Privilegia, dann erstens darffen die Noth-Erben hierin
wissentlich umgangen, oder ohne Ursach enterbt, oder sub Conditione casuali aut
mixta instituirt werden. Zweytens greift obgedachte Substitutio militaris in
einem solchen Testament Platz. Drittens wird Testabilitas activa nur zur Zeit
des Testatoris
(244)
Tod erfordert. Viertens leidet die Regul, daß Niemand pro Parte testatus, pro
Parte intestatus abgehen kan, hierin ihren Abfall, und hat folglich das Jus
accrescendi bey dem in certâ Re vel Portione instituirten Erben nicht Statt.
Wol hingegen kan der Erb fünftens ex certo Die und ad certum Diem benennt
werden. Sechstens wird das Testament per Agnationem sui Hæredis nicht rumpirt,
ausgenommen wenn er die Schwangerschaft vermuthlich nicht gewust hat.
Siebendens wird das ältere durch das jüngere Testamentum militare nicht
aufgehoben, sondern es gelten beede, ausser wenn das letzte dem ersten contrar
ist. Es kan aber 2dò Jure militari Niemand testiren als Kriegs-Leut, und auch
diese 3tiò nicht allemal nach eigenen Belieben, sondern nur alsdann, wenn sie
entweder würklich im Streit oder wenigst im Feld seynd. Erstenfalls brauchen
sie 4tò gar keine äusserliche Sollennität dazu, sondern es ist gnug, wenn nur von
ihrem Willen gnugsam constirt. Andernfalls seynd zwar 5tò wenigst zwey Gezeugen
vonnöthen, doch ist kein Weibsbild von der Gezeugschaft ausgeschlossen.
Kriegs-Leut, welche 6tò weder im Feld noch im Streit seynd, testiren nicht Jure
militari, sondern wie andere Jure paganico & communi. Unter dem Streit
seynd 7mo nicht nur Bataillen sondern auch die Approchen und Ausfäll in
Belagerungen, dann all andere auch geringere Scharmützel verstanden. 8vò Wenn
man im würklichen An- oder Abmarsch, in Bloquaden oder Belagerungen, auf dem
Commando in Recognoscirung des Feindes oder disseitiger Bedeckung und anderen
dergleichen Kriegs-Expeditionen begriffen ist, oder auch in solchen Plätzen,
Festungen, oder Cantonirungs-Quartieren liegt, welche dem feindlichen Ueberfall
exponirt seynd, so ist es eben soviel, als wenn man würklich im Lager oder
freyen Feld campirt. 9no Werden unter Kriegs-Leuten nicht nur besoldete,
sondern auch Volontaires, wieauch all andere zum Behuf des Kriegs-Wesens
dienende Personen, z. E. Medici, Feldscherer, Auditores, Quartier-Meister,
Proviant-Officiers, Commissarii, Marquetenter, Zimmer- und Handwerks-Leut,
nebst Weibern und Bedienten hierinfalls verstanden. 10mò Wird in Dubio
præsumirt, daß obige Personen im Feld aber Streit allzeit mehr Jure militari,
als communi testirt haben. Ist aber 11mò das Testament schon vorhero, ehe sie
zu Feld oder Streit gegangen seynd, von ihnen
(245)
errichtet worden, so kan solches Jure militari nicht gelten, ohne daß man es in
solchem Zustand erst erneuere oder bestättige. 12mò Hat endlich kein Testament
die Kraft eines Militar und privilegirten Testaments länger als ein Jahr nach
beschlossenen Feldzug oder beschehener Abdankung.
Ad
Causas pias
§.
5. Testamenta ad Causas pias brauchen keiner äusserlichen Sollennität, wenn nur
sonst an denen Substantial-Requisiten, sonderbar circa Voluntatem nichts
hierbey ermanglet, und ein solcher letzter Will gnugsam erprobt ist, wozu aber
die alleinige Gezeugnuß des Pfarrers oder Beicht-Vatters ohne anderweiter
gnüglich und vollkommener Prob nicht hinreicht. Unter Causis piis aber seynd
nicht nur Kirchen, Spitäler, Waisen-Häuser, sondern auch was zum Unterricht der
Jugend in nutzlich- oder nöthigen Dingen, Unterhalt armer Bedürftiger, Erlösung
Gefangener, oder sonst unmittelbar zur Ehre Gottes, oder zum Dienst des Publici
gereichen mag.
Tempore
Pestis.
§.
6. An Orten, welche der Contagion halber bereits gesperrt seynd, braucht man
1mò zu Errichtung eines Testaments mehr nicht als fünf Gezeugen, und zwar 2dò
ohne Unterschied, ob sie männ- oder weiblichen Geschlechts seynd. 3tiò Ist auch
hierbey nicht nöthig, daß der Testaments-Act in uno continuo ununterbrochen für
sich gehe, minder, daß die Gezeugen alle zugleich beysammen, oder in dem
nemlichen Zimmer, wo die kranke Person liegt, sich einfinden, sondern es kan
dieses alles successivè unterbrochen, und einschichtiger Weis geschehen, ist
annebens gnug, wenn die Gezeugen den Kranken nur deutlich hören und sehen.
Gleiche Beschaffenheit hat es 4tò mit Testamenten, welche zwar nicht an inficirt-
und gesperrten Orten, gleichwol aber von einer mit Leibs-gefährlicher Erbsucht
behafteter Person errichtet werden. 5tò Bestehet ein solch-privilegirtes
Testament länger nicht, als Jahr und Tag von der Zeit an, da die gefährliche
Krankheit oder Contagion wiederum aufgehört hat, und ist auch 6tò die zu
Aufnahm des letzten Willens beruffene Obrigkeit an inficirt- oder gefährlichen
Orten zu erscheinen nicht verbunden.
Rusticorum
§.
7. Bauers-Leut und andere, welche beständig auf dem Land wohnen, mögen vor fünf
Gezeugen, jedoch allerwegen männlichen
(246)
Geschlechts testiren, es seye dann an einem solchen Ort, wo man sieben tüchtige
Gezeugen leicht haben kan. Obwolen im übrigen gegenwärtiges Privilegium von
denen Rechts-Gelehrten auch auf Reisende und andere ex Paritate Rationis
ausgedehnt werden will, so soll man doch hierauf keines Weges attendiren,
sondern sich genau an den Buchstaben des Privilegii halten.
Parentum
inter Liberos.
§.
8. 1mò Pflegen die Elteren unter eheleiblichen Kindern und Descendenten auf
zweyerley Art zu disponiren, nemlich in Form eines Testaments, oder nur
Abtheilungs-weis, das letztere wird 2dò allzeit mehr als das erste
gemuthmasset, solang nicht in der Disposition selbst von einem Testament
ausdrückliche Meldung geschiehet, welchenfalls sodann 3tiò ausser denen
Substantialibus Testamenti keine andere äusserliche Zierlichkeiten erfordert
werden, sondern es ist gnug, wenn die Elteren das Testament entweder selbst
eigenhändig schreiben, oder da es von anderer Hand geschrieben ist, solches
eigenhändig unterzeichnen, und annebens ein gleiches von ihren Kindern oder
wenigst von zweyen Gezeugen thun lassen, oder wenn nur mündlich testirt wird,
ihren letzten Willen vor zweyen Gezeugen erklären, ohne Unterschied, ob die
Gezeugen männ- und weiblichen Geschlechts seynd, auch ohne daß man selbe hierzu
erbitten darf. Es gilt aber 4tò ein solch-privilegirtes Testament nur in
Ansehen deren Kindern und Descendenten, nicht aber in Ansehen anderer etwan mit
eingemischter Personen, dann diese werden allenfalls pro non scriptis gehalten,
und accrescirt ihr Antheil denen Kindern, ausgenommen 5tò in milden
Vermächtnussen, oder da die Clausula Codicillaris in dem Testament enthalten,
und soviel Gezeugen dabey gewest, als zu einen Codicill erforderlich seynd. Von
der Elterlichen Disposition, welche nur Abtheilungs-weis geschiehet, siehe §vum
seq. 9.
De
Divisione Parentum inter Liberos.
§.
9. Jetztbemelte Abtheilung, welche die Elteren selbst noch in Lebzeiten unter
ihren Eheleiblichen Kindern und Descendenten zum Theil oder ganz zu machen
befugt seynd, wird 1mò ebenfalls auf zweyerley Weis, nemlich per Actum inter
Vivos aut ultimæ Voluntatis gepflogen. Letztenfalls geschiehet selbe 2dò per
Modum Codicilli, ohne daß man hierzu von in- oder äusserlichen Sollennitäten
ein mehrers vonnöthen hat, als daß man
(247)
von dem Willen der Elteren durch äusserliche Zeichen gnugsam gesichert seye,
welches sich jedoch 3tió auf Ehegatten oder auswärtige Personen ohne denen zu
einen zierlichen Codicill erforderlichen Sollennitäten sowenig als in
obgedachten Testamento Parentum inter Liberos erstreckt. Erstenfalls aber wird
4tò die Division wie jede andere Handlung unter Lebendigen angesehen, und weil
denen Elteren hierunter frey stehet, was derselben für eine Gestalt gegeben, und
ob sie nemlich per Modum Donationis, Transactionis, Assignationis, vel
Contractûs innominati eingerichtet werden wolle, so pflegt man dieselbe auch
hiernach in dieser Maß zu beurtheilen. In Dubio halt man 5tò die Division
allzeit mehr pro Actu ultimæ Voluntatis, folglich auch für eine wiederrufliche
Sach, sofern sich nicht die Elteren selbst die Hände freywillig hierin gebunden
haben. Es geschehe aber gleich 6tò die Abtheilung auf ein oder andere Weis, so
kan solche unter dem Vorwand der Læsion, oder allzugrosser Ungleichheit niemal
angefochten werden, sondern es hat dem ohngeacht dabey soweit sein Verbleiben,
als die Noth-Gebührnuß nicht dadurch geschmählert ist. Gleichwie im übrigen 7mo
die Enterbung nur in Testamenten allein Statt hat, so folgt von selbst, daß
dergleichen in merâ Divisione niemal zulässig seye.
Von
dem Testament der Eheleuten.
§.
10. Testamenta, welche von Eheleuten unter sich gemacht werden, haben nichts
besonders an sich, ausser daß die oben in cap. 2. §. 5. n. 1. bemelte
Rechts-Regul, Kraft welcher nemlich ein letzter Wille des anderen Willkür und
Arbitrio nicht überlassen werden kan, nach hiesigen Land-Rechten einen Abfall
hierin leidet, dergestalt, daß ein Ehegatt dem anderen Gewalt und Macht
ertheilen kan, von seinem eigenen eben so, wie von des anderen Ehegattens-Gut
testiren zu können. Im übrigen haben Testamenta reciproca, correspectiva &
simultanea auf die im nächstfolgendenden §vo vorgeschriebene Weis nicht nur
unter Eheleuten, sondern auch unter anderen allerdings Platz, ohngeacht dessen,
was das Römische Recht gegen die sogenannte Institutiones captatorias
verordnet, als welches in diesem Stück hier zu Land niemal angenommen worden
ist.
Von
Testamentis simultaneis, Reciprocis oder Correspectivis
§.
11. 1mò Wenn mehr Testatores entweder zugleich in einem Libell beysammen
testiren, oder sich selbst gegeneinander zu
(248)
Erben einsetzen, oder wenigst ihre Dispositiones so einrichten, daß allem
Anscheinen nach eine ohne der anderen nicht wol gemacht worden wäre, so heißt
der erste Modus zu testiren Simultaneus, der andere Reciprocus, der dritte
Correspectivus. Obwolen nun zwar 2dò bey dem Simultaneo in der That allemal
soviel Testamenta als Testatores vorhanden seynd, so ist doch derwegen nicht
nöthig, daß man in einem einzigen solchen Testaments-Libell, so zierlich selbes
auch immer errichtet seyn mag, die gewöhnliche äusserliche Sollennitäten
verdopple oder vermehre, sondern es gehet alles in einer Sollennität hin, und
ist gnug, wenn nur jeder Testator besonders unterschreibt, und sammentliche
sieben Gezeugen oder wenigst die erste zwey in der Unterschrift melden, daß sie
um beeder oder sammentlicher Testamenten wegen unterschrieben hätten. Von dem
Testamento Reciproco ist 3tiò zu merken, daß wenn solches einerseits
wiederruffen, cassirt oder sonst entkräftet wird, alsdann auch das andere eben
dadurch für wiederruffen, cassirt oder entkräftet gehalten werde, es wäre dann
bemelte Wiederruff -oder Entkräftung dem anderen Theil bekannt gewest, und er
gleichwol auf dem Testament seines Ortes beharrt hätte, uneracht es ihm an
gnugsamer Zeit solches gleichfalls wiederruffen zu können nicht ermanglet hat.
Denen Testamentis Reciprocis werden 4tò auch die Correspectiva in diesem Stück
gleichgeschätzt, sonderbar wenn 5tò das beederseitige Vermögen, wie es sowol
unter Eheleuten als anderen öffters geschiehet, zusammen geworffen und
gleichsam aus einem Mund und Willen hiermit testirt wird. 6tò Müssen Testamenta
Simultanea mit Reciprocis vel Correspectivis nicht vermengt, pro Synonimis
aufgenommen, vielweniger eins aus dem anderen schlechterdings gefolgert werden,
dann es können wol zwey oder mehr in einem Libell simultaneè testiren, ohne
eine Dispositionem Reciprocam vel Correspectivam zu machen, und hingegen können
sie auch wol reciprocè oder correspectivè disponiren, ohne daß solches
simultaneè in einem einzigen Libell zu verrichten nöthig ist, sondern es kan
auch in verschiedenen Libellen geschehen. 7mo Werden dergleichen
reciprocirliche Dispositiones in Dubio allzeit mehr pro Pactis Successoriis als
Testamentis geachtet, sofern nicht die Disponenten ihre Disposition selbst also
benamsen, mithin Animum & Voluntatem testandi ausdrücklich zu Tag legen.
(249)
Fünftes Capitul
Von
Codicillen.
Was
und wie vielerley ein Codicill seye?
§.
1. Codicill heißt ein letzter Will, welcher nichts als Legata und Fideicommissa
oder andere dergleichen in Kraft eines Testaments nicht bestehende letztwillige
Dispositiones in sich halt, und wird zuförderst in Principalem &
Accessorium getheilt. Principalis, welcher für sich selbst ohne Testament
bestehet, und eben daher auch Codicillus ab Intestato benamset wird, ist theils
scriptus theils nuncupativus, sollennis oder minùs sollennis, nachdem er
nemlich schrift- oder mündlich, mit oder ohne Sollennität verfertiget wird,
Codicillum Accessorium pflegt man auch Testamentarium zu nennen, weil er
allzeit ein vor- oder nachgehendes Testament supponirt, welches sich entweder
quò ad Punctum Institutionis oder sonst in anderen Stücken implicitè hierauf
beziehet.
Unterschied
inter Testamentum & Codicillum.
§.
2. Ein Codicill unterscheidet sich zwar hauptsächlich darin von einem
Testament, daß man 1mò nicht nur weniger Sollennitäten hierzu bedarf, sondern
auch 2dò weder Erb- oder After-Erb-Einsatzung noch Enterbung, und andere dergleichen
das Punctum Institutionis betreffende Verordnungen hierin Platz greiffen, es
geschehe dann solches 3tiò entweder in Codicillo merè Accessorio &
Testamentario oder aber 4tò in Principali nur indirectè Fideisommiss-weis, und
zwar stillschweigend durch die beygefügte Clausulam Codicillarem oder
ausdrücklich, da nemlich dem Erben ab Intestato aufgegeben wird, daß er die
Erbschaft dem in Codicillo benannten Erben nach Abzug der Trebellianica
überlasse. Wenn aber gleichwol 5tò eine Erb-Einsatzung, Substitution oder
dergleichen in einem Codicillo
(250)
nicht nur indirectè, sondern directè vorkommt, so laßt man sie
nichtsdestoweniger in Vim Fideicommissi gelten, ohngeacht die Clausula
Codicillaris nicht mitbeygefügt ist.
Wer
codicilliren könne?
§.
3. Soweit man nach Inhalt des vorigen 3ten cap. 3ten §vi von Verfertigung eines
Testaments ausgeschlossen ist, soweit ist man auch in Verfertigung eines
Codicills gehindert.
Zu
wessen Favor man codicilliren könne?
§.
4. Desgleichen kan zu Favor eines anderen nur soweit codicillirt werden, als er
nach Ausweis obigen 3ten cap. 12ten §vi passivè testabilis ist.
In-
und äusserliche Requisita eines Codicills.
§.
5. Die in obigen 2ten cap. 3ten §vo erwehnte Requisita Voluntatis generalia
gehören zu der innerlichen Substanz und Wesenheit eines Codicills, können also
ohne Nullität nicht hierin unterlassen werden. Dazu kommen auch die im
nächstfolgenden §vo vorgeschriebene äusserliche Sollennitäten, welche wenigst
in Codicillo sollenni ebenfalls sub Pœnâ Nullitatis beobachtet werden müssen.
Von
denen äusserlichen Requisiten insonderheit.
§.
6. Sowol zu schriftlich- als mündlichen Codicillen werden 1mò fünf tüchtige
Gezeugen erfordert, und wenn 2dò ein Blinder codicillirt, so muß auch der
sechste mitbeygezogen werden, wer aber 3tiò von der Testaments-Gezeugschaft
ausgeschlossen ist, der kan auch in Codicillo keinen tüchtigen Gezeugen
abgeben, Weibsbilder ausgenommen, welche hierinfalls für tüchtig gehalten
werden, wohingegen Legatarii & Fideicommissarii zur disfalliger Gezeugschaft
untüchtig seynd. 4tò Wird zwar die Erbittung deren Gezeugs-Personen nicht, wol
aber deren sammentliche Gegenwart, und ingleichen eine ununterbrochene
Handlung, wie in Testamenten, erfordert. Nebst deme soll 5tò ein schriftlicher
Codicill erstens von dem Codicillanten selbst offen oder verschlossen mit der
Erklärung, daß dieses sein letzter Will seye, nicht nur denen Gezeugen
vorgelegt, sondern
(251)
auch von ihnen eigenhändig unterschrieben werden, andertens ist auf Seiten des
Codicillantens die Unterschrift sowenig, als die Sieglung deren Gezeugen
vonnöthen, drittens bedarf es auch der Vorlesung nicht, ausser bey Lesens
unkündigen Codicillanten, und da etwan viertens mehr zugleich in einem Libell
codicilliren, so werden die Sollennitäten hierin eben sowenig, als in
obgedachten Testamentis simultaneis verdoppelt. Ein mündlicher Codicill wird
6tò vor denen versammleten fünf Gezeugen auf die nemliche Art, wie ein
Testamentum nuncupativum, ausgesprochen, und endlich ist 7mo rathsam, über
dergleichen mündlich- oder schriftliche Codicillos sollennes um der leichteren
Prob und Gedächtnuß willen ein förmliches Notariats-Instrument errichten zu
lassen.
Von
Codicillis minùs sollennibus
§.
7. Unter die Codicillos minùs sollennes gehören 1mò all jene, welche ad Manus Serenissimas
aut Acta Judicialia übergeben, oder in Favorem Causæ piæ vel Jure Militari
errichtet werden, dann darin wird es quò ad extrinseca eben so, wie mit
dergleichen privilegirten Testamenten laut nächstvorhergehenden Capituls,
gehalten. 2dò Gehört auch die per Actum ultimæ Voluntatis verfügte Divisio
Parentum inter Liberos hieher, massen selbe obverstandenermassen ebenfalls von
all äusserlicher Zierlichkeit befreyet ist. 3tiò Hat es mit denen Codicillis
Rusticorum aut Tempore Pestis mehr berührter Sollennitäten halber die nemliche
Beschaffenheit, wie mit dergleichen Testamenten, ausser daß jene statt fünf nur
drey Gezeugen erforderen. 4tò Wenn der Verstorbene noch in Lebzeiten dem
hinterlassenen Erben ab Intestato in selbstiger Gegenwart den Auftrag thut, daß
die Erbschaft oder ein gewisses Gut an jemand überlassen oder eingeantwortet
werden solle, so braucht es hierzu gar keine Sollennität, sondern es ist gnug,
wenn nur sothaner Auftrag erweislich ist, und mag dem Erben auf allenfalliges
Wiedersprechen Juramentum Litis decisorium hierüber deferirt werden, seynd aber
der Erben mehr, so muß ihnen der Auftrag in aller Gegenwart geschehen, sonst
gilt dergleichen Codicillus minùs sollennis nur pro ratâ der Anwesender.
(252) Von Codicillis Accessoriis vel Testamentariis
§. 8.
Oeffters wird sich in dem Testament implicitè auf gewisse Zettul antecedenter
vel consequenter bezogen, oder es werden leere Blätter darin gelassen, mit dem
Vorbehalt, das, was hierauf geschrieben wird, eben soviel gelten solle, als
wäre es in dem Testament selbst begriffen. Dergleichen Blätter oder Zettul nun
pflegt man 1mò Codicillos Accessorios vel Testamentarios zu nennen, dann sie
werden für einen Anhang des Testaments gehalten, und brauchen keiner besonderer
Sollennität mehr, wenn nur das Datum hierin enthalten, und auch sonst kein
Zweifel ist, daß sie der Testator selbst geschrieben oder unterschrieben habe,
derowegen auch rathsam ist, daß er sich auf den Casum Diffessionis vorsehe, und
den Zettul entweder in Beyseyn zweyer Gezeugen selbst schreibe, oder
unterschreibe und solche mitunterzeichnen lasse, oder aber zur mehreren
Sicherheit verfüge, daß ein Notariats- oder Obrigkeitliches Instrument darüber
ausgefertiget werde. Andere Zettuln oder Blätter, worauf sich 2dò in dem
Testament obgedachtermassen nicht bezogen wird, seynd zwar pro Codicillis
Accessoriis niemalen anzusehen, können aber allenfalls als Principales für sich
selbst bestehen, wenn nur die hierzu erforderliche Requisita vorhanden seynd.
Von Entkräftung eines Codicilli Accessorii vel
Testamentarii
§.
9. Sobald das Testament selbst seine Kraft und Gültigkeit verliehrt, sobald
fallen auch die Codicilli Accessorii mitweg, es wäre dann, daß jenes nicht
ganz, sondern nur zum Theil, und soviel die Erb-Einsatzung betrift, entkräftet
wurde, hingegen in denen übrigen Puncten stehen verbliebe, dann da bleiben auch
die in dem Codicill verordnete Legata und Fideicommissa.
Von
Entkräftung eines Codicilli Principalis vel ab Intestato
§.
10. Andere ab Intestato verfertigte Codicillen werden auf folgende Art
entkräftet. 1mò Durch den Wiederruf, wenn er entweder Obrigkeitlich oder
wenigst vor drey Gezeugen geschiehet. 2dò Durch obverstandene Agnationem sui
Hæredis, ausser wenn Codicillant die Schwangerschaft gewust, und einen
(253)
Noth-Erben hieraus hat vermuthen können, welchenfalls Codicillus non obstante
Agnatione subsistirt. 3tiò Durch die Cassation des Codicills auf die nemliche
Art, wie oben cap. 3. §. 27. von Testamenten verordnet ist. 4tò Durch ein
jüngeres Codicill oder Testament wird das ältere Codicill ab Intestato nur
alsdann aufgehoben, wenn solches ausdrücklich in dem letzteren also gemeldet
wird, oder eins dem anderen dergestalt contrar ist, daß beede nicht beysammen
stehen können. Ausser dessen bleiben die Aeltere und Jüngere, soviel deren
immer seynd, nebeneinander stehen. 5tò Per Mutationem Status sowol auf Seiten
des Codicillantens als desjenigen, welchem der Codicill zu Guten gehet, auf die
nemliche Art und Weis wie bey Testamenten. 6tò In Codicillus Correspectivis vel
Reciprocis durch einseitige Entkräftung derselben, dann da fallt der Codicill
auch allzeit auf der anderen Seite, wie in Testamentis Correspectivis vel
Reciprocis.
De
Clausula Codicillari.
§.
11. Von der sogenannter Clausula Codicillari, dann denen besonderen Würkungen
siehe oben cap. 3. §. 23.
(254)
Sechstes Capitul
Von
letztwilligen Vermächtnussen (Legatis) überhaupt.
Was
ein Legatum seye?
§.
1. Legatum ist ein letzter Wille, wodurch man Jemand zwar directè, jedoch nur
Titulo singulari, etwas vermacht, oder verschaft.
Was
für Sachen legirt werden können?
§.
2. Regulariter können alle sowol beweglich- als unbewegliche, cörperlich- und
uncörperliche Dinge, sofern solche nicht specialiter ausgenommen seynd, per
Legatum verschaft werden. Was nun bey manichem Legat besonders zu beobachten
seye, das ist in cap. seq. 7mo versehen, überhaupt aber hat man folgendes
allhier zu merken.
Wer
legiren könne?
§.
3. Wer nach Mas des vorigen 3ten cap. 3ten §vi zu testiren nicht fähig ist, der
hat auch in der nemlichen Mas die Fähigkeit nicht, ein Legat zu machen, sonst
aber ist regulariter Jedermann dessen befugt.
Wem
man legiren könne?
§.
4. 1mò Muß Legatarius nicht nur zur Zeit, da der Vermächter stirbt, sondern
auch da das Legat vermacht wird, wie nicht weniger in Legato conditionato zur
Zeit, da die Condition existirt, des Legats fähig seyn. 2dò Wird hierinfalls
jeder für fähig geachtet, dem kein besonderes Verbott entgegen stehet.
Insonderheit kan 3tiò auch einem ganzen Corpori, Collegio, oder anderer
approbirter Communität legirt werden, welchenfalls jedoch das Legat nicht jedem
de Corpore vel Communitate, sondern nur allen insgesamt gebührt. 4tò Was man
einem Beamten legirt, das gehört ihm auch allein, nicht
(255)
aber seinen Amts-Successoribus, ausser wenn aus der Disposition erscheint, daß
solches in Rucksicht auf das Amt vermacht worden. 5tò Legata, welche zu Favor
der Armen überhaupt lauten, sollen zuförderst auf des Vermächters Anverwande,
sofern die arm seynd, verwendet, in Ermanglung deren aber der Armen-Cassa des
Orts, wo er sein Domicilium gehabt, überlassen werden. 6tò Was Gott oder seinen
Heiligen überhaupt vermacht wird, gehört zum Gottes-Dienst in der Pfarr-Kirch,
wo der Verstorbene zur Zeit des Absterbens eingepfarrt gewest. 7mo Mag endlich
Richtern und Beysitzern, welche das Testament, oder Codicill ad Acta übernommen
haben, ebenso, wie anderen, etwas hierin verschaft werden.
Wem
man nicht legiren könne?
§.
5. 1mò Seynd all jene, welche Testabilitatem passivam nicht haben, auch keines
Legats fähig. 2dò Kan man ungewiss- oder unbekannten Personen nicht legiren,
ausgenommen Armen oder Gefangenen, oder jenen, welche wenigst mit der Zeit
ausfindig gemacht werden mögen, z. E. Kindern, welche von Cajo ehelich erzeugt
werden, item Posthumis und dergleichen. 3tiò Ist der instituirte Erb ebenfalls
nicht fähig, ein Legat zu empfangen, es seye dann, daß er nicht allein Erb ist,
sondern Miterben hat, dann da kan ihm ein Prælegat, das ist, ein solches Legat
vermacht werden, welches er in der Theilung Voraus hat. Wobey jedoch 4tò zu
unterscheiden ist, ob das Prælegat nur überhaupt, ohne Jemand besonders damit
zu oneriren vermacht ist, oder nicht. Letztenfalls wird das ganze Prælegat bey
dem onerirten allein, erstenfalls aber bey der unvertheilten Massa und zwar
dergestalten erholet, daß Prælegatarius an seinem sonstigen Erbtheil keinen
besonderen Abzug deswegen zu leiden hat.
Wer
mit Legatis onerirt werden möge?
§.
6. 1mò Mögen nicht nur Erben, sondern auch Legatarii, Fideicommissarii, und all
andere, welche von der Disposition Vortheil haben, mit Legatis beschwert
werden, jedoch 2dò soviel die Noth-Erben betrift, ohngeschmählert der Legitima,
und soll auch 3tiò das Onus niemal stärker seyn, dann das Utile. 4tò Wenn
Niemand besonders damit onerirt, sondern das Legat überhaupt vermacht ist, so
haftet die Erbschaft darum
(256)
, und zwar bey mehr Erben jeder pro rata seines Erbtheils, auch sofern einer
nicht mehr solvendo ist, die übrige in Subsidium.
Von
in- und äusserlicher Gestalt eines Legats.
§.
7. Legata werden entweder in Testamentis oder Codicillis verordnet, was nun zu
einem gültigen Testament oder Codicill von Rechts-wegen erforderlich seye, auch
wieweit in ungültigen Testamenten nichtsdestoweniger Legata bestehen können,
ist bereits in obigen Capituln versehen.
Von Legatis sub Conditione, Demonstratione, Causa, Modo,
Die vel Pœna.
§.
8. Vermächtnussen können und pflegen auch sub Conditione, Demonstratione,
Causa, Modo, Die vel Pœna verclausulirt zu werden, welchenfalls es mit selben
die nemliche Beschaffenheit hat, wie mit dergleichen Erb-Einsatzungen, laut
obigen 3ten cap. 10ten und 11ten §vi.
Von
Substitutionibus in Vermächtnussen.
§.
9. Wenn dem Legatario substituirt wird, so halt man es in Terminis Habilibus
hiermit ebenso, wie in Substitutionibus Hæreditariis nach mehreren Inhalt
obigen 3ten cap. 19ten §vi.
Pflichten
und Rechten eines Legatarii.
§.
10. 1mò Gebührt dem Legatario das Legat in Naturâ, oder wenn es nicht mehr
existirt, im Werth nach unpartheyischen Anschlag, und zwar 2dò sobald Dies
Legati cedirt, das ist in Legato puro, sobald der Vermächter stirbt, in
Conditionato aber, sobald die Condition existirt, mithin wird auch 3tiò von
solcher Zeit an das Recht zum Legat dergestalt erlangt, daß selbes auch an
andere cedirt und überlassen, oder wenn Legatarius mit Tod abgehet, auf seine
Erben transmittirt werden mag. 4tò Kan er nicht nur das Legat selbst und alle
Zugehörungen, sondern auch von der Zeit, da die Erbschaft angetretten, oder das
Legat agnoscirt worden, alle daran abgefallene Früchten oder Zinsen begehren. 5tò
Muß ihm hiernächst aller Schaden vergütet werden, welcher Culpâ lata vel Dolo
oder post Moram sogar Culpâ levi & levissimâ, aut Casu merè fortuito daran
geschehen ist. 6tò Ist zwar die Pœna Dupli auf dem
(257)
Fall, wenn das Legat abgeläugnet wird, nicht mehr in Uebung, wol aber kan
Legatarius von dem saumigen Erben die in Casum Moræ verordnete Straf samt dem
Legat forderen. Dahingegen haftet er 7mo um die Schulden des Vermächters,
jedoch nur pro Quantitate Legati und in Subsidium, soweit nemlich die übrige
Verlassenschaft zur Zahlung nicht mehr hinreicht, anerwogen man weder Legata
noch Erbschaften andergestalt, als nach Abzug der Schulden prætendiren kan. 8vò
Ist er zwar die sowol zur Verbesser- als Erhaltung des Legats bonâ Fide
verwendete, nicht aber auf die Einlieferung des Legats etwan erlauffende Kosten
zu erstatten schuldig. Immassen 9no jetztgedachte Einlieferung ohne Entgelt des
Legatarii an Ort und End, wo es der Vermächter angeordnet hat, oder bey
ermanglender Disposition In Loco Rei sitæ vel Domicilii geschehen muß. Von
denen übrigen Juribus, Obligationibus & Actionibus Legatarii, insonderheit
von der Caution, Falcidia und Jure accrescendi stehe §vos seq.
De
Actionibus Legatarii.
§.
11. 1mò Mag Legatarius sich des Legats eigener Gewalt, ausgenommen wo Possessio
vacua ist, nicht bemächtigen, sondern er muß solches entweder bei dem Erben
selbst, oder demjenigen, der damit chargirt ist, oder bei der Obrigkeit
gebührend suchen. Zu dem Ende kan er nach Gestalt und Beschaffenheit der Sach
unterschiedliche Actiones anstellen, und zwar wenn 2dò die Vermächtnuß in Re
corporali, specifica & Leganti propriâ, das ist, in einer cörperlich- und
dem Eigenthümer zugehörig-sonderbarer Sach bestehet, so erlangt er in Legato
puro von Zeit des Todes, in Conditionato aber von Zeit der erfüllten Condition
alsofort ohne Tradition, auch ohne von dem Legat Wissenschaft zu haben, ipso
Jure das Dominium Rei legatæ, folglich auch gegen jeden Inhaber (!) derselben
Rei Vindicationem. 3tiò Tritt er von obiger Zeit in des Vermächters Rechten auf
dem verschaften Gut activè & passivè ein, folglich kommen ihm auch die
nemliche Actiones hierauf zustatten, welche der Vermächter allenfalls gehabt
hätte, z. E. Actio Confessoria in Servitute legata und soweiter. 4tò Acquirirt
er um seines Legats wegen von der Zeit, da der Vermächter stirbt, in dessen
hinterlassenen übrigen Vermögen eine stillschweigende Hypothec, mithin auch
Actionem Hypothecariam, welche jedoch gegen jeden aus mehr onerirten Erben
(258)
nicht in solidum, sondern nur pro ratâ gehet, und in Concursu all den anderen
sowol Current- als Hypothec-Glaubigern ausweichen muß. 5tò Hat er ferner
Actionem Personalem gegen den Erben oder jenen, welcher mit dem Legat onerirt
ist, um alles zu præstiren, was obgedachtermassen hierinfalls zu præstiren ist.
6tò Greiffen jetztbemelte Actiones gegen den Erben vor angetrettener Erbschaft
zwar nicht Platz, doch kan er allenfalls von dem Legatario auf eine positive
Erkärung getrieben werden, ob er die Erbschaft antretten wolle oder nicht. 7mo
Wird endlich die Entrichtung liquid- und unstreittiger Vermächtnussen durch den
Streit, welchen etwa die Erben unter sich haben, keines Wegs gehemmt.
Von
der Caution in Vermächtnussen,
§.
12. Wenn die Entrichtung des Legats etwan wegen einer beygeruckter Condition,
gewisser Zeit, oder Weil mehr Legatarii darum streitten, in Suspenso ist, so
muß der Erb auf Begehren annehmliche Caution bestellen oder gestatten, daß
Legatario das Legatum gegen gnugsame Sicherheits-Leistung eingeraumt werde.
Und
dem Jure accrescendi.
§.
13. Stehen mehr Collegatarii in einer Vermächtniß beysammen, und will oder kan
einer aus ihnen seinen Legats-Antheil nicht haben, so fallt solcher 1mò nicht
ad Massam Hæreditariam, sondern wachset dem Collegatario, oder falls 3tiò
derselben mehr seynd, jedem zu gleichen Theilen, und zwar 4tò samt dem darauf
haftenden Onere zu, welches auch 5tò Statt hat, wenn die Vermächtnuß in
Quantitate, das ist, in gewisser Zahl, Maß oder Gewicht bestehet. 6tò Ist
disfalls eins, ob die Collegatarii Verbis, Re aut mixtim conjuncti, das ist,
mit Worten, Werken, oder auf beederley Weis zugleich in dem Legat verknüpft
seynd. 7mo Hat jetzterwehntes Jus accrescendi nicht Statt, erstens in solchen
Antheilen, welche einen Substitutum haben, oder zweytens schon einmal agnoscirt
worden seynd, drittens wenn der Disponent die nur mit Worten verknüpfte
Collegatarios in Re legatâ dergestalt voneinander abtheilt, daß die Theil nicht
ineinander stecken, sondern separirt seynd, z. E. wenn Zweyen ein Haus
verschaft wird dergestalt, daß einer den oberen, der andere den unteren Stock
(259)
haben soll, oder wenn viertens der Testator sonst andere Special-Verordnung
macht, und ermeltes Jus accrescendi dadurch abschneidet oder beschränkt.
Von
der Falcidiâ.
§.
14. Falcidia ist 1mò der vierte Theil des von dem Erblasser über Abzug aller
Schulden, Funeralien, und anderer nothwendiger Ausgaben hinterlassenen
sammentlichen Vermögens, so wie es zur Zeit seines Absterbens gewest, und
gebührt solcher 2dò dem eingesetzt- oder sonst nächstnatürlichen Erben, dafern
die Erbschaft durch Legata, Particular-Fideicommissa, oder Schankungen von
Tods-wegen dergestalt erschöpft wird, daß der Ueberrest die Quartam nicht
ausmacht, massen 3tiò auf solchen Fall von berührten Legaten, Fideicommissen
und Schankungen à Proportion jedes Geschäfts soviel abgezogen wird, als zu
Erreichung des völligen vierten Theils vonnöthen ist. Seynd nun 4tò der Erben
mehr, so wird auch der vierte Theil des ganzen Vermögens unter ihnen getheilt,
es wäre dann 5tò nur ein- oder anderer aus ihnen mit bemelten Geschäften oder
Vermächtnussen insonderheit beschwert, dann da ziehet ein jeder den vierten
Theil von denen ihm besonders aufgebürdeten Geschäften ab, und da man sich 6tò
in der Schätzung nicht vergleichen kan, so wird solche durch unpartheyische
Schätzmänner vorgenommen. 7mo Pflegt man alles in die Falcidiam
miteinzurechnen, was dem Erben ausser der Noth-Gebührnuß von der Erbschaft
Titulo universali zugehet oder accrescirt, nicht aber was er nur als ein
Prælegat oder sonst Titulo singulari hieraus erhalt, dann daran ziehet er zwar,
wie von anderen Geschäften, die Quartam ab, der Ueberrest hingegen wird sowenig
als die vor angetrettener Erbschaft hieran verfallene Nutzungen eingerechnet.
8vò Kan er die Falcidiam nicht nur von mehrerwehnten Legatariis,
Fideicommissariis, Donatariis forderen, sondern hat auch Jus Retentionis
hierum, und nicht weniger das Dominium pro quarta Parte, soweit die
Vermächtnussen in Rebus corporalibus & singularibus bestehen. 9no Mag der
Erblasser die Falcidiam nach hiesigen Land-Rechten nicht verbiethen, und hat
endlich 10mò dieselbe auch nebst der Noth-Gebührnuß Statt, dergestalt daß der
Noth-Erb erstlich seine Legitimam, sodann aber von der übrigen Erbschaft die
Falcidiam abziehet.
(260)
Von Fällen, worin Falcidia nicht Statt hat.
§.
15. Falcidia hat in folgenden Fällen nicht Statt. 1mò Wenn der Erb die
Erbschaft ohne Inventario unter sich bringt. 2dò In Fideicommisso Familiæ
particulari. 3tiò In Dote prælegata oder anderen Legatis ad Pias Causas,
ausgenommen, wenn von denen übrigen Geschäften der vierte Theil nicht mehr zu
erholen ist. 4tò In allem, was man dem Erben auch ohne Geschäft schuldig ist.
5tò Wenn sich der Erb dieses Abzugs selbst ausdrücklich oder stillschweigend
begiebt, insonderheit da er 6tò die Legata ohne Abzug entrichtet, es seye dann,
daß er dieses aus Irrthum, in der Meinung, ob wurde ihm dennoch seine
gebührende Quarta noch übrig bleiben, gethan hat. 7mo In Vermächtnussen, welche
Jure militari errichtet werden.
Von
Entkräftung eines Legats.
§.
16. Legata werden nur auf folgende Weis entkräftet. 1mò Wenn das Testament oder
Codicill, worin die Vermächtnuß geschehen ist, selbst keinen Bestand hat,
jedoch mit denen bereits oben in cap. 3. §. 24. n. 3. §. 25. n. 4. §. 27. n. 2.
§. 29. n. 2. bemerkten sonderbaren Limitationen. 2dò Wenn Legatarius vor dem
Testatore oder wenigst vorher stirbt, ehe und bevor Dies Legati
obverstandenermassen cedirt, weil solchenfalls das Legatum ad Hæredes Legatarii
nicht transmittirt wird, es seye dann deren in Legato ausdrücklich mitgedacht
worden. 3tiò Wenn er das Legat entweder nicht haben will, oder nicht haben kan.
4tò Wenn er selbes ohnehin schon ex Causâ merè lucrativâ & gratuitâ in
anderweg erlangt hat. 5tò Wenn er sich auf die in cap. 1. §vo 20. obverstandene
Weis des Legats unwürdig macht. 6tò Wenn der in Legato ausgedruckte Zweck
desselben aufhört, z. E. da Jemand zum Studiren etwas vermacht, und das Studium
aufgegeben wird. Ein anderes ist, wenn nur Causa merè impulsiva aufhört, dann
dadurch wird das Legat nicht aufgehoben. 7mo In Legato conditionato durch
Ermanglung der Condition oder in einem beschwerten Legat durch die Verweigerung
das Onus auf sich zu nehmen, und endlich 8vò per Ademptionem, Translationem,
aut Rei legatæ Mutationem, wovon das mehrere in §vis seq.
(261)
Per Ademptionem,
§.
17. Von Benehmung eines Legats ist überhaupt zu merken. 1mò Muß das Legat,
welches wiederum benommen werden will, an sich gültig seyn, sonst braucht es
keiner Benehmung. 2dò Kan solches ganz oder zum Theil benommen werden,
welchenfalls der übrig unbenommene Theil bleibt. 3tiò Wenn mehr benommen wird,
als was das Legat ausmacht, so gilt die Benehmung wenigst pro Quantitate
Legati. 4tò Falls man dasjenige benimmt, ohne welchem das Legat nicht bestehen
kan, so wird auch das Legat pro adempto geachtet. 5tò Muß die Ademption
deutlich und zwar ausdrücklich oder stillschweigend geschehen. Von beeden siehe
folgende §vos.
Expressam,
§.
18. Ausdrücklich kan das Legat auf dreyerley Weis benommen werden. 1mò Entweder
in der nemlich- oder 2dò in einer anderen , doch gültig-letztwilliger
Disposition, oder 3tiò sonst durch blossen mündlich- oder schriftlichen
Wiederruf, welcher aber nach hiesigen Land-Recht wenigst allzeit drey Gezeugen
erfordert.
Tacitam.
§.
19. Stillschweigend wird das Legat mehr mit Werken als mit Worten benommen, z.
E. 1mò durch die Cassation des letzten Willens, worin das Legat angeordnet
worden, und zwar nach der hier oben cap. 3. §. 27. & cap. 5. §. 10. n. 3.
vorgeschriebener Mas. 2dò Durch die erfolgte Veräusserung des Legats, ohne
Unterschied der Vermächtnuss- oder Veräusserungen, worunter jedoch eine blosse
Verpacht- oder Verpfändung disfalls nicht begriffen seyn soll. 3tiò Durch die
zwischen dem Vermächter und Legatario entstandene grosse Feindschaft, sofern
keine Aussöhnung darüber erfolgt ist.
Per
Translationem,
§.
20. 1mò Wird ein Legat auf vierley Weis transferirt, nemlich wenn entweder
Legatarius, oder welcher mit dem Legat onerirt ist, oder das Legat selbst, oder
wenigst der Modus abgeändert, und das Legatum purum in conditionatum
(262)
verwandlet wird. In dem ersten Fall, da nemlich 2dò statt des Legatarii ein
anderer benamset wird, hört das Legat auf, wenn schon der andere des Legats
unfähig ist. 3tiò Ist gleichgültig, ob die Translation in der nemlich- oder
anderer gültiger Disposition geschiehet. 4tò Muß der Wille, das Legat
transferiren oder abänderen zu wollen, klar und offenbar seyn, sonst wird die
Translation pro non scripto gehalten. 5tò Werden die dem ersten Legatario
auferlegte Onera und Conditiones bey dem zweyten Legatario in Zweifel für
wiederholt geachtet.
Rei
legatæ Mutationem.
§.
21. Hierher gehören folgende Fälle, 1mò wenn die legirte Sach ohne merklichen
Verschulden desjenigen, welcher mit dem Legat onerirt ist, völlig zu Grund oder
verlohren gehet, welchenfalls das Legat nicht reviviscirt, wenn gleich die
destruirte Sach wiederum in vorigen Stand hergestellt wird. 2dò Durch die
Specificationem Rei legatæ, das ist, wenn die Gestalt und Form der verschaften
Sache dergestalt geändert wird, daß sie nicht mehr zur vorigen Gestalt gebracht
werden mag, doch wenn die Specification nicht durch den Erblasser selbst
geschiehet, so muß dem Legatario der Werth ersetzt werden. 3tiò Wenn das
Principale von dem Legat fallt, so fallt auch das Accessorium, z. E. da der
Erblasser sein Pferd mit Sattel und Zeug vermacht, das Pferd aber verlohren
gehet, so kan Legatarius auch Sattel und Zeug nicht mehr forderen.
(263)
Siebentes Capitul
Von
besonderen Legatis.
Von
Vermächtnuß einer Erbschaft.
§.
1. Ganze Erbschaften lassen sich zwar nicht legiren, weil sie nicht Titulo
singulari, sondern universali erlangt werden. Nachdem man aber gleichwol laut
obigen 3ten cap. 9ten §vi Num. 2. bey der Erb-Einsatzung eben an seine gewisse
Wort und Ausdrukungen (!) gebunden ist, so halt man auf den Fall, wenn die
ganze Erbschaft vermacht oder verschaft wird, dafür, daß solches nicht Titulo
Legati, sondern Hæreditatis & Institutionis geschehen seye.
Erbs-Portion,
oder aller Güter.
§.
2. Mit dem Legato omnium Bonorum, da nemlich das ganze Vermögen vermacht wird,
oder mit dem sogenannten Legato Partiario vermacht wird, da man zwar nicht die
ganze, gleichwol aber einen Theil der Erbschaft vermacht, hat es 1mò die
nemlich Bewandnuß, wie in §vo præced. , Es erscheine dann 2dò aus der Disposition
ganz offenbar, daß man gedachtes Vermögen oder Quotam andergestalt nicht, als
Titulo Legati & merè singulari habe verlassen wollen, welchenfalls jedoch
Legatarius omnium Bonorum alle Passiva auf sich zu nehmen, Legatarius
Partiarius hingegen für die Passiva nur, wie jeder anderer Legatarius, in
Subsidium zu haften, sowol ein- als anderer aber die Falcidiam nach Masgab
vorigen Capituls 14ten und 15ten §vi zu leiden hat. 3tiò Ist auch heut zu Tag
inter Quotam Bonorum & Hæreditatis disfalls kein Unterschied mehr, weil es
nicht soviel auf die Formalität der Worten, als den Begrif und Inhalt der
Disposition ankommt.
De
Genere legato.
§.
3. Genus heißt 1mò was mehr Species oder Individua von einerley Art oder
Gattung in sich begreift. Wird nun 2dò dergleichen Ding, z. E. ein Pferd, ohne
zu benennen , was für eines (264) von des Vermächters Verlassenschaft legirt,
so muß sich hierunter zur Zeit, da er stirbt, wenigst eine Species ejusdem
Generis bezeigen, sonst gilt das Legat nicht, und kan auch der Werth nicht einmal
gefordert werden. 3tiò Soll ein solches Legat nicht gar zu general, sondern so
beschaffen seyn, daß Legatarius nicht mit Schlechtigkeiten oder
unbeträchtlichen Dingen entrichtet werden möge, also wenn z. E. eine Münz oder
ein Grund in Genere vermacht wird, so ist das Legat ungültig, weil sich
Legatarius erstenfalls mit einem einzigen Heller, und andernfalls mit einem
Finger breit Erden abfertigen lassen müste. 4tò Wird das Legatum Generis per
Ademptionem Speciei nicht aufgehoben, sondern bleibt noch in denen übrigen
allenfalls noch vorhandenen Gattungen, soweit solche nicht ebenfalls
specialiter benommen worden seynd. Wer aber in Genere legato die Wahl habe,
siehe §vum seq. 4.
Von
der Wahl und Option in Genere legato.
§.
4. Obschon 1mò regulariter der Debitor die Wahl hat, so gebührt doch solche in
Genere legato dem Legatario, sofern kein anderes besonderes verordnet ist. Doch
mag er sich 2dò das Beste nicht herausnehmen , sondern wenn 3tiò mehr nicht als
zwey Species ejusdem Generis vorhanden seynd, so muß er sich mit dem
Schlechtisten begnügen. Seynd aber 4tò mehr dann zwey Species vorhanden, so mag
er nach der Mittel-Gattung greiffen, ausgenommen 5tò in Dote legata, oder
Legatis piis, oder wo ihm der Vermächter die Wahl ausdrücklich eingeraumt hat,
dann in all diesen Fällen kan er das Beste wählen. Nach geschehener Wahl hat
6tò keine Reu mehr Statt, es seyen dann einige Species verhelet worden,
derowegen kan auch 7mo die Exhibition aller Specierum begehrt werden. 8vò Wird
unter Collegatariis, welche in der Wahl uneins seynd, die Sach per Majora, oder
durch das Loos ausgemacht, ist aber 9no Legatarius nicht sui Juris, so wählt
statt seiner derjenige, welcher ihn auch sonst von Rechts-wegen zu vertretten
hat. 10mò klebt das Wahl-Recht eben nicht der Person des Legatarii allein an,
sondern gehet auch auf seine Erben in Casu, wo das Legat auf sie transmittirt
wird. 11mò Kan ein saumiger Legatarius auf Instanz des Erbens sub Pœna
amittendæ Electionis zur Wahl angehalten werden. 12mò Fallt Legataris (!) die Wahl
heim, wenn solche etwan einem Dritten übergeben worden, und dieser entweder
nicht wählen will, oder nicht (!)
(265)
Von Vermächtnuß eines Quanti.
§.
5. In Quantitate legatâ, da nemlich Jemand ein gewisses Quantum, z. E. an Geld,
Getreid oder dergleichen legirt, und der Fundus, wo man solches zu erholen
haben soll, angewiesen wird, ist 1mò zu unterscheiden, ob die Anweisung nur
Demonstrationis oder Taxationis gratiâ geschehen seye. Erstenfalls muß das
ganze Quantum entrichtet werden, wenn sich gleich bey dem angewiesenen Fundo
weniger findet, anderenfalls aber nur das Quantum, was sich alldort würcklich
bezeigt. 2dò Ist in Dubio die Vermuthung, daß die Anweisung mehr
Demonstrationis als Taxationis gratiâ geschehen seye. 3tiò Taxirt auch zuweilen
der Vermächter die vermachte Sach auf ein höheres oder minderes Quantum, als
sie in der That ist, und da gehet nun die Mehr- oder Minderung dem Legatario
respectivè zu oder ab.
Von
Vermächtnuß fremd- oder eigener Sach.
§.
6. Eigner Sachen Vermächtnuß ist 1mò gültig, wenn gleich der Vermächter solche
für fremd gehalten hat, weil man hierin mehr auf die Wahrheit und den Befund
der Sach, als die Meinung zu sehen pflegt. Hat aber 2dò der Vermächter nur eine
gewisse Gerechtsame auf der legirten Sach gehabt, so bestehet auch das Legat in
mehr nicht, dann selbiger Gerechtsame, und ist man für das übrige den Werth zu
bezahlen nicht schuldig. Bey Vermächtnuß ganz fremder Sachen ist 3tiò zu
unterscheiden, ob die Sachen dem Erben, oder dem Legatario, oder einem Dritten
zugehören. Von all dreyen Fällen siehe §vos seq. 7. 8. 9.
Und
zwar wenn sie dem Erben eigen ist,
§.
7. Gehört die vermachte Sach dem Erben zu, so gilt 1mò das Legat, ohngeacht der
Vermächter selbige Sach für die Seinige geachtet hat, und wenn sie etwan nur
einem aus mehr Erben allein zugehört, so entrichtet derselbe nur seinen Theil
allein, und concurriren die andere (!) Miterben pro ratâ. Dafern auch ein
anderer als der Erb mit dem Legat onerirt ist, so hat es mit ihm die nemliche
Beschaffenheit, wie mit dem Erben.
(266)
Oder dem Legatario selbst,
§.
8. Gehört sie aber dem Legatario bereits selbst zu, so ist die Frag, ob er
solche schon zur Zeit, da das Legat verordnet worden, gehabt, oder erst hernach
erlangt habe? Erstenfalls gilt das Legat nicht, ausser soweit selbes dem
Legatario noch Nutzen schaffen kan. Anderenfalls hingegen gilt das Legat ad
Effectum præstandæ Æstimationis, ausgenommen da die Sach Titulo merè lucrativo
erlangt worden.
Oder
einem Dritten.
§.
9. Gehört sie endlich einem Dritten zu, und hat der Vermächter Wissenschaft
hievon gehabt, so muß sie der Erb beyschaffen, oder da solche um billichen
Preis nicht zu haben ist, den Werth nach unpartheyischen Anschlag bezahlen, hat
aber der Vermächter nicht gewust, daß sie einem Dritten gehörig seye, so gilt
das Legat nicht, ausser wenn solches einer verwandt- oder sonst nah angehender
Person vermacht worden. In Zweifel wird auch allzeit gemuthmasset, daß der
Vermächter keine Wissenschaft davon gehabt hat, muß demnach Legatarius dieselbe
auf Wiedersprechen beweisen.
Von
Vermächtnuß gemeinschaftlicher Sach,
§.
10. Ist die legirte Sach dem Vermächter nicht allein zugehörig, sondern nur mit
anderen gemeinschaftlich, so gebührt dem Legatario auch mehr nicht, als der
Antheil des Vermächters, niemal aber der Werth des übrigen Antheils.
Oder
einer Pfandschaft,
§.
11. In Sachen, welche dem Vermächter zwar eigenthümlich, aber anderen
verpfändet seynd, ist abermal zu unterscheiden, ob derselbe Wissenschaft von
der Verpfändung gehabt hat oder nicht. Erstenfalls muß der Erb das Pfand lösen,
und dem Legatario frey einlieferen, andernfalls liegt die Lösung Legatario ob,
ausgenommen, wenn ein anderes specialiter verordnet ist, und muß auch dieser in
Dubio die Wissenschaft beweisen.
(267)
Oder streittiger Sach,
§.
12. Wird eine streittige Sach vermacht, so führt der Erb den Process auf seine
Kösten aus, und præstirt kein mehrers als was Recht und Urtheil giebt, es hätte
dann der Vermächter nicht gewust, daß die Sach streittig seye, dann in diesem
Fall muß das Legat oder wenigst der Werth desselben allzeit entrichtet werden.
§.
13. Oder eine Schuld, (Legato Nominis)
1mò
Wenn der Vermächter seine an einen Dritten habende Schuld-Forderung (Nomen
Activum) vermacht, so ist der Erb dem Legatario zu Entrichtung oder
Gewehrschaft des Schuld-Quanti niemal verbunden, sondern dieser muß sich mit
Cedir- oder Ueberlassung der Action, wie sie ist, begnügen lassen. Sobald aber
2dò die vermachte Schuld von dem Testatore noch in Lebzeiten beygetrieben wird,
oder sonst aufhört, so hört das Legat gleichfalls auf. 3tiò Kan auch der
Schuldner seinem Glaubiger die Schuld (Nomen Passivum) legiren, wenn anderst in
Legato mehr, als in Debito entweder quò ad Rem oder Locum, Tempus aut
Qualitatem Debiti vel Solutionis begriffen ist, welchenfalls auch 4tò das Legat
nicht aufgehoben wird, wenn Debitum conditionatum purè vermacht wird, und die
Condition etwan in Lebzeiten des Vermächters noch existirt. Dafern aber 5tò der
Debitor seinem Creditori ohne der Schuld zu erwehnen eine gewisse Summam
vermacht, so muß diese nebst der Schuld bezahlt werden, und wird Compensatio
oder Solutio nicht daraus vermuthet, wenn gleich die legirte Summa mit der
Schuld in Quanto übereins kommt.
Oder
Befreyung derselben (Liberatio Nominis)
§.
14. Vermacht der Creditor dem Debitori die Schuld, so wird 1mò dieser letztere
von der Zeit, da obverstandenermassen Dies Legati cedirt, von all weiterer
Ansprach à Proportion der Vermächtnuß sowol für sich als seine Erben befreyet,
und da es 2dò eine Hypothec-Schuld gewest, so fallt auch dieselbe mitweg (!).
Desgleichen werden 3tiò die Bürgen dadurch liberirt, nicht aber 4tò Correi
debendi, ausgenommen in Obligationibus individuis. 5tò Mögen nicht nur Schulden
ex Mutuo,
(268)
sondern auch andere Forderungen legirt werden, und zwar 6tò sowol ausdrücklich
als stillschweigend, z. E. durch Vermachung des Schuld-Scheins oder
Handels-Buchs, worin die Schuld eingetragen ist, oder da man dem Erben die
Anforderung verbiethet. Ein anderes ist 7mo wenn ihm nur das Pfand vermacht
ist, dann dadurch wird nur die Sicherheit, nicht aber die Schuld selbst
nachgelassen. 8vò Supponirt man allzeit, daß ein Schuld oder Forderung würklich
vorhanden gewest, sonst ist das Legat ungültig. 9no Wenn der Vermächter die
Schuld-Forderung in Lebzeiten noch einbringt, so wird das Legat pro adempto
geachtet.
Von
prælegirten Heyrath-Gut.
§.
15. Prælegatum Dotis wird genannt, wenn der Ehe-Mann selbst seiner Ehe-Frauen
das zugebrachte Heyrath-Gut legirt, als welches 1mò soviel würkt, das erstlich
all jenes, was der Ehe-Frauen in Ansehen des Heyrath-Guts etwan per Pacta zu
Last gelegt worden, dadurch wegfallt, zweytens die Illation in Ansehen der
Erben nicht mehr bewiesen werden darf, drittens die von dem Ehe-Mann hierauf
verwendete (!) Kösten in keinen Abzug mehr kommen. 2dò Gilt dieses Legat nicht,
wenn man gewiß weiß, daß nichts eingebracht, oder das Eingebrachte in Lebzeiten
des Ehe-Manns wiederum zuruckgegeben worden, oder verlohren gegangen ist. 3tiò
In Legatis, welche der Mann seinem Weib ohne Meldung des Heyrath-Guts
verschaft, wird nicht præsumirt, daß er Dotem damit habe compensiren wollen,
folglich kan beedes zugleich begehrt werden. Desgleichen wenn 4tò die Frau
ihrem Mann das Heyrath-Gut legirt, welches sie ihm entweder niemal zugebracht,
oder wiederum zuruckgenommen hat, so kann er solches nichtsdestoweniger von
ihren Erben begehren. 5tò Legatum Dotis, welches nemlich der Ehe-Frau nicht von
ihrem Ehe-Mann, sondern von einem anderen vermacht wird, hat nicht nur die
stillschweigende Bedingnuß in sich, wenn die Ehe erfolgt, sondern kann auch in
unbenannter Summa vermacht werden, welchenfalls das Quantum von der Obrigkeit
bestimmt wird.
De Legatis Annuis, Menstruis &c.
§.
16. Jährlich- monatlich- wochentlich- oder tägliche Legat, kraft welcher man
nemlich Legatario, z. E. alle Jahr, Monat
(267!)
Wochen, oder Täg etwas zu entrichten hat, werden 1mò nicht für ein, sondern für
soviel Legata geachtet, als Jahr, Monat, Wochen oder Täg seynd, welchemnach
auch 2dò nach Absterben des Vermächters nur mit Anfang jeden Jahrs, Monats,
Wochen oder Tags, sofern kein andere gewisse Zeit hierunter fixirt ist, Dies
Legati cedirt, folglich Jus Transmissionis Platz greift, wohingegen 3tiò die
übrige Jahr, Monat, Wochen oder Täg, deren Anfang Legatarius noch nicht erlebt
hat, auch auf seine Erben nicht mehr transmittirt werden. 4tò Wird etwan gleich
überhaupt eine gewisse Summa legirt, und nur die Bezahlung in jährlich-
monatliche oder dergleichen Fristen vertheilt, so ist es kein Legatum annuum
oder menstruum, sondern unum, purum, simplex, und wird mithin Casu eveniente,
wie andere Legata, ganz transmittirt. In Zweifel werden aber 5tò dergleichen
Vermächtnussen allzeit mehr pro annuis & menstruis, als pro puris &
simplicibus geachtet. Welche nemliche Beschaffenheit es 6tò auch mit vermachten
jährlichen Gefällen hat. 7mo Ist auf den Fall, wenn ein gewisser Fundus pro
Legato annuo vel menstruo angewiesen wird, der schon öffters vorgekommene
Unterschied inter Fundum Demonstrationis vel Taxationis gratiâ adjectum
wiederum zu beobachten, und erstenfalls das, was an dem Fundo ermanglet, von
dem Erben zu suppliren. 8vò Differirt auch Legatum annuum vel menstruum von
Conventionibus annuis vel menstruis, welche per Actum inter Vivos gepflogen
werden, dann diese letztere erstrecken sich regulariter auch allzeit auf die
Erben, soweit kein anderes ausdrücklich pactirt ist.
Vom
verschafften Unterhalt.
§.
17. Bey vermachten Unterhalt wird 1mò zuförderst auf die Disposition gesehen,
und wenn hierin nichts gewisses bestimmt ist, so kommt es 2dò auf richterliche
Ermässigung an, wobey sowol auf das hinterlassene Vermögen, als das Alter und
den Stand des Legatarii vorzügliches Augenmerk genommen werden, und hiernach
der Ausspruch geschehen muß. 3tiò Daurt auch dieses Legat regulariter, solang
der Legatarius lebt, und hindert 4tò nicht, daß er etwan in anderweg bemittlet
ist, und des Legats nicht mehr bedarf. 5tò Wird es auf den Fall, wenn dem
Legatario jährlich, monatlich, wochentlich ein gewisses Quantum zum Unterhalt
ausgesprochen wird, ebenso wie mit anderen Legatis annuis, menstruis &c.
gehalten.
(268!)
Von vermachter Dienstbarket (!).
§.
18. Was die gemeine Rechten de Servitute, Usufructu, Habitatione legatâ
besonders verordnen, ist bereits in P. 2. cap. 7. & seq. wenigst quò ad
Usum modernum angeführt. In all übrigen stimmt dieses Legat mit anderen
Vermächtnussen überhaupt zusammen.
De Fundo, Fundo instructo & Instrumento legato.
§.
19. Hier seynd drey Fälle zu distinguiren, 1mò ob nur ein Bauern-Gut überhaupt,
(Fundus) oder 2dò ein zu Dorf und Feld beschlagen- und eingerichtetes Gut,
(Fundus instructus) oder 3tiò nur die Einrichtung oder der sogenannte
Guts-Bericht (Instrumentum vel Inventarium) vermacht wird. Unter dem 1ten Fall
verstehet man das Gut mit allen dazu gehörigen Grund-Stücken, unter dem 2ten
aber nicht nur dieses sondern auch all auf dem Gut vorhandenes Viehe, Schiff
und Geschirr, dann die zu des Vermächters beständigen Gebrauch dahin gebrachte
Fahrnuß, unter dem 3ten Fall endlich nicht zwar das Gut selbst, wol aber, was
zu dessen Beschlag- oder Einrichtung erfordert wird.
De
Penu vel Suppellectile legata.
§.
20. Hauß-Vorrath (Penus) bedeutet alles, was zur Hauß-Notdurft an Speiß,
Getrank, Holz, Kohlen und Liecht angeschaft wird. Von dem Hauß-Rath oder der
Hauß-Fahrnuß (Suppellectile) siehe oben P. I. cap. 6. §. 21.
Von
vermachten Getreid.
§.
21. Unter vermachten Getreid verstehet man 1mò alle sowol gering als schwere
Sorten desselben an Waitzen, Korn, Fesen, Dunkel (!) , Gersten; Habern, Präun,
Linsen; Bonnen (!). Wohingegen 2dò das Obst, wieauch Kraut, Ruben, Flachs,
Hanf, Hopfen, Erdäpfel, Toback, Heu und Grummet zwar unter den Feld-Früchten,
nicht aber unter dem Getreid verstanden ist. Desgleichen gehört auch 3tiò weder
Mehl noch Malz mehr unter das Getreid, und eben sowenig das Strohe, ausgenommen
wenn das Getreid noch in Halm und
(269)
ungedroschen ist. 4tò Muß solches auch zur Zeit, da der Vermächter stirbt,
schon gesammlet, oder wenigst von der Erd abgesondert seyn, sonst gehört es
nicht mehr dem Legatario, sondern dem Erben.
De Auro, Argento, Pecunia, Mundo, Ornamentis, Vestibus
legatis.
§.
22. Nachdem auch öffters 1mò Gold und Silber, 2dò Baar-Geld, 3tiò
Frauen-Schmuck, 4tò Jubelen und Kleinodien, und endlich 5tò Kleyder vermacht
werden, so verstehet man unter dem 1ten weder Münz noch Medaillen, wol aber all
anderes sowol verarbeitet- als roh- oder zerbrochenes Gold und Silber, soweit
nicht dieses durch die Disposition mehr erweitert oder eingeschränkt wird.
Unter dem 2ten weder Medaillen noch ausgelehntes Geld, vielweniger
Obligationes, und da allenfalls das Legat in gewissen Geld-Sorten bestehet, so
siehet man des Werths halber lediglich auf die Zeit, da die Disposition gemacht
worden ist. Unter dem 3ten werden nicht nur gefaßt und ungefaßte Edelgestein
und Perlen, sondern auch alles zur Leibs-Zierde gehöriges Gold und Silber, z.
E. Arm-Bänder, Angehäng, Schuh-Schnallen und dergleichen, nicht aber weisses
Gezeug, Spitz oder Kleider, unter dem 4ten sowol Perlen als Edelgestein, samt
dem Gold und Silber, womit selbe gefaßt seynd, unter dem 5ten endlich weder
weisses Gezeug, noch Spitz, minder ganze Stück-Tuch oder Gezeug, und eben
sowenig Degen oder Hirschfänger, wol aber Hut, Strümpf, Schuhe, und all ndere
Kleidung verstanden.
Von
vermachten Sachen, welche extra Commercium vel Patrimonium seynd.
§.
23. In Sachen, welche simpliciter Commercium vel Patrimonium seynd, hat keine
Vermächtnuß Statt, ein anderes ist, wenn sie nicht simpliciter, sondern nur
respectivè entweder in Ansehen des Vermächters, Legatarii oder Erbens extra
Patrimonium seynd, wie z. E. Lehen, oder Fideicommiss in Ansehen der
Frauens-Personen, dann damit wird es wie in Legato Rei alienæ gehalten.
Vermächtnuß
künftig oder angehofter Sachen.
§.
24. Zukünftige Dinge, welche noch nicht würklich existiren, sondern nur
angehoft werden, z. E. künftige Feld-Früchten,
(270)
oder Fischzüg und dergleichen, mag man ebenfalls soweit, als sie des
Vermächters Disposition unterworffen seynd, legiren, und wird das Legat quò ad
Effectum Transmissionis, wie andere überhaupt pro puro gehalten, kan aber
gleichwol solang nicht gefordert werden, bis der Casus existirt, und wenn die
angehofte Feld-Früchten zum Theil, oder gar nicht wachsen, so ist der Erb nicht
einmal den Werth für das zuruckgebliebene zu vergüten schuldig, es seye dann
eine gewisse Quantität Früchten legirt, und annebens der Grund nur
Demonstrationis gratiâ ausgezeigt.
Wenn
Facta vermacht werden,
§.
25. Wenn Facta legirt werden, so müssen weder verbotten, noch ungereimt seyn,
sonst gilt das Legat nicht, die übrige Facta aber muß der Erb entweder in Naturâ
verrichten, oder da es nicht wol seyn kan, das Interesse præstiren.
Oder
eine Sach öffter.
§.
26. Wird die nemliche Sach von dem nemlichen Vermächter öffters vermacht, so
entrichtet man dieselbe nichtsdestoweniger nur einmal, es bezeige sich dann
ganz klar und offenbar, daß der Vermächter das Legat multiplicirt, mithin auch
so vielmal habe entrichtet wissen wollen.
(271) Achtes Capitul
Von Schankungen sowol unter Lebendigen als von Tod
wegen. (Donationibus inter Vivos & Mortis causâ.)
Von Schankungen überhaupt, insonderheit wie die
Donationes inter Vivos & Mortis causâ unterschieden seynd.
§. 1. Handlungen, wodurch man aus blosser Gnad und
Freygebigkeit ohne Entgeld etwas von dem anderen erlangt, werden Schankungen
genannt, und geschehen entweder per Actum inter Vivos oder Mortis causâ. Ist
nun die Schankung ihrem Inhalt nach so beschaffen, daß sie noch in Lebzeiten
des Donatoris ihre Kraft und Beständigkeit erlangt, so heißt es Donatio inter
Vivos, kommt sie aber erst durch den Tod desselben zu Kräften, so ist es nach
Anleitung obigen 1ten cap 1ten §vi ein letzter Will und Donatio Mortis causâ.
Der weitere Unterschied zwischen beeden erhellet mit mehreren aus folgenden
§vis, und wird auch in Zweifel allzeit mehr Donatio inter Vivos als Mortis
causâ præsumirt.
Von Donationibus Mortis causâ.
§. 2. Eine Schankung von Tod wegen ist entweder realis
oder conventionalis. Durch die letztere, welche nemlich mittels blosser Zusage
geschiehet, erlangt 1mò der Donatarius vor dem Tod des Donatoris weder
Obligationem noch Actionem, sondern nur die alleinige Hoffnung zur geschenkten
Sache (nudam Spem debitum iri) weil die Schankung, wie jeder anderer letzter
Will von dem Donatore allemal wiederum bis auf den letzten Augenblick
zuruckgenommen werden kann. Durch die Donationem realem aber, welche nemlich
mittels würklicher Uebergab gepflogen wird, erlangt zwar 2dò Donatarius das
Eigenthum der geschenkter (!) Sach, jedoch, solang der Donator lebt,
andergestalt nicht als wiederruflich, und falls sich dieser
(272) etwan bey der Uebergab das Eigenthum
Lebenslänglich vorbehalt, so hat sich auch Donatarius in Lebzeiten des
Donatoris mehr nicht als des blossen Detentions-Rechts in Re donatâ zu
erfreuen.
Wie sie von Vermächtnussen unterschieden?
§. 3. Legata und Schankungen von Tod wegen seynd zwar
dem gemeinen Recht nach in einigen Stücken unterschieden, welcher Unterschied
aber heut zu Tag nicht mehr beachtet wird.
Von Donationibus inter Vivos.
§. 4. Schankungen unter Lebendigen werden nicht nur in
Reales & Conventionales, sondern auch in Simplices & Remuneratorias
getheilt. Reales und Conventionales distinguiren sich obverstandenermassen
darin, daß jene mittels würklicher Uebergab, und diese durch blosse Zusage
geschehen. Simplex & propria Donatio ist, welche aus blosser Freygebigkeit
herrührt, remuneratoria & impropria hingegen, welche sich auf ganz
besondere Verdienst gründet, mithin nicht soviel für eine Gnad und
Freygebigkeit, als wol verdiente Belohnung anzusehen ist.
Requisita derenselben.
§. 5. 1mò Ist der Wille sowol auf Seiten des
Donatoris, als auch 2dò auf Seiten des Donatarii, wie nicht weniger 3tiò nach
Gestalt der Schankung die gerichtliche Insinuation erforderlich. Ad 1mum legt
sich zwar der Will sowol mit Worten als Werken zu Tage, doch wird aus der
Uebergab allein niemal eine Schankung gemuthmasset, wo nicht andere Merkmale
dazu kommen, und Animum donandi deutlich zu erkennen geben, z. E. da man
Indebitum wissentlich bezahlt, und dergleichen. Von dem 2ten und 3ten Requisito
siehe §vos seq.
Consens und Acceptation des Donatarii.
§. 6. 1mò Muß die Acceptation auf Seiten des Donatarii
geschehen, und zwar 2dò münd- oder schriftlich, für sich selbst, oder durch
einen anderen, welch-letzterenfalls jedoch 3tiò das Mandatum, oder wenigst die
erfolgende Ratification vonnöthen ist. 4tò Liegt allenfalls dem Donatario der
Beweis ob, daß er die
(273)
Donation auf obige Weis acceptirt habe, ausgenommen 5tò in Donatione reali oder
auch in conventionali, sofern sie in Gegenwart des Donatarii geschehen ist,
oder aber in Donatione liberatoriâ, Kraft welcher der Debitor nur seiner
Obligation entbunden wird, massen man in all diesen Fällen den Consens solang
præsumirt, bis der Dissensus deutlich hierunter erklärt worden. 6tò Stirbt der
Donator oder Donatarius noch vor der Acceptation, so kann solche von des
Donatoris Erben noch ersetzt werden. 7mo Hat die Reue auf Seiten des Donatoris,
ehe und bevor die Schankung erweislichermassen acceptirt worden, allzeit noch
Platz.
Gerichtliche
Insinuation einer Donation inter Vivos.
§.
7. Wer 1mò an Geld oder Werth über tausend Gulden hiesiger Landswehrung
verschenken will, der muß die Schankung vor ordentlicher Obrigkeit insinuiren
lassen, wornach man sich auch hinführo in der Oberen Pfalz ohne Unterschied
unter beweg- oder unbeweglichen Gütern zu achten hat. Es ist aber 2dò die
ordentliche Obrigkeit hierinfalls, worunter der Donator auch sonst seiner
Person halber zu stehen hat, doch kan in Verschenkung unbeweglicher Güter die
Insinuation auch coram Judice Loci Rei sitæ geschehen. 3tiò Mündliche Insinuationes
sollen protocollirt werden, damit sie Actenmässig constiren, und wenn man 4tò
die Insinuation nicht selbst, sondern nur durch einen anderen verrichtet, so
muß sich dieser mittels eines Special-Gewalts ad Acta legitimiren. 5tò Soll die
Obrigkeitliche Bestättigung andergestalt nicht als præviâ Cognitione Causæ, das
ist, nach vorläuffiger Einsicht der Donation und gnugsamer Ermässigung aller
hierunter zu betrachten kommender Umständen ertheilt werden, damit so
leichterdings keine Verschwendung oder andere zu Præjuditz eines Drittens
gereichende Ungebühr mitunterlauffen möge. 6tó Erlangt die bestättigte Donation
quò ad Summam excedentem ihre Kraft und Gültigkeit nicht erst von Zeit der
Bestättigung, sondern der Insinuation, welche letztere auch 7mo noch in Lebzeiten
des Donatoris geschehen muß, sonst ist die Donation ungültig, und wird durch
die nachfolgende Insinuation oder Bestättigung nicht mehr bekräftiget. 8vò Kan
Donator auf die Insinuation weder renunciren, noch diesen Mangel durch den Eid
ersetzen. 9no Hat die ex Defectu Insinuationis ungültige Donation nur quò ad
Summam excedentem keine Kraft,
(274)
im Ueberrest aber bleibt sie beständig, und werden 10mò die Fructus oder
Interesse in die Summam disfalls nicht eingerechnet. 11mò Verstehet sich obige
Summa allzeit nur von einer einzigen Donation, falls aber mehr Schankungen an
die nemliche Person gemacht werden, so ist wol zu unterscheiden, ob sie zu
gleicher Zeit, oder zu unterschiedlichen Zeiten mit einem merklichen Intervallo
geschehen. Erstenfalls pflegt man selbe sammentlich nur für eine einzige
Donation anzusehen, folglich auch die Summam hiernach auszurechnen.
Letzterenfalls aber seynd es mehr Schankungen, und wird also nur die Summa
einer jeder besonders betrachtet.
Fälle,
worin jetztgedachte Insinuation nicht nöthig ist.
§.
8. Obbemelte Insinuation ist unnöthig 1mò in Schankungen, welche von
Fürstlichen oder an Fürstliche Personen gemacht werden, 2dò in Schankungen ad
pias Causas, oder 3tiò zu Wiederbau- oder Verbesserung eines abgebrannt- oder sonst
ruinirten Hauses oder Verbesserung öder Gründen, 4tò in Donationibus propter
Nuptias, 5tò in Remunerationen sonderbar- und erweislicher Verdiensten, 6tò
wenn einem Soldaten oder Kriegsmann in Ansehen, daß er sich währenden Krieg
besonders wol verhalten und distinguirt hat, etwas geschenkt wird, 7mo in
Schankungen, wodurch Donatarius nur seiner Obligation von dem Donante liberirt
wird, und endlich 8vò in Schankungen, welche vor fünf Gezeugen geschehen.
Wer
Donationem inter Vivos machen oder acquiriren könne?
§.
9. 1mò Kan jeder von dem Seinigen nach Belieben verschenken, jene allein
ausgenommen, welche entweder von Natur aus Mangel gnugsamen Verstands oder
Willens daran gehindert seynd, z. E. Kinder und Unsinnige, oder welche in ihren
Sachen keine freye Disposition haben, z. E. Puppillen, Minderjährige,
declarirte Verschwender und dergleichen. 2dò Kann auch kein Vormund, Curator
oder Administrator dem Puppillen oder Pfleg-Befohlenen etwas verschenken,
ausser soweit es die Nothwendigkeit, Billichkeit oder Gewohnheit mit sich
bringt. Vielweniger ist dieses 3tiò einem blossen Anwald ohne Special-Gewalt
erlaubt. Dahingegen kan 4tò regulariter ein jeder nicht nur für sich selbst,
sondern auch ex Consensu præsumpto
(275)
für andere eine Schankung erlangen. Im übrigen siehe 5tò von denen Schankungen
unter Eheleuten das mehrere in Part. 1. cap. 6. §. 31. An uneheliche Kinder
oben cap 3. §. 13. Item von Schankungen an Obrigkeiten oder Beamte in Cod.
Crim. P. 1. cap. 9. §. 6.
In
was für Sachen dieselbe Platz greiffe.
§.
10. 1mò Können alle Sachen verschenkt werden, soweit sie Donatori zugehörig
seynd. Fremde Sachen mag man 2dò weiter nicht als ad Effectum Præscriptionis
verschenken, und leistet Donator ohne besonderen Geding keine Gewehrschaft
hievor. 3tiò Ist zwar Donatio omnium Bonorum nicht verbotten, doch haftet
solchenfalls Donatarius nicht nur Donatori, wenn er sich selbst nicht mehr
erhalten kan, um die Alimenta, sondern auch denen Creditoribus desselben um
alle bereits vor der Donation vorhanden geweste Schulden und Forderungen,
soweit Donator nicht mehr solvendo ist, wie nicht weniger denen Noth-Erben um
ihre zu suchen habende Legitimam.
De Conditione, Die, Modo, Demonstratione &c. in
Donatione inter Vivos.
§.
11. Mit denen Bedingnussen und anderen dergleichen Zusätzen hat es bey
Donationibus inter Vivos die nemliche Beschaffenheit, wie in anderen Pactis
laut P. 4. cap. 1. §. 8. 9. 10.
Von
ihrer Würkung.
§.
12. 1mò In Donatione merè conventionali ist Donator schuldig seine Zusag zu
vollziehen, mithin die Schankung in Naturâ, oder wenn dieses nicht wol mehr
seyn kan, in Werth an Donatarium selbst, oder nach seinem Tod an die
hinterlassene Erben, und zwar à Die Moræ cum Fructibus vel Usuris
auszulieferen. In Donatione reali erlangt 2dò Donatarius das Eigenthum von der
geschenkten Sach, ohngeacht solche vorhin schon per Conventionem an Jemand
anderen verschenkt war, als welchem gleichwol der Regress an Donatorem um
gebührender Satisfacirung wegen bevorbleibt. Die Gewehrschaft kan 3tiò
Donatarius auf den Fall, wenn die verschenkte Sach evincirt worden, nur in
Donatione remuneratoria, nicht aber in simplici bey Donatore suchen. Im übrigen
hat 4tò das
(276)
Jus accrescendi, wie in all anderen Actibus inter Vivos, also auch in
dergleichen Schankungen unter mehr Condonatariis nicht Statt, ausgenommen in
Fürstlichen Schankungen. Endlichen siehe auch 5tò von dem Beneficio
Competentiæ, welches dem Donatori allenfalls zukommt, Cod. Jud. cap. 18. §. 10.
n. 1.
Wiederrufung
derselben,
§.
13. Schankungen unter Lebendigen werden entweder ganz oder nur zum Theil
revocirt, das letzte geschiehet nu in Donationibus inofficiosis, das erste aber
auch nur wegen Donatarii Undankbarkeit, oder aber wenn Donator erst nach der
Donation ein oder mehr Kinder bekommt, welches sich jedoch nur de Donatione
simplici verstehet, dann Remuneratoria wird weder per Ingratitudinem Donatarii,
noch Supervenientiam Liberorum revocirt.
Sonderbar
in Donatione inofficiosa,
§.
14. Donatio inofficiosa heißt, welche so excessiv ist, daß die Noth-Gebührnuß
dadurch geschmählert wird. Dergleichen Schankungen können 1mò von dem
Noth-Erben per Querelam inofficiosæ Donationis soweit umgestossen werden, als
er dadurch in seiner Legitima verkürzt wird, welches auch 2dò Statt hat, wenn
die Donation allem Anschein nach in einen anderen Contractum simulatum
verkleidet worden ist. 3tiò Kan zwar Legitima regulariter erst nach dem Tod des
Donatoris gefordert werden, nichtsdestoweniger siehet man bey Donationibus
inofficiosis auf das Vermögen nicht, wie es sich Tempore Mortis befunden,
sondern wie es Tempore Donationis gewest, und wird hiernach die Legitima
ausgerechnet. 4tò Hat obgedachte Querela nicht Statt. Erstens wenn der Noth-Erb
gegen den Donatorem so undankbar gewest, daß er deswegen hätte gar enterbt
werden können. Zweytens wenn er den Willen des Donatoris ausdrücklich oder
stillschweigend schon einmal agnoscirt hat, welch-letzteres jedoch aus der
blossen Erbschafts-Antrettung allein ohne anderen Merkmahlen nicht gemuthmasset
wird. Drittens wenn nach Absterben des Donatoris bereits fünf Jahre verstrichen
seynd, ohne sich
(277)
mit dieser Klag hierunter gemeldet zu haben. Viertens wenn noch andere Remedia
Juris ordinaria vel extraordinaria für den Noth-Erben noch übrig seynd, um zu
dem Seinigen zu gelangen. Fünftens wenn der Noth-Erb nur ein Bruder oder
Schwester des Donatoris, annebens aber von der nemlichen schlechten Qualität,
wie Donatarius ist.
Oder
Undanks halber,
§.
15. Ist Donatarius gegen Donatorem undankbar, so kann dieser die Schankung per
Actionem revocatoriam wiederum zurucknehmen, es muß aber 1mò eine grosse und
solche Undankbarkeit seyn, wodurch Donator an Leib, Ehr oder Gut grob
angegriffen wird, welches auf richterliche Ermässigung ankommt. 2dò Ist sothane
Klag oder Wiederruffung ein blosses Personale, welches weder activè noch
passivè auf die Erben gehet, ausgenommen, wenn die Sach schon einmal in
Lebzeiten des Donatoris angebracht worden ist. 3tiò Hat sie auch nur soweit
Statt, als die geschenkte Sach noch bey Donatario oder dessen Erben würklich
vorhanden ist, folglich gehet solche auf verzehrt- oder bonâ Fide veräusserte
Sachen nicht mehr. Vielweniger wird 4tò einem Dritten an dem bereits von der
Wiederruffung erlangten Pfands-Recht hierauf præjudicirt. 5tò Stehet die zweyte
Ehe der Mutter niemal im Weg, um von undankbaren Kindern die ihnen vorher
gemachte Schankungen wiederruffen zu können. 6tò Wird verstandene Klag mit der
Exception, daß Schankung eidlich geschehen, oder mit dem Pacto de non revocando
ob Ingratitudenem verclausulirt seye, nicht abgeleint, wol hingegen 7mo wenn
die begangene Undankbarkeit von Donatore wiederum ausdrücklich oder
stillschweigend verziehen und nachgelassen ist.
Oder
wegen erst hernach überkommener Kinder.
§.
16. Bekommt Donator erst nach der Donation ein oder mehr Kinder, so wird diese
1mò ipso Facto und dergestalt dadurch aufgehoben, daß Donator das Eigenthum der
verschenkter Sache, soweit solche bey Donatario oder dessen Erben noch findig
ist, alsofort wiederum erlangt, und solche mithin von ihme oder seinen Erben
vindiciren und zuruckforderen kan. Wohingegen
(278)
2dò die bereits vor der Geburt des Kinds genossene Früchten Donatario
unwiederruflich verbleiben. 3tiò Versteht sich solches nur von ehelichen, oder
wenigst per subsequens Matrimonium legitimirten, nicht aber von anderen unehelich-
oder angewunschenen Kindern. 4tò Reconvalescirt die Donation nicht, wenn die
nachgebohrne Kinder wiederum absterben. 5tò Gehet die Klag auch auf die Erben
des Donatoris. Hat aber derselber 6tò schon zur Zeit der Donation ein oder mehr
Kinder gehabt, so wird solche auch durch die weiters nachgebohrne Kinder nicht
mehr entkräftet, desgleichen bleibt 7mo die Schankung non obstante
Supervenientiâ Liberorum bey Kräften, wenn der Vatter es ausdrücklich gewolt
hat, daß die Donation derwegen nicht umgestossen werden solle, welchenfalls
jedoch 8vò denen Kindern obverstandene Querela inofficiosæ Donationis, falls
sie in Legitima lædirt wären, gleichwol noch bevor bleibt. 9no Ist aber die
Rede allhier nur von merklich-grossen Schankungen, welche Summam Insinuationis
excediren, dann die kleinere werden durch mehr erwehnte Supervenientiam
Liberorum niemal gehoben.
(279)
Neuntes Capitul
Von
Fideicommissen überhaupt, insonderheit von Universalibus und Vulgaribus.
Was
und wie vielerley ein Fideicommiss seye?
§.
1. Letztwillige Dispositiones, wodurch Jemand die ganze Erbschaft, oder wenigst
ein Theil derselben, oder gar nur ein Particular-Stück des hinterlassenen
Vermögens zu dem Ende anvertraut wird, damit es von dort in weitere Hände
kommen und restituirt werden solle, pflegt man Fideicommiss zu nennen, und
sowol in Fideicommissa Familiæ & Vulgaria, als Universalia &
Particularia abzutheilen. Die letztere, welche nemlich nicht in ganzen
Erbschaften oder einem Theil derselben, sondern nur in Particular-Stücken bestehen,
werden denen Legatis durchaus gleich, mithin nach der Vorschrift obigen 6ten
und 7ten cap. geachtet. Von Fideicommissis Familiæ siehe nächstfolgend- 10tes
Capitul. In gegenwärtigen aber kommen allein Vulgaria & Universalia, das
ist, soche Fideicommissa vor, da zwar die ganze Erbschaft, oder wenigst eine
Quota derselben, jedoch nicht zu Conservation oder Aufnahm einer gewissen
Familie, sondern aus anderen des Fideicommittentens Absichten Jemand restituirt
werden solle.
De
Hærede fiduciario & fideicommissatio.
§.
2. Derjenige, welcher die anvertraute Erbschaft oder anderes Gut zu restituiren
hat, wird 1mò Hæres fiduciarius, institutus vel directus benamset, und zwar
ohne Unterschied, ob er selbe ganz, oder nur zum Theil, ex Testamento vel ab
Intestato restituiren muß. Der andere hingegen, an welchen 2dò die Restitution
nach der Intention des Fideicommittentens geschehen soll, heißt Hæres
fideicommissarius, indirectus & substitutus, weil nemlich ein jedes
Fideicommiss Species Substitutionis & quidem indirectæ ist. Hat nun 3tiò
jetztgedachter Fideicommissarius noch einen anderen Substitutum, an welchen man
weiter Restitution thun solle, so wird er auch
(280)
in Ansehen dieses substituirten Fideicommissarii pro Hærede fiduciario
gehalten.
Wer
Fideicommiss machen oder erlangen kan?
§.
3. Wer kein Testament machen kan, der kan auch nicht fideicommittiren, und wer
hingegen kein Testaments-Erb seyn kan, der mag auch von Rechts-wegen kein
Fideicommiss-Erb seyn.
Von
der Gestalt und Form eines Fideicommiss.
§.
4. Nachdem die Fideicommiss-Verordnung nicht nur in Testamenten, sondern auch
in Codicillen geschehen kan, so wird 1mò hierzu wenigst soviel als nach Masgab
obigen fünften Capituls zu einen Codicill erfordert. 2dò Gilt hierunter gleich,
ob die Disposition Verbis imperativis: Ich will, befehle, verordne etc. oder
precariis; Ich bitte, ersuche, verlange etc. gefaßt werde. Dahingegen macht
3tiò der blosse Wunsch oder Hoffnung, daß der instituirte Erb dieses oder jenes
einem andern zukommen lassen werde, kein Fideicommiss aus. Auf stillschweigende
Art wird auch 4tò zuweilen ein Fideicommiss gemacht, wenn solches nicht soviel
der Buchstaben als die Folge der Disposition durch sicher- und nothwendige
Schlüsse mit sich bringt, z. E. wenn dem benannten Erben aufgetragen wird, kein
Testament zu machen, dann dieses ist soviel, also hätte man des Erbens Hæredes
ab Intestato pro Fideicommissariis ausdrücklich ernannt, oder wenn dem
instituirten Erben die Veräusserung verbotten wird, damit das Gut seinen
Descendenten oder Erben zukommen oder verbleiben möge.
