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Kameraliſtiſche
Encyclopaͤdie.
Handbuch
der
Kameralwiſſenſchaften und ihrer Literatur
für
Rechts- und Verwaltungs-Beamte, Landſtaͤnde, Gemeinde-
Raͤthe und Kameral-Candidaten.
von
Dr. Edward Baumſtark,
Privat-Docenten an der Univerſität Heidelberg.
Heidelberg und Leipzig.
Druck und Verlag von Karl Groos.
1835.
[[II]/0008]
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Meinem Vater.
[[IV]/0010]
[[V]/0011]
Vorrede.
Eine gute Encyclopädie zu ſchreiben, iſt eine der ſchwerſten Auf-
gaben der Schriftſtellerei. Hier findet das Paradoxon ſeine An-
wendung, daß man ſehr vieles wiſſen ſoll, um wenig ſchreiben zu
können. Und ohne Zweifel am meiſten gilt dies bei einer kamera-
liſtiſchen Encyclopädie, die ſolche und ſo viele wiſſenſchaftliche
Fächer in ſich ſchließt, daß man von jedem Einzelnen nicht blos
beſondere Encyclopädien verfaſſen könnte, ſondern auch ſchon ver-
faßt hat. Irre ich nicht, ſo iſt dies wohl ein Hauptgrund, warum
wir keine, dem jetzigen Geiſte und Stande der Kameralwiſſenſchaft
entſprechende, genügende Encyclopädie beſitzen. Nicht zu ge-
denken, daß jene Encyclopädien die beſten ſind, welche zugleich
dem Geiſte der behandelten Wiſſenſchaft einen neuen Schwung ge-
ben und derſelben eine neue Seite von Werth abgewinnen, ſo darf
man, da zu jener Aufgabe äußerſt ſelten ein tauglicher Kopf erſteht,
mit allem Recht von einer ſolchen fordern, daß ſie den beſtehenden
Geiſt der Wiſſenſchaft treffe. Selbſt wenn er ein ſchwacher, ver-
irrter iſt, kann ſie immer noch nützlich ſein, indem ſie vorurtheils-
frei und ſcharf urtheilt und von dem Zuſtande des wiſſenſchaftlichen
Treibens ein wahres und helles Bild gibt. Es iſt ſogar oft nicht
anders möglich, als ſo zu verfahren. Bei ſolchen eminent prak-
tiſchen Fächern, wie die kameraliſtiſchen ſind, die aus der Er-
fahrung ſchöpfen, und bei denen man faſt wünſchen möchte, daß
es in einem gewiſſen Sinne gar keine Wiſſenſchaft gebe, iſt es
nicht ſo, wie bei der Philoſophie, thunlich, alle Paar Jahre ein
eigenthümliches Syſtem, dunkel oder klar, aufzuſtellen, — und der
liebe Gott hat es ſo ebenfalls recht wohl gemacht. Deßhalb darf
der Schriftſteller auch nicht auf rauſchenden Beifall hoffen. Es iſt
hier ſchon Verdienſt, wenn man die Wiſſenſchaft in einem guten
Geiſte zu conſolidiren vermag. Das Zeugniß, welches man dem
kameraliſtiſchen Treiben in dieſer Hinſicht zu geben genöthigt iſt,
glänzt nun freilich eben keineswegs ſo ſtark, als wohl Mancher
glauben möchte. Die wahrhaft befähigten Köpfe ſind unter den
der Kameralwiſſenſchaft Befliſſenen, wenigſtens in Süddeutſchland,
weit ſeltener als in jedem andern wiſſenſchaftlichen Zweige, den
theologiſchen ausgenommen. Dies kommt theils von dem noch nicht
[VI/0012]
erſtorbenen Vorurtheile, daß der auf der Schule Mittelmäßige für
einen zukünftigen Kameraliſten immer noch gut genug ſei, theils
davon, daß in der That die Kameralwiſſenſchaft, zwar leichter als
jede andere, platt getrieben werden kann, aber, beſonders dem poli-
tiſchen Theile nach, ſchwerer und geiſtvoller als jede andere, blos
die Geſchichte ausgenommen, iſt. Da iſt denn von einer philo-
ſophiſchen, claſſiſchen und hiſtoriſchen Durchbildung vor dem Be-
ginne der kameraliſtiſchen Studien leider noch weit weniger die
Sprache als bei jedem andern Fachſtudium, ſelbſt die Medizin mit
eingerechnet. Leider findet aber dieſer Geiſt immer mehr Nahrung
in der Art ſelbſt, wie die Kameralwiſſenſchaft behandelt wird.
Denn nichts ſagt ſolchen Leuten mehr zu, als nüchterner Wort-
kram, und dieſen finden ſie denn in der allgemeinen Wirthſchafts-
lehre, Handelswiſſenſchaft, Nationalöconomie und Finanzwiſſen-
ſchaft in der behaglichſten Fülle, ja er iſt ſchon ſo nothwendig
geworden, daß man die Meinung eines Andern nicht beurtheilen
oder widerlegen kann, wenn man nicht vorher über mehrere Defi-
nitionen geſtritten hat; man kämpft und kämpft, bis man vergeſſen
hat, weßhalb man den Hader eigentlich begann, und geht dann
auseinander. Da nun am wenigſten eine Encyclopädie beſtehen
kann, ohne dieſe Begriffsanarchie darzuſtellen, ſo mußten leider
auch in vorliegendem Buche manche Plätze damit ausgefüllt werden.
Man hat ſogar neuerlich auch angefangen, auf gut Altmodiſch und
Bequem, wie im philoſophiſchen Rechte, wirthſchaftliche Grund-
ſätze aus Definitionen abzuleiten, anſtatt aus Geſchichte und Leben,
und glaubt der Wiſſenſchaft ſo wie dem Leben dadurch einen beſon-
deren Vorſchub zu leiſten, da ein A. Ferguſon, A. Smith,
Ricardo u. dgl. ohne dies nicht zu verſtehen ſei. Und die Anti-
poden hiervon in der Geſinnung, nämlich die politiſchen Neuerer,
welche den unphiloſophiſchen politiſchen Philoſophen angehören,
ſtimmen in dieſen Ton von Herzen mit ein, weil ſie der Meinung
ſind, die Staaten ſeien ſchon darum und ſeither glücklicher gewor-
den, weil und ſeitdem man angefangen hat, ſich über den Begriff
des Staats zu ſtreiten, welcher als der Eierſtock aller praktiſchen
Staatsinſtitutionen erſcheint. Was ſoll man endlich gar denken,
wenn man, wie im Jahre 1831, gegen Say's berühmtes Hand-
buch, in allem Ernſte den Vorwurf leſen muß, daß es nur viele,
aus dem praktiſchen Leben gegriffene Beiſpiele (Caſuiſtik), aber
wenige Regeln enthalte, welche vielmehr der Leſer ſich ſelbſt
abſtrahiren müſſe, um ſo von der Analyſe auf die Syntheſe zu
kommen?
Ich möchte hier meine Hände in Unſchuld waſchen und dem
Vorwurfe vorbeugen, mit welchem man mir entgegentreten könnte.
[VII/0013]
Ich will mit gegenwärtigem Buche keine hohle Form liefern, denn
ich bin ihr in der Wiſſenſchaft und im Leben herzlich feind. Wer
es weiß, wie ſehr die Jurisprudenz mit der Kameralwiſſenſchaft
in Verbindung und Conflict geräth, wie nützlich dem angehenden
Kameraliſten eine Einleitung in ſeine Studien iſt, und wie ſchwer
es dem anhaltend beſchäftigten Verwaltungsbeamten fällt, ſich im-
mer auf gleicher Ebene mit der Wiſſenſchaft zu halten, der wird
dies Unternehmen nicht zwecklos oder unzeitig finden, welches dazu
beſtimmt iſt, dem Juriſten auf der Univerſität eine materielle
Ueberſicht der Kameralwiſſenſchaft nach ihrem dermaligen Stand-
punkte zu geben, den kameraliſtiſchen Neuling mit der Literatur-
geſchichte und mit den Syſtemen der Kameralwiſſenſchaft vorberei-
tend bekannt zu machen, und den Juriſten in der Praxis und den
Verwaltungsbeamten ſo in die Materie und Literatur dieſer Wiſ-
ſenſchaft einzuführen, daß jener die für ſein Fach nothwendigen
kameraliſtiſchen Kenntniſſe erhalte und beide im Stande ſeien, ihr
kameraliſtiſches Studium fortan allein für ſich, in dem oder gegen
den dermaligen Geiſt der Kameralwiſſenſchaft ſelbſtſtändig fortzu-
ſetzen. Dazu wird aber gefordert, nicht blos, daß man die Haupt-
grundſätze und Streitpunkte auf eine erregende, zum Nachdenken
Stoff gebende Weiſe darſtellt, ſondern auch, anſtatt blos alpha-
betiſch oder chronologiſch geordnete Büchertitel der allgemeinſten
Fächer anzugeben, die allgemeine und ſpezielle Literatur ſo viel als
möglich ſelbſt benutzt und die Leſer eben durch Benutzung, Er-
läuterung und Bekämpfung in dieſelbe einführt. Dieſe Aufgabe
iſt allerdings, beſonders in unſerer Wiſſenſchaft, ſehr groß. Wenn
ich nicht meinte, daß ihre Löſung mir einigermaßen gelungen ſei,
ſo würde ich dieſe Schrift nicht bekannt machen. Wenn ich aber
ferner nicht ein ſolches Buch für ein Bedürfniß hielte, ſo würde
ich es auch keineswegs geſchrieben haben. Ich zögerte darum, als
die Propädeutik von Kaufmann angekündigt ward, mit ſeiner Fort-
ſetzung, weil ich erwartete, daß dieſe ſchon dem Bedürfniſſe abhelfen
werde. Allein die Durchleſung jener Schrift hat mich von nichts weni-
ger überzeugt, als von der Unentbehrlichkeit einer Encyclopädie nach
meinen Anſichten. Nach dieſen aber wird man es wohl auch na-
türlich finden, daß ſie in Form und Gehalt von den bisherigen
gänzlich abweicht. Wer ſich um das Nähere, um die Controverſen,
nicht kümmert, der leſe blos den Inhalt der Paragraphen, und
ich glaube mein Möglichſtes gethan zu haben, um auch dieſen zu
befriedigen, So viel wenigſtens iſt gewiß, daß ich aus eigener
Erfahrung an meinen Schülern aus der Zahl der Juriſten, welche
meine Vorleſungen, die ich ſeit einiger Zeit jährlich in dieſer Aus-
dehnung über die Kameralwiſſenſchaften zu halten pflegte, beſucht
[VIII/0014]
haben, die gute Wirkung einer ſolchen Behandlung der Wiſſenſchaft
kennen gelernt habe, und ich möchte hier, wenn meine unbedeu-
tende Stimme nicht verhallen würde, die akademiſchen Lehrer dar-
auf aufmerkſam machen.
Ich glaube hierdurch gegen Vorwürfe in dieſer Hinſicht ſelbſt
gerüſtet zu ſein, wenn man in meiner Schrift auch blos eine Er-
weiterung des Syſtems eines Andern fände. Jedenfalls mache ich
den Anſpruch auf die Meinung von mir, daß ich dieſes Buch nicht
aus Mangel an Fleiß und Studien geſchrieben habe und als Deck-
mantel der Oberflächlichkeit in die Welt ſchicke. Allein eine nähere
Betrachtung — ſo hoffe ich — dürfte vielleicht der gelehrten
Welt zeigen, daß das Syſtem nicht entlehnt iſt, obſchon ich, was
von den Vorgängern in der Syſtematiſirung ſeit Ariſtoteles Tüch-
tiges geleiſtet wurde, mit Dankbarkeit benutzt habe. Ich glaubte
nämlich in der Begründung des wiſſenſchaftlichen Zuſammenhangs
der Kameralfächer noch manche und bedeutende Lücken zu ſehen,
und denke nicht im Irrthume zu ſein, wenn ich zu ihrer Aus-
füllung etwas beigetragen zu haben meine; denn es iſt bemerklich,
daß durch das ganze Syſtem nur ein Grundtypus von Kryſtalli-
ſation, wenn ich mich ſo ausdrücken darf, geht, ohne daß Zwang
zu verſpüren iſt. Die Syſteme ſämmtlicher einzelnen Wiſſenſchaften
ſind umgearbeitet, nur jenes der Landwirthſchaftslehre am wenigſten.
Allein wer wird ſich im Ernſte auf Syſtematiſirung etwas einbil-
den? — Ich wenigſtens gar nichts, wenn auch Einer oder der
Andere meiner Leſer daraus Nutzen ziehen dürfte.