Von
Fideicommissen sub Conditione, Die, Modo, Demonstratione,
§.
5. Mit Bedingnussen und anderen dergleichen Zusätzen hat es 1mò bey
Fideicommissen die nemliche Beschaffenheit, wie bey Testamenten, und wenn 2dò
Hæres fiduciarius von dem Fideicommittenten in ersten oder weiteren Grad
abstammt, so halt das Fideicommiss auf den Fall, wenn ein Extraneus substituirt
wird, allzeit die stillschweigende Condition, si Fiduciarius sine Liberis
decesserit, in sich, und fallt mithin Restitutio Fideicommissi weg, wenn
Fiduciarius mit Hinterlassung eines oder mehr Kindern und Descendenten
verstirbt.
(281)
3tiò Kan ein Fideicommiss nicht nur ex certo Die, sondern auch ad certum Diem
also und dergestalten angeordnet werden, daß nemlich solches entweder von einer
gewissen Zeit anfangen, oder aber nur auf eine gewisse Zeit dauren solle.
Würkungen
eines Fideicommiss in Ansehen des Fiduciarii.
§.
6. 1mò Ist Fiduciarius schuldig, Fideicommissario die anvertraute Erbschaft
samt allem, was Jure accrescendi oder sonst dazu gehört, und ihme zuhanden
gekommen ist, zu restituiren, dergestalt, daß 2dò die Restitution in
Fideicommisso puro gleich nach beschehener Erbschafts-Antrettung oder Agnition
des letzten Willens, hingegen in Fideicommisso per Conditionem vel Diem
suspenso, sobald die Condition oder der Tag existirt, vorgenommen werden soll.
3tiò Weigert sich Fiduciarius die Erbschaft anzutretten, so wird er auf Instanz
des Fideicommissarii Obrigkeitlich dazu angehalten, stirbt er aber vor der
Antrettung oder Agnition, so wird die Fideicommiss-Erbschaft durch den Tod ipso
Facto pro agnitâ vel aditâ geachtet. 4tò Was nicht zur Erbschaft gehört, daß
wird auch Fideicommissario nicht restituirt, z. E. Lehen, oder andere durch den
Tod des Fideicommittentens erloschene Ding, z. E. der Lebenslängliche
Ususfructus und dergleichen. 5tò Wird bey Restituirung deren Fructuum vel
Accessionum Hæreditatis distinguirt, ob Fiduciarius dieselbe vor oder erst nach
angetrettener Erbschaft percipirt habe, jene restituirt er, diese aber nicht,
er seye dann in Morâ restituendi, oder von dem Fideicommittenten besonders
darum ersucht worden. Desgleichen werden auch 6tò die in Fideicommisso
conditionato ante Existentiam Conditionis vel Diei verfallene Fructus nicht
restituirt, sondern bleiben Fiduciario allein. 7mo In Fideicommissen, welche
erst zu gewisser Zeit restituirt werden sollen, wird der angefangene Tag, Monat
oder Jahr soweit pro completo geschätzt, daß die Restitution gleich mit Anfang
desselben geschehen muß. 8vò Ziehet Fiduciarius nicht nur die in seq. benannte
Trebellianicam, sondern auch wenn er Noth-Erb ist, Legitimam und all anderes,
was er an die Erbschaft sonst liquid zu prætendiren hat, daran ab, wie nicht
weniger 9mò die hieraus verwendete Expensas auf Art und Weis, wie jeder anderer
bonæ Fidei Possessor. 10mò Giebt er Fideicommissario auf Begehren nicht nur das
Inventarium heraus, und
(282)
legt ihm Rechnung ab, sondern leistet auch in Fideicommisso sub Conditione vel
Die annehmliche Caution, und haftet vor allen Schaden, welcher Dolo vel Culpâ
latâ, oder dafern er mittels der Trebellianica oder sonst einigen Nutzen von
der Erbschaft hat, sogar Culpâ levi von ihm verursacht worden ist. Um die
Erbschafts Schulden haftet er 11mò nur à Proportion dessen, was ihm durch
verstandene Trebellianicam, oder sonst aus der Erbschaft zugehet. Ist ihm aber
12mò für die Trebellianicam nur eine gewisse Sach vermacht worden, so wird er
in Ansehen deren auch nur pro Legatario geachtet, und haftet mithin um die
Schulden andergestalt nicht, als in Subsidium, wie jeder andere Legatarius.
13tiò Kan er das Fideicommiss nicht alieniren, drey Fälle ausgenommen, erstens
pro Quantitate Legitimæ vel Trebellianicæ, also und dergestalt, daß die weitere
Alienationes, welche diese Quantität bereits übersteigen, nicht mehr gültig
seynd, zweytens soweit ihm die Alienation von dem Fideicommittente selbst
erlaubt ist, drittens wenn ihm die Restitution nur soweit auferlegt worden, als
nach sein des Fiduciarii Tod von der Erbschaft noch übrig ist. Welch-letzterenfalls
er jedoch 14tò das Fideicommiss weiter nicht, als bis auf den vierten Theil,
und zwar nur per Actum inter Vivos, nicht aber Mortis causâ alieniren darf, und
wenn er statt deren veräusserten Stücken andere anschaft, so muß er solche
allenfalls wiederum restituiren. 15tò In Fällen, wo Fideicommissarius nicht Erb
seyn will, oder nicht kan, bleibt die Erbschaft dem Fiduciario, und da endlich
16tò das Fideicommiss nicht beständig, sondern nur auf gewisse Zeit, z. E. auf
des Fideicommissarii Lebenslänge dauren soll, so fallt solches auch nach
solcher Zeit wiederum an Fiduciarium zuruck, und muß ihm hierum auf Begehren
Caution geleistet werden.
Von
denen Würkungen des Fideicommiss in Ansehen des Fideicommissarii.
§.
7. 1mò Kan Fideicommissarius die Erbschaft nicht selbst eigenmächtiger Weis an
sich ziehen, sondern muß Restitutionem von Fiduciario erwarten, ausgenommen
wenn dieser abwesend oder todt und zugleich Possessio vacua ist. Will oder kan
2dò Fiduciarius die Erbschaft entweder nicht antretten, oder die angetrettene
nicht restituiren, so mag ihn Fideicommissarius Obrigkeitlich dazu anhalten
lassen. Mittels der Restitution erlangt 3tiò Fideicommissarius alle Jura &
Actiones Hæreditarias
(283)
activè und passivè, und zwar in solidum, jedoch dergestalt, daß Fiduciarius
obverstandenermassen à Proportion der Trebellianica und anderen ihm zugehenden
Nutzens pro ratâ concurrirt. 4tò hat unter mehr Confideicommissariis Jus
accrescendi in Fällen Statt, wo solches auch unter mehr Cohæredibus directis
Platz greift. 5tò Nach geschehener Restitution wird das Fideicommiss in
Allodium verwandlet, ausser wenn Fideicommissarius solches wiederum weiter in
andere Hände zu restituiren befehliget ist. 6tò Stirbt Fideicommissarius vor
Fideicommittente, so transmittirt jener das Fideicommiss auf seine Erben
niemal, stirbt er aber 7mo nach Fideicommittente, so ist zu unterscheiden, ob
er das Fideicommiss mit Worten oder Werken schon einmal agnoscirt hat oder
nicht, erstenfalls transmittirt er solches ad Hæredes quoscunque, anderenfalls
aber hat das Jus Transmissionis nur in denen Fällen Platz , worin die Erbschaft
überhaupt vor würklicher Antrettung transmittirt zu werden pflegt. 8vò Der Tod
des Fideicommissarii vor Fiduciario hindert obverstandene Transmission nicht.
9no Kan jener die von dem letzteren veräusserte Fideicommiss-Güter, ausser
soweit die Alienation obgedachtermassen erlaubt ist, ohne Erstattung des Werths
wiederruffen.
De
Quartâ Trebellianicâ.
§.
8. Die sogenannte Quarta Trebellianica ist 1mò der vierte Theil, welchen Hæres
Fiduciarius von Universal-Fideicommissen der Proportion nach abziehet, wenn die
Erbschaft über den vierten Theil damit belästiget ist. 2dò Wenn der Erblasser
nicht nur Universal- sondern auch Particular-Fideicommiss, oder andere
dergleichen Geschäfte verordnet, so wird Falcidia von Particular, Trebellianica
von Universal-Fideicommissen, jedes à Proportion abgezogen. 3tiò In
Fideicommisso universali conditionato leisten Legatarii oder Fideicommissarii
particulares Fiduciario Caution, daß, wenn er weder von denen pendente
Conditione verfallenden Früchten, noch sonst seine Quartam erholen kan, sie ihm
den Ueberrest zu Completirung des vierten Theils darauf zahlen wollen. 4tò Wird
Trebellianica nach dem Zustand der Erbschaft abgezogen, nicht wie sie Tempore
Mortis fideicommittentis, sondern faciendæ Restitutionis befunden wird. 5tò Hat
Jus Retentionis Statt, und wenn aus Irrthum zuviel restituirt worden ist, so
(284)
kan es Condictione Indebiti wiederruffen werden. 6tò Gehet Trebellianica auch
auf die Erben des Fiduciarii, wenn er vor Antrettung der Erbschaft oder
Restitution stirbt.
Was
in die Trebellianicam eingerechnet werde?
§.
9. 1mò Wird Legitima denen Noth-Erben in absteigender Linie nicht eingerechnet,
sondern man ziehet solche voraus, und sodann erst über dieselbe auch
Trebellianicam ab. Dahingegen wird 2dò eingerechnet, was Fiduciarius als ein
Prælegat, oder sonst aus des Erblassers letzten Willen zu empfangen hat, wie es
immer Namen haben mag, desgleichen 3tiò die Fructus, welche er von der Zeit an
genossen, da die Restitution hätte geschehen sollen, endlich 4tò die pendente
Conditione Fideicommissi genossene Fructus, ausgenommen Söhn und Töchter,
welche disfalls befreyet seynd.
Fälle,
worin Trebellianica nicht Statt hat.
§.
10. Trebellianica hat in folgenden Fällen nicht Statt. 1mò Wenn
Fideicommissarius die Erbschaft wiederum weiter restituiren muß, wie es z. E.
in Familie-Fideicommissen zu geschehen pflegt. 2dò Wenn Fiduciarius sich der
Erbschafts-Antrettung weigert. 3tiò Da er sich der Erbschaft ohne Inventario
anmasset, ausgenommen Söhn und Töchter. 4tò Wenn sich Fiduciarius derselben
ausdrücklich begiebt, dann ohne seinen Willen kan Fideicomittens den Abzug
sogar in Fideicommissis ad pias Causas nicht einmal verbiethen.
Wie
das Fideicommiss entkräftet werde?
§.
11. Fideicommissa Universalia werden auf die nemliche Art entkräftet, wie
bereits oben von Testamenten oder Codicillen mit mehreren versehen ist,
nachdeme nemlich dieselbe entweder auf ein oder andere Weis verordnet worden
seynd. Obwolen im übrigen Substitutio vulgaris & directa, sobald der
instituirte Erb die Erbschaft antritt, obverstandenermassen von selbst wiederum
wegfallt, so ist doch ein anderes in Substitutione indirectâ &
fideicommissariâ, also wenn z. E. Cajus für einen Erben instituirt, und
demselben nach seinem Tod Titius substituirt wird, so hört die Substitution
dadurch, daß Cajus die Erbschaft angetretten hat, keineswegs auf, sondern die
Erbschaft muß Titio nach Caji Tod restituirt werden.
(285)
Zehendes Capitul
Von
Geschlechts- oder Familie-Fideicommissen
Was
und wie vielerley ein Fideicommissum Familiæ seye?
§.
1. Was zu Erhaltung eines gewissen Geschlechts verordnet wird, heißt
Fideicommissum Familiæ, und zwar expressum vel tacitum, nachdeme nemlich
dasselbe entweder auf ausdrücklicher Declaration beruhet, oder sich im Werk
selbst durch bündig- und sichere Schlüsse gnugsam zu erkennen giebt.
Exempla
von dergleichen stillschweigenden Fideicommissen.
§.
2. Ein stillschweigendes Fideicommiss wird z. E. gefolgert 1mò aus dem Verbott
der Veräusserung, sofern solches nicht simpliciter, sondern in Absicht auf die
Familie und derselben zum Besten geschiehet. Desgleichen 2dò aus alleinig- oder
vorzüglicher Beruffung des männlichen Geschlechts. 3tiò Aus weiblicher Verzicht
und Renunciation zu Favor des Manns-Stammens, nach mehreren Inhalt
nächstfolgenden 11ten cap. 7ten §vi. Item 4tò we(n) die Fideicommissarische
Successions-Ordnung bey einer Familie von Alters hergebracht ist, ohne daß sich
eine ausdrückliche Disposition hierum bezeigt. Dahingegen laßt sich 5tò weder
aus dem sogenannten Manns-Vortheil, noch dem blossen Einstands-Recht, welches
etwan der Familie eingeraumt worden, ohne anderweit näherer Erklärung ein
stillschweigendes Fideicommiss erzwingen. 6tò Thut auch dergleichen bey denen
ererbt- oder alt-vätterlichen Gütern (Bonis hæreditariis vel avitis) solang
solche auch immer bey der Familie geblieben seyn mögten, aus der blossen
Vererb- und Erhaltung derenselben ohne anderweiten näheren Anzeigen eines
Fideicommiss nimmermehr erfolgen.
(286)
Formalitäten eines Fideicommiss.
§.
3. Fideicommissa Familiæ werden entweder 1mò per Actum inter Vivos oder Mortis
causâ verordnet, und hiernach regulirt man sich auch mit denen zu ein- oder
anderer Handlung nach besonderer Beschaffenheit derselben erforderlichen
Formalitäten. 2dò Bedarf man zwar weder ein- noch anderenfalls einer
Obrigkeitlichen Confirmation oder Insinuation und Immatriculation, soviel nur
die in der Disposition begriffene Erben oder Fideicommiss-Successores unter sich
betrift, in Ansehen eines Drittens hingegen, welcher etwan Jure Crediti oder
sonst dabey interessirt ist, wird ein Fideicommissum Familiæ, solang und viel
für frey und allodial geachtet, bis die Fideicommiss-Disposition entweder bey
dem Churfürstlichen Hof-Rath, oder wenigst bey jener Regierung, worunter das
Fideicommiss-Gut liegt, in Originali oder Glaubwürdigen Vidimus vorgelegt, und
quoad Passus concernentes dem Matricul-Buch mit Vormerkung Jahr, Monats und
Tags ordentlich und umständig einverleibt ist, welches auch der erste
Fideicommissarius längst inner Monat-Zeit à Die Publicationis Testamenti vel
Notitiæ so gewiß zu befolgen hat, als er im widrigen Fall von dem
Fideicommiss-Genuß bis zur Immatriculation ipso Facto ausgeschlossen seyn
solle.
De
Conditione, Die, Modo, Demonstratione.
§.
4. Mit Bedingnussen und anderen dergleichen Zusätzen hat es 1mò bey
Fideicommissis conventionalibus die nemliche Beschaffenheit, wie bey anderen
sub Conditione, Die, Modo & c. getroffenen Pactis & Actibus inter
Vivos. Falls aber 2dò das Fideicommiss per Modum ultimæ Voluntatis gemacht ist,
so wird es mit obverstandenen Bedingnussen und Zusätzen, wie bey Fideicommissis
Vulgaribus in cap. 9. §. 5. gehalten, ausser daß 3tiò die Conditio, si sinè
Liberis decesserit, bey Fideicommissis Familiæ stillschweigend nicht darunter
begriffen ist. 4tò Können zwar die Geschlechts-Fideicommissen ebenso, wie
andere sowol ad certum Diem als ex certo Die gemacht werden, in Zweifel aber
werden jene allzeit pro perpetuis geachtet.
Wer
Fideicommissum Familiæ machen könne?
§.
5. 1mò Wer pacisciren kan, der kan auch fideicommissum conventionale machen,
und wer 2dò ein Testament oder Codicill
(287)
machen kan, der mag per Actum ultimæ Voluntatis gleichfalls fideicommittiren.
3tiò Seynd weder Weibs-Personen noch Unadeliche davon ausgeschlossen.
Zu
wessen Favor man solches thun könne?
§.
6. 1mò Kan jedem, der nicht passivè intestabilis ist, sowol durch Geding als
letzten Willen ein Fideicommiss zugehen, und stehet 2dò Fideicommittenti frey,
ob er seinem eignen oder einem anderen fremden Geschlecht, und zwar insgesamt
oder nur gewissen Personen oder Linien eines Geschlechts zu Guten disponiren
wolle, macht er aber 3tiò ein Fideicommissum Familiæ nur überhaupt, ohne zu
melden, was für einer Familie zum Besten, so ist in Zweifel sein eigne
hierunter verstanden. Unadeliche Familien mögen 4tò ebenfalls mit
Fideicommissis Familiæ beehrt werden, und obwol 5tò in Fideicommiss-Sachen die
Weibsbilder unter dem Namen des Geschlechts oder Familie regulariter nicht
begriffen seynd, so ist doch Fideicommittenti nicht verwehrt, ein anderes zu
verordnen, und die Weibs-Personen vor- mit- oder nach dem Manns-Stammen zum
Fideicommiss zu beruffen, folglich auf diese Art ein Fideicommissum irregulare
zu machen.
In
was für Gütern dergleichen Fideicommiss Statt haben?
§.
7. Alle sowol cörperlich- als uncörperliche Dinge ohne Unterschied, ob sie in
ganzen Erbschaften oder einem Theil derselben, oder in gewissen besonderen
Stücken bestehen, mögen mit Fideicommiss onerirt werden, soweit sie dem
Fideicommittenten zugehörig, und von solcher Beschaffenheit seynd, daß sie sich
erhalten lassen, auch sonst kein besonderes Verbott entgegen stehet.
Solchemnach seynd z. E. ausgenommen 1mò die Lehen ohne des Lehen-Herrns und
sammentlicher Interessenten Bewilligung, ausser soweit auch sonst mit selben
disponiren zu darffen von Rechts-wegen erlaubt ist. 2dò Fremde Sachen, oder was
gar extra Commercium vel Patrimonium ist, 3tiò die Noth-Gebührnuß, und endlich
4tò alle bewegliche Dinge, welche von keiner Dauer seynd, sondern durch den
Gebrauch consumirt zu werden pflegen.
(288)
Von Fideicommissarischer Succession.
§.
8. Zuförderst und pro 1mò wird in Fideicommiss-Successionen auf den à
Fideicommittente selbst vorgeschriebenen Modum gesehen, wobey 2dò die
substituirt- oder nachfolgende Fideicommissarii allzeit das nemliche, was ihren
Antecessoribus disfalls vorgeschrieben ist, wiederum zu beobachten haben,
sofern Fideicommittens kein anderes und besonderes verordnet. 3tiò Kan derselbe
auch in einem Libell unterschiedliche Fideicommisssa machen, und jedem eine
besondere Successions-Ordnung fürschreiben. 4tò Wenn der Modus Successionis à
Fideicommittente nicht bestimmt ist, so succedirt man dem letzten
Fideicommiss-Besitzern nach der sonst ab Intestato üblicher
Successions-Ordnung, jedoch 5tò allerwegen mit Ausschluß derjenigen, welche
nicht von denen Vocatis vel Substitutis seynd, oder laut folgenden 10ten §vi in
Fideicommisso nicht succediren können. Haben auch 6tò Fratres Germani von denen
Consanguineis hierinfalls keinen Vorzug, sondern sie succediren gleich. 7mo
Dafern Fideicommitens nicht seine eigne, sondern eine fremde Familie ohne den
Modum succedendi hierunter zu reguliren beruft, so succediren alle und jede von
selbiger Familie, und zwar die Söhne samt denen Vättern in Capita, mithin
werden die Fideicommiss-Nutzungen alle Jahr in soviele Theile vertheilt, als
Capita Familiæ vorhanden seynd, welche Beschaffenheit es auch auf dem Fall hat,
wenn derjenige, welcher einen ex Familia zu erwählen von dem Fideicommittente
benannt ist, entweder nicht wählen will, oder nicht mehr kan, dann da succedirt
die ganze Familie ebenfalls in Capita. 8vò Ist das Successions-Recht auf keinen
gewissen Grad der Sippschaft eingeschränkt, sondern gehet soweit, als noch
einer von der Familie übrig ist, es seye dann, daß 9no Fideicommittens andere
Vorsehung thut, und das Fideicommiss nur auf gewisse Personen oder Linien
einschränkt, welchenfalls sich die Succession aus der Ursach, daß die Absicht
des Fideicommittentis auf das Beste der Familie gegangen seye, über die
gesetzte Schranken nicht ausdähnen laßt. Von dem Modo & Ordine Successionis
in Primogenitura, vel Majoratu & Senioratu siehe §vum seq. 9.
Successions-Ordnung
in Primogenitur- Majorat- oder Seniorat- Gütern.
§.
9. 1mò Wenn die Succssions-Ordnung dergestalt regulirt ist, daß nur der Æltist-
und Erstgebohrne in dem Fideicommiss
(289)
allein zu succediren hat, so heißt es eine Primogenitur, und wird hierin 2dò
weder auf die Nähe des Grads, noch das Alter der Jahren, sondern lediglich auf
die ältere Linie gesehen, dergestalt, daß z. E. der Sohn, Enkel und all weitere
männliche Descendenten des Primogeniti, mithin seine ganze Linie dem
Secundogenito und dessen Linie vorgezogen wird, sofort auch bey Subdividirung
jeder Linie allemal wiederum der von der älteren dem von der jüngeren
subdividirten Linie in Successione vorgehet. Ist aber 3tiò die
Successions-Ordnung nicht nach dem Alter der Linie und Erstgeburt, sondern nach
dem Alter der Jahren eingerichtet, dergestalt, daß solche denjenigen betreffen
soll, welcher den Jahren nach der Æltiste von der Familie ist, so heißt es
eigentlich ein Majorat oder Seniorat. 4tò Wird in Dubio, ob der Æltiste den
Jahren oder der Linie nach in der Fideicommiss-Disposition verstanden seye,
allzeit das letzte mehr, dann das erste gemuthmasset, in beeden greift 5tò die
§vo præc. 8 Num. 2. festgesetzte Regul Platz. 6tò Giebt auf den Fall, wenn
unter zwey Competenten das Alter oder die Erstgeburt durch hinlänglichen Beweis
nicht gemacht werden kan, das Loos den Ausschlag. 7mo
Müssen Legitimati per subsequens Matrimonium denen ex Matrimonio intermedio
Gebohrnen in Primogenitura vel Majoratu ausweichen. 8vò Ist bey Verordnung der
Primogenitur oder eines Majorats auf die Legitimam deren à Disponente
hinterlassener Noth-Erben ebenso, wie in anderen Successions-Fällen, der
behörige Bedacht zu nehmen.
Wer
von der Successione Fideicommissaria ausgeschlossen seye?
§.
10. In Fideicommisso Familiæ kan regulariter jeder succediren, ausgenommen
folgende: 1mò Mönch und Religiosen nach abgelegter Ordens-Profession, ein
anderes ist bey Welt-Geistlichen, wieauch Malteser- und teutschen
Ordens-Rittern. 2dò Unehlich-Gebohrne samt ihren Kindern und Descendenten,
welchen auch die Legitimation per Rescriptum Principis nichts vortragt. 3tiò
Adoptati, sofern sie nicht zugleich von der ad Fideicommissum beruffener
Familie und in Ordine Proximi seynd. 4tò Ehrlose, ohne Unterschied inter
Infamiam Juris & Facti. 5tò Weibs-Personen samt ihrer männ- und weiblicher
Descendenz, ohngeacht das Fideicommiss von einer Weibs-Person gemacht ist, doch
leidet diese Regul fürs Erste soweit einen Abfall, als die Weibs-Personen von
Fideicommittente
(290)
zum Fideicommiss ausdrücklich beruffen seynd. Zweytens In Fructibus &
Meliorationibus, welche nicht zur Fideicommiss- sondern zur
Allodial-Verlassenschaft gehören. Drittens nach Abgang des Manns-Stammes,
welchenfalls jedoch die vorhin schon einmal excludirte Weibs-Personen weder für
sich, noch ihre Erben und Descendenten mehr zur Succession gelassen werden,
ausser soweit sie entweder ohnedem die nächste Erbinen (!) von dem
letztgewesten männlichen Fideicommiss-Besitzer, oder vorhin etwan nur ihrer
freywilliger Verzicht wegen unter Vorbehaltung des sich hernach begebenen
ledigen Anfalls einsweilen zuruckgestanden seynd.
Würkung
des Fideicommiss in Ansehen des Fideicommissarii.
§.
11. Ist der Fideicommissarius der letzte von jenen, welche zum Fideicommiss
beruffen seynd, so wird solches wie all anderes Allodial- und eigenthumliches
Gut angesehen. Hinterlaßt er aber noch einen Substitutum, so bestehet seines
Orts die Würkung des Fideicommiss, theils in der Fructification, Conservation
und Restitution desselben, theils in dem gebührenden Abtrag deren hierauf
haftender Bürden und denen ihm zustehenden Actionibus, alles nach mehreren
Inhalt folgender Ordnung.
Von
Erhalt- und Restituirung eines Fideicommiss.
§.
12. Nachdeme 1mò das Fideicommiss nicht auf des Fideicommissarii
Allodial-Erben, sondern auf den nächsten Fideicommiss-Successorem fallt, mithin
demselben seiner Zeit, sobald ihn die Ordnung betrift, in dem nemlichen Stand,
wie es der Antecessor empfangen hat, restituirt und eingeraumt werden muß, so
ist auch 2dò jeder Fideicommiss-Inhaber (!) schuldig, dasselbige in besagten
Stand auf eigne Kösten ex Fructibus zu erhalten, solchemnach 3tiò all
gebührenden Fleiß, wie jeder guter Haus-Wierth (!) zu thun pflegt, hierunter zu
verwenden, und den durch merklichen Unfleiß oder gar fürsetzlicher Weis hieran
verursachten Schaden zu erstatten, auch 4tò aus Begehren, zumal bey
anscheinender Gefahr annehmliche Caution hierum zu leisten, und nicht weniger
5tò gleich bey der Guts-Uebernahm, ein legales Inventarium oder summarische
Beschreibung darüber zu verfertigen, und denen Interessenten auf Anmelden Glaubwürdige
Abschrift davon mitzutheilen. Die das Fideicommiss
(291)
betreffende Streit-Händel hat er 6tò der Gebühr und Nothdurft nach zu
vertretten, und sofern solche nur sein eignes Commodum, z. E. die blosse
Fructus Fideicommissi betreffen, die Streits-Kösten ex Propriis, sonst aber, wo
es um die Substantiam Fideicommissi zu thun ist, auch aus selber zu
bestreitten. 7mo Was er etwan nur per Modum Prælegati, oder gar nicht von dem
Fideicommittenten, sondern anderwärts her hat, das gehört nicht zum Fideicommiss,
folglich auch nicht zur Restitution, es seye dann 8vò von dem Fideicommittente
ausdrücklich also verordnet, dann da muß Fideicommissarius die Disposition,
welche er in einem Stück einmal erkannt hat, auch in all anderen Stücken
annehmen und erfüllen. Im übrigen kan er 9no an denen Conditionibus
Fideicommissi zu Præjuditz oder Beschwerde anderer Nachfolgern, ausser soviel
etwan die untenverstandene Fideicommiss-Mehr- oder Besserung betrift, nichts
abänderen, vielweniger solches mit Schulden oder anderen Bürden beladen. Ob und
wieweit er aber das Fideicommiss gar veräusseren könne, siehe unten §vo 23.
&c.
Von
dem Fideicommiss-Genuß.
§.
13. 1mò hat der rechtmässige Fideicommiss-Besitzer Dominium utile von dem
Fideicommiss-Gut und aller Zugehör. Kommen ihm derowegen alle davon abfallende
Nutzungen zu Guten, und werden dieselbe 2dò nicht zum Fideicommiss gerechnet,
sondern pro Allodio geachtet, folglich fallt auch das, was nach dem Tod noch
davon übrig ist, nicht dem Fideicommiss-Successori, sondern denen Allodial-Erben
zu. 3tiò Pflegt man aus Absterben des Fideicommiss-Inhabers die noch nicht
verfallene Fructus Civiles, wieauch Naturales pendentes zwischen gedachten
Allodial-Erben und dem Fideicommiss-Folger pro Ratâ Temporis zu theilen. Jedoch
4tò andergestalt nicht, als nach Abzug deren pro Curâ & Culturâ verwendeter
Kösten. Naturales percepti bleiben 5tò denen Allodial-Erben allein.
Von
der Fideicommiss-Besserung und Melioration.
§.
14. 1mò Die Mehr- und Besserung eines Fideicommiss, welche sich Facto Fideicommissarii
ergiebt, und annebens so beschaffen ist, daß sie von dem Haupt-Fideicommiss
separirt werden, und für sich selbst bestehen mag, z. E. ein angekauftes
(292)
Grund-Stuck wird nicht zum Fideicommiss geschlagen, sondern ist frey
eigenthumlich und allodial, es seye dann solches 2dò von dem Neo-Acquirente
selbst ausdrücklich einverleibt, oder wenigst zum beständigen Gebrauch dahin
gewidmet worden, welchenfalls er auch 3tiò in Ansehen solcher Besserung pro
primo Fideicommittente geachtet wird, und ihme demnach frey stehet, die
Conditiones des Haupt-Fideicommiss zu mehren, zu minderen, oder sonst
abzuänderen. Immassen die folgende Fideicommiss-Inhaber hieran allerdings
gebunden seynd, sofern sie sich anders sothaner Mehr- oder Besserung
theilhaftig machen wollen. 4tò Soviel die Mehr- oder Besserungen betrift,
welche sich nicht Facto Fideicommissarii, sondern durch die Natur selbst oder
jählingen Zufall, z. E. per Alluvionem, Coalitionem ergeben, oder wenigst so
beschaffen seynd, daß sie sich von dem Haupt-Fideicommiss nicht wol absönderen
lassen, z. E. neu erlangte Grund-Dienstbarkeiten und andere dem Fundo
inhærirende Jura realia, item was per Implantationem, Inædificationem oder
sonst mit demselben vereiniget wird, dieses alles gehört zum Fideicommiss, folglich
auch zur Restitution, jedoch andergestalt nicht, als deductis Expensis nach
Masgab nächstfolgenden §vi.
Und
denen hierauf verwendeten Kösten.
§.
15. Von obverstandenen in Restitutionem kommenden Mehr- oder Besserungen wird
1mò dasjenige, was hierauf verwendet worden, bey Restituir- und Aushändigung
des Fideicommiss abgezogen, und gehet denen Allodial-Erben zu Guten. Es muß
aber 2dò nicht nur der Aufwand sondern auch, daß das Fideicommiss würklich
dadurch verbessert worden, gnüglich bewiesen werden. 3tiò Wird für die Impensas
niemal mehr, als was die Besserung selbst werth ist, passirt. 4tò Schätzt man
die Melioration nicht nach der Zeit, da sie beschehen, sondern nach der Zeit,
da sie an den Fideicommiss-Successorem restituirt und ausgehändiget wird. 5tò
Kan der Fideicommiss-Successor von denen Allodial-Erben nicht nur hierum
belangt werden, sondern sie haben auch Jus Retentionis in Fideicommisso bis zu
ihrer rechtlicher Befriedigung.
Fälle,
worin verstandene Kösten nicht.
§.
16. Jetztbemelter Abzug hat nicht Statt, 1mò in Expensis merè voluptuariis, als
welche zwar salvâ Fideicommissi Substantiâ
Substantiâ
(293) von denen Allodial-Erben aufgehoben, aber im
Werth niemal gefordert werden können. 2dò In all anderen Aufwand, welcher etwan
gar zu excessiv und in Fraudem Successorum, oder 3tiò nur zum Unterhalt des
Stands, worin man das Fideicommiss gleich anfänglich empfangen hat, oder 4tò auf die blosse Einbringung deren genossener Fideicommiss-Nutzungen, oder
5tò auf Abtragung deren Steuern, Anlagen, Grund-Zinsen etc. oder 6tò auf die
dem Fideicommiss-Successori ex Dispositione Meliorantis zugehende Besserungen
gemacht worden ist.
Von Fideicommiss-Bürden.
§. 17. 1mò Muß jeder Fideicommiss-Inhaber die
ab dem Fideicommiss-Gut unter ihm verfallende Steurn, Anlagen, Contributionen
und dergleichen Bürden ex Fructibus entrichten, und was 2dò nach seinem Tod
hieran restirt, das wird zwar bey dem Fideicommiss-Gut und folgenden Successore
gesucht, welchem aber der Regress um das, was nicht unter dem Fideicommittente selbst,
sondern nur unter einem vorgehenden Fideicommissario aufgeschwollen ist, bey
desselben hinterlassenen Allodio bevorstehet. Man verhoft auch 3tiò es werden
sich die Einnehmere mit Beytreibung dergleichen Gefällen nicht saumig finden
lassen, indeme das, was disfalls ohne suchender Execution über drey Jahr
anstehet, bey dem Fideicommiss nicht mehr erholet werden mag, sondern gleichwol
entweder bey des Debitoris Allodial-Vermögen, oder bey dem saumigen Beamten
selbst zu suchen ist. 4tò Hat die Trebellianica in Fideicommissis Familiæ niemal Statt.
Von Fideicommiss-Schulden.
§. 18. Die sogenannte
Fideicommiss-Schulden werden 1mò nicht ex Fructibus,
sondern ex Substantiâ Fideicommissi entrichtet, und kan mithin solches 2dò pro
Quantitate Debiti jedoch andergestalt nicht, als in Subsidium hierum
angegriffen werden, soweit nemlich keine andere von dem Fideicommittente
herrührende Allodial-Güter mehr vorhanden, oder wenigst nicht erklecklich
seynd, als welches 3tiò der Alienant entweder durch das Inventarium, oder sonst
in anderweg glaublich darthun, auch 4tò auf dem Fall, wenn sich dergleichen
Allodialia erst nach beschehener Fideicommiss-Veräusserung bezeigen,
(294) denen Fideicommiss-Substitutis
vergnügliche Satisfaction verschaffen muß.
Was darunter verstanden.
§. 19. Unter denen Fideicommiss-Schulden seynd
folgende Posten verstanden. 1mò Was von dem Fideicommittente selbst noch
herrührt, insonderheit aber 2dò die Noth-Gebührnuß, Heyrath-Gut, Wiederlag oder
Alimenta für all jene Personen, welche dergleichen bey dem Fideicommittenten
selbst, und seiner Verlassenschaft von Rechts-wegen zu suchen haben. Item 3tiò
was auf desselben Begräbnuß oder auf das Inventarium seines hinterlassenen
Vermögens und andere Erbschafts-Verhandlung erloffen ist. 4tò Passirliche Process-Kösten
in Streittigkeiten, wo es nicht soviel um die Fructus als Substantiam
Fideicommissi zu thun gewest. 5tò Was Fideicommissarius zu Entrichtung liquider
Fideicommiss-Schulden, oder auf die oben §vo 14. bemerkte
Fideicommiss-Meliorationes entweder ex Fructibus Fideicommissi oder sonst von
dem Seinigen verwendet. 6tò Die von sothanen Fideicommiss-Schulden restirende
Interessen, soweit selbe bereits unter dem Fideicommittente selbst noch
verfallen seynd, dann was nur Fideicommissarius disfalls aufschwellen laßt,
bezahlt kein folgender Fideicommissarius mehr, es könte dann Creditor
bescheinigen, daß er nicht in Morâ exigendi gewest, und von der Verfall-Zeit
sich längst allzeit in drey Jahren bey Gericht um den Ruckstand fleißig
gemeldet habe, welchenfalls sodann die folgende Fideicommissarii zwar ebenfalls
hierum haften, jedoch salvo Regressu an das Allodial-Vermögen des Antecessoris,
welcher sothane Interesse hat aufschwellen lassen, oder an die saumige
Obrigkeit. 7mo All andere Schulden seynd keine Fideicommiss-Schulden, und
werden nicht ex Fideicommisso, sondern aus eignen Mitteln desjenigen, der sie
gemacht oder ererbt hat, entrichtet.
Was Fideicommissarius für Actiones habe?
§. 20. 1mò Mag Fideicommissarius das
Fideicommiss, sofern nicht Possessio vacua ist, eigenmächtiger Weis nicht
ergreiffen, sondern muß 2dò nach Gestalt des Fideicommiss, da nemlich solches
entweder Universal oder Particular ist, die denen Erben, respectivè Legatariis
sowol in Petitorio als Possessorio gegönnte Rechts-Mittel und Actiones an Hand
nehmen. Solchemnach auch 3tiò die hierzu erforderliche Requisita beobachten,
und wenn 4tò das Fideicommiss per Modum Pacti
(295) gemacht ist, so greiffen auch die ex
Pacto überhaupt erfolgende Actiones hierin Platz. 5tò Kan kein Fideicommissarius
ex Facto des anderen Fideicommissarii Jemand belangen, oder deswegen belangt
werden, weil er Causam Successionis nicht von ihme, sondern à Fideicommittente
hat.
Von gänzlicher Aufhebung eines Fideicommiss.
§. 21. 1mò Wird ein Fideicommiss auf die nemliche
Art, wie all andere Dispositiones inter Vivos & Mortis causâ aufgehoben,
nachdeme es nemlich auf ein oder andere Weis gemacht ist. 2dò Erlöscht solches
durch den totalen Untergang der Sach, welcher das Fideicommiss anhangt. 3tiò
Durch gänzlichen Abgang derjenigen, welche von dem primo Fideicommittente dazu
beruffen seynd. 4 tò Durch Verstreichung der Zeit, worauf selbes etwan
eingeschränkt worden. 5tò Durch Ermanglung der Condition in Fideicommisso conditionato. 6tò Durch vollstreckte Verjährung, wenn solche schon bey Lebzeiten des
Fideicommittentis, oder gar schon vorhero angefangen worden. 7mo Per Rem
Judicatam, Kraft welcher das Fideicommiss pro Allodio erkannt ist. Ob und wie
weit aber eine solche gegen den Fideicommiss-Possessorem ausgefallene Sentenz
sich auch auf seine Erben, oder Fideicommiss-Successores erstrecke, siehe Cod.
Jud. cap. 14. §. 11. n. 4.
Wie solches nur in Ansehen Fideicommissarii
erlösche?
§. 22. Soviel des Fideicommissarii Person
allein betrift, erlöscht das Fideicommiss 1mò durch seinen Tod, worunter nicht
nur Mors naturalis, sondern auch civilis, und die Geistliche Ordens-Profession
verstanden ist. 2dò Durch ein Verbrechen, welches entweder Confiscationem
Bonorum oder Infamiam nach sich ziehet præviâ tamen Sententiâ declaratoriâ.
3tiò Durch groben Mißbrauch und Abschwand des Fideicommiss-Guts nach vorläuffig
Obrigkeitlicher Abmahnung und comminirter Caducität. 4tò Wenn man sich nach
Masgab obigen 1ten cap. 20isten §vi gegen den Fideicommittentem des
Fideicommiss unwürdig macht. 5tò Durch gutwillige Renunciation und Begebung.
Endlich 6tò durch die Verjährung, welche erst unter dem Fideicommissario
angefangen worden, dann diese lauft nur gegen ihn und all jene, welche von
Rechts-wegen hätten agiren können, nicht aber gegen andere welche die
Successions-Ordnung
(296) in dem præscribirten Fideicommiss noch
nicht betroffen hat. Von Fideicommiss-Veräusserungen siehe §vos seq.
Von Fideicommiss-Veräusserungen.
§. 23. 1mò Ist alle
Fideicommiss-Veräusserungen, ausser deren im nächstfolgenden §vo specificirter
Fällen, sowol per Actum inter Vivos als Mortis causâ dem Fideicommissario
verbotten, und wenn dergleichen geschiehet, so hat es 2dò nicht nur keine
Kraft, sondern Fideicommissarius, welcher dieses wissentlich unternimmt,
verwürkt dadurch das Fideicommiss, und zwar ganz, oder zum Theil, soweit
nemlich die Veräusserung geschehen ist. Jedoch hat 3tiò die Caducität eheunter
nicht, als nach beschehener Ausantwortung des veräusserten Fideicommiss Statt.
4tò Wird auch sothane Caducitäts-Straf durch die nachfolgende Reu und
Zurucknahm des alienirten Guts nicht remittirt. 5tò Seynd unter der Alienation
nicht nur Kauf, Tausch, Erb-Recht, Belehnung etc. sondern auch die
Special-Verpfändung nach erfolgter Extradition, nicht aber die blosse Verpacht-
oder Ueberlassung der Fructuum verstanden.
§. 24. In was für Fällen die Veräusserung
erlaubt seye?
Fideicommiss-Güter können nur in folgenden
Fällen alienirt werden. 1mò Wenn alle vorhandene Fideicommiss-Interessenten
darein consentiren, welches jedoch nur ihnen für ihre Person, nicht aber
anderen Fideicommiss-Substitutis und Successoribus, ohne Unterschied, ob sie
zugleich Allodial-Erben von denen Consentirenden seynd oder nicht, præjudicirt.
2dò Wenn die Veräusserung nur an denjenigen geschiehet, welcher in Successione
ohnehin der nächste ist. 3tiò Wenn Fideicommittens selbst Potestatem alienandi
gegeben hat. 4tò Wenn die Alienation von dem allerletzten Substituto
vorgenommen wird. 5tò Wenn es von der Lands-Herrschaft ex Causâ publicâ oder
anderer hocherheblicher Ursach bewilliget wird, oder 6tò zum Nutzen der Familie
gereicht, und etwan ein besseres oder einträglicheres Surrogatum hergestellt
wird, welches jedoch auch mit Bewilligung der Agnatschaft ohne Lands-herrlichen
Consens nicht gestattet werden solle, sofern es ausser Land liegt. 7mo Wenn es
zu Entrichtung obverstandener Fideicommiss-Schulden
(297) die Noth erheischt. Wobey endlichen auch
8vò zu merken ist, daß in dem 1ten und 6ten Fall die Obrigkeitliche Authorität
zur Gültigkeit einer solcher Alienation zwar nicht nöthig, doch allerwegen der
mehrern Sicherheit halber, rathsam und dienlich ist.
§. 25. Von Wiederruffung eines veräusserten
Fideicommiss.
1mò Kan derjenige, welcher die Alienation
selbst vorgenommen hat, solche zwar vor der Extradition, hernach aber weiter
nicht mehr wiederruffen, weil er obverstandenermassen dadurch ipso Facto des
Fideicommiss zur Straf verlurstig (!) wird, wenn anders die Alienation malâ
Fide und mit guten Wissen, daß es ein Fideicommiss-Gut seye, von ihm geschehen
ist. Wol hingegen stehet der Wiederruf 2dò jedem anderen Substituto, er seye
gleich des Alienantens Erb oder nicht, allerdings zu, jedoch auch andergestalt
nicht, als mit Beobachtung der Ordnung, wie sie nacheinander succediren, so daß
der nähere Fideicommiss-Successor dem weiteren in Concursu vorgezogen wird.
3tiò Seynd Substituti nicht schuldig den Tod des Alienatoris zu erwarten,
sondern das veräusserte Gut mag von ihnen noch in dessen Lebzeiten, und zwar
4tò ohne Erstattung des dafür ausgelegten Werths wiederruffen werden. 5tò
Greift ermelte Wiederruffung auf Seiten der Substituten, zwar auch in
obspecificirten Casibus licitæ
Alienationis, jedoch andergestalt nicht, als gegen Erstattung des Werths Platz.
(298) Eilftes Capitul
Von bedungener Erbschaft (Hæreditate vel Successione pactitia)
insonderheit von Erbschafts-Verzichten und Regress-Sprüchen.
Von Pactis
Successoriis überhaupt.
§. 1. Vergleich
oder Gedinge über einer noch lebender Person künftige Erb- oder Verlassenschaft
werden 1mò affirmativè oder negativè gemacht. Nachdeme
man nemlich in Kraft derselben entweder succediren oder nicht succediren soll.
Sowol eins als anderes ist 2dò zwar nach Römischen, nicht aber nach Teutschen
Rechten und Gewohnheiten verbotten. Solchemnach kan 3tiò sowol de conservandâ als
acquirendâ, oder omittendâ Hæreditate pactirt werden, soweit es nemlich 4tò
nur um die Erbschaft oder das Vermögen eines von denen Paciscenten zu thun ist.
Jene Pacta hingegen, welche 5tò über die künftige Erb- oder Verlassenschaft
eines Dritten noch Lebenden ohne dessen Mitbewilligung errichtet werden, gelten
ohne Unterschied, ob der Dritte Persona certa oder incerta seye, nur
conditionatè und in Eventum, wenn sothane Erbschaft einem von denen Paciscenten
mit der Zeit anfällig wird, immassen diese Bedingnuß ohnehin schon allzeit
stillschweigend darunter verstanden ist. 6tò Mögen dergleichen Pacta nicht nur
um die ganze Erbschaft, sondern auch über einen Theil derselben, und nur desto
mehr über ein gewisses Stück gemacht werden, jedoch 7mo allerwegen salvo Jure
Legitimæ, & deducto Ære
alieno, dafern von denen Paciscenten ein Noth-Erb oder Glaubiger vorhanden ist.
8vò Pflegt man solche entweder per Actum inter Vivos vel
ultimæ Voluntatis zu
errichten, erstenfalls greift hierin alles Platz, was die Rechten auch von
anderen Pactis oder Contractibus überhaupt verordnen. Letzterenfalls werden 9no die oben cap. 2. §. 3 vorgeschriebene Requisita ultimæ Voluntatis generalia, wieauch wenn das
(299) Pactum
nur extrajudicialiter gemacht wird, wenigst fünf Gezeugen, jedoch ohne
anderweiter äusserlicher Sollenität, mithin auch ohne Rogitu Testium vel
Unitate Actûs erfordert. 10mò Müssen selbe auf die
nemliche Art, wie bereits oben P. 1. cap. 6. §. 29. n. 3. von Pactis dotalibus
insonderheit versehen ist, schriftlich und respectivè Obrigkeitlich errichtet
werden, und zwar sub Pœnâ Nullitatis. 11mò
Kan zu Præjuditz und Abbruch des getroffenen Pacti Successorii ohne Einstimmung
aller Paciscenten einseitiger Weis nichts mehr verfügt, vielweniger solches
gänzlich wiederum aufgehoben werden, ausgenommen, wenn solches per Modum ultimæ
Voluntatis oder sonst wiederruflich gemacht ist, welchenfalls zwar 12mò jedem
Paciscenten seinen Willen wiederum zu änderen und zuruckzunehmen freystehet,
wenn aber dieses ohne Wissen und Willen der anderen geschiehet, so kan er sich
des Pacti zu seinen Vortheil gleichfalls nicht mehr bedienen. 13tiò Per
Agnationem sui Hæredis aut Supervenientiam Liberorum werden dergleichen Geding
niemal entkräftet, sondern bleiben nichtsdestoweniger (salvâ tamen Legitimâ)
bey Kraft. Jene Geding, welche 14tò nicht über zukünftige, sondern bereits
angefallen- oder angetrettene Erbschaften errichtet werden, seynd eigentlich
für keine Pacta Successoria zu halten, folglich gehören selbe auch nicht
hieher, sondern in folgenden vierten Theil des Codicis, allwo von Pactis
überhaupt gehandelt wird, und soviel die verkauft- oder sonst verhandlet und
cedirte Erbschaften betrift, siehe bemelten 4ten Theil 4tes cap. 7ten §vum,
desgleichen ob ein Pactum Successorium in Zweifel mehr pro Actu inter Vivos als
ultimæ Voluntatis zu achten seye, siehe oben cap. 2. §. 1.
Insonderheit
von Pactis Successoriis, Negativis und Renunciativis.
§.
2. Erbschafts-Verzichten werden in freywillig- und nothwendige getheilt. Von
der letzteren Gattung, Kraft welcher man auch wider Willen ipso Jure pro
renunciato gehalten wird, siehe folgenden achten §vum.
Von der ersten aber ist 1mò das nemliche zu merken, was in dem nächst vorhergehenden §vo von Pactis Successoriis überhaupt versehen ist. 2dò Wird zwar zu
sothaner Verzicht der Eid nicht, wol aber 3tiò bey Weibs-Leuten, oder anderen
der Rechten unverständigen Personen die Certioration, wie nicht weniger 4tò bey
minderjährigen Renuncianten der Consens ihrer Elteren oder Vormündern, und
ingleichen
(300) 5tò wenn die Renuntiation durch einen
Anwald geschiehet, Mandatum speciale erfordert. 6tò Ist auch nöthig, daß die
Kinder, welche sich ihrer Eltern Erbschaft verzeihen, Standsmässig dagegen
ausgesteuert werden, und wie nun 7mo nicht nur die Renunciation, sondern auch
alle diese Requisita Facti seynd, so muß sie derjenige, welcher sich darauf
gründet, gnüglich erweisen. Von dem Unterschied inter Renunciationem &
Repudiationem Hæreditatis,
und welchergestalten jene nur ad futuram, diese aber ad Hæreditatem præsentem
& delatam gehe, siehe oben cap. 1. §. 19. n. 1.
§. 3. Würkungen
eines solchen Pacti in uneingeschränkter Renunciation.
Die vornehmste
Würkung einer Erbschafts-Verzicht bestehet 1mò
in Ausschliessung des Renunciantens von der Erbschaft. Wobey aber 2dò zuförderst
auf den Verzichts-Brief zu sehen, sohin auch 3tiò inter Renunciationem
definitam & indefinitam wol zu distinguiren, und soweit dieselbe nicht
ausdrücklich auf gewisse Sachen, Zeiten oder Personen eingeschränkt worden,
allemal mehr pro indefinitâ zu halten, in Kraft deren aber 4tò nicht nur
Renuncians für seine Person, sondern auch für seine Kinder und Descendenten
ohne Unterschied, ob sie Tempore Renunciationis schon bey Leben gewest oder
nicht, ob sie Renuncianten geerbt haben, oder nicht, auch ob Renuncians vor
oder nach dem Erblasser verstorben seye, von der renuncirten Erbschaft auf ewig
ausgeschlossen ist. Solchemnach gehet 5tò disfalls (nemlich in Renunciatione
indefinitâ) Portio renunciata all jenen zu Guten, welche auch sonst auf dem
Fall, da Renuncians niemal im Leben gewest wäre, in der übrigen Erbschaft ex
Testamento vel ab Intestato von Rechts-wegen zu succediren gehabt hätten. Es
verstehet sich jedoch auch 6tò eine generale Erbschafts-Verzicht nur auf die
Successionem ab Intestato, und zwar 7mo lediglich auf das, was zur Erbschaft
gehört, und derselben vor oder nach der Renunciation zugewachsen ist, nicht
aber, was Renuncians ex Debito, Legato, Peculio item propter Pœnam
secundarum Nuptiarum vel alio Titulo singulari an die Erbschaft zu forderen
hat, oder was ihm in anderweg zugegehet (!) , z. E. an Fideicommiss- oder
Lehen-Gütern.
Und in eingeschränkter.
§. 4. 1mò Soll man die
Verzicht nicht ultra Expressa ausdähnen (!) , folglich ist z. E. unter der
Renunciatione Successionis
(301) Testamentariæ, die ab Intestato nicht verstanden
& vicissim. 2dò Wer sich der Vätterlichen Erbschaft verzeichet
(!) , ist derwegen weder von Mütter- Brüderlich- oder anderer Erbschaft
ausgeschlossen, ohngeacht das Mütter- oder Brüderliche Vermögen etwan meistentheils
von dem Vatter hergerührt hat. 3tiò Gehen die Verzichten, welche nur zu Favor
gewisser Personen geschehen, auch nur denenselben allein zu Guten, soweit sie
anders Successions fähig seynd, und Niemand einiges Præjuditz darunter zuwachset. Es können sich
also z. E. die Schwestern in jener Portion, auf welche nur denen Brüdern zum
Besten renuncirt worden, keiner Miterbschaft anmassen, und eben so ist es in
Ansehen der übrigen Brüdern, wenn etwan nur einer allein Favorem Renunciationis
vor sich hat. Desgleichen kommt z. E. die denen Brüdern zum Besten geschehene
Schwesterliche Verzicht denen in Clericatu oder Geistlichen Orden befindlichen
Brüdern nicht zu Guten.
Von
Wiederaufheb- oder Entkräftung einer Verzicht.
§. 5. Die
Verzicht wird entkräftet 1mò durch Ermanglung
obgedachter ad Pactum Successorium überhaupt, oder aber ad Renunciationem
besonders erforderlicher Requisiten. 2dò Durch Verstreichung der Zeit oder
völligen Abgang jener Personen, worauf die Verzicht etwan eingeschränkt gewest.
3tiò Durch Ermanglung der Bedingnuß in Renunciatione conditionatâ. 4tò Wenn
derjenige, deme zu Gefallen renuncirt worden ist, sich selbst wiederum seines
Favors mit Worten oder Werken begiebt, z. E. da der Vatter seine verzichte (!)
Tochter per Testamentum zur Erbin einsetzt. Ein anderes ist, wenn die
Renunciation erst nach dem Testament erfolgt, oder der Vatter in dem Testament
seiner Kinder nur überhaupt erwehnt. 5tò Kan zwar gestalten Dingen nach
Exceptio Vis, Metûs, Doli, Erroris gegen Verzichten, wie gegen andere Pacta,
niemal aber Exceptio Læsionis, oder Supervenientiæ Liberorum Platz greiffen. Vielweniger laßt sich 6tò die einmal beschehen- rechtmässige Renunciation einseitiger Weis
wiederruffen, es seye dann solche gleich anfänglich nur auf wiederrufliche Weis
ausgestellt worden.
(302) Von dem Regress in dergleichen
Renunciationen.
§. 6. Die Rechts-Regul, daß man ad renunciata
keinen Regress mehr habe, greift zwar 1mò auch in denen Erbschafts-Verzichten
Platz, leidet aber 2dò einen merklichen Abfall, wenn solcher entweder
ausdrücklich oder stillschweigend auf gewisse Fälle vorbehalten ist. Das
letztere ergiebt sich 3tiò gemeiniglich in Renunciationibus definitis, wenn sie
ihrer Absicht nach von keiner beständiger Dauer seyn sollen, wie z. E. all jene
Verzichten, welche von denen Töchtern oder Weibs-Personen zu Erhaltung des
Manns-Stammens ausgestellt werden, anerwogen die Clausula: Salvo Regressu in
Defectum Masculorum, schon allzeit stillschweigend hierunter begriffen ist.
Gleiche Beschaffenheit hat es 4tò mit der bekannten Renunciations-Clausul: Bis
auf den ledigen Anfall, dann darunter ist der Abgang des Manns-Stammens
verstanden, obschon dessen keine besondere Meldung in dem Verzichts-Brief
geschiehet. Der Effect von dergleichen ausdrücklich- oder stillschweigenden
Vorbehalt bestehet 5tò darin, daß Casu existente Portio renunciata an die
Regredienten wiederum ungeschmählert herausgegeben werden muß. 6tò Ist
hierunter kein mehrers verstanden, als jene Erbs-Portion, welche Renuncianti
allenfalls citra Renunciationem von Rechtswegen zugegangen wäre. Daran wird
hingegen 7mo bey der Herausgab nicht nur die empfangene Aussteur und andere in
Collationem kommende Posten, sondern auch all jene Meliorationes und Expensæ
abgezogen, welche bonæ
Fidei Possessor in Petitione Hæreditatis abzuziehen pflegt. Unter denen
Regredienten verstehet man 8vò nicht nur Personam
renunciantem selbst, sondern auch ihre Erben und Nachkommen, dann wenn gleich
jene Casum des eröffneten Regress selbst nicht erlebt, so wird doch
nichtsdestoweniger das Jus, wie bey anderen dergleichen Pactis conditionatis,
in omnem Eventum auf die hinterlassene Erben transmittirt, und stehet annebens
9tiò Renuncianti frey, mit sothanem Regress-Spruch, ohngeacht derselbe noch in
Suspenso und weit entfernt ist, in Lebzeiten nach Belieben zu disponiren, und
solchen in Casum Casûs an andere per Actum inter Vivos oder Mortis causâ zu
überlassen. 10mò Mögen die Regredienten auch nach vor dem ledigen
(303)
Anfall die Anzeigung des ruckfälligen Regress-Quanti, und nicht weniger, wenn
eine Gefahr anscheint, gebührende Versicherung desselben von denen Manns-Erben
begehren. 11mò Gebührt denen Clöstern nimmermehr ein Regress-Spruch, massen die
Clösterliche Renunciationes pro realibus & indefinitis geachtet werden,
welche man lediglich in Ansehen der empfangenen Aussteuer zu thun pflegt.
Ob
und wie weit ein Fideicommiss daraus entstehe?
§.
7. Wenn nur zu Favor der Manns-Erben allein renuncirt, so nimmt die renuncirte
Erbs-Portion Naturam Fideicommissi Familiæ an sich, also und dergestalt, daß
Renuncians gleichsam pro primo Fideicommittente und die Manns-Erben, zu deren
Favor die Verzicht ausgestellt worden, pro Fideicommissariis geachtet werden.
Solchemnach greift all jenes, was cap. præced. Von Fideicommissis Familiæ
versehen ist, auch disfalls in Terminis habilibus, und soweit es nemlich die
Natur und Eigenschaft des denen Regredienten gebührenden Ruckfalls zulaßt,
allerdings Platz. Insonderheit ist auch auf die Immatriculation des
Regress-Spruchs der behörige Bedacht zu nehmen, wenn anders derselbe in Ansehen
eines Drittens Effectum Fideicommissi nach sich ziehen soll.
Von
der Verzicht Edelmanns-Freyheits-fähiger Töchtern.
§.
8. Töchter Edelmanns-Freyheits-fähiger Personen werden 1mò dem alten Herkommen
nach, als Vermög General-Mandats von Anno 1672. (jedoch mit Ausschluß der
Oberpfälzischen Landen, auf welche sich sothanes Mandat niemal erstreckt hat)
ohne all weiterer Verzicht ipso Jure pro renunciatis geachtet, also und
dergestalt, daß sie 2dò nicht nur für sich, sondern auch für ihre sammentliche
sowol Männ- als Weibliche Descendenz von Vätter- Mütter- und Brüderlicher
Erbschaft solang ausgeschlossen seynd, als ein Brüderlich- oder von ihm
abstammender Manns-Erb in Lineâ descendenti vorhanden ist. Dahingegen soll man
3tiò einer solch- verzichten (!) Tochter von der Elteren Vermögen eine ehrlich-
und Standsmässige Aussteuer und Fertigung mit Zuziehung der nächsten Befreunden
auszeigen, womit sie sich auch 4tò zu befriedigen hat, wenn gleich die
assignirte Quota Legitimam nicht völlig
(304)
erreicht, und da man sich etwan 5tò weder durch Compromiss- noch andere
gütliche Wege über das Quantum sothaner Aussteuer vergleichen kan, so soll
solches von ordentlicher Obrigkeit nach Beschaffenheit des Vermögens, und
anderer mitunterlaufender Umständen ausgesprochen, auch zu dem Ende 6tò von den
Brüdern und Befreunden ein getreulich- und summarische Verlassenschafts-Anzeig
herausgegeben werden. Es verstehet sich aber 7mo diese Verordnung nur von dem
Casu Intestati, dann was die Eltern oder Brüder denen Töchtern, respectivè
Schwestern zum Besten ex Propriis disponiren, das soll ihnen auch verbleiben.
8vò Stehet ferner das Statutum denen Töchtern an der Succession in jenen Dingen
keines Wegs entgegen, welche sie nicht Jure Hæreditario, sondern z. E. ex
Debito, Legato, Peculio, ob Pœnam secundarum Nuptiarum vel alio Titulo
singulari an die Vätter- Mütter- Brüderliche Verlassenschaft, oder gar
anderwärts zu suchen haben. Vielweniger extendirt sich 9no das Gesatz auf
Erbschaften, welche die Töchter noch von Vatter, Mutter oder Bruder, sondern
von anderen Befreunden in auf- und absteigender oder Collateral-Linie erlangen.
10mò Seynd hierinfalls unter denen Brüdern und Manns-Erben weder Religiosen,
noch von auswärtiger Familie Angewunschene, viel minder Uneheliche, sofern sie
nicht per subsequens Matrimonium legitimirt seynd, am allerwenigstens aber
Successions-Unfähige verstanden. 11mò Werden erwehnte Töchter von Vätter- und
Brüderlicher Erbschaft sowol per Fratres Germanos als Consanguineos, nicht aber
per Uterinos ausgeschlossen. Ein anderes ist 12mò in Mütterlicher oder auch,
soviel die übrige Mitbrüder ex eâdem Matre betrift, in Brüderlicher Erbschaft,
dann darin müssen sie Fratribus uterinis ebenfalls ausweichen. Gleichwie im
übrigen 13tiò Rede allhier nur von dem gefreyten Lands-Adel ist, so pflegt man
die übrige adeliche Töchter ohne ausdrücklicher Verzicht pro renunciatis nicht
zu halten, es wäre dann solches bey einer Familie von Alters also hergebracht,
und verstehet sich auch 14tò diese Lands-Constitution ohnehin nur auf die im
Land liegende Güter, nicht aber auf das, was außer Land liegt.
Von
dem Regress in sothaner Verzicht.
§.
9. Nachdeme obige Verordnung lediglich zur Erhaltung der Familie und des
adelichen Manns- Stammens abziehlt, so
(305)
folgt erstens von selbst, daß denen verzichten Töchtern ihren Erben und
Nachkommen auf den ledigen Anfall, das ist, nach völligen Abgang ihrer Brüdern
und der von ihnen absteigender männlicher Descendenz, der Regress in Portione
renunciatâ, soviel sie nemlich an ermelt- Vätter- Mütter- oder Brüderlicher
Erbschaft für ihren Antheil von Rechts-wegen betroffen hätte, allerdings
bevorstehet. Damit es aber auch zweytens weder über das Quantum jetztgedachten
Regress-Spruch, zumal wenn der ledige Anfall sich erst nach langer Hand
ergiebt, eine Irrung entstehen, noch ein Dritter so leicht hierunter gefährdet
werden möge, so soll das Quantum nicht nur gleich anfänglich determinirt,
sondern auch dem Fideicommiss-Buch einverleibt, und nicht weniger drittens alle
jenes hierbey beobachtet werden, was bereits oben §vo 6. n. 7. 8. 9. & §vo
7. sowol von Entricht- als Transmittirung, dann Fideicommissarischer Qualität
sothaner Regress-Sprüchen versehen ist.
(306)
Zwölftes Capitul
Von
der natürlichen Erbfolge (Successione ab Intestato).
Generalia
von der Succession ab Intestato.
§. 1. Bey der natürlichen Erbfolg, welche denen nächsten
Bluts-Befreunden des Verstorbenen in seinem hinterlassenen Vermögen unmittelbar
durch das Gesatz selbst deferirt wird, setzt man 1mò allzeit voraus, daß
entweder gar keine, oder wenigst keine gültige Disposition von ihm vorhanden
seye, 2dò hat dieselbe ihre gewisse Gradus, und betrift vorzüglich die Kinder
und Descendenten, sodann die Elteren und Ascendenten, endlich aber die
Collateral- und Seiten-Verwandte, soweit nemlich solche 3tiò nicht per
Renunciationem aut Statutum von der Erbfolg ausgeschlossen, oder zur Zeit des
Anfalls der Erbschaft gar unwürdig oder unfähig seynd. 4tò Wird unter mehr
Erben ab Intestato bald in die Häupter, bald in die Stämmen (in Capita vel
Stirpes) succedirt. Das erste geschiehet regulariter unter Erben, welche aus
eignem Recht, (Jure proprio) succediren, dann da pflegt man soviel Theil zu
machen, als Personen vorhanden seynd, das letztere hingegen greift in Ansehen
jener Erben Platz, welche aus fremdem Recht, (Jure Repræsentationis) kommen,
anerwogen sie in die Stell des Repræsentanten eintretten, mithin auch kein
mehrers, als den ihm gebührenden Antheil bekommen, wobey aber auch 5tò zu
merken ist, daß das Jus Repræsentationis eben nicht in Successionibus ab
Intestato allein, sondern auch in Testamenten und anderen Dispositionibus inter
Vivos vel Mortis causâ Statt habe, wenn hierin deren Befreunden mit solchen
Worten erwehnt wird, woraus man schliessen kan, daß sie sich auf Art und Mas,
wie bey Successionibus ab Intestato gewöhnlich ist, vertheilen sollen, z. E.
per Verba: Meinen Befreunden, welche mich sonst geerbt hätten oder meinen
nächsten Befreunden und Erben. Ein anderes ist
(307) hingegen, wenn der nächsten Befreunden überhaupt
gedacht wird, ohne daß die Wort: Erben, oder die mich sonst geerbt hätten,
mitbeygesetzt seynd, dann da hat das Jus Repræsentationis nicht mehr Statt,
sondern der nähere im Grad schliesset den weiteren allzeit aus. 6tò Ist in
Entscheidung streittiger Erbschafts-Fällen ab Intestato niemal auf die Statuta
Loci, wo der Erblasser stirbt, sondern wo die Erbschaft liegt, oder soviel die
blosse Personal-Sprüch belangt, auf die Statuta Loci, wo der Defunctus sein
Domicilium gehabt hat, zu sehen.
Von der Erbfolg in absteigender Linie.
§. 2. Von Kindern, Enklen (!) und anderen Descendenten,
welche obverstandenermassen in Successione die allererste seynd, hat man
folgendes zu wissen. 1mò Schliesset unter ihnen der nähere den weiteren niemal
aus, es seye dann, daß beede von der nemlichen Linie seynd, welchenfalls der
weitere nicht Erb seyn kan, solang ihm der nähere im Weg stehet. 2dò Succediren
sowol Kinder, als Enkeln oder Urenklen (!) , sofern derselben mehr und alle von
gleichen Grad seynd, in Capita, die von ungleichen Grad aber in Stirpes, weil
jene Jure proprio, diese Jure Repræsentationis kommen, als welches 3tiò in
Lineâ descendenti in infinitum fortgehet, und sich mithin auf Enkeln, Urenklen
und so weiter extendirt. 4tò Kan ein Enkel in der Ahnherrlichen Verlassenschaft
succediren, ohnegeacht die Vätterliche von ihm ausgeschlagen ist. 5tò Seynd
weder Posthumi, noch Emancipati, vielweniger Weibs-Personen oder Geistliche von
der Succession regulariter ausgeschlossen, es stehe dann eine Renunciation, oder
andere rechtliche Hindernuß im Weg. 6tó Erben auch, die sowol ab Ascendente als
Extraneo adoptirte Kinder, nicht aber Tauf- Firmungs- oder Stief-Söhn und
Töchter. 7mo Kinder aus verschiedenen Ehen erben ihre gemeinschaftliche Elteren
miteinander gleich, von denen besonderen Elteren aber erbt jedes Kind die
Seinige besonders. 8vò Bleibt es bey dem General-Mandat von Anno 1672. Kraft
dessen bey denen Edelmann-Freyheits-fähigen Familien auf dem Fall, wenn keine
Elterliche Disposition, und nichts als Allodialschaft vorhanden ist, dem
älteren Manns-Erben ein ehrlicher Manns-Vortel, nach Gestalt des Vermögens,
entweder von denen Brüdern selbst, oder in Entstehung der Güte von den
erkießten Schieds-Richtern, oder endlich von der Obrigkeit ausgezeigt werden
solle, welches sich jedoch auf die Oberpfälzische Lande
(308) nicht extendirt. 9no Hat es mit Legitimatis per
subsequens Matrimonium die nemliche Bewandnuß wie mit ehelichen Kindern. 10mò
Uneheliche Kinder und Descendenten aus verdammter Geburt erben ausser dem
blossen Unterhalt sowol von Vätter- als Mütterlicher Seit nichts, sie mögen
gleich legitimirt seyn, wie sie wollen. 11mò Andere uneheliche Kinder
(Naturales vel Spurii) welche entweder gar nicht oder nur per Rescriptum
legitimirt seynd, succediren hiesigen Land-Rechten nach erstens in dem
Vätterlichen Vermögen nur soviel den blossen Unterhalt betrift, es seye dann
kein anderer Befreunder mehr vorhanden. Von Ahn-herrlicher Verlassenschaft
Vätterlicher Seits seynd sie zweytens gar quò ad Alimenta ausgeschlossen ohne
Unterschied, ob sie von ihrem unehelichen Vatter ehelich, oder von dem
Ehelichen unehelich erzeugt worden, hingegen erben sie drittens die Mutter, es
mag selbe gleich ehelich oder unehelich gebohren seyn, wie auch viertens den
Mütterlichen Ahn-Herrn, jedoch nur auf den Fall, wenn die Mutter ehelich
gebohren oder sonst gar kein Freund mehr vorhanden ist. Annebens soll man
fünftens bey der Mutter und Mütterlichen Ahn-Frau dahin sehen, ob sonst noch
eine eheliche Descendenz von ihnen vorhanden seye, dann wo dieses ist, da
succediren die Uneheliche auch hierin nur quò ad Alimenta.
§.
3. Von der Erbfolge in aufsteigender Linie.
Nach denen Kindern und Bluts-Verwandten in absteigender
Linie kommt die Successions-Ordnung 1mò an Elteren und Bluts-Befreunde in
aufsteigender Linie, sowol Vätter- als Mütterlicher Seits, Männ- und Weiblichen
Geschlechts, soweit solches gehet, und zwar 2dò allzeit an die nähere, mit
Ausschluß deren weiteren, immassen das Jus Repræsentationis in Ascendentibus
niemal Statt hat. Dafern nun 3tiò derenselben mehr seynd, so succediren die in
ersten und gleichen Grad, nemlich Vatter und Mutter in Capita, und eben so
verhalt es sich 4tò mit denen von zweyt- oder weitern doch gleichen Grad,
sofern sie sammentlich von einerley nemlich von Vätter- oder Mütterlicher Seite
seynd, die von unterschiedlicher Seite aber gehen solchenfalls in Stirpes. 5tò
wird auf die Ankunft des Vermögens, und ob solches nemlich von Vätter- oder
Mütterlicher Seite auf den Erblasser gekommen seye, nicht mehr gesehen,
nachdeme es einmal seinem Patrimonio vermischt worden ist. 6tò Seynd sowol
Stief- als Tauf- und Firmungs- Elteren,
(309) wie auch Angewunschene von der Succession excludirt,
ausgenommen bey Arrogatis, welche erst nach erlangter Vogtbarkeit verstorben,
oder ab Ascendente adoptirt seynd. 7mo Erben uneheliche Elteren ihre per
subsequens Matrimonium legitimirte Kinder, wie eheliche. Denen per Rescriptum
legitimirten aber, wie auch unehelichen succediren sie 8vò in der nemlichen
Mas, als ihnen obgedachtermassen hingwiederum von dergleichen Kindern und
Descendenten succedirt wird. Obwol übrigens 9no die Collateral-Verwandte von
denen Ascendentibus in der Erbfolg regulariter ausgeschlossen seynd, so ist
doch ein anderes, wenn neben ihnen auch zweybändige Geschwistert, oder wenigst
dergleichen Geschwistert-Kinder von dem Verstorbenen concurriren, dann beede
pflegen mit denen Ascendenten zu erben, und zwar die Geschwistert mit ihnen in
Capita, Geschwistert-Kinder aber in Stirpes ohne Unterschied, ob sie mit dem
Ascendentibus allein, oder mit ihnen Geschwistern zugleich eintreffen, welch-
alles sich jedoch weder auf einbändige Geschwistert noch auf Enkel von
zweybändigen Geschwistern, vielweniger weiter extendirt.
In
der Seiten oder Collateral-Linie.
§.
4. Unter des Verstorbenen Collateral-Befreunden succediren 1mò am ersten seine
zweybändige Geschwistert, welche nemlich einerley Vatter und Mutter mit ihm
gehabt haben (Fratres vel Sorores Germanæ) und zwar in der Capita, mit und
nebst denenselben aber 2dò auch die Kinder von zweybändigen Geschwisterten in
Stirpes, oder sofern sie unter sich allein seynd, und Jure proprio kommen,
ebenfalls in Capita. Nach denenselben kommen sodann 3tiò erst die einbändige
Geschwistert, sowol die von Vatter (Consanguinei) als von der Mutter (Uterini)
und zwar beede in Capita, mit und neben ihnen aber 4tò die Kinder von
dergleichen Halb-Geschwisterten in Stirpes, oder da sie unter sich allein
seynd, und Jure proprio kommen, in Capita, doch bleibt es der Ober-Pfälzischen
Landen halber bey dem, was in selbigen Landes-Statutis tit. 9. pag. 311. §vò
Jedoch von dem Concurs ein- und zweybändiger Geschwistert oder
Geschwister-Kinder besonders verordnet ist. 5tò Pflegt man bey einbändigen
Geschwistern nicht darauf zu sehen, woher der verstorbene Halb-Bruder sein
hinterlassenes Vermögen bekommen habe, ausgenommen in Feudis &
Fideicommissis. 6tò Gehet Jus Repræsentationis in Linea collaterali niemal
weiter, als auf Geschwistert-Kinder. Bey denen übrigen
(310)
Seiten-Verwandten trift 7mo die Successions-Ordnung allzeit den näheren mit
Ausschluß des weiteren Gesippten, und ist 8vò die Erbfolg auf keine gewisse
Grad hierin eingeschränkt, 9no Arrogati oder ab Ascendente Adoptati, wieauch
per subsequens Matrimonium Legitimati gehen anderen natürlich-rechtmässigen
Erben disfalls gleich. Wohingegen 10mò Illegitimi oder per Rescriptum
Legitimati nur in Subsidium und bey ermanglenden anderen rechtmässigen
Befreunden succediren.
Von
der Erbfolg des Fisci, oder deren Collegien und Eheleuten.
§.
5. Hinterlaßt der Verstorbene weder in ab- noch aufsteigender oder Collateral-
Linie einen Bluts-Verwandten, so fallt 1mò die Verlassenschaft als ein
vacirendes Gut auf den Fiscum, jedoch dergestalt, daß er statt des Erbens ist,
mithin um alle daherrührende Forderungen, Legata, und anderes nach denen
Kräften des an sich gebrachten Vermögens haften muß. 2dò Was das Römische Recht
de Successione Collegiorum in Bonis Militum, Decurionum &c. verordnet, ist
in hiesigen Landen nicht gebräuchig, und laßt sich destoweniger auf Spitäler,
Bruderschaften, Gemeinden und dergleichen Corpora ohne besonders erweislichen
Herkommen und Privilegio appliciren, endlich siehe auch 3tiò von Succession
deren Eheluten oben Part. 1. cap. 6. §. 35. &c.
§.
6. Von Succession Geistlicher Personen.
Clerici
oder Welt-Geistliche succediren 1mò anderen ab Intestato auf die nemliche Art,
wie weltliche Personen, und wird ihnen 2dò hinwiederum auch ebenso von anderen
succedirt, ausgenommen was 3tiò nicht ihrer eigene Patrimonial- oder ersparrte
(!) Güter, sonder Bona Prospectu Ecclesiæ acquisita belangt, als worin sich die
Succession lediglich nach denen geistlichen Rechten, Concordaten und der
Observanz regulirt. Bettel-Ordens Professi seynd 4tò obverstandenermassen aller
Erbfolg, sowol ex Testamento, als ab Intestato, ganz und gar unfähig. Andere
Mönch und Religiosen hingegen , welche 5tò nicht von Bettel-Orden seynd,
succediren zwar anderen sowol vor- alls nach abgelegter Profession wie
weltliche Personen, soweit keine Renunciation oder andere rechtliche Hindernuß
im Weg siehet (!). Doch werden sie 6tò nach der Profession bey denen annoch in
ihren Lebzeiten sich ergebenden Erb-Fällen von dem Closter vertretten,
anerwogen demselben 7mo ohnehin alles, was sie haben, erlangen, oder
hinterlassen von Rechts-wegen zugehört.
(311)
Vierter Theil Des Neuen Chur-Bayrischen Land-Rechts.
Erstes
Capitul
Von
der Convention und denen hieraus entspringenden Pflichten (Obligationibus
personalibus) überhaupt.
§.
1. Von der Personal-Obligation.
Die
Pflicht und Verbindlichkeit etwas zu geben, zu thun, zu lassen oder zu leiden,
rührt 1mò entweder aus dem natürlich- oder Bürgerlichen Recht, oder von beeden
zugleich her. Die erste heißt Obligatio Naturalis, die andere Civilis, die
dritte Mixta. Falls nun 2dò dieselbe nicht unmittelbar von dem Gesatz selbst
auferlegt ist, sondern den Consens desjenigen voraussetzt, welcher dadurch
obligat gemacht werden soll, so wird es Obligatio personalis genannt, und
(312)
ergiebt sich auf dreyerley Weis, nemlich aus blosser Zusag, Geding oder
Verbrechen, (Pollicitatione, Conventione vel Delicto.). Von Obligationibus ex
Delicto siehe unten cap. 16. von den ersten beeden aber §vos seq.
Von
der Pollicitation.
§.
2. Solang die Zusag nicht acceptirt ist, sondern in Terminis eines einseitigen
Versprechens bleibt, solang wird sie auch nur eine Pollicitation genannt, und
ziehet keine Verbindlichkeit nach sich, ausser unter folgenden drey Requisiten,
nemlich 1mò muß das Versprechen dem Publico oder einer Gemeinde zum Besten
geschehen, 2dò mit der Vollstreckung desselben bereits der Anfang gemacht, oder
wenigst eine rechtmässige Ursach dazu vorhanden, 3tiò an allem, was sowol auf
Seiten des Versprechers, als sonst zu einem Pacto erforderlich ist, weiter
nichts als die Acceptation abgängig seyn. In diesen sammentlichen Umständen
erlangt die Pollicitation die Eigenschaft eines Pacti vel Contractûs, und thut
mithin auch die nemliche Würkung. Ob und wie weit aber ein Votum oder
Geistliches Gelübde, welches gegen Gott geschiehet, von einer Kraft und
Verbindlichkeit seye, ist mit mehreren in dem Geistlichen Recht versehen.
§.
3. Von Conventionen oder Contracten.
Conventiones,
Kraft welcher sich nemlich zwey oder mehr dahin vereinigen, daß sie einander zu
etwas verbunden seyn wollen, werden zwar nach Römischen Recht in Pacta &
Contractus getheilt, und unter denen letzteren jene Conventiones verstanden,
welche entweder einen legalen Namen, und gewisse Form, oder wenigst eine Causam
haben. Nachdeme aber heut zu Tag alle Pactis die nemliche Kraft und Würkung,
wie einem Contract beygelegt ist, so fallt auch obige Abtheilung samt dem
Unterschied zwischen denen sogenannten Pactis nudis, Legitimis, vestitis vel
adjectis hinweg. Soviel nun die Specialia eines jeden Contracts besonders
anlangt, siehe cap. 2. & seq. Die Generalia aber, welche bey allen Pactis
und Contractibus soweit nicht in ein- und anderen besondere Limitation und
Ausnahm gemacht ist, überhauht (!) einschlagen siehe §vos seq.
(313)
§. 4. Wie vielerley die Contracten seynd?
Contractus
werden insgemein in Veros vel Quasi, Nominatos, Innominatos, Reales,
Consensuales, Verbales, Litterales getheilt. Von Quasi Contractibus siehe cap.
seq. 13. von Veris und Nominatis cap. 2. &c. von Realibus ibidem. Von
Consensualibus cap. 3. &c. Von Realibus cap. 10 und von Litteralibus cap. 11.
Im übrigen seynd auch heut zu Tag alle Contractus bonæ Fidei, und hört mithin
zwischen diesen und denen Contractibus stricti Juris aller Unterschied auf.
§.
5. Von den innerlichen Requisitis derselben.
Die
Essential- und innerliche Requisita, ohne welchen keine Conventionen von Kraft
und Gültigkeit seyn mag, bestehen 1mò in dem Versprechen eines und der Annahm
anderen Theils, folglich in sammentlicher Paciscenten einmüthiger Bewilligung
und Einverständnuss auf dasjenige, zu was sie sich einander verbundlich, und
anheischig machen wollen. Es wird aber auch 2dò ein wahr- vollkommen-
ernstlich- und freyer Will oder Consens hierzu allerseits erfordert, woraus
sich 3tiò von selbst ergiebt, daß blosse Vorschlag oder Tractaten für keine
Convention zu achten, mithin die tractirende Theil vor dem endlich und
vollkommenen Schluß nicht daran gebunden seynd. Vielweniger verbindet 4tò
dasjenige, was man nur im Scherz, auf den blossen Schein, aus Irrthum, Zwang,
gefährlicher Hinderlist einander zugesagt hat, jedoch mit der in folgenden
25isten §vo bemerkter Modification, und andersgestalt niemal, als auf
gnüglichen Beweis dergleichen angebliche Umständen. 5tò Muß der beederseitige
Consens entweder ausdrücklich mit Worten, oder wenigst stillschweigend mit
Werken durch äusserlich und Welt übliche Zeichen deutlich und verständlich
declarirt seyn. Dahingegen ist 6tò das blosse Stillschweigen ohne Werk ausser
deren durch Gesatz und Ordnung besonders determinirter Fällen hierzu nicht
hinreichend. 7mò Verstehet sich das, was von der Einwilligung hier gemeldet
wird, nur von Contractibus Veris, massen in Quasi- Contractibus der Consens
auch ohne und zuweilen gar wieder Willen deren Interessenten von dem Gesatz
selbst ersetzt wird.
(314)
Sonderbar von der Schrift
Daß
man geschlossene Handlungen zu papier bringe, ist zwar 1mò der leichteren Prob
und Gedächtnuß wegen rathsam, nicht aber nothwendig, ohne wo solches 2dò sub
Pœna Nullitatis specaliter bedungen. Oder in denen Rechten verordnet wird, in
welchen beeden Fällen kein Theil vor würklicher Brief Errichtung an den
Contract, ausser soviel den etwan hierunter bedungenen Pœnfall betrift,
gebunden ist. Die Vorlesung des hierüber verfertigten schriftlichen Instruments
wird zwar 3tiò nur bey Lesens unkündigen Personen sub Pœna Nullitatis
erfordert, jedoch in Zweifel allzeit solang præsumirt, bis das Wiederspiel
genugsam erwiesen ist. Immasse 4tò dergleichen Personen, wenn sie contrahiren
wollen, solches ohnehin niemal anders als vor Obrigkeit oder wenigst vor dem
Notario oder gnugsamen Gezeugen thun sollen, damit man auf diese Weis des
Consens halber sattsam von ihnen gesichert seyn möge. 5tò haben auch die
Contrahenten bey aussergerichtlichen schriftlichen Handlungen die gewöhnliche
Unterzeichnung nicht ausser Acht zu lassen, weil ansonst dafür gehalten wird,
daß der Handel noch nicht völlig geschlossen, sondern nur im Werk und Vorhaben
gewest seye. Im übrigen liegt 6tò nichts daran, ob das errichtete Instrument
von einem aus beederseitigen Contrahenten selbst eigenhändig, oder von einem Dritten
geschrieben seye, wenn solches nur von dem Aussteller, oder wo deren mehr
seynd, von ihnen sammentlich gebührend unterzeichnet ist. 7mò Bleibt es endlich
des Sigel-Papiers halber sowol in schriftlichen Contracten, als all anderen
Handlungen bey deme, was die hierinfalls erlassene Generalia des mehreren mit
sich bringen. Von Ausdruckung der Causæ debendi in schriftlichen Instrumenten
aber siehe Cod. Jud. Cap. 11. §. 9. n. 3.
§.
7. Aeusserliche Sollenitäten derselben
Conventiones
erforderen regulariter keine äusserliche Zierlichkeit. Solchemnach können
dieselbe 1mò sowol in Gegenwart als Abwesenheit deren Paciscenten durch
Correspondenz oder Anwaldschaft gepflogen werden, und ist auch eins, ob der
Handel auf einmal in uno Actu continuo, oder auf unterbrochene Weis zum Stand
kommt. 2dò Kan auch ein jeder Contract in Arbitrium Tertii conferirt werden,
falls aber der Dritte benannte nicht arbitriren will oder nicht kan, so fallt
die Handlung von der Convention nd denen entspringenden Pflichten
(315)
soweit zusammen, als sie desselben Willkur überlassen worden. 3tiò Ist weder
die Obrigkeitliche Errichtung noch Confirmation oder Begnehmung, soweit es
nicht besonders ausgedungen, oder in denen Rechten verordnet wird, hierinfalls
von einer Nothwendigkeit. Gleiche Beschaffenheit hat es 4tò mit Certiorir und
Erinnerung deren hierin enthaltener Pflichten, Rechten und Wohlthaten,
augenommen soviel die in denen Rechten specialiter benannte Fälle betrift.
Endlichen braucht es auch 5tò nach beschlossener Handlung keiner besonderer
Ratification mehr, es sey dann daß man für einen anderen in seiner Abwesenheit
ohne gnugsamer Vollmacht schliesset.
§.
8. Von Conventionibus sub Conditione
1mò
Conditiones Natura, Lege aut Facto Impossibiles, das ist solche Bedingnussen,
welche gegen die Natur lauffen, oder so beschaffen seynd, daß ein Verbrechen
daraus erfolgt, item Conditiones perplexæ, welche nemlich so verwirrt und
dunkel seynd, daß man nicht weiß, was Paciscenten damit gewolt haben. Werden in
Contracten nicht, wie in letzten Willen, pro non adjectis gehalten, sondern es
wird vielmehr die Convention dadurch entkräftet. Die nemliche Bewandnuß hat es
2dò mit jenen Bedingnussen, Kraft welcher die Verbindlichkeit lediglich dem
freyen Willen des Debitoris z. E. per Verba: wenn er mag, oder will,
heimgestellt bleibt. Ein anderes ist, wenn dergleichen Bedingnussen nicht
soviel Substantiam Obligationis, als den Modum Solutionis betreffen, z. E. per
Verba: Daß die Zahlung nach guter Gelegenheit geschehen soll. 3tiò Conditiones
casuales, potestativæ vel mixtæ seynd in Conventionibus entweder suspensivæ
oder resolutivæ, durch beede wird zwar der Contract auf ungewisse künftige
Fälle ausgestellt, jedoch mit dem Unterschied, daß erstenfalls sowol die
Obligation als Action solang in suspenso verbleibt, bis die Condition existirt
oder ermanglet. Anderenfalls aber wird weder die Obligation noch Action
aufgeschoben, sondern nur bey ermanglender Condition wiederum aufgelößt, und
bey existirender bestättiget. In Zweifel pflegt man 4tò jede Condition allzeit
mehr pro resolutiva als suspensiva zu halten. 5tò Was nicht auf künftige,
sondern nur auf gegenwärtig oder vergangene Fälle ausgestellt wird, das hat
niemal Vim Conditionis, sondern ist entweder Casu existente gleich von
(316)
Kraft und Gültigkeit, oder deficiente gleich ungültig und kraftlos. 6tò Solang
die Condition weder existirt noch ermanglet, sondern in pendenti ist, solang
kann sie auch ohne Einwilligung sammentlicher Compaciscenten nicht
zuruckgenommen werden, und wird auch 7mò Spes Obligationis auf die Erben,
sofern die dem Verstorbenen vorgeschriebenen Bedingung auch von ihnen erfüllt
werden kan, active & passive transmittirt, folglich durch den pendente
Conditione erfolgten Todfall nicht so, wie bei letztwilligen Dispositionen, aufgehoben.
8vò Werden auch erfüllte Conditiones auf die Zeit des geschlossenen Contracts
retrotrahirt, mithin dieser gleich von selber Zeit an für purificirt gehalten.
In all übrigen Stücken ist 9nò das nemliche Schicklichermassen allhier zu
beobachten, was oben part. 3. cap. 3. §. 10. n. 2. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 13.
14. 15. 16. & 17. von Conditionibus in letztwilligen Dispositionen versehen
ist.
§.
9. Oder sub Die
Oeffters
wird eine Zeit in der Convention benannt, und zwar 1mò in unterschiedlicher
Absicht, nemlich fürs Erste die Præstation dadurch zu multipliciren, z. E. wenn
man monatlich oder Jährlich hundert Schulden , welchenfalls der ganze monatlich
respective jährliche Betrag allemal gleich zu Anfang jeden Monats, respective
Jahrs begehrt werden mag, sofern nicht der Zahlung halber ein anderes
specialiter versehen, oder hergebracht ist. Zweytens um die gesetzte Bedingnuß
dahin einzuschränken, drittens der Obligation das Ende oder viertens den Anfang
dadurch zu bestimmen. In diesem letzteren Fall ist 2dò unter der gewiss- und
ungewisser Zeit ein wolmerklicher Unterschied, dann bey Bestimmung einer
gewisser Zeit, z. E. auf nächstkünftige Ostern ist zwar der Contract sogleich
in seiner Perfection, aber die Execution desselben bleibt bis zu den bestimmten
Termin ausgestellt, und sagt das Juridische Sprichwort: Cessit quidem, sed
nondum venit Dies. Eine ungewisse Zeit kan 3tiò auf dreyerley Weis ungewiss
seyn. Erstens da man nicht weiß, ob und wenn sie kommen werde, z. E. sobald
sich Cajus verehelichet. Zweitens da man nicht weiß, ob sie kommen wird, z. E.
sobald Cajus die Großjährigkeit erlangt. Drittens da man nicht weiß, wann sie
kommt, z. Ex.
(317)
sobald Cajus stirbt. Der erste und andere Casus werden pro Conditionibus
geachtet, und bleibt sowol die Action als Obligation in suspenso, folglich
kommt auch der Contract ante Existentiam Diei nicht zu seiner Perfection. Bey
dem dritten Casu aber wird es gehalten, wie in Bestimmung einer gewisser Zeit.
§. 10. Oder sub Modo, Causa, Demonstratione.
Demonstratio,
Causa, Modus suspendiren 1mò weder Obligationem noch Actionem, und wird auch
2dò die Convention durch eine falsche Demonstration niemal , wol aber 3tiò per
Causam entkräftet, wenn sie auf einen solchen Betrug oder Irrthum beruhet,
welcher Nullitatem Actus von Rechtswegen nach sich ziehen kan. 4tò Muß der
Modus auf die nemliche Art, wie die Condition, erfüllt werden, ausser dessen
wird die Obligation wiederum aufgelößt.
§.
11. De Arrha vel Pœna conventionali.
Arrha
conventionalis, oder das sogenannte Wein-Ding-Haftel oder daran Geld, welches
die Paciscenten zum Zeichen ihrer vollkommener Einverständnuß öffters einander
zu geben, oder zu bedingen pflegen, wird 1mò für ein blosses Accessorium der
Haupthandlung geachtet, fallt und bestehet also mit selber, und ist auch kein
Theil ohne Einwilligung des anderen von der Haupt-Obligation dadurch
entlediget, wenn er die Arrham wieder zuruckgiebt, oder fallen laßt, es seye
dann ein anderes ausdrücklich bedungen. Von der nemlichen Art und Eigenschaft
ist 2dò Pœna conventionalis oder der Pœnfall, welcher auf den
Contraventions-Fall zuweilen paßirt wird, massen der Uebertretter ohngeacht des
entrichteten Pœnfalls nichtsdestoweniger in der Hauptsach selbst obligat
bleibt, ausser soweit per Pactum ein anderes beliebt ist.
§.
12. Wer paßiren könne
Regulariter
kan jeder paßiren, ausgenommen 1mò jene, denen es an gnugsamen Willen oder
Verstand ermanglet, z. E. Kinder, Unsinnig- Schlaffend. Stark Betrunkene und
dergleichen, welches sich jedoch nur von Contractibus Veris verstehet, dann in
Quasi Contractibus seynd auch diese nicht eximirt.
(318)
2dò kan kein Advocat mit seinen Clienten um die Quotam Litis, und kein Arzt
oder Medicus mit seinem Patienten um der Gesundheit wegen handlen. Von
Contracten und Handlungen der Ehe-Frauen siehe oben Part. 1. cap. 6. Von
Minderjährigen oder Curatelmässigen ibid. Cap. 7. Wie weit aber einer für den
anderen, oder ein Jud mit Christen contrahiren möge, siehe nächstfolgende §vos.
§.
13. Ob man für andere pariren kann?
1mò
Kan für all jene, welche man von Vätterlicher Gewalt, Curatel, Anwaldschaft,
und sonst von Rechts-wegen zu vertretten hat, stipulirt werden. Für andere
Dritte hingegen gehet solches 2dò nur soweit an, als ihnen dieses nutzlich seyn
mag, und nach der Hand ratificirt oder angenommen wird. Es ist auch
solchenfalls 3tiò zu unterscheiden, ob für einen Dritten privative, conjunctive
oder alternative stipulirt worden seye, erstenfalls laßt das Römische Recht die
Stipulation gar nicht, anderenfalls nur zur Helfte, oder soviel den Theil des
Stipulantens betrift, letzterenfalls aber ganz, jedoch in Ansehen des Drittens
auch nur soweit gelten, daß er pro adjecto Solutionis causa geachtet wird,
folglich zwar statt de Stipulantens die Bezahlung ad Effectum Liberationis
annehmen, nicht aber forderen, vielweniger sich etwas davon zueignen kan. Nach
teutsch und hiesigen Lands-Gebrauch aber gilt die Stipulation in allen drey
Fällen ganz, und kommt dem Dritten im ersten Fall allein, und privative,
andernfalls zu gleichen Theilen, sofern kein mehr oder minderes für ihn
ausdrücklich pactirt ist, und letzterenfalls antweder ihm oder dem Stipulanten,
welchen nemlich der Debitor von beeden erwählt, allein zu Guten.
§.
14. Von Pactis zwischen Juden und Christen
1mò
Gilt Vermög Churfürstlichen Decrets von Anno 1751 wieauch voriger Landsordnung
und Freyheit zwischen Juden und Christen überhaupt kein Contract oder Handlung,
sie mag Namen haben, wie sie wolle, ausgenommen, soviel die mit Churfürstlichen
Passen und Toleranzen versehene Juden, oder ausser Land getroffene Handlungen
betrift, doch soll auch 2dò bey der gleichen erlaubten Handlungen der
Reichs-Abschied von Anno 1551. §. 79. beobachtet, mithin selbe allzeit vor des
contrahirenden Christen Obrigkeit, oder wenn die (319) Verschreibung auf
offenen freyen Märkten geschiehet, vor der Obrigkeit selbigen Orts sub Pœna
Nullitatis entrichtet werden, welches sich jedoch hier zu Land nur von
unsiegelmässigen Personen verstehet. Desgleichen hat es 3tiò wegen Cedir- oder
Transportirung solcher Forderungen, welche Juden gegen Christen haben, wie auch
deren wucherlichen Contracten halber bey deme, was in denen
Reichs-Constitutionibus und respective oben part. 2. cap. 3. §. 8. num. 3.
verordnet ist, noch ferner kein Bewenden.
§.
15. in was für Sachen die Convention Statt habe?
1mò
Kann über alle sowol cörperlich als uncörperliche, gegenwärtig und zukünftige
Sachen pactirt werden, soweit sie nicht specialiter ausgenommen seynd. 2dò Mag
man mehr und unterschiedliche Sachen zugleich in Stipulationem bringen,
welchenfalls man auch zu allen und sammentlichen verbunden ist, ausgenommen in
Stipulationibus disjunctivis & alternativis, da man nemlich nur dieses oder
jenes verspricht, dann darin hat der Debitor oder Versprecher bis zur
Auslieferung die Wahl, was er für eines von beeden præstiren wolle, es seye
dann eins von beeden nicht mehr vorhanden, oder der Wahl halber ein anderes
bedungen. 3tiò Wird eine Sach öffters als einmal versprochen, so ist man solche
nichtsdestoweniger nur einmal zu præstiren schuldig, sofern nicht aus dem Versprechen
ein anderes klar und soviel erscheint, daß es Multiplicationsweis geschehen
seye.
§.
16. Was für Sachen davon ausgenommen?
Die
Convention hat in folgenden Sachen nicht statt. 1mò In Sachen, welche Natura
vel Lege impossibiles seynd, das ist, solche Dinge, welche entweder gegen die
Natur, oder gegen Ehrbarkeit, Gesatz und Ordnung, oder einem Dritten zu
Præjuditz gehen. 2dò In Sachen, welche nicht nur zur Zeit des Contracts,
sondern auch sonst in ihrer ganzen Art ungewiß und allzugeneral seynd, z. E.
Wein, Getreid, und dergleichen, ohne daß die Qualität oder Quantität desselben
bestimmt, oder die Bestimmung wenigst dem Creditori, oder einem Dritten
überlassen wäre. 3tiò In fremden oder gar extra Commercium schwebenden Sachen,
doch muß hierinfalls der Versprecher unpartheyischen Anschlag nach das
Interesse præstiren, es seye dann, daß der andere, dem solche versprochen
worden,
(320)
von Beschaffenheit der Sach Wissenschaft gehabt hat. 4tò In Sachen, welche
demjenigen, der die Vermög des Contracts haben soll, ohnehin schon zugehörig
seynd. Ob und wie weit übrigens 5tò die Pacta über künftige Erbschaften gelten,
siehe oben Part. 3. cap. 11. §. 1. &c. und unten cap. 4. §. 7.
§.
17. Von Versprechung eines Facti
Es
pflegen nicht nur Sachen, sondern auch Facta versprochen zu werden. Jene nennet
man Stipulationes dandi, diese faciendi, und bestehet 1mò der Unterschied
zwischen beeden darin, daß bey den letzteren der Versprecher die Wahl hat, ob
er das Factum selbst, oder nur das Interesse, soviel nemlich dem Gegentheil
daran gelegen ist, præstiren wolle, wohingegen in Stipulatione dandi der
Versprecher von Entrichtung der Sach, sofern er sie anders hat, oder haben
kann, durch Præstirung des Interesse nicht befreyet wird. Es müssen aber auch
2dò die versprochene Facta weder Natura noch Lege impossibilia seyn, sonst ist
man dazu keines Wegs verbunden. 3tiò das Versprechen eines Facti alieni,
welches nemlich ein Dritter verrichten soll, hat in Ansehen des Versprechers
oder derjenigen, welche entweder von ihm hierin vertretten werden, oder ihn zu
vertretten haben, soviele Würkung, daß das Factum selbst verschaft, oder
wenigst das Interesse præstirt werden muß, es seye dann, daß man sich 4tò
hierunter nur zur blossen Bemüh- oder Vermittlung anheischig gemacht hat, welchenfalls
dem Versprechen ein Gnügen geschiehet, wenn nur gebührender Fleiß verwendet
wird. 5tò Ist auch hier die Rede nur von Factis nudis & simplicibus, welche
in einer blossen Verrichtung, z. E. in einer Fürbitt bestehen, anerwogen die
andere Facta, welche einen besonderen Effectum Juris nach sich ziehen, z. E.
Verkauffen, Vertauschen, Verpachten, Vererbrechten, Darlehnen, und dergleichen
nicht unter die Stipulationes faciendi, sondern dandi gerechnet werden,
folglich auch hierbey nicht mehr in des Versprechers Wahl stehet, ob er Rem
oder Interesse præstiren wolle, welche Meinung es auch mit Factis hat, worin
die Rechten eine besondere Ausnahm machen, z. E. mit Scharwerken und anderen.
6tò Verstehet man unter denen Factis auch non Facta, da man nemlich etwas zu
unterlassen hat, oder zu leiden haben soll.
(321)
§. 18. Von dem Beweiß oder Auslegung einer Convention
Pacta
beruhen überhaupt auf der Geschicht, müssen mithin von dem, der sich hierauf
beziehet, genüglich dargethan werden, und da sich über deren wahren Verstand
allenfalls ein bitlicher Zweifel ergiebt, so hat man mit der Auslegung ebenso,
wie oben Part. 3. cap. 2. §. 12. von letzwilligen Dispositionen des mehreren
versehen ist, zu verfahren.
§.
19. Würkungen derselben.
Die
Würkung eines Pacti überhaupt ist 1mò auf Seiten des Versprechers die
Obligation das Versprochene zu erfüllen, auf Seiten des Annehmers aber das
Recht die Erfüllung zu forderen, zu welchem Ende diesem letzteren 2dò die
sogenannte Actio vel Condictio ex Pacto gegen jenen eingeraumt ist. 3tiò In
Contractibus bilateralibus, da man sich auf beeden Seiten gegeneinander
verbindet, erwachset auch eine reciprocirliche Action, respective Obligation.
4tò Erstreckt sich obverstandene Würkung regulariter, und soweit keine
besondere Limitation gemacht wird, sowol active als passive auf deren
Paciscenten Erben und Erbens-Erben, ohngeacht derenselben in der Convention
keine ausdrückliche Meldung gemacht worden, und wenn gleich 5tò die Convention
so beschaffen ist, daß sie durch den Tod erlöscht, so gehet doch die hieraus
erwachsene Action und Obligatio quo ad Præteritum auf die Erben. 6tò Ist
zwischen theil- und untheilbaren Sachen ein Unterschied. Bey jenen gehet Jus
vel Obligatio ex Pacto nur pro Parte hæreditaria auf jeden Erben, und gilt ohne
Miteinstimmung deren hierunter interessirter Creditorum zu deren Præjudiz das
Pactum inter Cohæredes nicht einmal, Kraft dessen nur ein- oder anderer aus
ihnen allein die Schuld zu bezahlen haben soll, bey untheilbaren Sachen aber
gehet Jus & Obligatio auf jeden Erben ganz, jedoch dergestalten, daß er in
Activis die übrigen Miterben Hierum vergnügen, in Passivis aber von ihnen
vergnügt werden muß. Auf Successores singulares erstreckt sich 7mò das Pactum
nicht, ausgenommen wenn solches die Sach selbst afficirt, welches aber in
Zweifel nicht gemuthmasset wird. 8vò Ist auch kein Dritter regulariter daran
gebunden, ohngeacht er etwan sich als Unterhändler haben gebrauchen lassen,
oder die Convention von Amts-Obrigkeit-Beystands oder Gezeugschafts- wegen
bestättiget, besieglet, oder unterzeichnet hat.
(322)
Wie weit aber 9nò die Obligation oder Action sich auf Correos ausdähnen lasse,
siehe §. seq. 21. item wie weit die Paciscenten um die Culpam, Dolum vel Casum
gegeneinander haften, siehe nächstfolgenden §. 20.
§. 20.
De Præstatione Doli, Culpæ, vel Casus in Conventionibus
Dolum,
Culpam vel Casum in Conventione præstiren, heißt soviel als den Schaden oder
Verlust erstatten, welcher sich mittels des Contracts durch bösen Fürsatz oder
Fahrlässigkeit eines von beeden Contrahenten oder durch unversehenen
Unglücks-Fall ergiebt. Soviel nun 1mò Dolum belangt , muß solcher nicht nur in
allen Conventionen præstirt werden, sondern wie und welchergestalt hieraus
öffters gar eine Nullität erwachse, siehe unten im folgenden 25isten §vo. Die
Fahrlässigkeit oder Culpa hat 2dò ihre Gradus, und wird in latam, levem &
levissimam getheilt. Die erste gehet in Civilibus dem Dolo gleich, die zweyte
pflegt man in Conventionen, welche zu beederseitiger Contrahenten Vortheil
abziehlen, zu præstiren, die dritte endlich fallt jenem zu Last, dem der
Contract allein zu Guten angesehen ist, welch-alles sich jedoch nur in Regula
verstehet, soweit nemlich die Rechten oder Geding keine besondere Ausnahm
machen. 3tiò Beruhet zwar Gradus Culpæ lediglich auf Beschaffenheit der
schuldhaften Person, dann anderen Umständen und deren richterlicher
Ermässigung. Gemeiniglich aber verstehet man unter der ersten die Verabsaumung
der allergemeinister Sorgfalt, welche fast jeder mit fünf Sinnen begabter
Mensch nicht beyseitsetzt, unter der zweyten die Ausserachtlassung jener
Sorgfalt, welche ein klug- und fleissiger Mensch in Obacht nimmt, unter der
dritten die Vernachlässigung dessen, was nur von denen klügist- und
aufmerksamsten Leuten beobachtet zu werden pflegt. 4tò Kan derjenige, welcher
an dem erfolgten Schaden oder Verlust selbst mit in Culpa ist, von dem anderen
schuldhaften Theil derwegen niemal eine Erstattung begehren. 5tò Wird endlich
Casus mere fortuitus, oder ein unversehener Unglücks-Fall regulariter nicht
præstirt, es seye dann, daß er durch vorläuffige Saumseeligkeit oder sonst zu
præstirende Culpam veranlaßt, oder ein anderes bedungen worden, es liegt auch
die Prob eines solchen unversehenen Zufalls demjenigen, der sich damit zu
entschuldigen sucht, allzeit ob.
(323)
Von der Correalität deren Contrahenten.
§.
21. Wenn zwey oder mehr Paciscenten auf einer Seit gleichsam für einen Mann
stehen, und das nemliche samt und sonders, ganz und in solidum an Jemand
entweder zu forderen oder zu præstiren haben, so heissen sie erstenfalls Correi
credendi vel stipulandi, anderenfalls Correi debendi. Von beeden ist überhaupt
zu merken: 1mò erfordert eine solche Correalität allzeit mehr Paciscenten auf
einer Seit, jedoch nur einerley Convention, und einerley Sach, nicht aber
allzeit einerley Instrument, dann es kan sich solche auch aus unterschiedlichen
Instrumenten ergeben. 2dó Muß sie nicht nur einen oder anderen aus ihnen, oder
jeden zum Theil, sondern omnes & singulos, das ist, alle insgesamt und
jeden besonders, auch im Haupt-Werk einen wie den anderen betreffen. Nebst deme
erheischt zwar 3tiò das Römische Recht, daß alles zu gleicher Zeit, in aller
Anwesenheit, mit allen und jeden, auf einseitig vorläuffige Anfrag, und
anderseits erfolgende gleichförmige Antwort, auch in continenti auf der Stell
geschehe, allein diese und dergleichen Sollennitäten seynd nicht im Gebrauch.
4tò Betrift das Factum Correi auch die andere Correos, sowol in utilibus als
odiosis, jedoch bleibt ihnen der Regress unter sich deshalben gegeneinander
offen. 5tò Ziehet die Correalität eben keine reciprocirliche Bürgschaft unter
Correis nach sich, sofern solche nicht bedungen ist, und wer sich nicht
privativè obligiren kan, der mag sich destoweniger nebst anderen correaliter
obligiren, z. E. eine Weibs-Person mit ihrem Ehe-Mann, oder Intercessions-weis
mit anderen. 6tò Wird dieselbe in Zweifel niemal gemuthmasset, einfolglich wo
die Rechten kein besonderes verordnen, oder aus der Convention per Verba: Samt
und sonders, unzertheilt und unverscheidentlich, einer für alle und alle für
einen, und dergleichen Ausdruckungen ein anderes erscheint, so betrift sie
entweder nur jeden pro ratâ, oder halt so vielerley Obligationes in sich, als
Paciscenten seynd. 7mò Rühret die Correalität nicht allzeit ex Conventione,
sondern auch zuweilen aus einem Verbrechen, oder unmittelbar aus dem Gesatz
selbst, oder einem letzten Willen her. Diese letztere ergibt sich z. E. in dem
Fall, wenn Vermög letztwilliger Disposition mehr Erben zugleich das nemlich in
solidum zu præstiren, oder mehr Collegatarii samt und sonders das nemliche
(324)
zu emfangen (!) haben. Correalitas legalis entstehet öffters in
Vormundschaften, Associationen oder Bürgschaften unter Contutoribus, Consociis
und Confidejussoribus. Von der Correalität ex Delicto siehe cap. Sep. 16. §vo
4. n. 5.
Inbesonderheit
von Correis stipulandi vel credendi.
§.
22. Unter mehr Correis credendi vel stipulandi ist 1mò jeder aus ihnen befugt,
das ganze von dem Debitore communi zu forderen, und hat das Jus Præventionis soweit
Statt, daß, wenn der Debitor einmal von einem Obrigkeitlich belangt ist, er
sodann nach einmal beschehener Insinuation keine Wahl, wie vorhero, mehr hat,
wem er aus ihnen vorzüglich gratificiren wolle. Melden sich aber 2dò mehr
Correi zugleich, so bezahlt der Debitor jeden pro ratâ, und hat das Jus
Præventionis nur gegen die andere, welche sich nicht gemeldet haben, Statt.
Sobald nun 3tò Correus einmal entrichtet ist, sobald ist auch Debitor in
Ansehen all übriger Correorum der Obligation entlediget, ohne Unterschied, ob
die Befriedigung ipso Jure, z. E. durch die Bezahlung, Compensation,
Delegation, oder aber nur Ope Exceptionis, z. E. per Pactum de non petendo, Rem
Judicatam vel Compromissum geschehen, seye, doch bleibt 4tò denen übrigen
Correis der Regress an gedachten Correum ihres gebührenden Antheils halber ohne
Distinction inter Causam lucrativam & onerosam allzeit noch bevor.
Von
Correis debendi
§.
23. 1mò hat zwar Creditor communis regulariter die Wahl, wenn er aus denen
Correis communis debendi belangen wolle, und hat die Exceptio Divisionis
regulariter nicht Statt. Dafern aber 3tiò einer aus ihnen die ganze Schuld
einmal entrichtet hat, so seynd auch die übrige Correi debendi in Ansehen des
Creditoris communis ohne Unterschied, ob die Obligation ipso Jure oder Ope
Exceptionis gefallen seye, liberirt, gegen welche jedoch 5tò dem Correo der
gebührende Regress pro ratâ Debiti annoch bevorbleibt.
Von
Ungültigkeit oder Wiederaufhebung einer Convention.
§.
24 Wie und auf was Weis eine gültige Convention wiederum aufgehoben werde,
siehe unten cap. 14. & 15. Ermanglet es aber der Convention an
obverstandenen Haupt-Requisitis
(325)
zuförderst an dem Consens derjenigen, welche dadurch gebunden werden sollen, so
ist dieselbe gleich anfänglich ungültig, und erlangt die nachfolgende
Ratification und Bestättigung ihre Kraft erst à Tempore Ratificationis.
Sonderbar
von erzwungen- oder durch Irrthum und Hinterlist erschlichenen Conventionen.
§.
25 Nichts ist dem Consens und freyen Willen mehr entgegen und Zwang, Betrug und
Irrthum. Um aber ad 1mum eine Handlung ex Capite Vis Metûsve für null und
nichtig zu achten, wird ein gross- und wiederrechtlicher Zwang erfordert,
welches die Obrigkeit aus der Person, und anderen Umständen zu zu ermessen hat,
und ist hierinfalls eins, ob solcher von einem aus denen Paciscenten selbst,
oder con einem Dritten ausgeübt worden. Ad 2dum ist ein Unterschied, ob der
Betrug nur Facto Tertii oder Partis contrahentis geschehen seye. Erstenfalls
bleibt der Contract fest, und steht dem beleidigten Theil gleichwol frey, den
Dritten um die Schadloshaltung zu belangen, salvâ tamen Restitutione in
integrum, wenn er solche leisten zu können nicht mehr im Stand ist.
Zweytenfalls hat der Beleidigte die Wahl, ob er den Contract umstossen, oder dabey
beharren, und nur Præstationem Doli, das ist, die Schadens-Abthuung begehren
wolle. In Dolo merè incidente, welcher nemlich so beschaffen gewesen, daß der
Contract im Haupt-Werk selbst nichtsdestoweniger seinen Fortgang genommen
hätte, wird nur Præstatio Doli gefordert, nicht aber der Contract deswegen
umgestossen. Ad 3tium giebt der Irrthum keinen hinlänglichen Fug zu
Annullierung einer Convention, ausgenommen unter folgenden zwey Requisitis:
erstlich muß er sich in einem Haupt-Umstand ereignen, anerwogen blosse
Nebendinge, sofern sie nicht ausdrücklich in Bedingnuß gebracht seynd, disfalls
nicht zu Sach thun. Zweytens muß solcher nicht von einem Dritten, sondern von
dem gegentheiligen Compaciscenten selbst Dolo vel Culpâ veranlaßt seyn, sonst
fallt er mehr dem irrenden, als einem anderen zu Last. Ad 4tum Wird auch das
Vitium Metûs Doli, Erroris durch die nachfolgende Ratihabition wiederum völlig
purgirt, wenn Ratificant zur Zeit der Ratification ausser allen Zwang, und
respective von dem vorgegangenen Irrthum oder Betrug gnugsam informirt,
annebens eine solche Person ist, welche sich von Rechts-wegen an andere zu
verbinden vermag.
(326)
Zweytes Capitul
Von
benannten und solchen Conventionen welche mittels würklicher Übergab der Stach
geschehen (Contractibus nominatis & realibus.)
Von
Contractibus nominatis überhaupt.
§.
1. Bei benannten Contracten ist 1mò nicht allemal auf den Namen, welcher ihnen
in dem Instrument beygelegt wird, sondern vielmehr auf die von denen
Paciscenten hierunter geführte Absicht das Augenmerk zu nehmen, sohin daraus
hauptsächlich zu ermessen, in was für einem Contract man eigentlich versire.
2dò Nachdeme der bekannten Rechts-Regul nach: Pact dant Legem Contractibus,
dasjenige, was ausdrücklich hierbey bedungen ist, allzeit in vorzügliche
Beobachtung kommt, so kann ein Contractus nominatus leicht in innominatum
abarten, wenn die entweder gleich anfänglich oder erst hinnach beygefügte
Conditiones und Neben-Geding so beschaffen seynd, daß die Ordinari- und
wesentliche Gestalt des Contracts dadurch alterirt und verändert wird.
Insonderheit
von realibus.
§.
2. Contractus Reales bestehen nur im Darlehen, Leihen, Hinterlegen, Verpfänden,
(mutuo, commodato, deposito, Pignore) und werden zwar darum Reales genannt,
weil sie durch den Consens allein ohne erfolgend- würklicher Uebergab der Sach
nicht zum völligen Stand zu kommen pflegen, falls man aber gleichwol hierin
bereits soweit miteinander verstanden ist, daß nichts mehr als die Uebergab
daran ermanglet, und alles Umstände deutlich zu erkennen geben, daß die
gepflogene Abred keine blosse Tractation oder Vorbereitung mehr, sondern
bereits eine beschlossene Sach gewest, so kan nach heutigem Recht und Gebrauch
hierauf geklagt, und der weigerende Theil zur Uebergab angehalten werden.
(327)
Von Mutuo oder Darlehen. §. 3. Uebergiebt einer dem anderen eine Sach zum
Gebrauch, jedoch eigenthümlich, und mit dem Beding, daß er ihm seiner Zeit eben
dergleichen wiederum geben muß, so ist es ein Darlehen, und würkt 1mò soviel,
daß das Eigenthum der entlehnten Sach von dem Mutuante oder Darlehner auf den
Mutuatarium oder Entlehner gebracht wird, immassen er solche nach beschehener
Uebergab gebrauchen, verzehren, veräusseren, und sonst nach eigenen Belieben
damit schalten und walten darf, hingegen ist zwar 2dò der Entlehner zur
Restitution verbunden, und kan hierum von dem Darlehner Condictione ex Mutuo
belangt werden. Wie aber auch 3tiò das Darlehen nur in Rebus fungibilibus, das
ist, in gleichgültigen und solchen Sachen, womit man nach Zahl, Maß oder
Gewicht zu handlen pflegt, z. E. in Geld, Getreid, Obst, Wein, Bier, Brod,
Fleisch etc. Platz greift, so ist 4tò nicht nöthig, daß das nemliche Gut,
welches entlehnt worden, in eâdem Specie & Individuo wiederum restituirt
werde, sondern es ist gnug, wenn solches nur in eodem Genere, und in der
nemlichen Qualität und Quantität geschiehet, es seye dann 5tò ausdrücklich
bedungen, daß man die Sach in der nemlich- oder einer anderer gewisser Specie
restituiren solle, welchenfalls sich jedoch Creditor in Casu, da die bedungene
Species nicht mehr zu haben ist, mit dem Genere und allenfalliger
Schadloshaltung begnügen muß. Wie und auf was Weis man sich 6tò in Entrichtung
eines Geld-Anlehens bey vorgehenden Münz-Veränderungen zu verhalten habe, siehe
unten cap. 14. §. 7. n. 6. Durch den Untergang oder Verlust des entlehnten Guts
wird 7mo Mutuatarius seiner Schuldigkeit nicht entbunden, sondern haftet
nichtsdestoweniger um die Schuld, weil das verlohrne Gut ihm eigenthümlich
gewest, folglich auch Niemand als ihme selbst zu Grund gegangen ist. 8vò Kann
Mutuans Mutuatarium um die Schuld zwar allzeit belangen, dafern aber eine
gewisse Zahl- oder Aufkündungs- Zeit bedungen ist, so hat die Klag vor Ausgang
derselben nicht Statt, ausgenommen soviel den Punctum Cautionis auf den Fall einer
besorgender Verlusts-Gefahr betrift. 9no Gehet obgedachte Condictio ex Mutuo
nicht nur auf die Haupt-Schuld, sondern auch auf die bedungene, oder wenigst à
Tempore Moræ verfallene, jedoch allerwegen Reichs-Constitutions-mässig- und
Lands-gebräuchige Interessen, nach
(328)
Masgab obigen 2ten Theils 3. cap. 21. §vi n. 5. Wiedersprochene
Schuld-Forderungen müssen 10mò zuförderst von dem Kläger bewiesen werden, ist
aber solchenfalls Substantia Debiti einmal gnüglich dargethan, so kann man den
Glaubiger circa Quantum bey ermanglend- anderweiter Prob oder Gegen-Prob
gestalten Dingen nach zum Schwur kommen lassen, und wenn 11mò Debitor der von
ihm boshafter Weis abgeläugneter Schuld-Forderung überführt werden kann, so
soll er nicht nur zur Bezahlung angehalten, sondern auch gestraft werden. 12mò
Setzt man allzeit voraus, daß das entlehnte Gut dem Darlehner eigenthümlich
zugehört habe, sonst wird das Eigenthum auf den Mutuatarium nicht gebracht,
sondern bleibt dem Proprietario, und kan mithin aller Orten von ihm vindicirt
werden, solang die Sach noch in Naturâ & Specie vorhanden ist.
Exceptio Senatûs Consulti Macedoniani hierinfalls.
§.
4. Stehet Mutuatarius zur Zeit des Anlehens noch unter Vätterlicher Gewalt, so
hat er ohne Unterschied des Geschlechts oder Alters, wie auch seine Erben, und
nicht weniger jene, welche hierinfalls Bürgschaft für ihn geleistet haben,
gegen die allenfalls gestellte Klag Exceptionem Senatûs Consulti Macedoniani,
jedoch mit wolmerklicher Ausnahm in folgenden Fällen. 1tò Wenn die Schuld nicht
Anlehens-weis, sondern durch Kauf oder in andere Weg gemacht worden, es seye
dann glaubwürdige Anzeigung vorhanden, daß dieses mit Fleiß und in Fraudem
Legis, um nur der Handlung einen anderen Namen zu geben, also geschehen seye.
2dò Wenn aus allen Umständen zu vermuthen ist, daß der Darlehner den Zustand
des Mutuatarii weder gewust habe, noch leichterdings habe wissen können. 3tiò
Wenn der Darlehner Tempore Contractûs minderjährig gewest. 4tò Wenn Mutuatarius
mit einem Peculio Castrensi vel Quasi versehen ist, dann da hat die Exception
nur soweit Statt, als das Debitum die Quantitatem Peculii übersteigt. 5tò Wenn
die Schuld entweder von dem Vatter selbst, oder wenigst nach erloschener
Vätterlicher Gewalt von dem Debitore agnoscirt und bestättiget ist. 6tò Wenn
das Darlehen zum nöthigen Unterhalt des Mutuatarii, oder zum Besten seines
Vatters erweislichermassen verwendet worden. 7tò Setzen zwar viel
Rechts-Gelehrte auch den Casum hieher, wenn Mutuatarius dieser Exception
eidlich renuncirt. Nachdem aber dergleichen Renunciationes simplices ohne Eid
nicht gültig
(329)
seynd, so können sie auch als eine gegen Gesatz und Ordnung lauffende Sach mit
dem Eid nicht bestehen.
Von
Commodato oder Leihen.
§.
5. Wenn die Sach nicht eigenthümlich, sondern nur zu einem gewiss- und
bestimmten Gebrauch, auch umsonst und mit dem Beding übergeben wird, daß man
die nemliche Sach noch vollendeten Gebrauch wiederum restituire, so heißt es
geliehen, (Commodatum) und wird derjenige, welcher sie herleihet, Commodans,
der andere hingegen, der sie empfangt, Commodatarius genannt. Es hat 1mò dieser
Contract sowol in cörperlich- als in uncörperlichen, beweglich- oder
unbeweglichen, und all übrigen Sachen soweit Statt, als sie durch den Gebrauch
nicht verzehrt werden. Fremde Sachen können 2dò zwar ebenfalls geliehen werden,
doch würkt dieses nur soviel, daß die Contrahenten unter sich verbunden seynd,
dem Eigenthümer hingegen schadet solches nicht, und kann er die Sach dem
ohngeacht vindiciren, wo er sie findet, anerwogen 3tiò Commodatarius durch den
Contract weder Possessionem noch Dominium, sondern nur das blosse Detentions
Recht nebst der Befugnuß, die geliehene Sach auf die bestimmte Zeit und Weis
gebrauchen zu darffen erlangt, sofort aber 4tò dieselbe nach vollendeten
Gebrauch wiederum ganz und unverlezt in eâdem Specie mit allen Zuwachs und
davon abgefallenen Früchten an Ort und End, wo ihm dieselbe eingeantwortet
worden, auf eigene Kösten restituiren muß. Vor Ausgang der bestimmter Zeit ist
er 5tò zur Restitution nur in dem einzigen Fall gehalten, wenn Commodans der
ausgeliehener Sach erweislichermassen selbst unentbehrlich bedarf, immassen
dieser unversehene Vorfall ohnehin allzeit stillschweigend in dem Contract
ausgenommen bleibt. Ist keine gewisse Zeit bestimmt, so verstehet man 6tò
soviele Zeit hierunter, als der accordirte Gebrauch seiner Eigenschaft nach
erfordert. 7mo Præstirt Commodatarius in Re commodatâ, sofern solche währenden
Contract Schaden leidet, oder gar zu Grund gehet, regulariter nicht nur Dolum,
Culpam latam & levem, sondern auch levissimam, ausgenommen wenn 8vò der
Contract gegen seine Ordinari-Eigenschaft zu beedertheilen, oder gar des
Commodantis alleinigen Besten angesehen ist, dann in dem ersten Fall wird nur
Culpa levis, und in dem letzteren nur Culpa lata und Dolus præstirt. Für
unversehenen Unglücks-Fall stehet er 9no nur alsdann, wenn solcher
(330)
per Moram aut Culpam veranlaßt, oder durch ausdrückliche Pacta auf sich
genommen ist, ausser dessen aber præstirt er Casum fortuitum nach gemeinen
Rechten gar nicht, und nach hiesigen Land-Rechten nur soweit, daß er sich
deswegen mit Commodante auf ein Billiches vergleichen muß, allwo das Jus
Commune in diesem Stück bishero obtinirt hat, beobachtet werden soll. In
Bewahrung der geliehener Sach ist 10mò Commodatarius schuldig den nemlichen,
oder noch mehreren Fleiß, als in eigner Sach zu verwenden, folglich wenn beede
nicht zugleich erhalten werden mögen, jene vorzüglich zu retten, es wäre dann
die eigne von grösseren Werth, welchenfalls er diese vorziehen kan. 11mò Seynd
etwan beede Theil in Culpa, z. E. wenn eine Sach wissentlich zu gefährlichen
Gebrauch geliehen, und hierunter beschädiget, oder gar zu Grund gerichtet wird,
so pflegt man weder ein- noch anderseits Culpam zu præstiren. Geschihet (!)
aber 12mò ein Schaden aus Verschulden desjenigen, welcher die geliehene Sach an
Commodantem wiederum hätte überbringen und auslieferen sollen, so haftet
Commodatarius (salvo tamen Regressu contra Nuncium) hierum, es seye dann die
Bestellung mit Wissen und Willen des Commodantis also gemacht worden. 13tiò Muß
endlich Commodatarius auch für den Gebrauch, welchen er sich über die bestimmt-
oder gebührliche Zeit zueignet, Commodanti billichmässige Satisfaction leisten.
Nebst deme tragt er 14tò die an der geliehener Sach verwendete Ordinari-
Rösten, z. E. Futter und Hufschlag für ein geliehenes Pferd. Dahingegen kan er
15tò die aufgewendete ausserordentliche Kösten, soweit sie mässig, auch nöthig
oder nutzbar seynd, wie nicht weniger 16tò den ex Culpâ latâ vel Dolo Commodantis
erlittenen Schaden, desgleichen 17mo den für die verlohren gegangene Sach
ausgelegten Werth, wenn solche allenfalls nach der Hand wiederum zum Vorschein
kom(m) t, bey Commodante allerdings forderen, und hat hierum 18vò nicht nur Jus
Retentionis und gestalten Dingen nach Compensationis in Re commodatâ Statt,
sondern gleichwie er 19no um all jenes, was ihm obverstandenermassen seines
Orts obliegt, Actione Commodati directâ von Commodante belangt werden mag, also
auch kan er hinwiederum seiner billichmässiger Gegen-Forderungen halber
Commodantem Actione contrariâ belangen. Mit der Exceptione Dominii alieni aber
kan er sich 20mò gegen ihn niemal, und mit der Exceptione
(331)
Dominii proprii nur alsdann schützen, wenn er das angebliche Dominium Rei
commodatæ gleich auf der Stell per Probationes in Continenti liquidas darzuthun
vermag, ausser dessen, und da diese Exceptio altioris Indaginis ist, die
Ausführung derselben gleichwol in Separato noch bevorbleibt.
Von
Precario, oder was auf Versuchen und Wiederruffen gegeben wird.
§.
6. Obwol 1mò unter dem Precario insgemein nur das, was Bitt-weis geschiehet,
verstanden zu werden pflegt, so bestehet doch solches hauptsächlich darin, daß
die Sach dadurch zu einen unbestimmten Gebrauch (ad Usum indeterminatum) und
unter vorbehaltenen beständig- und allmahligen Wiederruf übergeben wird. In all
anderen Stücken kom(m) t 2dò dasselbe mit dem Commodato durchaus übereins, und
ist auch 3tiò die Klag oder Condiction, welche ex Precario sowol ein-als
andererseits entspringt, von obgedachter Actione Commodati directâ, respectivè
contrariâ nur dem Namen nach, nicht aber im Hauptwerk unterschieden. 4tò Ist
zwar gewöhnlich und rathsam, daß man sich in Precario den ungesperrten freyen
Wiederruf ausdrücklich vorbehalte, öffters wird aber auch dieser Vorbehalt aus
denen Umständen stillschweigend gemuthmasset, z. E. inter Familiares, da sich
einer des anderen Sache ohne vorläuffiger Verabredung gebraucht, und
dergleichen.
Von
Deposito oder Hinterlegen.
§.
7. Uebernimmt jemand etwas Gratis in die Verwahr, so nennet man es Depositum,
welches auch 1mò auf stillschweigende Art geschehen kan, wenn eine Sach
übergeben und angenommen wird, ohne daß eine andere Ursach hierunter erscheint,
dann da wird vermuthet, daß dieses nur der blossen Verwahrung halber geschehen
seye. 2dò Mag sowol liegend- als fahrend- eigen- und fremdes Gut deponirt
werden, jedoch soviel das lezte betrift, dem Eigenthümer unabbrüchig. 3tiò Ist
hievon ausgenommen, was Depositario selbst eigenthümlich zustehet, oder sich
nicht verwahren laßt. 4tò Wird die Natur eines Depositi durch Versprech- oder
Annehmung eines blossen Honorarii nicht alterirt, ein anderes ist, wenn man
Lohn hierum bedingt oder empfangt. Die Pflicht und Obliegenheit des Depositarii
bestehet 5tò theils in getreulicher Bewahr- theils unweigerlicher
Wiederausantwortung der ihm anvertrauter Sach. Soviel das
(332)
erste belangt, muß er 6tò Deponenten allen Schaden erstatten, wenn durch sein
des Depositarii Dolum vel Culpam latam das Depositum entweder deteriorirt wird,
oder gar zu Grund gehet. Nebst dem præstirt er auch 7mo nach hiesigem
Land-Recht, und hinfüro auch in der Oberen Pfalz Culpam levem, oder da er sich
etwan ungebettener zur Verwahr anerbotten hat, sogar Culpam levissimam. Sonst
aber haftet er 8vò pro Culpa levissimâ aut Casu fortuito nicht, ausser wo die
in cap. præc. 1. §vo 20. benannte General-Reguln eintreffen. Bey obwaltend-
gemeinschaftlicher Gefahr, wo die deponirt- und seine eigene Sachen nicht
zugleich gerettet werden können, ist er 9no die erste denen letzteren
vorzuziehen nicht schuldig, und weil man 10mò durch gegenwärtigen Contract
weder Eigenthum noch Nutzniessung, oder Possession von der deponirten Sach
erlangt, so ist 11mò Depositario nicht erlaubt, sich des mindesten Gebrauchs
von der Sach ohne Bewilligung des Deponentens anmassen zu darffen, immassen er
wiedrigenfalls nicht nur Satisfaction dafür leisten muß, sondern auch
willkürlich gestraft wird. Die Restitution des Depositi muß 12mò auf
Deponentens allmahliges Begehren von Stund an unverzüglich, an Ort und End, wo
man die Sach übergeben hat, in der nemlichen Specie, mit aller Zugehör und
währenden Deposito abgefallener Nutzung geschehen, hindert auch hieran 13tiò
nicht, daß die in dem Contract benannte Zeit doch nicht ausgeflossen ist, dann
man halt dafür, daß dieser Zusatz nicht dem Depositario, sondern nur dem
Deponenten zum Besten gemacht worden seye, welcher sich mithin sothaner
Wohlthat selbst wiederum begeben kan. Weigert sich Depositarius der
Restitution, oder läugnet das Depositum gar ab, so wird er 14tò hierum
willkürlich, und zwar in Deposito miserabili, welches durch besorglichen
Auslauf, Feuer- Wasser- und andere dergleichen Nöthen veranlaßt worden, nur
desto empfindlicher gestraft. Es muß aber auch 15tò das Depositum auf allenfalligen
Wiederspruch von dem Deponenten gnüglich erwiesen seyn. Insonderheit liegt ihm
16tò bey verschlossen- oder verobsignirten Dingen der Beweis ob, worin
eigentlich das Verschlossene bestanden habe, und ist hierunter der Eid seines
Orts nicht erklecklich, ausgenommen, wenn sich an denen Sigillen oder
Schlösseren eine Verletzung bezeigt, dann daraus wird auf Seiten des
Depositarii der Dolus solang vermuthet, bis der Verdacht durch widrige
Anzeigung oder Gegen-Proben von ihm abgeleint
(333)
ist. 17mò hat gegen Depositarium um all obiges, was ihm verstandenermassen nach
Innhalt oder Eigenschaft des Contracts obliegt, Actio Depositi directa Statt,
und kan von ihme 18vò ohne sonderbaren Obrigkeitlichen Verbott oder Arrest
weder unter dem Vorwand einer Compensation, Retention, noch anderer immer
erdenklicher Einred, ausser soviel die an der hinterlegter Sach verwendete
nothwendige Kösten betrift, elidirt oder ausgehalten werden. Dagegen stehet
aber demselben 19no nicht nur um obbemelte Kösten, sondern auch um alle durch
des Deponentens Dolum vel Culpam qualemcunque verursachte Schäden Actio
Depositi contraria wieder ihne zu.
Von
Deposito irregulari.
§.
8. Depositum irregulare kan sich zwar 1mò auf unterschiedliche Art,
insonderheit aber 2dò daraus ergeben, wenn Res fungibilis deponirt, und
annebens Depositario der Gebrauch entweder ausdrücklich oder stillschweigend
eingeraumt wird, dann da nimmt das Depositum die Natur eines Darlehens an sich,
und wird nicht erst von Zeit des würklichen Gebrauchs, sondern gleich von Zeit
der Uebergab durchgehends hiernach beurtheilt. Auf stillschweigende Weis pflegt
man 3tiò den Gebrauch einzuraumen, wenn z. E. gezehltes Geld unverschlossener
deponirt wird, welches jedoch auch wiederum seinen Absatz leidet, wenn die
deponirte Summa nicht in Current, sondern in Schatz-Geld bestehet, oder wenigst
Restitutio in eâdem Specie dabey versprochen wird.
Von
dem Sequester.
§.
9. Sequestrum ist eine Gattung von Deposito, da nemlich die strittige Sach
einem Dritten, bis zu Ausgang des Streits, anvertrauet wird, damit sie von dort
dem obsiegenden Theil desto sicherer zukommen möge. Es wird solches 1mò in
Voluntarium & Necessarium getheilt. Jenes ist, wenn sich die streittende
Theil selbst gutwillig deshalb miteinander verstehen, dieses aber, wenn die
Obrigkeit wieder der Partheyen Willen aus Rechtserheblichen und in Cod Jud.
cap. 8. §. 7. benannten Ursachen entweder die streittige Sach einsweilen selbst
zu Gerichts-Handen nimmt, oder einen Dritten pro Sequestro bestellt. Was nun
2dò hierinfalls von beeden streittenden Theilen selbst circa Modum
Sequestrationis per Pacta beliebt worden, das hat der
(334)
bestellte Sequester zuförderst wol in Obacht zu nehmen, sofern aber 3tiò keine
besondere Geding deshalb vorhanden seynd, so soll er die ihm anvertraute Sach
mit aller Zugehör dergestalt bewahren und verwalten, wie es sonst einem jeden
redlichen Verwalter fremden Guts obliegt, mithin auch 4tò von Zeit zu Zeit auf
Verlangen deren Interessenten gebührende Rechnung hierum ablegen, und sich in
der Administration so verhalten, damit das streittige Gut weder geschmählert,
noch zu Grund gerichtet, sondern bey seinem Wesen erhalten, und samt denen
davon aufgehobenen Nutzungen seiner Zeit nach erörterten Streit dem Obsieger
wieder eingeantwortet werden möge. Solchemnach præstirt er 5tò Dolum, Culpam,
Casum auf die nemliche Art, wie von dem Depositario oben versehen ist. 6tò Kan
derselbe wegen auf sich genommener Sequestration und Verwaltung keinen Lohn
forderen, es seye ihm dann solche von der Obrigkeit selbst aufgetragen, oder
der Lohn ausdrücklich bedungen worden. 7mo Ist man ihm vor allen an der
sequestrirten Sach gemachten nutzlich- und nöthigen Aufwand, wieauch vor den in
Ansehen derselben Dolo vel Culpâ Sequestrantium erlittenen Schaden die
Indemnisation schuldig. 8vò Kan kein Theil ohne Bewilligung des anderen die
sequestrirte Sach vor Ausgang des Streits von dem Sequester abforderen. 9no
Werden zu weilen auch Personen, z. E. Weibs-Leut, welche von mehr Competenten
in Ehe-Spruch genommen werden, oder Ehe-Frauen, welche gegen ihre Ehe-Männer ex
Capite Sævitiei auf die Ehe-Scheidung klagen, währenden Process sequestrirt,
und an ein drittes sicheres Ort gebracht.
Von
Pignore oder Pfands-Contract.
§.
10. Der Pfands-Contract, welches (!) mittels würklicher Einantwortung des
verpfändeten Guts geschiehet, gehört zwar auch unter die Contractus reales, wie
aber sowol von diesem, als der blossen Pfands-Verschreibung oder Hypothec,
welche ohne Uebergab des Pfands geschiehet, bereits oben Part. 2. cap. 6. das
mehrere erwehnt worden ist, so wird sich auch dis Orts hierauf lediglich
bezogen.
(335)
Drittes Capitul
Von
Contractibus Consensualibus, sonderbar von dem Kauf (Emptione, Venditione)
überhaupt.
Was
der Kauf seye?
§.
1. Unter die Contractus Consensuales, welche nemlich auch ohne würklicher
Uebergab der Sach durch blosse beederseitige Einstimmung zum Stand kommen,
gehört zuförderst der Kaufs-Contract, Kraft dessen Jemand sein Gut dem anderen
um gewissen Preis überlasset.
Wer
kauffen und verkauffen könne?
§.
2. Kauffen und Verkauffen stehet Jederman frey, es seye dann eine solche
Person, welche obgedachtermassen auch sonst überhaupt zu pacisciren nicht
vermag, oder ein besonderes Verbott wieder sich hat, wie z. E. nach hiesigen
Lands-Generalien Beamte und Amt-Leut an Erkauffung deren in ihrem Amts-District
liegender Bauern-Gütern, desgleichen Manus mortuæ, soviel den Ankauf und all
andere Acquisitiones unbeweglicher Gütern betrift, welcherthalben es
gleichfalls bey der alten Observanz und denen kundbaren Lands-Constitutionibus
verbleibt. Im übrigen kan auch Niemand zum Verkauf gezwungen, oder von dem Kauf
wieder Willen abgehalten, minder an ein gewisses (!) Ort damit gebunden werden,
ausgenommen soweit es die Lands- und Policey-Ordnung um des gemeinen Bestens
willen also erfordert.
Sachen,
welche verkauft werden mögen?
§.
3. Waar und Preis (Merx & Pretium) seynd zwey Haupt-Stück von einem
Kaufs-Contract, und ist des ersten halber zu wissen, daß regulariter alles
sowol Gegenwärtig- als Künftiges, Beweglich- und Unbewegliches, Cörperlich- und
Uncörperliches, soweit es nur in Commercio humano ist, gekauft und verkauft
(336)
werden möge, immassen das Geld selbst in gewisser Mas, sonderbar was das
Schatz-Geld, Medaillen und ältere Münzen betrift, nicht davon ausgeschlossen
ist.
Von
dem Kauf-Schilling und dessen Requisiten.
§.
4. Der Preis oder Kauf-Schilling, welcher für die Waar oder verkaufte Sach
bedungen wird, soll in Pretio vero, certo, justo, das ist 1mò nicht nur in
Geld, sondern auch 2dò in wahrhaft- 3tiò gewiss- und bestimmt- wie nicht
weniger 4tò in gerecht- und billichen Werth der Sach bestehen.
Ad
1mum von der Paarschaft des Kauf-Schillings.
§.
5. 1mò Wenn statt paar Geld ein andere Sach bedungen wird (,) so ist es kein
Kauf, sondern gestalten Dingen nach entweder ein Tausch oder anderer Contract.
Wird aber 2dò theils paar Geld, theils ein andere Sach bedungen, so ist zu
unterscheiden, ob das paare Geld unter oder über den wahren Werth der Sach,
oder demselben gleich seye, erstenfalls wird der Handel für keinen Kauf mehr gehalten,
wol aber zweyt- und letztenfalls. 3tiò Wenn gleich anfänglich in dem Contract
paar Geld bedungen ist, hernach aber statt dessen ein andere Sach in solutum
übergeben wird, so bleibt der Handel nichts destoweniger ein Kauf. 4tò Falls
das bedungene Geld in lauter verrufner Münz bestehet, ist es ebenfalls kein
Kauf, sondern ein anderer oder gar verbottener Contract.
Ad 2
dum von der Wahrheit desselben.
§.
6. Warhaft ist der Kauf-Schilling nicht, wenn aus denen Umständen erscheint,
daß solcher zum blossen Schein (dicis gratiâ) ausgesprochen worden, damit nur
die Handlung den Namen eines Kaufs haben möge, wie solches z. E. öffter in
heimlichen Schankungen zu Vermeidung der Insinuation, item in heimlichen
Pfandschaften, zu Bedeckung des hierunter verborgenen Wuchers, oder sonst in
Fraudem Legis vel Præjudicium Tertii, und auf andere dergleichen verdächtige
Weis zu geschehen pflegt, worin die Obrigkeit allzeit mehr auf das, was in der
That geschiehet, als was nur zum Schein simulirt wird, zu sehen, sohin auch bey
Entscheidung der Sach, in Ermanglung anderer Prob, dem Eid und wahrscheinlichen
Muthmassungen Platz zu geben hat.
(337)
Ad 3tium von der Gewißheit.
§.
7. Der Preis oder Kauf-Schilling wird 1mò entweder simpliciter durch
ausdrückliche Specification und Benennung der Summa oder nur relativè bestimmt,
das letztere pflegt 2dò auf dreyerley Weis zu geschehen, da man sich nemlich
entweder auf das Vergangene, z. E. um den Preis, wie die Sach an den Käuffer
gekommen ist, oder auf das Gegenwärtige, z. E. um die bey Gericht würklich
deponirte Summam, oder auf das Künftige, z. E. um den Preis, wie solcher auf
nächstkünftige Schrannen dem mittleren Preis nach stehen wird, beziehet. Erst-
und anderenfalls ist der Kauf gültig, wenn das Relatum existirt hat, oder respectivè
würklich existirt, ausser dessen aber nicht. Letztenfalls bleibt der Kauf nur
soviel die Bezahlung des Kauf-Schillings betrift, solang in Suspenso, bis sich
das künftige Relatum ergiebt. Zuweilen wird 3tiò die Bestimmung des Preis auf
blosses Gutbedunken ausgestellt, wobey wiederum zu unterscheiden ist, ob
solches dem Arbitrio deren Contrahenten selbst oder eines Drittens überlassen
seye. Erstenfalls gilt der Contract nicht, anderenfalls bleibt er solang in
Suspenso, bis der Dritte benannte Arbiter den Ausspruch thut, salvâ tamen
Moderatione Judiciali, wenn er etwan über die Helfte zuviel oder zuwenig
ausspricht. Will oder kan er aber den Ausspruch nicht thun, so fallt der
Contract zusammen. Ist endlich der Dritte, welcher zu arbitriren haben soll, von
denen Contrahenten nicht benannt, sondern der Preis nur überhaupt auf
unpartheyisches Gutachten ausgestellt, so wird nach heutigen Gebrauch der
Schätzmann von der Obrigkeit ernannt, jedoch mit ebenmässigen Vorbehalt
gerichtlicher Moderation auf dem Fall eines über die Helfte begangenen Excess.
4tò Kan der Kaufs-Contract unter dem Vorwand, daß der Preis nicht gewiß und
bestimmt seye, in folgenden Fällen nicht angefochten werden, erstens wenn schon
vierzig oder mehr Jahr von Zeit des Contracts verflossen seynd, zweytens wenn
ein Instrument hierüber errichtet worden, dann darin pflegt man nach heutigen
Gebrauch den Kauf-Schilling nicht allzeit zu specificiren, drittens wenn der
Streit nicht unter denen Contrahenten selbst, sondern nur mit einem Dritten obwaltet,
z. E. um den Titulum Possessionis vel Præscriptionis
(338)
gegen ihn zu erweisen. Viertens wenn es nur auf die Mehr- oder Minderung des in
dem Contract selbst einmal bestimmten Pretii ankommt.
Ad
4tum von der Gerecht- und Billichkeit.
§.
8. Pretium ist entweder legale oder vulgare. Jenes wird 1mò von der Obrigkeit
selbst bestimmt, und darf bey willkürlicher Straf eigenmächtiger Weis von denen
Contrahenten weder vermehrt noch vermindert werden, wie z. E. bey dem Fleisch-
Bier- Brod-Satz und dergleichen. Dieses hingegen hangt 2dò von der Schätzung
ab, welche nicht nach Affection, sondern nach gemein- und gewöhnlichen Anschlag
verständiger Leuten von der Sach gemacht wird, wobey man 3tiò nicht nur auf die
Sach selbst, sondern auch auf all andere den Preis vermehrend- oder
verminderende äusserliche Umständ, insonderheit aber 4tò jedesmal auf die Zeit
des Contracts, und den damaligen Zustand der Sach, wieauch den Ort, wo die
verkaufte Sach sich selbiger Zeit befunden hat, zu sehen, sohin den Werth
derselben gleichwol hiernach zu reguliren hat, und wenn sich nun 5tò hieraus
eine solche Vortheil- oder Verletzung, welche die Helfte des Werths übersteigt,
entweder auf Seiten des Käuffers oder Verkäuffers ergiebt, z. E. da jener eine
Sach vor 1000. fl. kauft, welche nicht 500. fl. werth ist, oder vor eine auf
1000. fl. geschätzte Sach mehr als 2000. fl. giebt, dieser hingegen eine auf
1000. fl. geschätzte Sach unter 500 fl. verkauft, so heißt es Læsio enormis,
oder sofern die Helfte gar weit überstiegen wird, enormissima. Den Effect von
sothaner Læsion siehe §vum seq. 19.
Würkungen
eines Kaufs.
§.
9. Die Würkungen eines geschlossenen Kaufs bestehen in der Obligation, und zwar
1mò auf Seiten des Verkäuffers in Uebergab der verkauften Sach, und
Ueberlassung deren von Zeit des Contracts hierab verfallener Nutzungen, wieauch
allenfalliger Gewehrschafts-Leistung 2dò auf Seiten des Käuffers in Bezahlung
des Kauf-Schillings und übernehmender Gefahr der verkauften Sach von Zeit des
Contracts, 3tiò in beederseitig- reciprocirlicher Schadloshalt- und Præstirung
dessen, was sonst noch ex Naturâ Contractûs vel Pacto speciali zu leisten ist.
4tò In denen gegeneinander zustehenden Actionibus, alles nach mehreren Inhalt
folgender Verordnung.
(339)
Von Uebergab der verkauften Sach (Traditione Rei venditæ.)
§.
10. Die verkaufte Sach soll 1mò dem Käuffer in Naturâ, und zwar in der
nemlichen Quantität und Qualität wie sie in dem Contract angegeben worden,
mithin auch 2dò von all fremden Besitz, Pfandschafts-Recht, Dienstbarkeit und
vergleichen ungewöhnlichen Bürden, soviel nicht in dem Contract hievon
angezeigt, und von dem Käuffer übernommen worden, frey und ledig übergeben
werden, welches sich auch 3tiò von allen Zugehörungen und Pertinentien der
verkauften Sache, soweit kein besonderer Vorbehalt oder Ausnahm geschehen ist,
verstehet. 4tò Ist der Käuffer sich mit einem Æquivalent oder der blossen
Schadloshaltung abfertigen zu lassen solang nicht schuldig, als Verkäuffer die
Sach in Naturâ zu lieferen vermag. 5tò Kan man sothane Uebergab weder ganz,
noch zum Theil andergestalt als gegen Erlag des pactirten Kauf-Schillings
begehren. 6tò Erlangt Käuffer das Eigenthum der Sach durch die Uebergab,
ausgenommen in zwey Fällen, erstens wenn Verkäuffer selbst nicht Eigenthümer
von der Sach gewest, welchenfalls zwar wol Conditio usucapiendi, nicht aber das
Dominium mittels der blossen Uebergab auf den Käuffer gebracht wird, zweytens
wenn der Kauf-Schilling noch nicht entrichtet, und hierbey entweder das
Eigenthum bis zur Zahlung ausdrücklich vorbehalten, oder aber von dem
Verkäuffer durch wahrscheinliche Muthmassungen und sonst zu beweisen ist, daß
er nicht auf Borg, sondern auf baar Geld gehandlet habe, welches jedoch aus der
blossen Tradition niemal, wol aber unter anderen insonderheit daraus gefolgert
wird, wenn man Zahlungs-Fristen bewilliget, oder zu Versicherung des
Kauf-Schillings Caution, Bürgschaft, Hypothequen und Assignationen annimmt.
Von
der Gefahr bey der verkauften Sach (Periculo Rei venditæ.)
§.
11. Obwol jetztgedachtermassen der Käuffer das Eigenthum der verkauften Sache
durch den blossen Contract ohne erfolgend- würklicher Uebergab niemal erlangt,
so tragt er gleichwol von Zeit des geschlossenen Contracts, auch noch vor
beschehener Extradition, wieder die sonst obwaltende Rechts-Regul: Quod Res
pereat suo Domino, die Gefahr der Sache, dergestalt, daß wenn sie etwan zu
Grund gehet oder deteriorirt wird, alsdann der Schaden oder Verlust nicht mehr
den Verkäuffer,
(340)
sondern den Käuffer betrift, folglich auch der Kauf-Schilling dem ohngeacht
ganz bezahlt werden muß, wohingegen aber auch Käuffer solchenfalls befugt ist,
wieder all jene, welche an sothanen Schaden Verlust oder Untergang der Sach
Schuld tragen, alsofort zu agiren, ohne daß er heut zu Tag noch eine
vorläuffige Cessionem Actionis hierzu vonnöthen hat.
Limitation
und Ausnahm.
§.
12. Der Verkäuffer tragt die Gefahr von der verkauften Sache vor der
Auslieferung nur in folgenden Fällen. 1mò Wenn Käuffer beweisen kan, daß solche
Dolo vel Culpâ latâ aut levi Venditoris zu Verlust oder Schaden gegangen ist,
oder wenn dieses zwar 2dò nur Culpâ levissimâ aut Casu merè fortuito geschehen,
solcher Zufall aber durch dergleichen Verschulden von ihme Verkäuffern selbst
veranlaßt worden, sonderbar aber, wenn er 3tiò bereits vor dem Untergang oder
Beschädigung der Sach in Morâ tradendi gewest, oder 4tò alle Gefahr durch
ausdrückliches Geding auf sich genommen hat. 5tò Wenn die Sach eines Mangels
halber, womit sie schon vor dem Contract behaftet gewest, zu Grund gehet,
welchen Mangel jedoch der Käuffer zu beweisen schuldig ist. 6tò Da sich der
Schaden oder Verlust noch vor völliger Perfection des Contracts z. E. in
Contractu sub Conditione suspensivâ ante Existentiam Conditionis, ergiebt. 7mo
Wenn keine gewisse Species, sondern nur Genus verkauft wird, z. E. zehen Emmer
Neckar-Wein, fünfzig Schaffel Habern und dergleichen. 8vò In Käuffen, wo mehr
Sachen alternativè verkauft werden, und eine vor der Election zu Grund gehet
oder beschädiget wird.
De
Commodo Rei venditæ, das ist, von Fructibus, Accessionibus und Zugehörungen
derselben.
§.
13. Nachdem der Käuffer verstandenermassen regulariter die Gefahr bey der
verkauften Sache von Zeit des Contracts auf sich hat, so gebührt ihm hingegen
auch das Utile von Zeit des Contracts. Solchemnach gehet 1mò von denen
Fructibus naturalibus sowol das, was Tempore Contractûs noch hangt oder stehet,
als auch was erst hernach erziehlet wird, demselben allerdings zu Guten. 2tò
Fructus Civiles belangend, z. E. Zinsen, Stiften, Gilten von verpacht- oder
vermietheten Gütern, wo die Pacht- oder Mieth-Zeit zwar schon vor dem
Kaufs-Contract
(341)
angefangen, aber erst hernach vollendet worden, pflegt man hiesigen
Lands-Brauch nach sowol bey Stadt- als Land-Gütern zwischen dem Käuffer und
Verkäuffer,ohne wo ein anders bedungen ist, pro Ratâ Temporis zu theilen,
dergestalt daß die Rata der Zeit vor dem Verkauf den Verkäuffer, die
nachfolgende Rata hingegen den Käuffer betrift. Soviel nun 3tiò den Zuwachs
oder die Zugehörungen der verkauften Sache belangt, gebühren solche dem Käuffer
gleichfalls ohne Unterschied, ob sie schon zur Zeit des Contracts würklich dazu
gehört haben, z. E. Schlüssel, Schlösser, Fenster, Thür und Thor, eingemauerte
Kästen oder Schenk-Gefäß, Anbau und dergleichen, oder etwan erst hernach per
Alluvionem, Coalitionem, Implantationem, Inædificationem und sonst dazu
gekommen, oder wenigst ausdrücklich mit darein bedungen worden seynd. Wie und
auf was Weis aber etwas für eine Pertinenz geachtet werde, und wer allenfalls
den Beweis zu führen habe, siehe oben P. 2. cap. 2. §. 14.
Von
Bezahlung des Kauf-Schillings.
§.
14. Der Kauf-Schilling muß 1mò ganz, und wo kein anderes bedungen ist, auf
einmal, auch 2dò mit denen Lands-gebräuchigen Interessen à Die Moræ bezahlt
werden, ohne daß bey Kaufmanns-Waaren disfalls ein Absatz gemacht wird. 3tiò
Ist Verkäuffer nicht schuldig an dem Kauf-Schilling etwas nachzulassen, wenn
ihm gleich die verkaufte Sach für den Rest wiederum überlassen werden wollte,
hingegen kan er 4tò den Kauf-Schilling andergestalt nicht, als gegen Auslieferung
der verkauften Sach begehren, es seye dann solche obverstandenermassen auf des
Käuffers Gefahr zu Grund gegangen.
Von
der Eviction und Gewehrschafts-Leistung.
§.
15. 1mò Verstehet man unter der Eviction nichts anders, als da eine Sach auf
Instanz eines anderen, welcher besseres Recht dazu hat, dem Innhaber durch
richterlichen Ausspruch aberkannt wird, die Gewehrschaft oder
Evictions-Leistung aber heißt soviel als die Schadloshaltung, welche der
condemnirte Theil bey seinem Authore oder Gewehrs-Mann um der evincirt- und
abgewonnener Sache wegen zu suchen hat. Soviel demnach 2dò jetztverstandene
Gewehrschafts-Leistung in Käuffen
(342)
belangt, kan solche der Käuffer an den Verkäuffer ohne Unterschied, ob sie
bedungen worden oder nicht, und zwar 3tiò für die ganze Sach, soweit sie nicht
nur würklich verkauft, sondern auch evincirt worden ist, allerdings begehren,
jedoch 4tò niemal anderst, als unter folgenden Requisitis, wenn nemlich fürs
Erste die Eviction durch richterlich- und in Rem Judicatam erwachsenen
Ausspruch, zweytens aus einer schon von voriger Zeit, ehe man den Besitz des
evincirten Guts erlangt hat, herrührender Ursach, insonderheit aber drittens um
eines anderen hierauf habenden besseren Rechts-wegen, auch viertens mit
vorläuffiger förmlicher Streits-Verkündung nach Masgab Codicis Judiciarii cap.
8. §. 2. geschehen ist. 5tò Hat sothane Gewehrschafts-Leistung nicht nur in dem
Kauf, sondern auch Tausch, Mieth, Vertheilung, und all anderen Negotiis
onerosis auf die nemliche Weis Platz. Ob und wie aber solche in Schankungen und
letztwilligen Vermächtnussen Statt habe, siehe oben Part. 3. cap. 7. §. 7.
& seq. & cap. 8. §. 12. n. 3. Der Entzweck (!) derselben bestehet 6tò
in gebührender Schadloshaltung, welche der Author oder Gewehrs-Mann, von dem man
nemlich die evincirte Sach erlangt hat, sowol in der Haupt-Sach selbst, und was
den wahren Werth derselben betrift, als auch anderer hierunter erlittener
passirlicher Kösten und Schäden halber præstiren muß. 7mo Soll solche allzeit
bey dem Gericht, worunter das evincirte Gut liegt, in fahrender Haab aber bey
der Obrigkeit, worunter der Gewehrs-Mann seiner Person halber stehet, oder in
Foro Contractûs, sofern die hierzu erforderliche Requisita vorhanden seynd,
begehrt werden. Von Aufhaltung des annoch unbezahlten Kauf-Schillings um
besorglicher Eviction wegen, siehe unten cap. seq. 4. §. 2. n. 3.
Fälle,
worin die Gewehrschafts-Leistung nicht begehrt werden mag.
§.
16. Nur in folgenden Fällen kan die Gewehrschafts-Leistung nicht begehrt
werden. 1mò Wenn an obgedachten vier Haupt-Requisitis etwas ermanglet. 2dò In
verbottenen und kraftlosen Handlungen, wieauch des blossen Einstands- oder
Wiederkaufshalber. 3tiò Wenn derjenige, welcher schadlos gehalten seyn will,
durch eignes Verschulden die Eviction veranlaßt, oder 4tò wenigst schon vor
erlangten Besitz gewust hat, daß die evincirte Sach fremd gewest seye. 5tò Wenn
ein ausdrückliches
(343) Pactum de non præstandâ
Evictione vorhanden ist, welches jedoch auf dem Fall, da der Gewehrs-Mann malâ
Fide gehandlet hat, für ungültig geachtet wird. 6tò Um Sachen, welche nur in
denen vorläuffigen Guts-Ueberschlägen und Kaufs-Tractaten enthalten seynd, es
seye dann, daß man sich in dem nächstfolgenden Kaufs-Contract darauf beziehe.
7mo Gegen all jene, von welchen man das evincirte Gut nicht in ihrem eignen,
sondern fremden Namen erlangt hat, z. E. gegen einen Vormund um des von ihm
erhandleten puppillarischen Guts-wegen, oder gegen einen Pfands-Glaubiger,
welcher das Pfand Jure Pignoris distrahirt hat, und dergleichen, immassen
solch- letzterenfalls der Debitor selbst als Pfands-Herr, und erstenfalls der
Pupill um die Gewehrschaft haftet. 8vò Gehören auch verschiedene Fälle hieher,
deren in cap. seq. 4. quò ad Punctum Evictionis
besondere Erwehnung geschehen ist.
De Præstatione Doli vel Culpæ
in dem Kaufs-Contract.
§. 17. In dem Kaufs-Contract
wird beederseits regulariter nur Dolus, Culpa lata & levis, und sofern der
Käuffer in Morâ ist, von Seiten des Verkäuffers gar nur Dolus & Culpa lata,
sonst aber weiter nichts præstirt.
De Actione Empti, Venditi.
§. 18. Die Klag, wodurch
Käuffer und Verkäuffer um all obiges von Rechts-wegen einander zu belangen
haben, wird Actio Empti Venditi genannt, und kommt überhaupt mit anderen ex
Conventione entspringenden Personal- Actionen übereins. Es muß auch derjenige,
welcher sich auf den Kauf oder Verkauf hierunter zu fundiren sucht, sein
Vorgeben; wie all andere Facta, samt denen hierzu gehörigen Requisitis auf
Wiedersprechen beweisen.
De Querela enormis Læsionis
oder sogenannten Remedio Leg. 2. Cod. de rescind. Vend.
§. 19. Welchergestalt ein
jeder Contract überhaupt, mithin auch der Kauf ex Capite Doli, Vis, Metûs,
Erroris angefochten werden möge, siehe oben cap. 1. §. 25 Ist aber Læsio enormis vel enormissima in dem Preis hierunter
vorgegangen, so hat das sogenannte Remedium ex Lege 2 Cod. de rescind Vend
Statt, welches 1mò dahin ziehlet, daß entweder der Kauf völlig rescindirt, oder
wenigst die Læsion abgethan, und die rechte Gleichheit
(344) zwischen der Waar und
dem Preis hergestellt werde, wobey dann zuförderst 2dò die Læsion auf Art und
Was, wie oben §vo 8. mit mehreren versehen ist, durch verständig-
unpartheyisch- und beeidigte Schätz-Leut oder sonst gnüglich erwiesen werden
muß. 3tiò Pflegt man sich zwar dieses Remedii sowol Klag- als Exceptionsweis zu
gebrauchen, es muß aber das erste allzeit bey Gericht geschehen, worunter der
Beklagte sonst seiner Person halber zu stehen hat, und gleichwie 4tò ein
Dritter, welcher weder selbst lædirt, noch des lædirten Theils Erb ist, sich
dessen niemal bedienen kan, also auch mag man dergleichen hinwiederum gegen
ihn, ohngeacht er die verkaufte Sach im Besitz hat, keines Wegs vorschützen.
5tò Ist dieses Remedium eine Wohlthat, welche nur dem lædirten Theil zum Besten
gemeint ist. Kan sich also der Gegentheil dessen nicht prævaliren, solang jener
in Ruhe stehet.
Und zwar auf Seiten des
Verkäuffers, wenn er lædirt ist,
§. 20. Ist der Verkäuffer auf
obverstandene Weis lædirt, und verlangt deswegen Satisfaction, so hat zwar 1mò
der Käuffer die Wahl, ob er den Contract gänzlich rescindirt und aufgehoben
wissen, oder das was an dem wahren Werth abgehet, ersetzen wolle. Erwählt er
das erste, so giebt er 2dò die Sach in dem nemlichen Stand, wie er sie
empfangen hat, jedoch ohne denen mittler Weil gefallenen Nutzungen zuruck,
empfangt dagegen den ausgelegten Kauf-Schilling, jedoch auch ohne denen mittler
Weil verfallenen Zinsen, und ziehet übrigens die in Rem verwendete Expensas
necessarias & utiles ab. Erwählt er das andere, so ist 3tiò nicht genug,
daß er nur soviel darauf zahlt, als zu Vermeidung einer Læsion über die Helfte
erforderlich seyn mag, sondern soviel als zu Completirung des ganzen wahren
Werths vonnöthen ist, folglich wenn er z. E. eine auf tausend Gulden geschätzte
Sach um 400. fl. gekauft hat, so zahlt er über die bereits erlegte 400. noch
weitere 600. fl. Kan er aber 4tò die Sach obverstandenermassen nicht mehr
beyschaffen, entweder weil sie von ihm veräussert, verpfändet, oder etwan gar
bey ihm, oder einem Dritten, mit oder ohne seinem Verschulden zu Grund
gegangen, oder merklich deteriorirt worden ist, so hat er verstandene Wahl
nicht mehr, sondern ist schuldig, obigen Ersatz dem Werth nach zu thun.
(345)
Oder auf Seiten des Käuffers.
§. 21. Ist hingegen der
Käuffer lædirter Theil und begehrt Satisfaction, so hat 1mò Verkäuffer die
Wahl, ob er den Ueberschuß des wahren Werths ersetzen, oder den Kauf gänzlich
rescindirt und aufgehoben wissen wolle. Erwählt er das erste, so restituirt er
2dò verstandenen Ueberschuß, folglich wenn er z. E. vor die auf 400. fl.
geschätzte Sach 1000. fl. empfangen hat, so restituirt er sechs hundert davon
wiederum. Erwählt er hingegen das andere, so restituirt er 3tiò den empfangenen
ganzen Kauf-Schilling, jedoch ohne denen mittler Weil verfallenen Zinsen,
empfangt dagegen die Sach wiederum in dem nemlichen Stand, wie sie zur Zeit der
Extradition gewest, jedoch auch ohne denen mittler Weil verfallenen Nutzungen,
und macht dem Käuffer die in Rem verwendete Expensas necessarias & utiles
gut. Kan aber 4tò Käuffer die Sach solchergestalt nicht mehr beyschaffen, so
ist zu unterscheiden, ob er solches zu thun nur Casu fortuito, oder durch sein
eigenes Factum, z. E. durch Veräusserung der Sach, ausser Stand gesetzt worden
seye, erstenfalls hat der Verkäuffer keine Wahl mehr, sondern restituirt den
empfangenen Ueberschuß des wahren Werths, anderenfalls bleibt dem Verkäuffer
die Wahl, und hat er mithin perpetuam Exceptionem gegen den in Puncto Læsionis
klagenden Käuffer, solang er die Sach nicht beyschaft.
In was für Fällen geachtes
Remedium nicht Statt habe?
§. 22. Obgedachtes Remedium
Rescindendæ hat in folgenden Fällen nicht Statt. 1mò Nach dreyssig Jahren von
Zeit des Contracts. 2dò In Judicial- Käuffen, welche vor ordentlicher Obrigkeit
des Käuffers oder Verkäuffers, und zwar nicht der blossen Protocollir- oder
Verbrieffungwegen, sondern præviâ Cognitione Causæ mit gnüglicher Einsicht der
Sach gepflogen worden. 3tiò In Gand-Käuffen. 4tò Wenn der Testator befohlen
hat, die Sach in solch- geringen Werth also an Jemand zu verkauffen. 5tò Wenn
man von der Sach und dem wahren Zustand derselben einmal gnugsame Notitz hat,
dem ohngeacht aber sich dieses Remedii entweder ausdrücklich oder
stillschweigend im Werk selbst, z. E. durch weitere Begnehmigung des Contracts,
begiebt. 6tò Da sich der Werth erst nach dem Contract soweit vermehrt oder
vermindert, daß die Helfte dadurch
(346) überschritten wird. 7mo
In denen cap. seq. 4. n. 4. 5. 6. 7. 8. 10. & 15. und in Cod. Jud. cap. 17. §. I. n. 12. noch
weiter benannten Fällen.
Von dem sogenannten Ædilitio
edicto.
§. 23. Bezeigt sich an der
verkauften Sach ein solcher Mangel, bey welchen man sich, sofern er gleich
anfänglich bekannt gewesen wäre, auf den Kauf entweder gar nicht, oder wenigst
nicht auf einen so hohen Kauf-Schilling eingelassen haben wurde, so kann 1mò
Käuffer in Kraft des sogenannten Ædilitii edicti die Sach heimschlagen, und den
Kauf-Schilling zuruckfordern, oder gestalten Dingen nach wenigst die
Verminderung des Kaufs-Schillings à Proportion des verspührten Mangels
unpartheyischer Schätzung nach begehren, und hat dieses 2dò nicht nur in allen
Sachen, welche immer gekauft und verkauft werden mögen, dann deren
Zugehörungen, sondern auch 3tiò in allen Negotiis onerosis & Dominii
translativis, z. E. in Kauf, Tausch, Vertheilungen und dergleichen Statt,
ausgenommen soviel die Gand-Käuf betrift. 4tò Werden hierinfalls alle Sachen
für mangelhaft gehalten, welche dasjenige nicht an sich haben, was sie entweder
ihrer ordinari- natürlicher Eigenschaft, oder dem Versprechen nach an sich haben
sollen, z. E. wenn das für frey, ledig und eigenthümlich verkaufte Gut sich
nach der Hand ganz anders bezeigt, und etwan mit Fideicommissarisch- oder
Lehenbarer Qualität, mit Hypothequen, Dienstbarkeiten, und dergleichen bey dem
Contract nicht angezeigt- und unvermutheten Bürden und Beschwernussen behaftet
ist. Es muß aber auch 5tò kein geringer, sondern ein grosser und solcher Mangel
seyn, welcher den Gebrauch der Sach entweder gänzlich hemmet, oder doch
merklich verschlimmert, welches jedoch 6tò nach hiesigen Land-Recht bey dem
Pferd-Kauf soweit seinen Absatz leidet, daß nur die drey Haupt-Mängel: Ritzig,
räudig, herzschlächtig, und zwar
länger nicht, als vierzehen Tag auf gegenwärtiges Edictum qualificirt seynd, es
seye dann ein anderes ausdrücklich bedungen, oder das verkaufte Pferd für
unmangelhaft angegeben worden. 7mo Wird weiter erfordert, daß es kein
sichtbarer oder leicht zu erkennender, sondern ein heimlicher, und dem Käuffer
zur Zeit des Contracts noch nicht bekannt gewester Mangel seye, wohingegen auf
Seiten des Verkäuffers gleichgültig ist, ob er den Mangel gewust hat oder
nicht. 8vò Kommen die Mängel, welche sich erst nach dem
(347) Contract an der Sach
ergeben, in keine Betrachtung mehr, und muß demnach Käuffer, der sich auf das
Edict besteift, wahrscheinlich darthun, daß der Mangel schon zur Zeit des
Contracts obgewaltet habe. 9no Greift das Edict nicht Platz, wenn sich Käuffer
desselben ausdrücklich oder stillschweigend begiebt, z. E. da er des in
Erfahrung gebrachten Mangels, ohngeacht die Sach nichtsdestoweniger gebraucht,
oder gar wiederum verhandlet, oder die zu nachbemelten zwey Actionen bestimmte
Zeit verstreichen laßt, und dergleichen.
De Actione redhibitoriâ.
§. 24. Aus jetzterwehnten
Edicto entspringen zwey Actiones, nemlich Redhibitoria und Æstimatoria, von den
letzteren siehe §vo seq. 25. Die erste hat 1mò heut zu Tag noch in dem einzigen Fall mehr Platz, wenn nemlich
obgedachter Mangel den völligen, oder doch meisten Gebrauch der Sach benimmt,
mithin so beschaffen ist, daß wenn solcher gleich anfänglich bekannt gewest
wäre, man sich allem Ansehen nach auf den Kauf nicht eingelassen hätte, z. E.
da sich nach der Hand bezeigt, daß ein anderer den Usumfructum auf der Sach
hergebracht habe. 2dò Wird durch diese Action der Contract völlig aufgehoben,
folglich die Sach mit aller Zugehör und von Zeit des Contracts abgefallener
Nutzung dem Verkäuffer heimgegeben, hingegen dem Käuffer der Kauf-Schilling,
samt denen Landsgebräuchigen Zinsen, wieauch nebst denen verwendeten
gewöhnlichen Expensis necessariis & utilibus restituirt, hiernächst auch
Dolus, Culpa lata & levis beederseits præstirt. 3tiò Erlöscht diese Klag
inner sechs Monat Zeit á Die Extraditionis, ausgenommen bey dem Pferd-Kauf,
worin solche obverstandenermassen länger nicht als 14. Täg Statt hat.
De actione æstimatori^<
seu Quanti minoris.
§. 25. Actio æstimatoria seu
Quanti minoris kan 1mò nur
alsdann angestellt werden, wenn der Mangel an der verkauften Sach den Gebrauch
derselben nicht gänzlich oder meistentheils benimmt, mithin so beschaffen ist,
daß wenn solcher bekannt gewest wäre, man deswegen den Kauf nicht ganz
unterlassen,
(348) sondern nur weniger
darum gegeben hätte, 2dò ziehlt diese Action nicht auf die gänzliche
Entkräftung des Contracts, sondern nur auf eine proportionirliche Verringerung
des Preis, 3tiò daurt selbe nur ein einziges Jahr von Zeit der Extradition, 4tò
kan gegenwärtig- und vorige Action zwar miteinander cumulirt werden, jedoch nur
alternativè und in Subsidium, wird mithin auch eine durch die andere aufgehoben,
es wären dann beede um unterschiedlicher Mängel halber angestellt worden.
Anmerkung wegen des Kaufs in
der oberen Pfalz.
§. 26. Bleibt es in der
oberen Pfalz noch ferner bey dortigen Recht und Gebrauch, Kraft dessen kein
Kauf unter Personen, welche nicht Siegelmässig seynd, ohne Obrigkeitlicher
Errichtung in unbeweglichen Gütern Statt hat.
(349) Viertes Capitul
Von allerhand besonderen
Käuffen.
Von
dem Verkauf einer Sach, welche extra Commercium ist.
§.
1. 1mò Sachen,
welche von Natur entweder extra Commericum, oder gar unmöglich seynd, lassen
sich nicht verkauffen, sondern dergleichen Käuf seynd nichtig und kraftlos. Bey
anderen Sachen , welche 2dò nicht soviel von Natur als von Rechtswegen extra
Commercium seynd, z. E. geweyhte Sachen, verbottene Waar, Stück von
zertrümmerten Bauern-Gütern und dergleichen gilt zwar der Kauf auch nicht, und
kan solcher sogar von dem Verkäuffer selbst, wenn er bonâ Fide verkauft hat,
angefochten werden, doch wenn man 3tiò entweder beederseits oder wenigst auf
Seiten des Käuffers in der Unwissenheit gewest, so muß Verkäuffer den Käuffer
schadlos halten. Ob und wie weit endlich 4tò die denen Minderjährigen, wieauch
den Kirchen oder der Geistlichkeit, dann Städten, Märkten, Gemeinden, oder aber
dem Fisco zugehörige Güter verkauft oder alienirt werden mögen, siehe
anderwärts.
Von
dem Verkauf fremder Sachen.
§. 2. 1mò Fremde Sachen,
welche einem Dritten zugehören, mögen zwar verkauft werden, jedoch dem
Eigenthümer an seinem Eigenthum, solang solches nicht verjährt ist, unabbrüchig.
Dafern auch 2dò in solchen Fällen der Kauf-Schilling noch nicht bezahlt worden,
so ist zu unterscheiden, ob der Verkäuffer gewust hat, daß die Sach fremd seye
oder nicht. Erstenfalls kan er den Kauf-Schilling nicht begehren, und muß sich
begnügen, wenn ihm Käuffer die Sach wiederum überläßt. Anderenfalls kan zwar
3tiò der Kauf-Schilling gefordert werden, wenn aber gleichwol die Sach bereits
in gerichtlichen Anspruch genommen, oder sonst billiche Sorg von bevorstehender
Eviction vorhanden ist, so kan Käuffer zur Bezahlung andergestalt nicht als
gegen gnugsamer Caution angehalten werden.
(350) 4tò Mit
gemeinschaftlichen Sachen hat es die Beschaffenheit wie mit fremden, soviel den
Theil betrift, welcher den Verkäuffer nicht zugehört. Was aber 5tò die dem
Käuffer selbst eigenthümliche Sachen betrift, ist der Verkauf ungültig, und kan
Käuffer den ausgelegten Kauf-Schilling wiederum zuruckforderen, ausgenommen,
wenn er gewust hat, daß ihm die verkaufte Sach schon vorhin zugehörig gewest.
Von verkauften Brand-Städten.
§. 3. Wird ein abgebrantes
Haus oder anderes Gebäu verkauft, so seynd drey Fäll zu unterscheiden, nemlich
ob 1mò der Zustand des Gebäu,
und daß solches abgebrannt seye, beeden Theilen bekannt, oder 2dò beeden
unbekannt, oder 3tiò nur einem von beeden bekannt gewest seye. Ad 1mum bestehet
der Kauf, weil die Theil mehr auf Grund und Boden, als auf das Gebäu gesehen zu
haben scheinen, oder wenigst beederseitiger Dolus gegeneinander compensirt und
aufgehoben wird. Ad 2dum bestehet der Kauf auch nicht, es seye dann nur der
mindere Theil von dem Gebäu abgebrannt, dann da wird nur soviel an dem
Kauf-Schilling abgezogen, als der wahre Werth des Gebäu unpartheyischen
Anschlag nach durch den Brand-Schaden gemindert worden ist. Ad 3tium hat es die
Beschaffenheit, wie in dem ersten Fall, wenn der Käuffer allein Wissenschaft
davon gehabt hat, ein anderes ist, wenn der Brand dem Verkäuffer allein bekannt
gewest, dann da ist entweder der Kauf gar nichtig, wenn das ganze Gebäu bis auf
den Grund abgebrannt ist, oder aber da noch ein Theil davon stehet, muß der
Käuffer um den Ueberrest schadlos gehalten werden.
Von dem Verkauf künftiger,
streittiger, ungewisser Sachen.
§. 4. Wenn Sachen verkauft
werden, welche nicht gegenwärtig, sondern nur in Hoffnung seynd, z. E. künftige
Früchten, Fisch-Züg, Vogelfäng und dergleichen, so mag sich 1mò hieran viel, wenig oder gar nichts
ergeben, bleibt der Verkauf nichtsdestoweniger allzeit bey seiner Kraft, und
zwar 2dò ohne Unterschied inter Spem & Rem futuram, hat auch 3tiò weder Querela
Læsionis enormis noch eine Gewehrschafts-Leistung oder Ædilitium edictum hierin
Statt, es wäre dann 4tò ein anderes ausdrücklich bedungen, oder es unterbliebe
5tò die angehofte Sach aus Verschulden oder Veranlassen des Verkäuffers,
(351) z. E. da er den
verkauften Fisch-Zug oder Vogelfang verhindert, welchenfalls er den Käuffer
hierum schadlos halten, mithin soviel præstiren muß, als man
wahrscheinlichermassen gefangen haben wurde. 6tò Hat es mit Verkauffung
streittig- oder ungewisser Sachen, soweit sie für streittig oder ungewiß
verkauft werden, die nemlich Bewandnuß, ausgenommen soviel 7mo auf der Wurzel
stehendes Getreid betrift, dann dieses darf man nicht kauffen oder verkauffen,
solang solches noch auf der Wurzel stehet, sondern der Kauf ist null.
Von dem Verkauf ad Corpus,
Mensuram vel Gustum.
§.
5. 1mò Wird ein
Stuck überhaupt und in Pausch, ohne Benennung und Specification deren Theilen
verkauft, z. E. der Grund A. , so nennt man es Venditionem ad Corpus, Speciem
vel per Aversionem, werden aber die Theil desselben benannt oder specificirt,
z. E. der Grund A. von zehen Tagwerk, oder das Faß B. von sechzig Maß Wein, so
nennt man es Venditionem ad Mensuram, und sofern es eine Sach ist, welche dem
Geschmack nach verkauft zu werden pflegt, z. E. Wein, Möth, Brandwein, so heißt
es Venditio ad Gustum. Soviel nun 2dò diesen letzteren Kauf belangt, wird
solcher vor der Auskostung nicht pro Perfecto gehalten, es seye dann ein
anderes bedungen, oder der Käuffer auf dem beederseit beliebten Auskostungs-Tag
nicht erschienen. In Venditione ad Mensuram muß 3tiò der Verkäuffer, welcher
von denen specificirten Stücken zuviel angegeben hat, den sich hieran
bezeigenden Abgang gewehren und vergüten, er habe dann die Specification nur
für ungewiß, z. E. mit denen Worten: beyläuffig sohin mehr Demonstrationis als
Taxationis gratiâ angegeben. Hat er aber 4tò weniger angesagt, als die
specificirte Theil in sich halten, so kan er nichtsdestominder weder den
Ueberschuß, noch den Werth desselben von dem Käuffer fordern, es seye dann ein
ausdrückliches Geding deswegen vorhanden, oder wenigst die vorläuffige Ausmess-
und Auszeigung pactirt, welchenfalls auch 5tò der Kauf vor würklicher
Ausmessung nicht pro Perfecto gehalten wird. 6tò Pflegt man sich in dergleichen
Käuffen mit Mas oder Gewicht ohne sonderbaren Geding regulariter allzeit nach
dem Ort zu richten, wo sich die Sach zur Zeit des Contracts befindet.