Dagegen aber darf ich wohl, ohne in den Verdacht zu kommen,
mich mit den Düften des Eigenlobes umwölken zu wollen, beſon-
ders darauf aufmerkſam machen, daß ich die Wirthſchaft der Ge-
meinden as ein Mittelglied in die Kameralwiſſenſchaft eingereiht
und auf eine feſte Baſis zu ſtellen geſtrebt habe, was, ſo weit
meine Kenntniß reicht, noch Niemand vor mir gethan hat. Ebenſo
ſei es mir geſtattet, noch beſonders herauszuheben, daß ich eine
nicht unbeträchtliche Zahl von allgemein wirthſchaftlichen, national-
öconomiſchen und finanziellen Lehren einer Reviſion unterwarf.
Durch Beides möchte ich bezeugen, daß ich auch das Materielle der
Wiſſenſchaft zu fördern ſtrebte. Jedoch beſonders Noth thut dem
politiſchen Theile unſerer Wiſſenſchaft eine hiſtoriſche Grundlage;
denn ſie wird ohne dieſe auf die gefährlichſten Abwege gerathen.
Ich meine hiermit nicht, daß bei jeder Doctrin der Finanzwiſſen-
ſchaft mit Jahrzahlen und kalten ſtatiſtiſchen Daten eine magere
geſchichtliche Einleitung gegeben, ſondern die ganze öffentliche
Wirthſchaftslehre in ihrem Zuſammenhange auf hiſtoriſche Grund-
lagen, anſtatt auf bloße Dogmatik, geſtellt und als ein Ergebniß
[IX/0015]
von Forſchungen in der Geſchichte des Verkehrs, der Cultur, des
Staats und der Menſchheit überhaupt entwickelt werde. Welch'
eine Feſtigkeit, welch' einen praktiſchen Kern hat nicht dadurch
der große Spittlerſeinen Vorleſungen über Politik gegeben, und
wie lebendig, wie geiſtvoll ſteht ſie nicht in dieſem Gewande da!
Welche Kraft haben auf die Art nicht A. Smith und A. Fer-
guſon ihren unſterblichen Werken eingehaucht! Aber auch hier
ſieht man die Halbheit des Fleißes und der Studien unſerer jungen
Kameraliſten. Während Bücher, wie der genannten Männer
und jenes von Ricardo verdienten, wie vom Pulte hinwegzukom-
men, ſo ſind diejenigen, welche ſie leſen wollen, äußerſt ſelten
und man hält es für eine unbegreifliche Zumuthung, das Bißchen
Engliſch zu lernen, blos um ſolche Schriften verſtehen zu können.
Endlich aber halte ich es, um nicht auch einen Theil der
Schuld an der einſeitigen Richtung unſeres Staatslebens tragen
zu müſſen, inſoferne dieſe Schrift den Einen oder Andern zur Ein-
ſeitigkeit, in Verſuchung führen ſollte, für meine Pflicht, hier noch
zu erklären, daß es ganz gegen meine Wünſche ginge, wenn dar-
aus, daß ich mit der kameraliſtiſchen Encyclopädie nicht auch eine
politiſche verbunden habe, geſchloſſen werden ſollte, ich gehörte
auch zu denjenigen, welche vergeſſen, daß der Staat noch mehr
in ſich ſchließt, als nationalöconomiſche, finanzielle und gewerb-
liche Zwecke. Ich will mit dieſer Encyclopädie unſere Wiſſenſchaft
nicht darin unterſtützen, daß ſie ſich ſo breit macht und gleichſam
allein die Henne ſein will, die da brüten darf. Im Gegentheile
ich halte dafür, daß keine Staatsfrage, alſo auch die national-
öconomiſche und finanzielle nicht, ohne genaue Erwägung aller
politiſchen Verhältniſſe richtig gelöst werden kann. Darum mache
ich meine Leſer ausdrücklich darauf aufmerkſam, daß ſie ſich eben
ſo, wie an die Kameralwiſſenſchaft, gleichlaufend an die Politik
anſchließen und ſich ja hüten, wiſſenſchaftliche Sätze ſo ohne Wei-
teres, weil ſie wahr ſind, auch auf den Staat überzutragen. Die
Bildung der Kameraliſten auf unſeren Univerſitäten, ſo wie ſie,
wenigſtens in Süddeutſchland, von den Staatsprüfungen unterſtützt
wird, iſt meiner Anſicht nach durchaus verfehlt und einſeitig. In
der Politik werden ſie gar keiner Prüfung unterworfen; daher
auch nur das Hörenvon Staatsrecht, Völkerrecht u. dgl., weil
es einmal im Syſteme ſteht oder vorgeſchrieben iſt, aber keines-
wegs das Studium dieſer Fächer! Dagegen werden auf der
Univerſität Vorleſungen über Bergbau, Land- und Forſtwirthſchaft,
und Technologie gehört, welche um kein Haar mehr ſein können,
als bloße Halbheit, weil man weder Zeit noch Mittel zu einem
tüchtigen Betriebe dieſer Fächer daſelbſt hat, wenn der Lehrer auch
[X/0016]
ein wiſſenſchaftlicher Praktiker wäre. Zum Staatsexamen berufen,
werden alsdann die Candidaten in dieſen Gewerbslehren theoretiſch,
vermittelſt einiger Fragen examinirt, aber nicht für ſolche prak-
tiſche Fächer geprüft, und alsdann ſelbſt darin angeſtellt. Iſt
auf dieſe Art etwas anderes als die berührte Einſeitigkeit zu er-
warten? Warum nimmt man zu den Staatsſtellen, welche mit
jenen Gewerbszweigen in genaue Berührung kommen, nicht prak-
tiſch gebildete Männer? Und warum prüft man die eigentlichen
Kameraliſten nicht ſtreng in den politiſchen Fächern, da doch die
Gewerbsvorleſungen auf Univerſitäten kaum mehr ſind als theore-
tiſche Encyclopädien? Und warum endlich verweist man dieſe
Letzteren nicht geradezu auf polytechniſche Schulen, wie es bis-
her mit der Bildung der Baubeamten auch geſchehen iſt? — Man
wird wohl einſehen, daß ich trotz dieſer Anſichten dennoch eine
kameraliſtiſche Encyclopädie ſchreiben konnte und durfte, nur muß
man allmälig von dem Vorurtheile abkommen, daß man nach den
wiſſenſchaftlichen Syſtemen die Bildung und Prüfung der Staats-
beamten einrichten ſolle, anſtatt die Vorſchriften darüber nach dem
praktiſchen Bedürfniſſe zu entwerfen. Zudem vermag ich nicht
einzuſehen, warum gerade Alles, was im Leben in einigen Zu-
ſammenhang tritt, auch im Syſteme einen ſolchen haben ſoll.
Wir können alle fühlen, wohin ſo Etwas führt. Das Leben wird
ſyſtematiſch, aber keineswegs das Syſtem lebendig.
Man erſieht aus dem Bisherigen ſchon hinlänglich, welchen
wiſſenſchaftlichen und praktiſchen Zweck ich mit dieſer Arbeit zu
erreichen wünſche. Es bleibt mir aber nun auch noch übrig, mein
Bedauern darüber auszudrücken, daß man bei dieſer Art von Bü-
chern, wo es auf möglichſte Raumgewinnung ankommt, zugleich
eine angenehme Darſtellung, wie ſehr ſie auch in der That wün-
ſchenswerth iſt, nicht überall erreichen kann. Ich habe geſucht,
ſie, wo es nur thunlich war, nicht außer Augen zu laſſen. Wenn
es mir gar nicht, oder vielleicht blos nicht überall gelungen iſt, ſo
darf ich wohl aus jenem Grunde auf Nachſicht Anſpruch machen.
Um aber die Brauchbarkeit des Buches für den Praktiker zu er-
höhen, ſo habe ich mit der Fertigung des Regiſters, ich möchte
ſagen, mein Unmögliches geleiſtet; denn meine Unfähigkeit zu
ſolchen Arbeiten iſt ſo groß, daß ich ſie abſolut nennen würde,
wenn mich das Regiſter nicht dennoch anders belehrt hätte. Faſt
ſo ſteht es mit meinen Correctorstalenten, und deßhalb folgt auch
noch ein ziemliches Regiſter von Sinn ſtörenden Druckfehlern, der
andern unbedeutenden nicht zu gedenken.
Heidelberg im December 1834.
[[XI]/0017]
Inhaltsanzeige.
Einleitung.
I. Weſen der Encyclopädie S. 1. II. Hiſtoriſche Entwickelung des
Kammerweſens S. 4. III. Hiſtoriſche Entwickelung des Weſens der
Kameralwiſſenſchaft S. 32. IV. Philoſophiſche Entwickelung des ka-
meraliſtiſchen Syſtems S. 53.
Allgemeine Wirthſchaftslehre.
Erſter Theil. Erwerbslehre S. 66.
Erſtes Hauptſtück. Von den wirthſchaftlichen Bedürfniſſen S. 66.
Zweites Hauptſtück. Von den wirthſchaftlichen Erwerbsmitteln.S. 73.
Drittes Hauptſtück. Von d. Arten d. Erwerbs i. Allgemeinen S. 77.
Zweiter Theil. Hauswirthſchaftslehre S. 86.
Erſtes Hauptſtück. Von der Beſtellung der Hauswirthſchaft S. 86.
Zweites Hauptſtück. Von der Erhaltung und Verwendung des
wirthſchaftlichen Vermögens und Einkommens S. 93.
Drittes Hauptſtück. Von der Verrechnung des Vermögens und
Einkommens S. 102.
Beſondere Wirthſchaftslehre
Erſter Theil. Bürgerliche Wirthſchaftslehre.
Erſter Abſchnitt. Stoffgewerbslehre.
Erſte Abtheilung. Urgewerbslehre.
Erſtes Buch. Bergbaulehre.S. 107.
Erſtes Hauptſtück. Bergmänniſche Gewerbslehre.S. 108.
Erſtes Stück. Allgemeine Gewerbslehre. I. Anzeigen des Vor-
handenſeins nutzbarer Mineralkörper S. 109. II. Geſtaltung, Lage
und Maaßgehalt der Formationen S. 111. III. Unterſuchungen
der Erdoberfläche und Verſuchsbaue S. 115. IV Anlegung der
Grubengebäude S. 120. V. Arbeit auf dem Geſtein S. 129.
VI. Gruben- und Tageförderung S. 133. VII. Scheiden der Erze
in der Grube S. 136.
Zweites Stück. Beſondere Gewerbslehre S. 137. I. Betrieb der
Torfgräberei S. 137. II. Betrieb der Steinbrüche S. 138. III.
Abbau regelmäßiger Lager und Flötze. S. 139. IV. Abbau mitt-
lerer Lager und Gänge S. 142. V. Abbau mächtiger Lager und
Gänge S. 143. VI. Abbau der Stöcke und Stockwerke S. 145.
VII. Betrieb der Salzwerke S. 147.
[XII/0018]
Zweites Hauptſtück. Bergmänniſche Betriebslehre S. 149. I. Be-
dürfniſſe des Betriebes S. 149. II. Organiſation des Betriebes S.
151. III. Leitung des Betriebes S. 153. IV. Betriebswirthſchaft
S. 155. V. Ertragsanſchläge.S. 159.
Zweites Buch. Landwirthſchaftslehre S. 161.
Erſtes Hauptſtück. Landwirthſchaftliche Gewerbslehre S. 163.
Erſter Abſatz. Landbaulehre.
Erſtes Stück. Feldbaulehre.
Erſte Unterabtheilung. Allgemeine Feldbaulehre. I. Boden-
kunde S. 164. II. Bodenbearbeitung S. 170. A. Bodengeſtal-
tung S. 170. B. Bodenmiſchung S. 180. III. Pflanzung S. 190.
IV. Ernte S. 194.
Zweite Unterabtheilung. Beſondere Feldbaulehre.S. 196.I.
Ackerbau,S. 197. A. Getreide S. 197. B. Wurzel- und Knol-
lengewächſe S. 205. C. Gewürzpflanzen S. 209. D. Baſtpflanzen
S. 211. E. Oelpflanzen.S. 214. F. Färbepflanzen S. 216. G.
Gewerkspflanzen S. 218. H. Futterpflanzen S. 219. II. Wie-
ſenbau S. 221. III. Weidebau S. 224.
Zweites Stück Gartenbaulehre S. 225.
Erſte Unterabtheilung. Allgemeine Gartenbaulehre.S. 225. I.
Bodenkunde S. 226. II. Bodenbearbeitung S. 227. III. Pflan-
zung S. 228. IV. Ernte S. 231.
Zweite Unterabtheilung. Beſondere Gartenbaulehre. I. Blumen-
gärten.S. 232. II Gemüſegärten S. 233. III Obſtgärten S. 234.
Zweiter Abſatz. Thierzuchtlehre.S. 237.