Von dem Verkauf mehr Sachen
zugleich.
(352) §. 6. Werden etwan mehr
Sachen zugleich an den nemlichen Käuffer verkauft, so ist 1mò zu unterscheiden, ob dieses in
Pausch und unvertheilten Kauf per Aversum geschehe, mithin für alle zusammen
ein gewisser Preis überhaupt, oder aber für jede ein besondere bestimmt werde.
Erstenfalls wird der Handel für einen einzigen Kauf geachtet, und ist folglich
der Käuffer die Bezahlung weder ganz noch zum Theil eheunter zu thun schuldig,
bis ihm alle und jede Sachen extradirt werden, und da vielleicht eine darunter
so mangelhaft befunden wird, daß sich obgedachtes Ædilitium edictum darauf qualificirt,
so erstreckt sich solches auch auf die übrige Sachen. Letztenfalls aber seynd
2dò soviel Käuf als Sachen, und kan mithin der Kauf-Schilling à Proportion
deren bereits extradirter Sachen unter dem Vorwand, daß noch einige
unausgeantwortet seynd, weder aufgehalten, noch erwehntes Ædilitium edictum von
einer auf die andere Sach extendirt werden, es bezeige sich dann aus dem
Contract, oder sonst, daß man eine ohne der anderen nicht gekauft haben wurde.
3tiò Ist ferner bey dergleichen Käuffen zu merken, daß wenn mehr Sachen
zugleich nicht Jure Particulari, sondern Universali, das ist, mit allen Commodo
& Incommodo, Liquido & Illiquido, Activo & Passivo, wie sie immer
ist, übernommen wird, alsdann auch die Gewehrschaft nur auf dem Fall geleistet
werde, wenn das Totum evincirt wird, nicht aber, wenn solches nur besondere
Stücken halber geschiehet.
Von dem Verkauf einer
Erbschaft.
§. 7. Wird eine künftige
Erbschaft verkauft, so ist ohne Unterschied, ob es die Erbschaft des
Verkäuffers selbst, oder eines Dritten betrift, all jenes zu beobachten, was
nicht nur Part. 3. cap. II. §. 1. von Pactis Successoriis überhaupt,
sondern auch in gegenwärtigen Capitul §. 4. von Verkauffung künftig- und ungewisser Sachen versehen ist.
Soviel aber den Verkauf einer dem Verkäuffer bereits selbst angefallener
Erbschaft betrift, ist folgendes hierunter zu beobachten. 1mò Muß Verkäuffer
dem Käuffer alle Sachen und Jura überlassen, welche zu der bereits Tempore
Venditionis erlangter Erbschaft oder Portion derselben gehörig seynd, solchemnach
auch 2dò die
(353)
Tempore delatæ Hæreditatis abgefallene Fructus, nebst all anderen, was der
verkauften Erbschaft zugewachsen ist, abtretten, und hindert 3tiò nicht, daß
solches zur Zeit des Verkaufs nicht mehr in seinen Handen, sondern schon vorher
verzehrt oder veräussert worden, 4tò erstattet er dem Käuffer alles, was der
Erbschaft vor dem Verkauf durch sein des Verkäuffers Dolum vel Culpam latam
entgangen ist. Dagegen leistet er 5tò für die aus der Erbschaft evincirte
sonderbare Stück keine Gewehrschaft. Vielweniger hat 6tò das Ædilitium edictum
wegen des an dergleichen Stücken verspührten Mangels Statt, und wird auch 7mo
kein gewisses Erbschafts-Quantum gewehrt, sofern solches nicht ausdrücklich
specificirt und vergewisset ist. 8vò Was zur Erbschaft gar nicht gehört, z. E.
Legata, Fideicommissa particularia, oder was nur mit Gelegenheit der Erbschaft
erlangt worden, wieauch die erst nach dem Verkauf Jure accrescendi zugegangene
Erbs-Portiones, oder was sonst noch in dem Contract ausgenommen ist, das ist,
Verkäuffer dem Käuffer zu überlassen nicht schuldig, und wie demnach 9no dieser
hierinfalls sowol quò ad Commoda als Incommoda in die Stell des Verkäuffers
eintritt, so hat er nicht nur in Activis vollkommenes Jus agendi, sondern es
stehet
auch nach heutigen Gebrauch denen Creditoribus Hæreditariis; Legatariis,
Fideicommissariis frey, ob sie den Käuffer oder Verkäuffern der Erbschaft um
ihre Forderungen belangen wollen. Erwählen sie den letzteren, so muß er 10mò
vor das, was er derwegen ex propriis bezahlt und ausgelegt hat, wieauch um
allen auf die Erbschaft verwendeten nutzbar- und nöthigen Kösten von dem
Käuffern indemnisirt werden.
Von
dem Verkauf einer Forderung.
§.
8. Der Verkauf einer Forderung oder Action würkt 1mò soviel als eine Cession,
und hat mithin auch alles hierin Statt, was oben Part. 2. cap. 3. §. 8. von
Cessionen überhaupt versehen ist. 2dò Hat Verkäuffer zwar verum Nomen, das ist,
eine solche Forderung zu gewehren, welcher keine peremptorische Exception im
Weg stehet. Dahingegen ist er 3tiò bonum Nomen, das ist, eine gute flüssig- und
einbringliche Forderung zu gewehren nicht schuldig, er habe dann solche
ausdrücklich dafür angegeben und verkauft. 4tò Wird es mit Ansprüchen und
Forderungen, welche auf blosser Hoffnung beruhen, oder streittig und ungewiß,
auch nicht anders als in dieser Qualität verkauft worden
(354)
seynd, nach Masgab obigen vierten §vi gehalten. 5tò Soll Venditio Nominis mit
einer blossen Assignation und Anweisung nicht vermischt werden, anerwogen
Assignatarius auf den Fall, wenn die angewiesene Schuld nicht eingehet,
wiederum seinen Regress an den Assignanten nehmen kan, dessen sich hingegen
Emptor Nominis gegen dem Verkäuffer obgedachtermassen nicht allzeit zu erfreuen
hat.
Von
dem Verkauf einer Sach an mehr Käuffer.
§.
9. 1mò In Sachen, welche zwar an mehr successivè verkauft, jedoch noch keinem
aus ihnen extradirt worden, hat der ältere Käuffer vor dem jüngern den Vorzug,
und ist nicht schuldig, sich mit der Indemnisation abfertigen zu lassen. Dafern
aber 2dò die Extradition an einen aus ihnen würklich geschehen ist, so stehet
zwar dem älteren Käuffer der Regress wegen Schadloshaltung an den Verkäuffer
bevor. Die Sach selbst hingegen bleibt 3tiò demjenigen, welcher sie am ersten
empfangen hat. Zwey Fälle ausgenommen, erstens da er des älteren Kaufs vor der
Extradition gewarnet worden, oder sonst in malâ Fide gewest, zweytens wenn der
ältere Verkauf an eine Kirch oder andere Causam piam geschehen ist.
Von
dem sogenannten Freunds- und Gnaden-Kauf.
§.
10. Freunds- oder Gnaden-Kauf (Venditio gratiosa) wird jener Kauf genannt, da
entweder Verkäuffer die Waar um einen weit geringeren Werth Schankungs-weis
hingiebt, oder hingegen Käuffer einen weit höheren Preis Schankungs-weis hierum
auslegt. Es hat ein solcher Kauf viel besonderes an sich, dann 1mò ist er
vermischter Natur und für keinen blossen Kauf, sondern auch zum Theil für eine
Schankung unter Lebendigen anzusehen. Solchemnach hat 2dò regulariter alles
hierin Statt, was auch sonst bey denen Donationibus inter Vivos überhaupt
Rechtens ist. Insonderheit wird 3tiò die gerichtliche Insinuation auf die
nemliche Weis erfordert, wenn der verehrte Theil des Kauf-Schillings, welcher
nemlich den wahren Werth des Sach übersteigt, mehr als tausend Gulden betragt.
Desgleichen hat 4tò Querela inofficiosæ Donationis, Revocatio ob
Supervenientiam Liberorum vel ingratitudinem hierin Statt, und wer keine
Donation von Rechts-wegen machen kan, der schickt sich auch zum Freunds-Kauf
nicht. Dagegen
(355)
findet 5tò weder Querela Læsionis enormis, noch die Gewehrschafts-Leistung,
oder Ædilitium edictum bey dergleichen Käuffen Platz, ausgenommen, wenn es
Donatio remuneratoria ist. Wie nun aber 6tò keine Schankung gemuthmasset wird,
so ist zu einem Freunds-Kauf unumgänglich nöthig, daß man Animum donandi
ausdrücklich declarire, immassen ansonst 7mo die blosse Anverwandschaft,
Wohlneigung, Erkanntlichkeit für geleistete Dienste und dergleichen
Præsumptiones für sich allein nicht hinreichen, sondern 8vò ohne obiger
Declaration allzeit vielmehr ein Irrthum und Unwissenheit des wahren Werths,
als eine Schankung præsumirt zu werden pflegt. Nachdem aber auch 9no
dergleichen Freunds-Kauf zuweilen nur in Fraudem Legis vel Tertii, z. E. um das
Einstands-Recht zu vermeiden, oder ungebührlichen Wucher zu verdecken
vorgespieglet werden, so ist bey vorkommenden billichen Verdacht jenes zu
beobachten, was bereits cap. præc. 3. §. 5. in dergleichen Fällen verordnet
ist.
Von
dem Verkauf sub Pacto Addictionis in Diem.
§.
11. Pactum Addictionis in Diem Kraft dessen sich Verkäuffer den weiteren
Verkauf der Sach an einen Dritten auf allenfallig höheres Anbott ausdingt,
pflegt entweder sub Conditione suspensivâ oder sub resolutivâ zu geschehen, und
ist 1mò nach heutigen Gebrauch einerley, ob dieses gleich bey dem Haupt-Contract
in Continenti, oder erst hernach per Pactum adjectum ex Intervallo auf ein-
oder andere Weis stipulirt werde. Doch soll man 2dò eine gewisse Zeit hierunter
bestimmen, und wo dieses unterlassen wird, die Bestimmung auf Anruffen des
Käuffers von der Obrigkeit geschehen, damit man nicht in beständiger
Ungewißheit bleibe, und unnöthige Streittigkeiten daraus erwachsen. Erscheint
nun 3tiò aus dem Contract soviel, daß zwar solcher gleich von nun an (ex nunc)
in seiner Perfection seye, jedoch existente Conditione wiederum alsofort
kraftlos seyn solle, so heißt es Conditio resolutiva, welche aber andergestalt
nicht existirt, als wenn inner der bestimmten Zeit von einem Dritten ein
höheres Anbott nicht nur würklich und wahrhaft geschiehet, sondern auch von dem
Verkäuffer, oder wenn derselben mehr seynd, von dem stärkeren Theil, ganz
acceptirt wird. Bezeigt sich hingegen 4tò aus dem Contract, daß solcher nicht
gleich anfänglich und von nun
(356)
an, sondern ex tunc, das ist, alsdann erst, wenn die Condition existirt, zur
Perfection kommen solle, so heißt es Conditio suspensiva, welche jedoch
andergestalt nicht existirt, als wenn die bestimmte Zeit verstrichen ist, ohne
daß auf obbemelte Weis ein höheres Anbott geschehen und acceptirt worden ist.
5tò Wird die Condition in Zweifel allzeit mehr pro resolutivâ als suspensivâ
geachtet. 6tò Stehet dem Käuffer allenfalls frey, ob er die von einem Dritten
angebottene Besserung seines Orts gleichfalls præstiren, mithin sich bey dem
Kauf zu manuteniren suchen wolle, zu dem Ende ihm auch das neue Anbott kund
gemacht, und auf Begehren sowol von dem Verkäuffer, als neu angeblichen Käuffer
eidlich erhärtet werden solle. Von denen unterschiedlichen Würkungen beederley
Conditionen siehe §vos seq.
Und
zwar sub Conditione suspensivâ,
§. 12. In Pacto Addictionis sub Conditione suspensivâ
seynd drey Casus zu unterscheiden. 1mò Solang die Condition hangt, bleibt auch der Kauf in
Suspenso, und erlangt der Käuffer ohngeacht erfolgter Extradition weder das
Eigenthum, noch die Possession, oder die Nutzungen der verkauften Sache, 2dò
sobald die Condition existirt und erfüllt ist, wird der Contract ruckwärts von
der Zeit an, da er geschlossen worden, pro puro geachtet, folglich stehet auch
dem Käuffer schon von selber Zeit an, wenn anderst die Tradition erfolgt ist,
das Eigenthum und Innhaben, nebst allen Fructibus, Commodis & Incommodis
zu, gehet aber gleichwol die Sach ante Existentiam Conditionis absque Dolo vel
Culpâ latâ aut levi Emptoris zu Grund, so tragt der Verkäuffer die Gefahr,
ohngeacht die Condition nachhero existirt hat. Sobald endlich 3tiò die
Condition ermanglet, sobald fallt auch der Contract weg, und wird gleich von
ersten Anfang pro non Facto geachtet.
Oder
sub Conditione resolutivâ.
§.
13. Zuförderst kommt in Pacto Addictionis sub Conditione resolutivâ obgedachte
dreyfache Distinction inter pendentem, deficientem & existentem Conditionem
ebenfalls wiederum vor. 1mò Pendens hindert Käuffern nicht, daß er nicht
dennoch von dem Verkäuffer die Auslieferung der Sach gegen Erlag des
Kauf-Schillings begehren, und dadurch das Eigenthum
(357)
derselben, wenn anderst Verkäuffer der wahre Eigenthümer gewest, nebst der
Possess dadurch erlangen, sofort auch alle davon abfallende Nutzungen sich
einsweilen zueignen möge, wohingegen aber auch alle Incommoda und Onera Rei auf
ihn fallen, und wenn sie absque Dolo vel Culpâ latâ aut levi Venditoris zu
Grund gehet, oder deteriorirt wird, der Schaden gleichfalls Niemand anderen als
ihne Käuffern betrift, ohngeacht die Condition nachhero existirt hat. 2dò
Deficiens Conditio befestiget den Contract nur desto mehr, und bleibt von
selber Zeit an dem Käuffer unwiederruflich, was er bis dahin nur wiederruflich
gehabt hat. 3tiò Conditio existens endlich lößt erstens den Contract dergestalt
auf, ob wäre er niemal gemacht worden, folglich verliehrt zweytens der Käuffer
das Eigenthum der Sach samt allem Abhang, Zuwachs und anderer Zugehörung,
drittens restituirt er dem Verkäuffer alle von Zeit des Contracts abgefallene
Fructus pendentes, perceptos & percipiendos, dagegen ziehet er viertens
Expensas necessarias entweder an denen Fructibus ab, oder kan sie in anderweg
bey dem Verkäuffer suchen, fünftens muß ihm der erlegte Kauf-Schilling mit
denen Lands-gebräuchigen Interessen à Die Contractûs erstattet werden,
sechstens erlangt Verkäuffer ipso Jure und noch vor der Ruckgab das Eigenthum
von der Sach, und erlöscht siebendens nicht nur das etwan mittler Weil von dem
Käuffer darauf gelegte Pfand-Recht, sondern auch all andere Guts-Veräusserung,
soweit nicht solches indessen etwan rechtmässig verjährt ist.
Von
dem Verkauf sub pacto Legis commissoriæ.
§.
14. Pactum Legis commissoriæ Vermög dessen der Contract auf den Fall, wenn mit
dem Versprechen z. E. mit der Zahlung nicht beygehalten wird, annullirt seyn
soll, ist zwar auch 1mò in Verpachtungen, Vergleichen und anderen Conventionen,
soweit kein besonderes Verbott entgegen stehet, am meisten aber in Käuffen
gebräuchig, und hat 2dò sowol in Casu pendente als deficiente und existente quò
ad Terminos habiles die nemliche Würkung wie obgedachte Conditio resolutiva in
Pacto Addictionis. Es existirt aber 3tiò der Casus hierinfalls eheunter nicht,
als bis der Debitor in Morâ solvendi ist, welches
(358)
in Pacto indefinito, worin keine gewisse Zahlungs-Zeit bestimmt ist, erst
alsdann geschiehet, wenn Debitor in- oder aussergerichtlich einmal um die
Bezahlung angesprochen und interpellirt ist, dem ohngeacht aber die Bezahlung
ganz oder zum Theil hangen laßt, in Pacto definito hingegen, worin 4tò eine
gewisse Zahlungs-Zeit benannt ist, wird Mora begangen, sobald die Zeit
verstreicht, ohne daß die ganze Schuld, oder wenn der Fristen mehr seynd, die
verfallene ganze Frist hierunter entrichtet worden. 5tò Wird Debitor disfalls
entschuldiget, wenn er beweisen kan, daß man creditirender Seits selbst in Morâ
accipiendi gewest, oder die Schuld auf andere rechtliche Weis z. E. durch
liquide Compensation, Novation und dergleichen getilgt worden. 6tò Gehet Pactum
Legis commissoriæ lediglich dem Creditori zum Besten, stehet ihm mithin frey,
ob er sich Casu existente dessen gebrauchen, und den Contract annullirt, oder
aber denselben ohngeacht dessen vollzogen- und den Ruckstand bezahlt wissen
wolle. Welches er nun 7mo von beeden einmal ausdrücklich, oder im Werk selbst
stillschweigend erwählt hat, dabey hat es sein unabgeändertes Verbleiben.
Von
dem Wiederkauf oder Pacto Retrovenditionis.
§.
15. Bey dem sogenannten Pacto Retrovenditionis, wodurch Verkäuffer das
Wiederkaufs- oder Reluitions-Recht bey der verkauften Sach entweder für sich oder
andere vorbehalt, muß zuförderst und pro 1mò der Innhalt des Pacti angesehen,
sohin die Wiederlosung sowol der Zeit halber als sonst hiernach eingerichtet
werden, ausser dessen aber giebt 2dò regulariter der Käuffer auf den
Reluitions-Fall die gekaufte Sach mit aller Zugehör, jedoch ohne denen mittler
Weil genossenen Früchten, hingegen Wiederkäuffer den empfangen- oder bedungenen
Kauf-Schilling, jedoch gleichfalls ohne Zinsen wiederum zuruck, vergütet anbey
3tiò dem Käuffer alle erweisliche Expensas necessarias & utiles, und wenn
4tò die Sach vor der Wiederlosung zu Grund gehet, so gehet sie dem Käuffer als
Eigenthümer zu Grund. 5tò Wird der Wiederkauf nicht allzeit absolutè, sondern
auch zuweilen conditionatè, und zwar bald sub Conditione suspensivâ, bald sub
resolutivâ bedungen, in welchen beeden Fällen es mit Restituirung deren
Früchten, Zinsen und sonst in Terminis habilibus auf die nemlich Art, wie oben
von dem Pacto Addictionis versehen ist, und ohne Unterschied, ob das Pactum in
Continenti oder ex Intervallo geschehen seye,
(359)
gehalten zu werden pflegt. 6tò Wird der Wiederkauf für eine dem Wiederkäuffer
allein zu Favor gehende Wohlthat angesehen, und stehet also in seiner Willkur,
ob er sich des Wiederkaufs bedienen wolle oder nicht. Ist auch 7mo nicht
schuldig, statt der Sach ein Æquivalent oder die blosse Schadloshaltung
anzunehmen. 8vò Erlöscht das Wiederkaufs-Recht durch Verstreichung des
bestimmten Termins, sofern einer bestimmt ist, und hat dagegen 9no Restitutio
in integrum weder von Minderjährigkeit noch Unwissenheit oder anderen
Vorwands-wegen mehr Statt, es wäre dann, daß sich 10mò Käuffer selbst durch
Wiederannehmung des Kauf-Schillings, oder sonst gutwillig dazu einverstünde.
Ist aber 11mò kein gewisser Termin zur Wiederlosung bestimmt, sondern dieselbe
auf beständig, ewig, oder sonst auf unbenannte Zeit simpliciter vorbehalten, so
findet auch solche allemal Platz, und kan sich weder der Käuffer noch seine
Erben mit der Verjährung, solang selbe auch immer seyn mag, dagegen schützen.
Wol aber mag 12mò die Præscription einem Dritten, welcher die reluirliche Sach
rechtmässig an sich gebracht hat, und von dem darauf vorbehaltenen
Wiederkaufs-Recht vor completirter Præscription keine Wissenschaft gehabt zu
haben eidlich betheueren kan, zur hinlänglicher Schutz-Wehr dienen. Jährliche
Gilten mag 13tiò der Innhaber des Guts, worauf solche haften, allemal wiederum
ablösen, es seye gleich die Reluition bedungen oder nicht, und die
Verschreibung an Geistlich oder Weltliche geschehen. Ein anderes ist 14tò bey
Gilten, deren Unabläßlichkeit ausdrücklich stipulirt worden, dann diese sollen
auch auf dem Gut ewig verbleiben, ohne daß der Innhaber solche wiederum ablösen
zu können jemalen die Macht hat. 15tò Hat Querela Læsionis enormis in
Wiederkäuffen, wo nur die nemliche Kaufs-Summa wiederum erlegt werden soll,
niemal Platz. Ob aber 16tò die Handlung in Zweifel mehr für einen Wiederkauf
als für ein Pfand anzusehen seye, siehe oben Part. 2. cap. 6. §vo 17.
Von
Gand-Käuffen und der Datione in Solutum.
§.
16. Mit Dargebung eines Guts statt paar Geld (Datione in Solutum) wird es
durchgehends wie mit Käuffen gehalten. Ob aber der Glaubiger sich wieder Willen
damit befriedigen zu lassen verbunden seye, siehe in Cod. Jud. cap. 18. §. 11.
Desgleichen siehe von Gand-Käuffen cit. cap. 18. §. 7. & cap. 19. §. 17.
(360)
Fünftes Capitul
Von
dem Einstand (Retractu) sowol überhaupt, als insonderheit bey dem Kauf.
Was
das Jus Retractûs oder Einstands-Recht seye? und wie vielerley?
§.
1. Das Einstands-Recht, Kraft dessen der Käuffer das erkaufte Gut auf die
nemliche Weis, wie er es an sich gebracht hat, einem Dritten überlassen muß,
wird in Retractum legalem & conventionalem getheilt. Dieses letztere
beruhet lediglich auf einem Geding oder letzten Willen, jenes hingegen auf der
Bluts-Verwandschaft, Grund- oder Lehen-Herrschaft, besonderer Freyheit, dann
Gemein- Nachbar- oder Innwohnerschaft, zu Latein, Consanguinitate, Dominio
directo, Privilegio, Communione, Vicinitate vel Incolatu. Von dem Retractu
Consanguinitatis siehe nächstfolgenden §vum 2. bis 13. inclusivè, von denen
übrigen aber §vum seq. 14. &c.
Von
dem Retractu Consanguinitatis und dessen Requisiten.
§.
2. In Retractu Consanguinitatis muß 1mò Retrahent dem Verkäuffer Befreund seyn,
2dò sich in Zeiten mit dem Einstand melden, sofort 3tiò den Käuffer nicht nur
seines ausgelegten Kauf-Schillings befriedigen, sondern auch 4tò sonst
gebührend indemnisiren, und 5tò all übrige Kaufs-Conditiones seines Orts
gleichfalls erfüllen.
Erläuterung
jetztgedachter Requisiten, und zwar ad 1mum soviel die Freundschaft betrift.
§.
3. 1mò Wird unter der Freundschaft hierinfalls die Schwangerschaft nicht,
sondern nur die Bluts-Verwandschaft in ab- oder aufsteigender, dann
Collateral-Linie verstanden. 2dò Erstreckt sich das Einstands-Recht niemal über
den vierten Grad nach weltlichen Rechten gerechnet. 3tiò Hat unter mehr
Befreunden allzeit jener, welcher zur Zeit des geschlossenen Kaufs der nächste
gewest, den Vorzug, unter Gleich-Gesippten aber gehet
(361)
jener vor, welcher sich bey dem Käuffer erweislichermassen am ersten gemeldet
hat, und wenn sich mehr zugleich melden, wird jener præferirt, welcher an dem
verkauften Gut schon vorhin Antheil gehabt hat, sonst aber, und da keiner davon
Antheil hat, entscheidet sie das Loos. 4tò Pflegt man hierunter weder auf das
Jus Repræsentationis, noch die Zweybändigkeit (Duplicitatem Vinculi) sondern
nur auf die natürliche Nähe des Grads zu sehen, und ist 5tò kein Unterschied,
ob die Freundschaft oder das verkaufte Gut von des Verkäuffers Mütter- oder Vätterlicher
Seit herrühre. 6tò Stehet denen Kindern und Descendenten in Retrahirung des von
ihren Elteren verkauften Guts nicht entgegen, daß sie selbe geerbt, oder noch
zu erben haben, wenn nur die Kaufs-Summa nicht von denen verkauffenden Elteren
selbst vorgeschossen, sondern in anderweg beygeschaft wird. 7mo Muß nicht nur
obgedachte Sippschaft, sondern auch in Concursu mehr Befreunder der Grad auf
Wiedersprechen erwiesen seyn. 8vò Soll endlich die Freundschaft aus ehelicher
Geburt herrühren, dann die uneheliche nutzt in diesem Stück nichts.
Ad
2dum von der Zeit des Einstands.
§.
4. Das Einstand-Recht muß 1mò längst inner Jahr-Zeit sub Pœnâ Desertionis
gesucht, und dem Käuffer insinuirt werden, welches auch hinfüro in der Oberen
Pfalz statt der bishero üblich gewester 6. Monaten zu beobachten kommt. 2dò
Lauft dieser Termin bey adelichen oder siegelmässigen Verkäuffern erst von Zeit
der Extradition des Guts, bey anderen aber von der Zeit, da der Kauf bey
ordentlicher Obrigkeit insinuirt und angezeigt, oder wo bemelte Insinuation
unterlassen worden, gleichfalls erst von Zeit der würklichen Uebergab an. 3tiò
Ist hierinfalls die ordentliche Obrigkeit, worunter das verkaufte Gut liegt.
4tò Ficta Traditio reichet ad hunc Effectum nicht hin, sondern es muß vera seyn.
5tò Wenn der getroffen- und beschlossene Kauf dem Freund mit all seinen
Umständen einmal kund gemacht und angebotten worden, so lauft das Jahr gleich
von selber Zeit an ohne Unterschied, ob die Obrigkeitliche Insinuation und
Extradition geschehen seye oder nicht. Ist aber 6tò jetztgedachtes Anbott und
Verkündung nicht geschehen, so wird obverstandener Jahrs-Termin verdopplet, und
hat mithin Retrahens statt einem Jahr zwey zum Besten. 7mo Rechnet
(362)
man das Jahr zu dreyhundert, fünf und sechzig Täg, und zwar continuò ohne Abzug
deren Feyertägen. 8vò Ist eins, ob das Anbott dem Retrahenten selbst in Person,
oder in seiner Abwesenheit dem Befehls-Habern, oder da er noch unter der
Curatel ist, seinem Vormund geschehe. 9no Hat Restitutio in integrum contra Lapsum
Termini in dem Einstand weder wegen Minderjährigkeit, noch Abwesenheit, oder
unter dem Vorwand, daß man anderer näherer Befreunder halber sich noch nicht
habe melden darffen, oder der vorzügliche Einstand des Grund- und Lehen-Herrns
im Weg gestanden seye, und sonst mehr Statt. 10mò Ist in conditionirten Käuffen
inter suspensivam und resolutivam Conditionem zu unterscheiden. Erstenfalls
lauft die Zeit nicht, solang die Condition nicht erfüllt ist, und hat auch das
Einstand-Recht bis dahin nicht Statt, ausgenommen, wenn die Sach würklich
ausgeantwortet worden. Anderenfalls lauft 11mò die Zeit auch ante Existentiam
Conditionis wie in anderen Käuffen, doch dem Verkäuffer des in dem Kauf
bemelten Gedings unabbrüchig, und diese nemliche Beschaffenheit hat es auch in
Käuffen, worin der Wiederkauf pactirt ist, jedoch ebenfalls nicht anders, als
vorbehaltlich der stipulirten Reluition.
Ad
3tium von dem Kauf-Schilling und dessen Vergütung.
§.
5. Der Kauf-Schilling muß 1mò von dem Einsteher in dem nemlichen Quanto, und
auf die nemliche Art, wie solches von dem Käuffer bereits geschehen ist, oder
noch hätte geschehen sollen, bezahlt werden, und zwar was 2dò Käuffer schon
würklich hieran erlegt hat, das wird ihm hinwiederum von dem Einsteher
refundirt, was aber 3tiò etwan noch daran zu bezahlen restirt, das muß
Einsteher dem Verkäuffer bezahlen. 4tò Soll die Bezahlung in guter gangbarer
Münz, und sofern eine gewisse Species in dem Kauf bedungen ist, z. E. in harten
Thalern, Ducaten und dergleichen, auch von Seiten des Einstehers in eâdem
Specie geschehen. 5tò Bürgen, Pfandschaften und andere dergleichen Caution ist
man statt paar Geld von dem Einsteher anzunehmen nicht schuldig. 6tò Gehet die
Sach inner obigen ad Retractum bestimmten legalen Termin etwan durch mehrere Hände,
so bezahlt der Einsteher den Kauf-Schilling, welchen jener, deme man von
Freundschafts-wegen einzustehen sucht, zu empfangen gehabt hat. 7mo Die dem
Käuffer in dem Kaufs-Contract stipulirte Zahlungs-Fristen
(363)
kommen auch dem Einsteher zu Guten, doch muß er allenfalls hierum Caution
leisten. 8vò Was der Verkäuffer dem Käuffer erst nach geschlossenen Contract an
Fristen oder Nachlässen gutwillig einraumt, dessen kan sich Einsteher nicht
prævaliren. 9nò Ist der den Kauf-Schilling andergestalt nicht, als Zug für Zug
zu entrichten oder zu deponiren verbunden. Will aber 10mò derselbe ohne
erheblicher Ursach nicht angeommen werden, so kan er solchen bei Gericht,
worunter die Sach liegt, hinterlegen, welches sodann Vim Solutionis hat. 11mo
Greift auch auf Seiten des Einstehers, wie bei dem Käuffer, Querela Læsionis
enormis Platz. 12mò Muß der Käuffer Compensationem gestatten, wenn er dem
Einsteher mit liquid- und richtiger Forderung haftet. Von eidlicher Erhärtung
des Kaufs-Schilling, siehe §vum seq. 7.
Ad
4tum von Schadloshaltung des Käuffers.
§.
6. Es ist nicht genug, daß Einsteher den Käuffer seines ausgelegten
Kauf-Schilling halber befriedige, sondern er muß ihm auch in anderweg, um deren
in Ansehen des Kaufs verwendeter redlicher Kosten-wegen, ein Gnügen leisten.
Insonderheit vergütet er ihm 1mò den bedungenen Leib-Kauf ohne Unterschied, ob
er in Partem Pretii, oder in Pœnam aut Perfectionem Contractûs mitstipulirt
worden seye. Desgleichen 2dò das gebührliche Schreib- und Siegel-Geld, auch was
sonst noch über die Fertigung oder mässige Zehrung erloffen ist, alles nach
richterlicher Moderation und Ermässigung. 3tiò Die an der Sach selbst angelegte
Expensas Necessarias, das ist, solche Kösten, welche nicht nur unverschüblich,
sondern auch so beschaffen seynd, daß ohne selben die Sach gar zu Grund
gegangen, oder wenigste merklich schlechter worden wäre, jedoch ebenfalls nach
Gutbefinden unpartheyischer Verständiger, 4tò was man zu Besaam- oder Anbauung
der Felderen verwendet hat. Um übrige Expensas utiles & voluptuarias kan
Käuffer zwar 5tò salvâ Rei Substantiâ aufheben, die Vergütung aber von dem
Einsteher nicht begehren.
Ad
5tum von Erfüllung deren übrigen Kaufs-Conditionen.
§.
7. Alle und jene in dem Kaufs-Contract enthaltene Conditiones müssen 1mò von
dem Einsteher in der Mas, wie sie dem Käuffer oblegen gewest, genau erfüllt
werden. Wenn dahero
(364)
z. E. in dem Kauf die Reluition vorbehalten worden, so muß er derselben seines
Orts gleichfalls Platz geben. Damit aber auch 2dò zu seinem Nachtheil destoweniger
Gefährde gespielt werden möge, muß man ihm nicht nur den Kauf-Schilling und all
anderen Inhalt des Contracts redlich anzeigen, sondern er kan auch hierüber
sowol den Käuffer als Verkäuffer auf den Eid treiben, und da sich 3tiò jener
etwan des Eids weigerte, oder seine eidliche Anzeig mit des Verkäuffers Anzeig
nicht einstimmig wäre, so wird die Sach unpartheyisch geschätzt, und dem
Einsteher um das taxirte Quantum eingeliefert.
In
was für Sachen Retractus Consanguinitatis Statt habe?
§.
8. Das Einstands-Recht hat 1mò nur in liegenden Gütern Statt, es wären dann
nebst denselben auch andere fahrende Haab, Schulden-Sprüch und vergleichen in
unvertheilten Kauf verkauft worden, welchenfalls sich das Einstands-Recht auch
auf diese miterstreckt. 2dò Erb-Recht, Leib-Geding und veranleitete
Freystifts-Güter seynd à Retractu Consanguinitatis nicht ausgeschlossen, wenn
anders der Grund-Herr nicht selbst einzustehen gedenkt, oder gegen des
Einstehers Person kein Rechts-erhebliches Bedenken hat. 3tiò Gemeinschaftliche
Güter seynd dem Einstands-Recht ebenfalls unterworffen, soviel den Teil des
Verkäuffers betrift, aber auch allenfalls ganz, wenn es eine untheilbare Sach
ist, welchenfalls jedoch auch die nächste Freund deren übrigen Theilhabern
concurriren, so daß unter ihnen Jus Præventionis, oder wenn sie sich zu
gleicher Zeit melden, das Loos Statt hat. 4tò Ist nach hiesigen Lands-Gebrauch
unter denen von dem Verkäuffer selbst erst erlangt- oder ererbten Gütern (Bonis
acquisitis vel hæreditariis) kein Unterschied, und wird mithin der Einstand im
beeden zugelassen. Von dem Einstand in verkauften Lehen-Gütern siehe §vum seq.
14. & cap. 18. §. 37.
In
was für Handlungen?
§. 9. Der Einstand ist nur in Käuffen allein zuläßlich,
folglich seynd 1mò all andere Handlungen, z. E. Tausch, Cession, Uebergab,
Schantung, Vermächtnuß und dergleichen ausgeschlossen. Hiernächst seynd auch
2dò ausgenommen die sogenannte Freunds- oder Gnaden-Kauf, nicht weniger 3tiò
die offentliche Gand-Kauf,
(365)
welche man auszuruffen pflegt. Ein anderes ist in stillen Gand-Käuffen, welche
zwar auf Obrigkeitlichen Befehl, jedoch entweder nur von dem Debitore selbst,
oder von denen bestellten Curatoribus, oder von geschwornen Däntlern gemacht
werden. 4tò Wird Datio in Solutum dem Kauf gleich geschätzt. Um aber auch 5tò
alle heimliche Gefährden und simulirte Contracten zu vermeiden, kan Einsteher
die Beeidigung deren Contrahenten begehren, daß sie nicht zum blossen Schein
und Behinderung des Einstandes, sondern warhaft (!) und bona Fide also
gehandlet haben.
Würkung
des Einstands in Ansehung der erstandener Sach,
§.
10. 1mò Muß dem Einsteher die in obiger Mas rechtlich erstandene Sach gegen
erwehnte Præstanda ausgelieferet werden, wobey er sofort 2dò in alle des
Käuffers Rechten und Gerechtigkeit, soviel nemlich selbige Sach betrift, activè
& passivè dergestalt eintritt, daß er weder mehr noch weniger als der
Käuffer hierunter hat. 3tiò Soll auch Käuffer inner obigen ad Retractum
bestimmten Termin keine merkliche Veränderung an der Sach machen, sondern solche
in Statu quo erhalten, mithin auch ausser dem Feld- oder anderen
unverschüblichen Noth-Bau weder bauen, noch anliegende Zinsen und Gilten
ablösen, vielweniger das Gut verpfänden, veräussern, oder Gerechtigkeit darauf
verleihen, in denen dazu gehörigen Waldungen keinen merklichen Holzschlag thun,
oder sonst zu ungebührlicher Beschwer- oder Schmählerung des Guts das geringste
verhängen, allermassen 4tò dieses alles nicht nur in Ansehen des Einstehers,
sondern auch eines Drittens keine Kraft hat, und anbey jenem all dadurch
verursachter Schaden gut gemacht werden muß.
Und
in Ansehung deren Nutzungen.
§.
11. 1mò Gehören und bleiben dem Käuffer sowol Frctus Naturales als Civiles des
erkauft- und hernach erstandenen Guts, soweit solche schon vorher verfallen,
oder gebührlich eingebracht worden seynd, ehe der Einsteher den Kauf-Schilling
und andere Gebühr bezahlt oder bey der Obrigkeit hinterlegt hat, und ist 2dò
die Verfall-Zeit von Stift und Gilt bey Bauern-Gütern auf St. Martini oder
Galli, sofern kein anderes Herkommens, hiermit fest gesetzt. Was aber 3tiò erst
hernach verfallt
(366)
oder eingebracht wird, gehört dem Einsteher, doch giebt er 4tiò dem Käuffer,
nebst denen passirlichen Kösten, auch das Lands-gebräuchige Interesse von dem
bezahlten Kauf-Schilling pro Ratâ Temporis, wenn gleich von dem Gut keine
Nutzung abgefallen ist.
Fälle,
worin Retractus Consanguinitatis nicht Statt hat.
§.
12. In den folgenden Fällen hat das Einstands-Recht nicht Statt. 1mò Wenn die
in dem Kaufs-Contract bonâ Fide bedungene Conditiones so beschaffen seynd, daß
solche von dem Einsteher nicht wol erfüllt werden mögen. 2dò Wenn mehr Sachen
zugleich in unvertheilten Kauf gekauft werden, und der Einstand nicht in allen,
sondern nur in einigen gesucht werden will. 3tiò Wenn die Contrahenten selbst
wiederum von dem Kauf abstehen, ehe der Einstand dem Käuffer oder der Obrigkeit
insinuirt ist. 4tò Bey des Einsteher kundbarer Unvermögenheit oder vorwaltenden
Verdacht, daß er nur aus Gewinnsucht, und um dem Käuffer einen Vergleich
abzuschrecken einstehe, dann dergleichen Einstand soll man nicht nur nicht
zulassen, sondern vielmehr bestraffen, welche Beschaffenheit es auch 5tò auf
den Fall hat, wenn der Einstand nur einem Dritten zu Guten, um demselben das
erstandene Gut zu überlassen gesucht wird, worüber Retrahens auf allenfalliges
Begehren des Käuffers zum Jurament angehalten werden soll. 6tò Wenn der nächste
Befreunde selbst Käuffer ist, so kan ihn ein gleich- oder weiter Gesippter
nicht einstehen, wol hingegen der nähere dem weiteren, wenn dieser kauft. 7mò
In verkauften Closter- oder anderen Gemeinds-Gütern, weil dergleichen Corpora
keine Bluts-Verwandschaft mit anderen haben, und die Particular-Sippschaft
eines Religiosens oder Mitgemeiners nicht mehr attendirt wird. 8vò Wenn der
Einsteher ein Mönch oder Religios ist, wohingegen der Clericat allein von dem
Einstand Niemand ausschließt. 9nò Wenn der Einstand nicht Jure proprio, sondern
alieno, z. E. Jure Cessionis, Repræsentationis gesucht wird, ausgenommen was
etwan tutorio, curatorio, administratorio Nomine geschiehet. 10mò Wenn der
Einsteher sich seines Rechts nach Masgab nächstfolgenden §vi schon einmal
begeben hat, oder 11mò sonst an obgedachten Requisitis Juris Retractus etwas
ermanglet.
(367)
Von der Renunciation auf das Einstands-Recht.
§.
13. 1mò Begiebt man sich des Einstands entweder ausdrücklich oder
stillschweigend. Für eine ausdrückliche Renunciation wird 2dò auch die auf
vorläuffiges Anbott erfolgte Declaration des Einstehers, daß er nicht kauffen
wolle, geachtet, die stillschweigende aber 3tiò unter anderen z. E. daraus
geschlossen, wenn der Einsteher selbst jemand zum Kauf angereitzt, die Gewehr-
oder Bürgschaft versprochen, den Kauf-Brief oder die Abred mitgefertigt hat,
ohne daß er sich den Einstand ausdrücklich hierunter reservirt. Ein gleiches
schließt man 4tò aus dem Stillschweigen des Einstehers, wenn er bey der
Kaufs-Abred nicht nur gegenwärtig gewest, sondern ihm auch dabey das Anbott
ausdrücklich geschehen ist. Ausser sothanen Anbotts aber schadet ihm 5tò weder
die Gegenwart bey der Kauf-Abred, noch das blosse Stillschweigen. 6tò Wird bey
streittigen Einstand-Recht aus einsweilliger Zurucknahm des bereits
eventualiter deponirten Kauf-Schillings die Renunciation eben sowenig, als 7mò
aus blosser Interposition der Vormundschaftlichen Authorität bey dem Verkauf
eines puppillarischen Guts gefolgert. 8vò Stehet die Begebung nur dem
Renuncianten, nicht aber seinen Erben im Weg.
Von
dem Grund- oder Lehen-herrlichen Einstand.
§.
14. Von dem Grund- oder Lehen-herrlichen Einstand bey verkauften Grund- oder
Lehenbaren Gütern ist folgendes zu merken: 1mò gehet solcher dem Einstand von
Freundschafts-wegen noch vor, 2dò præjudicirt sich der Grund- oder Lehens-Herr
nichts daran, wenn er dem Grund-Unterthan oder Lehensmann Consensum ad alienandum
giebt, oder den Kauf-Brief fertiget, oder dem Grund-Unterthan in veranleiteter
Freystift den Verkauf auftragt, und dergleichen. 3tiò Ist er nicht schuldig,
den Eid zu schwören, wovon oben §vo præc. 12. n. 5. Anregung geschehen ist, und
kan mithin das erstandene Gut alsogleich wiederum einem anderen überlassen,
doch wenn sich hernach bezeigt, daß dieses lediglich um des Uebergewinns und
der Steigerung willen geschehen seye, soll die Obrigkeit gebührendes Einsehen
hierin thun, und dergleichen Ungebühr nicht gestatten. 4tò Wenn nebst dem
Grund- oder Lehenbaren Gut auch andere Sachen mitverkauft werden, ist er die
letztere in dem Einstand mit zu übernehmen seines Wegs verbunden, dahero
(368)
man den Werth derselben, soweit sie in dem Kauf-Schilling miteingeschlagen
worden, daran abziehet. 5tò Seynd etwan der Grund- oder Lehen-Herrn mehr von
der verkauften Sach, so hat jeder den Einstand pro Ratâ, oder in untheilbaren
Sachen zwar ganz, jedoch cum Jure Præventionis. 6tò Extendirt sich der
Grund-herrliche Einstand auch auf die mitverkaufte Zubau-Güter, wenn solche
anders dem Gut beybehalten werden wollen. 7mò Verstehet sich der
Lehen-herrliche Einstand nur von Beutel-Lehen, nicht aber von Ritter-Lehen, es
wolten oder könten dann des Verkäuffers Befreunde nicht einstehen, welchenfalls
sodann der Lehen-herrliche Einstand auch in sothanen Lehen Statt hat. 8vò Daurt
dieses Einstands-Recht von Zeit des Anbotts länger nicht, als zwey Monat. In
all anderen Stücken wird es 9nò mit selben in Terminis habilibus ebenso, wie
mit dem Retractu Consanguinitatis gehalten. 10mò Kan sich weder der
Gerichts-Herr auf denen seiner Gerichtsbarkeit unterworffenen noch der
Zins-Herr auf denen Zinsbaren Gütern der blossen Jurisdiction, oder Zinsbarkeit
halber des Einstands ermächtigen.
Von
dem privilegirten Einstand des Landsässigen Adels.
§.
15. Das dem hierländischen Adel bey verkauften Land-Gütern aus besonderer
Freyheit zuständige Jus Retractus, welches nunmehro auch auf die Obere Pfalz
extendirt wird, bestehet in folgenden. 1mò Kommt solches nicht nur denen mit
der Edelmanns-Freyheit begabten, sondern auch Vermög Land-Tags-Schluß und
Generalis von 20isten Febr. 1669. all anderen adelichen Landsassen, jedoch 2dò
nur bey Hofmärchen und dergleichen immatriculirten adelichen Gütern, sofern
solche 3tiò in ungefreyte Händ, Geistlich- oder Weltlichen Stands mit oder ohne
Lands-herrlichen Consens verkauft werden, und zwar dergestalt zu, daß 4tò
derjenige, welcher sich bey dem Hof-Rath oder der Regierung, worunter das
verkaufte Gut liegt, mit dem gesuchten Einstand am ersten meldet, auch vor
anderen Gefreyten das Jus Præventionis hat. 5tò Weicht dieser privilegirte
Einstand dem Freundschafts-wegen in Cucursu allzeit aus, und fangt auch 6tò der
zu obbemelter gerichtlicher Insinuation sub Pœnâ Desertionis bestimmte
einjährige Termin erst von dem Tag an, da die ad Retractum Consanguinitatis
præfigirte Jahrs-Frist erloschen ist, einfolglich daurt selber regulariter
nicht über zwey Jahr. 7mò Wird gegenwärtiger
(369)
Einstand obgedachten Adel laut General-Mandats von 20isten April Anni 1672.
sogar in offentlichen Hand-Käuffen inner Jahrs-Frist à Die Adjudicationis,
jedoch Besag weiteren Generalis von 27isten Octobr. Anni 1677. andergestalt
nicht vergönnt, als daß 8vò der Einsteher solchenfalls dem Gand-Glaubiger alles
zu erstatten hat, was er mittels des Gand-Kaufs an seiner Prætension etwan
verliehrt. 9nò Greift all übriges, was oben de Retractu Consanguinitatis
versehen ist, auch hier in applicablen Stücken wiederum Platz. 10mò Wem das
Einstands-Recht ex Consanguinitate und Privilegio Nobilitatis zugleich gebührt,
der kan sich des letztern nicht mehr bedienen, wenn er sich des ersten einmal
verlustig gemacht hat.
§.
16. 1mò Ist der Einstand weder von Nachbarschaft, noch von Societät- und
Gemeinschaft-wegen in hiesigen Landen üblich. Gleiche Beschaffenheit hat es 2dò
mit dem Einstand von Incolat- oder Lands-Einwohnerschaft-wegen, ausser in dem
Fall, wenn in- und ausländische Erb- Genossene in einer Erbschaft miteinander
concurriren, dann da haben jene Vermög General-Mandats von 20istgen April Anni
1672. in denen unbeweglichen Gütern, nach Gestalt und Proportion ihres
Erbtheils, um leidentlichen Anschlag den Vorzug vor diesen letzteren, und wenn
der weltlichen Erben mehr seynd, so gebührt sothaner Vorzug jederzeit dem
älteren Manns-Erben, welcher sodann die übrige Miterben an Mobilibus und
anderen Erschafts-Mittlen der Gebühr nach entrichten mag. 3tiò Was ein- oder
anderen Orts besonders disfalls hergebracht ist, dabey hat es sein Verbleiben.
Von
bedungenen Einstand oder Retractu conventionali.
§.
17. Wird das Einstands-Recht nur durch besonderes Geding oder letzten Willen
eingeraumt, so muß 1mò zuförderst der Innhalt einer solchen Convention oder
Disposition eingesehen und sich sowol der Zeit halber, als was sonst die Art
und Weis zu retrahiren anlangt, allerdings hiernach geachtet werden, und im
Fall nun 2dò derselbe nicht nur auf die Kaufs-Handlungen, sondern auch auf
andere dergleichen Alienationes überhaupt, oder besonders lautet, so hat es
hierbey sein Verbleiben. Ist aber 3tiò der Modus retrahendi hierunter nicht
allenthalben
(370)
regulirt, so wird es, wie mit dem Retractu Consanguinitatis, hierin gehalten,
soweit sich solcher auf gegenwärtigen Einstand seiner besonderen Art nach
schicklich appliciren laßt. 4tò Weil dergleichen Pacta und Dispositiones die
Sach selbst afficiren, so kan hieraus auch ein dritter Innhaber belangt werden.
5tò Ist Retractus conventionalis stärker als legalis, und gehet mithin
demselben in Concursu vor, wenn anders das Geding oder der letzte Willen von
einer Gültigkeit und annebens Retrahent des Guts, worauf er einstehen will,
fähig ist.
De
Jure Protimiseos und anderen dem Einstand ähnlichen Rechten.
§.
18. Mit dem Jure Retractus wird zwar auch öffters 1mò Jus Protimiseos, 2dò das
Wiederruffungs-Recht in verbottenen Veräusserungen, 3tiò Jus Reluitionis vel
Retrovenditionis, und endlich 4tò Jus delendi vermischt. Es differirt aber ad
1mum Jus Protimiseos oder das Vorkaufs-Recht von dem Jure Retractus darin, daß
das letztere allzeit einen bereits geschehenen Kauf voraussetzt, jenes hingegen
ziehlt nur auf die Verhinderung eines bevorstehenden Kaufs, oder andere
Veräusserung, und wenn solche dem ohngeacht geschehen ist, so thut es die
nemliche Würkung, wie das Einstands-Recht, kommt auch übrigens all jenen zu
Guten, welche sich dessen entweder ex Pacto oder Lege speciali zu erfreuen
haben, wie z. E. Vermög der Lands- und Policey-Ordnung die innländische Bäcker
vor denen Ausländern bey dem Getreid-Kauf an der Schrannen. Item Churfürstliche
Bediente und Landsassen vor den Roß-Käuflern in dem Roß-Kauf, und mehr
dergleichen. Ad 2dum differirt bemeltes Jus revocandi oder Wiederruffungs-Recht
sowol in Tempore als Modo von dem Einstands-Recht, wie solches z. E. bey
Wiederruffung deren von einer Ehe-Frau oder von Lehen- und
Fideicommiss-Innhabern (!) vorgenomener Veräusserungen erhellet.
Welchergestalten ad 3tium der Wiederkauf von dem Einstand unterschieden seye,
siehe oben cap. 4. §. 15. und da allenfalls letztwilligen oder anderen Dispositionen
und Conventionen eins mit dem anderen vermischt wird, so ist hierunter mehr auf
den Sinn als Buchstaben derselben zu sehen, folglich was man für eins von
beeden verstanden habe, hieraus zu ermessen. Ad 4tum siehe endlich von dem Jure
delendi, welches dem letzten Glaubiger in Gand-Käuffen sowol gegen Mitglaubiger
als Extraneos Venditores zustehet, Cod. Jud. Cap. 19. §. 17. n. 2.
(371) Sechstes Capitul
Von
dem Ding- Stift- Mieth- Pacht oder Bestands- und Admodiations-Contract
(Locatione, Conductione)
Was Locatio, Conductio seye?
§.
1. Locatio, Conductio heißt, da man etwas um bestimmt- gewissen Lohn zum
Gebrauch verleihet oder gestattet und pflegt derjenige, welcher den Lohn
empfangt, Locator, oder Hindinger (!), Verstifter, Verpachter, Vermiether, Verbeständner,
hingegen der andere, welcher den Gebrauch hierum hat, Conductor oder Dinger,
Stifter, Miether, Pachter, Beständner, der bestimmte Lohn aber auch öffters
Zins- Stift- Gilt- oder Pacht-Schilling, zu Latein Merces aut Pensio genannt zu
werden.
Wer
auf diese Weis contrahiren könne oder müsse.
§.
2. 1mò ist regulariter Niemand hievon ausgeschlossen, der nicht ein besonderes
Verbott wieder sich hat, wie z. E. Schmid, Schlosser, und andere dergleichen
grosses Getöse und Unruhe verursachende Handwerks-Leut, welche in der Gegend,
wo bereits Räth, Professores, und andere von Studiis Profession machende
Personen ihr Quartier haben, keine Wohnung miethen können, sie seyen dann schon
vor ermelten Innwohneren (!) selbiger Orten bewohnt gewest. 2dò Kan kein Grund-Unterthan
ohne Bewilligung seines Grund-Herrns ein Zubau-Gut in Bestand nehmen,
wiederigenfalls gehört die von solchem Zubau verreichende Gilt dem ersten
Grund-Herrn zu, bis der Zubau gnugsam bewiesen ist. Was aber 3tiò das gemeine
Recht von Weibs-Personen, Soldaten, Geistlichen, und Decurionen disfalls
verordnet, ist heut zu Tag nicht in Uebung. 4tò Kan auch niemand zu solchem
Contract wieder Willen gezwungen werden, ausser soweit es etwan der Dienst des
Publici unumgänglich erfordert, oder soviel 5tò die Jurisdictions-Unterthanen
(372)
auf dem Land betrift, welche sich ihrer Herrschaft, sofern sie derselben
bedarf, sowol zum Schloß- und Hof-Bau, als anderen anständigen Diensten, jedoch
andergestalt nicht, als in der Hofmarch und um gebräuchigen Lohn, wenigst auf
einige Jahr zu verdingen schuldig seynd.
In
was für Sachen?
§.
3. Dieser Contract hat regulariter Statt 1mò in allen sowol fahrend- als auch
liegenden, was nur immer in Handel und Wandel ist, und durch den Gebrauch nicht
consumirt zu werden pflegt, insbesonderheit aber 2dò auch in uncörperlichen
Dingen, z. E. in Jurisdictionalien, Regalien, und dergleichen gerechtsamen (!),
nicht minder 3tiò in Geistlichen Sachen, soweit sie weltlichen anhangen, z. E.
in Pfarr-Lehen, Kirchen-Schutz etc. Desgleichen 4tò in Operis, das ist, in
menschlichen Diensten, Arbeiten und Verrichtungen, z. E. bey Dienstbothen,
Tagwerkern, Handwerks-Leuten etc. soweit solche nicht entweder gegen die Natur
und Möglichkeit, oder Gegen-Gebott lauffen, oder gar von keinem Gebrauch, oder
wenigst in keinem gebräuchigen Anschlag seynd. 5tò In fremden Sachen, jedoch
dem Eigenthums-Herrn unabbrüchig, und salvo Regressu Conductoris an den
Locatorem, wenn jenem die Sach vor der Zeit abgenommen und evincirt wird. 6tò
Sogar in Sachen, welche Conductori selbst schon zugehörig seynd, soweit Locator
etwan ein anderes besonderes Recht, z. E. die Nutzniessung, Jurisdiction,
Dienstbarkeit und dergleichen hierauf hergebracht hat.
Befugnuß
des Conductoris in dem Gebrauch der Sach,
§.
4. Da nun bey diesem Contract die Haupt-Absicht auf Seiten des Conductoris
dahin gehet, daß er den Gebrauch von der Sach haben möge, so folgt 1mò von
selbst, daß ihm solche nach geschlossenen Contract alsofort mit all bedungen-
oder sonstiger Zugehör in gewöhnlich- und brauchbaren Stand von Locatore
übergeben und eingeliefert werden müsse. Immassen er 2dò nicht schuldig ist,
sich mit einer anderen Sach, oder mit blosser Schadloshaltung abfertigen zu
lassen, solang jene noch in Naturâ & Specie von dem Locatore beygeschaft werden
kan. 3tiò Muß ihm auch dieser auf allem Fall, wenn die Sach zum Theil oder ganz
evincirt wird, ebenso, wie in Kaufs-Handlungen
(373)
obgedachtermassen Rechtens ist, die Gewehrschaft leisten. 4tò Folgt weiter, daß
Conductor durch die an ihn beschehene Uebergab mehr nicht, als den Gebrauch der
Sach und das Jus Detentionis erlangt, wohingegen das Eigenthum und die
Possession Locatori ein- als anderen Wegs noch verbleibt. 5tò Ist wol dabey zu
unterscheiden ob der Gebrauch in dem Contract eingeschränkt worden oder nicht.
Erstenfalls darf Conductor nicht weiter hierin gehen, ohne daß er den dadurch
verursachten Schaden vergüten muß. Anderenfalls hat er zwar freye Hand, jedoch
so, daß er die Sach Wirthschaftlich- und gewöhnlicher Weis gebrauchen, mithin
sowol Dolum als Culpam latam & levem hierunter vermeiden muß. 6tò Seynd in
fruchtbaren Sachen, z. E. in Aeckern, Wiesen, Gärten, Waldungen, Weyern,
Weinbergen etc. auch die hievon abfallende gewöhnliche Früchten und Nutzungen,
soweit kein anderes bedungen ist, unter dem Gebrauch verstanden, und gehen also
Conductori zu Guten.
Und
wenn er darin gestört oder gehindert wird,
§.
5. Wird er in dem Gebrauch gestört oder gehindert, so seynd unterschiedliche
Fälle zu betrachten. Nemlich 1mò wenn Locator hierin Hindernuß macht, ohne daß
er von Conductore billichen Anlaß dazu hat, so ersetzt jener allen Schaden und
Entgang, er mag gleich mehr oder weniger als der Lohn- oder Stift-Pfenning
betragen. Kommt aber 2dò die Hindernuß nicht von Locatore, sondern von einem
sich an der Sach selbst ergebenden Unglücks-Fall, oder von einem Dritten her,
ohne daß Locator ein so anderes zu verhüten vermöcht hat, z. E. da der Nachbar
Luft oder Liecht von der gemietheter Wohnung verbauet, oder das Wasser den
Grund wegreißt, so laßt er Conductori den Zins oder Stift-Pfenning ganz oder
zum Theil à Proportion nach, und ist zu einer weiteren Schadloshaltung oder
Gewehrschaft hierum nicht verbunden. Nimmt endlich 3tiò die Hindernuß ihren
Ursprung von dem Conductore selbst mit oder ohne seinen Verschulden, z. E.
durch Krankheit oder Abwesenheit, so kan er weder Nachlaß noch Schadloshaltung
forderen, welche Beschaffenheit es 4tò um somehr in obigen zweyten Fall hat,
wenn er den Casum fortuitum selbst veranlaßt, oder per Pactum auf sich
genommen, oder wenigst leicht voraus zu sehen gehabt hat.
(374)
Sonderbar in Casu Sterilitatis,
§.
6. Um wegen erlittenen Schauer, Mißwachs und anderer dergleichen an denen
Früchten der in Bestand genommener Sache zugestossener Schäden und
Unglücks-Fällen einen Nachlaß an dem Stift- oder Bestand-Geld mit Fug begehren
zu können, werden folgende Stücke erfordert. 1mò Muß es ein sehr gross- und
erweislicher Schaden seyn, welcher 2tò nicht aus innerlichen Mangel des
Bestand-Guts selbst, sondern 3tiò von äusserlich- unversehen- und
ungewöhnlichen Zufällen hergerühret, sich auch 4tò an denen noch nicht
eingebrachten Früchten, und zwar 5tò ohne sein des Conductoris Verschulden oder
Veranlassen ergeben hat, annebens 6tò weder durch die vorgehende Fruchtbarkeit
der Jahren wiederum ersetzt, noch 7mo in dem Contract vorläuffig von ihm
übernommen, oder etwan erst hernach darauf renuncirt worden ist.
Oder
in Conductione Operarum.
§.
7. Unterbleiben die verdungene Dienst, Arbeit- oder Verrichtungen zum Theil
oder ganz ohne Verschulden des Locatoris, welcher solche zu leisten gehabt hat,
z. E. wegen Krankheit, oder anderer ehehafter Hindernuß, so ziehet man ihm 1mò
à Proportion an dem Lohn soviel ab, oder fordert an dem bereits in Abschlag
voraus Erlegten soviel wiederum zuruck. Ist aber 2dò Locator disfalls in Culpâ,
z. E. da der Dienstboth ohne erheblicher Ursach vor der Zeit aus dem Dienst
lauft, so ist man ihm den Lohn weder ganz noch zum Theil schuldig, sondern die
Obrigkeit soll vielmehr gegen dergleichen Frevler der Ehehalten-Ordnung nach
gebührende Straf vorkehren. Ist endlich 3tiò Conductor selbst daran Schuld, z.
E. da er den Dienstbothen vor der Zeit ohne erheblicher Ursach fortjagt, oder
das unausgemachte Werk abbricht und dergleichen, so muß nichtsdestoweniger der
ganze Lohn bezahlt werden.
Befugnuß
des Conductori in Ansehen der Kösten
§.
8. 1mò Werden Conductori nicht nur die an der Sach verwendete Expensæ necessariæ, sondern auch utiles, soweit
diese letztere von einem stäts mehrenden Nutzen und weder ungewöhnlich noch
allzu excessiv, oder wenigst mit Einstimmung des Locatoris gemacht worden
seynd, von diesem wiederum vergütet,
(375)
welche Meinung es auch 2dò mit denen von der gepachteter Sache entrichteten
Steuern, Anlagen, Quartiers-Kösten und anderen dergleichen Extraordinari-Bürden
hat. Dahingegen tragt er 3tiò nicht nur das, was auf die Erziehl- oder
Einbringung deren ihm zu Guten gehender Früchten verwendet wird, sondern auch
die davon abzureichende Zehends-Præstationes und andere dergleichen Onera Rei
ordinaria. 4tò hat er Jus Retentionis in Re conductâ um obverstandener
passirlich- und erweislicher Kösten willen. 5tò Verstehet sich all dieses nur
in Regulâ, sofern kein anderes bedungen, verordnet oder hergebracht ist.
Befugnuß
des Locatoris wegen des Mieth- oder Pacht-Schillings
§.
9. Der Lohn- oder Stift-Pfenning wird 1mò nicht gleich anfänglich bey
Schliessung des Contracts, oder bey Uebergab der Sach, sondern regulariter erst
nach vollendeten Gebrauch, oder in Locatione Operarum nach ausgerichtetem
Dienst und verfertigter Arbeit bezahlt, es wäre dann 2dò ein anderes gewöhnlich
oder ausdrücklich bedungen, oder der Dienst und die Arbeit so beschaffen, daß
man lange Zeit, oder grosse Kösten dazu bedarf, welchenfalls man auch ohne
sonderbaren Geding entweder einen Vorschuß zu thun, oder wenigst nach und nach
à Proportion des unter Handen genommenen Werks, oder auszurichtenden Dienst zu
bezahlen pflegt. Im übrigen siehe 3tiò von der stillschweigenden Hypothec des
Locatoris, welche ihm sowol um den Pacht-Schilling als all andere
Contractmässige Forderung gebührt, Cod. Jud. cap. 20. §. 10. n. 1. 2. 3.
Und
Restitution der Sach.
§.
10. 1mò Sobald der Contract aufhört, sobald muß auch Res locata dem Locatori in
Naturâ & Specie, und zwar in dem nemlichen Stand, wie man sie von ihm
empfangen hat, wiederum restituirt und eingeraumt werden, es seye dann 2dò die
Sach gleich anfänglich geschätzt worden, dann da hat Conductor die Wahl, ob er
sie selbst, oder den Werth restituiren wolle, wenn anderst die Schätzung nicht
soviel Taxationis als Venditionis gratiâ geschehen ist, welch letzteres in
Dubio allzeit mehr præsumirt wird. 3tiò kan Conductor die Sach unter dem
Vorwand, daß ihm dieselbe eigenthümlich zugehörig seye,
(376)
nicht vorenthalten, es wäre dann die von ihm vorgeschützte Exceptio Dominii in
Continenti zu liquidiren.
Wie
weit hierin Dolus vel Culpa von denen Contrahenten præstirt werde?
§.
11. 1mò Leistet Locator sowol Dolum als Culpam latam & levem, wenn
Conductor dadurch zu Schaden kommt, z. E. da ihm ein reittstättiges Pferd ohne
vorläuffiger Gewarnung wissentlich vermiethet wird. Dahingegen præstirt auch
2dò Conductor Dolum, & Culpam latam aut levem, wenn die Sach dadurch
Schaden leidet, oder gar zu Grund gehet. Casum fortuitum præstirt er 3tò nur in
Sachen, welche Venditionis gratiâ geschätzt seynd, wieauch in all obigen cap.
I. §. 20. n. 5. benannten Fällen. Soviel 4tò die Handwerks-Leut insonderheit
betrift, præstiren sie hiesigen Land-Rechten nach um die in Arbeit genommene
fahrende Haab auch Culpam levissimam.
Wie
der Contract wiederum aufgehoben werde?
§.
12. Gegenwärtiger Contract wird wie all andere Conventiones überhaupt,
insonderheit aber durch Verfliessung der Mieth- oder Stift-Zeit, dann durch die
Resignation und Aufkündung, nicht weniger per Successionem singularem, und
endlich in gewisser Mas durch den Tod deren Contrahenten aufgehoben.
Wie
durch den Tod deren Contrahenten?
§.
13. Durch Absterben eines oder beeder Contrahenten wird Locatio Conductio weder
ein- noch andererseits aufgehoben, sondern gehet regulariter wie andere
Conventiones, auf beederseitige Erben fortausgenommen folgende Fälle. 1mò Wenn
bey dem Contract hauptsächlich auf die Geschicklichkeit der Person, z. E. bey
Bestellung eines Kunst-Stucks oder anderer von denen Erben so leicht nicht zu
præstirender Arbeit gesehen wird. 2dò Wenn nur auf Leibs-Lebenslang contrahirt
worden. 3tiò Wenn es sich mit Antrettung der Erbschaft lang verweilt, mithin
Locator nicht mehr weiß, mit wem er es eigentlich zu thun habe, welchenfalls
derselbe länger bey dem Contract zu bleiben nicht mehr schuldig ist. 4tò Wenn
das Recht, welches Locator in Re locatâ gehabt hat, nur personalissimum gewest,
sohin durch seinen Tod erloschen ist, z. E. da er nur Usufructuarius
(377)
davon war. Doch wenn dieser Umstand bey dem Contract von ihm verschwiegen
worden, so müssen seine hinterlassene Erben Conductorem allenfalls hierum
schadlos halten.
Wie
per Sucessionem singularem?
§.
14. 1mò Wer dem Locatori oder Conductori nicht Jure Universali &
hæreditario sondern nur singulari, wie z. E. ein Käuffer, Lehens-Folger,
Legatarius, Donatarius, Fideicommissarius particularis in Re locatâ vel
conductâ succedirt, der ist auch an den Contract seines Vorfahrers weiter nicht
mehr gebunden, und hindert 2dò nicht, daß gedachter Successor Wissenschaft vom
dem Contract gehabt, oder Locator die Sache nicht veräusseren zu wollen
versprochen hat. Ein anderes ist 3tiò wenn Conductori die Sach ausdrücklich zu
dem Ende verhypothecirt ist, daß er vor der Zeit nicht daraus vertrieben werde,
dann da muß Successor singularis die Zeit gleichfalls abwarten. 4tò Wird jener
pro Successore nicht geachtet, der weder Eigenthum noch Nutzniessung, sondern
nur die Verwahr- oder Verwaltung von der Sach erlangt, z. E. ein Depositarius,
Pignoratarius, Mandatarius, Administrator. Von jenen welche gerichtlich
immittirt seynd, siehe Cod. Jud. cap. 18. §. 6. n. 5.
Wie
durch Verfliessung der Zeit?
§.
15. 1mò Ist der Contract nur auf gewiss- benannte Zeit gemacht, so erlöscht er
mit selber alsofort ohne weitere Aufkündung von selbst, und ingleichen 2dò auf
dem Fall, wenn zwar keine gewisse Zeit benannt, jedoch der bedungene Gebrauch
von solcher Eigenschaft ist, daß er der natürlichen Ordnung nach eine gewisse
Zeit erfordert, z. E. in Miethung eines Lehen-Pferds um von hier nach Augspurg zu
reitten. Ausser dessen und da 3tiò entweder keine gewisse Zeit in dem Contract
bestimmt, oder aber auf beständig und ewig miteinander contrahirt worden ist,
so erlöscht der Contract durch die Zeit allein nicht, wird aber auch 4tò
derwegen in keine Emphyteusin oder andere dergleichen Real-Gerechtigkeit
verwandlet, sondern bleibt nichtsdestoweniger in all übrigen bey seiner Natur.
5tò Gilt eine drey- oder mehrjärige Verstift- oder Verpachtung eines
Bauern-Guts ohne Siegel und Brief nach hiesigem
(378)
Land-Recht länger nicht als auf ein Jahr, und was solchenfalls von dem
Beständner über den bedungenen Stift-Pfenning an Laudemien, Willen- Geld,
Verehrung und sonst gegeben worden, soll ihm wiederum erstattet werden.
Wie
durch die Resignation oder Aufkündung?
§.
16. 1mò Stehet jeden Theil regulariter frey, den Contract nach Belieben
wiederum aufzukünden, und ist 2dò sowol quò ad Modum als Tempus Resignationis
zuförderst auf das, was desfalls etwan bedungen worden, sodann aber auf jedes
Orts wol hergebrachte Gewohnheit, und endlichen in Ermanglung deren auf Recht
und Billichkeit zu sehen. Insonderheit pflegt man 3tiò hiesigen LandsGebrauch
nach verstiftete Land- oder Bauern-Güter zur Stift-Zeit aufzukünden, wo sohin
der Bestandmann längst in vierzehen Tägen nach nächstfolgender Liechtmeß
abzuziehen schuldig ist. Der Haus-Zins in Städten und Märkten aber wird ein
halbes Jahr voraus, und zwar sofern kein anderes Herkommens ist, um Georgi und
Michaeli 14. Täg vor oder nach aufgekündet. Ingleichen bleibt es 4tò bey deme,
was unter Herrschaften und Dienstbothen hierinfalls Contract- Observanz oder
Ehehalten Ordnungs-mässig ist, und kan die Herrschaft einen ehrlichen
Abschieds-Brief dem entlassenen Dienstbothen ohne erheblicher Ursach nicht
verweigeren. 5tò Findet die Aufkündung in Locatione perpetuâ gar nicht, und in
temporali wenigst vor Ausgang der hierin bestimmt- oder sonst gewöhnlich und
erforderlichen Zeit regulariter nicht Platz, ausgenommen soviel die in §vis
seq. 17. & 18. hernach benannte Fälle betrift. 6tò Soll auch der von einem
Bauern-Gut abgestiftete Mayr weder von seinem Guts-Nachfolger des Abstandswegen
etwas anzunehmen, noch dieser ihm etwas hierum zu geben sich unterstehen,
beedes bey willkürlicher Straf, und Verwürkung dessen, was also gegeben oder empfangen
worden.
Und
zwar sowol in Locatione perpetuâ als temporali vor der Zeit auf Seiten des
Locatoris
§.
17. Auf Seiten des Locatoris hat jetztbemelte ausserordentliche Aufkündung
Platz. 1mò Wenn er die Sach zu sein oder seiner Familie selbst eignen Gebrauch
neuerlich und unversehener Weis bedarf. 2dò Die unvermeidliche Nothdurft einen
Bau oder Ausbesserung in Re locatâ erfordert, und ein so anderes ohne
(379)
Vertreibung des Conductoris nicht geschehen kan. 3tiò Conductor sich in dem
Gebrauch der Sach ungebührlich verhalt, z. E. bey dem gestifteten Gut
ungebührliche Holzschläg vornimmt, oder solches in anderweg merklich
abschleift, und dergleichen. 4tò Den Lohn oder Stift-Pfenning in rechter Zeit
nicht entrichtet, und endlich 5tò in obgedachtem Casu Successionis singularis.
Dahingegen bezahlt aber auch erst- und fünften Falls Conductor nur pro Ratâ
Temporis, zweyten Falls kan er nach vollendeten Bau oder Besserung wiederum zur
Sach stehen, und die Erfüllung des völligen Contracts begehren, anbey den Zins oder
Lohn pro Ratâ Temporis, solang er den Gebrauch hat entbehren müssen, wiederum
abziehen, dritt- und vierten Falls bezahlt er nur alsdann für die ganze Zeit,
wenn Locator pro Residuo Temporis keinen anderen anständigen Conductorem
überkommen, mithin Schaden davon gehabt hat.
Und
auf Seiten des Conductoris
§.
18. Auf Seiten des Conductoris kan mehr bemerkt- ausserordentliche Aufkündung
geschehen 1mò in verstandenem Casu successionis singularis, 2dò in denen §vo
præc. 5. num. I. & 2. berührten zwey Fällen, wenn er anders in dem
letzteren Fall von der ex Facto Tertii vel Casu fortuito hergekommener
Hindernuß Locatori zeitliche Nachricht ertheilt hat, anerwogen er sich sonst
die Schuld samt allem daraus erfolgten Schaden und Ungemach selbst beyzumessen
hat.
Von
stillschweigender Contracts-Erneuerung oder Relocation
§.
19. Wenn Locator nach verflossener Mieth-Zeit, oder sonst geendigten Contract
Conductori den weiteren Gebrauch der Sach eine zimmliche Weil fortgestattet,
ohne daß weder seiner- noch andererseits eine Verwahrung dagegen geschiehet, so
wird der Contract auf die vorig- nemliche Conditiones für stillschweigend
erneuert geachtet, und kan dergleichen Renovation sich bey diesen Umständen
auch mit einem Successore singulari ergeben.
Von
Affter-Mieth- oder Pacht Sublocatione, Subconductione
§.
20. 1mò kan zwar Conductor die gemiethete Sach wiederum an einen anderen soweit
vermiethen, als dieses zu den nemlichen
(380)
Gebrauch, welcher ihm selbst vorhin verdungen worden, und annebens an einen
solchen Subconductorem vel Inquilinum geschiehet, deme der erste Locator seine
Rechts-erhebliche Ausstellung zu machen hat. Dahingegen ist 2dò dem Locatori
nicht erlaubt, das, was er schon einmal vermiethet oder verpachtet hat, vor
geendigten Contract wiederum an einen anderen zu lociren, thut er aber solches
gleichwol, so wird 3tiò von mehr dergleichen Concurrirenden conductoribus jener
præferirt, dem die Uebergab am ersten geschehen ist, salvo cæterorum Regressu
an gedachten Locatorem wegen der ihnen gebührender Schadloshaltung, soweit
selbe zu erweisen seyn mag. Die nemliche Meinung hat es 4tò in Sublocatione
Operarum.
De
Actione Locati, Conducti, & Remedio Leg. 2. God. de Rescind.
§.
21. 1mò Darf Locator Conductorem weder aus Ursach, daß der Contract geendiget
seye, noch sonstigen Vorwand eigenmächtiger Weis ex Re locatâ heraussetzen,
sofern nicht das alte Herkommen und Privilegium Loci, wie z. E. allhier das
sogenannte Haus-Recht ein anderes mit sich bringt, oder der Conductor des
Locatoris Jurisdiction unterworffen ist. Solchemnach sollen sich 2dò
Contrahenten vielmehr des Weeg Rechtens begnügen, und das was sie ex Pacto vel
Naturâ Contractûs gegeneinander zu suchen haben, durch die bey seiner Behörde
anzustellende Actionem Locati Conducti erholen. Dafern auch 3tiò auf ein- oder
anderer Seit eine Læsio enormis über die Helfte sich äussert, so hat das
Remedium Leg. 2. Cod. de Rescind. auf Art und Mas, wie bey Käuffen, Statt.
(381)
Siebendes Capitul
Von
dem Contractu Emphyteutico überhaupt, und insonderheit von Erb-Rechten,
Leib-Geding, Neustift, Herrn-Gunst oder veranleiteter Freystift, und anderen
ähnlichen Handlungen.
Was
Emphyteusis seye?
§.
1. Wenn ein unbewegliches Gut gegen gewiss- und bestimmter Verreichnuß
dergestalt verliehen wird, daß man dadurch kein blosses Personal-Recht gegen
den Verleiher, wie in vorbemelter Locatione Conductione, sondern eine
Grund-Gerechtigkeit und das nutzbare Eigenthum (Jus reale & Dominium utile)
hierauf erlangt, so heißt es Emphyteusis oder Bau-Recht, und wird der Verleiher
eines solchen Guts der Grund- und Eigenthums-Herr (Dominus directus) der andere
hingegen, deme solches verlichen ist, der Grundhold oder Grund-Unterthan
(Dominus utilis vel Emphyteuta) genannt.
Wie
vielerley?
§.
2. Jetztgedachte Verleihung geschiehet auf unterschiedliche Weis, und zwar so,
daß solche 1mò entweder nur auf des Grundholdens Person und seinen Leib, oder
2dò auch auf seine Erben und Nachkommen, oder 3tiò zwar auf beede, jedoch nur
solang der Grund-Herr lebt, oder endlich 4tò sich nicht weiter als bis auf erfolgende
Abstiftung erstreckt. Die 1te Gattung wird Leib-Recht oder Leib-Geding, die 2te
Erb-Recht, die 3te Neustift, und endlich die 4te Herrn-Gunst oder veranleitete
Freystift genannt. Von dem Erb-Recht siehe §vum seq. 3. , von Leib-Geding und
denen übrigen Gerechtigkeiten aber §vum seq. 29. &c. Ueberhaupt ist
hierunter zu merken, daß gleichwie der Gebrauch und das Herkommen bey seiner
von
(382)
erstbemelten vier sammentlichen Gattungen sich in hiesigen Landen durchgehends
gleich, sondern gar unterschiedlich bezeigt, also auch bey denen hierüber
vorfallenden Irrungen und Streitigkeiten gegenwärtige Constitution und
Verordnung nur soweit für eine General-Regul angenommen und beobachtet werden
solle, als kein besonderes Geding, Res judicata, oder jedes Orts hergebrachte
legale Observanz und Gewohnheit entgegen stehet.
Insonderheit
von dem Erb-Rechts-Contract und in was für Sachen solcher Statt habe?
§.
3. Erb-Recht kan nur auf unbeweglichen Gütern, soweit sie dem Verleiher
zugehörig seynd, von ihm verliehen werden, was demnach anderen schon
Grund-Lehenbar oder gar Fideicommiss ist, das laßt sich mit
Erb-Rechts-Gerechtigkeit andergestalt nicht, als salvo Jure Tertii, belegen.
Wie
und auf was Weis in geistlichen aber milden Stiftungs-Gütern?
§.
4. Geistliche oder milde Stiftungs-Güter mögen ohne denen auch sonst zu deren
Veräusserung erforderlich- und üblichen Zierlichkeiten andergestalt nicht, als
auf die nemliche bey dem Gut schon von Alters hergebracht- oder der
Grund-Herrschaft noch minder beschwerliche Weis, vererbrecht werden, soviel
aber die zu den Pfarren, oder Præbenden gehörige Wiedums-Güter betrift, hat
deren Vererbrechtung niemal weiter als auf des Verleihers Lebenlang, mithin nur
blosse Neustifts-Gerechtigkeit Statt.
Ob
die Schrift hierzu nöthig?
§. 5.
Vor Ausfertigung des sogenannten Stift-Briefs gilt 1mò der Contract nur für
einen blossen Bestands- oder anderen Vertrag, und tragt 2dò dem Guts-Innhaber
solchenfalls weder die Possess noch Verjährung, ausgenommen die von
unfürdenklichen Zeiten gegen den Grund-Herrn etwas vor. Ist aber 3tiò der Brief
Alters- oder anderer Zufällen halber verlohren oder verdorben, so soll selber
längst inner sechs Monat von der Zeit, da man von dem Verlust Wissenschaft hat,
wiederum erneuert werden, nachdem vorhero der Innhalt des älteren Briefs
gnüglich dargethan, oder sonst nicht wiedersprochen wird. 4tiò Soll sich der
Grund-Herr sothaner Erneuerung nicht weigeren, sondern solche
(383)
längst inner zwey Monat von Zeit, da solche begehrt worden, vornehmen,
wiederigenfalls alle dem Grundholden durch Klag, Nachreiß und sonst verursachte
Schäden vergüten. 5to Siegelmässige Grund-Herrschaften richten den Grund- oder
Stift-Brief selbst auf, bei ermanglender Siegelmässigkeit aber gebührt die
Errichtung der Obrigkeit, worunter das Gut liegt. 6to Wird auch bey jeder
Veränderung, es seyen gleich die Successores Erben oder nicht, der
Erb-Rechts-Brief, jedoch allzeit nur in voriger Conformität, soweit nicht
sammentliche Interessenten auf ein anders selbst gutwillig einverstanden seynd,
wiederum erneuert. Im übrigen siehe auch unten §. 12. n. 8. & §. 25. n. 1.
Würkungen
des Erb-Rechts
§.
6. Die Haupt-Würkungen des Erb-Rechts bestehen 1mo auf Seiten des Grund-Herrns
in dem Domino directo samt denen davon abhangenden Grund-herrlichen Forderungen
und Præstationen, dann der ihm in Kraft des Cod Jud hierum gebührender Hypothec
und respectivé Vorzugs-Freyheit, wie nicht weniger in obbemelten
Einstands-Recht, dann daß ohne seiner Bewilligung nichts von dem Gut veräussert
werden darf, 2do auf Seiten des Grundholdens hingegen in dem Domino utili samt
allen davon abhangenden Guts-Fructibus und Oneribus, sonderbar aber in der
Gewehrschaft, welche ihm der Grund-Herr um alles, was der Stift-Brief besagt,
zu leisten hat, 3tio endlich in beederseitiger Præstatione Doli vel Culpæ, wie
aus nachfolgenden mit mehreren erhellet.
Insonderheit
die Fructus und Onera betreffend.
§.
7. Dem Grundholden gehen 1mò in Kraft des ihm zustehenden Dominii utilis alle
von dem Gut abfallende Nutzungen, wie sie Namen haben, und ohne Unterschied
inter Fructus Civiles & Naturales dergestalt zu Guten, daß er mit selben
wie mit anderen Eigenthum und Allodial ohne männiglicher Hindernuß nach
Belieben schalten und walten kan. 2do Erstreckt sich sothanes Benutzungs-Recht
auch auf alle Guts-Pertinentien, welche entweder schon anfänglich bey dem Gut
gewest, oder erst mit der Zeit z. E. per Alluvionem, Coalitionem dazu gekommen
seynd, es seye dann 3tiò das Gut ordentlich versteint und ausgemarkt,
welchenfalls das Dominium utile
(384)
sich auf den Zuwachs nicht erstreckt, sondern ein für allemal inner denen
ausgezeigten Gränzen verbleibt. Wieweit der Erb-Rechter 4tò von dem auf seinen
Grund gefundenen Schatz zu participiren hat, ist bereits oben P. 2. cap. 3. §.
4. mit mehrern versehen. 5to Ist ihm nicht verwehrt, Faciem Soli auf eine dem
Gut zum besseren Nutzen gedeyende Art, jedoch mit Vorwissen der
Grund-Herrschaft zu verändern, mithin aus Aeckern Wißmath oder Waldungen &
vicissim zu machen, wie nicht weniger 6to in Ansehen des Guts allerhand
Dienstbarkeiten von anderen zu erlangen, mithin sich derenselben zu gebrauchen,
dahingegen tragt er auch 7mo alle auf dem Gut haftende gewöhnliche Bürden z. E.
Grund-Zinsen, Steuern, Anlagen; Scharwerken, Zehenden und um soviel mehr, das,
was auf Erziehl- oder Einbringung deren Guts-Nutzungen, oder zu dessen nöthiger
Conservation oder stipulirter Verbesserung verwendet wird.
Von
dem Guts-Abschleif.
§.
8. 1mo Nachdem ein jeder Erb-Rechter schuldig ist, das Gut in baulich- und
wesentlichen Stand zu erhalten, so folgt von selbst, daß er auch solches
andergestalt nicht benutzen mag, als es ohne merklichen Guts-Abschleif
beschehen kann, immassen er wiederigenfalls und pro 2do dem Grund-Herrn nicht
nur allen Schaden, welchen er Dolo vel Culpâ latâ aut levi solchergestalt
verursacht, dem ganzen Werth nach, wie er durch unpartheyische Schätzung
angeschlagen wird, wiederum zu vergüten hat, sondern auch 3tiò seine
Gerechtigkeit und das Dominium utile dadurch verwürkt, sohin in Pœnam
Caducitatis verfallt, welche jedoch 4tò auf dem Fall nicht Statt hat, wenn der
Abschleif entweder nicht merklich groß, oder wenigst nicht Dolo vel Culpâ latâ
erfolgt, oder durch die in anderweg beygegangene Guts-Meliorationes wiederum
compensirt und erstattet ist. Für einen merklichen Abschleif wird 5tò geachtet,
wenn man die Gebäu nicht unterhalt, sondern baufällig werden laßt, das Feld
entweder gar nicht, oder nicht zu rechter Zeit anbauet, sonderbar aber wenn 6to
in denen grundbaren Waldungen ohne vorläuffig Grund-herrlicher Auszeigung ein
Holzschlag vorgenommen, oder anderen wissentlich gestattet wird, es seye dann,
daß die Grund-Herrschaft die Auszeigung des benöthigten Bau- oder Brennholz
ohne rechtmäßiger Ursach verweigert. 7mo Soll man in dergleichen Irrungen,
welche
(385)
sich des Abschleifs halber zwischen dem Grund-Herrn und dem Unterthan ergeben,
keinen weitläuffigen Process gestatten, sondern der Richter, worunter das Gut
liegt, auf gestellte Klag und Antwort alsofort in Loco selbst einen Augenschein
und mittels beygezogener drey unpartheyisch- und beeidigter Schätzmänner den
Abschleif taxiren lassen, sofort den Grund-Unterthan nit (!) nur zu Vergütung
des befundenen Abschleifs, sondern auch gestalten Dingen nach zu Raumung des
Guts auf nächstfolgende Liechtmeß executivè anhalten. Ist aber 8vo der
Grund-Herr zugleich Jurisdictions-Herr, so soll der höhere Richter auf
allenfallige Beschwerde des Unterthans erwehnten Augenschein und Schätzung
durch das nächstgelegene Land-Gericht, oder andere unpartheyische Commission
(dem Gerichts- oder Hofmarchs-Herrn im übrigen unabbrüchig) vornehmen lassen.
Von
Grund-herrlichen Præstationen, insonderheit von Stift und Gilt.
§.
9. Die Verreichnuß, welche der Grundhold seiner Grund-Herrschaft von
Erb-Rechts-wegen schuldig ist, zu Latein Canon bestehet 1mò gemeiniglich nicht
nur in paaren Geld, sondern auch in Natural-Præstationen an Getreid und
anderen. Jene wird hier zu Land die Stift, und diese die Gilt benamset, und ist
unter der letzteren auch der sogenannte Klein- oder Kuchen-Dienst an Eyer, Butter,
Schmalz, Hünner, Aenden, Gänß und dergleichen begriffen. 2do Muß solche zur
bedungen- oder sonst gewöhnlicher Stift-Zeit, und zwar 3tio an den Ort, wo der
Grund-Herr wohnhaft ist, geliefert werden, es seye dann des Orts halber
gleichfalls ein anderes bedungen, hergebracht, oder der Grund-Herr allzu weit
entsessen. 4tò Soll der Grund-Unterthan bey dem anberaumten Stift-Tag selbst
personlich erscheinen, und ohne ehehafter Hindernuß und Entschuldigung bey
willkürlicher Straf nicht ausbleiben. 5tò Ist man die Natural- in eine
Geld-Præstation ohne beederseitiger Einverständnuß zu verkehren nicht befugt.
6tò Kann der Grund-Herr die Stift und Gilt weder aus Ursachen, daß das
Erb-Rechts-Gut per Alluvionem oder sonst vergrössert, oder der Werth desselben
seit der ersten Verleihung merklich gestiegen seye, noch unter anderen
dergleichen Vorwand wieder Willen des Grundholdens steigern, sondern er muß es
gleichwol bis zu würklichen Heim- oder Ruckfall dabey ungeändert belassen.
Dahingegen mag auch 7mo der Grundhold unter dem Vorwand, daß das Gut oder die
Früchter (!)
(386)
wegen Geld-klemmen (!) Zeiten oder sonst im Werth herunter gefallen, die
Verminderung der Stift und Gilt nicht prætendiren. Ein anderes ist 8vo wenn
etwas von dem Gut, oder anderen in dem Stift-Brief bedungenen Stücken evincirt
wird, dann da muß der Grundhold schadlos gehalten, oder die Stift und Gilt à
Proportion gemässiget werden. Soviel 9no die Nachläß an offt ermelter
Præstation wegen erlittenen Schauer, Vieh-Fall und dergleichen Unglücks-Fällen
betrift, ist zu unterscheiden, ob dasjenige, was der Grundhold dem Grund-Herrn
jährlich zu verreichen hat, nur in einem gar geringen und mehr in Recognitionem
Dominii als Compensationem Fructuum angesehenen Quanto, oder aber wie es heut
zu Tag meistentheils geschiehet, in einer grösseren und nach denen Fructibus
zimmlich abgemessener Præstation bestehet. Erstenfalls ist man dem Grundholden
keinen, anderenfalls aber in denen cap. præc. 6. §. 6. bemerkten Umständen
einen billich- und proportionirten Nachlaß auf Begehren zu thun schuldig,
immassen man ihm auch an denen Lands-herrlichen Præstationen dergleichen
wiederfahren lasst. 10mò Von der unter die Grund-herrliche Præstationen
ebenfalls mit gehöriger sogenannter Gilt-Scharwerk siehe oben P. 2. cap. 11. §vo
16.