Erſtes Stück. Allgemeine Thierzuchtlehre S. 237. I. Anſchaffung
und Paarung der Thiere S. 238. II. Zucht und Pflege derſelben
S. 239. III. Mäſtung derſelben S. 240.
Zweites Stück Beſondere Thierzuchtlehre S. 241. I. Pferdezucht
S. 241. II. Rindviehzucht S. 243.III. Schaafzucht S. 246.
IV. Ziegenzucht S. 249. V. Schweinezucht S. 250. VI. Feder-
viehzucht.S. 250. VII. Bienenzucht S. 251. VIII. Fiſchzucht
S. 252. IX. Seidenraupenzucht S. 253.
Zweites Hauptſtück. Landwirthſchaftliche Betriebslehre S. 254.
I. Bedürfniſſe des Betriebs S. 254. II. Organiſation deſſelben
S. 257. III. Leitung deſſelben S. 259. IV. Betriebswirthſchaft
S. 263. V. Anſchläge.S. 265.
Drittes Buch. Forſtwirthſchaftslehre.S. 267.
Erſtes Hauptſtück. Forſtwirthſchaftliche Gewerbslehre S. 269.
Erſter Abſatz. Waldbaulehre.
Erſtes Stück. Forſtbaulehre.
Erste Unterabtheilung. Allgemeine Forſtbaulehre.S. 269. I.
Bodenkunde S. 270. II. Bodenbearbeitung S. 270. III. Pflan-
zung S. 271. IV. Ernte oder Hieb S. 284.
Zweite Unterabtheilung. Beſondere Forſtbaulehre.S. 289. I.
Laubholzbau S. 289. II. Nadelholzbau S. 295.
[XIII/0019]
Zweites Stück Hain- und Luſtgartenbaulehre S. 298. I. Allge-
meine Grundſätze S. 299. II. Beſondere Grundſätze S. 300.
Zweiter Abſatz Wildbahn- oder Jagdlehre I. Wildbahnen
S. 301. II. Hegen des Wildes S. 303. III. Jagd S. 304.
Zweites Stück Beſondere Wildbahnlehre S. 306. I. Haarwild
S. 306. II. Federwild S. 309. III. Fiſche S. 310.
Zweites Hauptſtück. Forſtwirthſchaftliche Betriebslehre S. 311.
I. Bedürfniſſe des Betriebs S. 311. II. Organiſation deſſelben
S. 317. III. Leitung deſſelben S. 319. IV. Betriebswirthſchaft
S. 324. V. Anſchläge oder Taxation.S. 326.
Zweite Abtheilung. Kunſtgewerbslehre.S. 330.
Erſtes Hauptſtück. Merkantiliſche Gewerbslehre S. 331.
Erſtes Stück. Allgemeine Gewerkslehre S. 331. I. Stoffkunde
S. 332. II Geräthskunde S. 333. A. chemiſche S. 334. B. me-
chaniſche S. 334. III: Operations- und Prozeßkunde S. 348. IV.
Productenkunde S. 349.
Zweites Stück. Beſondere Gewerkslehre S. 349.
Erſte Unterabtheilung. Verarbeitung mineraliſcher Produkte S.
349. I. Hüttenweſen S. 349. II. Siedwerksweſen S. 360. III.
Metallverarbeitung S. 368. IV Erd -, Stein- und Brenzeverar-
beitung S. 376.
Zweite Unterabtheilung. Verarbeitung pflanzlicher Stoffe S. 38.
I. Mehlhaltiger Stoffe S. 384. II Oelhaltiger Stoffe S. 388.
III. des Holzes S. 393. IV. des Zuckerſtoffes S. 397.
Dritte Unterabtheilung. Verarbeitung thieriſcher Stoffe S. 40.
I. der Häute und Därme S. 407. II des Fettes S. 412.
Vierte Unterabtheilung. Verarbeitung pflanzlicher und thieri-
ſcher Stoffe zuſammen S. 418. I. Schaafwollſpinn- und Weberei
S. 418. II. Baumwollſpinn- und Weberei S. 423. III. Sei-
denſpinn- und Weberei S. 426.III. Lein- und Hanfſpinn- und
Weberei S. 428. V. Papiermacherei S. 430.
Fünfte Unterabtheilung. Verarbeitung der Producte aller drei
Reiche oder Baukunſt S. 433.
Zweites Hauptſtück. Werkmänniſche Betriebslehre S. 434. I.
Bedürfniſſe des Betriebs S. 434. II. Organiſation deſſelben S.
439. III. Leitung deſſelben S. 440. IV. Betriebswirthſchaft S.
442. V. Anſchläge S. 444.
Dritte Abtheilung. Umſatzgewerbslehre.S. 444.
Erſtes Hauptſtück. Umſatz-Gewerbslehre S. 448.
Erſter Abſatz. Handelslehre.S. 448.
Erſtes Stück. Allgemeine Handelslehre S. 448.
Erſte Unterabtheilung. Gabe im Handel S. 449. I. Waaren
449. A. Waarenlehre S. 449. B. Waarenkunde S. 455. II.
Geld S. 455.A. Geldlehre S. 455.B. Geldkunde S. 462.
II. Effecten S. 463. A. Effectenlehre S. 463. B Effectenkunde S. 470.
Zweite Unterabtheilung. Gegengabe im Handel S. 471. I.
Preis im Handel S. 471. II. Erſtattung deſſelben. S. 471. A.
[XIV/0020]
Bezahlung S. 472. B. Verſchiebung der Zahlung S. 472. C. Com-
penſiren und Scontriren S. 473. D. Girobanken S. 473.
Zweites Stück. Beſondere Handelslehre S. 475.
Erſte Unterabtheilung. Handelsarten nach den Handelsgegen-
ſtänden S. 475. I. Waarenhandel S. 475. II. Geldhandel S.
475. III. Effectenhandel S. 476. A. Actienhandel S. 476. B.
Staatspapierhandel S. 477. C. Wechſelhandel S. 479.
Zweite Unterabtheilung. Handelsarten nach den Handelsſubjec-
ten S. 481. I. Einzelhandel S. 481. II. Geſellſchaftshandel
S. 482. III. Staatshandel S. 483.
Dritte Unterabtheilung. Handelsarten nach den Handelswegen
S. 483. I. Landhandel S. 483. II. Waſſerhandel S. 484.
Zweiter Abſatz. Leihgewerbslehre S. 488.
Zweites Hauptſtück. Umſatzbetriebslehre S. 490. I. Bedürfniſſe
des Betriebs S. 490. II. Organiſation deſſelben S. 493. III.
Leitung deſſelben S. 494. IV. Betriebswirthſchaft S. 495. V.
Anſchläge S. 499.
Zweiter Abſchnitt. Dienſt-Gewerbslehre S. 499.
Erſtes Hauptſtück. Dienſt-Gewerbslehre S. 501.
Zweites Hauptſtück. Dienſt-Betriebslehre S. 502. I. Bedürf-
niſſe des Betriebs S. 502.II. Betriebswirthſchaft S. 504. III.
Buchführung und Anſchläge.S. 505.
Zweiter Theil. Gemeindewirthſchaftslehre S. 506.
Erſter Abſchnitt. Gemeinde-Erwerbswirthſchaftslehre S. 508.
Erſte Abtheilung. Erwerb aus dem Gemeindevermögen S. 509.
I. Bewirthſchaftung der Gemeindeliegenſchaften S. 509. II. Be-
wirthſchaftung der Gemeinderechtſame S. 511. III. Bewirth-
ſchaftung der Gemeindeactivkapitalien S. 512.
Zweite Abtheilung. Erwerb aus dem Gemeindeumlagsrechte S.
513. I. Allgemeine Grundſätze S. 513. II. Beſondere Grund-
ſätze.S. 516.
Dritte Abtheilung. Benutzung des Gemeindekredits S. 520.
Zweiter Abſchnitt. Gemeinde-Hauswirthſchaftslehre S. 522.
Erſte Abtheilung. Beſtellung der Gemeindewirthſchaft S. 522.
Zweite Abtheilung. Erhaltung des Gemeindevermögens und Ein-
kommens S. 524.
Dritte Abtheilung. Verwendung des Gemeindeeinkommens S. 528.
Vierte Abtheilung. Voranſchläge der Gemeindeausgaben und
Einnahmen S. 531.
Fünfte Abtheilung. Verrechnung der Gemeindeeinkünfte S. 532.
Dritter Theil. Oeffentliche Wirthſchaftslehre S. 533.
Erſter Abſchnitt. Volkswirthſchaftslehre S. 533.
Erſte Abtheilung. Volkswirthſchaftliche Gewerbslehre S. 545.
Erſtes Buch. Allgemeine Grundſätze S. 545.
Erſtes Hauptſtück. Volkswirthſchaftliche Erwerbslehre S. 546.
Erſtes Stück. Hervorbringung des Volksvermögens S. 546.
Erſter Abſatz. Das Volksvermögen S. 546. I. Inbegriff deſſel-
ben S. 546. II. Weſen deſſelben.S. 549.
[XV/0021]
Zweiter Abſatz. Einkommen und Einkommensquellen S. 553. I.
Production im Allgemeinen S. 553. II. Güterquellen insbeſondere
S. 556. III. Einkommen des Volkes S. 566.
Zweites Stück. Vertheilung des Volksvermögens und Einkommens
S. 568. I. Güterumlauf S. 568. II. Preis S. 583. III. Zweige
des Volkseinkommens S. 590.
Zweites Hauptſtück. Volkswirthſchaftliche Hauswirthſchaftslehre
S. 605.
Erſtes Stück. Bevölkerung S. 605.
Zweites Stück. Verwendung des Volksvermögens und Einkom-
mens S. 608.
Drittes Stück. Verhältniß des Volkseinkommens und -Aufwandes
S. 610.
Zweites Buch. Beſondere Grundſätze S. 611.
Erſtes Hauptſtück. Urgewerbe, als Zweig d. Volkswirthſchaft S. 611.
Zweites Hauptſtück. Kunſtgewerbe als Zweig der Volkswirth-
ſchaft S. 616.
Drittes Hauptſtück. Umſatzgewerbe, als Zweig der Volkswirth-
ſchaft S. 618.
Viertes Hauptſtück. Dienſtgewerbe, als Zweig der Volkswirth-
ſchaft S. 620.
Zweite Abtheilung. Volkswirthſchaftliche Betriebslehre S. 621.
Erſtes Buch. Allgemeine Grundſätze S. 624.
Erſtes Hauptſtück. Betrieb des volkswirthſchaftlichen Erwerbes S. 624.
Erſtes Stück. Einwirkung auf d. Hervorbringung S. 624.
Zweites Stück. Einwirkung auf d. Vertheilung S. 626.
Erſter Abſatz. Beförderung des Güterumlaufes S. 626.
Zweiter Abſatz. Geſetzliche Beſtimmung der Preiſe S. 632.
Dritter Abſatz. Einfluß des Staats auf die Einkommenszweige
S. 633.
Zweites Hauptſtück. Betrieb der volkswirthſchaftlichen Haus-
wirthſchaft S. 635.
Erſtes Stück. Sorge für die Erhaltung des Volksvermögens und
Einkommens S. 635.
Erſter Abſatz. Vorbeugungsmittel gegen Gefahren S. 635.
Zweiter Abſatz. Entſchädigungsmittel S. 643.
Zweites Stück. Leitung d. Verzehrung d. Volkseinkommens S. 646.
Erſter Abſatz. Einwirkung auf die Bevölkerung S. 646.
Zweiter Abſatz. Einwirkung auf die Verwendung ſelbſt S. 647.
Dritter Abſatz. Sorge für die Armen S. 651.
Zweites Buch. Beſondere Grundſätze S. 656.
Erſtes Hauptſtück. Pflege der Urgewerbe S. 656.
Erſtes Stück. Bergbaubetrieb S. 656.
Zweites Stück. Landwirthſchaftsbetrieb S. 658.
Erſter Abſatz. Feld- und Gartenbau S. 658.
Zweiter Abſatz. Viehzucht S. 668.
[XVI/0022]
Drittes Stück. Forſtwirthſchaftsbetrieb S. 668.
Zweites Hauptſtück. Pflege des Kunſtgewerbsbetriebs S. 671.
Drittes Hauptſtück. Pflege des Umſatzgewerbsbetriebs S. 677.
Zweiter Abſchnitt. Staatswirthſchaftslehre S. 689.
Erſte Abtheilung. Staats-Erwerbswirthſchaftslehre S. 693.
Erſtes Buch. Allgemeine Grundſätze S. 693.
Zweites Buch. Beſondere Grundſätze S. 697.
Erſtes Hauptſtück. Erwerb des Staats aus Gewerben S. 697.
Erſtes Stück. Urgewerbsbetrieb des Staats S. 697. I. Staats-
bergbau S. 697. II. Staatslandwirthſchaft S. 701. III. Staats-
forſtwirthſchaft S. 705.