Von
Caducität und Verwürkung des Erb-Rechts, wegen unentrichteter Stift und Gilt.
§.
10. Der Grundhold kann zwar 1mo zu Entrichtung der Stift und Gilt nach der
Verfall-Zeit allemal gleich executivè, und zwar nach Masgab folgenden 28isten
§vi angehalten werden, und ist der Grund-Herr länger zu zuwarten nicht
verbunden. Wenn aber gleichwol 2dò drey ganze, oder soviel die Geistliche
Erb-Rechts-Güter betrift, zwey Jahr in uno continuo verstreichen, ohne daß
hierunter die verfallene Stift und Gilt völlig bezahlt ist, so verwürkt der
Grundhold seine Gerechtigkeit, ausgenommen wenn 3tio nur ein Geringes hieran
restirt, oder Unglücks-Fäll und andere erhebliche Ursachen hieran hindern, ein
Dritter statt des Grundholdens inner obigen Termin bezahlt, eine rechtmässige
Compensation gemacht wird, der Grund-Herr selbst dem Stift-Brief kein Gnügen
thut, oder andere von der Caducität überhaupt entschuldigend- und unten §vo 18.
n. 9. bemerkte Bewegs-Gründe vorhanden seynd. 4to Nimmt der Grund-Herr etwan
die jünger- verfallene vor der älteren Stift und Gilt an, so thut er sich zwar
dadurch der Caducität,
(387)
nicht aber des Ruckstands begeben, ohne daß von einer Schankung andere
gnügliche Kennzeichen vorhanden seynd.
Von
dem Laudemio.
§.
11. Laudemium, zu Teutsch Anfall, Anleit oder Handlohn gehört auch unter die
Grund-herrliche Præstationes, und bestehet darin: 1mò soofft sich mit dem
Innhaber des Erbrechtlichen Guts durch Succession, Kauf, Tausch, Vergleich,
Vermächtnuß, Schankung und andere dergleichen Mutationes, mittels welcher das
Dominium utile, und der Guts-Besitz würklich auf einen anderen kommt, eine
Veränderung ergiebt, soofft ereignet sich auch ein Laudemial-Fall. 2dò Ist der
neue Guts-Innhaber von Zeit seines Aufzugs den Anfall regulariter, wo kein
minderes hergebracht ist, mit fünf von hundert nach der Schätzung, was das
grundbare Gut mit Ausschluß der Fahrnuß, und anderer nicht dahin gehöriger
Allodial-Stücken selbiger Zeit nach Lands-gebräuchig- und unpartheyischen
Anschlag werth ist, an den Grund-Herrn zu bezahlen verbunden, wobey jedoch die
Schätzungs-Kösten auf denjenigen fallen, welcher sich hierauf beruft, und den
Kauf- oder Uebergabs-Schilling hierinfalls nicht pro Norma annehmen will. 3tiò
Wird das Laudemium nur à Proportion der Veränderung, folglich in
gemeinschaftlichen Erb-Rechts-Gütern, sofern sich die Mutation nicht mit allen
Theilhabern ergiebt, für den veränderten Antheil entrichtet, ohne Unterschied,
ob das Gut pro Diviso oder Indiviso in Communione besessen worden. 4tò Für den
Todfall eines blossen Austräglers bezahlt man kein Laudemium. 5tò Wird auch von
Kindern und Descendenten der Todfall ihres Erblassers nicht laudemirt, sondern
der Laudemial-Fall ergiebt sich hierin erst alsdann, wenn einer aus ihnen, oder
gar ein Extraneus das Gut durch Uebergab, Vertrag oder sonst von denenselben an
sich bringet, folglich giebt man für verstandenen Tod- und Alienations-Fall
kein doppeltes, sondern nur ein einfaches Laudemium, ausser wo von
unfürdenklichen Zeiten ein anderes bey dem Gut hergebracht ist. 6tò Bey
ruckgängigen Guts-Veränderungen ist zu unterscheiden, ob die Ursach sothanen
Ruckgangs schon von der Zeit her, als die Mutation geschehen, ihren Ursprung
genommen, oder erst hernach ganz
(388)
neuerlich existirt habe. Letzterenfalls wird über das vorhin bezahlte allzeit
wiederum ein neues Laudemium bezahlt, anderenfalls aber nicht, also wenn z. E.
der Käuffer das erkaufte Erb-Recht ex Pacto Legis Commissoriæ, Reluitionis,
item von Einstands-wegen, oder ob Nullitatem, Restitutionem in integrum, oder weil
die in dem Kauf gesetzte Condition ermanglet hat, wiederum abtretten muß, so
wird zwar kein neues Laudemium derwegen bezahlt, das bezahlte aber auch von dem
Grund-Herrn nicht wieder zuruckgegeben. Dahingegen wenn z. E. der Käuffer das
Gut an den Verkäuffer wiederum freywillig zuruck verkauft, vertauscht, oder
sonst überlaßt, so muß auch allerdings wiederum ein neues Laudemium entrichtet
werden. 7mo Seynd der Grund-Herren mehr zugleich von dem Erb-Rechts-Gut, so
wird das ganze Laudemium nicht Jedem, sondern Sammentlichen miteinander
gegeben, welche sich sodann gleichwol pro Ratâ hierin vertheilen. 8vò Hat die
Caducität wegen Ruckständigkeit des Laudemii niemal Platz. 9no Kan der
Grund-Herr von dem abgestandenen Mayr der Abfahrt wegen nichts forderen, sondern
muß sich mit dem Anfall, welchen der neue Mayr obverstandenermassen zu bezahlen
hat, begnügen, ausser wo beede Laudemia zugleich bey dem Gut von Alters
Herkommens seynd, welchenfalls es zwar noch weiter, jedoch ohne mindester
Ausdähnung sowol in Modo als sonst, bei sothanen Herkommen sein Verbleiben hat,
mehr als zwei Fäll aber sollen mit Einschluß obverstandener Abfahrt, wo solche
Herkommens ist, hinfüro niemal mehr genommen werden non obstante Pacto,
Consuetudine vel Præscriptione etiam immemoriali.
Von
Veräusserung des Erb-Rechts,
§.
12. 1mò ist dem Grund-Herrn niemal verwehrt, das Dominium directum auch ohne
Wissen und Willen des Grundholdens zu veräusseren. Dahingegen ist 2dò diesem
letzteren die Veräusserung des Dominii utilis ohne Wissen und Willen des
Grund-Herrens weder ganz noch Stück-weis erlaubt, welcher jedoch 3tiò den
Consens auf Anmelden nicht weigeren kan, es seye dann 4tò eine erhebliche
Ursach dazu vorhanden, z. E. da der vorgeschlagene neue Mayr etwan Geistlichen
Stands, Weiblichen Geschlechs (!) , unvermöglich, ein
(389)
übler Haus-Wirth, das Gut nicht mit eigenen Rucken zu besitzen, sondern nur zu
verpachten gesinnt, oder sonst dergleichen billichen Ausstellungen unterworffen
wäre. Die blosse Protestation des Ehe-Weibs aber gegen ihres Ehe-Manns
vorhabende Guts-Veräusserung ist 5tò keine hinderliche Ursach an Ertheilung des
Grund-herrlichen Consens, sie beweise dann, daß das Gut ihr allein, oder mit
und nebst ihrem Mann vererbrechtet, oder dieselbe mit ihrem heyrathlichen
Sprüchen in Gefahr seye. 6tò Wird der aus unzulänglichler Ursach abgeschlagen-
oder allzu lang verzögerte Consens pro Præstito gehalten. 7mo Ist derselbe in
Noth-Veräusserungen, welche nemlich auf Obrigkeitlichen Befehl durch still-
oder offentliche Gand auf Instanz der Glaubigern geschehen, wieauch in
Vermächtnussen und anderen letztwilligen Dispositionen, wodurch das Erb-Recht
Jemand verschaft, verschenkt, vertestirt wird, zwar nicht erforderlich, doch
wenn ein solcher Legatarius, Donatarius, Erb- oder Gand-Käuffer obverstandenermassen
billiche Ausstellungen leidet, so ist der Grund-Herr denselben für den
Erb-Rechter anzunehmen nicht schuldig, und kann ihn zum Verkauf und Vorschlag
eines anderen anständigen Mayers wiederum anhalten. 8vo Nachdem denen
Siegelmässigen Grund-Herrschaften, sofern sie nicht zugleich Jurisdictionem
haben, die Brief-Errichtung nur in merè Realibus, soviel nemlich Grund und
Boden mit Ertheilung der Gerechtigkeit und des Stift-Briefs betrift, nicht aber
in Personalibus & Mixtis gebührt, so sollen sie sich auch in Kauf, Tausch,
Uebergab, Vertrag und all anderen auf eine Veräusserung ziehlenden Handlungen
eines mehreren nicht, als der blossen Willen-Briefs Ausfertigung anmassen,
hingegen aber auch die Obrigkeit mit der übrigen Ausfertigung eheunter nicht,
als nach beygebrachten Grund-herrlichen Willen-Brief verfahren. Im übrigen
bestehet 9no die Straf des vernachlässigten Grund-herrlichen Consens nicht nur
in der Ungültig- und Kraftlosigkeit einer solchen Handl- und Veräusserung,
sondern auch 10mò in der Caducität und Verwürkung des Erb-Rechts, soviel
nemlich hievon veräussert worden, wozu jedoch 11mò die würkliche Auslieferung
erfordert wird, anerwogen die blosse Austeilung des Erb-Rechts, dann die
Beschliessung des Kauf- Tausch- oder anderen Contracts, oder auch die Uebergab,
welche nur per Constitutum possessorum, oder sonst
(390)
per Traditionem fictam geschiehet, zwar wol ad Effectum Nullitatis, nicht aber
Caducitatis hinreicht. Es entschuldiget auch 12mò von der Verwürkung nicht, daß
die Auslieferung nur conditionatè, und auf anhoffende Grund-herrliche
Ratification einsweilen geschehen seye, oder daß der neue Successor zum Theil
vorhin schon in Communione des veräusserten Erb-Rechts gestanden, oder das
veräusserte Gut aus Reu wiederum zuruckgenommen worden seye, und dergleichen,
wol hingegen wird auf die §vo seq. 18. n. 9. bemerkte General-Ursachen
hierunter attendirt, und falls endlich 13tiò der Grund-Herren mehr seynd,
welche mit dem Consens nicht sammentlich, sondern nur zum Theil von dem gemeinschaftlichen
Grundholden übergangen worden, so hat auch die Caducität nur pro Ratâ deren
Uebergangener, nicht aber in Totum Statt. 14tò Bleibt dem Käuffer seiner
gebührender Schadloshaltung-halber der Regress gegen den Alienanten und seine
Erben gleichwol bevor, ohne Unterschied, ob er die Qualität des veräusserten
Guts gewust hat oder nicht.
Insonderheit
von dem Verkauf desselben.
§.
13. Bey dem Verkauf des Erb-Rechts ist nebst obigen auch dieses noch zu
beobachten, daß 1mo der Grundhold, welcher verkauffen will, zuförderst seine
Grund-Gerechtigkeit in Anschlag bringe, und solchen der Grund-Herrschaft
anzeige. Ist man nun 2dò beederseits hierin verstanden, oder kan der Grundhold
beweisen, wie hoch er sothane Gerechtigkeit mit Bewilligung des Grund-Herrns an
sich gebracht hat, so kan er auch um den nemlichen Werth mit obverstandener
Grund-herrlicher Bewilligung wiederum verkauffen. Ist aber 3tiò der Anschlag in
Abred oder unbewiesen, so kommt es auf unpartheyische Schätzung an, zu welchem
Ende sowol der Grund-Herr als der Grundhold, dann der Richter, jeder einen
verständigen Schätzmann respectivè vorschlagt und benennt, sohin auf solche
Weis nach eingenommenen Augenschein den Anschlag bey Gelübd an Eidsstatt machen
laßt. Im Fall auch 4tò der Grund-Herr zugleich die Gerichtsbarkeit auf dem Gut
hat, so vertritt er zwar auch die Stell des Richters hierbey, jedoch salvo
ulteriori Recursu an den höheren Richter, wenn man von ihm beschwert zu
(391)
seyn vermeint. 5tò kommt die Fahrnuß als ein blosses Allodiale in gegenwärtigen
Anschlag nicht, wol aber die Meliorationes, und hingegen auch der sich
bezeigende Abschleif, immassen dieser letztere an dem angeschlagenen Werth des
Haupt-Guts und deren Besserungen wiederum abgezogen wird.
Von
der Succession und Erb-Vertheilung bey dem Erb-Recht.
§.
14. 1mò Succedirt man in Erb-Rechts-Gütern sowol ex Testamento als ab Intestato
zwar auf die nemliche Weis, wie in anderen vollen Eigenthum, und wenn 2dò mehr
Erben seynd, so wird auch die Abtheilung unter ihnen auf den nemlichen Fuß
gemacht. Nachdem aber gleichwol 3tiò eines Theils die Zertrümmerung deren
Bauern-Gütern Vermög deren Lands-Generalien de Genere Prohibitorum ist, mithin
das Gut entweder einem aus sammentlichen Miterben allein gegen Hinauszahlung
der anderen überlassen, oder allenfalls gar an einen Auswärtigen verkauft
werden muß, anderen Theils auch der Grund-Herr keinen unanständigen Successorem
auf das Gut kommen zu lassen schuldig ist, so soll derselbe zu dergleichen
Erbschafts-Vertheil- oder Verhandlungen allzeit mitbeygezogen, und ihme sohin
wieder seinen Willen kein solcher Mayer, deme man eine Rechts-erhebliche
Ausstellung zu machen hat, von der Obrigkeit aufgedrungen werden. 4tò Ist
endlich in solchen Fällen mit der neuen Bemayrung allzeit mehr auf die Kinder
erster Ehe, sofern eins aus ihnen tauglich ist, als auf die hinterlassene
Stief-Mutter zu sehen.
Von
der Affter- Vererbrecht- Verpacht- Verpfänd- oder anderer Beschwerung des
Erb-Rechts.
§.
15. 1mò Ist die Affter-Vererbrechtung oder Subemphiteusis, da nemlich der
Erb-Rechter die Gerechtigkeit wiederum weiter an einen anderen auf Erb-Recht,
oder andere grundbare Weis verleihet, eine wahre Alienation und Veräusserung
mithin obiger §vus 12mus durchgehends hierunter zu beobachten. 2do Die
Guts-Verpacht- oder Verstiftung ist zwar keine Alienation, und wird auch dem
Erb-Rechter nach gemeinen Recht nicht, wol aber nach dem hiesigen Land-Recht
verbotten, es seye dann, daß er das Gut aus erheblicher Ursach mit eignen
Rucken nicht besitzen kan, annebens einen anständigen Pachter oder Beständner
stellet, und ohne Grund-herrlicher Bewilligung keine Uebergilt von ihm nimmt.
Bey der Guts-Verpfändung
(392)
ist 3tio zu unterscheiden, ob solche mit- oder ohne Extradition des Pfands
geschiehet, erstenfalls kommt obbemelter §vus 12mus ebenso, wie bey anderen
Alienationen in durchgängige Beobachtung, anderenfalls hat zwar wegen
ermanglenden Grund-herrlichen Consens die Caducität niemal Platz, wol aber ist
dabey zu beobachten, was der Cod. Jud. cap. 20. §. 9. n. 3. sowol auf dem Fall
des vorhanden- als abgängig- Grund-herrlichen Consens verordnet, und ist im
übrigen auch nicht gewöhnlich, auf mehr, dann die Helfte des Werths von dem
Erb-Recht, zu consentiren. 4tò Seynd auch die Austräg, Grund-Dienstbarkeiten,
und andere dergleichen ohne Grund-herrlichen Wissen und Willen auf das
Erb-Recht gelegte Bürden und Beschwerungen von keiner Kraft, und können sogar
von dem Erb-Rechter selbst und dessen Erben allzeit wiederum umgestossen
werden.
De Præstatione Doli, Culpæ aut Casûs in Emphyteusi.
§.
16. In dem Erb-Rechts-Contract wird 1mò beederseits mehr nicht als Dolus &
Culpa lata und levis gegeneinander præstirt. 2do Für unversehene Unglücks-Fäll,
oder für das, was nur Culpa levissima zu Schaden gehet, ist zwar kein Theil dem
anderen zur Schadloshaltung verbunden, wenn aber gleichwol 3tiò der Grundhold
in solchen Abfall dadurch kommt, daß er ohne Nachlaß oder Mässigung deren
Grund-herrlicher Præstationen bey dem Gut nicht wol mehr bestehen kan, so soll
man die Billichkeit hierunter vorwalten lassen, und die Abgaben auf thunlich-
und leidentliche Weis, wenigst in solang bis sich der Grundhold von seinem
Unglück wiederum erholet, herunter setzen, (!)
Von
Endigung des Erb-Rechts.
§.
17. Das Erb-Recht wird bald durch obgedachte Alienation, bald durch Caducität,
Verjährung, Resignation oder Verlassung, und mehr dergleichen in §vis seq. 18.
&c. bemerkte Modos geendigt. Es geschehe nun aber dieses auf ein- oder
andere Weis, so bleibt dem Grundholden nichtsdestoweniger pro 1mo die Fahrnuß
und der sogenannte Guts-Bericht dergestalt, daß ihm beedes entweder abgefolgt,
oder wenigst unpartheyischen Anschlag nach vergütet werden muß, 2dò bleibt ihm
(393)
auch der wahre Werth von denen Meliorationen, item 3tio die Zubau-Güter, oder
was der Grundhold etwan sonst noch ausser des Erb-Rechts hat oder vermag, 4tò
Fructus percepti tam naturales quam civiles ganz, pendentes aber nur pro Ratâ
Temporis nebst denen hierauf verwendeten Saam- und Bau-Kösten.
Und
zwar durch Caducität,
§.
18. 1mò Wird das Erb-Recht nicht nur durch obgedachte Veräusserung und
Ruckständigkeit an Stift und Gilten, sondern auch per Derelictionem, und nicht
weniger dadurch verwürkt, wenn der Grundhold die Possession des Guts zum Theil
oder ganz auf boshafte Weis abläugnet, oder die sub Pœnâ Caducitatis
ausdrücklich stipulirte Bedingnuß nicht erfüllet. 2dò Ist der Grund-Herr nicht
schuldig, dem Grundholden dasjenige, was er für die verwürkte Gerechtigkeit
bezahlt, oder gegeben hat, wiederum zu vergüten, sondern sie fallt
unentgeltlich zuruck. 3tio Wird die Caducität niemal ipso Facto vel Jure von
Zeit des Verbrechens, sondern in zweifelhaften Fällen erst à Die Rei Judicatæ,
in klar- und offenbaren aber von Zeit der gestellten Klag incurrirt, mithin
auch der Nutzungen halber sich nach dieser Zeit regulirt. 4tò Præjudicirt
solche denen Creditoribus und anderen Interessatis nicht, soweit sie ihr Recht
auf dem verwürkten Gut entweder ex Lege oder Consensu Domini erlangt haben. 5to
Erstreckt sich selbe nur auf das, was grundbar ist, und nicht weiter, und wenn
6tò derjenige, welcher in die Caducität verfallt, nicht Erb-Rechter allein ist,
sondern mit anderen in Communione stehet, so verfallt sich nur sein Theil
allein ohne Unterschied, ob er pro Diviso oder Indiviso im Besitz gewest. 7mo
Wer der Caducität wegen von dem Gut kommt, zahlt nichtsdestoweniger alle
ruckständige Præstanda, solang er in dem Guts-Genuß gewesen. 8vò Stehet in des
Grunds-Herrns Willkur, ob er sich statt der Caducität mit einer anderen
willkürlich- jedoch leidentlicher Straf, wie es gemeiniglich geschiehet,
begnügen lassen wolle. 9no Hat die Caducität nicht mehr Statt nach dreyssig
Jahren, wieauch nach dem Tod des Grund-Herrns oder Grundholdens, sofern die
Sach nicht schon in ihren Lebzeiten gerichtlich angebracht worden, und endlich
da sich der Grund-Herr derselben bereits ausdrücklich oder stillschweigend
(394)
begeben hat, oder aus dem Facto, worauf die Straf eigentlich beruhet, kein
Dolus oder böser Fürsatz erscheint.
Durch
die Verjährung,
§.
19. Die Verjährung kan sich bey dem Erb-Recht sowol 1mò auf Seiten des
Grund-Herrns, als 2dò auf Seiten des Erb-Rechters, wieauch 3tiò auf Seiten
eines Drittens ergeben, und zwar ad 1mum wenn der Grund-Herr sich des völligen
Eigenthums (Dominii pleni) von dem Gut bemächtiget, mithin keinen Grundholden
darauf erkennt, ad 2dum wenn sich der Grundhold dergleichen anmasset, und das
Dominium directum wiederspricht, ad 3tium wenn ein Dritter das Gut innhat, und
entweder dem Grund-Herrn das Dominium directum, oder dem Grundholden das utile,
oder beedes zugleich vorenthalt. In all diesen drey Fällen hat gestalten Dingen
noch sowol Præscriptio ordinaria als extraordinaria Statt, sofern nur die zu
ein- oder anderer erforderliche General-Requisita vorhanden seynd.
Durch
die Verlassung,
§.
20. 1mò Ziehet der Erb-Rechter ohne Wissen und Willen der Grund-Herrschaft mit
Weib und Kind, Viehe und Haus-Rath von dem Gut ab, so verwürkt er dadurch seine
Gerechtigkeit. Gleiche Beschaffenheit hat es 2dò wenn er nur für seine Person
ohne Abschied und über ein Jahr ausbleibt, jedoch mit dem Unterschied, ob
dieses eines malefizischen Verbrechens oder anderer Ursach halber geschehen.
Erstenfalls fallt die Gerechtigkeit dem Lands-Herrn, anderenfalls dem
Grund-Herrn heim. 3tiò Mögen und sollen dergleichen boshafte Austretter und Vaganten,
welche keinen Abschied vorzuweisen haben, aller Orten, wo sie sich betretten
lassen, arretirt, sohin der Grund-Herrschaft überantwortet, und nicht nur zu
Entrichtung ihrer ruckständiger Præstandorum angehalten, sondern auch der
Gebühr nach gestraft werden.
Durch
die Resignation und Aufkündung.
§.
21. 1mò Kan zwar der Erb-Rechter ohne Verwürkung des Guts oder anderer in denen
Rechten ausgedruckter Ursach wieder seinen Willen, wie ein blosser Beständner
von dem Gut
(395)
nicht vertrieben werden, verlangt er aber 2do selbst nicht mehr darauf zu
verbleiben, so ist ihm unverwehrt, bey der gewöhnlichen Stift-Zeit bis auf
nächstkünftige Liechtmeß aufzukünden, welches auch 3tiò der Grund-Herr
anzunehmen, und den Abzug mit Ertheilung eines Abschieds-Brief zu gestatten
schuldig ist, sofern bis dahin alle Præstanda præstirt und entrichtet seynd.
Hingegen ist er aber auch 4tò dem Grundholden solchenfalls weder für die
Meliorationes, noch für die heimgeschlagen- oder aufgesendete Gerechtigkeit
etwas zu vergüten verbunden. 5tò Seynd der Grund-Herrn mehr, so muß die
Aufkündung jedem aus ihnen geschehen.
Und
noch auf verschiedene andere Art,
§.
22. Ferner endiget sich das Erb-Recht pro 1mo durch die Eviction, 2do durch die
Consolidation des Dominii directi & utilis, wenn z. E. der Grund-Herr sich
zu Favor des Grundholdens seiner Grund-Herrlichkeit begiebt, & vicissim,
oder wenn einer den anderen erbt. 3tio Durch Verfliessung der bestimmten Zeit,
worauf das Erb-Recht etwan per Pacta eingeschränkt worden, oder in conditionirten
Erb-Rechts-Contract durch Ermanglung der beliebten Bedingnuß. 4tò Durch den
totalen Untergang des Guts, dann solang noch ein Theil davon übrig ist, bleibt
das Erb-Recht darauf, z. E. nach abgebrannten Haus auf dem Grund.
Ob
und wie weit durch den Tod,
§.
23. Durch den Tod erlöscht 1mò das Erb-Recht weder auf Seiten des Erb-Rechters,
noch des Grund-Herrns, sondern gehet vielmehr 2dò auf beederseitige sowol
Testaments- als andere Erben und Nachkommen, wie in anderen Allodial-Vermögen
beständig fort, es seye dann 3tiò dasselbe nur auf gewisse Generationes per
Pacta eingeschränkt, oder 4tò der Grundhold ohne Hinterlassung eines Erbens
oder rechtmässigen Nachkommens verstorben, welchenfalls das Dominium utile dem
Domino directo wiederum heimfallt, wohingegen 5tò das Dominium directum auf
Absterben des Grund-Herrns ohne Erben oder rechtmässigen Nachkommen nicht auf
den Dominum utilem, sondern als ein Bonum vacans auf den Fiscum fallt.
(396)
Von denen Actionibus, welche in Emphyteusi statt haben?
§.
24. 1mò Wird die Action, wodurch der Grund-Herr den Grundholden, und dieser
hinwiederum jenen zu belangen pflegt, Emphyteuticaria genannt, und gleichwie
sie an sich eine blosse Personal-Action ist, so gehet sie auch lediglich nur
auf das, was obverstandenermassen beede Contrahenten aus denen Worten, oder der
Natur des Contracts einander schuldig und verbunden seynd. Von all übrigen
Actionibus Possessoriis und Petitoriis, welche ihnen 2dò Vermög des Eigenthums,
Innhabens, Pfand-Rechts, und sonst gestalten Dingen nach zukommen, ist hier
nichts Besonders zu melden. 3tiò Greift auch das sogenannte Remedium ex Leg. 2.
Cod. De Rescind. zwar wol auf Seiten des Grundholdens, sofern er mit dem Canone
über die Helfte lædirt ist, hingegen aber auf Seiten des Grund-Herrns unter dem
Vorwand, daß der Canon allzugering seye, niemal Platz, weil
solch-letzterenfalls dafür gehalten wird, daß die Abgab mehr in Recognitionem
Dominii als in Compensationem Fructuum angesehen seye. 4ò Ist die Red hier nur
von dem bereits errichteten Erb-Recht, dann soviel das blosse Versprechen
belangt, Vermög dessen sich einer anheischig macht, dem anderen ein Erb-Recht
zu verleihen, ohne daß der Stift-Brief hierüber ausgefertiget worden, oder die
Extradition des Guts geschehen ist, entstehet hieraus weder Actio
Emphyteuticaria, noch sonst eine andere Klag als Condictio ex Pacto.
Von
dem Beweis des Erb-Rechts in obgedachten Actionibus,
§.
25. 1mò Soll der Beweis des Erb-Rechts regulariter durch Siegel und Brief
geschehen, wird aber 2dò vorgegeben, daß die Brief verlohren gegangen seynd, so
hat man zuförderst jenes zu beobachten, was in Cod. Jud. cap. 11. §. 1.
statuirt ist. Nebst dem hat der Grundhold 3tiò solchenfalls drey Stück darzuthun, erstens daß er oder
sein Vorfahrer das Gut ausser der Fahrnuß mit merklicher Bürde, z. E. gegen ein
Stuck-Geld, oder Uebernahm der Schulden, oder Entrichtung der Erben an sich
gebracht, zweytens ein solches mit Wissen und Willen des Grund-Herrns
geschehen, auch drittens demselben das Laudemium, oder der Anfall bezahlt worden
seye. 4tò Gehet eins von jetztgedachten drey Requisitis ab, so ist der
(397)
Beweis mangelhaft, und wird in Zweifel allzeit mehr ein Bestands- oder anderer
Contract, als ein Erb-Recht præsumirt, giebt mithin der Grund-Herr das indebitè
empfangene Laudemium solchenfalls auch wiederum zuruck. 5tò Seynd die
producirte Brief zweifelhaft, so, daß nicht klar hieraus erscheint, ob es ein
Erb-Recht oder anderer Contract seye, so bleibt es ebenfalls bey obiger
Præsumption solang, bis man ermelte Requisita, und somit auch die angebliche
Emphyteusin auf diese oder andere Weis darzuthun vermag. 6tò Zeigen auch die in
dem Brief enthaltene Wort: Gerechtigkeit ein Jus Reale, sohin auch allzeit mehr
das Erb-Recht als einen Bestands-Contract an. 7mo Kommen öffters mehr Stift-Brief
von unterschiedlichen Innhalt vor, und da pflegt man allzeit mehr auf den
älteren, als die jüngere Brief zu sehen, es erhelle dann aus dem Innhalt des
jüngeren, oder sonst offenbar, daß diese Veränderung nicht aus Verstoß oder
Hinterlist, sondern mit allerseitigen guten Wissen und Willen geschehen seye.
8vò Kan sich weder der Grund-Herr auf Begehren des Grundholdens, noch dieser
vicissim weigern, den Stift-Brief, oder das Stift-Buch und Register, wieauch
andere dahin einschlagende Documenta zu ediren, item die zum Erb-Recht gehörige
Stück allenfalls juratò zu manifestiren, und die Gränzen anzuzeigen. Ist nun
9no das Erb-Recht auf andere Art, als Durch (!) Brief und Siegel erwiesen, so
soll alsdann der Unterthan längst inner drey Jahren die Verbrieffung bey der
Grund-Herrschaft hierüber begehren, ausser dessen aber seine Gerechtigkeit
verlohren haben, und für einen blossen Beständner zu achten seyn. Im übrigen
pflegt man auch 10mò nach der einmal in Substantiâ gemachter Prob die übrige
Conditiones, sofern sich solche durch Extracten, oder andere Probsmittel nicht
ebenfalls klar ausfindig machen lassen, nach Billichkeit und Gewohnheit zu
bestimmen.
Insonderheit
von dem Beweiß der Melioration.
§.
26. 1mò Verstehet man unter denen Meliorationem nicht das, was der Erb-Rechter
etwan aus Schuldigkeit und in Kraft des Contracts an dem Gut zu bauen und zu
besseren gehabt, sondern was aus freyen Willen, und zwar 2dò nicht soviel zur
nöthiger Conservation des Stands, worin man das Gut empfangen hat, als zur merklich-
und dauerhaften Verbesserung
(398)
desselben, z. E. durch Anlegung nutzbarer Gebäuen, Raumung deren Weyern,
Erlangung des Weid-Besuchs, und anderer dergleichen Vortheilen hierunter
geschehen ist. Wie nun aber 3tiò dergleichen Meliorationen niemal gemuthmasset
werden, indem vielmehr die rechtliche Præsumption für den alt- und vorigen
Stand der Sach obwaltet, so müssen solche auch auf Wiedersprechen gnüglich
bewiesen seyn, und pflegt man 4tò in der Schätzung nicht auf die Zeit, wie sie
gemacht worden, sondern da das Gut verkauft oder heimfällig wird, zu sehen. Das
übrige was man 5tò sowol bey deren Besichtigung als Taxation noch weiter zu
beobachten habe, siehe oben §vo 13. n. 3.
Von
dem Beweis der Zubau-Güter oder anderer zum Erb-Recht nicht gehöriger sonderbarer
Stücken.
§.
27. Zubau oder andere sonderbare Güter und eigenthumliche Stück darf 1mò der
Erb-Rechter nebst dem grundbaren Gut ohne Bewilligung des Grund-Herrns nicht
besitzen, es geschehe solches gleich Bestands- Kaufs- Erbschafts- oder auf
andere immer erdenkliche Weis. Falls auch 2dò der Grund-Herr darein williget,
so soll man sothanen Zubau oder eigne Stück, sofern sie nahe daran gelegen,
oder gar zusammenstossen, zu Verhütung zukünftiger Irrungen ordentlich
beschreiben und vermarken, anerwogen ansonst 3tio der Grund-Herr in Zweifel
allzeit die rechtliche Muthmassung für sich hat, daß das quæstionirte Gut kein
Zubau oder anderes sonderbares Stück, sondern vielmehr ein Theil und Pertinens
des grundbaren Haupt-Guts seye. Dahero auch 4tò auf den Fall, wenn der
Grund-Unterthan unter diesem Vorwand etwas veräusseren will, keine Obrigkeit
darüber Brief ausfertigen soll, es bringe dann derselbe die Bescheinigung von
dem Grund-Herrn bey, daß er solches Stück nicht für grundbar anspricht. 5tò
Sofern die Zubau-Güter nicht in walzenden einschichtigen Stücken, sondern etwan
gar in Huben, Sölden, und dergleichen Bauern-Gütern bestehen, worauf ein eigner
Mayr wol hausen und fortkommen kann, so soll man solche als Zubau-Güter nicht
gestatten, sondern den Eigenthümer, welcher dergleichen nicht mit eignen Rucken
besitzen kan oder will, zum Verkauf oder besonderer Bemayrung anhalten.
Von
Grundherrlicher Execution und Auspfändung des Unterthans.
§.
28. Grund-Herrn, welche sich zugleich von Hofmarchs-Herrschaft oder Edelmanns-Freyheit
wegen der Jurisdiction auf
(399)
ihren grundbaren Gütern zu erfreuen haben, mögen den Unterthan zu all
obverstandener Gebühr benöthigtenfalls selbst executivè anhalten. Andere
Grund-Herrn hingegen können sich das Recht selbst eigenmächtiger Weis nicht
verschaffen, sondern müssen allenfalls des Unterthans ordentliche Obrigkeit
hierum angehen, ausgenommen soviel die immatriculirte Geistlich- und Weltliche
Ständ und Landsässen betrift, welche bey denen im Land-Gericht gelegenen
Grund-Unterthanen (massen sich dieses auf die Hofmärchen niemal extendirt)
ihrer Grund-herrlicher Forderungen halber durch eigen- oder andere hierzu
bestellte Personen, Amtleut, und Fronbotten die Auspfändung, jedoch
andergestalt nicht, als in folgender Mas vornehmen mögen: nemlich 1mò wo es um
eine in Quantò & Quali liquid- und richtige Grund-Gilt zu thun ist, kan
ersagte Grund-Herrschaft dem Unterthan das Getreid ausdreschen, abmessen, und
in der nemlichen Quantität ohne Hindernuß abführen lassen. 2dò Soviel die Stift,
Laudemien, und andere Grund-herrliche Forderungen betrift, greift zwar die
Selbstpfändung Platz, es soll aber das abgenommene Pfand alsogleich zum
Land-Gericht gebracht, alldort geschätzt, verkauft, und auch der Schuld halber,
wenn sich über das Liquidum ein Anstand ereignet, mit summarisch- doch
genugsamer Vernehmung beeder Theilen verhandlet werden, was Rechtens ist, wo
sohin dem gravirten Theil der weitere Recurs and die Justitz-Dicasteria
gleichwol bevorbleibt. 3tiò Mit ruckständigen Brief-Gelderen, soweit solche
richtig und Tax-Ordnungs-mässig seynd, hat es gleiche Beschaffenheit, wie im
nächst vorhergehenden Num. 2. verordnet ist. 4tò Den Kuchen- oder Klein-Dienst
belangend, welcher nicht in Geld sondern in Naturâ & Specie gereicht zu
werden pflegt, wird solcher der Grund-Gilt hierin gleich geschätzt, wobey
jedoch nicht das Beste, sondern das Mittlere ausgepfändet werden soll. Ist aber
derselbe durch Geding zu Geld angeschlagen, so wird mit der Auspfändung, wie
oben Num. 2. verfahren. 5tò Um eingelegte Gatter- und andere derley Gilt, auch
was von vorgelehnten Saam- und Speiß-Getreid, oder sonst ex Debito herrührt,
ist die Selbstpfändung niemal vorzunehmen, sondern das Recht gleichwol Viâ
ordinariâ zu suchen. 6tò Damit der Unterthan zu Præjuditz deren vorzüglich
Lands-herrlicher Forderungen durch sothane Auspfändung nicht zustark
mitgenommen werde, soll bey heimfälligen Gütern die Gerechtigkeit nicht zuhoch
gesteigert, gegen Verunglückte sowol
(400)
mit Nachlaß als Fristen Christliches Mitleiden bezeigt, und auch bey guten
Zeiten, wo nicht der Unterthan notoriè solvendo ist, durch die Selbstpfändung
kein mehrers, als eine alt- und neue ruckständige Gilt auf einmal beygetrieben
werden. 7mo Bleibt zwar bey dem ad Concursum gebrachten Unterthan deren durante
Hastâ verfallender Grund-Gilten halber dem Grund-Herrn das Pfandungs-Recht
bevor, den älteren Ruckstand aber hat er gleichwolen unter anderen Creditoribus
durch das Prioritäts-Urtheil zu erholen. Dafern man sich aber 8vò der
berechtigter Selbstpfändung nicht zu bedienen gedenkt, sondern statt dessen den
Grund-Unterthan von dem Land-Gericht zu verschaffen begehrt, so soll demselben
unweigerlich damit willfahrt werden, in der Zuversicht, man werde sothane
Verschaffung weder mit harter Gefängnuß noch anderen unbillichen Tractament
mißbrauchen, sondern vielmehr in Güte für einander zu kommen trachten. 9no
Dieweil dieses Recht nur jenen von der Geistlichkeit zukommt, welche bey der
Land-Tafel immatriculirt seynd, so haben sich dessen weder Pfarrer, noch
Beneficiaten, weß Stands sie ihrer Person halber immer seynd, bey denen zu
ihrer Pfarr oder Pfriend (!) gehörigen Unterthanen, und eben sowenig die
Gottes-Häuser, Bruderschaften und Spitäler, dann Hoh- und andere Stift- oder
Dom-Capituln, sofern sie nicht ebenfalls immatriculirt, und für Landsassen
erkannt seynd, einigermassen zu erfreuen. 10mò Werden die Excedenten das erste
Mal auf fünf Jahr, das zweytemal gar auf Lebenslang, oder wenn sie in Corpore
non moriente bestehen, auf zehen Jahr dieses Vorrechts privirt.
Von
der Emphyteusi irregulari und zwar von dem Leib-Geding.
§.
29. Leib-Geding kommt mit dem Erb-Recht durchaus übereins, ausser in folgenden:
1mò Gehet solches nicht weiter, als auf des Leib-Rechters Lebenlang, und obwol
2dò nach seinem Tod bey neuer Gerechtigkeits-Verleihung gemeiniglich auf
desselben hinterlassene Erben vorzüglich reflectirt zu werden pflegt, so ist es
doch keine Schuldigkeit. 3tiò Ist zwar auch nicht gewöhnlich auf mehr dann zwey
Personen zugleich Leib-Recht zu geben, seynd aber gleichwol dem Grund-Herrn die
Hände disfalls nicht gebunden, und wenn 4tò die Verleihung in solchem Fall
nicht ausdrücklich in solidum geschiehet, so fallt sie auf Absterben eines
Mitleib-Rechters pro Ratà heim. 5tò Werden
(401)
die von denen Vorfahrern genommene Brief nicht mehr attendirt, sondern man
pflegt nur den Brief, welchen jeder Leib-Rechter für sich genommen hat, allein
anzusehen. 6tò Wird das Leib-Geding mit Bewilligung des Grund-Herrns verkauft
oder veräussert, so erlöscht die Gerechtigkeit nicht durch den Tod des
Verkäuffers, sondern erst alsdann, wenn der neue Mayr stirbt, es seye dann nur
die Aushausung des vorigen Leibs stipulirt, welchenfalls man 7mo das neue
Leib-Recht nur einen blossen Zustand nennt, und kein Laudemium, sondern nur wo
es von Alters also Herkommens ist, das gewöhnliche Zustand-Geld verreicht. 8vò
Kauft sich Jemand bey dem Gut mit Wissen und Willen des Grund-Herrns
dergestalten ein, daß man ihn Lebenslänglich dabey abnähren lassen muß, so
heißt es eine Einleibschaft, für welche man auf Absterben kein Laudemium
verreicht. 9no Gehört bey Vergandung eines Leib-Rechters, ohngeacht derselbe
bereits verstorben ist, nichtsdestoweniger die Gerechtigkeit oder der wahre
Werth derselben ebenfalls mit zur Gand-Massam, und kan der Grund-Herr unter dem
Prætext, daß ihm die Gerechtigkeit heimfällig worden, Jus Separationis nicht
prætendiren, sondern muß sich allenfalls, wie jeder anderer Grund-Herr, sofern
er Forderungen hat, in den Concurs einlassen. 10mò Wird auch dieselbe niemal so
hoch als Erb-Recht, vielweniger so hoch als Eigenthum geschätzt, und hierunter
sowol auf die Jahr als Constitution des Leib-Rechters dann andere Umständ
hauptsächlich gesehen. 11mò Soll man endlich Leib-Geding und blosse
Nutzniessung nicht miteinander vermischen, dann sie entscheiden sich unter
anderen gar merklich darin, daß der Leib-Rechter Dominium utile hat, keine
Cautionem leistet, und bey der Heimfälligkeit die Fructus pendentes, wie bey
dem Erb-Recht pro Ratâ getheilt werden.
Von
der Neustift.
§.
30. Neustifts-Gerechtigkeit ist von Leib-Recht nur darin unterschieden, daß
dieses mit dem Tod des Grundholdens, und jenes mit dem Tod des Grund-Herrns
erlöscht. Es pflegt zwar dieselbe gemeiniglich nur von Pfarren und Beneficiaten
bey ihren Wiedums-Höfen verliehen zu werden, ist aber derwegen Niemand anderen
verwehrt.
(402)
Von Herrn-Gunst oder veranleiteter Freystift.
§.
31. Herrn-Gunst distinguirt sich von Erb-Recht nur darin: 1mò daß man von der
Grund-Herrschaft alle Jahr auch ohne Ursach abgestiftet werden kan, wobey 2dò
derselben freystehet, ob sie das Gut selbst an sich bringen, oder dem Unterthan
solches an einen anderen zu verkauffen auftragen wolle. Erstenfalls zahlt sie
3tiò dem Grundholden vor dem Abzug alles hinaus, was er ausser der Fahrnuß
darum gegeben hat, wieauch seinen etwan hieran gehabten Erbtheil, item den
hievon verreichten Anfall, und alle Meliorationes, welche sich nicht blos durch
die Länge der Zeit, und circa Pretia Rerum erfolgender Abänderung, sondern
Facto Emphyteutæ ergeben haben. Jene Meliorationes hingegen, welche 4tò gegen
ausdrücklich Grund-herrliches Verbott gemacht worden, ist der Grundhold zwar
salva Rei Substantiâ aufzuheben, die Vergütung aber zu begehren nicht befugt.
5tò Muß man auch dem Unterthan die Fahrnuß ausfolgen lassen, und ziehet ihm
dagegen 6tò all erweislichen Abschleif præviâ impartiali Inspectione &
Taxatione an seinen Forderungen ab. 7mo Solang der Unterthan um all obiges von
der Grund-Herrschaft oder seinem Successore nicht befriediget ist, kan er von
dem Gut weder abgetrieben noch gesteigert werden. 8vò Soll man ihm die
Abstiftung allzeit voraus zu gewöhnlicher Stift-Zeit ankünden, und den Termin
zum Abzug wenigst bis nächstkünftige Liechtmeß anberaumen. 9no Gehet zwar die
Gerechtigkeit auch auf die Erben, jedoch nur solang, bis sie in obiger Maß
abgestiftet werden. 10mò Wenn billicher Zweifel obhanden ist, ob der Contract
für einen blossen Bestand oder Herrn-Gunst anzusehen seye, so wird bis auf
gnüglichen Beweis das erste mehr als das letzte præsumirt, und da endlich 11mò
aus dem Stift-Brief zwar ein Jus reale oder Dominium utile erscheint, doch
dabey ungewiß ist, ob es ein Erb-Recht oder Herrn-Gunst seye, so stehet die
rechtliche Muthmassung für das erste.
Von
Drittl-Lehners Gerechtigkeiten und Colonis Partiariis.
§.
32. Giebt der Grund-Unterthan seine Stift und Gilt nicht alle Jahr, sondern nur
von drey zu drey Jahren, so heißt er ein Drittl-Lehner, jene aber, welche einen
gewissen Theil deren Guts-Früchten z. E. den dritten, vierten, fünften Theil
(403)
pro Canone zu verreichen haben, werden Coloni Partiarii genannt.
Von
dem Contractu Censitico.
§.
33. Die sogenannte Gatter-Gilt- oder Grund-Zinsbarkeit muß 1mò mit der
Emphyteusi nicht confundirt werden, sondern gehört mehr unter die Contractus
innominatos, und ist der Zins-Herr, welcher nemlich den Zins zu forderen hat,
nicht Dominus directus über das Zinsbare Gut, sondern nur Creditor, kan
derowegen weder Laudemien, noch wegen Ruckständigkeit der Zinsen, oder
sonstiger Ursach halber die Caducität prætendiren, vielweniger gebührt ihm als
Zins-Herrn die Brief-Errichtung oder Jurisdiction auf dem Gut, ohngeacht er
sonst der Edelmanns-Freyheit fähig ist. 2dò Ist in billichen Zweifel die
Præsumption allzeit mehr pro Contractu Censitico als pro Emphyteusi, sonderbar
wenn 3tiò keine Brief hierum vorhanden seynd, das zinsbare Gut einem anderen zu
Lehen rührt, oder der Zins in einer gar geringen Quântität bestehet, kein
Laudemium jemalen gegeben worden, oder sonst keine richtige Kennzeichen von
einem Dominio directo hierunter erscheinen wollen.
Von dem Jure Superficiario & Libellario.
§.
34. Das sogenannte Jus Superficiarium und Libellarium, oder Zimmer-Recht ist in
hiesigen Landen von obigen Grund-Zins-Recht nicht unterschieden, ausser soweit
etwan die Pacta ein anderes geben.
Wie es in der Oberen Pfalz hiermit gehalten werde?
§.
35. Ob zwar wol in der Oberen Pfalz obbemelte Leib-Gedings- Neustift-
Herrn-Gunst- und Drittl-Lehners-Gerechtigkeit bishero nicht in Uebung gewest,
so ist doch Niemand verwehrt, sein Gut unter dergleichen Geding zu verleihen,
da sodann obige Verordnungen gleichfalls Platz greiffen.
(404) Achtes Capitul
Von dem Compagnie oder Associations-Contract. (Societate.)
Was Contractus Societatis seye? und wie vielerley?
§.
1. Tretten zwey oder mehr mit ihrer Haab oder Mühewaltung (Re vel Operâ) auf
gemeinschaftlichen Gewinn und Verlust in Compagnie zusammen, so ist es
Contractus Societatis, und wird entweder 1mò nur über gewisse Güter und
Handlungen, oder 2dò über das ganze Vermögen, und zwar 3tiò zuweilen ohne
Ausnahm gegenwärtig- oder künftiger Haab miteinander gepflogen. Die 1te pflegt
Societas Particularis, die 2te Universalis Bonorum simplex, die 3te aber
Universalis omnium Bonorum genannt zu werden, und seynd die zwey letztere nur
noch zuweilen unter Eheleuten, sonst aber nicht leicht mehr in Uebung. Dafern
auch Zweifel obhanden ist, ob man auf die zweyte oder dritte Art sich associirt
habe, so wird allzeit mehr jenes, als dieses gemuthmasset.
Wie
solcher geschlossen werde?
§.
2. Jede Association erfordert 1mò die Einwilligung aller Associirter, und
unterscheidet sich eben darin hauptsächlich von der Communion. 2dò Ist auch der
stillschweigende Consens, welcher mehr mit Werken als Worten declarirt wird,
hierzu hinlänglich, z. E. da man eine Sach unvertheilt miteinander kauft, in
gemeinschaftlichen Sachen einen gemeinschaftlichen Verwalter bestellt, und
dergleichen. Aus alleiniger Beysammenwohnung hingegen wird die Association
nicht gefolgert, und wenn sich einer aus mehr Compagnons wiederum weiter mit
einem anderen associirt, so wird dieser von denen übrigen nur allsdann pro
Consocio geachtet, wenn sie Wissenschaft davon haben, und sich nicht dagegen
moviren.
(405)
Würkungen desselben in Ansehen deren Associirter unter sich.
§.
3. Die Würkung einer Association bestehet theils in der Collation, theils in
der Participation und Action, nach mehreren Innhalt folgender Verordnungen,
welche jedoch nur soweit zur Regul dienen, als kein anderes bedungen oder
Herkommens ist.
Von
Collation der Einnahm,
§.
4. Jeder Compagnon ist schuldig dasjenige, was er Vermög des Contract entweder
an Geld oder Gut und Arbeit beyzutragen hat, getreulich und ganz zu conferiren,
also und dergestalt, daß, soviel die Einnahm betrift, 1mò in Societate
Universali Bonorum omnium all gegenwärtig- und künftige Haab, wie sie immer auf
ehrbare Weis erlangt worden, und mit anderen communicabl ist, hingegen 2dò in
Societate Bonorum simplici nur das, was man wehrender (!) Gesellschaft nicht
etwan durch blosses Glück und Gunst, wie z. E. gefundene Schätz oder Schankungen,
Erbschaften, Vermächtnussen, sondern durch Fleiß und Arbeit erwirbt, in
Societate Particulari aber 3tiò nur dasjenige allein, worüber man sich
accompanirt hat, mit Ausschluß all anderwärts herkommend- und in Ansehen der
Compagnie nicht acquirirter Haab conferirt werden muß. Hiernächst kommt auch
4tò in Collation und gemeinschaftliche Einnahm aller von obverstandenen
Haupt-Gut und Fundo communi abfallender Nutzen und Profit, wie nicht weniger
5tò was entweder die ganze Compagnie zusammen, oder nur einer aus ihnen mittels
gemeinschaftlichen Geld und Guts erkauft, oder sonst beyschaft, ohne
Unterschied, ob er dieses für sich, oder im Namen der ganzen Compagnie gethan
hat. 6tò Pflegt die würkliche Collation an gemeinschaftlicher Einnahm in
Societate omnium Bonorum, soviel die schon zur Zeit des geschlossenen Contracts
acquirirte Haab betrift, allzeit gleich ipso Jure & pro Indiviso, hingegen
in Societate Particulari oder Universali Bonorum simplici mittels Uebergab oder
Cession, welche jedoch auf Begehren nicht verweigert werden kan, zu geschehen.
Und
der Ausgab.
§.
5. Unter die aus dem gemeinschaftlichen Fundo zu bestreitend- oder zu
conferirende Ausgab gehöret 1mò in Societate
(406)
omnium Bonorum Universali alles, was jeder Associirter von Noth, Billichkeit,
oder Gewohnheit wegen, jedoch in Ehren, auszulegen hat, ohne Unterschied, ob
die Auslag von Compagnie wegen und in Ansehen derselben, oder sonst gemacht
wird, z. E. da man eine Tochter aussteurt, oder Kinder studiren laßt, ohngeacht
etwan der andere Compagnon kein Kind hätte. 2dò In Societate Bonorum simplici
oder particulari nur das, was entweder von der ganzen Compagnie, oder auch nur
von einem allein, jedoch von Compagnie wegen, derselben zum Besten, verwende
wird, z. E. bezahlte Compagnie-Schulden, nothwendige Reparationes
gemeinschaftlichen Guts, wieauch 3tiò alle daran erlittene Schäden, ausgenommen
jene, welche Dolo vel Culpâ latâ aut levi eines oder anderen Associirtens in
Particulari verursacht werden, denn diese tragt nicht die gesammte Compagnie,
sondern nur, die dergleichen verursachen, allein.
Von
der Participation dessen, was conferirt wird.
§.
6. Von deme was conferirt worden, wieauch von allen davon kommenden Gewinn oder
Verlust hat jeder Compagnon zu participiren, und zwar 1mò in mehrgedachter
Societate omnium Bonorum allzeit zu gleichen Theilen, wenn schon die Collation
ungleich gewest, 2dò in simplici Bonorum und particulari aber jeder nur à
Proportion dessen, was er würklich conferirt hat, und zwar 3tiò von der Zeit
an, da die würkliche Collation geschehen ist. 4tiò Wird der in dem Gewinn
bestimmte Theil auch in dem Verlust & vicissim für stillschweigend
wiederholt geachtet, sofern nicht beede ausdrücklich bestimmt seynd. 5tò Pflegt
zuweilen die Bestimmung dem Arbitrio eines Compagnons oder Drittens in dem
Contract überlassen zu werden, welches ihm auch unbenommen bleibt, salvâ tamen
Moderatione Judiciali, sofern der Sach etwan gar zuviel oder zuwenig hierunter
geschiehet. 6tò Das Geding, Kraft dessen einer allen Nutzen oder Schaden allein
haben solle, wird Societas Leonina genannt, und gilt in Vim Societatis niemal,
sondern höchstens nur in Vim Donationis, wenn Animus donandi gnugsam hierunter
erscheint. 7mo Wer nur Operam conferirt, der participirt auch nicht von dem
durch andere Compagnons conferirten Haupt-Gut, sondern nur von dem daran
abgefallenen Nutzen: massen sie mit selben allein ausgeglichen, und nach
geendigter Societät ohne weiterer
(407)
Communication eben so, wie andererseits das Geld oder Gut, wiederum ganz
zuruckgenommen wird, auch im Fall dieses zu Grund gehet, der Verlust nur jene
allein, welche Rem conferirt haben, nicht aber den, der nur Operam præstirt
hat, betrift. 8vò Soll man die conferirte Arbeit entweder gleich in dem
Contract selbst, oder sofern dieses unterlassen worden, durch unpartheyische
Verständige in billichen Anschlag bringen. 9no Wird unter Gewinn und Verlust
nur das, was respectivè nach Abzug ein- oder anderen übrig bleibt, verstanden.
Zu dem Ende ist auch 10mò ein Compagnon auf des anderens Begehren nicht nur das
Inventarium, oder allenfalls eidliche Specification von allem, was zur
Compagnie gehört, sondern auch soweit er an der Administration des
gemeinschaftlichen Guts etwan Hand angelegt hat, Rechnung abzulegen, und
gestalten Dingen nach Caution zu leisten schuldig.
De
Actione pro Socio.
§.
7. Die denen Associirten gegeneinander zustehende Actio pro Socio ist jedem aus
ihnen zu dem Ende vergönnt, damit ihm der andere wiederfahren lasse, was die
Association obverstandenermassen mit sich bringt, salvo tamen Competentiæ
Beneficio, soweit nicht der Compagnon, welcher sich dessen zu bedienen sucht,
etwan betrüglicher Weis gehandlet, oder die Association gar abgeläugnet hat, im
übrigen ist Pœna Infamiæ bey dieser Action heut zu Tag nicht in Uebung, sondern
wer sich betrüglich hierin finden laßt, wird willkürlich gestraft.
Würkung
der Association in Ansehen eines Drittens, wenn sammentliche Compagnie mit ihm
handlet,
§.
8. Wenn die ganze Compagnie mit einem Dritten handlet oder contrahirt, so
haftet 1mò demselben keiner in solidum, sondern nur jeder pro Ratâ und für
seinen Antheil, welchen er in der Compagnie hat, wohingegen aber auch 2dò der
Dritte, mit welchem auf solche Weis gehandlet worden, ebenfalls nur jedem pro
Ratâ haftet, ausgenommen 3tiò wo ein anderes pactirt oder Herkommens, oder ex
Ædilitio edicto die Klag gestellt ist. 4tò Bindet der mehrere Theil den
minderen in der Association nicht, folglich was jener ohne Einwilligung des
lezteren handlet, wird für einen Particular-Handel geachtet.
(408)
Oder nur ein Compagnon für sich allein,
§.
9. Handlet nicht die ganze Compagnie, sondern nur ein oder anderer, oder auch
der mehrere Theil aus ihnen mit einem Dritten, und zwar nicht im Namen, und von
der ganzen Compagnie wegen, sondern, wie in Zweifel allzeit gemuthmasset wird,
für sich allein, so haftet er zwar demselben, und hinwiederum derselbe auch ihm
allein, ohne daß die Obligation oder Action sich auf die übrige erstreckt,
falls er aber gleichwol mit der Compagnie Geld oder Gut, derselben zum Besten,
auf solche Weis handlet, so kommt das Debitum sowol activè als passivè zur
Collation, folglich auch die Obligation und Action auf die ganze Compagnie.
Oder
im Namen aller,
§.
10. Handlet er aber nicht für sich allein, sondern für alle, so ist zu
unterscheiden, ob er zugleich als Factor und Vorsteher von denen übrigen
Compagnons bestellt gewest oder nicht. Letztenfalls hat es die Beschaffenheit,
wie im nächst vorhergehenden §vo, ohngeacht er im übrigen auf den in dem
Associations-Contract beliebten Fuß gehandlet hat.
Und
als gemeinschaftlicher Factor.
§.
11. Erstenfalls, da er nemlich als gemeinschaftlicher Factor und
Handlungs-Führer für die ganze Compagnie handlet, so kann er zwar 1mò gegen den
dritten, mit welchem er also gehandlet hat, nur allein, gegen die übrige aber
andergestalt nicht, als in Subsidium agiren, wol hingegen kann 2dò jeder aus
ihnen von dem Dritten in solidum hierum belangt, und 3tiò nicht nur in Bonis
collatis & communibus, sondern auch in anderen eignen Vermögen salvo tamen
pro Ratâ Regressu angegriffen werden, ist auch 4tò einerley, ob der Factor
ausdrücklich oder stillschweigend bestellt worden, z. E. da er die
gemeinschaftliche Handlung mit Vorwissen der anderen ohne Wiederred eine Weile
geführt hat. 5tò Hindert solchenfalls nicht, daß Versio in Rem nicht dargethan
ist, wenn nur sonst der beliebte Associations-Fuß nicht von ihm überschritten
worden, und hat auch 6tò Exceptio Divisionis vel Exceptionis
(409)
hierin nicht Statt. Auf gleiche Weis ist 7mo die Sach beschaffen, wenn mehr Factores
bestellt seynd, und einer ohne dem anderen von der ganzen Compagnie wegen
handlet, ausgenommen, da sie etwan 8vò in verschiedene Stationes oder
Handlungen abgetheilt seynd, z. E. da ein Factor zu Ingolstadt und der andere
allhier bestellt ist, oder beede zwar an einem Ort seynd, jedoch jener die
Tuch- und dieser die Gewürz-Handlung führt.
Wie
die Association wieder aufhört, und zwar durch den Tod?
§.
12. Die Compagnie wird auf unterschiedliche Weis, insonderheit aber 1mò durch
den Tod sowol sammentlicher als eines Consocii allein aufgehoben, ohngeacht 2dò
die Association auf eine gewisse Zeit beschlossen, und der Tod vor Ausgang
derselben erfolgt ist, ausgenommen, da man 3tiò ausdrücklich bedungen hat, daß
die Compagnie auch nach dem Tod ihren Fortgang haben solle, welchenfalls jedoch
4tò denen Erben frey stehet, ob sie darin continuiren wollen oder nicht. 5tò
Verstehet man nicht nur den natürlichen, sondern auch den Bürgerlichen Tod,
folglich die Geistliche Ordens-Profession ebenfalls hierunter, 6tò obschon die
Compagnie durch den Tod erlöscht, so gehet doch obgedachte Actio pro Socio auf
die Erben effectivè soweit, daß sie die Abteilung und all anderes, was man
ihnen in Folge des Contracts schuldig ist, von denen überlebenden Compagnons
oder ihren Erben begehren mögen. Wohingegen sie auch 7mo um das, was ihr
Erblasser nach geendigter Societät annoch in Lebzeiten zu leisten gehabt hätte,
zu haften haben, desgleichen haften sie auch 8vò um das, was der überlebende
Compagnon, welcher von dem Tod keine Notitz gehabt, in solcher Unwissenheit von
Compagnie wegen gemacht hat. 9no Hört die Comganie durch den Tod eines Comganon
nicht nur in Ansehen seiner, und seiner hinterlassener Erben, sondern auch
unter denen übrigen noch lebenden Compagnons auf, soweit sie sich nicht auf
weitere Continuation mit Worten oder Werken miteinander verstehen.
Wie
durch die Aufkündung?
§.
13. 1mò Stehet jedem Associirten zu aller Zeit frey, die Association
aufzukünden, welches 2dò sowol mit Worten als mit
(410)
Werken zu geschehen pflegt, z. E. da sich einer mit seinem ganzen Antheil
herausziehet, oder etwan gar sammentliche Compagnons zu Vertheilung des
Haupt-Guts schreitten und dergleichen. Wobey jedoch 3tiò zu unterscheiden ist,
ob die Compagnie nur simpliciter oder auf gewisse Zeit beschlossen worden.
Erstenfalls kan jeder Theil nach Belieben aufkünden, sofern es nur nicht
betrüglicher Weis, und zur Unzeit dem anderen geflissen zu schaden geschiehet.
Anderenfalls gehet 4tò die Aufkündung vor Ausfluß des bestimmten Termins nicht
an, es seye dann 5tò erhebliche Ursach dazu vorhanden, z. E. da der Associirte
dem Contract nicht nachkommt, mit dem gemeinschaftlichen Gut übel schaltet und
waltet, unnöthigen Zank anfangt etc. Ohne dergleichen Ursach gilt 6tò die
unzeitige Aufkündung nicht, ausser da sie der andere Theil selbst gutwillig
annimmt, welchenfalls jedoch 7mo die Compagnie unter denen übrigen Compagnons
ohne ebenmässiger Aufkündung gleichwol ihren Fortgang hat. Gegen einen
Abwesenden würkt 8vò die Aufkündung erst von der Zeit, da ihm solche intimirt
worden. 9no Ist das Pactum, Kraft dessen die Compagnie beständig dauern solle,
von keiner Kraft, und stehet der Aufkündung nicht im Weeg.
Und
in andere Weeg mehr.
§.
14. Endlich wird auch die Compagnie aufgelößt 1mò durch Verfliessung der
bestimmten Zeit, wenn gleich das Geschäft, worüber man sich accompagnirt hat,
noch unausgemacht ist, es wäre dann die Zeit von sammentlichen Associirten
ausdrücklich oder stillschweigend prorogirt. 2dò Durch Endigung des Geschäfts,
welches die Compagnie veranlasset hat. 3tiò Durch den völligen Untergang der
Sach, worüber die Association gepflogen worden. 4tò Durch das Remedium ex Leg.
2. Cod. de Rescind. ausgenommen in Societate omnium Bonorum, oder welche nur
Donationis causâ also eingegangen worden.
(411)
Neuntes Capitul
Von
der Vollmacht (Mandato) und anderen ähnlichen Handlungen.
Was
und wie vielerley die Vollmacht seye?
§.
1. Unter einer Vollmacht verstehet man die Handlung, da ein gewisses Geschäft
nicht nur ohne Lohn übertragen, sondern auch würklich übernommen wird. Sie ist
entweder in- oder aussergerichtlich. Von der ersten siehe Cod. Jud. cap. 7. Von
der letzteren aber folgende §vos.
Von
stillschweigender Vollmacht.
§.
2. Die Vollmacht wird nicht allzeit ausdrücklich, sondern zuweilen auch stillschweigend
in der That selbst ertheilt, z. E. da einer des andern Stelle wissentlich und
ohne Wiederred vertritt, sofern nur beede solche Personen seynd, welche von
Rechts-wegen zu contrahiren vermögen.
Unterschied
zwischen derselben und der Location, Ratihabition, Recommendation und
Rathschlägen.
§.
3. Dieselbe distinguirt sich 1mò von blossen Rathschlägen oder Recommendationen
darin, daß diese beede regulariter keine Verbindlichkeit nach sich ziehen,
sofern solche anders ohne Betrug und Hinterlist geschehen. 2do Von der
Locatione Conductione, daß diese niemal gratis und umsonst, wie die Vollmacht
gepflogen wird. 3tio Von der Ratihabition, daß dieselbe kein künftiges, sondern
ein vergangenes Geschäft supponirt, wiewol zuweilen auch die Ratification für ein
Mandatum geachtet, und retrotrahirt wird, wenn man ein noch nicht zur
Vollkommenheit gediehenes Geschäft ratificirt. 4tò Von dem Contractu
Æstimatorio aber siehe den Unterschied unten cap. 12. §. 4.
(412)
Wie weit sie in unehrbaren Geschäften Statt habe?
§.
4. Unehrbar- oder verbottene Geschäfte mögen mit Gültigkeit nicht übertragen
werden, und ist solchenfalls weder der Gewalthaber solche auszurichten, noch
der Gewaltgeber oder Mandans ihne hierum schadlos zu halten verbunden, wol
hingegen haften beede Theile nicht nur der Obrigkeit um die gebührende Straf,
sondern auch all jenen, welche dadurch zu Schaden kommen, um die Genugthuung.
Obliegenheit
des Mandatarii in Ansehen seines Principales,
§.
5. 1mo Muß der Gewalthaber das übernommene Geschäft nach der ihm
vorgeschriebener Mas, oder da der Modus nicht bestimmt ist, seinem besten
Wissen und Gewissen nach getreu und fleißig ausrichten, oder wenigst 2do durch
einen tauglichen Substitutum, sofern selbes nicht von gar grosser Wichtigkeit
ist, oder sonst persönliche Geschicklichkeit erfordert, auf solche Weis
gebührend ausrichten lassen. 3tiò Soll und mag er hierunter alles thun, was die
Natur des Geschäfts mit sich bringt, oder demselben anhangt, ohngeacht in der
Vollmacht nichts hiervon enthalten ist. 4tò Restituirt er Mandanti das, was er
von Commissions-wegen, oder mit Gelegenheit derselben ohne oder auch wieder des
Gewaltgebers Willen an sich gebracht hat, und zwar 5tò à Die Moræ samt denen
Lands-gebräuchigen Interessen, sonderbar wenn er solches zu seinem Eigennutz
verwendet. 6tò Verrichtet er das committirt- und übernommene Geschäft ohne
ehehafter Hindernuß entweder gar nicht, oder wenigst nicht nach Gebühr, so ist
er Mandantem schadlos zu halten schuldig. 7mo Præstirt er alle Culpam, sogar
levissimam, mit alleiniger Ausnahm unversehener Zufällen.
Und
des Principalens in Ansehen seines Mandatarii,
§.
6. Dagegen zahlt 1mò der Principal dem Mandatario nach verrichter (!) Mühe den
versprochenen Recompens, und da keiner versprochen ist, so wird solcher nach
Beschaffenheit des Geschäfts, und der hierunter verwendeter Mühewaltung
unpartheyisch taxirt, sofern Mandatarius anders eine Person ist, welche sich
gratis in fremden Sachen nicht zu verwenden, sondern salariren zu lassen
pflegt, z. E. Advocaten, Procuratores,
(413)
Sollicitanten, Däntler und dergleichen. Immassen ein blosser Recompens oder
Honorarium die Naturam Mandati weder in Locationem Conductionem, noch sonst
einigermassen verändert. 2dò Macht er Mandatario alle zu Verrichtung des
obgehabten Geschäfts bonâ Fide, und ohne unnöthiger Uebermaß verwendete Kösten
allerdings gut, und hindert hieran 3tiò keineswegs, daß das Geschäft entweder
gar nicht, oder nicht nach Wunsch ausgeführt worden, sondern dieses nur ohne
Verschulden des Mandatarii geschehen ist. 4tiò Præstirt er seines Orts
gleichfalls alle Culpam, sogar levissimam, nicht aber Casum fortuitum, ausser
soweit dieser etwan leicht vorzusehen gewest, z. E. da Mandatarius wissentlich
durch unsichere Ort verschickt, und unterwegs ausgeraubt wird.
Dann beeder in Ansehen eines Drittens.
§.
7. Was 1mò Mandatarius nicht für sich, oder in eigner Sach, sondern von
Commissions-wegen mit einem Dritten handlet und schliesset, ist eben soviel,
als hätte solches der Principal selbst gethan, und erwachset mithin hieraus seines
Orts Actio & Obligatio in Ansehen des Drittens, ohne daß man zu dem Ende
von Mandatario einer vorläuffiger Cession heut zu Tag mehr bedarf, und hat auch
auf Seiten des Mandantis, wenn er von Dritten belangt wird, die Exception, daß
das Geschäft nicht ex Mandato, sondern nur ex Locato ausgericht worden, niemal
Platz. Falls aber 2dò Mandatarius nicht von Commissions-wegen, sondern für sich
selbst mit einem Dritten handelt, ohne daß dieser von seiner Commission oder
Bestellung Wissenschaft hat, so ist zu unterscheiden, ob er dieses in eigner
oder in committirter Sache thut, erstenfalls ist es nur sein eigenes Geschäft
allein, welches den Principalen gar nicht angeht, andernfalls bleibt zwar Actio
& Obligatio in Ansehen des Drittens ebenfalls nur bey dem Mandatario, doch
haftet dieser dem Principalen hierhin allenfalls um die Schadloshaltung. 3tiò
Kan auch jeder Mandatarius von dem Dritten um das, was er als Anwald mit ihm
gehandlet hat, zwar ebenfalls, wie der Principal selbst, jedoch nicht länger
als die Anwaldschaft daurt, und nur soweit belangt werden, daß er ihm von
seines Principalens Vermögen rechtliche Satisfaction verschaffe, ausgenommen,
da (d)er Anwald mehr auf seinen als seines Principalens Namen gehandlet, oder
die Gränzen der Vollmacht überschritten, oder
(414)
sich nur fälschlich für einen Anwald angegeben, in der That aber keiner gewest,
oder etwan ein anderes Delictum hierunter begangen hat, in welchen Fällen er
sodann wol in seinen eigenen Mittlen hierum angegriffen werden mag.
Von Ueberschreitung der Vollmacht, und was solche regulariter
würke?
§.
8. Excedirt Mandatarius in seiner obhabender Commission, so ist 1mò das von ihm
ausgerichtete Geschäft null, und verbindet 2dò den Principalen keines Weegs,
sondern wird in Ansehen seiner pro non facto geachtet, Mandatarius hingegen muß
3tiò nicht nur denselben, sondern auch den Dritten, mit welchem er also
gehandlet hat, schadlos halten, und haftet ihm 4tò Mandans weder ex Mandato
noch Negotiorum Gestione um das allergeringste, massen die letztere nur in
Sachen, welche zwar ohne, nicht aber wieder des Principalens Willen geschehen,
von Rechts-wegen Platz greift. Es wird aber 5tò pro Excessu Mandati geachtet,
wenn Mandatarius in Verrichtung des committirten Geschäfts entweder dem
deutlichen Innhalt seiner Vollmacht gar entgegen handlet, oder aber wenigst
etwas thut, welches weder der Innhalt der Vollmacht, noch die Natur oder
Connexion des Geschäfts in der Folge mit sich bringt.
Limitation letztgedachter Regul.
§.
9. Excessus Mandati wird nicht considerirt 1mò in blossen Neben- und
Accidental- oder auch solchen Dingen, welche dem Principalen ganz gleichgültig
seyn mögen, ob sie auf diese oder jene Art geschehen. 2do Wenn die Sach zu des
Principalens augenscheinlich- und unwiedersprechlich- besseren Nutzen
verrichtet wird, z. E. da man die Commiss-Waar entweder wolfeiler kauft, oder
höher verkauft, als um den in der Vollmacht bestimmten Preis. 3tiò Wenn das
Geschäft ohngeacht des hierin begangen- und bekannt gewesten Excess
nichtsdestoweniger ratificirt worden. 4to Wenn Mandatarius nebst der
offentlichen Vollmacht auch eine geheime Instruction hat, und nur diese
letztere allein überschreittet, welchenfalls zwar der Principal von dem Anwald
schadlos gehalten werden muß, das von ihm ausgerichtete Geschäft aber laßt sich
derwegen nicht für ungültig ansehen, es könte dann bewiesen werden,
(415) daß gedachte Instruction dem Dritten, mit welchem der Handel
geschehen ist, wol bekannt gewesen seye.
De Actione Mandati vel contra.
§. 10. Actio
Mandati directa kommt Mandanti, und hingegen contraria dem Mandatario um all
obiges, was zwischen ihnen Contractmässig ist, und ein Theil dem anderen
obverstandenermassen præstiren muß, von Rechts-wegen zu, hat auch die in dem
gemeinen Recht verordnete Pœna infamiæ heut zu Tag gegen einen dolosè
erfundenen Mandatarium nicht, sondern nur willkürliche Straf noch Platz.
Aufhebung
der Vollmacht, und zwar durch den Wiederruf?
§.
11. 1mò Kan der Principal die Vollmacht Re adhuc integrâ, das ist, vor
angefangen- oder verrichteten Geschäft allzeit nach Belieben wiederruffen, und
was sodann 2dò der Anwald nach sothanem Wiederruf von der Zeit an, da ihm
solcher intimirt ist, weiter in der committirten Sach thut, das hat keine Kraft
mehr. 3tiò Re non ampliùs integrâ, und soweit nemlich das Geschäft schon
angefangen oder verrichtet ist, hindert der Wiederruf weder die Gültigkeit
desselben, noch die dem Mandatario gebührende Schadloshaltung. 4tò Pflegt die
Revocation nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend zu geschehen,
wenn z. E. der Principal selbst in das Geschäft, mit Ausschluß des Anwalds,
Hand einschlagt, oder den Geistlichen Ordens-Stand wissentlich antritt.
Durch
die Renunciation und Entschlagung,
§.
12. Mandatario stehet 1mò jederzeit frey, sich der übernommener Commission
wiederum zu entschlagen, sofern es nur 2dò in Zeiten geschiehet, damit das
Geschäft von dem Principalen selbst, oder durch einen anderen noch gelegentlich
verrichtet werden mag, ausser dessen ist er 3tiò schuldig, die Commission zu
vollenden, oder wiederigenfalls den Principalen schadlos zu halten, es wäre
dann 4tò eine ehehafte Ursach im Weeg, welche jedoch 5tò Mandanti zeitlich
notificirt werden solle, um sich hiernach richten zu können.
(416)
Durch den Tod des Principalens,
§.
13. Stirbt der Principal, so ist 1mò inter Rem integram & non integram zu
distinguiren. Letztenfalls muß das Geschäft nichtsdestoweniger vollendet, oder
die Schadloshaltung geleistet werden, erstenfalls aber wird 2dò die Vollmacht
durch erwehnten Todfall dergestalt aufgelößt, daß weder der Erb die Vollziehung
des Geschäfts von dem Mandatario, noch dieser die Schadloshaltung um das, was
er erst hernach gethan hat, mehr forderen kan, ausgenommen 3tiò in Geschäften,
welche vor dem Tod des Principalens nicht wol vollzogen werden können, oder der
Vollzug aus Unwissenheit des Todfalls geschehen wäre.
Durch
den Tod des Anwalds,
§.
14. Stirbt aber der Anwalt und zwar 1mò Re adhuc integrâ, so hört die Vollmacht
ebenfalls auf, und da dem ohngeacht 2dò die Erben mit der Commission
wissentlich fortfahren, so hat es nicht nur keine Kraft, sondern es gebührt
ihnen auch keine Schadloshaltung hierum, Re non ampliùs integrâ bleibt 3tio die
Vollmacht noch in ihrer Kraft, es seye dann die committirte Sach so beschaffen,
daß sie besondere Geschicklichkeit erfordert, oder sonst von denen Erben so
leicht nicht bewerkstelliget werden kan.
Von
anderen einer Vollmacht ähnlichen Handlungen, insonderheit von sogenannten
Institoribus und Exercitoribus.
§.
15. Handlungs-Vorsteher und Factorn (Institores) welche nemlich zu Führ- oder
Verwaltung einer ganzen Handelschaft oder Gewerbs überhaupt committirt seynd,
werden 1mò bald als Mandatarii, bald auf andere Weis, nachdem sie nemlich
entweder per Modum Mandati, Locationis Conductionis, oder Contractûs innominati
bestellt seynd, angesehen, sofort auch die zwischen ihnen und ihren Principalen
daraus entspringend- reciprocirliche Pflichten und Rechten hiernach
unterschiedlich beurtheilt, soviel aber 2do den Dritten belangt, welcher mit
dem Factor gehandlet hat, wird es in Ansehen seiner, wie oben §vo 7. gehalten,
wenn gleich die Factorey nicht per Modum Mandati, sondern auf andere Art
bestellt worden, und da 3tio der Factor die ihm ertheilte Instruction (Legem
(417)
(Præpositionis) nicht beobachtet, so greift obige Verordnung §vo 8. & 9.
hier ebenfalls Platz. 4tò hat die Klag, welche dem Dritten wieder des
bestellten Factors Principalschaft zustehet, ihren besonderen Namen, und wird
Actio institoria genannt. 5tò Mit denen Schiff-und Handlungs-Vorstehern zu
Wasser (Exercitoribus) hat es zwar nach Römischen Rechten die nemliche
Beschaffenheit, wie mit jetzterwehnten Factoren und Handlungs-Führern zu Land.
Nachdem aber gemeine Floß- und Schiff-Leut unter ermelten Exercitoribus eben
sowenig, als 6to die Laden-Diener in Kaufmanns-Gewelben, Provisores in
Apothecken, Kellner in offentlichen Schenk- und Wirths-Häuseren unter
oberwehnten Factoren verstanden seynd, so werden auch all jetztberührt- und
andere dergleichen Personen denen Institoribus oder Exercitoribus nur soweit
gleich geschätzt, als sie in dem ihnen anvertrauten Gewerb oder
Handlungs-Negotio von ihrer Principalschaft entweder ausdrücklich oder wenigst
stillschweigend durch kündigen Gebrauch committirt und begwaltet seynd.
Von
Bothen, Unterhändlern, Dienstbothen und Tagwerkern.
§.
16. 1mò Bothen, welche sich gratis oder nur gegen Recompens brauchen lassen,
haften ex Mandato, sonst aber ex Locato, oder Contractu innominato. 2dò Wer
sich nur Unterhandlungs-weis gebrauchen laßt, z. E. ein Däntler, oder
Vermittler, der ist kein Anwald, sondern wenn er sich hierum bezahlen laßt,
vielmehr Locator Operarum. Desgleichen werden auch 3tio Dienstbothen und
Ehehalten weder in Haus- noch anderen ihren Ordinari-Verrichtungen pro
Mandatariis angesehen, sondern leisten nur blosse Handlangers-Dienst entweder
ex Locato, oder anderen unbenannten Contract wie die Taglöhner.
(418)
Zehendes Capitul
Von
Contractibus Verbalibus, insonderheit von Bürgschaften (Fidejussionibus.)
Von
dem Contractu Stipulationis.
§.
1. Unter der Stipulation wird zwar nach Römischen Recht nur jener Contract
verstanden, welcher durch gewisse zierliche Sprüch auf einseitig- mündliche
Anfrag, und andererseits auf der Stell erfolgend- schicklich- und gleichförmige
Antwort beschlossen wird. Wie man aber nach teutsch- und hiesigen Land-Rechten
im Handel und Wandel überhaupt, folglich auch bey mündlichen Conventionen an
keine gewisse Wort-Formalität gebunden ist, annebens denen Contrahenten
regulariter frey stehen, ob sie sich in Continenti oder ex Intervallo, in
beederseitiger Gegenwart oder Abwesenheit, durch schriftlich- oder mündliche
Correspondenz miteinander verstehen wollen, so hat die Stipulation heut zu Tag
gar nichts Besonderes an sich, und kommt hierunter nur jenes zu beobachten, was
oben cap. 1. von Conventionen überhaupt verordnet ist.
Von
der Bürgschaft und was sie seye?
§.
2. Bürgschaft ist derjenige Contract, da man sich für fremde Schuld zwar an den
nemlichen Glaubiger, jedoch nur soweit verbindlich macht, daß die
Radical-Obligation nichtsdestoweniger bey dem Haupt-Schuldner verbleibt, woraus
sich mithin der Unterschied zwischen einem Bürgen und Correo debendi von selbst
ergiebt, indeme dieser um die Schuld principaliter, jener aber nur accessoriè
und in Subsidium haftet. Von dem Unterschied zwischen einer Fidejussion, dann
Novation und Expromission siehe unten cap. 15. §. 4. & 5.
Wie
sie declarirt werden müsse?
(419)
§. 3. Zur Bürgschaft wird 1mò eine deutlich- und ausdrückliche Declaration, daß
man nemlich Bürg seyn, oder für die Schuld gut stehen wolle, erfordert.
Solchemnach ist 2dò nicht gnug, da man sich erklärt: man wolle darob und daran
seyn, daß die Schuld richtig und gewiß bezahlt werde, oder da man 3tiò die
Haupt-Obligation mitunterschreibt, sofern sich nicht in dem Context auf die von
dem Subscribenten geleistete Bürgschaft ausdrücklich bezogen wird. Vielweniger
kan 4tò aus dem blossen Unterhandel, Beyrath oder Persuasion, dann des
Schuldners Recommendation und Belobung, z. E. da man ihn bey dem Creditore für
einen ehrlich- und wol bemittelten Mann oder guten Zahler angiebt, eine
Bürgschaft gefolgert werden. Doch wenn dergleichen Dinge falsch und
betrüglicher Weis zu Einführung gutherziger Leuten geschehen, ist man ihnen zur
Schadloshaltung verbunden.
Wenn
die Schrifft und Obrigkeitliche Authorität hierzu erforderlich?
§.
4. Die Bürgschaft wird zwar gemeinen Rechten nach unter die mündliche Contract
und Stipulationes gerechnet, gleichwol gilt selbe hiesigen Land-Recht nach bey
gemeinen schlechten Burgern und Bauern andergestalt nicht, als wenn sie 1mò von
des Bürgens ordentlicher Obrigkeit nach vorläuffiger Einsicht aller Umständen
und nöthiger Erinnerung verbrieft, oder in Schulden unter fünfzig Gulden
wenigst protocollirt und eingeschrieben ist, dessen sich auch 2dò weder der
Bürg verzeihen, noch der Creditor ohne willkürlicher Straf auf dergleichen
ungültige Verzicht beruffen mag, doch wird 3tiò bey solch- Obrigkeitlichen
Bürgschaften die Certioration, sofern selbe aus dem Instrument oder Protocoll
nicht erscheint, bis auf gnüglichen Gegen-Beweis allzeit præsumirt. 4tò
Verstehet sich gegenwärtiger §vus nicht auf vornehmere Bürger, vielweniger auf
Siegelmässige Personen, oder ausser Land errichtete Bürgschaften. 5tò Seynd
unter vornehmeren Bürgern zuförderst die Raths-Glieder, sodann auch in Haupt-
oder anderen Städten die Handels-Leut, Weinschenk, Procuratores, und all jene
begriffen, von welchen zu muthmassen ist, daß sie sich so leicht nicht
hintergehen lassen. 7mo Soll dieser Unterschied hinfüro auch in der Obertn (!)
Pfalz observirt werden.
Wer
Bürg seyn könne?
(420)
§. 5. Ausser deren, welche sich auch sonst nicht verbinden können, ist die
Bürgschaft heut zu Tag Niemand mehr, als Weibs-Personen verbotten. Von diesen
aber siehe §vum seq. 23. &c.
Wer
dergleichen begehren oder annehmen könne?
§.
6. 1mò Wer kein Creditor ist, der kann auch für sich einen Bürgen weder
begehren noch annehmen. 2dò Muß derjenige, welcher dergleichen für sich thun
will, wenigst Usum Rationis haben. All übrige, sogar Puppillen und
Minderjährige mögen sich 3tiò dessen auch ohne Vormundschaftlicher Authorität
prævaliren, weil man seine Condition dadurch niemal schlechter, wol aber besser
machen kan. 4tò Ist die gemeine Rechts-Verordnung, Vermög welcher die
Ehe-Frauen von ihren Ehe-Männern die Verbürgung des empfangenen Heyrath-Guts nicht
begehren oder annehmen können, hier zu Land nicht recipirt.
Von
wem?
§.
7. 1mò Ist jeder Debitor, er seye gleich von was Stand, Leumuth (!) und
Vermögen, wie man immer will, auf Begehren seines Glaubigers die Schuld bey
Vermeidung der Execution zu verbürgen gehalten, und da 2dò der gestellte Bürg
nicht tauglich erfunden wird, so muß ein anderer Tauglicher statt seiner
gestellt werden. 3tiò Kan Debitor auch einen Tauglichen mit einem anderen
Substituten auswechslen, sofern nur dieser ebenfalls tauglich und anständig
ist. 4tò Pflegen offt mehr Bürgen zugleich gestellt zu werden, welches doch
ohne sonderbarer Verordnung, oder richterlichen Befund von keiner
Nothwendigkeit ist.
Und
für was?
§.
8. Der Gegenstand einer Bürgschaft bestehet 1mò in der Haupt-Obligation, für
welche dieselbe interponirt wird, und ohne welcher sie als das Accessorium
nicht bestehen kan. 2do Ist hierinfalls kein Unterschied, ob die
Haupt-Obligation nur naturalis, civilis vel mixta, pura vel conditionata seye.
3tio hat die Bürgschaft auch pro Obligatione accessoriâ
(421)
Statt, und wird diese letztere alsdann respectivè pro Principali geachtet. 4tò
Mögen nicht weniger zukünftige Debita, wieauch jene, deren Summa zur Zeit der
Fidejussion noch ungewiß ist, eventualiter verbürgt werden, z. E. in
Amts-Bürgschaften, worinfalls jedoch der Bürg vor liquidirter Schuld sowenig,
als in anderen Debitis conditionatis ante Existentiam Conditionis efficaciter
belangt werden kan. 5tò Obligationes ex Delicto leiden nur soweit eine
Bürgschaft, als es nicht an Leib und Leben, sondern nur an Geld und Gut gehet.
6tò Schulden, welche der Puppill ohne Vormundschaftlicher Authorität macht,
ziehen zwar in Ansehen des Puppillens gar keine, wol aber in Præjudicium des
Bürgens soweit eine Obligationem nach sich, daß dieser letztere für die Schuld
haften muß.
Pflicht
und Verbindlichkeit eines Bürgens,
§.
9. 1mò haftet der Bürg dem Glaubiger regulariter um die verbürgte ganze
Haupt-Schuld, soweit kein minderes hierunter bestimmt worden, und kan 2dò
hierum, salvo tamen Jure Ordinis, von ihm belangt werden. 3tiò Pflegt jede
Fidejussion strictè interpretirt zu werden, folglich ist der Bürg dem Creditori
für Interessen, Schäden und Kösten nur alsdann obligirt, wenn es ausdrücklich
so bedungen, oder die Bürgschaft wenigst in omnem Causam geleistet worden,
worunter man auch insonderheit den Casum verstehet, da sich der Bürg als Haupt-
oder Selbst-Zahler mit verbindet. 4tò Kan sich zwar der Bürg auf weniger, nicht
aber auf mehr, als was der Haupt-Debitor selbst schuldig ist, verbinden, dann
dergleichen Fidejussiones in duriorem Causam gelten nach Römischen Recht gar
nicht, nach der heutigen Observanz aber nur quò ad Summam concurrentem. 5tò
Halt man auch pro duriore Causâ, wenn sich Fidejussor in Loco, Tempore vel
Causâ auf mehr als der Haupt-Schuldner einlaßt, nicht aber wenn er sich nur
stärker als jener verbindet, und z. E. für eine blosse Current-Schuld sich sub
Hypothecâ verschreibt. 6tò Seynd der Bürgen mehr, so haftet regulariter jeder
aus ihnen in solidum, jedoch mit hernach bemerkten Beneficio Divisionis, und
wird weder der Haupt-Schuldner noch sammentliche Bürgen vor Bezahlung der
verbürgten Schuld liberirt.
(422)
Desselben Exceptiones und Wohlthaten,
§.
10. Fidejussori stehen 1mò alle dem Haupt-Schuldner selbst von Rechts-wegen
competirende Exceptiones reales in der nemlichen Mas, und zwar 2dò allenfalls
gegen den Willen ersagten Haupt-Schuldners zu, hindert auch 3tiò hieran nicht,
daß sich der Bürg alle Exceptionen verziehen habe, dann unter einer solcher
Verzicht seynd nur seine eigne, nicht aber die ex Jure & Personâ Debitoris
principalis zu machen habende Exceptiones begriffen. 4tiò Verstehet man auch
unter obgedachten Exceptionibus realibus nicht nur die Exceptionem Solutionis,
Compensationis, non numeratæ pecuniæ, sondern auch all andere, welche dem
Haupt-Schuldner nicht ex Jure personalissimo speciali anhangen, z. E. Exceptio
Competentiæ, Cessionis Bonorum, Restitutionis in integrum ob Minorennitatem,
Pacti de non petendo ad Personam restricti und dergleichen mehr.
Insonderheit
Beneficium Ordinis & Excussionis.
§.
11. Fidejussor haftet obverstandenermassen nur in Subsidium, und soweit nemlich
die verbürgte Schuld von dem Haupt-Schuldner nicht einzubringen ist.
Solchemnach muß Creditor zuförderst Debitorem principalem selbst, oder seinen
hinterlassenen Erben, oder sofern einige vorhanden seynd, Correos debendi,
hernach aber erst, wenn all diese unter dem Namen des Haupt-Schuldners
begriffene Personen gnugsam ausgebeutlet seynd, den Bürgen belangen, und dieses
heißt man Beneficium vel Exceptionem Ordinis & Excussionis, welches aber
auch in gar verschiedenen, jedoch nach hiesigen Lands-Gebrauch nur in folgenden
Fällen seinen Absatz leidet. 1mò Wenn sich Fidejussor selbst dieser Exception
auf Belangen entweder gar nicht, oder wenigst nicht in Zeiten bedient, sondern
damit præcludirt wird, 2dò sich derselben ausdrücklich und specialiter begiebt,
oder 3tiò als Selbst-Zahlern, Haupt-Schuldnern, und sonst dergestalt verbindet,
daß das Beneficium Ordinis nicht damit zu vereinigen ist, welches auch
künftighin in der Oberen Pfalz beobachtet werden soll. 4tò Wenn er die
Bürgschaft boshafter Weis abläugnet, und derselben in Rechten überwiesen wird.
5tò Wenn Debitor principalis bereits vergandet, oder sonst notoriè nicht mehr
solvendo, oder 6tò difficilis Conventionis, z. E. Minderjährig- Lands-Abwesend-
(423)
oder bereits mit Hinterlassung mehr Erben verstorben, oder ad Concursum
Creditorum getrieben ist, und dergleichen.
Und
Beneficium Divisionis.
§.
12. Beneficium Divisionis, Vermög dessen jeder aus mehr Mitbürgen nur seine
Ratam und Manns-Portion an der verbürgten Schuld zu bezahlen hat, greift 1mò
unter Confidejussoribus Platz, ohne Unterschied, ob sie zugleich oder nach und
nach für die nemliche Schuld gut gestanden, oder sich 2dò auf ungleiche Weis,
z. E. einer sub Die, der andere sub Conditione, der dritte purè & absolutè
obligirt haben. 3tiò Seynd jene Mitbürgen, welche sich als Selbst-Zahler oder
Haupt-Schuldner erklärt haben, zwar von dem Beneficio Ordinis, nicht aber Divisionis
ausgeschlossen. 4tò Tretten eines verstorbenen Confidejussoris hinterlassene
Erben zwar sammentlich nur in die Ratam ihres Erblassers ein, welche aber unter
ihnen auch wiederum nach der einen jeden betreffender Erbs-Portion weiter
vertheilt wird.
Fälle, worin Beneficium Divisionis cessirt.
§.
13. Jetzterwehntes Beneficium hat nur in folgenden Fällen nicht Platz. 1mò Wenn
die Exception gar nicht, oder zuspat angebracht, mithin præcludirt wird, 2dò in
dem Fall einer special- und ausdrücklicher Renunciation dieser Wohlthat, 3tiò
wenn sich Bürg ausdrücklich für die ganze Schuld in solidum verbindet, oder 4tò
die geleistete Bürgschaft boshaft abläugnet, und dessen überzeugt wird. 5tò
Soweit Confidejussor nicht solvendo ist, welchenfalls die ruckständige Rata dem
Confidejussori allein, oder sofern noch mehr Mitbürgen seynd, wiederum jeden
pro Ratâ zu Last fallt. 6tò Wenn mehr für unterschiedliche Debitores, oder für
unterschiedliche Posten, oder zwar für die nemliche, jedoch jeder nur für einen
besonderen Theil derselben gut stehet. 7mo In Bürgschaften, welche für
Vormünder geleistet werden. 8vò Wenn der Confidejussor minderjährig, oder sonst
nicht efficaciter obligirt ist.
Regress
und Schadloshaltung des Bürgens.
§.
14. 1mò Gebührt jeden Bürgen der Regress an den Haupt-Schuldner um die
Schadloshaltung vor alles, was er der Bürgschaft
(424)
halber sowol an dem Capital selbst, als sonst auf gerichtlich- oder
aussergerichtliches Belangen bezahlt, oder Schaden gelitten hat. 2dò Stehet ihm
hierin nicht im Weeg, daß er sich als Selbst-Zahlern und Haupt-Schuldern (!)
mitverbunden, oder etwan das Beneficium Ordinis & Excussionis nicht gegen
den Creditorem hat brauchen können oder wollen. Damit nun aber auch 3tiò der
Bürg eines beschwerlichen Process in Puncto Indemnisationis überhoben bleiben
möge, so ist rathsam, daß er auf die von dem Creditore wieder ihn gestellte
Klag entweder mehrerwehntes Beneficium Ordinis nicht ausser Acht lasse, oder da
solches nicht Statt hat, dem Haupt-Schuldner selbst Litem denuncire, und sich
sowol in Processu als Executione gebührend von ihm vertretten lasse. Immassen
4tò auf solchen Fall allzeit zuförderst gedachter Haupt-Schuldner selbst (er
erscheine gleich auf die ihm insinuirte Streits-Verkündung oder nicht) mit der
Execution in seinen eignen Mittlen, soweit er anders solvendo, und die
Bürgschaft in seiner Richtigkeit ist, um die liquidirte Schuld angegriffen
werden solle. 5tò Kan diese Denunciation nicht nur gleich zu Anfang des
Streits, sondern auch in Decursu allzeit noch vor Execution geschehen, und
falls solche von dem Bürgen unterlassen wird, so muß derselbe zwar statt des
Haupt-Schuldners bezahlen, verliehrt aber gleichwol deswegen obberührten
Regress in Puncto Indemnisationis keinesweegs, sondern es bleibt ihm solcher
ohngeacht dessen noch allerwegen bevor. 6tò Hat er das sogenannte Beneficium
cedendarum Actionum als eine Römische Rechts-Subtilität heut zu Tag nicht mehr
vonnöthen, sondern kan um das, was er sowol für den Haupt-Schuldner
unmittelbar, als für die Confidejussores an der verbürgten Schuld entrichtet
hat, obverstandenen Regress suchen, ohne daß ihm zu solchem Ende von dem
Creditore die Action vorläuffig cedirt werden muß.
Fälle,
worin letztgedachter Regress nicht mehr Statt hat.
§. 15. Der Regress hat nur in folgenden Fällen
nicht Statt: 1mò wenn sich Fidejussor dessen ausdrücklich und specialiter
begiebt, 2dò für eine zu contrahiren unfähige Person, z. E. für einen
Minderjährigen, oder 3tiò gegen ausdrückliches Verbott oder Wiederwillen des
Haupt-Schuldners, oder 4tò in unehrbaren Sachen z. E. für Huren-Lohn, oder 5tò
Animo
(425)
donandi auf klar- und deutliche Art fidejubirt, 6tò wenn er indebitè oder sonst
unnützer Weis für den Haupt-Schuldner, z. E. doppelt, oder einem falschen
Procuratori ohne gnugsamer Legitimation, oder einem Minderjährigen ohne
Vormundschaftlicher Authorität, bezahlt, oder sich deren sowol ihm als dem
Debitori principali zukommend- peremptorisch- und wissentlicher Exceptionen
nicht hierunter bedient, 7mo wenn er zu fruhzeitig bezahlt, welchenfalls er
jedoch den Regress nicht gänzlich verliehrt, sondern nur die rechte Zeit damit
abwarten muß.
Von
Aufhebung der Bürgschaft.
§.
16. Die Bürgschaft wird aufgehoben 1mò wenn die Haupt-Schuld selbst durch
Bezahlung, Novation, oder sonst in anderweg erlöscht. 2dò Durch den Tod des
Bürgens, sofern die Bürgschaft durch Geding oder Herkommen nur auf seine Person
Lebenslänglich eingeschränkt worden, massen sonst regulariter auch die Erben
hierum haften. 3tiò Durch Stellung einer anderen tauglich- und anständigen Bürgschaft.
4tò Durch Verfliessung der ad Fidejussionem bestimmter Zeit, nicht aber wenn
der Creditor den Haupt-Schuldner über die pactirte Zahlungs-Frist weitere
Nachsicht ohne des Bürgens Vorwissen giebt, es wäre dann bemelte Frist nicht
nur zur Zahl- sondern auch zu Endigung der Bürgschaft ausdrücklich bestimmt.
Von
des Bürgens Entlassung.
§.
17. Ehe und bevor sich die Bürgschaft auf obgedachte Weis endiget, kan 1mò der
Bürg die Entlassung nicht begehren, ausser in folgenden drey Fällen, erstens
wenn der Haupt-Schuldner inner bestimmter Zahlungs-Frist nicht bezahlt, oder
zweytens durch üble Haus-Wirtschaft und sonst in grossen Abfall seines
Vermögens kommt, drittens wenn Fidejussor schon lange Zeit in der Bürgschaft
gestanden ist, welche letztere Ursach jedoch 2dò in Fidejussionibus
conditionatis, folglich auch in Amts-Bürgschaften niemal hinreicht, wenn solche
gleich dreyssig und mehr Jahr lang gedaurt hat. 3tiò Wer für Correos debendi
Bürgschaft leistet, kan wegen übler Haus-Wirtschaft eines Correi auch gegen den
anderen die Erledigung der Bürgschaft begehren. 4tò Wird einer aus mehr
Confidejussoribus
(426)
der Bürgschaft erlediget, so können sich deswegen auch die übrige nicht für
erlediget achten.
Von
denen Actionibus in Bürgschaften.
§.
18. 1mò Hat der Creditor gegen den Bürgen und seine Erben um der Bezahlung
wegen Condictionem certi vel incerti ex Stipulatu, und hindert hieran nicht,
daß er auch mit Faust-Pfand oder Hypothec versehen ist, es habe sich dann
Fidejussor nur in Subsidium Pignoris & Hypothecæ ausdrücklich verbunden,
ausser dessen muß er Creditorem gegen Abtrettung des Faust-Pfands oder
Hypothec-Verschreibung bezahlen. 2dò Hat auf Seiten des Bürgens Actio Mandati
contraria gegen den Haupt-Schuldner um obgedachte Indemnisation Statt, und da er
etwan 3tiò ohne seinem Vorwissen, oder gar wieder Willen und Verbott für ihn
Bürgschaft geleistet hat, so kan er jetztbemelter Schadloshaltungs willen ex
Negotiorum Gestione wieder ihn agiren. 4to Kommt ihm im obberührter Entlassung
wegen Condictio ex Lege zu. Wie und auf was Weis er aber endlich auch 5to ex
Lege si contendat, Klag stellen möge, siehe Cod. Jud. cap. 1. §. 15. cap. 4. §.
6.
Von
der Ruckbürgschaft.
§.
19. Ruckbürg oder Profidejussor muß mit dem Confidejussore nicht vermischt
werden, und dient nicht soviel zur Sicherheit des Creditoris, als des ersten
Bürgens, damit sich dieser allenfalls, wenn er bezahlen muß, wiederum an ihm
regressiren kan. Solchemnach wird es 1mò mit Ruckbürgen in Ansehen des ersten
Bürgens ebenso, wie mit diesem in Ansehen des Creditoris gehalten, und wenn 2dò
deren Ruckbürgen mehr seynd, so werden sie unter sich pro Confidejussoribus
geachtet, folglich kommt ihnen auch das Beneficium Divisionis in obiger Was zu
Guten, 3tiò Kan der Ruckbürg von dem ersten Bürgen nur soweit belangt werden,
als dieser in Schaden ist, und sich bey dem Debitore principali nicht erholen
kan.
Von
dem Fidejussore Indemnitatis.
§.
20. Fidejussor Indemnitatis wird zwar von denen Rechts-Gelehrten
unterschiedlich beschrieben, und öffters auch mit verstandenen Ruckbürgen
confundirt, man verstehet aber allhier
(427)
keinen anderen darunter als jenen, der sich nur auf den Fall, wenn Creditor von
dem Haupt-Schuldner das Seinige nicht haben kan, zur Schadloshaltung verbindet,
und wie nun seit der Zeit, da das Beneficium Ordinis aufgekommen ist,
regulariter kein Fidejussor mehr andergestalt, als in Subsidium Debitoris
principalis haftet, so fallt auch heut zu Tag all weiterer Unterschied zwischen
dem Fidejussor simplici & Indemnitatis gänzlich hinweg.
Von
Sponsoribus und Mandatoris.
§.
21. Sponsor Fidejussionis und Fidejussor seynd nur dem Namen nach
unterschieden, und da der Rechts-Regul nach eins ist, ob man eine Sach selbst,
oder durch andere thut, so ist auch Fidejussor und Mandator Fidejussionis im
Haupt-Werk nicht unterschieden.
De
Constituto.
§.
22. Constitutum heißt 1mò nach Römischen Recht, soviel als ein Pactum
legitimum, Kraft dessen man die Bezahlung der auf einem Pacto nudo beruhender
Schuld dergestalt verspricht, daß die vorige Obligation nichtsdestoweniger
verbleiben solle. Dafern nun 2dò das Constitutum eine fremde Schuld betrift, so
wird es heut zu Tag für eine wahre Fidejussion gehalten. Betrift es aber 3tiò
des Constituentens eigene Schuld, so wird es für ein blosse
Adpromission-Agnition, Wiederhol- oder Bestättigung der vorigen Obligation
geachtet, nachdem heut zu Tag inter Pacta nuda & vestita kein Unterschied
mehr ist, jene so kräftig, als diese verbinden.
Von
Weiblichen Intercessionibus.
§.
23. Von Weibs-Personen überhaupt ist die Regul, daß sie sich Intercessions-weis
für andere nicht obligiren können, immassen ihnen solchenfalls Exceptio Senatûs
Consulti Vellejani nach mehreren Innhalt nächstfolgenden 25. und 26isten §vi zu
statten kommt. Von denen Intercessionibus verehelichter Weibs-Personen für ihre
Ehe-Männer siehe besonders oben P. 1. cap. 6. §. 33.
Verschiedene
Art derenselben.
(428)
§. 24. Die Art und Weis sich durch Intercession zu obligiren, ist
unterschiedlich, nemlich 1mò da man eine bereits gemacht- fremde Schuld über
sich nimmt, und zwar entweder Participations-weis und cumulativè per
Fidejussionem, Constitutum, Mandatum, oder Translations-weis und privativè
durch die Novation, Expromission, oder sonstige des Haupt-Schuldners beschehene
Liberation. 2dò Da man dem anderen zu gefallen eine Nagel-neue Schuld macht,
und z. E. Geld aufnimmt, um solches sofort einem anderen überlassen zu können,
welchenfalls jedoch erforderlich ist, daß auch dem Creditori diese Absicht
nicht verborgen seye, anerwogen es ansonst mehr für eine Principal-Obligation,
als Intercession angesehen wird.
De
Senatûs Consulto Vellejano.
§.
25. Dergleichen weibliche Intercessiones nun, sie mögen gleich auf ein oder
andere obgedachte Weis geschehen, werden 1mò durch bemeltes Senatûs Consultum
Vellejanum entkräftet, also und dergestalt, daß dem Creditori nicht nur
Exceptio disfalls im Weeg stehet, sondern wenn er bereits aus Irrthum bezahlt
ist, mag er Condictione Indebiti wiederum hierum belangt werden. 2dò Hat das
Senatûs Consultum nicht nur in Darlehen, sondern auch in all anderen Contracten
und Handlungen Statt, worin sich eine Weibs-Person, von was Stand und Wesen sie
immer seyn mag, auf obgedachte Art verbindlich für andere interponirt. 3tiò Ist
gleichgültig, ob der Creditor männlich oder ebenfalls weiblichen Geschlechts,
item ob die Intercession für Elteren, Kinder, oder andere geschehen seye. 4tò
Gehet mehr erwehntes S. C. Cons. nicht nur auf die Erben, sondern auch auf
Fidejussores, welche für die intercedirende Weibs-Person gut gestanden seynd,
ohngeacht sie gegen selbe keinen Regress mehr haben, item auf jene, welche ex
Commissione einer Weibs-Person, und zwar mit Vorwissen des Creditoris, für
andere Bürgschaft geleistet haben.
(429)
Fälle, worin das S. C. Vell. nicht Statt hat.
§.
26. S. C. Vell. hat nur in folgenden Fällen nicht Statt. 1mò Wenn sich eine
Weibs-Person dessen ausdrücklich und specialiter begiebt, nachdeme sie dieser
Freyheit vorhero gnugsam und nach Masgab 1ten Theils 6ten Capitul 34isten §vi
förmlich erinnert worden, wo beynebens aber auch bey einer Ehe-Frauen, welche
sich für andere interponirt, des Manns Mitfertigung in dem
Renunciations-Instrument bey Vermeidung der Nullität erforderlich ist. 2dò Wenn
sie ihrer Intercession wegen Geld oder andere merkliche Schankung annimmt, es
erscheine dann, daß sie dadurch nur listiger Weis inducirt und eingeschläffert
worden seye. 3tiò Dafern sie sich für die nemliche Schuld wiederholtermalen und
zu unterschiedlichen Zeiten dergestalt interponirt, daß zwischen der ersten und
weiteren Interposition wenigst zwey Jahr verloffen seynd, welchenfalls jedoch
die Würkung der Obligation erst von Zeit solch- kräftiger Wiederholung anfangt.
4tò Wenn die Schuld, wofür sie intercedirt hat, zu ihrem erweislichen Nutzen
verwendet worden, oder ihr wenigst kein Schaden durch die Intercession zugehet.
5tò Wenn sie betrüglich mit dem Creditore gehandlet, und sich z. E. unter
Manns-Kleydern versteckt, oder ihn auf andere gefliessene Weis eingeführt hat.
6tò In Intercessionen für das Heyrath-Gut, oder wenn der Creditor ein Minderjähriger
ist. 7mo In allen Fällen, worin die Intercession ohnehin schon null und nichtig
ist, z. E. bey minderjährigen Intercedenten, oder da eine Ehe-Frau für ihren
Mann ohne förmlicher Renunciation und Certioration intercedirt, dann da braucht
man das S. C. Vell. nicht mehr, weil schon auf andere Art geholffen ist. 8vò
Wenn man sich mit dieser Exception præcludiren laßt. 9no Wenn sich endlich eine
Weibs-Person nebst einem anderen Intercessions-weis mitobligirt, dann da haftet
dieser allein in solidum, und hat weder Exceptionem Divisionis, noch S. C.
Vell. Ein anderes ist, wenn sie beede zusammen aus einer anderwärts herrührend-
und vorgängiger Obligation Correi debendi und für ihren gemeinschaftlichen
Creditore miteinander gut gestanden seynd, dann da hat zwar keins von beeden
ermelte Einred, wol aber Exceptionem Divisionis und haftet jedes pro Ratâ. Im
übrigen wird es 10mò mit Weibsbilderen, welche sich Bürgschafts-weis
interponirt haben, auf den Fall, wenn vielgedachtes
(430)
S. C. Vell. nicht Statt hat, ebenso, wie mit anderen Bürgen gehalten.
Wie
dem Creditori in Casu S. C. Vell. zu helfen.
§.
27. Entweder hat sich 1mò die Weibs-Person für eine bereits gemachte fremde
Schuld nur cumulativè und accessoriè obligirt, oder 2dò solche privativè auf
sich genommen, oder 3tiò für Jemand anderen, und demselben zum Besten, eine
ganz neue Schuld gemacht. 1ten Falls bleibt dem Creditori seine Action gegen
den Principal-Schuldneren bevor, 2ten Falls hat er gegen selben Actionem
restitutoriam vel rescissoriam um der alten Schuld wegen, und 3ten Falls
Actionem utilem vel institutoriam aus dem Contract der Weibs-Person gegen
jenen, deme zum Besten die Schuld von ihr gemacht worden ist.
(431)
Eilftes Capitul
Von
dem Contractu Litterali oder Chirographario.
Was
Contractus Chirographarius seye?
§.
1. Nicht jede Handlung, welche man etwan der leichteren Prob oder Sollennität
wegen zu Papier bringt, sondern nur jene allein heißt eigentlich Contractus
Chirographarius, da nemlich der Empfang von Geld oder anderen Sachen in Hoffnung
künftiger Erlag schrifftlich bescheint, und die Restitution oder Bezahlung
hierin versprochen wird.
Würkung
desselben.
§.
2. Hieraus die sogenannte Condictio certi ex Litteris vel Chirographo, Kraft
welcher der Aussteller um die Restitution des bescheinigten Empfangs belangt
werden kan.
Hat
Querela non numeratæ Pecuniæ dagegen Statt?
§.
3. Da nun dergleichen Bescheinigung von gutherzig- oder dürftigen Leuten gern
anticipirt zu werden pflegt, so greift Querela non numeratæ
Pecuniæ Platz, wodurch man nemlich den Empfang wiederspricht, und solchen nur
in Hoffnung folgender Erlag vorläuffig bescheint zu haben angiebt.
Unterschiedliche Art, diese Querel anzubringen?
§. 4. Dieselbe wird bald Klags- bald Exception- und Replics-weis
angebracht, und zwar agendo, wenn der Aussteller wegen unterbliebener Erlag
seinen Schein wiederum zuruckfordert, excipiendo, wenn er um die Restitution
des bescheinigten Empfangs belangt wird, replicando, wenn auf die Bezahlung
einer Schuld geklagt, die Quittung oder Apocha dagegen
(432)
vorgeschützt, und hinwiederum replicirt wird, daß man nur Spe futuræ
Numerationis quittirt habe.
Wem oder gegen wen solche zustehe?
§. 5. Sie stehet 1mò nicht nur dem Aussteller
selbst, sondern auch seinen Erben, Anwälden und Bürgen, wieauch in Concursu
denen Gand-Glaubigern, und zwar 2dò gegen den Innhaber der Bescheinigung, dann
seine Erben und Nachkommen von Rechts wegen zu, wovon 3tiò Kauf- und
Handels-Leut keineswegs ausgenommen seynd.
In was für Handlungen?
§. 6. Nicht nur in Causâ Mutui, sondern auch in
anderen Handlungen hat selbe regulariter Statt, ausgenommen 1mò jene, worin man
nicht leicht voraus zu bescheinigen pflegt, wie z. E. in Deposito, Vergleich,
Schankung, Kauf, Tausch, Mieth, Bürgschaft, letzten Willen und dergleichen. 2dò
In Bescheinigungen, welche über den Empfang Lands-herrlicher Præstationen von
Beamten, Cassiers und anderen Einnehmeren ausgehändiget werden. 3tiò Wenn über
die erste Bescheinigung nachhero eine weitere der nemlichen Post halber
ausgestellt, oder der Empfang in anderweg mit Worten oder Werken neuerdings
agnoscirt und bestättiget wird. 4tò Wenn die Obrigkeit, der Notarius, oder die
Gezeugen, vor welchen der Chirographus oder das Instrument errichtet worden,
ausdrücklich hierin attestiren, daß die Erlag in ihrer Gegenwart geschehen
seye. 5tò Wenn auf die Querelam specialiter, jedoch nicht in der nemlichen,
sondern einer anderer nachfolgend- besonderer Bescheinung oder sonst
erweislichermassen erst hernach renuncirt worden.
Wie lang?
§. 7. Die Querel muß 1mò auf Seiten des Debitoris
gegen seinen Schuld-Schein und Chirographum längst inner zwey Jahren, auf
Seiten des Creditoris aber gegen seine Quittung und Apocham längst inner
dreyssig Tagen, und zwar 2dò von dem Dato der Bescheinigung, oder wenn solche
nicht datirt ist, von Zeit erweislicher Ausstellung angerechnet, auch
(433)
3tio ohne Unterschied, ob dieses Klag- Exception- oder Replics- weis geschehe,
coram Competente angebracht werden. Nach Verfliessung solcher Zeit ist 4tò die
Querel verjährt, und soll Niemand mehr einiges Gehör damit finden, es seye dann
gnüglich zu beweisen, daß der bescheinigte Empfang nicht beschehen seye, zu
welcher Prob jedoch weder Muthmassungen, noch Eids-Delation hinreichen, sondern
es muß solche per Negativam Loci aut Temporis, oder sonst auf andere
vollkommene Weis gemacht werden.
Effectus
Querelæ?
§.
8. Die sonderbare Würkung dieser Querel ist 1mò daß der Gegentheil ohngeacht
der in Handen habender Bescheinung gleichwol den bescheinigten Empfang beweisen
muß. Dafern nun 2do selber erprobt ist, so wird derjenige, welcher solchen
abgeläugnet hat, nicht nur condemnirt, sondern auch seiner Bosheit wegen
willkürlich bestraft. Ist aber 3tio die Prob nicht gemacht, so wird
distinguirt, ob man Klag- Exception- oder Replics- weis querelirt hat. Erstenfalls
wird der Beklagte definitivè absolvirt, anderfalls definitivè condemnirt,
drittenfalls derjenige, welcher den Schein empfangen hat, sowol zu desselben,
als auch des allenfalls hierunter empfangenen Faust-Pfands Restitution
angehalten.
Was
die Querel in Causâ Dotis aut Paraphernorum Besonderes an sich habe?
§.
9. Wie es zu halten seye, wenn der Ehe-Mann selbst, oder dessen Erben, Kinder
erster Ehe, oder auch seine Creditores in Concursu gegen den bescheinigten
Empfang des Heyrath- oder anderen eingebracht seyn sollenden Guts Querelam non
numeratæ Dotis vel Pecuniæ auf die Bahn bringen, ist theils oben P. 1. cap 6.
§. 24. theils in Cod Jud cap 20. §vo 6 n. 5. & 6. mit mehreren versehen,
und soweit nun daselbst obverstandenen Heyraths- und anderen Guts halber kein
Besonderes versehen ist, bleibt es in all übrigen bey gegenwärtiger
General-Verordnung.
(434)
Zwölftes Capitul
Von
unbenannten Contracten, insonderheit von dem Tausch, und Contractu Æstimatorio,
dann dem Spiel, Wettung, Wechsel, und anderen vergleichen Conventionen.
Von
Contractibus innominatis überhaupt.
§.
1. 1mò Wird unter dem Contractu innominato eine Convention verstanden, welche
weder einen legalen Namen, noch durch das Gesetz bestimmte gewisse Gestalt hat,
wobey 2dò das Römische Recht auch eine Causam, das ist, eine würkliche
Præstation, wo nicht beeder- doch wenigst einerseits erfordert, also und
dergestalt, daß vor ein- oder anderseitigen Erfolg derselben die Reue auf
beeden Seiten, sonst aber nur auf Seiten desjenigen, der das Seinige bereits
præstirt oder gethan hat, allzeit noch Platz greift, sohin lediglich in seiner
Willkur stehet, ob er bey der Convention beharren oder davon abgehen wolle,
wohingegen der andere, welcher seines Orts noch nichts præstirt hat, an den
Contract gebunden bleibt, und ohne des anderen Theils Einverständnuß nicht mehr
davon abweichen kann. Wie nun aber 3tio heut zu Tag weder in benannt- noch
unbenannten Conventionen von der Zeit an, da man einmal schlüßig miteinander
worden, und sich zu etwas verbunden hat, einer einseitiger Reue und Abweichung
mehr Platz gegeben wird, so pflegt man nicht soviel auf die Præstation, und wie
weit solche ein- oder andererseits würklich geschehen seye, als auf den
endlichen Schluß der Handlung, mithin auch mehr auf das natürlich- als Römische
Recht hierin zu sehen, woraus sich 4tò weiter ergibt, daß die unbenannte
Contract heut zu Tag mehr unter die Contractus Consensuales als Reales gehören,
weil zu deren Perfection die Uebergab oder Præstation eben nicht erforderlich,
sondern beederseitiger Consens hinlänglich ist. 5tò Greift regulariter
(435)
ohne besonderer Ausnahm alles hierin Platz, was oben cap. 1. von Conventionen
überhaupt vorkommt, und ist nicht weniger auch oben cap. 2. §. 1. n. 2. bereits
verstanden, welchergestalten Contractus nominatus durch beygefügt- und
besondere Pacta und Clausulas zuweilen in innominatum degenerire. Die Action
aber welche 6tò hieraus entspringt, wird Actio in factum vel præscriptis Verbis
genannt, und ziehlet dahin, daß das Versprochene sowol ein- als anderen Theils
erfüllt werde. Im übrigen werden 7mo die unbenannte Contract gemeiniglich in
Regulares und Irregulares getheilt, von jenen siehe §vum seq. 2. Diese hingegen
pflegt man darum Irregulares zu nennen, weil sie sich mehr der Natur und Eigenschaft
eines benannten Contracts näheren, und obschon keinen legal- und juridischen,
doch einen eigen- und besonderen Namen haben. Insgemein begreift man zwar nur
den Tausch, und sogenannten Contractum Æstimatorium darunter, welchem man aber
den Spiel- Wettung- Wechsel- und Lehens-Contract hier ebenfalls mitbeyfügt. Der
letztere gehört zum Lehen-Recht, folglich ad cap. 18. Die übrige aber siehe
§vis seq. 3. &c.
Insonderheit
von Regularibus.
§.
2. Contractus innominati regulares bestehen 1mò darin, daß entweder beederseits
etwas gegeben oder gethan, oder aber nur einerseits etwas gethan, und
anderseits gegeben werde, zu Latein do ut des, facio ut facias, do ut facias,
facio ut des. Da nun 2dò dergleichen auch in Contractibus nominatis geschiehet,
so wird der Contract solang nicht pro innominato geachtet, als die ad nominatum
erforderliche Substantial-Requisita vorhanden seynd. 3tiò Laszt sich hieraus
leicht erkennen, wohin die zumal unter Burgers- und Bauers-Leuten sehr
gebräuchige sogenannte Uebergaben eigentlich gehören, und ob man solche für
einen Kauf- Tausch- oder anderen Contractum innominatum anzusehen habe?
Von
Irregularibus und zwar von dem Tausch.
§.
3. Tausch- oder Permutations-Contract, da man nemlich Sachen von einerley Art
(Res ejusdem Speciei) z. E. Pferd für Pferd, Kleid für Kleid eigenthümlich
gegen einander auswechslet, und übergiebt, ist von obbemelten Contractu, do
(436)
ut des eben darin unterschieden, daß dieser auch in Rebus fungibilibus oder
diversæ Speciei Statt hat, und daß das Eigenthum hierin nicht allzeit wie
Permutatione, sondern öffter nur ein anderes Recht transferirt wird, sowol
dieser als jener Contract aber distinguirt sich von dem Mutuo darin, daß in
beeden regulariter gleich Anfangs reciprocirliche Præstationes constituirt werden,
wohingegen sich in Mutuo die Præstation oder Restitution auf Seiten des
Mutuatarii erst mit der Zeit ergiebt.
Von
dem Contractu Æstimatorio.
§.
4. 1mò Wenn Jemand eine geschätzte Sach um solche zu verhandlen, und mit dem
Beding übergeben wird, daß sie entweder in Naturâ oder dem Werth nach, wie sie
angeschlagen worden, wiederum restituirt werde, so heißt es Contractus
Æstimatorius, und wird insgemein der Trödl- oder Däntlers-Contract genannt,
weil man das, was man durch Däntler verhandlen lassen will, gern auf solche Art
an sie zu übergeben pflegt. Solchemnach werden 2dò hauptsächlich zwey Dinge
hierzu erfordert, nemlich daß erstens die Sach, welche man anderen zu
verhandlen übergiebt, in vorläuffigen Anschlag gebracht, und zweytens dem
Verhandler dabey frey gestellt werde, ob er die Sach selbst wiederum in Naturâ,
oder nur verstandenem Anschlag nach im Werth restituiren wolle. Ermanglet nun
3tiò eins von beeden, so ist es entweder eine blosse Commission und Vollmacht,
oder wenn solche nicht gratis, sondern um gewissen Lohn übernommen wird, eine
Locatio Conductio, oder wenigst kein Contractus Æstimatorius mehr, sondern eine
ganz andere Handlung. Gleiche Beschaffenheit hat es 4tò wenn der Verhandler
nicht den gleich anfänglich taxirt- sondern nur jenen Werth, um welchen die
Sach von ihm verhandlet worden, restituiren solle, dann da ist es ebenfalls
kein Contractus Æstimatorius mehr, sondern Mandatum, oder gestalten Dingen nach
Locatio Conductio. Falls aber 5tò die geschätzte Sach gar mit dem Geding zum Verkauf
übergeben wird, daß der Gewinn oder Ueberschuß, um welchen die Sach höher
ausgebracht wird, vertheilt werden solle, so ist es vielmehr ein
Societäts-Contract. Sonst hindert 6tò an dem Contractu Æstimatorio weiter
nicht, daß man den Verhändler seiner Mühe wegen sonderbar belohnt.
(437)
Die Würkung dieses Contracts bestehet 7mo hauptsächlich darin, daß der
Empfänger das Eigenthum der ihm solchergestalt übergebener Sach mittels der
Aushändigung erlangt, welches sich hingegen in Mandatario oder oacatore Operarum
ganz anders verhält. Hieraus aber folgt 8vò daß, wenn die Sach allenfalls zu
Grund oder verlohren gehet, alsdann der Empfänger selbst den Schaden, wie jeder
anderer Eigenthümer, zu tragen habe, und muß er solchenfalls 9no
nichtsdestoweniger verstandenen Werth derselben vergüten, immassen auch in all
dergleichen Alternativ-Præstationen, sondern man eins nicht mehr præstiren
kann, jedesmal das andere geleistet werden muß. Dahingegen bleibt ihm auch 10mò
der Gewinn allein, wenn die Sach um höheren Preis, als selbe taxirt worden, von
ihm verhandlet wird. Im übrigen hat 11mò die Action, wodurch man entweder die
übergebene Sach, oder den taxirten Werth derselben wiederum zuruckfordert,
einen besonderen Namen, und wird insgemein Æstimatoria genannt.
Von
dem Spiel.
§.
5. Spiel bedeutet 1mò einen Vertrag, Kraft dessen der aufgesetzte Gewinn
demjenigen zu Theil wird, welcher das Spiel der Abred oder sonst üblicher Regul
nach gewonnen hat. Es seynd aber 2dò unterschiedliche Gattungen des Spiels,
dann entweder wird hierzu gewisse Leibs- oder Verstands-Geschicklichkeit
erfordert, oder es kommt auf blosses Glück hierunter an, oder es giebt Glück
und Geschicklichkeit zugleich den Ausschlag, die erste werden Kunst- die andere
Glücks- und Hazard- die dritte aber vermischte Spiel (Ludi Artis, Fortunæ, vel
Mixti) genannt. Soviel nun 3tiò die blosse Kunst-Spiel z. E. Scheiben-Schüssen,
Ballhaus, Billard, Schach etc. wieauch die vermischte Spiel, z. E. L’Ombre,
Piquet, Quadrille, Taroque, Trichaque, und dergleichen betrift, seynd dieselbe
weder auf Bord noch baar Geld verbotten, sondern was hierunter verspielt
worden, das kann der verspielende Theil auf Begehren zu bezahlen sowenig
weigeren, als das Bezahlte wiederum zuruckforderen, sofern es nur redlich im
Spiel zugegangen, und anbey mit der Geld-Setzung, die nach eines jeden Stand,
Caracter oder Vermögen gebührende Mas beobachtet worden. Wohingegen es 4tò
dergleichen falsch- oder übermässigen Spiels halber, wie nicht weniger soviel
das Würfel,
(438)
Pharaon, Passette und ander- auf blosses Glück gerichtetes Spiel belangt, bey
der Landes- und Policey-Ordnung, dann denen Generalien von 28.isten Jan. 1736.
und 28.isten Aug. 1747. noch ferner sein Verbleiben hat, also und dergestalt,
daß 5tò der gewinnende Theil nicht nur das, was er auf Borg gewunnen hat, nicht
forderen kann, sondern vielmehr das Empfangene dem verlustigen Theil auf
Begehren wiederum restituiren muß. Nebst deme soll 6tò sowol der Gewinnend- als
Verspielende, und zwar das erstemal um ein Drittl des Gewinns, respectivè
Verlusts, das zweytemal um zwey Drittl desselben, endlich aber das drittemal
gar um soviel, als der ganze Gewinn, respectivè Verlust betragt, über obige
Zuruckgab gestraft, annebens in dem Pharao-Spiel der Banco confiscirt werden.
7mo Seynd die Caffeé-Schenken, Wein-Wirth und Bier-Zäpfler, welche dergleichen
verbottene Spiel gestatten, das erstemal um 50. fl. das zweytemal um 100. fl.
das drittemal mit Aufhebung ihrer Gerechtigkeit, andere Particular-Haus-Herrn
aber, wegen sothanen in ihren Häuseren wissentlich gedulteten Spiels,
willkürlich zu bestraffen. 8vò Kommt dem Angeber ein Drittl, und eben soviel
auch der Obrigkeit, worunter sich der Fall begiebt, von obiger Geld- und
Confiscations- Straf zu. 9no Hat zwar die Straf niemal Statt, wenn solch- verbottenes
Spiel an einem mit special-Lands-herrlicher Concession desfalls begabten Ort
getrieben wird, es seye dann Betrug oder grosse Uebermaß hierunter zu Schulden
gebracht worden, welchenfalls nicht nur das auf Borg Verspielte nicht gefordert
werden mag, sondern auch das bereits Bezahlte auf Begehren wiederum zuruck zu
geben, annebens gegen die Excedenten mit willkürlicher Straf zu verfahren ist.
10mò Wenn fremdes Geld oder Gut verspielt wird, und der Eigenthümer mit seinem
Eid oder sonst beweisen kann, daß das verspielte Gelt oder Gut sein gewesen, so
soll man ihm solches ohne Entgeld wiederum verschaffen, und den Verspieler
besonders deswegen bestraffen. Nachdem auch 11mò für verbottene Spiel-Schulden
öffters simulirte Obligationes ausgestellt zu werden pflegen, so soll man bey
vorwaltenden Verdacht nicht darauf erkennen, ohne dem Juramento Purgatorio,
oder wenn der Verdacht groß ist, dem Suppletorio Platz zu geben.
Von
Wettungen.
§.
6. Wettung, zu Latein Sponsio, ist eine Convention über die Wahrheit oder den
Ausgang einer Sach dergestalt, daß derjenige,
(439)
dessen Meinung damit übereinstimmt, einen gewissen Gewinn haben soll. Gleichwie
nun 1mò all andere Conventiones in unehrbaren Dingen nicht gestattet werden, so
gelten auch dergleichen Wettungen nicht, desgleichen seynd 2dò all zu hoh- und
excessive Wettungen nicht zulässig, sondern sollen allenfalls von Ambts-wegen
gemässiget werden. Indifferent- und gleichgültige Dinge seynd 3tiò nicht davon
ausgeschlossen, und ob man wol 4tò regulariter über die Wahrheit oder den
Ausgang der Sach nur soweit, als solche zur Zeit der Abred noch ungewiß oder
unbekannt ist, gewettet zu werden pflegt, so ist doch die Wettung gleichwol
über eine bekannt- und gewisse Sach nicht kraftlos, wenn nur kein Betrug oder
gefliessene Einführung hierunter vorgehet. 5tò Ist einerley, ob es eine
gegenwärtig- vergangen- oder künftige Sach betrift. 6to Kann der grossen
Ungleichheit halber keine Wettung angefochten werden, wenn schon zehen und mehr
gegen eins gesetzt wird. 7mo Dafern die Sach nicht zum Ausgang kommen kann,
ohne daß vorhero einer oder beede wettende Theil etwas thun, so verliehrt
derjenige die Wett, welcher das, was er thun soll, gefliessener Weis nicht thut
oder hindert, z. E. da man mit einem um die Oberhand im Lauffen oder Schiessen
wettet, und derselbe ohne ehehafter Hindernuß nicht lauffen oder schiessen
will, so hat er die Wett verlohren. 8vò Ergiebt oder verificirt sich aber die
Wahrheit, oder der Ausgang der Sach auf keiner Seite, z. E. da beede im
Wett-Lauf das Ziehl zu gleicher Zeit erreichen, oder einen ganz gleichen Schuß
thun, so hat kein Theil die Wette verlohren oder gewunnen, sondern es gehet
eins mit dem anderen auf.
Von
dem Wechsel.
§.
7. 1mo Giebt einer dem anderen entweder baar Geld mit oder ohne Aufgeld, oder
verstehet sich sonst mit demselben, daß er ihm selbst oder einem anderen
benannten inner gewisser Zeit eben soviel durch seinen Freund erlegen lasse,
und zu solchem Ende einen oder mehr Wechsel- und Aviso-Brief aushändige, so
pflegt man es einen Wechsel oder Contractum Cambialem zu nennen, wobey 2dò
derjenige, welcher das Geld um der Uebermach- oder Ueberwechslung wegen giebt,
insgemein der Remittent, der andere hingegen, welcher solches übermacht, der
Wechsler oder Trassant, der Freund aber, an welchen
(440)
man den Wechsel trassirt, der Correspondent, und endlich derjenige, welcher
denn Wechsel-Brief innhat, eigentlich der Præsentant benamset wird. Da nun 3tiò
die Wechsel-Sachen überhaupt in hiesigen Chur-Landen kein
besonder-privilegirtes Recht vor sich haben, sondern wie andere Handlungen nur
nach gemeinen Recht beurtheilt zu werden pflegen, so ist auch 4tò nur soviel
hievon zu bemerken, daß der Wechsel-Contract nach unterschiedlichen Respect
deren hierunter concurrirender Personen allzeit mehr Handlungen in sich
begreift, immassen zwischen dem Remittenten und Trassanten bey bezahlter Valuta
ein Contractus Mandati, bey unbezahlter ein Contractus innominatus, zwischen
dem Trassanten und Correspondenten, wenn anders der Wechsel-Brief nicht
protestirt, sondern acceptirt wird, ebenfalls Contractus Mandati, oder dafern
die Acceptation nur Ehren halber (per Honor) geschiehet, ein Quasi-Contractus
ex Negotiorum Gestione, zwischen dem Acceptanten und Præsentanten ein Pactum
Constituti, endlichen so offt der Wechsel-Brief von dem Præsentanten an einen
anderen weiter girirt und indossirt wird, zwischen dem Indossanten und
Indossaten wiederum ein Contractus Mandati, Cession oder Assignation vorgehet.
Von
anderen unbenannten Conventionen.
§.
8. Nach Römischen Rechten werden zwar weder Pacta nuda noch vestita, legitima,
vel adjecta unter die Contractus innominatos gezehlet, wie aber
obverstandenermassen heut zu Tag unter all diesen Handlungen wenigst quò ad Vim
& Efficaciam obligandi kein Unterschied mehr ist, so gehören solche
gleichfalls mit anhero, und wird sich übrigens lediglich auf das bezogen, was
insonderheit von Judicial- und Extrajudical- Vergleichen, wieauch von denen per
Modum Actûs inter Vivos gepflogenen Pactis Successoriis, Dotalibus,
Donationibus, Fideicommissis, Parentum inter Liberos Divisionibus, dann
Constitutis, und Hypothec-Verschreibungen bereits anderwärts theils in
gegenwärtigen, theils in Codice Judiciario mit mehrern versehen ist.
(441)
Dreyzehndes Capitul
Von
Quasi-Contractibus überhaupt, und besonders von der Negotiorum Gestione,
Communione, Lege Rhodia, und all anderen.
Von
Quasi-Contractibus überhaupt.
§.
1. In verschiedenen Handlungen wird der Consens offt ohne oder gar wieder
Willen deren Interessenten auf einer oder beeder Seiten von dem Gesatz selbst
supplirt, und zwar aus der natürlichen Billichkeits-Regul, nach welcher 1mò ein
jeder dasjenige will, was ihm nützlich scheint, 2dò keiner mit des anderen
Schaden bereichert werden soll, 3tio Niemand das Consequens zuwieder seyn mag,
deme das Antecedens gefällig gewest. Dergleichen Handlungen nun werden
insgemein Quasi-Contractus genannt, und nicht anders beurtheilt, als hätten
allerseitige Interessenten ausdrücklich darauf eingewilliget, ob sie schon
etwan ein ganz anderes bey sich gedacht oder gewolt haben. Dieselbe bestehen in
folgenden besonderen Gattungen.
Negotiorum
Gestio.
§.
2. Wer ein aussergerichtlich-fremdes Geschäft nicht aus Schuldigkeit, sondern
freywillig, zwar ohne Befehl und Vorwissen des Principalens, jedoch demselben
zum Besten auf sich nimmt, der heißt Negotiorum Gestor, und muß 1mò nicht nur
das übernommene Geschäft, samt allem, was dahin einschlagt und anhangt, mit
gebührenden Fleiß fort- und soviel wenigst an ihm ist, ausführen, sondern auch
das hievontwegen an sich Gebrachte dem Principalen zustellen und verrechnen.
Nebst deme leistet er 2do regulariter Dolum, Culpam latam & levem, zuweilen
gar levissimam und Casum fortuitum, wenn er sich nemlich entweder vor anderen
weit fleissig-
(442)
und geschickteren Gestoribus eindringt, oder eines gefährlich- und
ungewöhnlichen Dings unterziehet, oder gegen des Principalens ausdrückliches
Verbott handlet. 3tio In Sachen, welche ohne seinem Zuthun unfehlbar zu Grund
gegangen wären, præstirt er weiter nichts, als Dolum & Culpam latam.
Dagegen ist 4tò billich, daß Negotiorum Gestor von dem Principalen nicht nur um
die auf das Geschäft verwendete nöthig- oder nutzbare Kösten, sondern auch um
all anderen unvermeidlichen Schaden und Entgang vergnügt und indemnisirt werde,
ausser soweit er etwan 5tò gegen ausdrückliches Verbott des Principalens, oder
nicht zu seinen Nutzen hierunter gehandlet, oder sich erweislichermassen mehr
Schankungs-weis, als auf verbindliche Art der Sach angenommen hat, doch wird
6tò der Nutzen nicht soviel von dem glücklichen Ausgang des Handels, als aus
der Wahrscheinlichkeit desselben, dann der guten Intention und Art, womit
solcher tractirt worden, beurtheilt, worinfalls 7mo Negotiorum Gestor in
Zweifel allemal die bessere Præsumption für sich hat. 8vò Wird um all obverstandenes
dem Principalen Actio Negotiorum Gestorum directa, hingegen Gestori contraria
eingeraumt, und stehet 9no der letzteren Action nicht im Weeg, daß Principal
ein Puppill, Unsinniger oder sonst sich selbst zu obligiren unfähige Person
seye. Wol hingegen hat 10mo Actio directa gegen dergleichen Personen nicht
Statt, ausser soweit sie sich mit Schaden des Principalens bereichert, oder
etwan gar Dolo malo Straffmässig hierunter gehandlet haben.
Communio.
§.
3. Communion oder Gemeinschaft muß 1mò mit der Societät nicht vermischt werden,
dann obwol auch Socii oder Compagnons in Communione beysammen stehen, so
gelangen sie doch anderseitige nicht, als durch vorläuffige Convention und
allerseitige Einverständnuß dahin, allhier aber ist die Rede nur von jener
Gemeinschaft, welche sich von ungefehr, oder sonst mehr in der Sach selbst als
dem Sinn und Willen deren Mitgemeinern ergiebt, z. E. da eine Sach zugleich an
mehr verschenkt oder vermacht wird. Wer demnach 2dò auf ein- oder andere Weis
in Communion tritt, der williget ipso Facto dahin ein, daß nicht nur die Sach,
samt allen davon abgefallenen Früchten auf Begehren ein- oder anderen
Theil-Habers abgetheilt, sondern auch einem jeden das zum Besten
(443)
des gemeinschaftlichen Guts ex propriis Verwendete wiederum erstattet werde. Zu
solchem Ende stehet 3tiò jedem aus ihnen die sogenannte Actio communi dividundo
gegen einander zu, und gleichwie sich selbe 4tiò von der Actione Familiæ
herciscundæ nur soweit unterscheidet, daß durch diese nichts als gemeinschaftliche
Erbschaften, durch jene hingegen all andere Particular-Sachen und Jura communia
abgetheilt werden, so greift auch in gegenwärtiger Action alles Platz, was oben
Part. 3. cap. 1. §. 14. ausser soviel den Num. 10. 13. und 14. betrift, von
Erbschaftlichen Vertheilungen versehen ist. Solang man aber 5tò in
unvertheilter Communion beysammen verbleibt, so kan kein Theil-Haber
einseitiger Weis ohne denen anderen in gemeinschaftlicher Sach mit Fug etwas
thun, greiffen auch die Majora disfalls nicht Platz, und hat jeder aus ihnen
nach der bekannten Rechts-Regul: Quod in Re communi melior sit Conditio
prohibentis, die Befugnuß, nicht nur den anderen an all einseitigen Verfügungen
zu hindern, sondern auch allenfalls die Wiederherstellung der dadurch
geänderter Sach in vorigen Stand zu begehren, ausgenommen 6tiò in folgenden
Fällen: nemlich fürs Erste in nothwendigen Reparationen des gemeinschaftlichen
Guts, massen solche kein Theil-Haber zu hinderen vermag, sondern vielmehr pro
Ratâ seines Antheils mit denen benöthigten Kosten concurriren muß. Zweytens
wenn ein Theil-Haber seinen Antheil an einen anderen Mitgemeiner oder
Auswärtigen veräussert oder überlaßt. Drittens in Verfügungen, wodurch denen
übrigen kein Schaden oder Nachtheil zugehen kan. Viertens wenn das gemeinschaftliche
Gut von einem Theil so benutzt wird, wie es jedem Mitgemeiner nach Recht und
Observanz zustehet. Fünftens wenn dem Publico daran liegt. Sechstens wenn die
andere von einseitiger Verfügung Wissenschaft gehabt, und gleichwol dazu
geschwiegen haben.
Lex
Rhodia de Jactu.
§.
4. Durch die sogenannte Legem Rhodiam wird verordnet das, was bey
obschwebend-grosser Schiffbruchs-Gefahr von der Ladung oder anderen auf dem
Schiff befindlichen Sachen zu Rettung der übrigen ausgeworffen wird, auch von
diesen letzteren
(444)
mittels proportionirlichen Beytrags wiederum vergütet werden muß. Da nun
hierbey hauptsächlich zwey Stück, nemlich der Auswurf und der Beytrag in
Betrachtung kommen, so ist 1mò des Erstens halber gleichgiltig, ob eigne oder
fremde Sachen von dem Schiffmann selbst oder von anderen ausgeworffen werden,
sofern es nur 2dò aus Noth und unverschuldeter grosser Schiffbruchs-Gefahr zu
Rettung des Schiffs geschiehet, auch eine solche Ordnung hierunter beobachtet
wird, daß man vorzüglich die Sachen von schwerer Last, und geringeren Werth
auswirft. Der Beytrag hat 3tiò in solchen Fall nur soweit Statt, als man
einerseits durch den Auswurf zu Verlust und Schaden kommt, anderseits hingegen
bey dem Seinigen dadurch erhalten wird, dann wenn der Schiffbruch
nichtsdestoweniger erfolgt, oder das Ausgeworfene durch Wasser-Täucher (!),
oder sonst ohne merklichen Schaden wiederum erlangt wird, so kann der Beytrag
nicht gefordert werden, massen das in älteren Zeiten üblich geweste Strand-
oder Grund-Ruhr-Recht längst wiederum aufgehoben ist. Sonst aber müssen 4tò
alle, welchen an Erhaltung des Schiffs oder der Ladung gelegen ist, mithin auch
der Schiff-Meister selbst concurriren, ohne Unterschied, ob die Ladung in
kostbaren oder anderen Sachen bestehet. Zu dem Ende wird 5tò sowol Schiff als
Gut, Geworffen- und Ungeworffenes in Anschlag gebracht, ausgenommen, was jeder
in Kleidung oder sonst etwan am Leib bey sich tragt. 6tò Werden die zu Verlust
gegangene Sachen nach dem Werth, wie sie angeschaft worden, die erhaltene aber,
wie sie verkauft werden können, nach Abzug deren Transport und anderer
billicher Spesen durch unpartheyische Leut geschätzt, sofort 7mo aus dieser
Zusammen gebrachter (!) ganzer Massa die Concurrenz formirt, dergestalt, daß,
wenn z. E. sowol geworffen- als ungeworffenes Gut nebst dem Schiff auf drey
tausend, und der Verlust auf drey hundert Gulden geschätzt ist, alsdann jeder
Concurrent mit zehen per Cento zu concurriren, sohin auch der verlustigte Theil
an seinem Schaden mehr nicht zu tragen hat. 8vò kan der Arrest auf die salvirte
Ladung, und das Schiff solang gelegt werden, bis obige Concurrenz geleistet
ist. 9no hat selbe nur in Subsidium mithin auf den Fall, wenn die Noth und
Schiffbruchs-Gefahr aus Verschulden des Schiffmanns durch Ueberladung,
unvorsichtige Fahrt, oder sonst veranlaßt worden, andergestalt nicht Platz, als
wenn der schuldhafte Theil nicht mehr solvendo ist. Gleichwie übrigens 10mò
(445)
gedachte Lex Rhodia lediglich auf die natürliche Billichkeits Regul: Omnium
Contributione sarciendum, quod pro omnibus impensum est, mithin auch auf
obverstandenes Principium, daß keiner mit anderer Leut Schaden bereichert
werden solle, sich gründet, so wird dieselbe von verstandenen Schiff- auch auf
all andere Schäden, welche man nicht seines eignen sondern gemeinschaftlichen
Bestens wegen zu leiden hat, per Argumentum Legis extendirt, z. E. da einer um
die ausgeschriebene Brand-Steuer, oder andere Anlag für das ganze Dorff
exequirt, oder bey entstandener Feuers-Brunst ein Haus niedergerissen wird, um
andere in grosser Gefahr stehende Häuser oder Gebäude von dem Feuer dadurch zu
retten, und dergleichen.
Solutio
Indebiti.
§.
5. Was aus vermeintlicher Schuldigkeit und Irrthum indebitè bezahlt oder
gegeben wird, das muß der Empfänger oder seine Erben auf Begehren ex
Condictione Indebiti wiederum zuruckgeben, wobey jedoch vier Haupt-Stücke zu
betrachten seynd. 1mò Wenn das Indebitum noch nicht würklich bezahlt, oder
gegeben, sondern nur als eine vermeinte Schuld aus Verstoß mündlich oder
schrifftlich versprochen oder versichert worden, so hat Condiєtio
Indebiti per Modum Actionis zwar nicht, wol aber Exceptions-weis Statt, ohne
Unterschied, ob man in Errore & Ignorantiâ Juris aut Facti hierunter
versirt habe. 2do Was nicht als eine vermeinte Schuld aus Irrthum und
Unwissenheit, sondern wissentlich indebitè bezahlt wird, das kan auch der
bekannten Rechts-Regul nach: Cujus per Errorem dati Repetitio, illius consultò
dati Donatio est, nicht mehr mittels gegenwärtiger Condiction zuruckgefordert
werden, wenn anders der Zahler eine Person ist, welche mit Fug etwas
verschenken oder vergeben kan, und der Empfänger es auch seines Orts nur für
eine Schankung aufnimmt. 3tio Bleibt es mit Beyseitsetzung deren von denen
Rechts-Gelehrten beygebrachter vieler Distinctionen bey der in Praxi
bewerthister Meinung, daß gegenwärtige Condictio nur in simplici, das ist, in
einem solchen Indebito Platz greiffe, welches weder in Obligatione Naturali
noch Civili einigen Grund hat, folglich ist auch eine blosse Obligatio Naturalis
zu Ausschliessung dieser Klag hinlänglich, ausgenommen in Sachen, welche Jure
Civili ausdrücklich verbotten seynd, z. E. die
(446)
von minderjährigen Personen ohne Vormundschaftlicher Authorität, oder aber von
Weibs-Personen ex Fidejussione beschehene Zahlungen und dergleichen, soviel
endlich 4to den Beweis in sothaner Action belangt, siehe §vum
seq. 6.
Von
der Prob bey der Condictione Indebiti.
§.
6. Hier seynd folgende Fälle zu unterscheiden. 1mò Wenn das Indebitum nur aus
Verstoß versprochen, und die ausgestellte Obligation keine Causam debendi in
sich halt, so muß jener, der sich hierauf beziehet, die Schuld beweisen, ist
aber die Causa in der Obligation benannt, so muß der andere, welcher sie für
falsch und irrig angiebt, den Beweis, und zwar durch schrifftliche Documenta
machen. 2dò Bey Zuruckforderung eines bereits bezahlt- oder ausgehändigten
Indebiti muß zuförderst Kläger auf Wiedersprechen die Bezahlung oder Erlag
nebst dem angeblichen Irrthum beweisen, und wenn der Beklagte des Empfangs
einmal überwiesen ist, so liegt diesem alsdann der Beweis des Debiti ob.
Gestehet er aber 3tiò gleich anfänglich den Empfang, und wiederspricht nur das
eingeklagte Indebitum, so muß dieses letztere von dem Kläger ohne Unterschied
bewiesen werden.
Solutio ob Causam Causâ non secutâ.
§.
7. Die sogenannte Condictio Causâ datâ, Causâ non secutâ, wodurch man eine Sach
aus Mangel der Ursach, wegen welcher man sie gegeben hat, von dem Empfänger
oder seinen Erben wiederum zuruckbegehrt, hat nur unter folgenden Requisitis Statt.
1mò Muß die zuruckbegehrte Sach durch würkliche Uebergab, und zwar 2dò um einer
künftig- und ehrbarer, auch benannt- oder sonst genugsam bekannter Ursach wegen
an einen anderen gebracht worden seyen (!) , ohne daß 3tiò jetzt-bemelte Ursach
hierauf erfolgt, wobey jedoch folgende Fälle wol von einander discernirt werden
müssen. Nemlich wenn der Erfolg fürs Erste nur darum unterbleibt, weil der
Empfänger nicht will, so hat diese Klag Statt. Fehlt es aber zweytens nicht
soviel an dem Willen als an der Macht, entweder weil die Causa gleich
anfänglich auf der Unmöglichkeit beruhet hat, oder aber erst hernach unmöglich
worden, so hat erstenfalls die Condiction nur alsdann Statt, wenn die
(447)
Unmöglichkeit in Facto bestanden, und dem Geber nicht bekannt gewest, oder aber
wenn sie zwar in Jure, jedoch nicht simpliciter, sondern nur in Ansehen
gewisser Personen obgewaltet hat. Anderenfalls ist weiter und fürs Dritte zu
distinguiren, ob sich die Unmöglichkeit aus Verschulden, oder unversehenen
Zufall (Culpâ vel Casu) ergeben habe, auf jenen Fall hat sie nur Statt, wenn
die Schuld sich auf Seiten des Empfängers bezeigt, nicht aber, wenn der Geber
selbst in Culpâ ist. Kommt hingegen Viertens die Unmöglichkeit nur von
unversehenem Zufall her, so greift Condictio nicht mehr Platz. Gleichwie im
übrigen fünftens bereits oben cap. 12. §. 1. n. 3. verstanden worden, daß die
Reue heut zu Tag in Contractibus innominatis sowenig, als in nominatis mehr
Platz greiffe, so folgt von selbst, daß auch gegenwärtige Klag um blosser Reue
willen nicht angestellt werden könne.
Solutio
ob turpem Causam,
§.
8. Ist die Ursach, wegen welcher man etwas giebt, schändlich und unehrbar, so
ist zu unterscheiden, ob sie 1mò auf beeden, oder 2dò nur auf des Gebers, oder
3tiò des Empfängers Seiten allein also beschaffen seye. Ad 1mum kan zwar der
Geber das Gegebene, z. E. bezahltes Huren-Lohn nicht wiederum zuruckbegehren,
hingegen aber auch der Empfänger solches nicht behaupten, sondern es fallt
vielmehr dem Fisco heim. Ad 2dum da man, z. E. einem etwas giebt, damit er
seine Schuldigkeit thue, oder das Böse unterlasse, so hat sowol gegen den
Empfänger als seinen Erben Condictio ob turpem Causam Statt. Ad 3tium wird um
soweniger eine Klag gestattet, als der Kläger seine eigene Schand hierunter
allegiren muß.
Oder
sinè Causâ.
§.
9. Giebt man etwas ohne Ursach hin, so kan man auch solches von dem Empfänger
oder dessen Erben Condictione sinè Causâ, sofern kein anderes Rechts-Mittel zu
solchem Ende mehr übrig ist, wiederum forderen.
(448)
Receptio im Navim, Cauponam, Stabulum.
§.
10. Vor das, was in offentlichen Wirths-Häuser und Stallungen, oder auf das
Schiff gebracht und angenommen wird, stehet der Wirth, respectivè
Stall-Vermiether, oder Schiff-Meister ohne Unterschied, ob er es selbst, oder
durch seine Leut eingenommen hat, nicht nur gut, sondern wenn dergleichen Dinge
alldort Schaden leiden, oder etwan gar verlohren gehen, so præstirt er Dolum
und alle Culpam, sogar levissimam, mit alleiniger Ausnahm unversehener
Unglücks-Fällen.
Litis,
Contestatio.
§.
11. Durch die Kriegs-Befestigung oder Litis Contestation, wird ebenfalls unter
denen streittenden Theilen quasi dahin contrahirt, daß sie einander leisten
wollen, was Recht und Urtheil giebt. Es entspringt hieraus 1mò Actio Rei
Judicatæ, welche von der besonderen Würkung ist, daß sie die vorige Action und
Obligation, welche ein Theil gegen den anderen gehabt hat, noch mehr bestärkt,
und sofern sie etwan nur temporalis gewest, von selber Zeit an auf vierzig Jahr
perpetuirt und erstreckt. Hiernächst kan 2dò auch derjenige, welcher sich nicht
Mandatario, sondern proprio Nomine für einen anderen bey dem Streit angegeben,
und Liti offerirt hat, mittels dieser Action ex hoc Quasi-Contractu gleichfalls
belangt werden, um dem wieder ihn ausgefallenen Judicato ein Gnügen zu leisten.
Das übrige von der Kriegs-Befestigung siehe in Cod. Jud. cap. 6. §. 1. &c.
Hæreditatis
Aditio, Tutelæ Administratio.
§.
12. Vormundschafts-Verwaltung, wieauch Erbschafts-Antrettung werden ebenfalls
mit unter die Quasi-Contractus gerechnet, wovon aber bereits oben im ersten und
dritten Theil das nöthige versehen ist.
(449)
Vierzehendes Capitul
Von
der Art und Weis die Verbindlichkeit wiederum aufzuheben, sonderbar von der
Bezahlung.
Was
eine Zahlung heisse?
§.
1. Zahlung bedeutet eine Entrichtung dessen, was man schuldig ist, sofern
solche in der Mas, wie es die Obligation mit sich bringt, und in der Absicht,
sich derselben zu erledigen, geschiehet.
Wer
solche thun könne?
§.
2. 1mò kan jeder Debitor für sich selbst soweit bezahlen, als ihm die Rechten
mit dem Seinigen frey zu walten und zu schalten gestatte, derowegen 2do keine
Zahlung, welche z. E. nur von minderjährig- oder anderen Curatelmässigen
Personen, ohne Vormundschaftlicher Authorität, geschiehet, von Kraft und
Würkung seyn kan. 3tiò Mag auch einer für dem anderen nur soweit bezahlen, als
man denselben von Special-Vollmacht, Curatel, Vormundschaft, oder Vätterlicher
Gewalt wegen zu vertretten hat. Wie weit aber solches von anderen Dritten
geschehen möge, siehe §vum seq. 3.
Ob
ein Dritter?
§.
3. Nachdem man der bekannten Rechts-Regul nach eines Anderens Condition zwar
niemal schlechter, wol aber besser machen kan, so mag auch 1mo ein Dritter
sowol mit- als ohne oder gegen den Willen des Schuldners bezahlen, sofern er es
2dò nur aus eignen Mitteln, und statt des Debitoris thut, dann sonst kan er das
Bezahlte per Condictionem Indebiti wiederum zuruckfordern. Uebrigens hat 3tiò
die durch einen Dritten beschehene Zahlung zwar so viele Würkung, daß der
Schuldner in Ansehen des Glaubigers ebenso, als wäre er Selbst-Zahler
(450)
gewest, dadurch entbunden wird. Soviel hingegen 4tò den Regress des Drittens an
gedachten Schuldner belangt, seynd drey Fälle zu distinguiren, erstens ob er
gegen den Willen des Schuldners, oder zweytens nur ohne seinem Vorwissen, oder
drittens wo nicht aus Befehl, doch wenigst mit Vorwissen desselben ohne
Wiederred bezahlt habe. Erstenfalls gebührt ihm gar kein Regress mehr an ihn,
sondern die Zahlung wird vielmehr für eine Schankung geachtet. Zweytenfalls
aber kann er ihn Actione Negotiorum gestorum, und drittenfalls ex Mandato um
die Schadloshaltung belangen.
Wem
man die Zahlung thun könne?
§.
4. Derjenige, welcher bezahlt wird, muß 1mò entweder Creditor selbst, oder
wenigst an der Stell des Creditoris seyn, solchemnach kann zwar 2dò nicht nur
einem Correo credendi, Cessionario, oder Solutionis causâ adjecto, das ist,
einem solchen, welcher in der Obligation nur der Bezahlungs-Einnahm halber
mitbenannt ist, sondern auch Vormündern, oder Curatoribus statt ihrer Puppillen
oder Pfleg-Befohlener, ohne daß es hiesigen Lands-Gebrauch nach eines
Obrigkeitlichen Decrets mehr hierzu bedarf, die Schuld allerdings bezahlt
werden. Ein gleiches mag 3tiò auch an einen Bevollmächtigten, sofern er anders
entweder mit specialer Vollmacht hierzu versehen, oder ihm die Verwaltung eines
ganzen Vermögens anvertrauet ist, geschehen, und hindert nicht, daß sothane
Vollmacht annoch vor würklicher Bezahlung von dem Principalen wiederruffen
worden, es wäre dann, daß Bezahler dessen in Zeiten avertirt gewest. Hingegen
kann 4tò einem blossen Negotiorum Gestori, oder der nur Mandatum Generale hat,
wieauch einem dritten Briefs-Innhaber ohne anderweit- besserer Legitimation,
und eben sowenig dem Glaubiger des Glaubigers ohne Obrigkeitlichen Befehl, ausser
soweit etwan die Schuld-Forderung des ersten gegen den anderen ganz richtig und
liquid ist, mit Gültigkeit bezahlt werden.
Ob
einem Minderjährig- oder Curatelmässigen?
§.
5. Wer nicht freye Administration seiner Güter hat, dem kan auch ohne Wissen
und Willen derjenigen, worunter er stehet, mit Bestand und Sicherheit keine
Schuld heimgezahlt
(451)
werden. Was demnach 1mò an minderjährig- Curatelmässig- oder unter Vätterlicher
Gewalt stehende Personen auf solche Weis kommt, das wird für keine Zahlung
geachtet, und hebt mithin die Obligation nicht auf, kan auch das Bezahlt- oder
Erlegte von ermelten Personen nur soweit wiederum zuruckgefordert werden, als
sie etwan reicher dadurch worden, oder die Sach gar noch in Naturâ bey ihnen
vorhanden ist.
Was
bezahlt werden müsse?
§.
6. Regulariter muß 1mò das nemliche, was man schuldig ist, und zwar 2dò ganz,
auch 3tiò mit eignen, nicht aber mit fremden Mittlen bezahlt werden. Daraus
folgt ad 1mum daß der Glaubiger weder eins für das andere, ausser deren §vo
seq. 7. bemerkter Fällen anzunehmen, noch ad 2dum dem Schuldner einige
Zahlungs-Fristen oder Nachlaß zuzustehen verbunden seye, ausgenommen soviel §vo
seq. 8. und in Cod. Jud. Cap. 18. §. 13. besonders deswegen versehen ist. Ad
3tium wird durch die Zahlung, welche nicht aus eignen Mittlen geschiehet, weder
die Schuld aufgehoben, noch das Eigenthum des erlegten Geld oder Guts auf den
Glaubiger gebracht, es seye dann bonâ Fide von ihm verzehrt, verjährt, oder mit
anderem Geld und Gut bereits dergestalt vermischt, daß man solches nicht mehr
zu unterscheiden weiß.
Fälle,
worin eins für das andere bezahlt werden mag?
§.
7. Obige Regul, daß man eins für das andere in Zahlungen anzunehmen nicht
schuldig ist, leidet folgende Absätz: 1mò wenn die Sach, welche man zu
præstiren hat, nicht mehr in Naturâ & Specie zu haben ist, z. E. in
Vermächtnuß fremder Sachen, welche von dem Eigenthümer vor billichen Preis
nicht zu bekommen und beyzuschaffen seynd. 2dò In Schuld-Verbindlichkeiten,
welche nicht in dando sondern faciendo bestehen. 3tio In Obligationibus
alternativis, worin nemlich laut obigen 1ten cap. 15ten §vi 2ten Num. der
Schuldner die Wahl hat. 4tò In dem Fall, wo es nach Masgab Cod. Jud. cap. 18.
§. 11. auf die Dationem in Solutum ankommt. 5tò In Geld-Schulden, welche ohne sonderbaren
Geding nicht in nemlicher Specie, sondern nur in nemlicher Quantität und
gangbarer guter Münz bezahlt werden müssen, jedoch dergestalt, daß man über
fünf und zwanzig Gulden Schied-Münz
(452)
in einer Zahlung anzunehmen nicht schuldig ist. Wo benebens 6tò wegen deren
zwischen der Obligation und Zahlungszeit sich ergebenden Münz-Veränderungen zu
merken ist, daß man die Zahlung nach dem Cours, welchen das Geld Tempore
Solutionis hat, zu thun und anzunehmen habe, es seye dann ein anderes ausdrücklich
pactirt.
Fälle,
worin man die Zahlung Stück-weis anzunehmen hat.
§.
8. Desgleichen wird obverstandene Regul, daß die Zahlung ganz und auf einmal
geschehen soll, folgendermassen limitirt. 1mò Wenn es besondere Geding also mit
sich bringen, 2dò in Schulden, welche theils liquid, theils illiquid seynd,
3tiò in Bezahlungen, welche nicht in einem Ort allein, sondern an mehr Orten
geschehen sollen, 4tò in Fällen, wo Besag Cod. Jud. cap. 18. §. 15. entweder
von dem Creditore selbst, oder dem mehreren Theil deren Glaubigern, oder von
der Obrigkeit Zahlungs-Fristen eingeraumt seynd.
Von
der Zahlungs-Zeit.
§.
9. 1mò Muß die Bezahlung zu recht- bequem- und gelegener Zeit geschehen,
folglich ist man solche z. E. an Sonn- und Feyertag, in spater Nacht, unter der
Mahlzeit, oder anderen Geschäften, sofern man es nicht selbst gern thut,
anzunehmen nicht schuldig. 2dò In Schulden, welche auf gewisse Zeit nicht
eingeschränkt seynd, kan der Schuldner Vermög hiesigen Land-Rechts nicht
eheunter, als nach vierzehen Tägen von Zeit der Obligation, um die Bezahlung
belangt werden. 3tiò Wenn eine gewisse Zahlungs-Zeit bestimmt ist, so hat zwar
Creditor solche regulariter auszuwarten, Debitor hingegen kan auch vor Ausgang
derselben bezahlen, weil sie ihm zum Besten bestimmt ist, folglich derselbe
sich seiner Wohlthat auch allemal wiederum begeben mag, es seye dann die
vorläuffige Aufkündung, oder sonst ein anderes specialiter bedungen, oder eine
Rechts-erhebliche Ursach z. E. die vor der Thür stehende Münz-Devalvation
vorhanden. 4tò Die in der Obligation enthaltene Wort: Daß Debitor nach
Gelegenheit, und eigenen Belieben zahlen möge, würken soviel, daß die Bezahlung
in Lebzeiten von ihm nicht, sondern erst nach seinem Tod von denen Erben
gefordert werden mag.
(453)
Von dem Zahlungs-Ort?
§.
10. 1mò Soll jede Zahlung an dem bedungenen Ort geschehen. 2dò Dafern zwey Ort
conjunctivè oder alternativè in der Obligation benannt seynd, so hat Debitor
letzterenfalls die Wahl, erstenfalls aber zahlt er an jedem Ort pro Ratâ. 3tiò
Ist gar kein Ort bedungen, so zahlt man Creditorem regulariter in Foro
Domicilii. Ueberhaupt aber muß 4tò der Zahlungs- Ort bequem und gelegen, mithin
weder mit Pest, Krieg, Ueberschwemmung, noch anderen dergleichen Incommoditäten
behaftet seyn. 5tò Siehet man den differenten Werth, Mas, oder Gewicht auf den
Ort, wo contrahirt worden, es seye dann ein anderes bedungen.
Würkung
der Bezahlung?
§.
11. Durch die in gebührender Mas beschehene Zahlung wird 1mo auf Seiten des
Creditoris das Dominium von der ausbezahlten Sach, oder sofern solche dem
Zahler nicht eigenthümlich gemest, wenigst Conditio usucapiendi erlangt, auf
Seiten des Debitoris hingegen erlöscht 2dò die Obligation sowol im Haupt-Werk,
als quò ad Accessoria Obligationis, soviel nemlich die Pfand, Bürgschaften und Cautiones
belangt, folglich kan er auch 3tiò die hierum ausgestellte Verschreibung nebst
dem Pfand Condictione sinè Causâ von dem gemesten Creditore zuruck- oder falls
selbe verlohren gegangen, einen Mortifications-Schein oder Revers forderen.
Ueber dieses muß er auch 4tò auf Begehren in Formâ quittirt, und sofern die
erste Quittung abgängig ist, eine anderweite von dem Creditore ausgestellt
werden, welchenfalls jedoch zur Sicherheit des Creditoris rathsam ist, in der
letzteren Quittung von der ersten Meldung zu thun.
Von
dem Beweis der Zahlung?
§.
12. Zahlung ist Facti und muß mithin auf allenfalligen Wiederspruch bewiesen
seyn, welches 1mò nicht nur durch Quittungen, sondern auch andere schrifftliche
Urkunden, wie nicht weniger durch Gezeugen, Eids-Delation und dergleichen
Probsmittel bewürkt werden kan. Soviel 2dò die Anzahl deren Gezeugen
insonderheit betrift, bleibt es ohngeacht der gemeinen Rechts-Verordnung
(454) bey dem Cod. Jud. cap. 10. §.
13. n. 4. ohne Unterschied, ob die Obligation schrifftlich oder mündlich
contrahirt worden. 3tiò Ist zwar rathsam, doch nicht nöthig, in der Quittung
die Summam oder Causam Obligationis zu exprimiren, sondern Confessio Generalis
reicht allerdings hin. 4tò Wer die Bezahlung boshafter Weis abläugnet, und
derselben überwiesen ist, wird willkürlich hierum bestraft.
Insonderheit
durch Muthmassungen.
§.
13. Oeffters wird die Bezahlung nur durch Muthmassungen bewiesen, z. E. 1mò
durch die Zuruckgab des Schuld-Scheins, sofern derselbe nicht in duplo
vorhanden, und ein Exemplar davon innbehalten worden, 2dò durch die Cassation
desselben, wenn anders der cassirte Schein sich noch in des Creditoris Handen
befunden hat, und keine Anzeigung vorhanden ist, daß er nicht der Cassirungs
willen, sondern von ungefehr geschehen seye. 3tiò Wenn Creditor drey Jahr
nacheinander die letztere Zinsen oder Præstationes ohne sich des älteren
Ruckstands halber zu verwahren annimmt, dann da wird dieser für bezahlt
geachtet. 4tò Wenn der Glaubiger dem Debitori um Gegen-Forderungen haftet, und
denselben ohne Compensation oder Reservation hierin contentirt. 5tò Wenn Geld
in einem verschlossenen Sack oder Pacquet ohne Aufzehlung angenommen wird, dann
daraus entstehet gegen den Acceptanten soweit die rechtliche Muthmassung, daß
er allenfalls den angeblichen Abgang an dem empfangenen Quanto beweisen muß.
6tò Wenn man ohne erheblich- und erweislicher Ursach mit der Forderung nicht
nur lange Zeit an sich halt, sofern auch endlich den Debitorem gar darüber
absterben laßt, womit jedoch der Casus Præscriptionis nicht zu vermischen, und
wie in all obspecificirten Fällen, also auch hierin billichen
Gegen-Præsumptionen Platz zu geben ist.
Was
für eine aus mehrley Schulden in Zweifel am ersten für bezahlt geachtet werde?
§.
14. Bey mehr und unterschiedlichen Schuld-Forderungen ergiebt sich öffters ein
Zweifel, nicht soviel um die Bezahlung selbst, als was für eine Schuld dadurch
entrichtet worden seye, und da seynd folgende Reguln zu beobachten. 1mò Wird
allzeit in Dubio gemuthmasset, daß die Zahlung mehr den liquiden Ruckstand an
Zinsen, als die Haupt-Summam selbst betroffen
(455)
habe, immassen der Creditor auch das Capital vor denen Zinsen anzunehmen nicht
schuldig ist, auch auf den Fall, wenn er solches gutwillig annimmt, derwegen
die verfallene Zinsen nicht verliehrt. 2dò Wird weiter gemuthmasset, daß das
Liquidum vor dem Illiquido, sodann unter mehr liquiden Schulden die
Beschwerlichere vor der minder Beschwerlichen, z. E. das Verzinsliche vor dem
Unverzinslichen, ferner unter gleich Beschwerlichen die Aeltere, und wenn
endlich alles gleich ist, jede Post pro Ratâ bezahlt worden seye. Es wäre dann
3tiò ein anderes bedungen, oder bey der Zahlung von Seiten des Debitoris
erweislichermassen ausdrücklich erklärt, und solche von dem Creditore
nichtsdestoweniger gutwillig angenommen worden.
Von
sollenner Oblation und Deposition dessen, was von dem Zahler nicht angenommen
wird.
§.
15. Nimmt Creditor die offerirte Zahlung nicht an, so kan Debitor solche bey
Gericht thun, und diese wird alsdann Depositum Juris genannt, wobey folgendes
in Obacht zu nehmen ist: 1mò Wer obgedachtermassen zu bezahlen nicht
berechtiget ist, der hat auch die Befugnuß nicht, die Zahlung zu offeriren, und
wem 2dò nicht bezahlt werden mag, dem mag auch mit Recht die Oblation nicht
geschehen. Ein abwesender Creditor, welcher 3tiò keinen gnugsam
bevollmächtigten Anwald hinterlaßt, oder sonst hierinfalls der Gebühr nicht von
anderen vertretten ist, kan zu obigem Ende von seiner Obrigkeit auf Instanz des
Debitoris citirt werden. 4tò Muß die Oblation nicht mit blossen Worten, sondern
mittels Præsentirung der würklichen Erlag, und in der nemlichen Masse, wie man
die Bezahlung selbst zu thun hat, in Beyseyn zweyer Gezeugen geschehen. Und da
5tò dem ohngeacht die Annahm auf Seiten des Creditoris ohne Rechts-erheblicher
Ursach verweigert wird, so soll das Oblatum in Gegenwart ermelter Gezeugschaft
obsignirt, und entweder vor des Creditoris, oder sein des Debitoris selbst
ordentlicher Obrigkeit deponirt werden. Dafern nun 6to sowol mit der Oblation,
als Obsignation und Deposition auf jetzverstandene Art und Weis durchgehends
verfahren wird, so thut es auf Seiten des Debitoris den nemlichen Effect, wie
die Bezahlung selbst, und wenn 7mo das Depositum sofort verlohren gehet, oder
beschädiget wird, so hat Debitor nichts mehr hieran zu entgelden, anerwogen
(456)
Creditor von Zeit der Deposition für den Eigenthümer des Depositi geachtet
wird, folglich auch alle Gefahr hierum auf sich hat. Wohingegen ihm 8vò
dasselbe bey Gericht, wo solches hinterlegt worden, auf Begehren gegen Schein
unweigerlich abgefolgt werden soll. Meldet sich aber 9no Deponent selbst noch
vorher, und Re adhuc integra um die Wiederausfolglassung des Depositi, so soll
man ihm auch damit willfahren, welchenfalls jedoch durch die Retradition das
Debitum und all anderes ipso Facto wiederum in vorigen Stand kommt, wie es vor
der Deposition gewest, ausser soviel die Pfand- und Bürgschaften betrift,
welche ohne Erneuerung nicht revivisciren.
Von
der Oblatione Solutionis minus sollenni aut verbali.
§.
16. Was im nächst vorhergehenden §vo von der real- und actualen Oblation
erwehnt worden, verstehet sich 1mò nur von Geld und anderen in blossen
Mobilibus bestehenden Schulden, massen bey Immobilibus oder Incorporalibus,
wieauch, soviel das Viehe betrift, zu obverstandenen Effect allerdings
hinreicht, wenn die Oblation bey dem Creditore, oder der Obrigkeit nur mit
Worten geschiehet. Hiernächst würkt 2dò jetztverstandene Verbal-Oblation auch
in Geld- und anderen Schulden wenigst soviel, daß dadurch Mora Debitoris purgirt,
hingegen der verweigerende Creditor in Moram constituirt, sohin der weitere
Lauf von denen Zinsen sistirt, und die Verkauffung des Pfands aufgehalten wird.
(457)
Fünfzehendes Capitul
Von
den übrigen Modis solvendi Obligationem, benanntlich der Compensation,
Confusion, Novation, Delegation, Satisfaction, Assignation, Liberation,
Renunciation, Contravention, Untergang oder Mutation, in integrum Restitution,
und anderen mehr.
Von
der Compensation.
§. 1.
Eine rechtmässige Compensation, wodurch nemlich eine Schuld gegen der anderen
aufgehoben wird, thut die nemliche Würkung, wie eine Bezahlung, erfordert aber
auch zu dem Ende allzeit mehr Schuldner und reciprocirliche Forderungen, welche
nemlich einer gegen den anderen, und zwar gleich ohne weitläuffiger Prob aus
liquid- und klaren Recht in Sachen von gleicher Art und Eigenschaft zu machen
hat. Solchemnach liegt 1mò nichts daran, von was Würde, Wesen, Stand oder Alter
dergleichen reciprocirliche Schuldner seynd, und hat mithin 2do die
Compensation nicht nur gegen minderjahrig- (!) oder Curatelmässige Personen auf
die nemliche Weis, wie gegen andere, sondern auch 3tio gegen den Fiscum, jedoch
niemal andere, als in der nemlich fiscalischen Station, oder wo des Fiscalens
Præ- und Gegen-Prætension ex eadem Causâ entspringt, allerdings Statt, welches
4tò in Compensirung gemeiner Stadt- oder Markt-Schulden gleichfalls so weit zu
beobachten ist, daß sich hierin von einer Station gegen die andere nicht
compensiren laßt. Wol hingegen gehet dieses 5tò bey Privat-Schulden dergestalt
an, daß, wenn z. E. ein Kauffmann mehr unterschiedliche Handlungen an einem
oder mehr Orten hat, wieauch wenn ein Puppill unter verschiedenen, und in der
Administration selbst abgetheilten
(458)
Vormündern stehet, nichtsdestoweniger gegen den nemlichen Puppillen respectivè
Kauffmann eine Handlungs- respectivè Vormundschafts-Schuld mit der anderen wol
compensirt werden mag. 6to Seynd unter reciprocirlichen Schulden und
Forderungen nur jene, welche der nemliche Creditor und Debitor, oder ihre Erben
gegen einander haben, nicht aber, was ihnen ein Dritter, oder sie einem Dritten
schuldig seynd, verstanden. Kan also z. E. das, was der Vormund oder Anwald
nicht tutorio oder mandatorio Nomine, sondern für seine eigne Person fordert,
mit dem, was man etwan an den Puppillen, respectivè Principalen, zu forderen
hat, nicht compensirt werden. Desgleichen kan weder der Mann mit seiner Frauen,
noch die Frau mit ihres Manns Forderung, und eben sowenig eine ganze Gemeinde
mit deme, was man einem allein in particulari schuldig ist, compensiren. 7mo
Folgt weiter, daß nur eine Sach gegen die andere, nicht aber eine Sach gegen
ein Factum, oder dieses gegen ein anderes Factum, z. E. Schmach gegen Schmach,
vielweniger Sachen von unterschiedlichen Gattungen oder Qualitäten, z. E. Oel
mit Bier, alter Wein mit neuen, oder Pferd mit Ochsen compensirt werden mögen.
Der Unterschied in der Quantität allein hindert 8vò Compensatonem nicht,
sondern dieselbe hat ohngeacht dessen, jedoch weiter nicht, als pro Quantitate,
Statt. 9no Ist gleichgültig, ob ein oder anderes Debitum aus einem Real- oder
Personal-Recht, Contract oder Verbrechen herrühre, sofern es nur ein kräftiges
und in Foro externo keiner rechtmässiger Exception unterworffenes Recht, auch
soviel die Obligationem ex Delicto betrift, nur das hierunter versirende
Interesse privatum angehet, massen im übrigen die Verbrechen nicht miteinander
compensirt werden. Insonderheit aber leidet 10mò weder Causa Spolii aut
Attentati noch Depositi, soweit es auf die Restitution in Natura ankommt, eine
Compensation, und die nemliche Beschaffenheit hat es 11mò mit Schulden, welche
entweder ob Diem vel Conditionem annoch in suspenso, oder in quo, quanto aut
quali nicht richtig und liquid, oder wenigst nicht ohne weitläuffiger Prob
alsobald zu liquidiren seynd, immassen sich das Liquidum sowol in Rechnungen,
als sonst mit dem Illiquido ohnehin niemal sperren und aufhalten, geschweigens
compensiren laßt. 12mò Ist nicht genug, daß man das Debitum, womit ein anderes
compensirt werden solle, nur allegire, sondern solches muß auch bewiesen seyn,
und wenn 13tiò
(459)
der Creditor, welcher dem Debitori hinwiederum aus mehrley Obligationen haftet,
die Compensation einmal in einer Post entgegen gesetzt hat, so kan er sich
derselben in einer anderen nicht mehr bedienen. Wer auch endlich 14to eine
Schuld simpliciter ohne Verwahrung zu compensiren sucht, der gestehet auch
selbe eben dadurch ein. Wie weit übrigens die Compensation von der
Reconvention, Retention, Confusion unterschieden seye, siehe theils §vos seq.
2. & 3. theils in Cod. Jud. cap. 8. §. 1.
Von
der Retention.
§. 2.
Die Retention, Vermög welcher das, was man von des Debitoris Sachen in Handen
hat, demselben nur in solang aufgehalten wird, bis man von ihm der Gebühr nach
befridiget ist, gehört zwar nicht soviel unter die Modos, eine Obligation
aufzuheben, als dieselbe in Sicherheit zu stellen, hat aber gleichwol mit der
Compensation grosse Aehnlichkeit, und ist folgendes hievon zu merken. 1mò Wird
auf Seiten des Retentoris nicht nur die Possession oder Detention der
aufgehaltener Sach, sondern auch daß 2do solche nicht vitiosè und ungerechter
Weis erlangt worden seye, erfordert. 3tio Hat das Jus Retentionis in Re Tertii
niemals Statt, sondern sie muß dem Debitori zugehören, und ist im übrigen 4tò
gleichgültig, ob sie in beweglich- oder unbeweglich- cörperlich- oder
uncörperlichen Dingen bestehe, soweit solche nicht besonders ausgenommen seynd,
wie z. E. Sachen, welche zur Alimentation gehören, oder tobte Leichnam und
dergleichen. 5tò Hindert auch nicht, daß selbe dem Retentori weder jemal
verpfändet, oder von dem Debitore selbst eingehändiget, noch von einerley Art
und Gattung mit dem Debito, oder mit solchen in gar keiner Connexion seynd. 6tò
Braucht zwar das Debitum, warum man Jus Retentionis exercirt, eben nicht so
richtig und liquid, wie in Compensatione zu seyn, sondern es findet sothanes
Recht auch um Debita illiquida, sofern sie nur wahrscheinlich, und nicht von
offenbaren Ungrund seynd, allerdings Platz. 7mo Daurt selbes nur solang, bis entweder
das Debitum selbst bezahlt ist, oder ein Dritter in Concursu etwan ein
stärkeres Recht darauf darthun kan. 8vo Kan sich auch Retentor dessen mit
Worten oder Werken begeben, oder ihme endlich 9no solches wegen schuldhaft- und
merklichen Abschleiff
(460)
von der Obrigkeit auf Instanz des Debitoris abgenommen werden, massen sich 10mò
allerwegen gebührt, daß Rententor mit der Sach Haus-wirtschaftlich handle, die
allenfalls davon erhobene Früchten und Nutzungen über Abzug aller nöthig- und
nutzbarer Kösten dann abgetragener Bürden dem Debitori nach bezahlter Schuld
restituire, und getreulich verrechne.
Von
der Confusion.
§. 3.