Zweites Stück. Kunſtgewerbsbetrieb d. Staats S. 706. I. Staats-
hüttenweſen S. 707. II. Staatsſalpeterien S. 707. III. Staats-
münzweſen S. 708.
Drittes Stück. Umſatzgewerbsbetrieb des Staats S. 710. I.
Staatshandelsgeſchäfte S. 710. II. Staatsleihgeſchäfte S. 712.
Viertes Stück. Dienſtgewerbsbetrieb des Staats S. 714.
Zweites Hauptſtück. Erwerb des Staats aus Steuern S. 717.
Erſtes Stück. Allgemeine Grundſätze der Beſteuerung S. 717.
Zweites Stück. Einzelne Steuerarten S. 723. I. Perſonalſteuern
S. 723. II. Vermögensſteuer S. 724. III. Einkommensſteuern
S. 726. A. Allgemeine Einkommensſteuer S. 726. B. Beſon-
dere Einkommensſteuern S. 727. IV. Genußſteuern S. 742. A.
Allgemeine Betrachtung S. 742. B. Gebrauchsſteuern S. 743.
C. Verbrauchsſteuer S. 745.
Drittes Hauptſtück. Erwerb des Staats aus Kredit S. 751.
Erſtes Stück. Arten der Benutzung des Staatskredits S. 751.
A. Zwangskreditgeſchäfte S. 751. B. Freie Kreditgeſchäfte S. 754.
Zweites Stück. Negoziationen u. Formen d. Staatsanleihen S.757.
Drittes Stück. Verzinſung u. Tilgung d. Staatsſchulden S. 759.
Zweite Abtheilung. Staatshauswirthſchaftslehre S. 762.
Erſtes Hauptſtück. Beſtellung der Staatshauswirthſchaft S. 762.
Zweites Hauptſtück. Erhaltung des Staatsvermögens S. 764.
I. Veräußerlichkeit der Staatsdomänen S. 764. II. Veräußerlich-
keit der Staatswaldungen S. 765. III. Entäußerlichkeit der Fi-
nanzregalien S. 767.
Drittes Hauptſtück. Verwaltung der Einkommensquellen des
Staats S. 770.
Viertes Hauptſtück. Verwendung des Staatseinkommens S. 774.
Fünftes Hauptſtück. Voranſchläge der Staatsausgaben und -Ein-
nahmen S. 779.
Sechstes Hauptſtück. Staats-Kaſſen- und Rechnungsweſen
S. 781.
[[1]/0023]
Einleitung.
I. Von dem Weſen der Encyclopädie.
§. 1.
Jetziger Stand der Wiſſenſchaftlichkeit.
Im Alterthume und im Mittelalter war die Wiſſenſchaft über-
haupt ſichtbar durch ein Streben nach einem Mittelpunkte, nach
einer Einheit und durch eine Verallgemeinerung charakteriſirt. Im
Laufe der Zeiten iſt dieſer Charakter derſelben verſchwunden und
hat dem Gegentheile Platz gemacht. Das Streben, jenem Mittel-
punkte, jener Einheit auszuweichen, die wiſſenſchaftliche Zerle-
gungskunſt, Abſonderung und Vereinzelung charakteriſirt beſonders
unſere Zeit. Die Gründe dieſer Erſcheinung ſind, 1) daß das
Studium der Philoſophie und des claſſiſchen Alterthums und Mit-
telalters an Seichtigkeit bis faſt zum allmäligen Verſchwinden zu-
genommen hat; 2) daß ohne ſolche vorausgegangene philoſophiſche
und claſſiſche Bildung, ohne welche ächte Wiſſenſchaftlichkeit nicht
denkbar iſt, zu viel von unſeren Schriftſtellern ſelbſt zu ſchaffen
verſucht wird; 3) daß die ſo entſtandene viele einzelne Wiſſen-
ſchaften einen äuſſerſt hohen Grad von Ausbildung, Erweiterung
und Vervollkommnung erreicht haben, ſo daß entweder eine un-
vollſtändige Kenntniß des Einzelnen Folge umfaſſenden Betriebs
der ganzen Wiſſenſchaft, oder die Vernachläſſigung des Letzteren
Folge der ausgedehnten Einzelkenntniſſe iſt; und 4) daß unſere
ganze Zeit, zufolge des ſie charakteriſirenden Eigennutzes, nur eine
ſogenannte praktiſche, eigentlich wirthſchaftliche, Tendenz hat,
vermöge welcher ſie den Werth der Wiſſenſchaft beurtheilt und dieſe
ſelber immer mehr ins praktiſche Leben zu ſich herabzieht.
§. 2.
Bedürfniß einer Zuſammenfaſſung. Encyclopädie.
Man lehrt und lernt daher mehr nur einzelne Fächer, als die
ganze Wiſſenſchaft, und unterläßt diejenigen Vorſtudien, welche
Baumſtark Encyclopädie. 1
[2/0024]
vom Ganzen derſelben verlangt werden. Ein Zuſammenfaſſen des
ganzen Gebietes der Wiſſenſchaft1) oder einer Wiſſenſchaft2) hat
alſo an und für ſich den wiſſenſchaftlichen Zweck, das Bedürfniß
eines Haltpunktes für die Einzelheit und einer Vorbereitung für
den Betrieb der ganzen oder einer ganzen Wiſſenſchaft zu befrie-
digen. Dieſes Zuſammenfaſſen der oder einer Wiſſenſchaft bezeich-
man jetzt mit dem Worte Encyclopädie, das griechiſchen
Urſprungs iſt, und in die Stammwörter ἐν (in),κυκλοϛ(Kreis)
und παιδεια (Unterricht) zerfällt, welches letztere Wort von παιϛ
(Knabe) herkommt.
¹⁾ Ueber die Encyclopädie der Wiſſenſchaft ſ. Krug über den Zuſammen-
hang der Wiſſenſchaften unter ſich und mit den höchſten Zwecken der Vernunft.
Jena 1795. Krug, Verſuch einer neuen Eintheilung der Wiſſenſchaften. Züllichau
1805. Krug, Verſuch einer ſyſtemat. Encyclopädie der Wiſſenſchaften. 2 Thle.
Wittenberg 1796–1797. Eſchenburg, Lehrb. der Wiſſenſchaftskunde. 3te Aufl.
Berlin 1809. Schaller, Encyclopädie und Methodologie der Wiſſenſchaften.
Magdeburg 1812. J. G. Müller, Briefe über das Studium der Wiſſenſchaften,
beſonders für einen Jüngling politiſchen Standes. 2te Aufl. Zürich 1817.
²⁾ Daher ſpricht man von einer theologiſchen, juriſtiſchen, mediziniſchen, phi-
loſophiſchen, ſtaatswiſſenſchaftlichen, kameraliſtiſchen Encyclopädie.
§. 3.
Begriff und Arten der Encyclopädie.
Dem Worte nach, nämlich wie der Kreis die vollkommenſte,
von einem Punkte aus entſtandene, zuſammenhängende, für ſich
abgeſchloſſene, gedrängte, mathematiſche Form iſt, bedeutet nun
Encyclopädie eine ſyſtematiſche Darſtellung eines Wiſſenſchafts-
Gebietes, d. h. eine aus einem oberſten und erſten allgemeinen
Prinzipe abgeleitete, organiſch zuſammenhängende, für ſich abge-
ſchloſſene kurze Darſtellung aller einzelnen, den Kreis einer Wiſ-
ſenſchaft nach allen Ausdehnungen füllenden, Einzelwiſſenſchaften,
als Unterricht für Anfänger in denſelben.1) Man theilt ſie daher
1) in Betreff des Umfangs von Wiſſenſchaften ein in a) allge-
meine Encyclopädie der Wiſſenſchaften (§. 2. Note 1.) und b) be-
ſondere Encyclopädie einzelner Wiſſenſchaften (§. 2. Note 2.),
unter welche alſo auch die Encyclopädie der Kameralwiſſen-
ſchaften gehört. Sie iſt aber 2) in Betreff der Darſtellung und
des Gehaltes entweder a) formelle (äußere) Encyclopädie, auch
Wiſſenſchaftskunde genannt, wenn ſie blos über den Umfang und
logiſchen Zuſammenhang einer Wiſſenſchaft unterrichtet und alſo
die Form (das Aeußere) derſelben darſtellt; oder aber b) materi-
elle (innere) Encyclopädie, wenn ſie neben und in der logiſchen
Form auch den Gehalt (das Innere) einer Wiſſenſchaft bald hi-
ſtoriſch, bald dogmatiſch, kurz, allgemein und abgerundet lehrt.2)
[3/0025]
¹⁾ Falck, juriſtiſche Encyclopädie. 2te Aufl. Kiel 1825. §. 23. 24. Dieſer
will den Begriff von Encyclopädie auf die Einleitungswiſſenſchaft der Vorberei-
tungskenntniſſe beſchränken, und ſtüzt ſich deshalb auf die auch vorkommende Bedeu-
tung von ἐγκυκλιοϛ, wo es ſo viel als allgemein heißt, und auf die Gewohnheit
ſeit dem 17ten Jahrhunderte, die Vorbereitungskenntniſſe in einer eigenen Einlei-
tungswiſſenſchaft zuſammenzufaſſen. Allein jene Bedeutung jenes Wortes erklärt
ſich am natürlichſten aus ſeiner im Texte erläuterten Zuſammenſetzung; dieſe frühere
Einleitungswiſſenſchaft aber war, wie der Verf. §. 25. ſelbſt angibt, eine Metho-
dologie, und keine Encyclopädie. Darin, daß die Encyclopädie auch als
Einleitungswiſſenſchaft gebraucht wird, liegt nur wieder ein Beiſpiel, wie man
öfters eine Sache zu verſchiedenen Zwecken brauchen kann, ohne daß darum ihr
Weſen und ihr erſter wahrer Zweck ſich verändert. Die Methodologie iſt die
eigentliche Einleitungswiſſenſchaft, welche nothwendigerweiſe den logiſchen Zuſam-
menhang einer Wiſſenſchaft in ihren weſentlichen Theilen, und mit ihren Hilfs-
wiſſenſchaften darſtellen muß, ehe ſie den Anfänger lehrt, auf welche Art und Weiſe
(Methode) er die Wiſſenſchaft zu betreiben hat. Weil nun die formelle Encyclo-
pädie von der Methodologie unzertrennlich iſt, ſo lange Letztere ihren Zweck erfüllen
ſoll, und weil Encyclopädie und Methodologie in der Regel in einem Buche
zugleich dargeſtellt werden, ſo hat man der Erſteren, abgeſehen von ihrer verſchie-
denen Behandlung, endlich auch den engeren Zweck und die engere Bedeutung der
Lezteren untergeſchoben.
²⁾ Man findet daher das Wort Encyclopädie auch gebraucht, wo über-
haupt, abgeſehen von der Ausdehnung des Inhaltes, von der Darſtellungsart und
Form der Darſtellung, das geſammte Gebiet einer oder der Wiſſenſchaft dargeſtellt
wird, und wo dies in Form eines Lexicons oder alphabetiſch geſchieht, z. B. die
allgemeine Encyclopädie von Erſch und Gruber, die ökonomiſche Encyclopädie
von Krünitz, die franzöſiſche Encyclopèdie méthodique, u. dgl., welche mehr als
100 Bände erhalten, und immer noch fortgeſetzt werden können. Allein aus dem
Texte iſt erſichtlich, daß dieſer Gebrauch des Wortes einſeitig und unrichtig iſt.
§. 4.
Zweck der Encyclopädie.
Der wahre Zweck der Encyclopädie iſt, als ein rein wiſſen-
ſchaftlicher, jene kurze ſyſtematiſche Darſtellung des geſammten
Gebietes einer Wiſſenſchaft, zum Unterrichte für Anfänger. Welche
weitere, praktiſche oder methodologiſche, Zwecke mit ihr er-
zielt werden, das kann ihr Weſen an ſich und ihren Begriff nicht,
wohl aber ihren Inhalt verändern. Iſt der Zweck des Studiums
derſelben ein mehr praktiſcher, ſo will man ſich allgemeine Kennt-
niſſe in einer Wiſſenſchaft verſchaffen, und die Encyclopädie muß
eine materielle ſein. Iſt der Zweck ihres Studiums aber ein
rein wiſſenſchaftlicher, ſo kann ſie entweder als Einleitungs-
wiſſenſchaft in Verbindung mit der Methodologie, oder auch als
Schlußwiſſenſchaft der akademiſchen Studien, angewendet werden.
In dieſen Fällen genügt die formelle Encyclopädie, als ein lo-
giſches Zuſammenfaſſen der Einzelwiſſenſchaften in ein organiſches
Ganze.
1 *
[4/0026]
II. Hiſtoriſche Entwickelung des Kammer-Weſens.
§. 5.
Urſprung und Bedeutung des Wortes Kammer.
Das Wort Kammer kommt ſeinem Stamme nach in allen
lebenden Sprachen, den orientaliſchen und occidentaliſchen, unter,
dem Weſen nach, gleichen Bedeutungen vor. Sein Urſprung findet
ſich ſchon in den älteſten orientaliſchen1) Sprachen, von welchen
es in die altgriechiſche2) und römiſche3) überging. Das Allge-
meine ſeiner Bedeutung iſt ein gewölbter Raum, ein Ver-
ſchluß, welches ſich in den neuen Sprachen zu der Bedeutung
Gemach, Zimmer, geheimes Gemach, Schlafgemach,
Zimmer für Geheimes u. dgl. umwandelte.
¹⁾ Meninski Completamentum thesauri linguarum orientalium. Viennae 1687.
p. 140. Zedler Univerſallexikon. Bd. V. Wort camera.
²⁾ Stephani Thesaurus graecae linguae. Londini 1822. vol. IV. p. 474. b.
Herodotus lib I. 81. (gedeckte Wagen); lib. IV. 243. (ebenfalls). Vrgl. mit Pollux
X. 52. Athenaeus IV. 7. Hemsterhusius ad Comici Plut. p. 369. Ausg. des
Herodot von Valkenar und Wesseling. Amsterdam 1763. p. 94. 312. — Diodorus
Siculus histor. lib. II. 9. (Gewölbe). Dio Casius histor. rom. lib. XXXVI. 32.
(gewölbter Wagen). strabo Geograph. lib. VII. p. 425 der Ausg. v. Falconer
(Oxonii 1807) und p. 724. XI. p. 758. (Schiffe, welche auf dem Lande, umge-
kehrt, als Wohnungen gebraucht werden). Unter dieſen Bedeutungen kommt das
Wort καμαϱα vor, und ging im Mittelalter allmälig in unſere heutige Bedeutung
über. S. Du Fresne du Cange, Glossarium ad scriptores mediae et infimae
Graecitatis. Lugdun. 1688. I. p. 556.
³⁾ Frisius Dictionarium Latino-Germanicum. Tigur. 1574. p. 179. (Ca-
murus = krumm). Nonius Marcellinus de proprietate sermonis. Paris. 1583.
Antwerp. 1565. p. 59. seneca Epistol. 86. (ed. Lipsius Antwerp. 1652. p. 556.).
suetonius, Nero 34 (Wölbung am Schiffe). Cicero Epistol. ad Quintum fratr.
III. 1. (Gewölbe, Bogen). sallustius Bellum Catilinar. 58 cum adnotationibus
Havercampi. Tacitus Histor. III. 47. (Schiffe, mit gewölbter Decke) edid. Pichon.
Virgilius Georgica. III. 55. (Camurus; = krumm). Plinius Hist. natur. XXX. 27.
XXXVI. 25. (geheimes Gewölbe). salmasius Plinianae exercitationes II. 1218,
über den Bau der Tempel und Grabmähler der Alten und ihre Gewölbe. So
kommt das Wort camera vor, und ging im Mittelalter allmälig in unſere heutige
Bedeutung über. S. Zedler Univerſallexikon. Bd. V. W. Camera. scherz Clos-
sarium edid. Oberlin I. 754. struben Nebenſtunden. T. III. p. 16. Trevoux
Dict. universel français et latin. II. 495. Du Fresne du Cange Glossar. ad
scriptores mediae et infimae latinitatis. Francofurti 1710. I. 778. Carpentier
Glossar. ad scriptor. medii aevi tum Latinos tum Gallicos. Paris. 1766. I. 734.
Haltaus Glossar. germanicum medii aevi W. Kammer. Eccard leges salicae et
Ripuariorum. Francofurti 1720. p. 70. spelmann Glossar. London 1687. p. 97.
Menage Diction. étymologique. Paris 1750. p. 341. Rau, Grundriß der Kameral-
wiſſenſchaft. Heidelb. 1823. §. 1. Rau, Entwickelung des Weſens; der K. Heidelb.
1825. §. 2. Man leitet es auch aus dem Angelſächſiſchen ab. Auch findet ſich der
Name im Niebelungen Liede in Kemnat u. dgl.
[5/0027]
§. 6.
Weitere Verengerung ſeiner Bedeutung.
Die ſo eben genannte eigentliche Bedeutung von Kammer,
welche uns für das Wort Kameralwiſſenſchaft den erſten
geſchichtlichen Aufſchluß gibt, findet ſich in den Capitularien1) der
fränkiſchen Könige, wo es Privatgemach, Privatvermögen
des Königs, fürſtliches Vermögen, fürſtliche Schatzkam-
mer bedeutet, mit welcher Bedeutung die Begriffe Camerarius,
Kämmerer u. dgl. in Einklang gebracht werden können, ohne daß
man ſogleich unter Camera die eigentliche Staatskaſſe zu ver-
ſtehen hat2). Es ſind vielmehr während der Zeit, als Camera
jene Bedeutung hatte, für Staatskaſſe ganz andere Ausdrücke
gebräuchlich geweſen, und erſt ſeit der lezten Hälfte des 9ten Jahr-
hunderts n. Chr. wird camera für Staatskaſſe gebraucht 3).
¹⁾ Cesta Dagoberti cap. 33. „Aras quasdam, cum omnibus, teloniis, quem-
admodum ad cameram suam deserviri videbantur, ad eorum basilicam tradidit.
Capitular, Caroli M. „Pensam argenti, quam ex camera nostra accepit.“ Ek-
hardus junior de Casibus sti. Galli cp. 10. „Camerarius suus crebro incusabat
secretius, quasi camera sua dispersiones ejus ferre non posset.“ Bei Du Cange
Glossar. a. a. O. (§. 2. Not. 3.). Derſelbe gibt aber ſchon unter Carl d. Gr.
dem Worte Camera die Bedeutung Staatskaſſe und zwar aus folgenden Stellen:
1) Testamentum Caroli magni apud Eginhardum: „Quidquid in camera atque
vestiario ejus ea die fuisset inventum.“ — „Thesauros suos et pecuniam quae in
illa die in camera ejus inventa est.“ — „Omnem substantiam atque supellectilem
suam, quae in auro et argento gemnisque et ornatu regio in camera ejus in-
veniri potest.“ 2) Die in Urkunden oft vorkommende Formel: libras auri 100
muletetur, medietatem praedicto monasterio, alteram camerae nostrae; und 3) die
Stelle aus der Rede des Kaiſers Friederich I. apud Helmodum lib. I. cp. 80.
und hist. archiepisc. Bremensium (a. 1155), wo es heißt: „Magna reperitis,
o viri romani, exinanata camera nostra.“ Hüllmann Geſch. der Domänen-
benutzung. S. 4.
²⁾ Dies hat gegen Du Cange gezeigt Muratori Antiquitates Italicae. Aretii
1774. III. p. 66. und Res Italicae. Pars II. Tom. I. p. 193, indem er die von
Du Cange angeführten Urkunden für falſch erklärte. Die Stelle aus dem Teſtamente
Carls d. Gr. (Baluzius Capitularia regum Francorum. Paris. 1780. I. 487.) vom
J. 811. kann ſchon nach der Natur der Sache und nach dem Allerlei, was darin
als Inhalt der camera erwähnt wird, blos für die Bedeutung Privatſchatzkam-
mer ſprechen. Zur Zeit Friederichs I. hieß aber ſchon die Staatskaſſe camera.
Stellen, worin Staatskaſſe anders bezeichnet wird, ſind folgende: Leges Longo-
hardorum, lex. 157 (Curtis regis); lex. 158 (Curtis regia); lex. 185 (Curtis
regis); Capitula Pipini excerpta ex lege Longobardorum de a. 793 bei Baluz. I.
546 (Curtis regia). Formulae Marculfi III. bei Baluz. II. 437 (Curtis fisci).
Capitularia Imperatorum. Tit. III. (Capit. Hlotharii de a. 824. §. 33) bei Baluz.
II. 326 (Curtis nostra). Capitulare Caroli M. de a. 800 de villis §. 20 et 21
bei Baluz. I. 334 (Curtis nostra); §. 24 bei Baluz. I. 335 (Discus noster).
Capitulare V. de a. 806 §. 7 bei Baluz. I. 453 (Curtis nostra). Man findet dafür
palatium in folgenden Stellen: Capitulare III. Caroli M. de a. 805 §. 9 bei
Baluz. I. 431. Diploma Caroli M. de a. 781. Lothari I. a. 839. Caroli Crassi
de an. 880 und 2 Dippl. de a. 887; Diplom. Hugonis et Lotharii de a. 994.
Carolmanni de a. 878. Man findet auch Curtis palatii z. B. in Capitulare de
Causis regni Italiae de a. 793 §. 15 bei Baluz. I. 260, und Capitulare de
[6/0028]
²⁾ Aldionibus palatii, v. Pipin de a. 793. bei Baluz. I. 546. Ferner auch Fiscus in
einem Dipl. Ludovici II. de a. 854, und Dipl. Carolmanni de a. 878. Dage-
gen aber bedeutet Camera Privatſchatzkammer, oder Wohnung in Capitulare Caroli
M. de a. 800 de villis et curtis Imperatoris. Tit. 42, wo die Meubles näher
bezeichnet werden, welche die camera enthalten ſoll; im Capitulare de villicis regiis
de a. 813, wo von Kleidern die Rede iſt, welche die Hoffrauen aus Lein und Wolle
fertigen und in die camera bringen ſollen. Im Edictum Pisteuse Caroli Calvi de
a. 864 §. 14 heißt es wenigſtens Schatzkammer, denn es werden den Grafen,
welche Münzrecht haben, 5 Pfund Silber aus camera nostra angeboten, damit sie
das Geſchäft beginnen können unter der Bedingung ſpäterer Rückgabe. Ueber dieſe
drei Stellen f. Baluz. I. 337. 510. 479. Ferner erwähnen die Formulae Bigno-
nianae bei Canciani Baiuaronum leges antiquae II. 272, unter der Formel Cautio
de clavibus auch die „cellaria vel camera et granica (= granaria), quicquid in
eis habuit repositum, hoc est, aurum, argentum, drapalia, arma, vinum, an-
nonam vel vitalia (=victulia) sua,“ woraus die lezte Bedeutung von camera
unzweifelhaft iſt. Die oben erwähnten Urkunden hat Muratori Resitalicae loc. cit.
Es gehört auch hierher die Stelle aus Hincmar (sec. 9.) de ordine palatii c. 22.
De honestate vero palatii seu specialiter ornamento regali nec non et de donis
annuis militum absque cibo et potu vel equis, ad reginam praecipue et sub ipsa
ad camerarium pertinebat. — De donis vero diversarum legationum ad camerarium
adspiciebat, nisi forte jubente rege tale aliquid esset, quod reginae ad tractandum
cum ipso congrueret. Bei Duchesne I. p. 490.
³⁾ In dieſer Bedeutung erſt in folgenden Urkunden: 2 Diplomata Ludovici
II. a. 874. Diploma ejusdem a. 870. Diplom. Berengarii I. a. 889. et 919.
Ueberhaupt gebraucht von dieſer Zeit an für Kaſſe, worein Geldſtrafen, Steuern,
Gefälle u. dgl. unter ſtaatsrechtlichen oder ſtaatsgrundherrlichen Titeln erhoben,
floſſen; daher auch die Päbſte, Biſchöfe, Aebte und Markgrafen, dieſe beſonders
als Staatsbeamte, camera nostra ſagen, wenn es ſich um jene Einkünfte handelt.
Muratori Res italicae loc. cit. p. 106. 126. 194. 197. Bei den Feudiſten kommt
es dann in dieſer beſondern Bedeutung immer vor.
§. 7.
Kammergüter.Kammerverwaltung vor den fränkiſchen
Königen (bis a. 534 nach Chr.)