Wenn Jura correlata in einer Person zusammen kommen, so wird die Obligation
dadurch aufgehoben, und ergiebt sich dergleichen Confusio Jurium in
Personalibus durch die Successionem universalem, z. E. da der Creditor
Debitorem, oder vicissim dieser jenen erbt, in Realibus aber auch durch die
Successionem singularem in Jure correlato, z. E. da der Eigenthümer des Prædii
servientis das Prædium dominans, oder Dominus directus zugleich Dominium utile
durch Kauf, Tausch, oder sonst an sich bringt. Die besondere Fälle, worin die
Obligation durch jetztverstandenen Modum entweder gar nicht aufgehoben wird,
oder wenigst wiederum reviviscirt, bestehen in folgenden: 1mò in Hærede
fiduciario, sofern ihm Quarta Trebellianica entweder gar nicht, oder wenigst
nicht soviel dadurch zukommt, als seine gegen den Erblasser habende Forderungen
ausmachen. 2dò Wenn der Erb nur in Re certâ instituirt ist, und einen oder mehr
Cohæredes hat, dann da cessirt die Obligation zwischen ihm und dem Erblasser
nur in Realibus, welche auf selbiger Sach gehaftet haben, z. E. in
Dienstbarkeiten, Pfandschaften, etc. 3tiò Wenn der Erben mehr seynd, massen
alsdann die Obligation in Personalibus nur pro Ratâ Debiti, nicht aber im
Ueberrest confundirt wird. 4tò In der Lehens-Folg, soviel die blosse
Allodial-Schulden, und hingegen in der Allodial-Succession die blosse
Lehen-Schulden betrift. 5tò In gekauft- oder verkauften Erbschaften, dann es
bleiben sowol dem Käuffer als Verkäuffer ihre vorhin gegen einander gehabte
Sprüch und Forderungen bevor. 6tò In Obligationibus accessoriis von einerley
Art, z. E. wenn nur ein Bürg seinen Confidejussorem erbt, als wodurch Obligatio
fidejussoria weder zum Theil, noch ganz aufhört, ein anderes ist in dergleichen
Obligationibus von unterschiedlicher Art, z. E. da Fidejussor Creditorem, oder
Debitorem
(461)
principalem erbt. 7mo In Correal-Obligationen, sofern etwan ein Correus des
anderen Erb wird. 8vò In dem Fall, wenn die Erbschaft andergestalt nicht, als
cum Beneficio Legis & Inventarii angetretten wird, worinfalls also der Erb
seiner an dem Erblasser gehabter Forderung halber in Concursu, wie jeder
anderer Creditor, nach der Priorität angesehen zu werden pflegt. 9no Wenn das
Successions-Recht in dem Jure correlato entweder gar nicht zum Stand gekommen,
oder wiederum verlohren gegangen ist, z. E. in Legato conditionato bey
unerfüllter Condition, oder in wiederruflichem Eigenthum nach dem Ruckfall,
oder in Erbschaften, welche zwar angetretten, aber durch die Restitutionem in
integrum, oder Querelam inofficiosi wiederum umgestossen worden, und
dergleichen, in welchen Fällen sodann auch die per Confusionem erloschene
Obligation alsofort wiederum reviviscirt.
Von
der Novation.
§. 4.
Wird eine Schuld dergestalt erneuert, daß die alte gar darüber erlöscht, so
geschiehet solches entweder unter dem nemlichen Debitore und Creditore, oder
mittels einer dritten Person, welche die Schuld statt des vorigen Debitoris auf
sich nimmt. Erstenfalls wird es Novatio, anderenfalls Delegatio, oder da dieses
etwan ohne Wissen und Willen des Schuldners vorgehet, Expromissio genannt. Von
beeden letzteren siehe §vum seq. 5. & 6. Die erste aber hat folgend-
Merkwürdiges auf sich: 1mò Muß solche ausdrückliche declarirt seyn, und ist
nicht genug, daß man sie nur aus dem Werk selbst muthmaßlich zu folgeren sucht.
2dò Erfordert zwar selbe nach Römischen Recht eine Stipulationem sollennem, wie
aber diese bereits überhaupt nicht mehr in Usu ist, so braucht man selbe auch
bey der Novation nicht mehr, sondern es kan nudo Pacto geschehen. 3tiò
Derjenige, welcher mittels der Novation eine neue Obligation von dem anderen
acquiriren will, muß nicht nur Creditor von der alten Schuld, sonderen auch mit
seiner Sach frey disponiren zu können befugt seyn, doch kan man von einem
specialiter hierzu bevollmächtigten, oder über das gesammte Vermögen bestellten
Anwald hierinfalls vertretten werden, welches auch Vormünder und Curatoribus,
soweit es ihren Pfleg-Befohlenen zum Besten gedeyet, von Rechts- wegen
(462)
zustehet. 4tò Statt der alten eine neue Obligation auf sich zu nehmen stehet
jedem frey, soweit er auch in anderen Sachen handlen, und sich verbinden mag.
5tò Leiden regulariter alle Obligationes Naturales, Civiles und Mixtæ, sogar
künftig- und conditionirte, eine Novation, jedoch soviel diese letztere
betrift, erst von der Zeit an mit Effect, da sie zu ihrer vollkommener Krafft
gelangen. 6tò Wird durch die Novation nicht nur die vorige Haupt-Obligation
aufgehoben, sondern es fallen zugleich alle Accessoria, z. E. Pfand- und
Bürgschaften, Privilegien und Prælations- Rechten, nebst der Gefahr von der in
Obligation gestandener Sach, und all anderen Commodis und Incommodis hinweg,
soweit man nicht ein so anderes ausdrücklich hierunter vorbehalten, oder
bedungen hat. 7mo Dafern man mehr Obligationes disjunctivè novirt, so wird nur
jene für erloschen geachtet, welche der Debitor erwählet hat. 8vò Fangt die
neue Obligation in dem nemlichen Punct an, worin die alte erloschen ist.
Von
der Delegation.
§. 5.
Bey der Delegation müsse 1mò allzeit drey Personen concurriren, und miteinander
hierüber verstanden seyn, nemlich Delegans, das ist, der alte Schuldner,
welcher einen anderen statt seiner stellt, sodann Delegatus, welcher statt des
vorigen Schuldners bestellt ist, und endlich Creditor, welcher Delegatum statt
Delegantis annimmt, z. E. Titius ist Mævio tausend Gulden, und eben soviel
Cajus Titio schuldig. Seynd nun alle drey einig, daß Cajus statt Titii Mævium
bezahlt, so ist es eine Delegation. 2dò Erfordert dieselbe ebenfalls eine
allerseits ausdrückliche Declaration, wie die Novation, und wird in Zweifel
mehr für eine Assignation geachtet. 3tiò Wird allemal supponirt, daß Delegans
desjenigen, dem er eine neuen Debitorem statt seiner stellet, Schuldner seye,
ist auch einerley, ob die Schuld ex Obligatione Principali oder Accessoriâ, z.
E. von Bürgschaft herrühre, und kan die Delegation sowol für sich selbst, als
durch Anwäld oder Vormünder geschehen. 4tò Mag Delegans nicht nur seinen
Debitorem, sondern auch einen anderen delegiren, sofern nur dieser darauf
einwilliget, und annebens eine Person ist, welche von Rechts- wegen einwilligen
kan, und darf. 5tò Muß Creditor, welcher einen neuen
(463)
Schuldner annehmen will, liberam Dispositionem mit seinen Sachen haben. 6tò
Würkt eine vollkommene Delegation soviel, daß die alte Schuld mit allen
Accessoriis erlöscht, und Creditor an Delegantem keinen Regress mehr hat, wenn
gleich Delegatus nicht solvendo ist, es wäre dann ein anderes bedungen, oder
Creditor betrüglicher Weis eingeführt worden. Dagegen kan auch 7mo Delegans
Delegatum weder mehr belangen, noch selben an Bezahlung der Schuld hindern,
oder die Delegation nach geschehener Sach wiederum zurucknehmen. 8vò Falls
Delegans nicht seinen Debitorem, sondern einen anderen statt seiner delegirt,
so kan jener von diesem um das, was er für ihn zahlt, Actione Mandati der
Schadloshaltungs halber belangt werden. 9no Erwachset aus der Delegation eine
ganz neue Obligation zwischen dem Creditore und Delegato, folglich fallen auch
alle Exceptiones hinweg, welche Delegatus Deleganti etwan vor der Delegation
für sich zu machen gehabt hat, es wäre dann eine Weibsperson
Intercessions-weis, oder ein Minderjähriger delegirt worden.
Von
der Expromission.
§.
6. Mit obverstandener Expromission wird es 1mò zwischen dem Creditore und
Expromissore ebenso, wie mit der Novation zwischen dem Debitore und Creditore
beobachtet, 2dò kommt Expromissori die denen Bürgen regulariter zustehende Exceptio
Ordinis gegen den Creditorem nicht zu Guten, und hat auch 3tiò derselbe um das,
was er für Debitorem expromissum bezahlt, seinen anderen Regress an ihn, als
jeder anderer Negotiorum Gestor obverstandenermassen gegen seinen Principalen,
4tò bey vorfallenden billichen Zweifel, ob man in Expromissione oder
Fidejussione versire, wird allzeit mehr das letztere als erste præsumirt. Den
Unterschied aber zwischen gegenwärtiger Handlung, dann einer blossen
Adpromission oder Constituto , siehe oben cap. 10. §. 22.
Von
der Assignation.
§.
7. Assignation, wodurch Debitor seinen Creditorem an einen Dritten um die
Bezahlung von ihm zu erholen anweiset, ist zwar 1mò an sich kein Modus solvendi
Obligationem, bahnt aber gleichwol den nächsten Weeg dazu, und concuriren
(464)
dabey 2dò allzeit drey Personen, wie bey einer Delegation, nemlich Debitor als
Assignant, Creditor als Assignatarius, und der Dritte, an welchen die Anweisung
geschiehet, als Debitor assignatus. 3tò Wer zahlen kan, der kan auch
assigniren, und wer mit Sicherheit bezahlt werden kan, dem kan man auch eben so
sicher eine Anweisung thun, sofern er sich 4tò anders anweisen lassen will,
massen hierzu regulariter Niemand verbunden ist, ausgenommen wenn der
assignirte Debitor gleich baar auszahlt, oder keine andere anständige
Zahlungs-Mittel vorhanden seynd, welch-letzterenfalls jedoch 5tò Assignatarius
unter mehr Schuldnern die Wahl hat, bey welchem er sich anweisen lassen wolle.
6tò Ist die Einwilligung des Debitoris assignati hierzu nicht erforderlich, weil
ihm allzeit gleichgültig seyn kan, ob er Assignantem oder Assignatarium
bezahlt. 7mo Seynd alle Debita sowol ex Contractu als Delicto, soviel wenigst
von diesen letzteren das Interesse privatum betrift, Assignations-mässig. 8vò
Wird Assignant durch die alleinige Assignation seiner Schuld und Obligation
nicht entbunden, sondern er bleibt ohngeacht deren in dem Nexu solang, dis
Assignatarius entweder von ihm selbst, oder von dem Debitore assignato völlig
entrichtet ist. 9no Kan er auch die Assignation ohne Einverständnuß des
Assignatarii nicht zurucknehmen, er zahle ihn dann gleich baar aus. 10mò Mag
mehr erwehnter Assignatarius bey dem Debitore assignato die Schuld gleich nach
der Assignation fordern, soweit keine Nachsicht oder Frist in der Obligation selbst
oder Anweisung bedungen ist. Weigert nun 11mò derselbe die Zahlung, so kan
Assignatarius sich an Assignanten halten, und ist nicht schuldig gegen
Assignatum Klag zu stellen, doch wenn er Klag stellt, so begiebt er sich
dadurch seines Regress nicht, sondern es steht ihm solcher allemal noch bevor,
und gehet 12mò alles auf die Gefahr des Assignantens, falls Debitor assignatus
nicht mehr solvendo ist, ausgenommen wenn 13tio Assignatarius etwan in Morâ
exigendi, oder sonst desfalls in Culpâ gewest, z. E. da er von der
Aufzüglichkeit oder gänzlicher Verweigerung der Bezahlung dem Assignanten nicht
alsogleich Nachricht ertheilt. Ehe und bevor nun 14tò der assignirte Debitor
von Assignatario um die Zahlung judicialiter, oder wenigst extrajudicialiter,
belangt wird, hat obverstandener Regress gegen Assignanten nicht Statt. 15tò
Stehet Assignatario frey, auf die ihm assignirte Schuld auch einen anderen
anzuweisen, welchenfalls er respective pro Assignante
(465)
geachtet wird. 16tò Ist Assignatus Assignatarium um der angewiesener Schuld
wegen auf Belangen zu bezahlen verbunden, jedoch niemal anderst, als auf
vorläuffig-gnugsame Legitimation und Aushändigung der Assignation oder
Bescheinung. Einem anderen aber, welcher sich 17mo desfalls nicht gnug zu
legitimiren weiß, bezahlt er mit Sicherheit nicht, desgleichen ist er auch 18vo
von der Zeit an, da ihm die Anweisung notificirt ist, Assignanten selbst ohne
Bewilligung des Assignatarii zu bezahlen nicht mehr befugt, muß derowegen in
Concursu diesen letzteren mit der Bezahlung præferiren. 19no Seynd etwan mehr
Assignatarii auf die nemliche Schuld an ihn gewiesen, so zahlt er vorzüglich
den, welcher sich am ersten meldet, oder wenn sie sich zugleich melden, den
älteren Assignatarium, oder da sie auch hierin gleich seynd, sammentliche pro
Ratâ. 20mò Wird er endlich durch die an Assignatarium beschehene Zahlung nicht
nur von ihm, sondern zugleich von Assignanten der Schuld liberirt. 21mò
Erlöscht die Assignation weder durch den Tod des Assignantens, noch
Assignatarii, oder Debitoris assignati, sondern erstreckt sich ohne besonderen
Geding allerseits auf die Erben. 22do Erhellet hieraus von selbst, wie die
Assignation von der Delegatione, Cessione, in Solutum Datione, und Solutionis
causâ Adjectione hauptsächlich unterschieden seye, dann Delegatus hat gegen
Delegantem gar keinen Regress mehr, Cessionarius oder in Solutum Accipiens aber
gegen Cedentem vel in Solutum Dantem nur auf dem Fall, wenn kein Debitum verum
cedirt und überlassen worden, wohingegen Assignans nicht nur verum, sondern
auch bonum Nomen, das ist, eine wahr- und flüssige Schuld-Forderung præstiren
muß, wo im übrigen Solutionis causâ Adjectus zwar die Bezahlung annehmen, nicht
aber, wie Assignatarius, forderen und sich zueignen mag. 23tio Wird auch in
Zweifel, und soweit weder aus denen Worten noch Umständen ein anderes
erscheint, allzeit mehr eine blosse Anweisung als Delegation, Cession oder in
Solutum Datio præsumirt.
Von
der Acceptilation,
§.
8. Liberation oder Pacto de non petendo. Acceptilatio bedeutet zwar 1mò nach
Römischen Recht nur jenen Modum solvendi Obligationem, welcher durch eine
Stipulationem solennem geschiehet, nachdem aber dergleichen
(466)
Stipulationes offt verstandenermassen in Teutsch- und hiesigen Landen niemal
zur Uebung gekommen seynd, so fallt auch die Acceptilation völlig weg, und wird
es 2do mit denen statt selber gebräuchigen Pactis Liberatoriis vel de non
petendo, Krafft welcher man Debitorem loszehlt, oder die Schuld nicht mehr von
ihm forderen zu wollen verspricht, die nemliche Bewandnuß wie mit all anderen
Pactis und Conventionibus überhaupt, ist auch 3tiò nicht nöthig, die Causam
debendi, oder warum und wie man der Schuld los worden, hierin anzuführen,
sondern Confessio Generalis ist gnug.
Von
der Satisfaction.
§.
9. Die Satisfaction begreift zwar in gemeinen Verstand nicht nur die Bezahlung,
sondern auch mehr andere Modos solvendi Obligationem unter sich, im eng- und
eigentlichen Verstand aber nur jenen Modum allein, da man eben nicht in der
nemlichen Mas, wie es die Obligation mit sich bringt, sondern auf andere Weis
begnügt und befriediget wird, welches jedoch nur in drey Fällen zu geschehen
pflegt, nemlich da man 1mò das nemliche in Natura nicht mehr præstiren kan, z.
E. Sachen, welche gar nicht, oder wenigst nicht mehr in Commercio existiren.
2do Da man gleich anfänglich zur Natural-Præstation nicht verbunden ist,
sondern freye Wahl hat, ob man statt selber etwas anderes, oder nur Interesse
præstiren wolle, z. E. in obverstandenen Obligationibus faciendi. 3tio Da sich
Creditor selbst statt des nemlichen auf ein anderes gutwillig einlaßt. Im
übrigen hat die Satisfaction soviele Würkung, als eine Bezahlung, und wer
bezahlen, oder bezahlt werden kan, den kan auch respectivè Satisfaction leisten
oder empfangen.
Von
der Renunciation und derselben entgegen gesetzter Reservation und Protestation.
§.
10. Renunciation oder Verzicht, wodurch man sich nemlich seines Rechts begiebt,
gehört ebenfalls mit unter die Modos solvendi Obligationem, und erfordert 1mò
speciale Mandatum, sofern man von Anwaldschafts-wegen renuncirt. 2do Hat selbe
sowol in zukünftig- als gegenwärtigen Recht Statt. 3tiò Ist die Certioration
nicht hierzu vonnöthen, ausser wo es die Rechten specialiter erforderen. 4tò
Wird sie in Dubio
(467)
strictissimè interpretirt, und erstreckt sich mithin nicht leicht von einem auf
das andere, von Gegenwärtigen auf Zukünftig- und Vergangenes, soweit nicht eins
unter dem anderen durch generale Ausdruckungen begrieffen ist, 5to kan sogar
eine General-Verzicht auf das, was allem Ansehen nach nicht gedacht worden,
oder etwan so beschaffen ist, daß die Rechten Renunciationem specialem hierzu
erfordern, nicht ausgedähnt werden. 6tò Macht sie zwar eine Anzeigung, aber
nicht allzeit sicheren Beweis, daß man das Recht, worauf die Verzicht lautet, würklich
gehabt, oder gehofft habe. 7mo Bleibt der Regress auf das Verzichene nur soweit
offen, als er durch Gesatz oder Geding vorbehalten ist. 8vò Stehet die
Reservation, wodurch sein ausser deme verlohren gegangenes Recht zu erhalten,
und sich gegen besorglichen Schaden zu verwahren sucht, der Renunciation ihrer
Natur und Eigenschaft nach ganz entgegen, und ist hierunter zuförderst 9no der
Unterschied zwischen einer Reservation und eigentlicher Prostestation zu
bemerken, dann durch diese letztere sucht man nur zukünftig- durch jene aber
gegenwärtiges Recht in Sicherheit zu stellen. Beede müssen 10mò durch
äusserliche Kennzeichen, und zwar nicht erst nach geschehener Sach, sondern Re
adhuc integrâ gnugsam declarirt, ingleichen auch weder gegen die vorgeschriebene
Sollennität oder Substantiam Actûs, noch des protestirend- oder reservirenden
Theils eigner That zuwieder seyn. 11mò Würkt der Vorbehalt nicht nur die
Conservation des Rechts, welches man schon hat, oder wenigst anhofft, sondern
er dient auch allenfalls zur Erläuterung selbiger Sach, worin er geschiehet,
und zur stillschweigender Renunciation aller zwar dahin gehörig- jedoch nicht
vorbehaltener Puncten, hindert ingleichen sowol die Possession als
Præscription, und verstehet sich allzeit nur auf das, wovon eigentlich
gehandlet wird. 12mò Im übrigen hat es mit Pactis renunciativis und
reservativis die nemliche Bewandnuß, wie mit anderen Conventionibus überhaupt,
sonderbar aber siehe von Erbschafts-Verzichten, und hierauf vorbehaltenen
Regress-Sprüchen oben P. 3. cap. 11. §vo 2. & seq.
Von
ein- ober beederseitiger Abweichung. Reu und Contravention.
§.
11. Es ist wol der Natur und Billichkeit nichts so gemäß, als daß die Sachen
auf die nemlich Art, wie sie zusammen gekommen
(468)
seynd, wiederum auseinander gehen, solchemnach wird auch 1mò die
Verbindlichkeit durch allerseitige Einverständnuß derjenigen, welche sich
zusammen verknüft (!) haben, aufgelößt, sofort alles in den alten Stand, wie es
vor der Obligation gewesen, wiederum hergestellt. Die einseitige Reu oder
Abweichung hingegen hebt 2dò die Verbindlichkeit nicht auf, sondern raumt dem
anderen Theil nur Exceptionem non impleti Contractus soweit ein, daß er seiner
Seits zur Erfüllung nicht angehalten werden kan, bis auch gegentheiliger Seits
der Obligation ein Gnügen geschehen ist, und im Fall ein Theil seine
Schuldigkeit bereits vollkommen beobachtet hat, so kan er wegen der von dem
anderen Theil begangener Contravention weder die Zuruckgab dessen, was schon
præstirt worden, noch sonstige Wiederaufheb- und Cassirung des Contracts
begehren, sondern derselbe muß vielmehr Contravenienten ad Implementum
belangen, es geschehe dann 3tiò die Contravention entweder in einem Haupt- und
Substantial- oder wenigst in einem solchen Neben-Punct, welcher als eine Conditio
sinè quâ non, oder gar sub Pacto Legis Commissoriæ der Obligation
miteinverleibt ist. 4tò Seynd die wiederrufliche Handlungen z. E. Precarium,
Mandatum, Societas, Communio, und dergleichen ebenfalls soweit ausgenommen, daß
ein Theil auch ohne des anderens Einstimmung obverstandenermassen davon abgehen
kan.
Von
der Sache Untergang über Mutation.
§.
12. Durch den Untergang der Sach wird 1mò die Obligation nur in folgenden
Umständen aufgehoben, da man nemlich dieselbige Sach nicht in Genere vel
Quantitate, sondern in Corpore & Specie schuldig gewest, annebens der
Untergang weder ex Morâ noch Culpâ, oder sonst ex Factô Debitoris, und zwar an
der ganzen Sach erfolgt, dann wenn sie nur zum Theil untergehet, so bleibt man
doch des übrigen Theils halber in der Schuldigkeit, und da etwan Mora, Culpa
vel Factum Debitoris mitunterlauft, so ist er wenigst zur Schadloshaltung
verbunden. Dem Untergang wird 2dò gleich geachtet, wenn die Sach aus dem
Commercio humano tritt, und da hiernächst 3tiò alle Verbindungen die Clausulam
Rebus sic stantibus stillschweigend in sich halten, so werden solche auch durch
die Veränderung der in Obligationem gebrachter
(469)
Sache, jedoch andergestalt nicht, als unter folgenden drey Requisitis
aufgehoben, wenn nemlich erstens sothane Veränderung weder Morâ noch Culpâ aut
Facto Debitoris veranlaßt worden, selbe auch zweytens nicht leicht voraus zu
sehen gewest, und endlich drittens von solcher Beschaffenheit ist, daß, wenn
Debitor solche voraus gewußt hätte, er sich nach unpartheyisch- und redlichen
Gutachten verständiger Leuten nimmermehr hierauf eingelassen haben wurde, in
welchen Umständen gleichwol noch zu richterlicher Ermässigung stehet, ob die
Obligation völlig aufgehoben, oder nur nach Proportion der Veränderung
gemässiget werden solle.
Von
der Restitutione in integrum gegen die Obligation.
§.
13. Wie weit man sowol minderjährig- als anderen Personen Restitutionem in
integrum in Judicialibus angedeyen lasse, ist mit mehreren in Codice Judiciario
versehen. Soviel die Extrajudicial-Handlungen und Obligationes betrift, wird
zwischen Minderjährigen und anderen ein Unterschied gemacht. Jene pflegen
andergestalt nicht, als nach Masgab obigen 1ten Theils 7ten Capituls 30isten
§vi hierinfalls restituirt zu werden, bey diesen aber ist in hiesigen Landen
Restitutio in integrum weder gebräuchig, noch nöthig oder zulässig, dann wenn
sie enormiter lædirt seynd, so kommt ihnen gestalten Dingen nach die oben in
cap. 3. §. 19. & seq. beschriebene Querela Læsionis enormis zu Guten,
beschweren sie sich aber über Zwang, Irrthum, Betrug und andere dergleichen den
Consens zum Theil, oder ganz ausschliessende Umstände, so wird nur das
richterliche Amt implorirt, und hierauf dem Befund nach entweder die ganze
Handlung für nichtig und ungültig erklärt, oder sonst nach Verordnung obigen
1ten Capituls 24. und 25.isten §vi hierunter verfahren.
Von
denen übrigen Modis solvendi Obligationem und General-Regula, welche hierunter
zu beobachten.
§.
14. Oeffters wird die Obligation auch 1mò durch die Verjährung, das Einstands-Recht,
oder in Handlungen, welche nur auf die Person eingeschränkt seynd, durch den
Tod, wieauch
(470)
, wenn zweyerley Causæ lucrativæ in der nemlichen Person und Sach zusammen
treffen, wiederum aufgelößt. Von all diesen und obbemelten Gattungen aber seynd
2dò folgende drey General-Reguln zu merken: Erstens reviviscirt die erloschene
Obligation ausser deren besonders excipirter Fällen niemal wiederum, und im
Fall sich die Interessenten neuerdings miteinander verstehen, wird dieselbe
gleichwol für die alte nicht mehr, sondern nur für eine ganz neue Obligation
geachtet. Zweytens ist heut zu Tag kein Unterschied mehr, ob die Obligation
ipso Jure, oder nur Ope Exceptionis erlösche. Drittens sobald die
Haupt-Obligation einmal erlöscht, so fallen auch sammentlich darin begrieffene
Puncta, jene allein ausgenommen, worin etwan ein anderes ausdrücklich verstehen
ist.
(471)
Sechzehndes Capitul
Von
Verbrechen, und der daraus entspringender Verbindlichkeit überhaupt.
(Obligatione ex Delicto.).
Was
ein Verbrechen seye? und wie vielerley?
§.
1. Alles, was man gegen Gesatz und Verbott aus freyen Willen thut oder
unterlaßt, das heißt ein Verbrechen, und ist entweder verum vel quasi, publicum
vel privatum Delictum. Der Unterschied zwischen veris & quasi Delictis
besteht darin, daß jene aus gefährlichen bösen Fürsatz, (Dolo) diese aber nur
aus Fahrlässigkeit (Culpâ) zu Schulden gebracht werden. Unter den Delictis
publicis seynd zwar nach Römischen Recht nur jene, welche hauptsächlich zum
Schaden des gemeinen Wesens gereichen, und unter Privatis all übrige
Beschädigungen verstanden, welche durch Raub, Diebsstahl, oder Schmach an Leib,
Ehr oder Gut zu geschehen pflegen, nach heutig- und hiesigen Lands-Gebrauch
aber verstehet man unter denen letzteren nur die sogenannte Frevel und
geringere Verbrechen, welche Vermög des Codicis Criminalis nicht peinlich und
malefizisch, sondern civiliter und niedergerichtlich verhandelt und abgestraft
werden.
Von denen Actionibus ex Delicto.
§.
2. Wer ein Verbrechen begehet, der verbindet sich dadurch stillschweigend, und
ipso Facto nicht nur gegen die Obrigkeit, sondern auch gegen den beschädigten
Theil zur gebührender Satisfaction, woraus mithin eine doppelte Action, nemlich
pœnalis & persecutoria entspringt, jene ziehlt hauptsächlich auf die Straf
des Delinquentens, diese hingegen auf die Restitution dessen, was er durch das
Verbrechen an sich gebracht hat, oder sofern er die Sach selbst nicht mehr in
dem nemlichen Stand beyzuschaffen vermag, auf die Vergütung des Werths,
(472)
wienichtweniger auf die Indemnisation all anderer etwan hierum erlittener
Schäden und Kösten.
Und
zwar von der Actione pœnali.
§.
3. Von Verfolgung der Straf, welche in Malefiz-Verbrechen entweder auf Anklag,
oder von Amts- und Inquisitions-wegen zu geschehen pflegt, siehe Codicem
Criminalem. Von Bestraffung Niedergerichtlicher Verbrechen aber ist folgendes
zu merken: 1mò Wird hierin durchaus von Amts-wegen verfahren, und die
schrifftliche Verantwortung nur denen von Adel oder Siegelmässigen Personen
gestattet, andere Delinquenten aber pflegt man gleich mündlich, jedoch mit
Zulassung eines Beystands, sofern vergleichen begehrt wird, ad Protocollum zu
vernehmen, auch die Gezeugen in geringeren Frevlen, wo die Straff nicht über
50. fl. gehet, niemal eidlich, sondern nur bey Gelübd an Eidsstatt zu verhören.
2do Obschon ein Kläger vorhanden ist, so wird gleichwol nicht leicht ein
weitläuffiger Schriften-Wechsel gestattet, sondern vielmehr in Viâ summarissimâ
& commissionali, sohin auch mit allenfalligen Beweis durch Gezeugschaft
nach Anleitung des Cod. Jud. cap. 10. §. 3. gleichfalls summarissimè verfahren,
es seye dann, daß die Obrigkeit nach besonderer Beschaffenheit der Sachen,
Personen und Umständen eine mehrere und ordentliche Untersuchung für nöthig
findet. 3tiò Hemmen dergleichen Klagen das Obrigkeitliche Amt sowenig, als die
peinliche Anklagen das Officium Judicis Inquisitorium, und kommen auch 4tò in
Dictirung der Straf sowol mildernd- als beschwerende Umstände in Consideration,
5tò gebührt der Obrigkeit, weder ungewöhnliche Straffen zu verhängen, noch über
die in denen Landes-Verordnungen gesetzte Straffen hinauszugehen, oder von
gemeinen Burgers- und Bauers-Leuten für einen niederen Gerichts-Wandel mehr als
fünf Pfund Pfennig zu forderen, ausgenommen soviel die einfache
Ehebruchs-Straffen vermöglicher Delinquenten und andere dergleichen auf ein
höheres determinirte Fälle betrift. 6tò Wird auf das, was das Römische Recht
von der Pœnâ dupli, tripli, quadrupli vielfältig statuirt, weder in Casu
Inficiationis, noch sonst ausser deren in hiesigen Landes-Statutis besonders
ausgedruckter Fällen mehr gesehen. 7mo Haftet keiner für den anderen ex
Delicto, folglich auch weder Elteren für Kinder, und eben
(473)
sowenig eine ganze Gemeinde für Mitglieder, oder vice versâ. 8vò Kan keiner um
das Verbrechen, weßwegen er von der rechtmässigen Obrigkeit schon einmal
gestraft worden, nochmal gestraft werden. 9no Bleibt die Bemühung oder Beyhülf,
wie auch der Verdacht so wenig, als in denen Criminal-Fällen, ungestraft. 10mò
Wird die Straf unter mehr Delinquenten nicht getheilt, sondern jeder aus ihnen
mit ganzer Straf belegt, folglich auch keiner durch des anderen Bestraffung
liberirt. 11mò Hat es wegen Verschaffung der Delinquenten, welche extra Locum
Domicilii verbrechen, unter Inländischen Obrigkeiten bey dem Cod. Jud. cap. 1.
§. 4. sein Bewenden, und wenn 12mò das Delictum auf der Gränz oder an einem der
Possession halber streittigen Ort begangen, oder aber an einem Ort angefangen,
an dem anderen vollendet wird, so greift zwischen denen concurrirenden
Obrigkeiten die Prævention Platz. 13tio Gestattet man weder Vergleich, noch
Prorogation, oder Compromiss, zu Præjuditz des competirenden Richters. 14tò Wer
nicht Jurisdictionem Patrimonialem hat, der kan auch die dictirte
Gerichts-Straf, ohne Landsherrschaftlichen Vorwissen, weder mässigen, noch gar
nachlassen, und eben sowenig sich solche zueignen. 15tò Hört zwar Actio pœnalis
Vermög Römischen Rechts nach Verlauf eines ganzen Jahrs auf. Nachdem aber der
Codex Criminalis P. 2. cap. 11. §. 4. in geringeren fleischlichen Sünden,
welche nicht auf die Tods-Straf gehen, wenigst fünf Jahr zur Præscription
erfordert, so laßt man es auch anderer niedergerichtlicher Verbrechen halber
bey der nemlichen Verordnung in Regulâ bewenden. Wie weit aber 16tò die Straf
regulariter durch den Tod des Delinquentens erlösche, auch ob sie sich auf
Erben und Successores erstrecke, siehe Cod. Jud. cap. 4. §. 2. n. 6.
Und
persecutoria.
§.
4. Obwol 1mò Actio pœnalis und persecutoria zwey unterschiedliche Actiones
seynd, und jede ihren besonderen Zweck hat, mithin auch eine durch die andere
nicht aufgehoben wird, so soll doch 2dò die letztere ex Connexione Causæ bey
dem Foro, wohin die erste von Rechts- wegen gehört, ebenfalls angebracht, und
soviel immer thunlich auf den nemlichen Fuß simultaneè alldort verhandlet, und
ausgemacht werden. 3tio Wird der eingeklagte Schaden nach der Zeit, wo er
geschehen
(474)
ist, geschätzt, und hat 4tò sowol hierin, als sonst Juramentum in Litem gegen
den Verbrecher Statt, soweit er etwan in Dolo vel Culpâ latâ zu seyn befunden
wird. 5tò Werden hierinfalls Complices Delicti denen Correis debendi ex
Conventione gleich gehalten. 6tò Erlöscht diese Action nicht in fünf, sondern
wie all andere Actiones regulariter, in dreyssig Jahren, ohngeacht die Pœnalis
schon würklich verjährt worden. 7mo Hört auch dieselbe nicht einmal durch die
Tods- und andere schwere Criminal- geschweigend (!) erst durch
niedergerichtlich- und geringere Straffen auf, sondern bleibt
nichtsdestoweniger gegen den Delinquenten, wieauch gegen seine Erben bevor,
ohne Unterschied, ob sie durch das Verbrechen reicher, und Lis mit dem
Verstorbenen schon contestirt worden, oder nicht, massen dasjenige, was in Cod.
Jud. cap. 4. §. 2. n. 5. & 6. verordnet ist, nur von der Pœnal-Action verstanden
werden soll.
Insonderheit
von der Condictione furtiva, Actione Vi Bonorum raptorum und anderen.
§.
5. In Raub- und Diebsstählen raumt zwar das Römische Recht denen Damnificatis
besondere Actiones, benanntlich Condictionem furtivam, oder Actionem Furti, und
respectivè Vi Bonorum raptorum ein, nachdem aber diese Verbrechen heut zu Tag
criminaliter bestraft werden, annebens die Pœna dupli vel quadrupli
obverstandenermassen nicht mehr üblich ist, so bleibt in Puncto Damnorum,
Satisfactionis, und Restitutionis für jetztermelte Actiones nichts anderes
übrig, als was schon im nächst vorhergehenden §vo von der Actione persecutoriâ
überhaupt angeführt worden, welche Beschaffenheit es auch mit der sogenannten
Actione Rerum amotarum, Arborum furtim cæsarum, de Tigno juncto, und mehr
dergleichen in Jure Romano zwar vorkommend- aber gar leicht zu entbährenden
Actions-Formuln hat.
De
Actione Legis Aquiliæ.
§.
6. Daß 1mò der Schaden, welcher einem anderen an Haab und Gut ungerechter Weis
zugefügt wird, von dem Damnificanten wiederum ersetzt und gut gemacht werden
müsse, ist zwar sowol in dem natürlich- als Römischen Recht offenbar gegründet,
wie aber 2dò das letzte durch die sogenannte Legem Aquiliam von dem ersten in
vielen Stücken disfalls abweicht,
(475)
und allerhand unnöthige Subtilitäten in sich halt, so conformirt sich der
heutige Gebrauch mehr mit jenem als diesem Recht, und pflegt mithin 3tio bey
der Actione Legis Aquiliæ all jenes, was oben von der Actione persecutoriâ
überhaupt vorkommt, ohne Unterschied der Sachen, oder Art und Weis, wie der
Schaden geschehen ist, wiederum beobachtet zu werden. 4tò Wird auch in Schäden,
welche dem Menschen durch Wunden und Todschläg zugehen, unter frey- und
Leibeignen Leuten nicht mehr distinguirt, folglich muß der Verwundete, wenn
anders der Thäter in Dolo vel Culpa ist, nicht nur deren auf die Chur
verwendeter Kösten halber, sondern auch um all anderen an seine Profession und
Nahrung etwan dadurch erlittenen Schaden und Entgang satisfacirt werden,
immassen 5tò ein gleiches in Casu Homicidii dolosi vel culposi des Entleibtens
hinterlassenen Weib und Kind, soweit sie etwan durch den Todschlag an der
Alimentation verkürzt seynd, ebenfalls gebührt, und aus der nemlichen Ursach
pflegt man 6tò bey fleischlichen Sünden nach Gestalt der Personen, Proben und
Umständen auf die Dotation und Alimentation zu sprechen. Im übrigen hat 7mo
Actio Legis Aquiliæ nicht nur um den Dolo vel Culpâ latâ, sondern auch levi vel
levissimâ entweder committendo vel omittendo verursachten Schaden allerdings
Statt, jedoch mit Ausnahm all jener Handlungen, worin man obverstandenermassen
nur einen gewissen Gradum Culpæ von Rechts-wegen zu præstiren hat, und da nun
8vò Kinder und Unsinnige aus Mangel des Verstands und freyen Willens weder Doli
noch Culpæ fähig seynd, so folgt von selbst, daß die von ihnen herrührende
Damnification entweder gar nicht, oder wenigst nicht aus ihren eigenen, sondern
allenfalls aus dem Vermögen derjenigen erstattet werde, welchen die Obsorg über
dergleichen Personen zwar obgelegen, aber nicht mit gebührenden Fleiß geführt
worden ist. 9no Siehet man zwar in Schätzung des Schadens regulariter nur auf
die Zeit, wenn selber geschehen ist, jedoch dergestalt, daß bey dem Anschlag
unzeitiger Früchten die Rucksicht auf das, was man wahrscheinlichermassen im
Fall, da selbe zur Zeitigung gekommen wären, davon zu nutzen gebracht haben
wurde, nicht völlig beyseitgesetzt wird.
De Actione noxali, aut si Quadrupes. Pauperiem &c.
§.
7. Was 1mò das Römische Recht einer Herrschaft wegen Vergütung des von ihrem
Leibeigenen verursachten Schadens
(476)
auferlegt, das ist von keinem Gebrauch mehr, und laßt sich nicht einmal auf
heutige Leibeigne, geschweigens auf Dienstbothen und Ehehalten appliciren.
Soviel aber 2dò den durch das Viehe verursachten Schaden betrift, wird solcher
von demjenigen, welchem dasselbe zugehört, erstattet, und ist 3tiò kein
Unterschied, ob das Viehe ihrer Natur gemäß oder zuwieder hierunter gethan hat,
folglich braucht man auch die besondere Actionem de Pastu nicht mehr, wol hingegen
hat 4to der Eigenthümer des Viehe annoch heut zu Tag die Wahl, ob er
Damnificatum schadlos halten, oder das Viehe Noxæ geben, das ist, für den
Schaden auslieferen wolle, welches sich 5tò sowol von Weid- als all anderen von
Natur oder Gewohnheit zahmen Viehe verstehet. Ungezähmt- oder sonst gefährliche
böse Thier aber, welche nicht zum Nutzen seynd, ist 6to Damnificatus für seinen
Schaden anzunehmen nicht schuldig, sondern muß in anderweg vollständig
satisfacirt werden, welches nur desto mehr Platz greift, wenn der
Thiers-Innhaber der Abstell- oder besserer Bewahrung halber schon einmal
erweislichermassen erinnert worden. Gleiche Beschaffenheit hat es 7mo mit dem
zwar an sich zahm- oder sonst ungefährlich- doch zu Fleiß gejagt- oder
gehetzten Viehe, dann da wird der Schaden nicht soviel dem Viehe als jenem, der
solches gejagt oder gehetzt hat, beygemessen. Desgleichen verliehrt man 8vò
obgedachte Wahl, wenn man das Eigenthum des Thiers boshafter Weis abläugnet,
und dessen überwiesen wird. 9no Dafern mehr Thier, welche unterschiedliche
Herren haben, miteinander rauffen, so muß der Herr des Thiers, welches dem
anderen Schaden gethan hat, solchen vergüten, oder das Thier Noxæ geben, es
könte dann bewiesen werden, daß das Beschädigte angefangen hat. 10mo Verreckt
das Thier noch vor erhobener Klag und Kriegs-Befestigung, so erlöscht auch die
Action in denen Fällen, wo der Eigenthümer obverstandenermassen die Wahl gehabt
hätte. Von denen hierinfalls sehr gewöhnlichen Pfandungen siehe oben P. 2. cap.
6. §. 23.
Von
der Action de Effuso vel Dejecto, Posito vel Suspenso.
§.
8. Wer 1mò an Ort und End, wo freye Passage ist, im Vorbeygehen von einem Haus
begossen oder geworffen, und dadurch beschädiget wird, der kan den Haus-Herrn
um die Schadloshaltung Actione de Effuso vel Dejecto belangen,
(477)
und mag 2dò dieser hernach seinen Regress gleichwol bey jenem suchen, der den
Guß oder Wurf gethan hat. 3tiò Hat diese Action nicht Statt, wenn das Haus mit
Aussteckung der gewöhnlichen Bau-Zeichen gebauet oder ausgebessert wird. 4to
Fallt solche ebenfalls weg, wenn sich der Beschädigte schon unmittelbar an den
Beschädiger einmal gehalten hat, immassen ihm solches allerwegen frey stehet.
5tò Sofern aber nur etwas an offenen freyen Orten gefährlicher Weis aufgehenkt
oder aufgestellt wird, ohne daß schon würklicher Schaden daraus erfolgt ist, so
braucht es heut zu Tag keiner besonderen Action mehr, sondern nur der blossen
Anzeig, damit die Obrigkeit ihr Amt hierinfalls vorkehre.
Von
der Nunciatione novi Operis.
§.
9. Um künftigen Schaden abzuwenden, welcher etwan aus des Nachbars vornehmenden
Bau bevorstehet, kan man ihm 1mò novum Opus nunciren, das ist, den Bau solang
verbiethen lassen, bis die Præjudicial-Frag, ob und wie weit er dessen
berechtiget seye, behörig ausgemacht ist, welches zwar 2dò nach Römischen Recht
sowol in- als aussergerichtlich, mit Worten oder Werken, z. E. durch einen
Stein-Wurf, heut zu Tag aber andergestalt nicht als durch die ordentliche
Obrigkeit entweder auf Anruffen des interessirten Theils, oder falls der Bau
dem gemeinen Wesen nachtheilig ist, von Amts-wegen geschehen mag. 3tiò Stehet
auch Nunciatio nur dem Benachtheiligten, vorzüglich aber dem Eigenthümer des
Orts, deme dadurch præjudicirt wird, von Rechts-wegen zu. 4tò Für andere kan
Opus novum nur soweit nuncirt werden, als man sie von Curatel-Vormund- oder
Anwaldschafts-wegen zu vertretten hat, wozu man aber keiner Special-Vollmacht
bedarf. 5tò Das Werk selbst, welches man verbiethen lassen will, muß nicht nur
neu und præjudicirlich, sondern auch auf Grund und Boden, oder was demselben
anhangt, angelegt, annebens noch nicht vollendet, sondern nur angefangen, und
so beschaffen seyn, daß die vorige Gestalt der Sach dadurch abgeändert wird.
6tò Opera Publica, welche dem gemeinen Wesen zum Besten geführt werden, wieauch
Privata, welche obschwebender Gefahr halber keinen Verschub leiden, lassen
keine Nunciation zu. 7mo Soll dieselbe dem Bau-Herrn selbst, wie all andere
Obrigkeitliche Aufträg, gebührend intimirt werden, falls er aber an dem
(478)
Ort, wo der Bau geführt wird, nicht anwesend ist, so mag die Intimation denen
Bau- und Arbeits-Leuten geschehen. Die Würkung einer solch- förmlicher
Nunciation ist 8vò, daß von Zeit obiger Intimation mit weiteren Bau alsofort
eingehalten werden muß, und zwar 9no bey Vermeidung würklicher Niederreissung
auf des wiederspänstig- und ungehorsamen Theils Kösten. Die Præjudicial-Frag
selbst aber, und wie weit nemlich 10mò Nunciatus des unternommenen Bau befugt
seye oder nicht, soll mit summarisch- doch gnüglicher Vernehmung sammentlich
interessirter Theilen, nach vorläuffigen Local-Augenschein, bald möglichst
verhandlet und ausgemacht werden. 11mò Erstreckt sich das Verbott auch auf
Erben und Successores singulares, wird hingegen 12mò durch des Nunciantens
freywillige Begebung, wienichtweniger 13tio durch richterlichen Ausspruch bey
befundenen Ungrund wiederum aufgehoben. Desgleichen fallt 14tò das Verbott weg,
wenn Nunciatus hinlängliche Caution leistet, daß er den Bau in Casu
Succumbentiæ auf eigne Kösten niederreissen, und alles in vorigen Stand stellen
wolle, welche Caution jedoch 15tò nur bey anscheinenden Zweifel, nicht aber, wo
Nuncians bereits klar- und offenbares Recht für sich hat, angenommen werden
soll. Derowegen er auch 16to gleich anfänglich bey der ersten richterlichen
Imploration seine vermeinte Rechts-Gründ, warum er den Bau für præjudicirlich
und unberechtiget ansiehet, anführen solle. 17mo Mehr unterschiedliche Werk,
welche nicht zusammen gehörig seynd, erforderen auch unterschiedliche
Nunciationes, und müssen separirt werden. Soviel endlich 18vò den Bau betrift,
welcher nicht auf eigen- sondern auf fremden Grund zu Præjuditz des Innhabers
wiederrechtlich unternommen wird, braucht solcher keiner Nunciation und
Obrigkeitlichen Verbotts, sondern der Innhaber kan sich bey seiner Possession,
jedoch andergestalt nicht, als in Conformität des 2ten Theils, 5ten Capituls
8ten §vi 1ten Num. gegen solch- unrechtmässigen Eingriff selbst eigenmächtiger
Weis handhaben.
De
Damno infecto.
§.
10. Damnum infectum ist ein Schade, der zwar noch nicht geschehen, aber doch
sehr zu beförchten ist, z. E. von des Nachbars Haus, wenn sich solches in sehr
baufällig- und ruinosen
(479)
Stand befindet, welchenfalls man 1mo begehren kan, daß er die Baufälligkeit
wende, oder für allen daraus erfolgenden Schaden hinlängliche Caution leiste.
Falls nun 2dò weder eins noch anderes geschiehet, so wird zwar nach Römischen
Recht Implorant anfänglich ex primo, hernach ex secundo Decreto in das
baufällige Haus immittirt, welches aber heut zu Tag nicht mehr in Uebung ist,
sondern wenn der disfalls ergangen- Obrigkeitliche Auftrag nicht befolgt wird,
so laßt man 3tiò die Baufälligkeit soweit, als zu Verhütung des dem Nachbaren
besorglichen Schadens nach unpartheyischen Gutachten Bau-verständiger Leuten erforderlich
ist, von Amts-wegen wenden, und die nöthige Kösten von dem Innhabern des
baufälligen Hauses executivè einbringen, oder sofern er nicht im Stand ist, das
Haus quanti plurimi verkauffen, und die nöthige Reparation durch den Käuffer
verfügen. 4tò Wird sowol mit Besichtigung der Baufälligkeit, als sonst in
Puncto Cautionis und all übrigen summarissimè hierunter verfahren. 5tò Daurt
die allenfalls geleistete Caution nicht für beständig, sondern nur auf gewisse
Zeit oder Jahr nach richterlicher Ermässigung, sofern sich die Partheyen nicht
selbst in Güte darüber verstehen könten. 6tò Hat obige Verordnung nicht nur in
gefährlichen Baufälligkeiten benachbarter Häuseren, sondern auch ex Argumento
& Ratione Legis in anderen dergleichen besorglichen Schäden Statt,
dergestalt, daß, wenn die Gefahr sehr groß, oder der Schaden fast unvermeidlich
ist, man nicht einmal Cautionem zulaßt, sondern dem Befund nach alsogleich
völlige Abstellung hierunter vorkehrt, z. E. da an des Nachbars Wand ein
Privet, Backofen oder Feuerstatt so nahe angelegt wird, daß man dadurch in
Feuers-Gefahr, oder andere wiederrechtliche Ungelegenheit kommt, item da man so
tief grabt, daß des Nachbars Mauer darüber sinken muß, und dergleichen mehr.
7mo Haftet der Richter selbst in Subsidium um allen Schaden, welcher in
dergleichen Fällen etwan aus seiner Fahrlässigkeit erfolgt.
Aquæ
pluviæ arcendæ.
§.
11. Die sogenannte Actio Aquæ pluviæ arcendæ ist eine Gattung von nächst
vorhergehender Actione Damni infecti und ziehlet zwar nach Römischen Recht
eigentlich nur dahin, daß der angelegte Damm, wodurch das schädliche
Regen-Wasser
(480)
mit Gewalt auf andere Gründe getrieben wird, wiederum abgestellt werde. Wie
aber dergleichen nicht nur bey Regen, sondern auch anderen fliessenden Wässern
öffter zu geschehen pflegt, so seynd folgende Fälle hierunter zu merken. 1mò
Ist ohne Vorwissen und Begnehmigung der gnädigisten Landsherrschaft in
offentlichen Flüssen und Schiff-reichen Wasser-Ströhmen weder zu Schaden, und
Abbruch der Schiffarth, noch sonstiger Veränderung des Rinnsaals etwas zu
bauen, oder zu unternehmen erlaubt. 2dò Mag auch keiner an seinem Gestatt ein
sogenanntes Wurf- oder anderes Werk, wodurch das Wasser mit Gewalt auf des
Nachbars Seite hinüber getrieben wird, anlegen. Wol hingegen kan 3tiò der
Nachbar die Anlegung einer blossen Streich- oder Noth-Wehr, wodurch man sich
nur vor künftig- oder weiteren Wasser-Einbruch zu bewahren sucht, keineswegs
verhinderen, dann ob ihm schon indirectè dadurch Schaden zugehen mag, so wird
doch solcher demjenigen, der sich seines Rechts bedient, nach der bekannten
Recht-Regul: Qui Jure suo utitur, Nemini facit Injuriam, nicht impulirt (!).
4tò Ist zwar ohne sonderbaren Geding oder Herkommen Niemand zu Verwahr- und
Beschlachtung seines eignen Gestatts verbunden, wenn aber gleichwol anderen
Benachbarten daran gelegen ist, so seynd sie der Billichkeits-Regul nach: Quod
mihi prodest, alteri non nocet &c. das fremde Gestatt auf eigne Kösten zu
beschlachten befugt, ohngeacht eine Servitut deswegen nicht hierauf hergebracht
worden. 5tò Soviel die Concurrenz zu denen nöthigen Beschlacht- und
Wasser-Bau-Kösten belangt, ist zuförderst auf die Verträg und das Herkommen zu
sehen. Fehlt es aber an beeden, so tragt derjenige, deme das Gestatt zugehört,
die Kösten allein, und da er sich hierzu nicht entschliessen kan, stehet ihm
gleichwol frey, seinen Grund zu verlassen. 6tò Führt unter mehr
Wasser-Bau-Interessenten jener das Directorium, welcher die Gerichtsbarkeit an
dem Ort des vornehmenden Baues hergebracht hat. Von denen Wasser-Leitungen aus
fremden Wasser oder über fremde Gründe siehe oben P. 2. cap. 7. §. 12.
(481)
Siebenzehendes Capitul
Von
der Schmach. (Injuriâ.)
Was
und wie vielerley eine Injurie seye?
§.
1. Schmach ist ein Verbrechen, wodurch man Jemand an Ehr und guten Leumuth
gefliessener Weis angreift. Sie wird hauptsächlich in Realem und Verbalem
getheilt. Jene geschiehet mit Werken, diese aber mit Worten, Schrifften oder
Gemählden.
Art
und Weis, wie sie begangen werde?
§.
2. Ueberhaupt und pro 1mo wird eine Schmach verübet, wenn man gegen andere
etwas spricht oder thut, was der gemeine vernünftige Welt-Brauch für
verächtlich und Ehren-verletzlich aufnimmt, insonderheit aber und soviel 2dò
die Verbal-Injurien belangt, durch allerhand Vorwürf und Inzichten von Lastern
und Missethaten, Leibs- oder Gemüths-Mänglen, ingleichen durch höhnische
Lob-Sprüch und Satyren, ferner durch grobe Zotten der Gegenwart ehrbarer
Leuten, sonderbar Weiblichen Geschlechts, und dergleichen. 3tio Real-Injurien
hingegen nicht nur durch ungebührliche Schläge, Stösse, Würf, Hieb, und
dergleichen That-Handlungen, sondern auch durch allerhand spöttische Zeichen
oder Gebärden, unkeusche Antastung ehrbarer Weibs-Personen, wieauch von der
Obrigkeit selbst aus Passion verhengt- wiederrechtliche Straffen, Arresten und
Verfügungen. 4tò Pflegen die Verbal-Injurien öffters nur mit gewissen
Bedingnussen ausgestossen zu werden, und da ist zu unterscheiden, ob die
Condition auf künftig gegenwärtig- oder vergangene Zeit gerichtet seye.
Erstenfalls bleibt die Injurie solang in Suspenso, bis die Condition gleichwol
ermanglet oder existirt. Zweyt- und drittenfalls aber ist es entweder gleich
eine oder keine Injurie, nachdem nemlich die Condition sich verificirt oder
nicht, Real-Injurien werden allzeit pro puris geachtet, sie mögen gleich mit
oder ihne Condition verübt worden seyn.
(482)
Und an wem?
§.
3. 1mò Seynd Kinder und Unsinnige einer Schmach zwar nicht active, wol aber
passive, wie andere Leut, fähig. 2dò Wird die Injurie sowol an gegenwärtigen,
als abwesenden, nicht aber an ungewissen Personen, vielweniger an solchen,
welche selbst darauf einwilligen, begangen, dann die Rechts-Regul sagt: Volenti
non fit Injuria. Welches sich jedoch nur von Sachen verstehet, die in des
Bewilligers Macht und Gewalt seynd. 3tio Pflegt man nicht nur unmittelbar
selbst, sondern auch öffters nur mittelbar an anderen beschimpft zu werden, z.
E. an Kindern, Elteren, Geschwistern, Ehegatten, oder sonst nahe angehenden
Personen, desgleichen an Bevollmächtigten, und nicht weniger an Bedienten oder
Unterthanen, sofern aus denen Umständen erscheint, daß sie in Absicht auf die
Herr- respective Principalschaft injurirt seynd
Von
der Intention und Absicht Jemand zu beschimpfen.
§.
4. Das Hauptstück, ohne welchem keine Injurie begangen werden mag, bestehet in
der Absicht und Intention Jemand zu beschimpfen, (Animo injuriandi) wenn
derowegen 1mò einer z. E. nur Scherz-weis, oder im Ringen, oder von
Amts-Corrections- oder Defensions-wegen geschlagen oder gescholten wird, so ist
es keine Injurie. 2dò Die blosse Protestation, welche der That selbst
zuwiederlauft, kan sowenig, als die Benennung des Authoris, von welchen man die
weiter getragene schmähliche Inzicht empfangen hat, Animum injuriandi
ausschliessen oder entschuldigen. Desgleichen wird 3tiò derselbe durch die
Wahrheit des angeschuldigten Lasters weder ausgeschlossen noch excusirt, weil
man hierunter nicht soviel auf die vorgeworffene That, als die Schmäh-Sucht zu
sehen hat, ausgenommen wenn die Inzicht nicht nur ein auf Leib und Leben gehendes
malefizisches Verbrechen betrift, sondern auch annebens bey der behörigen
Obrigkeit auf gebührende Weis angezeigt wird, welchenfalls es mit der Prob,
nach Masgab Cod. Crim. P. 1. cap. 8. §. 10. gehalten werden soll. Von dem
Irrthum, welcher 4tò in Injurien-Händlen öffters vorgeschützt zu werden pflegt,
ist wiederum das nemliche zu beobachten, was der Cod. Crim. P. 1. cap. 1. §.
30. mit sich bringt.
(483)
Von denen Obligationibus und Actionibus in Injurien-Sachen,
§.
5. 1mò Ist der Injuriant nicht nur zum Wiederruf und respectivè Abbitt, sondern
auch wenn die Injurie zu Geld angeschlagen wird, das taxirte Quantum zu
bezahlen verbunden, des Endswegen die in §vo seq. 6. & 7. mit mehreren
beschriebene Actio Injuriarum æstimatoria, respectivè recantatoria von dem
beschimpften Theil wieder ihn Statt hat, und zwar 2dò nicht nur electivè,
sondern auch cumulativè, mithin dergestalt, daß eine Action durch die andere
nicht aufgehoben wird. Nebst deme kan 3tiò Injuriant in Real-Injurien, z. E. in
Verwund- und Lähmungen um die Cur- und Baders- Kösten- dann all andere dadurch
erlittene Schäden, insonderheit auch um den Entgang an der Nahrung Actione
Legis Aquiliæ belangt werden. Ueber dieses verfallt er 4tò der Obrigkeit um des
verübten Verbrechens wegen in die Burgerlich- oder gestalten Dingen nach gar in
die peinliche Straf, Vermög Cod. Crim. P. 1. cap. 8. §. 9. Ob und wie weit
endlich 5tò die Klag ex Leg. diffamari hierin Statt habe, siehe Cod. Jud. cap.
1. §. 15. & cap. 4. §. 5.
Insonderheit
von der Actione Injuriarum æstimatoriâ
§.
6. Wenn der beleidigte Theil die Injurie zu Geld anschlagt, so muß er zwar 1mò
das Quantum zuförderst mit einem leiblichen Eid dahin betheuren, daß er lieber
solche Summam verlohren, als die ihm zugegangene Schmach erlitten haben wollte.
Dem ohngeacht aber stehet gleichwol 2dò der Obrigkeit noch bevor, daß
beschworne Quantum, sofern ein Übermas hierin verspührt wird, zu moderiren,
wobey theils auf das Vermögen des Injuriantens, theils auf die Grösse der
Schmach selbst zu sehen, solche aber hauptsächlich aus dem Ort, der Person und
Zeit, dann anderen Umständen zu ermessen ist. 3tiò Sofern Condemnatus nicht
solvendo ist, wird er statt dessen durch Gefängnuß, oder sonst an der Haut
gestraft. 4tò Ziehet zwar diese Action Infamiam nach sich, man pflegt aber dem
condemnirten Theil die Ehr gemeiniglich in der Sentenz vorzubehalten.
Und
recantatoriâ ad Palinodiam.
§.
7. Die Klag auf den Wiederruf hat 1mò nur in Verbal- und solchen Injurien
Statt, wodurch Jemand einer bösen That bezüchtiget
(484)
wird, wohingegen in Real-Injurien, wie auch in jenen, wodurch nur Leibs- oder
Gemüths-Mängel Spott-weis vorgeworffen werden, statt des Wiederrufs die
Deprecation und Abbitt Platz greift. 2dò Muß der Wiederruf allzeit in eigner
Person vor Gericht geschehen, die Deprecation aber wird richterlicher
Ermässigung nach auch schrifftlich angenommen. 3tio Bequemet sich der
condemnirte Theil nicht gutwillig zur Revocation, so wird er durch Gefängnuß
und schmahle Kost dazu angehalten, oder man laßt auf weitere Hartnäckigkeit
endlich den Wiederruf statt seiner und in seiner Gegenwart durch Schergen oder
Scharfrichter verrichten, welch-letzteres auch Statt hat, wenn Injuriant
flüchtig ist, und auf vorläuffige Citation nicht erscheint. 4tò Pflegt man auf
den Wiederruf nicht leicht anders, als unter vorbehaltener Ehr zu sprechen, und
hat 5tò gegen leibliche Elteren weder gegenwärtig- noch vorige Actio
æstimatoria Platz.
Von
der Prob in Injurien-Sachen,
§.
8. Die Beschimpfungen beruhen obgedachtermassen auf Worten oder Werken, welche
mithin 1mò als Res Facti auf allenfalligen Wiederspruch von dem Kläger bewiesen
werden müssen. 2do Wenn die Wort oder Werke von der Beschaffenheit seynd, daß
sie dem gemeinen Welt-Brauch nach für schmählich angesehen zu werden pflegen,
so wird auch Animus injuriandi bis auf gnugsame Gegen-Prob allerwegen daraus
præsumirt, den zweifelhaft- oder zweideutigen Worten aber muß 3tio derselbe von
deme, der sich einer Injurie beklagt, erwiesen werden, welches zwar auch durch
redliche Muthmassungen und Indicia bewerkstelliget werden mag, jedoch
dergestalt, daß man anderen billichen Vermuthungen ebenfalls dagegen Platz
giebt. Insonderheit haben 4tò sowol Eltern als Lehrmeister, und Obrigkeiten so
viele Præsumption vor sich, daß vielmehr eine Unbescheidenheit als Animus
injuriandi von ihnen gemuthmasset wird. 5tò Wer sich mit Scherz entschuldiget,
muß solchen wenigst præsumptivè beweisen.
Sonderbar
in Real-Injurien und Verwundungen.
§.
9. Klagt einer den anderen um beygebracht- offene Wunden, so mag er solche auf
allenfalligen Wiederspruch mit seinem Eid beweisen, jedoch nur in dreyen
Fällen. 1mò Wenn Beklagter den
(485)
Rauf-Handel abläugnet, und dessen genüglich überwiesen wird. 2dò Wenn das
Geräuf von mehr Personen verübt worden, und der Beklagte erweislichermassen mit
darunter gewest. 3tiò Wenn der Rauf-Handel zwar ohne Zeugen fürgegangen,
gleichwol aber gegen den Beklagten ein sehr nahes Indicium von verübter That
obwaltet. Ausser jetztgedachter drey Fällen hat obgedachter Eid nicht Statt,
sondern die Verwundung muß in anderweg bewiesen werden.
Wie
die Schmach-Klag wiederum aufgehoben werde, und zwar durch den Tod des
Injuriantens?
§.
10. 1mò Gehört zwar die Wiederrufs-Klag unter die Actiones persecutorias, wird
aber gleichwol durch den Tod des Injuriantens aufgehoben, und gehet niemal
gegen seine Erben, soviel hingegen 2do die Obrigkeitliche Straf, wieauch die
Actionem æstimatoriam belangt, gehet solche gegen die Erben des Injuriantens
nur soweit, als sich auch andere dergleichen Actiones pœnales dahin erstrecken
mögen. 3tiò Hat die Actio Legis Aquiliæ wegen der Schäden und Kösten
hierinfalls nichts Besonderes.
Durch
den Tod des Injurirtens?
§.
11. Stirbt der Injurirte, ehe und bevor er geklagt hat, so bleibt zwar 1mò die
Obrigkeitliche Straf gegen Injurianten nichtsdestoweniger bevor, 2dò kan er
auch von denen Erben Actione Legis Aquiliæ um die Schäden und Kösten belangt
werden. Die Æstimations- und Wiederrufs-Klag hingegen fallt 3tiò hinweg, es
seye dann die Injurie erst nach dem Tod des Erblassers, entweder durch
Misshandlung seines Leichnams, oder sonst in anderweg gegen ihn verübt worden.
Durch
Remission und Vergebung?
§.
12. Die Injurien werden 1mò entweder ausdrücklich durch Vergleich und Geding,
oder aber stillschweigend im Werk selbst vergeben, und zwar 2dò auf die letzte
Art, wenn der Beschimpfte mit dem Beschimpfer ohne gross- nothwendiger Ursach
oder Protestation wiederum offentlich speiset, trinkt, spielt, oder sonst
freundlichen Umgang und Conversation pflegt, es wäre dann die Klag schon
würklich bey Gericht angebracht, welchenfalls die Injurie auf dergleichen
stillschweigende Art nicht
(486)
aufgehoben wird. 3tiò Præjudicirt sothane Vergebung oder Nachsicht dem Richter
an der verdienten Straf nichts.
Durch
die Verjährung?
§.
13. 1mò Mündliche Injurien werden verjährt, wenn man sie nicht von Zeit
erlangter Wissenschaft längst inner Jahrs-Frist einklagt. Ein anderes ist 2dò
in Real- oder auch solchen Verbal-Injurien, welche nicht blos von Mund aus,
sondern z. E. durch Schriften, oder Gemählde verübt werden, dann diese fallen
sowenig, als die Obrigkeitliche Straf, und obgedachte Actio Legis Aquiliæ durch
die Præscriptionem annalem hinweg.
Durch
die Declaration?
§.
14. Durch die Declaration wird eine Injurie in zweyen Fällen gehoben. 1mò Wenn
sich der Beklagte gleich in der ersten Antwort selbst erklärt, daß ihm die
ausgestossene Schelt-Wort aus Zorn oder Unbedachtsamkeit entwichen seynd, 2do
wenn die Obrigkeit, statt des Wiederrufs oder Abbitt, eine solche
Ehren-Declaration auftragt, wie es bey adelichen oder anderen ansehnlichen
Personen gemeiniglich zu geschehen pflegt. Sowol in dem 1ten als 2ten Fall
bleibt der Obrigkeit die Straf, und dem beleidigten Theil, soweit er in Schaden
und Kösten ist, mehr verstandene Actio Legis Aquiliæ bevor.
Durch
den Concurs?
§.
15. Zuweilen betrift die Injurie mehr Personen zugleich, und da seynd zweyerley
Fälle zu unterscheiden. Ob sie nemlich 1mò sammentlich directè, oder 2dò nur
einige directè, andere aber indirectè dadurch betroffen seynd. 1ten Falls seynd
es so viele Injurien und besondere Actiones als Personen, folglich wird eine
Action durch die andere weder verhindert, noch ausgeschlossen oder aufgehoben.
2ten Falls können indirectè Betroffene nur in Subsidium, oder
Interventions-weis accessoriè klagen.
Durch
Landsfürstlichen Macht-Spruch?
§.
16. Gnädigste Lands-Herrschaft behalt sich hiermit noch weiter bevor, die
Schmach-Klagen
nach Gestalt der Sachen, Personen
(487)
und Umständen, sonderbar bey denen von Adel oder nahen Anverwandten, auch
wieder Willen der interessirter Theilen aus Lands-Fürstlicher Macht ganz und
gar abzustellen, aufzuheben, und zu vernichten, welchenfalls jedoch zu
Höchst-Deroselben erleuchtister Erkanntnuß und Ermässigung stehet, ob und wie
weit sie ein oder anderen Theil der verübten Ungebühr halber ohne Verletzung
der Ehre bestraft wissen wollen.
Oder
von Richterlichen Amts-wegen,
§.
17. Von Richterlichen Amts-wegen kan ohne Einverständnuß beeder Theilen die
Schmach-Klag nicht gegeneinander aufgehoben werden, ausgenommen in geringeren
Injurien, oder wenn das Factum so zweifelhaft und unlauter ist, daß man
entweder den Anfänger nicht recht ergründen, oder sonst kein sicheres Urtheil
in Sachen fällen kan.
Durch
die Retorsion.
§.
18. Durch die Retorsion und Zuruckschiebung der Schmach wird dieselbe gleichfalls
aufgehoben. Wobey jedoch folgendes zu beobachten kommt. 1mò Bestehet die
Retorsion darin, daß man den Injurianten nicht nur Lügen straft, sondern
zugleich für den nemlichen erklärt, für welchen man von ihm gescholten worden.
Solchemnach ist 2do eine blosse Contradiction, Protestation und
Lügen-Bestraffung keine Retorsion. Desgleichen wird auch 3tio für keine
Retorsion aufgenommen, wenn man nicht das nemliche, was man empfangen hat,
sondern mehr oder minder zuruckschiebt, und z. E. demjenigen, von welchem man
für einen Ehebrecher angegeben worden, mit Schelm- Dieb- und anderen
dergleichen Schändungen begegnet. 4tò hat Retorsio nur in blossen
Verbal-Injurien, und gegen Personen, welche hierum Actione Injuriarum hätten,
belangt werden mögen, nicht aber in
Real-Schmahen
Statt. 5to Muß solche gleich mündlich auf der Stell in Gegenwart des Schmähers
geschehen, ausser in Schmahen, welche nur in Abwesenheit oder schrifftlich
zugefügt worden, dann diese werden längst inner Monats-Frist von Zeit erlangter
Wissenschaft, und sicherer Nachricht durch Schreiben oder Beschickung ehrbarer
Leuten, oder welches am rathsamsten ist, durch ein
(488)
förmlich errichtet- und dem Schmäher zugefertigtes Notariats-Instrument
retorquirt. Die Würkung einer legal- und rechtmässiger Retorsion bestehet 6tò
in obgedachter Aufhebung der Schmach, wohingegen aber auch sowol die
Æstimations- als Wiederruffungs-Klag dadurch wegfallt. Der Obrigkeit bleibt 7mo
dem ohngeacht die gebührende Straf gegen den Schmäher bevör, und solang dieser 8vò
das angeworffen- und zuruckgeschobene Verbrechen nicht darthut, solang bleibt
auch die Schmach auf ihm liegen. 9no All jetztbemelte Würkungen erfolgen aus
excessiv- oder sonst in vorgeschriebener Mas nicht beschehener Retorsion
keineswegs, sondern dieselbe wird vielmehr für eine reciprocirliche Injurie
gehalten, und hat mithin nicht nur Klag und Gegen-Klag, sondern auch auf beeden
Seiten die Straf Platz. Im übrigen ist auch 10mò Retorsio Retorsionis nicht
erlaubt, sondern es mag sich der, deme die Injurie retorquirt worden, vor des
Retorquentens ordentlicher Obrigkeit gleichwol melden, und das ihm
zuruckgeschobene Verbrechen darthun.
Von
Pasquillen oder famosis Libellis.
§.
19. Soviel die verdeckter Weis ausgeübt- offentliche Verbal-Injurien betrift,
bleibt es nicht nur der Straf halber bey dem Cod. Crim. P. 1. cap. 8. §. 11.
sondern es hat auch hierin sowol gegen den entdeckten Pasquillanten als
Divulganten die nemliche Æstimations- und Wiederruffungs-Klag, wie in anderen
Verbal-Injurien, Statt.
(489)
Achtzehntes Capitul
Von
dem Lehen-Recht. (Jure Feudali.)
Was
ein Lehen seye?
§.
1. Lehen wird 1mò in unterschiedlichen Verstand, und zwar bald für den
Lehens-Contract, bald für das Lehenbare Gut, öffters aber auch für das hierauf
habende Recht genommen. Das letztere bestehet 2dò in dem unter- oder nutzbaren
Eigenthum (Dominio utili) welches man auf einem Gut unter dem Geding der
dagegen zu leistender besonderer Treu erlangt hat. 3tiò Wird der Verleiher
eines solchen Rechts Dominus Feudi directus oder Lehens-Herr, der Empfänger
hingegen Dominus utilis, Vasallus, Mann, oder Lehen-Mann benamset. Die
sogenannte Zins-Lehen werden 4tò nicht nach Lehen-Recht beurtheilt, gehören
folglich nicht hieher. Vielweniger muß man 5tò das Pfarr-Lehen (Jus Patronatûs)
oder die Viertl-Höf, welche man hier zu Land ebenfalls Lehen zu nennen pflegt,
mit gegenwärtigen Lehen vermischen.
Und
Allodium?
§.
2. Allodium wird zwar in gemeinen Verstand nicht nur dem Lehen, sondern auch
dem Fideicommiss, in eigentlichen aber nur dem ersten allein entgegen gesetzt,
und hierunter eine Sach verstanden, worüber man entweder vollkommener Herr und
Eigenthümer (Dominus plenus) ist, oder doch wenigst ein auf andere Weis als in
Lehens-Sachen eingeschränktes Eigenthum hat. Der Unterschied zwischen Allodial
und Lehen erscheint aus folgenden §vis, und wird übrigens in Zweifel eine Sach
allzeit mehr für Allodial, als Lehen geachtet.
(490)
Unterschied der Lehen,
§.
3. Von denen unterschiedlichen Gattungen deren Lehen seynd hauptsächlich
folgende, nemlich Ritter- und Beutel- neu- und alt- erblich- oder aus Geding
und Vorsehung der Voreltern herrührend- Mann- und Weiblich- gegeben-
aufgetragen- oder gekauft- recht eigentlich- und uneigentliche Haupt- und
Affter-Lehen, zu Latein Feuda Equestria, Bursatica, Nova, Antiqua, Hæreditaria
vel ex Pacto & Providentiâ Majorum acquisita, Mascula, Fœminea, data,
oblata, Empta & Subfeuda zu bemerken. Von denen letzteren siehe unten §vo
60. Von denen übrigen aber §vo seq. 4. & c.
Insonderheit
von Ritter- und Beutel-Lehen,
§. 4.
1mò Wenn das Lehen so beschaffen ist, daß man Ritter-Dienst hievon zu leisten
hat, so heißt es ein Ritter- oder Adeliches, sonst aber ein Beutel- oder
gemeines Lehen, und werden 2dò alle hierländische Lehen, wie sie immer Namen
haben, zu ein- oder anderer Gattung gerechnet. Bey vorfallenden Zweifel, zu was
für einer von beeden Gattungen das Lehen gehörig seye, muß 3tiò die wahre
Eigenschaft zuförderst aus dem Lehen-Brief, oder wo dieser keine genügliche
Auskunft giebt, aus denen Würkungen und anderen Umständen ermessen werden. 4tò
Die dem Lehen annectirte Jurisdiction, wieauch der Personal-Adel des Lehen-
Manns ist zwar in Zweifel ein wahrscheinlich- aber kein nothwendiges Merkmahl
von einem Ritter-Lehen, dann es kan ein Ritter-Lehen auch ohne - und hingegen
ein Beutel-Lehen mit der Jurisdiction verliehen werden. Desgleichen mag man 5tò
Beutel-Lehen einem Rittermässigen, und hingegen Ritter-Lehen einem Burger oder
Bauern verleihen, ohne daß dieser dadurch geadlet wird, oder das Lehen deswegen
eine andere Qualität annimmt. 6tò Seynd endlich weder Ritter- noch Beutel-Lehen
mit Frey-Lehen (Feudis Francis) zu confundiren. Dann obschon die erste von dem
Lehenreich, und die andere von dem Ritter-Dienst befreyet seynd, so ist man
doch von Frey-Lehen weder zu ein- noch anderen verbunden, und sofern ein
Ritter- oder Beutel-Lehen auf solche Art befreyet wird, so bleibt es
nichtsdestoweniger in all anderen Stücken bey der gewöhnlicher Lehens-Art und
Eigenschaft.
(491)
Von alt und neu Lehen.
§.
5. 1mò Neu Lehen heißt, welches der Lehen-Mann selbst zuerst erlangt hat, alt
Lehen aber, welches seinen Voreltern schon verlichen gewest, und von
denenselben durch die
Lehens-Folge
weiter auf ihn gekommen ist. Es kan 2dò mit Einverständnuß des Lehen-Herrns und
Lehen-Manns, jedoch ohne Præjuditz eines dritten Interessentens, ein neues
Lehen für alt, und hingegen ein altes für neu verliehen werden, wodurch mithin
auch Natura Feudi verändert, und respectivè in ein alt- oder neues Lehen
verwandlet wird. Welches aber 3tiò in dem Lehen-Brief deutlich ausgedruckt
werden muß, dann sonst bleibt ein jedes Lehen vielmehr bey ihrer voriger Natur.
Eigenthümliche Stück, welche etwan 4tò durch Auftrag, oder sonst einem alten
Lehen erst neuerlich einverleibt worden, nehmen dadurch Naturam Feudi Antiqui
nicht gleich an, sondern bleiben an sich solang Feuda Nova, bis sie gleichwol
mit der Zeit durch die Lehens-Folge ebenfalls Feuda Antiqua werden. Ein andere
Beschaffenheit hat es 5tò mit dem blossen natürlichen Lehens-Anwachs,
(Incremento Feudi) dann dieser richtet sich nach der Natur des
Haupt-Lehens-Guts. 6tò In billichen Zweifel, ob das Lehen alt oder neu seye,
wird ohne anderen vorwaltenden Muthmassungen weder eins noch anderes præsumirt,
sondern wer sich auf diese zufällige Eigenschaft beziehet, muß solche behörig
darthun. 7mo Seynd die alte Lehen von alt- Vätterlichen Stamm-Lehen, wie das
ganze von einem Theil unterschieden, dann alle alt- Vätterliche Stamm-Lehen
seynd Feuda Antiqua, aber nicht alle Feuda Antiqua alt- Vätterliche
Stamm-Lehen, anerwogen die von der Mutter, Groß-Mutter, oder Uhr-Anfrau
herrührende Gunkel-Lehen ebenfalls unter die Feuda Antiqua gehören.
Von
Erbe oder ex Pacto & Providentiâ Majorum herrührende Lehen.
§.
6. 1mò Unterscheiden sich die Erb- von denen aus Geding und Vorsehung der
Elteren herrührenden Lehen hauptsächlich in Modo succedendi, wie unten mit
Mehreren zu vernehmen. 2dò Kan ein Erb-Lehen aus denen in dem Lehen-Brief
enthaltenen Worten: Für ihn, seine Erben, und Nachkommen sowenig, als aus denen
Worten: all- und jeden Erben geschlossen werden, dann man verstehet ohne
näherer Ausdruckung
(492)
keine andere, als Lehens-fähige Erben und Nachkommen darunter. Wol hingegen
ergiebt sich 3tiò ein Erb-Lehen aus denen Worten: All und jeden sowol in- als
auswärtigen Erben, item Testaments- und natürlichen Erben und Nachkommen,
wieauch aus denen Worten: zu rechten Erb-Gut, oder Erb-Lehen, oder aus der
Clausul, daß man das Lehen frey veräusseren darf, und was dergleichen
Ausdruckungen mehr seynd. 4tò Wird das Lehen durch diese beyfällige Qualität in
kein Allodium, oder Eigenthum verwandlet. 5tò Seynd zwar alle Beutel-Lehen auch
Erb-Lehen, aber nicht vicissim alle Erb-Lehen zugleich Beutel-Lehen, dann es
kann auch ein Ritter-Lehen zu Erb-Lehen verliehen werden. Nicht weniger seynd 6tò
alle Feuda alienabilia, welche sich nemlich nach des Lehen-Manns Belieben
veräusseren lassen, ebenfalls Erb-Lehen, aber nicht vicissim. 7mo Pflegt man
Feuda ex Pacto & Providentiâ, auch umgehende Lehen zu nennen, ohne
Unterschied, ob dem Manns-Stammen überhaupt, oder nur einigen desselben, oder
auch dem Weiblichen Geschlecht à primo Acquirente hierunter vorgesehen worden.
Von
Mann- und Weiberlehen.
§.
7. 1mò Manns-Lehen heißt, was entweder von entweder von Manns-Personen ohne
Extension auf die Weibliche Nachfolge, oder aber von Weibs-Personen, jedoch mit
ausdrücklicher Einschränkung auf die Mannliche Succession am ersten acquirirt
worden. Weiber- oder Gunkel-Lehen hingegen ist 2do, was entweder eine
Weibs-Person ohne obiger Einschränkung am ersten erworben hat, oder worin
wenigst die Weibliche Succession durch Gesätz, Geding oder Herkommen fest
gesetzt ist, welches 3tio auf zweyerley Weis zu geschehen pflegt, nemlich daß
die Weibs-Personen nur auf Abgang des Manns-Stammens, oder aber zugleich mit
selben succediren. Die von letzerer Gattung werden insgemein durchgehende Mann-
und Weiber-Lehen, oder Feuda Fœminea promiscua & simultanea genannt, jedoch
in Dubio allzeit mehr jene, als diese præsumirt. 4tò Siehet man auf die Person
des Verleihers hierinfalls nicht, sondern was ein Weibsbild zu Lehen verleihet,
das ist und bleibt nichtsdestoweniger ein Manns-Lehen,
(493)
sofern nicht der Lehen-Brief oder das Herkommen ein anderes mit sich bringt.
5tò Alle Beutel- oder Erb-Lehen seynd auch durchgehende Weiber-Lehen, aber
nicht alle Weiber-Lehen hinwiederum auch Beutel- oder Erb-Lehen. 6tò Ist Manns-
und Ritter-Lehen nicht einerley, dann man pflegt auch Weibs-Personen mit
Ritter-Lehen zu belehnen, und gleichwie 7mo bereits oben verstanden worden, daß
Qualitas Feudi Antiqui denen Weiber- oder Gunkel-Lehen sowenig, als denen
Manns-Lehen zuwieder ist, also auch hat man das nemliche von Feudis ex Pacto
& Providentiâ Majorum zu beobachten, weil hierin nicht allemal für den
Manns-Stammen allein, sondern auch öffters für die Weibliche Nachkommenschaft
gesorgt wird. 8vò Halt man jedes Lehen, ausser obgedachter Beutel- oder
Erb-Lehen, solang pro Feudo Masculo, bis gleichwol Qualitas Feudi Fœminei
genugsam dargethan wird. 9no Ist endlichen auch bey denen Mann- und Stamm-Lehen
zwischen dem Passivo und Activo zu distinguiren, sohin des letzteren halber
insonderheit zu beobachten, was unten §vo 55. n. 2. von dergleichen zur
Conservation der Lehen-herrlichen Familie errichteten Stamm-Lehenschaften bey
Abgang des Manns-Stammens bemerkt ist.
Von
gegeben- aufgetragen- oder gekauften Lehen.
§.
8. 1mò Feudum Datum oder gegebenes Lehen wird genan(n) t, welches der
Lehen-Herr von seinem Eigenthum verleihet, Oblatum oder aufgetragenes hingegen,
welches er nicht von dem seinigen, sondern von des Lehen-Manns selbst eigenen
Vermögen nach vorläuffigen Auftrag in Conformitate §vi seq. 19 demselbem
hinwiederum verleihet. Unter gekauften Lehen seynd 2dò all jene verstanden,
welche der Lehen-Mann entweder von dem Lehen-Herrn selbst, oder mit dessen Bewilligung
durch Kauf, Tausch, Pfand oder sonst mit beschwerlichen Titul, jedoch
allerwegen Jure Feudi an sich bringt, es seye dann in dem Lehen-Brief
ausdrücklich enthalten, daß die vorige Natur des Lehens nicht dadurch verändert
seyn solle.
Von
eigentlich- und uneigentlichen Lehen.
§.
9. Recht- oder eigentliches Lehen (Feudum Rectum vel Proprium) muß 1mò alle
natürliche Stück und Eigenschaften an sich haben, welche zu einem Lehen
insgemein erfordert werden
(494)
, ausser dessen aber und da hieran ermanglet, wird es nur für ein
uneigentliches Lehen geachtet, insonderheit gehören 2dò obgedachte Beutel- Erb-
Frey- Gunkel- gekauft- oder veräusserliche Lehen unter die Feuda Impropria.
3tiò Wird regulariter allzeit mehr ein recht- und eigentlich- als uneigentliches
Lehen præsumirt, und wenn es gleich 4tò an einem Stück fehlt, so bleibt es doch
im übrigen bey der natürlichen Beschaffenheit eines rechten Lehens, soweit
nicht das Wiederspiel auch sonst gnugsam gezeigt werden kan.
Von
denen übrigen Lehens-Gattungen.
§.
10. All andere bey denen Feudisten findige Lehens-Arten seynd entweder hier zu
Land nicht in Uebung, oder wenigst unter obvermelten Gattungen schon begriffen.
Wer
Lehen verleihen möge?
§.
11. 1mò Kan jeder in Regulâ von dem Seinigen, womit er frey zu disponiren hat,
Lehen verleihen, und wird 2dò hierunter weder auf das Geschlecht, noch den
Stand oder Würde des Verleihers gesehen, folglich können auch die von
geringeren Stand Vornehmeren, Ungeadlete Adelichen, Weltliche Geistlichen,
Weibs-Personen Mannsbildern, ja sogar der Vasall selbst dem Lehen-Herrn auf
einem anderen Gut Lehen geben. 3tiò Statt anderer werden die Lehen nur von
Curatel, Administration oder Special-Vollmacht wegen verliehen.
Wer
Lehen empfangen könne?
§.
12. Obschon im folgenden 40isten §vo verschiedene Personen benannt seynd,
welche dem Lehen-Recht nach nicht für Successions- und Lehens-fähig geachtet
werden, so verstehet sich doch solches nur von der Lehens-Folge, nicht aber von
der Lehens-Acquisition, dann dazu seynd auch Weiber, Geistliche, und andere von
der Lehens-Folg ausgeschlossene Personen ohne Unterschied fähig, und werden
hierinfalls Kinder, Minderjährige unter der Administration stehend- oder
Abwesende von ihren respectivè Vättern, Vormündern, Vorstehern, Anwälden, wie
in all anderen, gebührend vertretten.
(495)
In was für Sachen?
§.
13. 1mò Mag alles, was nur dauerhaft ist, und durch den Gebrauch nicht verzehrt
wird, zu Lehen gegeben werden, folglich seynd auch 2dò uncörperliche Dinge
nicht davon ausgeschlossen, z. E. Jurisdictionalia, Regalia, Servitutes oder
verzinsliche Capitalia, welch letztere man insgemein den Lehen-Stam zu nennen
pflegt. 3tiò Soviel das Vermögen minderjährig- oder Curatelmässiger Personen
betrift, kan zwar der Curator oder Vormund ein altes Lehen auf vorigen Fuß
hierin erneueren, nicht aber ein neues ertheilen, oder dem alten eine
beschwerlichere Condition zum Nachtheil seines Pfleg-Befohlenens neuerlich
beyfügen, ohne daß die zu dergleichen Veräusserungen erforderliche
Sollennitäten hierunter beobachtet werden, welche Beschaffenheit es auch 4tò
mit der Belehnung in Kirchen- Gemeinden- oder anderen Milden-Stifftungs-Gütern
hat. 5tò Leidet endlich auch fremdes Gut zwar eine Belehnschaft, jedoch dem
wahren Eigenthümer an seinem Recht unabbrüchig, oder höchstens nur ad Effectum
Præscriptionis, und ist auch der Lehen-Herr zur Gewehrschafts-Leistung nicht
verbunden, wenn das Lehen aus blosser Gnad und Wohlthat verliehen ist, ausser
dessen aber wird distinguirt, ob der Lehen-Mann das Gut von dem Lehen-Herr selbst,
oder nur mit dessen Bewilligung von einem anderen Titulo oneroso an sich
gebracht habe. Erstenfalls leistet der Lehen-Herr selbst die Gewehrschaft,
andernfalls aber derjenige, von welchem man das Lehen auf diese Weis erlangt
hat.
Wie
ein Lehen von neuem errichtet werde?
§.
14. Entweder wird ein neues Lehen errichtet, oder das errichtete von einem auf
den anderen gebracht, das erste geschiehet durch die Belehnung, Coinvestitur,
Anwartschaft, Auftrag- oder Verjährung, das letztere zwar ebenfalls durch die Præscription,
gemeiniglich aber durch die Lehens-Folg oder Veräusserung, alles nach mehreren
Innhalt folgender Ordnung.
Und
zwar durch blosse Zusag oder letztwillige Disposition?
§.
15. 1mò Wird durch die blosse Zusag oder letzte Willens-Verordnung, welche zuweilen
vor dem Lehens-Contract und würklicher Belehnung herzugehen pflegt, das Lehen
noch nicht errichtet,
(496)
und zum völligen Stand gebracht, sondern nur der Weeg dazu gebahnt, immassen
man dadurch 2dò kein mehreres Recht erlangt, als daß der Versprecher, oder
dessen Erb um die würkliche Investitur und Berichtigung des zugesagt-
respektivé vertestirt- oder verschaften Lehens Actione personali ex Pacto vel
Testamento belangt werden kan. 3tiò Dafern das nemliche Lehen-Gut mehrern
successivè versprochen worden, so hat der Aeltere das Vorrecht, es hätte dann
der Folgend- oder Jüngere die Possession, oder wengist ein Jus Reale voraus
erlangt, welchenfalls er zwar vor dem Aelteren den Vorzug hat, diesem aber
gleichwol der Regress wegen gebührender Schadloshaltung an den Versprecher und
seine Erben übrig bleibt.
Durch
die Belehnung und Investitur?
§.
16. Lehens-Empfängnuß oder Belehnung, (Investitura Feudalis) ist 1mò nichts
anders, als der zwischen dem Lehen-Herrn und Lehen-Mann gepflogene
Lehens-Contract, welcher hauptsächlich in drey Stücken, nemlich in würklicher
Verleihung des Lehens, Erstattung der Lehens-Pflicht, und Ausfertigung des
Lehen-Briefs bestehet. Falls nun 2dò die Verleihung mittels würklicher Uebergab
entweder per Traditionem veram oder fictam geschiehet, so ist es eine wahr- und
vollkommene Belehnung (Investitura propia) ohne sothaner Uebergab aber ist sie
3tiò zwar nicht ungültig, wird aber nur eine unvollkommene Belehnung, oder
Investitura impropria & abusiva, genannt. Durch diese letztere erlangt auch
4tò der Lehen-Mann weder Dominium utile noch die Possession von dem Lehen,
sondern nur Jus Reale, folglich die Befugnuß, daß er entweder selbst von dem
Lehen, sofern Possessio vacua ist, eigenmächtiger Weis Besitz nehmen, oder zu
Erlangung dessen sowol gegen den Lehen-Herrn als den dritten Innhaber, soweit
dieser kein älter- und besseres Recht darzuthun vermag, rechtliche Klag stellen
mag. Durch die Investituram propriam aber wird 5tò sowol Dominium utile, als
Possessio Naturalis & Civilis erlangt, wobey man jedoch allzeit supponirt,
daß zur Zeit sothaner Investitur kein Dritter im Besitz des Lehens seye, massen
solchenfalls die Uebergab eheunter nicht Statt hat, bis der Dritte sich
entweder der Possession selbst gutwillig begiebt, oder derselben in Viâ Juris
durch die Obrigkeit entsetzt wird. 6tò Ist einerley, ob die Uebergab bereits
vor Erstattung
(497)
der Lehens-Pflicht und Ausfertigung des Lehen-Briefs, oder erst hernach
geschehen seye. Vermög jetztgedachter Lehens-Pflicht verbindet sich 7mo der
Lehen-Mann eidlich, oder nach Gestalt des Lehens bey Hand-Streich an Eidsstatt
gegen seinen Lehen-Herrn zur besonderer Treu-Leistung, und pflegt selbe
entweder in Person, oder durch einen special- bevollmächtigten Anwald, wieauch
statt Minderjährig- oder Curatelmässiger durch die Vormünder oder Curatores an
dem gewöhnlichen Ort abgelegt zu werden, worüber sohin 8vò der Lehens-Brief
nicht soviel der Sollennität, als künftiger Prob halber gegen Bezahlung der
gewöhnlicher Schreib- und Siegel- dann anderer herkommlicher Gebühr, wieauch
gegen Ausstellung eines Lehen-Revers, soweit solcher Herkommens ist, von dem
Lehen-Herrn selbst, oder sofern er keine Siegelmässige Person ist, von der
Obrigkeit, worunter das Lehen liegt, in Formâ solitâ ausgefertiget wird, immassen
derselbe 9no bey vorfallenden Lehens-Irrungen der Rechts-Regul nach, quod Pacta
dent Legem Contractibus, den vorzüglichen Ausschlag giebt, auch in
zweifelhaften Verstand zwar 10mò allzeit genau, jedoch mit Beobachtung dessen,
was eine vernünftige Interpretation auch in anderen Pactis überhaupt mit sich
bringt, sonderbar aber nach der Natur des Lehens ausgelegt werden solle. Von
Erneuerung der Investitur und des Lehen-Briefs siehe unten §vo 47. &c.
Durch
die Mitbelehenschaft und Coinvestitur?
§.
17. Die Mitbelehnschaft oder gesammte Hand (Investitura simultanea) ist 1mò
nicht nach Sächsischen, sondern nach gemeinem Lehen-Recht, und alt üblichen
Lands-Gebrauch zu beurtheilen. 2dò Ergiebt sich solche auf zweyerley Weis, wenn
nemlich mehr Personen mit dem nemlichen Lehen, und von dem nemlichen
Lehen-Herrn dergestalt belehnt seynd, daß erstens der würkliche Lehen-Genuß und
Condominium utile sammentlichen Coinvestitis, oder zweytens nur einem oder
etwelchen allein, denen übrigen aber nicht zukommt. Diese letztere wird 3tiò
Investitura simultanea eventualis genannt, und mehr für eine Gattung von
Anwartschaft oder Expectanz geachtet, die erste hingegen heißt simultanea
simplex & pura, und greift 4tò nur in zwey Fällen Platz, wenn nemlich alle
Coinvestiti Jure Successionis oder sonst gleiches Recht zu den Lehen haben,
oder wenigst allerseitige Interessenten hierauf
(498)
einwilligen. 5tò Giebt die Mitbelehnschaft oder gesammte Hand einem Coinvestito
gegen den anderen kein mehreres Recht, als was auch sonst die Communion oder
Condominium unter denen Theil-Haberen mit sich bringt, folglich succedirt auch
6tò ein Coinvestitus in des anderen Antheil Kraft der Coinvestitur keineswegs,
sofern es nicht Jure Sanguinis, oder aus anderen Recht geschehen kan, also wenn
zum z. E. Mann und Weib auf einem Gut miteinander belehnt werden, so succedirt
das Ueberlebende in des verstorbenen Ehegattens Antheil Kraft der Coinvestitur
nicht, es seye dann in solidum oder wenigst eventualiter auch auf den anderen
Theil coinvestirt. Im übrigen hat es 7mo mit der Coinvestitur die nemliche
Beschaffenheit, wie mit der Investitur, und wird 8vò nicht allzeit ein
besonderer Lehen-Brief hierüber errichtet, sondern man pflegt Coinvestitos
meistentheils nur dem Haupt-Brief einzuverleiben. 9no Unterscheiden sich
Coinvestiti von Con- und Neben-Vasallen hauptsächlich darin, daß viele zwar den
nemlichen Lehen-Herrn, aber nicht, wie Coinvestiti, auch das nemliche Lehen
zusammen haben.
Durch
Expectanz und Anwartschaft?
§.
18. Expectanz und Anwartschaft, Kraft welcher man nemlich von dem Lehen-Herrn
auf ein künftig-heimfälliges Lehen versichert wird, pflegt 1mò durch blosse
Zusag oder eventuale Investitur mitgetheilt zu werden. Letzterenfalls erlangt
2dò der Expectant dadurch ein Jus Reale, dergestalt, daß er Casu eveniente
nicht nur den Lehen-Herrn um die würkliche Belehn- und Einraumung des
erledigten Lehens, sondern auch jeden dritten Besitzer, der kein besseres Recht
hierauf darzuthun hat, um die Abtrettung desselben belangen kan. Erstenfalls
aber hat er 3tiò nur gegen den Lehen-Herrn und seine Erben einen
Personal-Anspruch. 4tò Unter mehr Exspectivirten wird die Special- einer
General-Expectanz vorgezogen. In mehr Expectanzen von gleicher Art aber gehet
5tò derjenige vor, welcher die Possession oder Jus Reale am ersten erlangt hat,
doch ist der Lehen-Herr solchenfalls denen älteren Exspectanten Schadloshaltung
und Interesse zu præstiren schuldig. 6tò Gilt eine mündliche Expectanz soviel,
als eine schrifftliche, sofern nur jene gnugsam bewiesen werden kan. Die
Lehens-Pflicht aber legt 7mo Expectivatus vor erledigten Fall nicht ab, er
werde dann zugleich eventualiter investirt.
(499)
8vò Wird die Expectanz in Zweifel strictissimè interpretirt, folglich auch von
einem Lehen auf das andere nicht erstreckt, ausgenommen bey
General-Anwartschaften, da man in Zweifel allzeit das nächst vacirende Lehen
hierunter verstehet. 9no Bedarf der Lehen-Herr zur Ertheilung der Expectanz den
Consens des Vasallens keineswegs, weil im selbe nichts præjudicirt, und erst
nach erledigt- und heimgefallenen Lehen ihre Würkung erreicht. 10mò Stirbt
Expectivatus vor erledigten Fall, so transmittirt er nichtsdestoweniger das
Expectanz-Recht auf seine Erben, wenn schon derselben in dem Brief nicht
gedacht worden, ohne Unterschied, ob die Anwartschaft per Pactum inter Vivos
oder Mortis causâ ertheilt worden. 11mò Erlöscht die Expectanz durch Absterben
des Lehen-Herrns nicht, sondern es haften auch seine Erben, nicht aber
Successores singulares hierum, ausser soweit diese auch in anderen Fällen seine
Stell zu vertretten haben. Sobald sich aber 12mò der Casus Expectativæ ergiebt,
muß sich Expectivatus von Zeit der Wissenschaft inner Jahr und Tag bey Straf
der Verwürkung um die Belehnung behörigen Orts anmelden, und Præstanda
præstiren.
Durch
den Auftrag?
§.
19. Nimmt der Lehen-Mann sein frey- eigenthumliches Allodium von einem anderen
zu Lehen, so heißt es 1mò ein Lehens-Auftrag (Oblatio Feudi) und begreift 2dò
dreyerley Handlungen in sich, nemlich fürs Erste die vorläuffige Abred wegen
des künftigen Auftrags, zweytens die Uebergab des Ober-Eigenthums, oder Dominii
directi von dem aufgetragenen Gut an den künftigen Lehen-Herrn, und drittens
die würkliche Belehnung des neuen Lehen-Manns mit sothanen Gut. In dieser
letzten Handlung allein bestehet 3tiò die Wesenheit jetztbemelten Auftrags, und
ist hierunter das nemliche zu beobachten, was auch in gegebenen Lehen von der
Investitur und Belehnung oben versehen ist. Die erste Handlung ist 4tò nicht de
Substantiâ eines Lehen-Auftrags, und erwachset auch allenfalls hieraus kein
Mehreres, als Actio personalis gegen den Versprecher und seine Erben um den
versprochenen Auftrag vollends ins Werk zu richten. Die andere Handlung aber
pflegt 5tò gemeiniglich zu gleicher Zeit und uno Actu mit der Belehnung zu geschehen,
dann eben dadurch, daß man
(500)
das aufgetragene Gut zu Lehen empfangt, wird auch dem Lehen-Herrn brevi Manu
das Dominium directum davon übergeben. 6tò Geschiehet der Auftrag bald mit-
bald ohne Beschwerde des Lehen-Herrns (Titulo oneroso vel gratuito) auf die
erste Weis, wenn er z. E. obverstandenes Dominium directum von dem Lehen-Mann
erkauft, oder etwas anderes dagegen verspricht, auf die andere Weis, wenn der
Lehen-Mann sich aus blosser Freygebigkeit zu dem Auftrag einverstehet. 7mo Wird
der Auftrag, welcher nicht ganz klar erscheint, in Zweifel niemal, sonder
vielmehr ein Feudum Datum, oder gar ein Irrthum præsumirt. 8vò Kan ohne
Lands-herrlich- gnädigster Bewilligung kein Innländisches Gut an auswärtige
Stände zu Lehen ausgetragen werden.
Durch
die Verjährung?
§.
20. 1mò Wer sich auf einem Gut der Lehen-herrlichen Gerechtsamen, z. E. durch
Erforderung des Ritter-Dienst, Lehen-Reichs, oder würklicher Belehnung ohne
Verbott oder Contradiction anmasset, und von selber Zeit in dreyssigjährig-
ununterbrochenen Besitz verbleibt, der hat das Dominum directum auf sothanen
Gut sowol gegen den Lehen-Mann als einen Dritten verjährt und ersessen, ob sich
schon hernach bezeigt, daß das Gut entweder gar nicht, oder wenigst demselben
nicht Lehenbar gewest seye. Gleiche Bewandnuß hat es 2dò auf Seiten des
Lehen-Manns, wenn er sich ohne Verbott oder Wiederred eines Guts nicht, als
Eigen, sondern als Lehen anmasset, sofort in dreyssig-jährigen Besitz desselben
verbleibt, dann dadurch wird nicht nur gegen den Lehen-Herrn, sondern auch
gegen Dritte das Dominum utile, soweit als sich sein Besitz erstreckt hat,
gleichfalls verjährt und ersessen, ohngeacht sich nach der Hand äussert, daß
das Gut entweder gar kein Lehen, oder wenigst ein anderer zum Theil oder ganz
davon Lehen-Mann gewest seye. In beeden Fällen ist 3tiò auf das, was oben P. 2.
cap. 4. von der Verjährung überhaupt versehen ist, mitzureflectiren. Von
Aufhebung eines Lehens durch Verjährung siehe unten §vo 52.
Von
denen Würkungen eines Lehens, und zwar von dem Dominio directo & utili.
§.
21. Die Haupt-Würkung eines Lehens besteht 1mò auf Seiten des Lehen-Herrns in
dem Domino directo, oder
(501)
Grund- und Ober-Eigenthum des Lehen-Guts, auf Seiten des Lehen-Manns aber in
dem Domino utili, oder unter- und nutzbaren Eigenthum. Vermög des letzteren hat
2dò der Vasall das Lehen-Gut auf die nemliche Art, wie es oben cap. 7. §. 7.
dem Erb-Rechter bey dem Erb-Rechts-Gut von Rechts-wegen zustehet, allerdings zu
benutzen, und zwar 3tiò nicht cumulativè mit dem Lehen-Herrn, sondern privativè
mit Ausschluß desselben, jedoch 4tò dergestalt, daß das Gut in wesentlichen
Stand erhalten, sohin auch allgefährlich- oder schuldhafter Abschleif bey Straf
der Felonie hierunter vermieden werde, immassen es auf dem Fall, wenn sich zwischen
dem Lehen-Herrn und Lehen-Mann eine Irrung desfalls ereignet, hierin ebenso,
wie zwischen dem Erb-Rechts-Herrn und Grundholden laut cap. 7. §vi 8. gehalten
werden soll.
Von
denen Lehens-Bürden.
§.
22. 1mò Hat der Lehen-Mann nicht nur das, was in Ansehen des Lehen-Guts an
Grund-Zinsen, Steurn, Anlagen, Scharwerken, Zehenden, und dergleichen zu
entrichten ist, sondern auch was auf Erziehl- und Einbringung deren
Guts-Früchten, oder zu dessen nöthiger Conservation verwendet wird, ex
Fructibus Feudi abzutragen. 2dò Giebt er zwar dem Lehen-Herrn, wo kein anders
bedungen oder Herkommens ist, weder Stift noch Gilt, oder andere jährliche
Præstationes von dem Lehen-Gut, wol aber ist zu Ritter-Diensten, oder in
Beutel-Lehen zum Lehen-Reich verbunden, nach mehreren Inhalt §vi seq. 24. &
49.
Von
der Treu-Leistung.
§.
23. Obwol 1mò jeder nach allgemein- natürlichen Pflichten und Rechten seinem
Neben-Menschen die Treue schuldig ist, so wird doch der Lehen-Mann gegen seinen
Lehen-Herrn durch die ihm abgelegte besondere Lehens-Pflicht in weit höheren
Grad hierzu verbunden. Der Lehen-Herr hingegen ist 2dò dem Vasallen zu mehreren
Treu als zu anderen nicht obligirt. Im übrigen ist zwar auch 3tiò die
Lehens-Pflicht von der Unterthans-Pflicht unterschieden, aber mit selber in der
nemlichen Person nicht incompatibl. 4tò Ohngeacht dem Lehen-Mann der
gewöhnliche Lehens-Eid etwan nachgelassen worden, ist er nichtsdestoweniger zur
Treu-Leistung, und all anderer Lehenmännischer
(502)
Obliegenheit verbunden. 5tò Soweit nur die Angelobung, statt cörperlichen Eids,
bishero üblich gewest, hat es noch ferner dabey sein Verbleiben.
Von
dem Ritter-Dienst.
§.
24. Die Personal-Lehens-Dienst werden von Beutel-Lehen nicht, wol aber von
Ritter-Lehen præstirt, welcherwegen es auch sowol in Kriegs- als
Friedens-Zeiten bey dem Herkommen sein Verbleiben hat.
Von
der Lehens-Vormundschaft.
§.
25. Die sogenannte Lehens-Vormundschaft ist in hiesigen Landen nicht üblich,
sondern wenn der Lehen-Mann mit Hinterlassung minderjähriger Kindern stirbt, so
werden sie, wie andere, in Via ordinariâ bevormundet.
Von
Lehen-Schulden und zwar erster Gattung.
§.
26. 1mò Ist hier die Rede nur von denen durch dem Lehen-Mann gemachten, nicht
aber von Lehen-herrlichen Schulden, dann um diese letztere haftet das Lehen
entweder gar nicht, oder nur eventualiter auf den Ruckfall, ausgenommen, was
etwan schon vor Errichtung desselben Re adhuc integrâ förmlich hierauf
versichert worden. Soviel aber 2dò die Schulden des Lehen-Manns betrift, werden
dieselbe in Erb- oder Lehen-Schulden, und diese letztere wiederum in zweyerley
Gattungen abgetheilt. Von denen Erb-Schulden siehe folgenden 28isten §vum.
Unter die Lehen-Schulden erster Gattung rechnet man 3tiò nur jene, welche zum
beständigen- und erweislichen Nutzen des Lehens, z. E. auf Herstellung
nutzlicher Gebäuden, nöthige Process-Kösten in Streittigkeiten, welche das
Lehen selbst betreffen, item auf die in Ansehen desselben erlegte feindliche
Contributiones und Brand-Schätzungen, oder auf gültig- und Rechts-beständige
Erkauffung des Lehens verwendet worden. Um diese und dergleichen in Rem Feudi
vertirte Lehen-Schulden haftet 4tò das Lehen nicht nur quò ad Fructus, sondern
auch hauptsächlich quò ad Substantiam und dergestalt, daß das Allodium des
Lehen-Manns nur zur Hülf, und soweit nemlich das Lehen nicht mehr hinreicht, in
Subsidium excutivè hierum angegriffen und veräussert wird.
(503)
5tò Hat es mit dem Surrogato Debiti Feudalis, welches nemlich zu Entrichtung
sothaner Lehen-Schulden verwendet worden, eben diese Beschaffenheit, wohingegen
6tò der zu Erziehl- oder Einbringung deren Früchten, Præstirung des
Ritter-Diensts oder Lehen-Reichs, dann auf andere dergleichen
Ordinari-Lehens-Bürden gemachte Aufwand nicht anhero gerechnet wird. 7mo Greift
unter mehr Lehen-Schulden in Concursu das Vorzugs-Recht den dem Lehen auf die
nemliche Art, wie unter Allodial-Schulden bey dem Allodio Platz.
Zweyter
Gattung.
§.
27. Unter die Lehen-Schulden von zweyter Gattung gehören 1mò die consentirte
Schulden, welche nemlich der Lehen-Mann mit Consens des Lehen-Herrns, und all
übriger Lehens-Interessenten gemacht hat, woben 2dò die in dem Lehen-herrlichen
Consens mitbeygefügte Clausula: Salvo Jure nicht im Weeg stehet, massen dem
Lehen-Herrn dadurch ohne anderweit-ausdrücklicher Reservation nichts als das
Dominium directum und die vorige Qualität des Lehens vorbehalten wird. Falls
aber 3tio der Consens nur auf gewisse Zeit ertheilt ist, so hört auch nach
Ausgang sothaner Zeit ohne Auswürkung weiterer Prolongation die Qualitas Debiti
Feudalis auf, und wird sofort aus einer Lehen(-) in eine Erb-Schuld verwandlet.
4tò Erstreckt sich der Consens von dem Capital auch auf das Interesse, ohne
Unterschied, ob solches ex Pacto vel Morâ herrührt. Denen consentirten Schulden
pflegt man zwar 5tò de Jure Communi gleichzuschätzen, was auf des Lehen-Manns
Begräbnuß, oder auch in Lebzeiten zu seiner Erhaltung in äusserister Noth,
wieauch zu seiner Frauen und Kindern respective Wittib-Sitz und bedürftiger
Alimentation, oder Aussteurung deren Töchtern in gebührender Mas erlauft, hier
zu Land aber ist auch in all diesen Posten der ausdrücklich- Lehen-herrliche
Consens vonnöthen, welcher jedoch in dergleichen Umständen nicht abgeschlagen
zu werden pflegt. Der Unterschied zwischen denen Lehen-Schulden von erst- und
zweyter Gattung bestehet 6tò darin, daß Substantia Feudi vor die letztere nicht
principaliter, wie vor die erste, sondern nur zur Hülfe, und soweit nemlich
weder die Fructus Feudi, noch die Allodial-Güter des Lehen-Manns mehr
hinlänglich seynd, in Subsidium angegriffen und veräussert werden mag. 7mo
(504)
Weichen die Schulden von zweyter Gattung denen von erster in Concursu sowol bey
dem Lehen selbst, als denen Fructibus desselben allerdings aus, gehen hingegen
unter sich nach dem Vorzugs-Recht, und tritt endlich 8vò das Surrogatum, womit
eine andere Lehen-Schuld von jetztberührt- zweyter Gattung getilgt worden,
allzeit in die nemliche Stell und Qualitatem Debiti ein.
Von
des Lehen-Manns Erb- oder Allodial-Schulden.
§.
28. All übrige Schulden, welche nicht zu einer von obigen beeden Gattungen
gehörig seynd, werden Allodial- oder Erbschulden genannt, und haftet 1mò
Substantia Feudi hierum weder principaliter noch in Subsidium, sondern der
Lehen-Mann, welcher sie gemacht hat, bezahlt solche aus eignen Mittlen, mithin
auch ex Fructibus Feudi, soweit ihm dieselbe in seinen Lebzeiten noch zu Guten
gehen, jedoch 2dò dergestalt, daß man ihn derwegen weder aus der Possession des
Lehens setzt, noch demselben alle Nutzungen benimmt, sondern soviel davon übrig
laßt, als zu Bestreittung des Lehen-Diensts erforderlich ist. Seine
Lehens-Folger (Successores Feudi) mögen 3tiò um sothane Erb-Schulden nicht
belangt werden, ausgenommen wenn sie zugleich seine Allodial-Erben seynd. Bey
denen übrigen Lehens-Folgern aber, welche seine Allodial-Erben nicht seynd, ist
4tò zu distinguiren, ob keiner oder sammentliche, oder nur einige aus ihnen
consentirt haben, erstenfalls ist es keine Erb- sondern eine Lehen-Schuld von
zweyter Gattung, wenn anders der Lehen-herrliche Consens gleichfalls mit dabey gewest,
drittenfalls haften nur die Consentirende allein, jedoch eheunter nicht, als
bis das Lehen würklich an sie kommt, auch nicht weiter, als pro Quantitate
deren ihnen zugehenden Fructuum Feudi, und über Abzug dessen, was man ihnen zu
Bestreittung des Lehen-Diensts davon übrig lassen muß. 5tò Weichen die
Erb-Schulden des Lehen-Manns denen Lehen-Schulden in Concursu auch in Fructibus
Feudi allzeit aus. 6tò Werden des Lehen-Manns Schulden in Zweifel allemal mehr
für Erb- als Lehen-Schulden geachtet. 7mo Ist endlich in Ansehen der Beutel-
oder veräusserlicher Lehen zwischen Erb- und Lehen-Schulden kein Unterschied,
weil dergleichen Lehen um alle Schulden des Lehen-Manns, (505) sie mögen
beschaffen seyn, wie sie wollen, sowol in Fructibus als Substantiâ auf die
nemliche Weis, wie andere Allodial-Stück angegriffen und veräussert werden
mögen, dergestalt, daß zu sothaner Veräusserung der Lehen-herrliche Consens bey
denen veräusserlichen Lehen gar nicht, bey Beutel- und Erb-Lehen hingegen zwar
erforderlich, jedoch niemal zu verweigern ist.
Von
der Lehens-Veräusserung.
§.
29. 1mò Darf weder der Lehen-Herr dem Lehen-Mann in Dominio utili, noch dieser
dem Lehen-Herrn in Dominio directo mit eigenmächtiger Beschwer- Schmähler- oder
gänzlicher Veräusserung des Dominii utilis an den Lehen-Herrn, oder des directi
an den Lehen-Mann keine verbottene Sach, dieweil aber gleichwol eins mit dem
anderen dadurch consolidirt, und das Lehen in Allodium verwandlet wird, so
gehet solches zu Præjuditz derjenigen, welche entweder Jure Sanguinis vel
Coinvestituræ ein Recht bey der Sach haben, keineswegs an. 3tiò Stehet dem
Lehen-Herrn frey, daß er hiesigen Lands-Brauch nach des Lehen-Manns Consens
hierzu bedarf. Ob und wie weit aber 4tò der Lehen-Mann das Dominium utile an
einen Dritten mit oder ohne Lehen-herrlichen Consens zu veräusseren befugt
seye, siehe mit Mehreren aus nächstfolgenden §vis.
Was
hierunter verstanden seye?
§.
30. Unter der im nächst vorhergehenden §vo 29. Num. 4. bemelter Veräusserung
seynd 1mo alle Handlungen verstanden, wodurch das Lehen-Gut selbst entweder gar
von Handen kommt, oder wenigst beschwert oder geschmählert wird. Solchemnach
werden 2dò nicht nur Kauf, Tausch, Schankung, Uebergab statt barer Bezahlung,
Vergleich, Anverheyrathung, sondern auch die Erb-Rechts- Leib-Gedings - oder
andere Gerechtsstreitigkeits-Ertheilung, item die Verpfändung des Lehen-Guts,
und nicht weniger die Ueberbürd- oder Auflegung von Zins- oder
Grund-Dienstbarkeiten, Austrägen, und dergleichen Guts-Beschwernussen anhero
gerechnet. 3tiò Obschon durch die unter mehr Lehens-Folgern vornehmende
Verteilung
(506)
nur jedem seine gebührende Lehens-Quota angewiesen wird, so gehört doch solche
nichtsdestoweniger unter die Lehens-Veräusserungen. Soviel hingegen 4tò nur den
Pacht oder Bestand betrift, wird solcher für keine Alienation geachtet, weil er
nicht das Lehen-Gut selbst, sondern nur die Früchten und Nutzungen, folglich
blosse Allodialien betrift, womit der Lehen-Mann nach eignen Belieben frey
schalten und walten kan. Von denen Alienationibus per Actum Mortis causâ,
wieauch von Affter-Belehnungen siehe unten besonders.
Von
dem Lehen-herrl. Consens in solcher Veräusserung.
§.
31. Jetztgedachte Veräusserung kan 1mò ohne Lehen-herrlicher Bewilligung weder
ganz noch zum Theil bestehen, und ist 2dò der stillschweigende Consens, wieauch
die blosse Lehen-herrliche Besiegl- oder Bestättigung des Contracts, deme die
Verpfändung des Lehens etwan nur incidenter miteinverleibt worden, keineswegs
hinreichend, sondern es muß ausdrücklich, und annebens 3tio auch schrifftlich
geschehen, immassen der Lehen-Herr, sofern er anders Siegelmässig ist, oder die
Jurisdiction über das Lehen hat, den sogenannten Willen-Brief selbst hierüber
ausfertigen, oder solches durch eine andere Siegelmässige Person verrichten lassen
kan. 4tò Mag kein Curator oder Vormund statt des minderjährigen Lehen-Herrns
ohne denen zu einer Veräusserung gebrauchten Sollennitäten hierinfalls
consentiren, ausgenommen in denen §vo seq. 32. benannten Fällen. 5tò Wird der
Consens auf zweyerley Weis ertheilt, nemlich daß entweder das ganze Lehen sowol
mit dem Dominio directo als utili veräussert, und allodial gemacht, oder aber
nur das Utile allein an einen Dritten überlassen, mithin statt des vorigen ein
anderer Vasall substituirt werde. Das letztere wird in Zweifel allzeit mehr,
als das erste gemuthmasset, sonderbar wenn der Consens-Brief die Clausulam:
Salvo Jure in sich halt, als welche zwar ohnehin schon allzeit stillschweigend
mitinbegriffen ist. 6tò Pflegt der Consens in Dubio genau interpretirt, mithin
von einer benannter Specie Alienationis auf die andere, z. E. von Kauf auf
Tausch nicht ausgedehnt zu werden, und soviel 7mo die Verpfändung insonderheit
betrift, wird solche nicht einmal unter dem ad alienandum ertheilten
General-Consens verstanden, im übrigen ist 8vò gleichgültig, ob nur der
Glaubiger, oder der Schuldner, oder beede zugleich den Consens ad oppignorandum
(507)
auswürken. 9nò Hat aber der Herr einmal in die Verpfändung gewilliget, so
bedarf es zu Verkauffung des Lehens um selbiger Schuld wegen eines neuen
Consens nicht mehr. 10mò Præjudicirt der Consensus ad oppignorandum dem
Lehen-Herrn und seinen Erben soweit, daß der hernach das Lehen wegen Caducität
oder sonstigen Ruckfalls solang nicht einziehen kan, bis der Pfand-Glaubiger befriediget
ist, dahingegen schadet ihm 11mò bemelter Consens an seinem Vorgangs-Recht
wegen Ruckständiger Grund- und Lehen-herrlicher Præstationen an Lehen-Reich
oder Ritter-Diensten nichts. 12mo Kommt der Lehen-herrliche Consens auch denen
Erben des Vasallens zu Guten, und erlöscht ohne sonderbaren Geding durch den
Tod nicht. 13tiò Stehet selber denen Rechtmässigen Lehens-Folgern an dem laut
folgenden fünf- und dreyssigsten §vi gebührenden Wiederruffungs-Recht niemal
entgegen, und hat es auch 14tò mit dem Consensu conditionato die nemliche
Beschaffenheit, wie mit anderen conditionirten Handlungen überhaupt.
Fälle,
worin der Lehen-herrliche Consens ad alienandum gar nicht nöthig, oder wenigst
nicht zu verweigeren ist.
§.
32. In Feudis alienabilibus braucht man den Lehen-herrlichen Consens ad
alienandum weiter gar nicht mehr. Soviel aber die Fälle betrift, worin bemelter
Consens zwar nicht umgangen, doch auch nicht abgeschlagen werden darf, bestehen
selbe hiesiger Observanz lediglich in Beutel-Lehen, wieauch in Veräusserungen
um obgedachter Lehen-Schulden wegen sowol von erst- als zweyter Gattung, jedoch
der letzten halber nur in Ermanglung des Allodii.
Straf
des vernachlässigten Lehen-herrlichen Consens bes denen Lehens-Veräusserungen
§.
33. Die ohne Lehen-herrlichen Consens unternommene Lehens-Veräusserung hat 1mò
nicht nur an sich keine Kraft und Würkung, sondern ist auch 2dò eine Species
Feloniæ, und kommt hierunter all jenes, was unten §vo 51. von Num. 3. bis 10.
inclusivè wegen Caducität und Heimfälligkeit des Lehens überhaupt verordnet
ist, in schuldige Beobachtung, sonderbar aber ist 3tiò allhier zu merken, daß
das Lehen dem Lehen-Herrn wegen übergangenen Consens nur alsdann heimfällig
wird, wenn das veräusserte Gut per Traditionem veram würklich ausgeliefert
worden, solchemnach ziehet 4tò eine
(508)
blosse Verhypothecirung des Lehens ohne würklicher Einantwortung desselben,
wieauch die Beschliessung des Kauf, Tausch oder anderen dergleichen auf die
Alienation ziehlenden Handels zwar wol die Nullität und willkürliche Straf,
nicht aber erwehnte Caducität nach sich, welche Beschaffenheit es auch 5tò in
Casu Traditionis fictæ, die nur per Constitutum Possessorium, oder sonst brevi
Manu geschiehet, wie nicht weniger 6tò mit der Vererbrechtung eines Lehens, oder
anderer dergleichen Gerechtigkeits-Ertheilung hat, ohngeacht die Aushändigung
etwan bey diesen letzteren per veram Traditionem hierunter geschehen ist. 7mo
Die blosse Anzeig der vorhabender Veräusserung oder auch das beschehene
Ansuchen um den Consens ohne dessen würklichen Erfolg befreyet von der
Caducität nicht. Vielweniger dient 8vò zur Entschuldigung, daß das veräusserte
Lehen aus Reu wiederum zuruckgenommen, oder nur Bedingnuß-weis auf anhoffend-
Lehen-herrliche Ratification ausgehändiget worden, oder der neue Successor
vorhin schon in Communione des veräusserten Lehens gewest seye. 9no Hat ferner
sowol die Nullität als Caducitäts-Straf sogar in jenen Lehen, worin sonst der
Lehen-Herr obgedachtermassen einzuwilligen schuldig ist, ebenfalls Platz, wenn
der Consens von dem Lehen-Mann nicht gesucht wird. 10mò Falls man nicht das
ganze Lehen, sondern nur einen Theil ohne Consens alienirt, so wird nur der
alienirte Theil caduc, soviel den Alienanten hievon zugehörig gewest. Dafern
auch 11mò aus mehr in Communione Dominii directi stehenden Lehen-Herrn nur ein-
oder anderer mit dem Consens umgangen worden, so haben obige Straffen weiter
nicht als pro Ratâ Statt. 12mò Ist die Bestraffung des Notarii oder desjenigen,
welcher das Instrument über dergleichen unerlaubte Veräusserung ausgefertiget
hat, heut zu Tag eine blosse willkürliche Sach. 13tiò Soviel denjenigen
betrift, der das veräusserte Gut an sich gebracht hat, ist inter bonæ vel malæ
Fidei Successorem zu distinguiren. Beede müssen das heimfällige Gut an den
Lehen-Herrn ohne Erstattung des Kauf-Schillings oder anderer Auslag abtretten,
doch bleibt dem ersten seiner gebührender Schadloshaltung halber der Regress an
den Alienanten und seine Erben bevor, dem anderen aber nicht, sondern der
Kauf-Schilling oder anderes, was er für das veräusserte Gut gegeben hat, fallt
dem Fisco anheim.
(509)
Von Wiederruffung des veräusserten Lehens auf Seiten des Lehen-Manns selbst und
des Lehen-Herrns.
§.
34. 1mò Kan zuförderst der Lehen-Mann selbst das ohne Lehen-herrlichen Consens
veräusserte Gut gegen Erstattung des Empfangs wiederum vindiciren, wenn anders
die Veräusserung bonâ Fide, und in der Meinung, daß es ein Allodiale seye, von
ihm geschehen, solches auch auf Begehren mit seinem Eid erhärtet werden kan,
und die Verjährung noch nicht vollstreckt ist. Falls aber 2dò der Lehen-Mann
die Veräusserung ex Defectu bonæ Fidei nicht mehr wiederruffen kan, so stehet
alsdann dem Lehen-Herrn frey, das Gut von der Zeit an, die die Felonie oder
Caducität incurrirt worden, inner dreyssig Jahren allenthalben zu vindiciren,
und an sich zu bringen, jedoch andergestalt nicht, als salvo Jure obberührter
Lehen-Schulden, soweit das verwürkte Lehen darum zu haften hat, und ingleichen
denen Rechtmässigen Lehens-Folgern an ihrem Wiederruffungs-Recht in Conformität
nächstfolgenden §vi unabbrüchig.
Dann
auf Seiten deren Lebens-Folgern.
§.
35. Obwol 1mò die Einwilligung derenjenigen, welche entweder aus Geding und
Vorsehung deren Vorelteren, oder von Mitbelehnschaft wegen ein
Successions-Recht an dem Lehen haben, bey dessen Veräusserung kein nothwendiges
Requisitum ist, so soll man doch um so mehr hierauf Bedacht nehmen, als im
wiederigen Fall 2dò denenselben frey stehet, das veräusserte Stück von jedem
Innhaber zu wiederruffen, und hindert 3tiò hieran nicht, daß der Lehen-Herr
seines Orts in die Alienation gewilliget hat, massen er ihnen an ihrem
Successions-Recht nichts dadurch benehmen und præjudiciren kann. 4tò Muß unter
mehr Lehens-Folgern die Ordnung bey dem Wiederruf ebenso, wie in der Succession
selbst, beobachtet werden, so das der Nähere allzeit den Weiteren
ausschliesset, unter gleichen aber der Wiederruf pro Ratâ Statt hat, und zwar
5tò ohne Unterschied, ob das Lehen an einen aus ihnen selbst, oder an einen
Auswärtigen alienirt worden. 6tò Kommt selber denen Agnaten und Lehens-Folgern
von der Seiten-Linie nicht allein, sondern auch denen Kindern oder Descendenten
des Alienantens, sofern sie sich der Allodial-Erbschaft entschlagen, vorzüglich
zu Guten. Ein blosser Anwartschafter hingegen hat 7mò kein Jus revocandi,
(510)
er seye dann bereits eventualiter coinvestirt, indem er dadurch
obverstandenermassen ein Jus Reale, folglich auch wie andere Lehens-Folger ein
Wiederruffungs-Recht hierauf erlangt. 8vò Dafern der nächste Successor entweder
nicht wiederruffen will, oder nicht kann, so wird der folgende in dem Wiederruf
nicht dadurch aufgehalten. 9nò Geschiehet solcher allzeit ohne Entgeld des
Wiederruffers, und ist er den Werth des Lehen zu erstatten nicht schuldig,
sondern es stehet dem Innhaber, welcher solches bonâ Fide und mit
Lehen-herrlichen Consens an sich gebracht hat, der Regress gleichwol an
Alienanten und seine Erben bevor. 10mò Gehet der Wiederruf bey
Partial-Veräusserungen nicht auf das ganze Lehen, sondern nur auf das
veräusserte Stuck allein. 11mò Pflegt man die Wiederrufs-Klag Actionem
revocatoriam zu nennen, und wird es im übrigen mit selber, wie mit der Rei
Vindicatione vel Publicianâ gehalten, ausgenommen, daß in gegenwärtiger Action
die Fructus Feudi dem Kläger niemal weiter, als von Zeit der gestellten Klag
zuerkennt werden. Die Fälle, worin solche Klag nicht Statt hat, siehe §vo seq.
36. Und von dem Wiederruf, welcher von Einstands-wegen geschiehet, siehe §vo
seq. 38.
Fälle,
worin Lehens-Folgere das veräusserte Lehen nicht wiederruffen mögen.
§.
36. Ermelter Wiederruf hat in folgenden Fällen nicht Statt. 1mò In Beutel- oder
veräusserlichen Lehen, wieauch, wenn die Alienation ohnehin an den nächsten
Lehens-Folger, oder wegen Lehen-Schulden geschehen, oder das veräusserte Gut
noch nicht würklich extradirt worden ist, nicht weniger in blosser Vererbrecht-
oder Gerechtigkeits-Ertheilung. 2dò Wenn der Wiederruffer des Alienantens
Allodial-Erb ist. 3tiò Nach dreyssigjähriger Præscription, welche jedoch jedem
Lehens-Folger erst von der Zeit an, da das Jus agendi vel revocandi der Ordnung
nach ihn gekommen ist, zu lauffen anfangt, mithin denen anderen, welche die
Ordnung noch nicht betroffen hat, nur soweit schadet, als sie desjenigen, gegen
welchen die Verjährung bereits vollstreckt worden, Allodial-Erben seynd. 4tò
Wenn der Alienant noch bey Leben ist, und zwar ohne Unterschied, ob er mit oder
ohne Lehen-herrlichen Consens veräussert hat, dann erstenfalls hat derjenige,
welcher das Lehen an sich gebracht, und anderenfalls der Lehen-Herr Jure
(511)
Caducitatis den Lehens-Genuß solang der Lehen-Mann lebt, und greift also der
Wiederruf von Seiten deren Lehens-Folgern erst nach seinem Absterben Platz. 5tò
Wenn diejenige, welche wiederruffen wollen, bereits in die Veräusserung
gewilliget haben, wovon jedoch das mehrere im nächstfolgenden §vo zu ersehen
ist.
Sonderbar
wenn sie in die Lehens-Veräusserung consentirt haben.
§.
37. Um verstandene Lehens-Folgere unter dem Vorwand, daß sie bereits in die
Lehens-Veräusserung consentirt haben, von dem Wiederruf auszuschliessen, wird
1mò erfordert, daß der Consens ausdrücklich und schrifftlich geschehen seye,
dann der stillschweigend- oder mündliche ist 2dò hierzu nicht hinlänglich,
folglich wenn z. E. der Lehens-Folger bey der Veräusserung gegenwärtig ist,
oder den Kaufs-Brief als Gezeug oder Beystand unterschreibt, so begiebt er sich
dadurch des Wiederrufs nicht. Desgleichen wenn er etwan 3tio das Kaufs-Anbott
nicht annimmt, so gehet zwar das Einstands- nicht aber gegenwärtiges
Wiederruffungs-Recht verlohren. 4tò Kann wieder Willen Niemand zum Consens
gezwungen werden. 5tò Schadet derselbe nur dem Bewilliger und seinen Erben
allein, nicht aber denen übrigen Lehens-Folgern, welche ihres Orts nicht
consentirt haben. 6tò Gelten die Majora gegen die Dissentientes hierinfalls
nicht. 7mo Præjudicirt den Puppillen der Consens des Vormunds nur alsdann, wenn
alle Sollennitäten vorhanden seynd, welche in Alienatione bonorum Puppillarium
erfordert werden, weil der Consens ad alienandum einer Alienation disfalls gleich
geachtet wird. 8vò Wird gegenwärtiger Consens in Dubio eben so genau, als der
Lehenherrliche interpretirt. 9nò Hat es mit dem Consensu conditionato deren
Lehens-Folgern die nemliche Beschaffenheit wie mit dergleichen Lehen-herrlicher
Einwilligung.
Von
dem Einstands-Recht bey Veräusserungen
§.
38. In Lehen, welche mit Lehen-herrlichen Consens verkauft worden, hat das
Einstands-Recht Statt, und zwar auf Seiten des Lehen-Herrns nach Masgab cap.
præc. 5. §. 14 denen übrigen Retrahenten aber gebührt selbes nur soweit, als
sie nach Lehen-Rechten in dem verkauften Lehen-Gut zu succediren haben, und
andergestalt nicht, als mit Beobachtung der
(512)
einen jeden betreffender Ordnung, so daß, der weitere Lehens-Folger allemal
durch den Näheren hierin ausgeschlossen wird.
Unterschied
zwischen dem Einstand und obigen Wiederruf bey veräusserten Lehen.
§.
39. Der Einstand ist von obigen Wiederruf in viele Weeg merklich unterschieden.
Dann 1mò kan zwar der Alienant selbst niemal einstehen, wol aber in dem §vo
præc. 34. Num. 1. bemerkten Fall wiederruffen. 2do Hindert die Allodial
Erbschaft den Erben zwar an dem Wiederruf, nicht aber an dem Einstand. 3tiò
Geschiehet der Wiederruf ohne Entgeld des Wiederruffers, der Einstand aber
andergestalt nicht, als gegen Erstattung des Kauf-Schillings und all anderen,
was das Einstand-Recht mit sich bringt. 4tò Hat dieses letztere nur in dem
Verkauf, jenes hingegen in all anderen Lehens-Veräusserungen Statt. 5tò
Erstreckt sich der Einstand auch auf Beutel- und veräusserliche Lehen, nicht aber
der Wiederruf, soviel wenigst die Lehens-Folger betrift. 6tò Supponirt der
Einstand allzeit eine gültig- und Rechts-kräftige Handlung, der Wiederruff
hingegen gehet auch auf ungültige, z. E. auf Veräusserungen ohne
Lehen-herrlichen Consens. 7mò Ist man nicht schuldig, mit dem Einstand bis auf
des Alienantens Tod zuzuwarten, wol aber mit dem Wiederruf. 8vò Erlöscht jener
nach Jahr und Tag, dieser aber erst nach dreyssig Jahren. 9nò Begiebt man sich
des Wiederrufs nur ausdrücklich und schriftlich, des Einstands aber auch
mündlich oder stillschweigend. 10mò Schadet endlich die Begebung des Einstands
nur dem Renuncianten für seine Person allein, des Wiederrufs aber nicht nur
ihm, sondern auch seinen Erben.
Von
der Lehens-Folg überhaupt, insonderheit aber von der legal- und natürlichen,
§. 40. Successio Feudalis oder Lehens-Folg rührt entweder
unmittelbar aus dem Gesatz selbst, oder von Particular-Disposition und
Anordnung her. Die letztere siehe unten §vo 46. Soviel aber die erste betrift,
succedirt man 1mò in Beutel- oder veräusserlichen Lehen auf die nemliche Art,
wie in Allodial-Gütern, welches sich jedoch nur von denen à primo Acquirente
Abstammenden verstehet. Bey all anderen Lehen aber beruhet 2dò die natürliche
Succession sowol nach gemein- als hiesigen Land-Recht zwar ebenfalls auf dem
Jure Sanguinis
(513)
und der Sippschaft. Doch muß derjenige, welcher succediren will, nicht nur von
dem ersten Lehens-Acquirenten durch ehelich- und rechtmässige Geburt abstammen,
sondern auch zu Lehen-Diensten geschickt seyn. Solchemnach seynd 3tio sowol
Stief- als Nähr- dann durch Tauf, Firmung, Adoption oder Einkindschaft erlangte
Kinder samt ihren Abkömlingen ausgeschlossen, desgleich 4tò all uneheliche
Descendenz und Abkommenschaft, ausser soviel die per subsequens Matrimonium
Legitimirte betrift. 5tò Seynd ferner ausgeschlossen Mönich und Religiosen nach
abgelegter Profession, oder ausgestandenen Prob-Jahren ohne Unterschied, ob
ihnen das Lehen erst nach dem Antritt des Ordens, oder schon vorhero angefallen
ist. 6tò Die Welt-Geistliche, jedoch salvâ Observantiâ, wo sich solche wiederig
bezeigt, und mit Ausnahm deren bereits vor angetrettenen Clericat erlangt- wie
auch jener Lehen, worin die Weibs-Personen zu succediren haben, als welchen sie
der Lehens-Folg halber regulariter gleichgehalten werden, und seynd im übrigen
weder die Teutsch- oder Malteser, noch andere dergleichen Ordens-Ritter unter
den Geistlichen hierinfalls begriffen. 7mò Stumm- Taub- Blind- oder Unsinnige
seynd ebenfalls ausgeschlossen, es seye dann, daß sie erst nach erlangten Lehen
in solchen Stand verfallen seynd, welchenfalls ihnen das Lehen
nichtsdestoweniger verbleibt. Von denen Weibs-Personen und ihrer Abkommenschaft
aber siehe unten §vo 44. und hat im übrigen 8vò die Lehens-Folg mit der Allodial-
Succession keine Verknüpfung, sondern es kan eine mit Aufschlagung der anderen
sowol bey Kindern als Collateral-Befreunden ohne Unterschied deren Lehen Platz
greiffen.
Und
zwar in absteigender Linie,
§.
41. Gleichwie die natürliche Successions-Ordnung in Allodialibus vorzüglich an
Kinder und Descendenten kommt, also auch seynd sie die erste in der
Lehens-Folge, und zwar, wo kein Majorat oder Primogenitur bey dem Lehen-Gut
eingeführt ist, mit dem gleichmässigen Unterschied, ob sie alle im ersten Grad
seynd, oder nicht, erstenfalls succediren sie in Capita, anderenfalls in
Stirpes Jure Repræsentationis, als welches in absteigender Linie ebenfalls, wie
in der Allodial-Succession, ohne Ziehl und Einschränkung Statt hat.
(514)
In aufsteigender Linie.
§.
42. Die in aufsteigender Linie succediren regulariter nicht, folgende Fälle
ausgenommen. 1mò Wenn sie dem ersten Acquirenten abstammen, oder 2do das Lehen
zu Favor deren Descendenten refutiren, und diese noch in ihren Lebzeiten ohne
Hinterlassung Lehens-fähiger Descendenz absterben, welches auch 3tio sogar bey
Vatters-Brudern Statt hat, sofern er sich des Lehens zu Favor seines
Bruders-Sohns begiebt. 4tò Wenn ein anderes in dem Lehen-Brief bedungen ist.
5tò In Lehen, welche dem Sohn wegen des Vatters Verdiensten verliehen worden.
In diesen fünf Fällen werden die Collaterales ausgeschlossen, wohingegen diese
in anderen nicht ausgenommenen Fällen mit Ausschluß deren Ascendenten gleich
nach der Descendenz in Feudo succediren.
In
der Collateral-Linie.
§.
43. 1mò Ist hier nur von des letzt-gewesten rechtmässigen Lehen-Manns, nicht
aber von des ersten Acquirentens Collateral-Befreunden die Rede, dann diese
letztere stammen von ihm nicht ab, und seynd mithin nach der in §vo præc. 40.
n. 2. festgesetzten Regul ohne Unterschied, ob man in Feudo Novo oder Antiquo
versire, von der Lehens-Folg ausgeschlossen. Soviel aber 2do die erste betrift,
succediren zuförderst gedachten Lehen-Manns Ehe-leibliche Brüder ohne
Unterschied zwischen Fratribus Germanis vel Consanguineis, das ist, solchen
Gebrüderen, welche entweder einerley Vatter und Mutter, oder wenigst einerley
Vatter miteinander gehabt haben, indem sowol ein- als andere von dem ersten
Acquirenten abstammen. Dahingegen 3tiò Fratres Uterini, welche nemlich mit
verstandenen letzten Lehen-Mann nur einerley Mutter haben, nicht succediren,
ausgenommen in denen von ihrer Mutter herrührenden Gunkel-Lehen, dann darin
schliessen sie sogar Consanguineos, mit welchen sie nemlich nur einerley Vatter
haben, eben bemelter Ursach halber aus. 4tò Succedirt man unter Brüdern in
Capita, unter Brüdern und Bruders-Söhnen aber in Stirpes, weil diese letztere
Jure Repræsentationis kommen, welches sich in Feudalibus gleichfalls auf
Geschwistert-Kinder, jedoch nicht weiter erstreckt. Seynd aber 5to lauter Söhne
von einem oder mehr Brüdern vorhanden, so succedirt
(515)
man ebenfalls in Capita. Nach denen Brüdern und Brüders-Söhnen gehet 6tò die
Successions-Ordnung ohne Einschränkung auf alle übrige von dem ersten
Acquirenten abstammende Agnaten, und zwar, 7mo dem nächsten Grad nach unter
jenen, welche auch der Linie nach gleich seynd, ausser dessen aber ziehet man
8vò die nähere Linie dem näheren Grad vor, und ob man schon 9no die Lehens-Folg
hauptsächlich dem ersten Acquirenten zu zuschreiben hat, so wird doch in der
Ausrechnung sowol des Grads als der Linie nicht mehr auf ihn, sondern auf den
letzt-gewesten rechtmässigen Vasallen gesehen, sohin derjenige, welcher ihm am
nächsten gesippt ist, denen anderen vorgezogen, und ist 10mò unter der näheren
Linie jene verstanden, nach welcher man nemlich mit erwehnt-letzteren
Lehen-Mann einen näheren gemeinen Stam(m)-Vatter hat, als andere, z. E. wenn
derselbe nach seinem Tod auf einer Seite Vatters-Brudern, und andererseits
Bruders-Enklen hinterlaßt, so schliessen diese jenem (!) aus, weil sie zwar dem
Verstorbenen weiter in Gradu, hingegen näher in Lineâ verwandt seynd, indem der
Gemeinschaftliche Stam(m)-Vatter zwischen ihnen, und dem Verstorbenen bey
seinem Vatter, hingegen zwischen dem Verstorbenen, und seines Vatters Brudern
weiter zuruck bey seinem Groß-Vatter anfangt. 11mò Verfahrt man auf die
nemliche Art auch in Ausrechnung der weiteren Lineal-Succession ohne
Einschränkung auf gewisse Linien, und wenn endlich 12mò um die Nahe des Grads
die Frag ist, so wird nicht nach Geist- sondern Weltlichen Recht hierinfalls
gerechnet.
Von
Weiblicher Lehens-Folge
§.
44. 1mò Seynd die Weibs-Personen in Lehen-Sachen nicht einmal unter dem Namen
der Erben überhaupt verstanden, sofern nicht ein anderes specialiter
ausgedruckt ist, folglich werden sie auch 2 do von der Lehens-Folg regulariter
nicht nur für ihre Person, sondern auch für ihre ganze, sowol Männ- als
Weibliche Descendenz ausgeschlossen, welches jedoch 3tiò nach Beschaffenheit
des Lehens, sonderbar in Beutel-Lehen seinen Absatz leidet, dann darin hat
obverstandenermassen die nemliche Successions-Ordnung, wie in der
Allodial-Verlassenschaft, wenigst unter denen à primo Acquirente Abstammenden
Statt. Hiernächst succediren 4to die Weibs-Personen auch in denen Gunkel-Lehen,
sofern sie von dem ersten Acquirenten
(516)
abstammen, jedoch mit dem bereits oben §vo 7mo n. 3. bemerkten Unterschied, und
dergestalten, daß sie in durchgehenden Mann- und Weiber-Lehen (Feudis
promiscuis & simultaneis) ebenso, wie die Mannsbilder, und mit denenselben
zugleich, in denen anderen Gunkel-Lehen aber nur auf Abgang des Manns-Stammens,
jedoch im übrigen auf die nemliche Weis ad Successionem zugelassen werden.
Unter diese letztere Gattung gehören auch 5 tò die gekaufte Lehen, massen die
Weibs-Personen hierin ebenfalls auf Abgang des Manns-Stammens zur Lehens-Folge
kommen, ausgenom(m)en, wenn der Lehen-Herr nur mit der Condition, daß das Lehen
nichtsdestoweniger bey ihrer voriger Natur und Eigenschaft verbleiben solle, in
dem Verkauf consentirt, oder sich sonst gegen die weibliche Succession in dem
Lehen-Brief ausdrücklich vorgesehen, und verwahrt hat.
Sonderbar
in Lehen, worin sie auf Abgang des Manns-Stammens Platz greift.
§.
45. Von Lehen, worin die Weibs-Personen obgedachtermassen nicht promiscuè mit
dem Manns-Stammen, sondern nur erst auf Abgang desselben succediren, ist
folgendes insonderheit zu merken. 1mo Wird hierin sogar eine näher gesippte
Weibs-Person von einem weiter Gesippt-Weltlichen Manns-Erben, sofern er nur
ebenfalls von dem ersten Acquirenten abstammt, und auch sonst Lehens-fähig ist,
in der Succession ausgeschlossen, z. E. wenn zwey Schwestern mit einem Lehen
belehnt worden, und eine hinterlaßt einen Sohn, die andere eine Tochter, so
schliesset der Sohn die Tochter in dem Lehens-Antheil ihrer Mutter aus, und
bekommt das ganze Lehen, oder wenn zwey Söhn in einem Gunkel-Lehen succediren,
deren einer einen Sohn, der andere eine Tochter hinterlaßt, so schliesset der
Sohn die Tochter in ihres Vatters Antheil ebenfalls aus, und succedirt in dem
ganzen Lehen allein. 2dò Nachdem eine Weibs-Person in dem Gunkel-Lehen schon
einmal würklich succedirt hat, so bleibt sie auch dabey, ohngeacht etwan
hernach erst ein Lehens-fähiger Manns-Erb gebohren worden, es wäre dann, das er
zur Zeit, da ihr das Lehen angefallen ist, schon empfangen, und in Mutter-Leib
gewest. 3tiò Weibs-Personen, welche von dem Männlichen Geschlecht in
Weiber-Lehen schon einmal ausgeschlossen worden, können auf Abgang desselben
dennoch hierin succediren, wenn sie nur
(517)
die Ordnung trift, und der letzt verstorbene Vasall keinen näheren Lehens-Erben
hinterlaßt, also wenn z. E. die Tochter von Vatters-Brudern in dem Gunkel-Lehen
ausgeschlossen worden, und dieser hernach ohne weiteren Manns-Erben stirbt, so
succedirt sie ihm hierin, es wäre dann z. E. eine Tochter, oder Enklin von ihm
vorhanden, welche ihr in der Succession als nähere Erben noch vorgehen könten.
Von
der Lehens-Folg aus letzten Willen, Erb-Vertrag, Anwartschaft oder
Coinvestitur.
§.
46. 1mo Letztwillige Dispositiones oder Pacta Successoria über Lehen-Güter
seynd ohne Lehen-herrlichen Consens nur in Feudis alienabilibus von einer
Gültigkeit. 2dò In Beutel-Lehen kan bemelter Consens sowenig, als bey denen
Veräusserungen inter Vivos, umgangen, hingegen aber auch eben sowenig
abgeschlagen werden. 3tiò In alt- und solchen Lehen, worin ex Pacto &
Providentiâ Majorum succedirt wird, ist nicht nur die Lehen-herrliche, sondern
auch all übriger Lehens-Interessenten Bewilligung erforderlich, wobey 4tò all
jenes wiederum in Beobachtung kommt, was oben §vo 31 n. 1. bis 6. und §vo 37.
n. 1. 2. 4. & seq sowol von einem als anderen Consens versehen ist. 5tò kan
ausser obgedacht-veräusserlichen Lehen eine letztwillige Disposition oder
Erbeinigung ohne Lehen-herrlicher Bewilligung nicht einmal in Ansehen deren
Kindern und Descendenten, geschweigens der Agnaten oder Auswärtiger bestehen.
6to Ziehet die Vernachlässigung sothanen Consens eben keine andere Straf, als
die Nullität nach sich, und wird mithin durch dergleichen kraftlose Dispositiones
an obig-natürlicher Lehens-Folge nichts alterirt. Wie und welchergestalten man
aber 7mo durch Anwartschaft oder Coinvestitur zur Lehens-Folge gelangen möge,
siehe oben §vum 17. und 18.
Von
der Lehens-Erneuerung überhaupt.
§.
47. 1mò So offt sich ein Haupt- Particular- und Neben- oder Lehens-Fall
ergiebt, so offt muß auch die Lehens-Erneuerung (Renovatio Investituræ)
geschehen. 2dò Verstehet man unter dem Haupt-Fall nur den Tod des Lehen-Herrns,
unter dem Neben- oder Particular-Fall aber alle Veränderungen, welche sich in
der Person des Lehen-Manns sowol durch Tod-Fall
(518)
als sonst ergeben, ausser dergleichen Fällen aber ist man 3tiò ohne sonderbaren
Geding das Lehen zu erneueren nicht schuldig, und wird auch die blosse
Verpfändung des Lehens für keine solche Veränderung angesehen, daß derwegen das
Lehen erneuert werden müste (!) 4tò Bestehet die Erneuerung nicht nur in der
Lehens-Muthung, das ist, in gebührender Requisition
besagter
Lehens-Erneuer- und Erstattung der neuen Lehens-Pflicht, sondern auch 5tò in
dem gewöhnlichen Lehen-Reich und Ausfertigung des neuen Lehen-Briefs, wovon das
Mehrere in §vis seq. 48. 49. 50. enthalten ist. 6tò Wird die Erneuerung in
obgedachten Veränderungs-Fällen ohne Unterschied deren Lehen erfordert,
folglich seynd auch Erb- Beutel- Frey oder veräusserliche Lehen ohne
sonderbaren Geding nicht davon ausgenommen. 7mo Auf Absterben des Lehen-Herrns
liegt die Erneuerung dem überlebenden Vasallen, sofern ihm der Todesfall
gebührend intimirt oder kund worden ist, bey Veränderung des Lehen-Manns aber
demjenigen, welcher ihm in dem Lehen nachfolgt, von Rechts-wegen ob. 8vò
Hinterlaßt der verstorbene Lehen-Herr mehr Erben, so wird die Renovation nicht
bey jedem aus ihnen, sondern nur bey demjenigen allein, welchem das Dominium directum
privativè zukom(m) t, oder sofern sie in Communione seynd, bey ihnen insgesamt
vorgenommen, zu welchem Ende ein gemeinschaftlicher Anwald entweder von ihnen
selbst, oder da sie sich nicht hierüber vergleichen können, von Amts-wegen
bestellt werden solle. 9no Stirbt einer aus mehr gemeinschaftlichen
Lehen-Herren, so wird das Lehen pro Ratâ bey seinen Kindern, oder anderen
Successoribus erneuert. 10mò Majorat-Activ-Lehen erneuert man nicht auf
Absterben eines jeden von der Familie, sondern des Majorats-Innhabers, und zwar
bey seinem nächsten Nachfolger in sothanen Stamm-Lehen, desgleichen geschiehet
11mò bey Stiften, Clösteren und anderen dergleichen unsterblichen
Lehen-Herrschaften die Renovation nur auf leibliches Absterben des ad Dies Vitæ
bestellten zeitlichen Vorstehers bey seinem nächsten Amts-Successore. 12mò In
Particular-Lehens-Veränderungen, welche sich auf Seiten des Lehen-Manns durch
Tod- oder andere Fälle ergeben, seynd die hinterlassene Lehens-Folger zur
Erneuerung insgesamt verbunden, und da einer aus ihnen stirbt, oder abgeändert
wird, so geschiehet die weitere Renovation von seinen Successoribus pro Ratâ
ohne Unterschied zwischen getheilt- und ungetheilten Besitz. 13tiò Wer nicht
simpliciter, sondern nur
eventualiter
(519)
coinvestirt ist, dem wird bey allen vorgehenden Veränderungen die Miterneuerung
zwar nach Sächsischen, aber nicht nach gemein- und hiesigen Lehen-Recht
zugemuthet. Vielminder liegt solche 14tò dem blossen Anwartschafter, der noch
nicht einmal eventualem Coinvestituram erlangt hat, und eben sowenig 15tò einem
minderjährigen Vasallen wegen veränderter Vormundschaft ob. Von der
Lehens-Renovation bey veränderten Lehen-Träger siehe unten §vò 61.
Insonderheit
von der Lehens-Muth- und Pflichts-Erneuerung.
§.
48. Obberührte Lehens-Muthung oder Requisition um die Lehens-Erneuerung soll
1mò gehörigen Orts nach Anleitung nächst vorhergehenden §vi, und zwar 2dò
längst inner Jahr und Tag von der Zeit an, da man den Veränderungs-Fall in
Erfahrung gebracht hat, geschehen. Gebührt auch 3tiò dem Lehen-Herrn nicht,
diesen Termin ohne Einverständnuß des Lehen-Manns einzuschränken. Stirbt aber
4tò der Lehen-Herr oder Lehen-Mann unter dem Jahr, so fängt selbes von neuem an
zu lauffen, und wird die verflossene Zeit nicht miteingerechnet. 5tò Wer diesen
Termin ohne Rechts-erheblicher Ursach verabsaumt, fallt in willkürliche, oder
6to bey anscheinender Gefährde und Geflissenheit wol gar in die Straf der
Feloniæ und Lehens-Caducität, welchenfalls jedoch jenes wol zu beobachten
kom(m) t, was unten §vo 51. n. 3. bis 10. inclusivè von dieser Straf überhaupt
verordnet ist. Unter die hinlängliche Entschuldigungs-Ursachen, welche 7mo von
aller Straf wegen verabsäumten Termins befreyen, wird insonderheit gerechnet,
wenn der Lehen-Herr ohne Hinterlassung eines Anwalds Land-abwesend, oder
minorenn und unbevormundet, das Lehen im Streit, oder Krieg, Pest, und
dergleichen ehehafte Hindernuß im Weeg ist. 8vò kann die Muthung sowol
persönlich, als durch einen Bevollmächtigten, mündlich oder schrifftlich geschehen,
und ist dagegen 9no der Lehen-Herr nicht nur einen Muthschein ausfolgen zu
lassen schuldig, sondern er darf auch 10mo die in geziemender Weis nachgesuchte
Erneuerung ohne erheblicher Ursach nicht abschlagen, da im wiederigen Fall das
Lehen 11mo entweder auf Instanz des Lehen-Manns von der Lands-Herrschaft
ertheilt, oder auf vorläuffige Commination pro Renovato gehalten wird, bequemt
sich aber 12mò der Lehen-Herr selbst zur gebettener Lehens-Renovation, so ist
der
(520)
Lehen-Mann inner dem ihm præfigirten Termin entweder in Person, oder durch
einen mit Special-Vollmacht versehenen Anwald zu erscheinen, und die neue
Lehens-Pflicht abzulegen verbunden. Immassen er 13tiò auf ungehorsames
Ausbleiben sub Pœnâ Caducitatis citirt, sofort auf nemliche Art, wie bey
Verabsaumung obigen Jahr und Tags wieder ihn verfahren werden mag.
Von
dem Lehen-Reich
§.
49. Obschon das Lehen ihrem (!) ersten Ursprung nach eine Lehen-herrliche Gnad
und Wohlthat ist, so muß doch 1mò der Lehen-Mann in all obverstandenen
Veränderungs-Fällen, worin es nemlich auf eine Lehens-Erneuerung ankommt, der
Lehen-Herrschaft den gewöhnlichen Lehen-Reich oder Hand-Lohn (Laudemium vel
Relevium) hiervor bezahlen, welcher 2dò regulariter, wo kein mehr- oder
minderes hergebracht ist, bey Ritter-Lehen lediglich in dem zu 7. fl. 14. kr.
angeschlagenen Schieß-Zeug, bey Beutel-Lehen aber 3tiò in fünf von hundert, was
das Lehen-Gut zur Zeit des Lehen-Falls ohnpartheyischer Schätzung nach werth
ist, bestehet. 4tò Nimmt man auf Absterben oder sonstige Veränderung des
Lehen-Manns keinen doppelten, sondern nur einen einfachen Lehen-Reich von
seinen Erben oder Successoribus, doch wenn hernach einer aus ihnen das ganze
Lehen durch Theilung, oder sonst an sich bringt, so giebt er einen neuen
Lehen-Reich pro Ratâ derjenigen Antheilen, welche seinen Miterben von dem Lehen
zugekommen seynd. 5tò Das Recht einen doppelten Lehen-Reich, oder ein höheres
Quantum, als fünf von hundert zu forderen, kan andergestalt nicht, als durch
unfürdenkliche Zeit, hingegen aber ein minderes zu geben, längst inner 30.
Jahren præscribirt werden, sofern sich hierunter wenigst zwey Actus Possessorii
ergeben haben. 6tò Seynd Kinder und Descendenten sowenig, als Collateral- und
andere auswärtige Successores des Lehen-Reichs befreyet. 7mo Stirbt einer aus
mehr gemeinschaftlichen Lehen-Herrn, oder ereignet sich eine Veränderung mit
einem aus mehr gemeinschaftlichen Vasallen, so giebt man den Lehen-Reich nur
pro Ratâ, ausgenommen in Ritter-Lehen, dann darin giebt man den Schieß-Zeug in
obverstandenen Anschlag allzeit ganz. 8vò Gehört der Lehen-Reich unter die
Grundherrliche Forderungen, wegen welchen Jus tacitæ Hypothecæ
(521)
& Prælationis auf dem Gut zustehet. 9no Was oben cap. 7. §. 28. n. 2. von
der privilegirt- Grund-herrlicher Selbst-Pfändung um ruckständiger
Laudemial-Præstationen wegen verordnet ist, das auch hat bey dem ruckständigen
Lehen-Reich Platz. 10mo Ist kein gewis- legaler Termin zu Entrichtung des
Lehen-Reichs bestimmt, sondern solcher wird nach verflossenem Jahr erst von dem
Lehen-Herrn anberaumt, welcher sofort von dem saumigen Lehen-Mann den Ruckstand
entweder mittels der privilegirten Auspfändung, oder durch Obrigkeitliche Hülf,
und zwar, wenn der Lehen-Mann zugleich unter seiner Jurisdiction ist, selbst
executivè von ihm einbringt, oder bey verspührter Wiedersessigkeit gar mit der
Caducität nach vorläuffiger Commination derselben gegen ihn verfahrt. 11mò Wird
die Præstation derwegen, weil sich in kurzer Zeit mehr Veränderungs-Fäll
ergeben haben, nicht nachgelassen, oder gemindert.
Von
Erneuerung des Lehen-Briefs.
§.
50. 1mò Ist nicht gnug, daß der Lehen-Brief nur anfänglich bey Errichtung des
Lehens ausgefertiget werde, sondern man muß solchen bey all obgedachten
Veränderungs-Fällen wiederum erneueren lassen, welches jedoch 2dò allzeit in
voriger Conformität geschehen, sohin der neue Lehen-Brief nach den Tenor der
älteren ohne Veränderung eingerichtet werden solle, es wäre dann 3tiò sowol der
Lehen-Herr als Lehen-Mann, und all übrige Lehens-Interessenten selbst auf eine
Mutation hierinfalls einverstanden, ausser dessen præjudicirt selbe 4tò
denenjenigen, welche nicht hierin eingewilliget haben, keineswegs, und wenn 5tò
der Wille von allerseitigen Interessenten nicht klar und offenbar disfalls am
Tag liegt, so halt man dafür, daß die Abänderung nur aus Verstoß geschehen
seye, und wird solchemnach 6tò in diesem Zweifel auf den allerersten
Lehen-Brief, oder sofern sich solcher nicht mehr finden will, auf den ältisten
zuruckgegangen, welches sich aber 7mo nur von solchen Lehens-Erneuerungen
verstehet, die der Lehen-Herr in Feudo Antiquo auf Ansuchen deren rechtmässigen
Lehens-Folgern, mithin aus Schuldigkeit vornimmt. Ein anderes ist, was etwan in
Feudo Novo aus blosser Gnad und Wohlthat geschiehet, z. E. bey weiterer
Verleihung eines gänzlich erledigt- und heimgefallenen, oder aber an einen
Extraneum veräusserten Lehens, massen dieses nicht soviel für eine Lehens-
(522)
Erneuer- als erste Belehnung geachtet, folglich auch nicht mehr die denen
vorigen Lehens-Innhabern ertheilte Lehen-Brief zuruckgesehen, sondern nur
derjenige, welchen der neu angehende Lehen-Mann ex novâ Gratiâ erhalten hat,
zur Richt-Schnur genommen, und für den ersten und ältisten gehalten wird. 8vò
Werden eventualiter Coinvestiti auf allenfalliges Anmelden zumal sie obverstandenermassen
zur Renovation nicht verbunden seynd, zwar dem erneuerten Lehen-Brief
miteinverleibt, wodurch sie aber vor anderen keinen Vorzug oder mehreres Recht
erlangen. 9no Ist der Lehen-Herr den Brief vor Entrichtung des Lehen-Reichs und
anderer Gebühr ausfolgen zu lassen nicht schuldig. 10mò hat man das nemliche,
was oben §vo 16. n. 8. 9. 10. sowol von Expedir- als Beobacht- und Auslegung
des ersten Lehen-Briefs vorkommt, auch bey dergleichen erneuerten Briefen
wiederum zu bemerken.
Von
Wiederaufhebung des Lehens, und zwar durch die Felonie und Caducität.
§.
51. 1mò Was das gemeine Lehen-Recht von der Felonie des Lehen-Herrns und der
daraus folgender Verwürkung des Lehen-herrlichen Ober-Eigenthums mit sich
bringt, ist hier zu Land nicht in Uebung. Soviel aber 2dò die Felonie des
Lehen-Manns betrift, bestehet solche heutigem Gebrauch nach nur noch darin:
Erstens in obgedacht-eigenmächtiger Lehens-Veräusserung, zweytens in
gefliessener Abschwendung des Lehen-Guts, oder grausamen Tractament deren dazu gehöriger
Unterthanen, drittens in boshafter Unterlassung der geziemender
Lehens-Renovation, viertens in hartnäckiger Verweigerung deren Personal-
Lehens-Diensten, oder da man fünftens den Lehen-Herrn an seiner Person selbst,
oder an denen Seinigen grob beschimpft, verrathet, oder gar um das Leben
bringt, sechstens in dem Laster beleidigter Majestät. All jetztgedachte
Lehens-Verbrechen nun ziehen 3tiò die Lehens-Verwürkung dergestalt nach sich,
daß der Lehen-Herr das Gut von der Zeit an, da die Caducität incurrirt worden,
einziehen, oder wenn er nicht zugleich Jurisdictionem darüber hat, von jedem
Innhaber ohne Entgeld und Erstattung des Werths vindiciren kan. Es wird aber
4to die Caducität niemal ipso Jure vel Facto, sondern in zweifelhaften Fällen
erst von
(523)
Zeit des in Rem Judicatam erwachsenen Spruchs, in klar- und offenbaren aber
erst von Zeit der gestellten Klag incurrirt. 5to Schadet die Felonie nur dem
Lehen-Mann, nicht aber denen übrigen rechtmässigen Lehens-Folgern, soweit sie
nicht zugleich seine Allodial-Erben seynd, doch müssen sie warten, bis der
Lehen-Mann stirbt, mittler Weil geniesset der Lehen-Herr das verwürkte Lehen.
6to Wird ein offenbarer Dolus zur Caducitäts-Straf erfordert, ob Culpam
hingegen greift nur eine milde willkürliche Straf Platz. 7mo Kan der Lehen-Herr
die Caducitäts-Straf entweder ganz nachlassen, oder selbe in eine andere
leidentliche Straf verkehren, woran er auch von denen Agnaten oder
Lehens-Folgern unter dem Vorwand, daß ihnen dieses præjudicirlich seye, nicht
gehindert werden mag, ohngeacht der in Puncto Feloniæ ergangene richterliche
Spruch bereits in Rem Judicatam erwachsen ist, weil solcher lediglich dem
Lehen-Herrn zu Guten gehet, mithin allzeit die stillschweigende Clausul: wenn
keine Gnad erfolgt, in sich halt. 8vò Fallt die Straf auch durch
stillschweigenden Nachlaß hinweg, wenn z. E. der Lehen-Herr den Lehens-Fehler
weiß, gleichwol aber ohne Protestation oder Reservation weiteren Lehens-Dienst
oder
Lehen-Reich
annimmt, oder das Lehen erneuert. Desgleichen hört sie 9no auf durch Absterben
des Lehen-Herrns oder Lehen-Manns, sofern die Klag nicht schon in ihren
Lebzeiten angebracht worden, wienichtweniger endlich 10mò durch dreyssigjährige
Præscription.
Durch
die Verjährung.
§.
52. Durch die Verjährung kan ein Lehen auf dreyerley Weis aufgehoben werden,
1mò auf Seiten des Lehen-Herrns, oder 2do des Lehen-Manns, oder 3tiò eines
Drittens. Das 1te ergiebt sich, wenn der Lehen-Herr sich des vollen Eigenthums
von dem Lehen bonâ Fide dreyssig ganzer Jahr hindurch anmasset, und z. E. das
Gut selbst im Besitz hat, und für das Seinige geniesset, oder solches zwar dem
Lehen-Mann, jedoch nicht als Lehen- sondern
Pacht-
Erbrecht- oder auf andere Weis überlaßt. Dahingegen wenn 2tens der Lehen-Mann
sich dreyssig ganzer Jahr hindurch in ruhigen Besitz des vollen Eigenthums von
dem Lehen bonâ Fide befindet, und alle Lehen-männische Obliegenheiten hierunter
völlig beyseitsetzt, so ist auch seines Orts das Lehen durch die Verjährung
aufgehoben,
(524)
und in ein Allodial-Gut verwandlet. Kommt aber endlich 3tens das Lehen unter
dem Namen und Ansehen eines Allodial-Guts an einen Dritten, und bleibt ihm auch
in dieser Qualität dreyssig Jahr hindurch bonâ Fide in Handen, so ist solches
ebenfalls verjährt, und zu einen Allodial-Gut worden. In allen drey Fällen aber
lauft die Verjährung gegen Agnaten oder Lehens-Folger eheunter nicht, bis jeden
gleichwol das Jus agendi vel revocandi der Ordnung nach betrift, massen die
gegen den Vorfahrer hierin vollstreckte Præscription denen Nachfolgern nur soweit
entgegen stehet, als sie auch seine Allodial-Erben seynd, mithin in dessen
Fußstapffen eintretten.
Durch
die Refutation oder Aussendung von Seiten des Lehen-Manns,
§.
53. Der Lehen-Mann sendet entweder 1mò dem Lehen-Herrn selbst, oder 2dò dem
nächsten Lehens-Folger, oder 3tiò einem weiteren Agnaten, oder 4tò gar einem
Fremden und Extraneo das Lehen auf. In dem 1ten Fall wird das Dominium utile
mit dem Dominio directo consolidirt, und hört folglich das Lehen wenigst in
solang, als der Resignant lebt, oder aber wenn kein anderer rechtmässiger
Lehens-Folger Jure Sanguinis vel Coinvestituræ mehr vorhanden ist, für
beständig auf, stehet auch diese Aussendung dem Lehen-Mann jederzeit frey. In
dem 2ten Fall hört das Lehen zwar in Ansehen des Resignantens, nicht aber in
Ansehen des Resignatarii und übriger rechtmässiger Lehens-Folgern auf, man hat
auch des Lehen-Herrns Consens zu solcher Resignation nicht vonnöthen, weil
dadurch weder ihm, noch denen übrigen Lehens-Folgern, etwas præjudicirt wird.
Mit dem 3ten und 4ten Fall aber hat es die nemliche Bewandnuß, wie mit anderen
dergleichen Lehens-Veräusserungen nach Masgab obigen 31isten §vi & seq.
Und
von Seiten des Lehen-Herrns,
§.
54. Sendet der Lehen-Herr dem Lehen-Mann das Lehen auf, so erfolgt zwar
ebenfalls eine Lehens-Consolidation hieraus, und wird das Lehen-Gut wenigst,
solang der Lehen-Mann lebt, oder wenn keine rechtmässige Lehens-Folger mehr
vorhanden seynd, für beständig allodial gemacht.
(525)
Durch Absterben des Lehen-Herrns oder Lehen-Manns ohne Erben,
§.
55. Stirbt der Lehen-Herr, und hinterlaßt weder Erben noch Disposition, wie es
mit dem Dominio directo nach seinem Tod gehalten werden solle, so fallt 1mò das
Lehen-herrliche Ober-Eigenthum weder in aufgetragen- noch gegebenen Lehen dem
Lehen-Mann, sondern vielmehr dem Fisco als ein Bonum vacans zu, und wird mithin
nicht aufgehoben, indem der Fiscus in die Stell des Lehen-Herrns eintritt,
folglich die Erneuerung desselben fortan bey ihm zu suchen ist. Soviel aber 2dò
die sogenannte Activ-Stamm-Lehen betrift, bleibt es hierinfalls auf Absterben
der Lehen-Herrschaft ohne Manns-Stammen bey der alten Observanz, Kraft welcher
dem Churfürstlichen Lehen-Hof dergleichen Lehen heimfallen, stirbt endlich 3tiò
der Lehen Mann ohne Hinterlassung eines Lehen-fähigen Erbens, so fallt das
Lehen der Lehen-Herrschaft heim, und wird auf solche Weis mittels der
Consolidation allodial, es seye dann, daß der Lehen-Mann, soviel die Beutel-
oder veräusserliche Lehen anlangt, andere Disposition gemacht hat.
Und
in anderweg mehr.
§.
56. Das Lehen wird ferner aufgehoben 1mò durch Ermanglung deren Conditionen,
unter welchen dasselbe gegeben worden. 2dò Durch die Consolidation, da nemlich
das Dominium directum und utile in einer Person durch gültig- und
Rechts-kräftige Handlung zusammen kommt. 3tiò Durch völligen Untergang des
Lehen-Guts. 4tò Durch eine total- oder solche Alienation, Kraft welcher nemlich
das Lehen mit aller Interessenten Bewilligung in Allodium verwandlet werden
soll, dann soviel obverstandene Ordinari Lehens-Veräusserungen anlangt, wird
das Lehen nicht dadurch aufgehoben, sondern nur die Person des Lehen-Manns
abgeändert, und ein anderer statt seiner auf die nemliche oder andere
Lehens-Conditiones wiederum substituirt.
Von
denen Lehens-Nutzungen bey dessen Aufheb- oder Veränderung.
§.
57. Wenn der Lehen-Mann stirbt, oder noch in seinen Lebzeiten das Lehen auf
einen anderen gebracht wird, so gehören 1mò sammentliche vor eröffneten Lehen
gehoben- oder verfallene Fructus
(526)
Naturales & Civiles dem Lehen-Mann und seinen Allodial-Erben von
Rechts-wegen zu. 2dò In Casu Feloniæ gehen alle von Zeit incurrirter Caducität
abfallende Früchten dem Lehen-Herrn zu Guten. Auf Absterben des Lehen-Manns ist
3tiò zu unterscheiden, ob er vor oder nach dem ersten Merzen gestorben, letztenfalls
bleiben alle Fructus pendentes, naturales & industriales denen
Allodial-Erben, anderenfalls aber denen Lehens-Folgern, jedoch gegen Erstattung
deren pro Curâ & Culturâ verwendeter Kösten. 4to Fructus Civiles, welche in
Lebzeiten des Vasallens, oder vor der Lehens-Apertur noch nicht verfallen
seynd, werden zwischen denen Allodial-Erben und Lehens-Folgern pro Ratâ
Temporis getheilt.
Dann
der Lehens-Besserung und denen hierauf verwendeten Kösten.
§.
58. Mit der Lehens-Besserung und denen hierauf verwendeten Kösten wird es
zwischen dem Lehen-Mann, oder seinen Allodial-Erben, dann denen Lehens-Folgern
auf den nemlichen Fuß, wie oben Part. 3. cap. 10. §. 14. 15 & 16. zwischen
Fideicommiss-Successoribus
und Allodial-Erben, beobachtet.
Von
Lehens-Streittigkeiten.
§.
59. 1mò Die Actiones, welche gestalten Dingen nach entweder aus zugesagt-
errichtet- oder wiederaufgehobenen Lehen entstehen, haben nichts Besonderes an
sich, sondern werden überhaupt, wie in Allodio, beurtheilt. 2do Ist sowol der
Lehen-Herr dem Lehen-Mann, als dieser hinwiederum jenem die Lehen-Brief und
andere dahin einschlagend- gemeinschaftliche Documenta zu ediren, sonderbar
aber der letztere die hierin specificirte Lehen-Stück samt ihren Gränzen,
Zugehörungen und Anwachs, soviel ihm anderst davon wissend ist, auf Begehren
getreulich, und gestalten Dingen nach eidlich zu manifestiren verbunden. 3tiò
Was das Forum Feudale in Causis Feudalibus betrift, bleibt es hierin bey der
neu- verbesserten Hof-Raths-Ordnung, und dem derselben weiters inhærirenden
Cod. Jud. Cap. 1. §. 13 n. 2. 4tò Werden die zwar an auswärtige Lehen-Höf
relevirend- aber inner Lands gelegene Lehen durchaus nach hiesigen Land-Rechten
von der Obrigkeit, worunter sie liegen, beurtheilt. 5tò Finden sich übrigens
bey dem Process in Lehen-Sachen keine andere Particularia, als welche
(527)
schon in ermeltem Codice Judiciario behörigen Orts bemerkt worden seynd.
Von
der Subinfeudation oder Affter-Belehnschaft.
§.
60. Die Subinfeudation oder Affter-Belehnung, Kraft welcher nemlich der Vasall
das Lehen wiederum in weitere Hand Lehens-weis verleihet, ist zwar 1mò nach
gemeinen
Lehen-Rechten
jedem Lehen-Mann, und zwar, sofern es auf die nemliche Conditiones, wie die
Haupt-Belehnung selbst geschiehet, auch ohne Lehen-herrlichen Consens erlaubt,
hier zu Land aber wird solche 2do ohne Unterschied, ob die Affter-Belehnung mit
dem ganzen Lehen, oder zum Theil, auf die nemlich- oder andere Conditiones
geschiehet, für eine Gattung von Veräusserung geachtet, und trift mithin 3tio
auch alles hierunter ein, was oben von anderen Lehens-Veräusserungen überhaupt
versehen ist. 4tò Wenn die Conditiones bey der Affter-Belehnung nicht deutlich
ausgedruckt seynd, so halt man dafür, es seye dieselbe auf die nemliche Art,
wie die Haupt-Belehnung selbst geschehen, und wie nun 5tò der Vasall bey dem
Affter-Lehen eine doppelte Person zu vertretten hat, und in Ansehen des
Affter-Lehen-Manns
oder Subvasalli für den Lehen-Herrn, in Ansehen des
Ober-Lehen-Herrns
hingegen für einen Vasallen considerirt wird, so treffen auch in verschiedener
Absicht alle Rechten und Pflichten regulariter bey ihm ein, welche dem
Lehen-Herrn
gegen einen Vasallen, und hinwiederum diesem gegen jenen zustehen. 6tò Ist der
Subvasall zwar auch dem Ober-Lehen-Herrn so, wie dem unteren, zur Treu-Leistung
verbunden, begehet mithin durch desselben grobe Beschimpfung, Crimen Feloniæ,
und verwürkt sein bey den Affter-Lehen habendes Recht dadurch, welches jedoch
solchenfalls nicht verstandenen Ober- und mittelbaren Lehen-Herrn, sondern dem
unteren und unmittelbaren heimfällig wird. In Veräusserungen des Affter-Lehens
ist 7mo weder die Einwilligung des Unter- noch Ober-Lehen-Herrns Consens allein
erklecklich, sondern es seynd beede hierzu erforderlich. 8vò Soviel die
Erneuerung des Affter-Lehens bey vorgehenden Veränderungs-Fällen betrift, ist
zu unterscheiden, ob sich der Fall auf Seiten des Ober- oder
Unter-Lehen-Herrns, oder Affter-Lehen-Manns ergiebt. Erstenfalls ist der
Subvasall weder dem Unter- noch Ober-Lehen-Herrn zur Lehens-Erneuerung
verbunden, wol hingegen erneuert solchenfalls der Unter-Lehen-Herr
(528)
als Vasall das Lehen bey dem Ober-Lehen-Herrn. Anderenfalls wird die Erneuerung
nicht nur von dem Subvasallen bey dem Unter-Lehen-Herrn, sondern auch von
diesem bey jenem vorgenommen. Drittenfalls erneuert der Subvasall das Lehen
allein, jedoch nur bey seinem Unter-Lehen-Herrn, und hiernach regulirt sich
auch 9nò der Lehen-Reich dergestalt, daß demjenigen, bey welchen das
Affter-Lehen respectivè erneuert werden muß, auch der
Lehen-Reich
als das Accessorium zugehet. 10mò Verweigert etwan der Vasall dem
Affter-Lehen-Mann die angesuchte Lehens-Erneuerung ohne erheblicher Ursach, so
kan sie der Ober-Lehen-Herr auf geziemendes Ansuchen vornehmen. 11mo Obwol
verstandenermassen Subinfeudatio hiesigen Lands-Gebrauch nach Species
Alienationis ist, so wird doch derwegen bey dem Ober-Lehen-Herrn weder das
Lehen erneuert, noch der Lehen-Reich bezahlt, weil dem ohngeacht der vorige
Vasall bleibt, wie er vor der Affter-Belehnung gewest. 12mò Falls der Vasall sein
Recht an dem Lehen verliehrt, z. E. durch Caducität, so bleibt
nichtsdestoweniger dem Affter-Lehen-Mann das Seinige in Salvo, und muß ihm
solches von dem Ober-Lehen-Herrn, welchem das Recht des Unter-Lehen-Herrns
solchenfalls heimgefallen ist, auf die nemliche Conditiones, wie er es von dem
Unter-Lehen-Herrn vormals empfangen hat, wiederum erneuert, werden. 13tiò Wird
etwan der Subvasall auf dem Affter-Lehen um das, was man hierauf gegen den
Unter-Lehen-Herrn
mit Recht zu suchen gehabt hat, exequirt, so stehet jenem der Regress gegen
diesen bevor. 14tò Schadet die Affter-Belehnung denen rechtmässigen
Lehens-Folgern,
welche nicht hierin consentirt haben, an ihrem Recht sowenig, als andere
dergleichen unbewilligte Veräusserungen. 15tò Erstreckt sich Forum Feudale in
Causis Feudalibus bey dem Churfürstlichen Lehen-Hof Vermög der Decreten und
Observanz auch auf Subvasallen. Im übrigen hat es 16to mit Affter-Lehen die
nemliche Beschaffenheit, wie mit Haupt-Lehen, und ist endlich 17mo
Subinfeudatio Subinfeudationis oder
Affter-Belehnung
in die zweyt- dritt- oder weitere Hand hier zu Land nicht mehr üblich.
Von
der Lehen-Trägerey.
§.
61. Unter denen Lehen-Trägern verstehet man 1mo in eigentlichen Verstand nur
jene, welche Vermög sonderbarer Bestellung den Vasallen in seinen
Lehens-Obliegenheiten überhaupt, und
(529)
zwar regulariter solang, als sie leben, gebührend zu vertretten haben.
Dergleichen Bestellung ist zuförderst 2dò bey Clöstern, Stiften, und anderen
niemal absterbenden Vasallen nicht nur gewöhnlich, sondern auch nöthig, also
und dergestalten, daß, wenn sie sich nicht selbst gutwillig zu Bestellung eines
solchen Lehen-Trägers bequemen, man statt ihrer Jemand von Amts-wegen hierzu
ernennen mag. 3tiò Ist die Lehen-Trägerey zwar auch bey Familien, oder wo sonst
mehr Lehens-Folger zugleich vorhanden seynd, soweit im Gebrauch, daß dieselbe
gemeiniglich dem Aeltisten aus ihnen zu Vermeidung deren bey der
Lehens-Erneuerung sich sonst ergebender vieler Schwürigkeiten Nomine Omnium
übertragen zu werden pflegt, welche man aber gleichwol ohne selbst gutwilliger
Einverständnuß weder auf Seiten deren Vasallen zu bestellen, noch
Lehen-herrlicher Seits anzunehmen verbunden ist. Die Würkung sothaner
Lehen-Trägerey äussert sich 4tò hauptsächlich bey der Lehens-Renovation und Erstattung
des Lehen-Reichs, anerwogen hiermit in denen Particular-Lehens-Fällen nicht
mehr auf den Vasallen, sondern nur auf den Lehen-Träger gesehen, sohin weder
das Lehen mehr erneuert, noch das Relevium gegeben wird, solang sich nicht
entweder in der Person mehr bemelten Lehen-Trägers ein Particular- oder durch
Absterben des Lehen-Herrns ein Haupt-Lehen-Fall ergiebt, es wäre dann ein
anderes hergebracht. Derowegen auch 5tò die Lehen-Trägerey ohne allerseitiger
Einwilligung vor Absterben des Lehen-Trägers wenigst ad hunc Effectum nicht
abgeändert werden kan. 6tò die übrige, welche nicht Lebenslänglich und
überhaupt, sondern nur zu gewissen Lehens-Verrichtungen z. E. zu
Ritter-Diensten, Lehens-Muthungen, Ablegung der Lehens-Pflicht, Bezahlung des
Lehen-Reichs von dem Vasallen bestellt seynd, werden zwar ebenfalls
Lehen-Träger genannt, in der That selbst aber nur anderen gemeinen Anwälden
gleich geachtet, und müssen auch von der Lehen-Herrschaft unweigerlich
angenommen werden, sofern sie nur mit Special-Vollmacht zu den ihnen
committirten Actum versehen, und auch sonst keiner rechtmässiger Ausstellung
unterworffen seynd.
Von
der Churfürstlichen Lehen-Hofs-Observanz.
§.
62. Soll denen Churfürstlichen Ober- und respectivè Unter-Lehen-Höfen an ihren
wol hergebracht- besonderen Gebräuchen durch gegenwärtige Verordnung nichts
derogirt seyn.
Ende.