Man nennt in dieſer Periode blos die Privatgüter der Könige
Kammergüter. Ihre Einkünfte dienten theils zur Befriedigung
der perſönlichen Bedürfniſſe der königlichen Familie, theils zur
Befriedigung der Staatsbedürfniſſe. Dieſe waren nicht groß und
dabei ſehr einfach. Sie bildeten ſich mehr nach augenblicklichen
Verhältniſſen. Die ganze Staatsverwaltung war nichts weniger
als verwickelt, und handhabte blos 1) das Kriegs- und Frie-
dens-Recht, und die Anwendung der hierher einſchlagenden Ge-
ſchäfte und Anſtalten; der Beamte hierfür war mehr ein außer-
ordentlicher und vereinigte in ſich die höchſte Beamtengewalt im
Kriege, in der Geſetzgebung und öffentlichen Berathungen. Er
hieß Dux oder Patricius. Aber als ordentlicher Beamter ſtand
er über mehreren Gauen mit Civil- und Militärgewalt; 2) die
Rechtspflege oder Gerichtsbarkeit und den Vorſitz in den
Volksgemeinden. In allen Rechtsſtreiten, die nach Volksrechten1)
zu ſchlichten waren, urtheilten die blos aus Freien beſtehenden
[7/0029]
Volksgemeinden unter dem Vorſitze der königlichen Beamten
(judices fiscales). Gewiſſe Rechtsſtreite aber gehörten vor den
Grafen (gravio, comes), d. h. Vorſitzer in den Gaugerichten
(Grafending); andere vor die Gemeinde der Hunderten und ihren
ordentlichen Richter, der Centgraf (Centenarius) hieß; die nie-
dere Gerichtsbarkeit in Gemeinden und Marken ſtand dem Vor-
ſtande der Gemeinde (grevio, Decanus villae) zu. Der König
war oberſter Richter2). Die beiden Lezten ſtanden unter dem
Grafen. 3) Die Verwaltung der königlichen Einkünfte.
Dieſe beſtanden aus a) der Grund- und Personalſteuer (Cen-
sus, Zins)3); b) dem Pascuarium und dem Zehnten4);
c) dem Königspfennige5); d) dem Grafenſchatze6);
e) allen erbloſen Erbſchaften; f) den Confiskationen und Strafen;
g) den Zöllen verſchiedener Art7); h) den Naturalverpflegun-
gen, Naturaldienſten und Frohnden8); i) außerordentlichen Kriegs-
ſteuern9); k) den Einkünften aus den königlichen Kammergütern,
welche durch Wirthſchafter, Schaffner oder Majer (actores,
maiores, villici, domestici, gastaldiones) verwaltet wurden;
und l) den Einkünften aus dem Münzregale10).
¹⁾ Solche Sammlungen von Volksrechten ſind die Lex Visigothorum, Lex
salica, Lex Burgundionum, Lex Ripuariorum, Lex Allamannorum, Lex Bajuvari-
orum u. dgl. S. Eichhorn deutſche Staats- und Rechtsgeschichte. I. §. 29–44.
Mittermaier Grundſätze des deutſchen Privatrechts. I. §. 2. Sie ſind gedruckt
in Georgisch Corpus juris germanici antiqui. Halae 1738. Canciani Barbarorum
leges antiquae. Venet. 1781–92. V Tomi in folio. Walter Corpus juris ger-
manici antiqui. Berolin. 1824. III Voll.
²⁾ S. Eichhorn deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. I. §. 74. 83. 87.
v. Löw Geſch. der deutſchen Reichs- und Territorial-Verfaſſung. Heidelberg 1832.
§. 8. S. 30.
³⁾ Eichhorn deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. I. §. 88. Eigenbrodt
Ueber die Natur der Bedeabgaben. Gießen 1826. §. 4. Boehmer diss. de vari.
censuuru significat. Halae 1722. Lang, hiſtor. Entwicklung der teutſchen Steuer-
verfaſſung. Berlin 1793. S. 135. Hüllmann, deutſche Finanzgeſchichte. S. 140.
Census ſind nämlich öfters auch privatrechtliche Abgaben vom Grund und Boden,
auch Beeden genannt. Struben Nebenſtunden. VI. 463. struben Observationes
jur. et histor. german. Obs. III. §. 1–3. p. 90–101. Dagegen Eigenbrodt
a. a. O. §. 14. 16.
⁴⁾ Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 30–47. Boehmer De Origine et ratione
decimarum in Germania in ſeinen Electis juris civilis. Exercit. 18. Tom. III.
p. 64–170. Birnbaum, die rechtliche Natur der Zehnten. Bonn 1831.
selden History of tithes in ſein. Opp. Vol. III. J. a. Coste, Hist. de l'origine
des revenus ecclesiastiques. p. 5 sqq.
⁵⁾ Zur Anerkennung der königlichen Oberherrſchaft. Lang, hiſtor. Entwicke-
lung. S. 30.
⁶⁾ Von Anfang blos Geſchenke, Liebnus, gegeben propter lenitatem et mansue-
tudinem eorum. Canciani IV. 204. Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 30.
⁷⁾ Rivaticum, Pontatieum, Cespitaticum, Pulveragium, Pedagium u. ſ. w.
Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 24. Hüllmann, Finanzgeſchichte. S. 222. Im
Ganzen 20 verſchiedene Arten, die aber ſämmtlich römiſchen Urſprungs ſind.
[8/0030]
⁸⁾ Die in die Provinzen kommenden Grafen, Beamten und Biſchöfe hatten
anzuſprechen: freies Quartier (Albergaria), freien Transport und Fahrt und freie
Verköſtigung (Parata, Missaticum, Atzung), welche ſehr viel betrug und durch be-
ſondere königliche Vollmachten (Tractatoria) beſtimmt wurde. Die Frohnden waren
entweder wirkliche Spanndienſte (Straßen- und Herrenfrohnden, Angaria, Paran-
garia, Nothreißen) oder bloßes Herleihen von Pferden (Paravedi — Canciani IV.
207). Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 29. Hüllmann, Finanzgeſchichte. S. 93.
Eigenbrodt, Ueber die Bedeabgaben. §. 17. v. Löw, a. a. O. S. 58. 92.
⁹⁾ Die Inferenda in Naturalien oder Geld nach feſten Taxen von eroberten
Ländern, z. B. in Thüringen, ſpäter auch von den Sachſen und Slaven. Lang,
hiſtor. Entw. S. 26–27.
¹⁰⁾ Der Solidus enthielt 40 Denare, wovon 500 auf ein Pfund Silber
gingen. Werth des Goldes zum Silber = 1 : 12. Eichhorn, deutſche Staats-
und Rechtsgeſchichte. I. §. 89. Lex Salica. Tit. 1. cap. 1. Canciani II. 17.
§. 8.
Kammergüter und Kammerverwaltung unter den
fränkiſchen Königen (v. J. 534–888).
Es kam jetzt, beſonders unter Carl d. Gr., weit mehr Ord-
nung in die geſammte Staatsverwaltung. Es trat in einer ge-
naueren Abgränzung hervor:
I. Das Miniſterium, welches noch faſt aus den nämlichen Per-
ſonen wie in voriger Periode beſtand. Die daſſelbe bildende Behörden
waren früher nämlich 1) der Major domus (Befehlshaber der könig-
lichen Leute). Aus ihm war das jetzige kaiſerliche Haus hervorgegangen
und er fiel folglich für dieſe Periode hinweg. 2) Der Referendarius,
welcher früher von einem Weltlichen beſetzt war. Da es jetzt eines ei-
genen Miniſters der geiſtlichen Angelegenheiten bedurfte, ſo wurde
dieſe Stelle, unter dem Titel Apocrifiarius, von einem Geiſtlichen
beſetzt und er hieß auch Archicapellanus, weil er auch die Aufſicht
über die Hofkanzlei und Hofgeiſtlichkeit hatte. 3) Der Comes palatii
(Pfalzgraf), welcher ein Richter im Hofgerichte geweſen war, jetzt
einen erweiterten Geſchäftskreis hatte, und Miniſter der weltlichen
Angelegenheiten ward. 4) Der Cubicularius, jetzt auch Camerarius
(Kämmerer) genannt, welcher der Miniſter der königlichen Ein-
künfte und des königlichen Hauſes war. Er war aber eigentlich
nur oberſter Erheber und Verwalter des königlichen Privateinkom-
mens und Vermögens und ſtand als ſolcher unter den Befehlen der
Königin1).
II. Die Reichsſtände, zur Ueberlegung aller wichtigen
Reichsangelegenheiten und zur Ordnung aller Reichsangelegen-
heiten. Sie wurden im Frühjahre gehalten, und es verſammelten
ſich die Biſchöfe, Aebte, der Adel und die Hof- und Staats-
beamten als Berathende. Die anderen Anweſenden hatten keine
Berathungsſtimme. In dieſen Reichstagen wurden die Capitu-
[9/0031]
larien verfertigt. Die geiſtlichen Angelegenheiten wurden in einer
beſonders gebildeten Curie von den geiſtlichen Reichsſtänden be-
rathen 2).
III. Die Volksgemeinden, Volksberathungen über dieje-
nigen Angelegenheiten, in welchen der König dem Volke nicht
befehlen konnte. Beſonders gehört hierher das Recht der Wahl
verſchiedener Behörden3) und der Genehmigung von Veränderun-
gen, welche der Reichstag an den Volksgeſetzen machen wollte4).
¹⁾ Eichhorn, deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. I. §. 25. b. §. 160.
v. Löw, Geſch. der deutſchen Reichs- und Territorial-Verfaſſung. S. 31. §. 120.
Hüllmann, Geſch. des Urſprungs der Stände. §. 9.
²⁾ Eichhorn, deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. I. §. 161–163.
v. Löw, Geſch. der deutſchen Reichs- und Territorial-Verfaſſung. S. 93–94. 121.
³⁾ z. B. der Schöffen, Richter, Vizedome u. dgl.; wenn das Volk Bitten
vorzutragen hatte; bei den Biſchofswahlen. Raynouard, Hist. du droit municipal
en France. Paris 1829. Deutſch überſ. v. Emmermann. Leipz. 1830. I. S. 95.
105. 110–135. II. 5. 32–78. v. Löw, a. a. O. S. 95. v. Raumer,
Geſch. der Hohenſtaufen. V. S. 11. 17.
⁴⁾ Eichhorn, a. a. O. I. §. 161. vrgl. mit §. 149. Not. e. v. Löw,
Geſch. der deutſchen Reichs- und Territorial-Verfaſſung. S. 31.
§. 9.
Fortſetzung. Militärverwaltung.
IV. Die Staatsverwaltung. Sie kann in zwei Haupt-
zweige geſchieden werden, nämlich in:
A. Die Militärverwaltung. Es entſtand unter Carl d. Gr.
eine eigene Militärverfaſſung, Heerbann (Heribannus) genannt,
die aber zugleich die eigentliche Staatsverfaſſung war. Durch ſie war
jeder Dienſtherr mit ſeinen Dienſtleuten, jeder Freie unter ſeinem
Senior oder unter ſeinem Grafen und deſſen Hauptleuten (Centenarien)
verpflichtet, auf ein allgemeines oder beſonderes Heeresaufgebot mit
Rüſtung und Lebensmitteln für drei Monate auf dem beſtimmten Sam-
melplatze zu erſcheinen1). Blos die Geiſtlichen waren aus Rückſicht auf
ihren Stand von perſönlichem Militärdienſte frei. Wer beim
Heeresaufgebote nicht erſchien, der verfiel in eine Strafe, und
konnte ſein Benefizium (Lehen) verlieren2). War der Dienſtherr
(Adelige) von perſönlicher Heeresfolge (Heribannus) frei, ſo
mußte er dennoch bei Strafe ſeine Leute dazu ſchicken3). War
Einer für ſich zur Ausrüſtung zu arm, ſo mußte er ſich mit Meh-
reren vereinigen, ſo daß ſie zuſammen einen Bannaliſten aus-
rüſteten, verproviantirten und ſchickten4). Jeder Dienſtmann aber,
der ein Benefizium beſaß, und jeder Eigenthümer von einer ge-
wiſſen Grundfläche war für ſich dazu verpflichtet5). Das Landes-
[10/0032]
gebiet war nun nach den Abſtufungen in der Heeresgröße und
Gewalt in Herzogthümer und Grafſchaften eingetheilt6).
¹⁾ Capitulare Caroli M. de a. 807. bei Georgisch Corp. juris germanici an-
tiqui p. 734. Capitulare II. de a. 805. §. 6. de a. 813. II. §. 9. bei Georgisch
p. 696 und 778. Capitulare I. II. et III. Caroli M. de a. 812. Eichhorn,
deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. I. §. 166. v. Löw, Geſchichte der deutſchen
Reichs- und Territorial-Verfaſſung. S. 27. 133. 164. Eigenbrodt, Ueber die
Natur der Bedeabgaben. §. 16. v. Raumer, Geſch. der Hohenſtaufen. VI. S. 426.
²⁾ Die Strafe durfte von Anfang die Hälfte des beweglichen Vermögens nicht
überſteigen (Capitul. II. de a. 805. §. 19. bei Georgisch p. 700.); ſpäter aber
wurde ſie auf ſehr hohe Summen normirt. Wer ſie nicht zahlen konnte, der verlor,
bis er's konnte, die Freiheit und wurde Dienſtmann des Königs. (Capitul. I. de
a. 812. §. 1. bei Georgisch p. 761.)
³⁾ Frei war die Geiſtlichkeit und der Eigenthumsloſe. Pflichtig alſo die Va-
ſallen und der ächte Grundeigenthümer von verſchiedenem Beſitze. Aebte, Biſchöfe
und Grafen hatten auch eine Anzahl Bannaliſten frei, die ſie bei Strafe nicht über-
ſchreiten durften. (Capitul. I. de a. 812. §. 3. bei Georgisch p. 759.)
⁴⁾ Sowohl geringe wirkliche wahre Eigenthümer, als auch andere. Dieſe
Lezteren durften aber nur einen freien wahren Grundeigenthümer ausrüſten und
verproviantiren. Die Offiziere und großen Grundeigenthümer im Harniſche und zu
Pferde; der gemeine Soldat nur mit Lanze, Schild, Bogen und Pfeil. (Capitul.
II. de a. 805. §. 6. de a. 803. §. 9.) S. Note 1.
⁵⁾ Dieſe Grundfläche hieß Mansus, aber man kennt ihre Größe nicht. Von
Anfang war der Mansus eine unbeſtimmte Fläche. Man ſ. Eigenbrodt §. 16.
und die dort angeführten Schriften.
⁶⁾ Obſchon keine beſtändigen Herzoge dort hingeſetzt waren, und weil die Graf-
ſchaften einen Haltpunkt haben mußten. Ständige Herzoge wurden erſt gegen Ende
dieſer Periode wieder eingeführt. Eichhorn, deutſche Staats- und Rechtsgeſch.
I. §. 170. v. Löw, Geſchichte der deutſchen Reichs- und Territorial-Verfaſſung.
S. 152. 126 folg. 137. 134 folg.
§. 10.
Fortſetzung. Juſtizverwaltung.
B. Die Civilverwaltung. Den Gegenſtänden nach, welche
ſie unter ſich begriff, konnte man unter Carl d. Gr. ſchon das
Religions- und Culturweſen1), das Sicherheits- und Wirth-
ſchaftsweſen2), das Rechtsweſen und die Staatseinkünfte und Aus-
gaben unterſcheiden. Allein in der Organiſation kannte man nur:
1) die Gerichtsbarkeit, welche eben überhaupt die Schlich-
tung von Streitigkeiten, die Beſeitigung von Beſchwerden, und
die Verfügung von Strafen zum Gegenſtande hatte, und unmit-
telbar vom Könige ſelbſt, oder mittelbar durch ſeine ſtellvertretende
Beamten geübt wurde. Das Gebieten (bannire) bei der höch-
ſten Buße (60 solidi) ſtand aber nur ihm allein zu, darum hieß
dieſe auch königliche Buße (bannus regalis). In dem Ge-
ſchäftskreiſe der Grafen und Centenarien war nichts abgeändert
worden. Aber alle Gerichte waren mit Schöffen aus dem Volke3)
beſetzt. Die Schöffen im königlichen Gerichte ſelbſt waren jedoch
[11/0033]
die geiſtlichen und weltlichen Großen des Reichs. Die Sachen
dieſer Lezteren kamen aber ſtets vor den König ſelbſt und ſein
Gericht.
¹⁾ Die Religionsangelegenheiten wurden von der Geiſtlichkeit und vom geiſt-
lichen Miniſter (cf. §. 8.) beſorgt, unter dem Genehmigungsrechte des Kaiſers.
Daher ſchon in der vorigen Periode die Synoden, Aufſicht auf den Gottesdienſt,
Anſtellung der Geiſtlichen, religiöſe Geſellſchaften (Eichhorn, deutſche St. und
R. Geſchichte. I. §. 97 folg.). und Aufſicht auf die Klöſter und Canonici in dieſer
Periode (Eichhorn, a. a. O. I. §. 178 folg.). Die Culturangelegenheiten wur-
den beſorgt durch die Kloſter- und Domſchulen zur Bildung von Lehrern und Geiſt-
lichen, durch die Verſammlung einer Gelehrten-Akademie um den Kaiſer Carl
ſelbſt, der ſich eifrig der Wiſſenſchaft widmete (Eichhorn, a. a. O. I. §. 138.).
²⁾ Carl d. Gr. errichtete zur Erleichterung des Handels Stapel- und Handels-
plätze (Capitulare II. de a. 805. cap. 7 bei Georgisch p. 670.). Ueberhaupt zeugen
von dieſen Verwaltungsgegenſtänden die häufigen Artikel der Capitularien gegen
Anwendung von Abortiv-Mitteln, über die Aufnahme fremder Perſonen, über den
durch Thiere verurſachten Schaden, über den Getreidewucher, über die Falſch-
münzerei und das Geldweſen, über Gebräuche und Mißbräuche der Kirche, über
öffentliche Aufſtände, über die Zinſen, über die Theilung und Benutzung des Wald-
und Feldbodens, über die Behandlung der Wittwen und Waiſen, der Dienſtboten,
über den Druck der Beamten auf das Volk, über das Straßen- und Brückenweſen
u. dgl., deren beſondere Citirung wegen der Häufigkeit ihres Vorkommens hier
unnöthig iſt.
³⁾ Eichhorn, deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. I. §. 164 und 165.
v. Löw, Geſch. der deutſchen Reichs- und Territorial-Verfaſſung. S. 160. 129. —
Raynouard Hist. du droit municipal, überſ. v. Emmermann II. S. 5.
§. 11.
Fortſetzung. Kammergüter. Finanzverwaltung.
2) Die Finanzverwaltung. Alle bisher berührten Staats-
angelegenheiten, die Kriege, beſonders Carls d. Gr., die Pracht,
womit er öffentlich erſchien, deuten ſchon an, daß der Staatsauf-
wand ſehr bedeutend für dieſe Periode geſtiegen war. Dadurch
und durch das allſeitige Durchgreifen Carls d. Gr. erklärt ſich
auch eine vielſeitige Umänderung im Organismus des Finanz-
weſens. 1) Die Domänen gaben1) die Haupteinkünfte, und es
gibt jetzt wirklich Staatslandgüter im Gegenſatze der fürſtlichen
Kammergüter. So wie aber Kammer ſo viel als Staatskaſſe be-
deutet, ſo verſteht man unter den Kammergütern auch die Staats-
domänen. Man2) unterſcheidet a) die Reichsdomänen, d. h.
den Inbegriff von Erbgütern, theils der merovingiſchen und pipi-
niſch-carolingiſchen Königsfamilie, theils und hauptſächlich der
vielen unterdrückten Stammfürſten der einzelnen deutſchen Völker-
ſchaften; b) die Landesdomänen, d. h. eine Miſchung von
fürſtlichen Stamm- und Familiengütern, von angemaßten ſowohl
mittelbaren als unmittelbaren Reichsdomänen, von angefallenen
Reichspfandſchaften und ſäkulariſirten Stifts- und Kloſtergütern.
[12/0034]
Die Verwaltung der Domänen war der Hauptgegenſtand der
Finanzverwaltung und kaiſerlichen Sorge3). Auch 2) das Münz-
regal gab dem Staate Einkünfte4). Es wurden 3) die früheren
jährlichen Geſchenke an den König und die königlichen Beamten
jetzt als Schuldigkeit verlangt in Lieferungen bei der periodiſchen
Verſammlung des Heerbanns und beim Aufenthalte des Königs in
den Provinzen, wo die Domäneneinkünfte nicht hinreichten5).
Es wurden 4) im Kriege ſogar zwei Drittel der Erndte zur Ver-
ſorgung der Armee als Contribution in Beſchlag genommen6).
Es dauerten 5) die Frohnden fort, aber als eine allgemeine
Laſt7); und 6) die Verpflegung der königlichen weltlichen und
geiſtlichen Beamten bei periodiſchen Geſchäften in den Provinzen
war wie die Sporteln ebenfalls durch Gebrauch und Geſetz ge-
heiligt8); es nahm 7) der Cenſus jetzt die Natur einer allgemeinen
Staatslaſt auf das Beſtimmteſte an9); dabei waren 8) die Zölle
trotz der kaiſerlichen Gebote, da ſie auch in die Hände der welt-
lichen und geiſtlichen Großen des Reichs gekommen waren, wegen
der Erpreſſungen ſehr drückend10). Endlich aber dauerten 9) die
Confiskationen, Bußen und Heerbannsſtrafen in ihrer drückenden
Wirkung fort11), und es wurden 10) von den Juden anfänglich
Judenſchutzgelder erhoben12).
¹⁾ Domäne (dominium, domanium, demanium) hieß urſprünglich blos herr-
ſchaftliches Land (Terra dominica). In obiger Bedeutung aber heißt es landes-
herrliches Gut, und begreift die Villen (Landgüter), königliche Höfe, Kammergüter
(auch Kaſtengüter) und fiskaliſche Güter. Als ſolche Leztere kommen agri, domus,
loci, fisci und villae fiscales in jener Zeit vor. Charta pactionis de a. 587 bei
Baluz. I. 13. Gregor. Turon. lib. VI. cap. 45. cap. 32. Caroli M. Capitulare
de villis §. 4. 6. 52. Hüllmann, Geſchichte der Domänenbenutzung in Deutſch-
land. S. 1–3.
²⁾ Dieſe Unterſcheidung macht Hüllmann Finanzgeſch. S. 1–11. 19–35.
Ein Verzeichniß der Kammergüter a. a. O. S. 20. und in Deſſelben Geſch. des
Urſprungs der Stände in Deutſchland (Berlin 1830). §. 8. S. 57.
³⁾ Daher das eigene Capitulare Caroli M. de villis und das Breviarium rerum
fiscalium. Mit Bemerkungen und deutſch in K. G. Anton Geſch. der deutſchen
Landwirthſch. I. S. 177 folg. Aber im Urtexte auch bei Baluze, Georgiſch
und Walther.
⁴⁾ Man ſchlug aus 1 Pfund Silber 22 solidi zu 12 Denaren. Der Münz-
meiſter erhielt von dieſen 22 solidis 1 solidus als Schlagſchatz. Eichhorn, deut-
ſche Staats- und Rechtsgeſch. I. §. 171. Hirſch, Münzarchiv. I. 1–2. Hüll-
mann, Geſch. des Urſprungs der Regalien in Deutſchland. S. 58. Deſſelben
Finanzgeſch. S. 54. Meine ſtaatswiſſenſch. Verſuche über Staatskredit, Staats-
ſchulden und Staatspapiere. Heidelb. 1833. S. 141. Not. 139. und die dort citirten
Capitularien.
⁵⁾ Es wurden ſogar Placita (Volksverſammlungen) propter dona generaliter
danda gehalten. Sie konnten in Geld oder Naturalien, z. B. Eiern, Hühnern
u. dgl., von mehreren in Gemeinſchaft in einem Maaße Korn oder Hafer beſtehen.
Dieſe bildeten dann die Beſoldung jener Behörden. Die Charitativen, Auxilien-
gelder oder Geſchenke aber dienten meiſtens auch zur Unterhaltung der Könige in
[13/0035]
⁵⁾ den Provinzen. Du Fresne du Cange Glossarium, voce: auxilium, donum etc.
Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 18–21. Eichhorn, deutſche St. u. R. Geſch.
I. §. 171. cl. mit 161. Note a. Eigenbrodt, Ueber die Bedeabgaben. §. 17. 18.
Hüllmann, Finanzgeſch. S. 82. v. Löw a. a. O. S. 116.
⁶⁾ Capitulare II. de a. 812. cap. 10. Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 30.
Die Geiſtlichkeit mußte in Kriegszeiten oft dem Könige ſelbſt oder ſeinen Gläubigern
ihre Güter gegen einen jährlichen Zins von jedem Hauſe überlaſſen. Cap. V. de
a. 743. cap. 3.. Lang a. a. O. S. 21–22. Eigenbrodt a. a. O. §. 18. cl.
mit §. 2. II. Inſoferne war ſie alſo nicht ſteuerfrei.
⁷⁾ Sie wurden auf die Einzelnen umgetheilt und die Grundherrn. Ludovici
Pii Praec. pro Hispanis cap. 1. Caroli M. Capitul. I. a. 812. cap. 28. II. a. 813.
cap. 10. Edict. Pistense Caroli Calvi cap. 26.
⁸⁾ Wegen dieſer Vortheile ſuchten die Beamten oft Gerichtsſitzungen zu halten
(placitare). Wegen dieſes Mißbrauchs entſtanden königliche Beſtimmungen über die
Anzahl der jährlichen Placita. Monumenta Boica vol. VII. p. 101. a. 1143.
Capitul. lib. IV. §. 57. bei Georgisch. 1384. Eigenbrodt a. a. O. §. 8. 17.
I. 4. Formulae Marculfi I. 11. Capitul. I. a. 819. cap. 16. Capitul. V. ejusd.
anni cap. 26. Was der Einzelne gab, hieß Conjectus. Die Sporteln beſtanden
ſchon ſeit der vorigen Periode, und machten einen Theil des ſtreitigen Gegenſtandes
aus, z. B. bei den Baiern ⅑ deſſelben (Lex Bajuvariorum. Tit. II. cap. 16. bei
Georgisch p. 271.). Wenn der Kaiſer bei Erbfolgeſtreitigkeiten den Commiſſar
ſchickte, dann erhielt er ⅒ deſſelben (Baluzius II. 902.). Da das Sportelnnehmen
mißbraucht wurde, ſo entſtanden darüber Geſetze (Pipini Capitul. de a. 755. §. 24.
Carol. M. Capitul. de a. 803. §. 2. Bei Georgisch p. 522. 675.). Hüllmann
Finanzgeſch. S. 173. Eigenbrodt a. a. O. §. 17. III. §. 8. not. e. und §. 19,
not. p.
⁹⁾ Der Census war eine Kopf- und Vermögensſteuer von freien nichtadeligen
Menſchen. Eigenbrodt a. a. O. §. 4. 18. Caroli M. Capit. II. de a. 805.
cap. 20. Caroli Calvi Capit. Tit. 37. cap. 8. Ejusdem Edict. Pistense cap. 28.
Auch Capit. IV. a. 819. §. 3. Bei Georgisch p. 851.
¹⁰⁾ Capitull. Lib. III. cap. 12. Lib. V. cap. 202. Durch allerlei Zudring-
lichkeiten war das Zollrecht an geiſtliche und weltliche Großen gekommen, nebſt dem
Marktrechte. Es gibt daher Verbote eigenmächtiger Zollanlagen. Capit. Carol. M.
de a. 779. cap. 18. Capit. V. de a. 806. cap. 11. Ludovici pii Capit. I. de a.
819. cap.11. Capit. de a. 820. cap. 3. und mehrere andere Belege bei Hüll-
mann, Geſch. des Urſprungs der Regalien. S. 45–50.
¹¹⁾ Wie hart die Heerbannsſtrafe von 60 solidi zu 12 denar. war, iſt zu
ermeſſen daraus, daß man für 1 denarius 15 Stück 2pfündige Roggenbrode, und
für 2 solidi eine Kuh kaufte. Darum wurde die Unerſchwinglichkeit der Strafe
aufgehoben durch die Verordnung, daß der Straffällige von 6 Pfd. Vermögen 3 Pfd.,
von 3 Pfd. nur 1½ Pfd., von 2 Pfd. aber 10 solidi, und von 1 Pfd. Vermögen
5 solidi geben mußte. Capitull. Lib. III. cap. 14. Lang, hiſtor. Entwickelung.
S. 23. Sie waren aber immer noch drückend genug. Hüllmann, Geſch. des
Urſpr. der Stände. §. 19. 20. v. Löw a. a. O. S. 136.
¹²⁾ Den Judenſchutz will Eichhorn a. a. O. I. §. 171. Note n. in dieſer
Periode noch nicht gefunden haben. Allein nach Hüllmann, Geſch. des Urſpr.
der Regalien. S. 51–52., der ſich auf eine Urkunde Ludovici pii de a. 828. bei
Bouquet VI. p. 649. beruft, zahlten die Juden bereits an die Kammer eine Abgabe
für das Aufenthaltsrecht, beſonders in den königlichen Pfalzen, wo dieſelben wegen
des Zuſammenfluſſes vieler Menſchen viele Geſchäfte machen konnten. Lang er-
wähnt deſſen auch nicht. Hüllmann, Städteweſen im Mittelalter. II. S. 59.,
der ſich S. 65. auch auf Caroli Calvi Capitul. de a. 877. Tit. 52. §. 31. beruft.
Die lezte Stelle "dent decimam" kann aber auch Zehnten bedeuten, da die Juden
auch Grund und Boden beſaßen.
[14/0036]
§. 12.
Fortſetzung. Behördenorganismus.
Auch der Organismus der Behörden, welche dieſe Geſchäfte
zu beſorgen hatten, erlitt ſehr bedeutende Veränderungen. Es
trat eine eigene allgemeine Verwaltungsbehörde in dem
Missus regius (Sendgrafen) ins Leben1). Derſelbe war ein
Geſandter, welchen der König in die Provinzen ſchickte zur Con-
trole der Kriegs-, Gerichts- und Finanzverwaltung, und zur
Vollführung ordentlicher und außerordentlicher Verwaltungsgeſchäfte.
Er erſcheint daher bald als oberſter Beamter über den Herzögen
(wenn er nicht ſelbſt Herzog war), Grafen und Centenarien zur
Controle und Ausführung der Verordnungen des Heerbanns2);
bald als lezte Inſtanz vor dem Könige im Gerichtsweſen, an die
man gegen Grafen und Centenarien appellirte und Beſchwerden
führte, und als Präſident von Landtagen (Placita) ſo wie von
anderen Gerichtsſitzungen3); bald als oberſter Beamter und Con-
troleur in der ganzen Steuerverwaltung, an den man gegen Be-
drückungen durch die Steuererheber Beſchwerde führte, ſo wie als
oberſter Controlbeamter in Strafangelegenheiten, und als höchſte
Behörde in der Domänen- oder Kammerverwaltung, die ſelbſt an-
ordnete, Befehle vollzog und den Mittel- und Unterbeamten auf
die Finger ſah4). Die Mittel- und Unterbehörden des
Königs in der Kriegs-, Gerichts- und Steuerverwaltung waren
nicht ausſchließlich, ſondern gemiſcht die Grafen und Cente-
narien. Ausſchließliche Unterbehörde in der Kammer- oder Do-
mänenverwaltung waren blos die Schaffner (villici, actores
u. dgl.), welche eine Villa ſammt Zubehör (actio domestica) zu
verwalten hatten, und die Förſter (forestarii), welche die
größeren Waldungen (foresta) beaufſichtigten, unter welchen noch
andere niedere Diener ſtanden, und deren mehrere unter einem
Centenarius ſtanden, der alſo ein Kreisaufſeher im Domänenweſen
war5).
¹⁾ Ueber deſſen Pflichten und Befugniſſe handeln die Capitularia de legatione
omnium Missorum dominicorum, nämlich Capitulare de a. 819. V. cap. 1. Ca-
pitull. Caroli M. et Ludovici pii. Lib. IV. Tit. 44. bei Georgisch p. 853. et 1382.
Außerdem z. B. noch Capitul. de a. 789. II. 11. 19. bei Georgisch p. 576. Ca-
pitul. de a. 807. cap. 7. bei Georgisch 736. Capit. I. de a. 812. bei Georgisch
759. Capit. V. de a. 819. cap. 1. bei Georgisch p. 855 sq. Capit. de a. 823.
cap. 28. bei Georgisch 884–886. Capitularia Caroli M. Lib. II. 26 bei Geor-
gisch 1335. Hüllmann, Geſchichte des Urſprungs der Stände. §. 11. v. Löw
a. a. O. S. 123. 151.
²⁾ Eichhorn, deutſche St. und R. Geſch. I. §. 166.
³⁾ Eichhorn, a. a. O. I. §. 164.
[15/0037]
⁴⁾ Eichhorn, a. a. O. I. §. 171. Hüllmann, Geſchichte der Domän.
Benutzung. S. 18.
⁵⁾ Hüllmann, Geſch. der Domänenbenutzung. S. 13–16. Deſſelben
Geſch. des Urſpr. der Stände. §. 9. v. Löw a. a. O. S. 117.
§. 13.
Deutſche Kammerverwaltung während des Reiches
v. J. 888–1272.
Nach Carl d. Gr. veränderte ſich die Staatsverfaſſung und
Organiſation weſentlich. Denn ſchon Ludwig der Fromme war
nicht im Stande, das Inſtitut der Heerbannsmilitz zu halten.
Der gegenſeitige Verband durch Benefizien, der vorher nur einen
Theil ſeines Reichsverbandes gebildet hatte, dehnte ſich ſo aus,
daß es allmälig der herrſchende Charakter des inneren Reichsver-
bandes wurde. An die Stelle der früheren Gelobung von Abhän-
gigkeit war allmälig jene der Treue und Dienſtgewärtigkeit des
Adels und der Geiſtlichkeit getreten. Mit andern Worten: Der
frühere Abſolutismus ging in einen Feudalismus, d. h. in die
Lehnsverfaſſung über1). Dieſe Fundamentalveränderung iſt
der Grund der Abänderungen in der Staatsverwaltung, und ins-
beſondere der Kammerverwaltung. Es iſt nämlich
I. das Miniſterium, ſeitdem der Kaiſer als Fürſt ſeine eigenen
Dienſtleute hatte, von den eigentlichen Hofchargen getrennt. Da der
kaiſerliche Hof keinen ſtändigen Sitz hatte, ſo waren die ſogenannten
Erzbeamte und die Reichsdienſtleute von den Hofchargen verſchieden.
Dieſer Unterſchied begann mit den fränkiſchen Kaiſern. Der erſte
Miniſter in geiſtlichen und weltlichen Angelegenheiten iſt fortan der
Kanzler, der alſo die Gewalt des Pfalzgrafen und Apokriſtarius
bei unmittelbarer Berathung mit dem Kaiſer beſaß. Der Pfalz-
graf, als oberſter Richter, verſchwand und dieſe ſeine Funktion
erhielt ein eigener Hofrichter. Nur der Pfalzgraf von Franken
(am Rheine) iſt noch Reichserzbeamter. Das Richteramt der
Pfalzgrafen, dieſer ausgenommen, war nach und nach mit allmäliger
Verbreitung der Lehnsverfaſſung ein Fürſtenamt geworden in den
eigenen und Lehnsbeſitzungen der Pfalzgrafen2).
II. Die Reichstage hatten eine andere Bedeutung bekom-
men, da nicht beſtimmt war, in welchen Fragen die Reichsſtände
mitzuſtimmen hatten, ausgenommen die Beſtimmung, daß ohne ſie
kein Geſetz gegeben werden durfte, und daß man auf Reichs-
tagen die auswärtige Politik berieth und Reichskriege beſchloß.
Das Recht der Reichsſtandſchaft iſt ein rein perſönliches der
weltlichen und geiſtlichen Fürſten, Grafen und Herrn, mit Aus-
ſchluß aller Anderen, geworden3).
[16/0038]
III. Die Landſtände, an der Stelle der früheren Volks-
verſammlungen, banden die Hoheitsrechte der Landesfürſten. Allein
das Recht der Landſtandſchaft hatten nur die Biſchöfe, Grafen,
Herrn und Ritter4).
¹⁾ Eichhorn, deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. II. §. 286. v. Löw,
Geſch. der deutſchen Reichs- und Territorialverfaſſung. §. 40. S. 176 fg. Lang,
hiſtor. Entw. S. 48. Das Recht des Heerbanns ging auf die einzelnen Landes-
herrn über. Eichhorn a. a. O. II. §. 304.
²⁾ Eichhorn a. a. O. II. §. 291. v. Löw a. a. O. S. 151. 206.
³⁾ Eichhorn a. a. O. II. §. 292. v. Löw a. a. O. S. 151. 207.
⁴⁾ Eichhorn a. a. O. II. §. 309. Hüllmann, Geſch. des Urſprungs der
Stände. §. 54.
§. 14.
Fortſetzung. Behördenorganismus.
IV. Der Organismus der Behörden hatte ſeinem We-
ſen nach durch das Lehnsweſen eine andere Geſtalt erhalten. Den
Schlußſtein der Regirung bildete der Kaiſer nebſt den Reichs-
ſtänden im deutſchen Reiche1). Für die innere Verwaltung be-
ſtanden zwar noch die Herzogthümer und Grafſchaften;
allein ſie übten ihre Gewalt nicht mehr anſtatt des Kaiſers, ſon-
dern zu eigenem Rechte oder zum Lehne vom Kaiſer empfangen2).
Länder, welche jenen auf dieſe Weiſe nicht unterworfen waren,
wurden durch Reichsvögte3) an des Kaiſers Statt verwaltet,
und waren alſo dem Reiche unmittelbar untergeordnet4). Die
anderen Länder und Städte waren dies mittelbar durch ihre
Fürſten, welche man ſchon Landesherrn nennen kann5). Einen
Missus gab es nicht mehr6).
¹⁾ Die Reichsgeſetzgebung, auswärtige Politik und Rechte, einen Reichskrieg zu
beſchließen, zu führen und zu beendigen, gehörten ihnen zum Voraus. S. §. 13. II.
Eichhorn a. a. O. II. §. 290. v. Löw a. a. O. S. 207.
²⁾ Die Herzogthümer hießen Fahnlehen, und ihre Verwalter Reichsfür-
ſten, geiſtliche oder weltliche. Solche Fahnlehen ſollten nach ihrer Erledigung nicht
über Jahr und Tag unverliehen ſein.
³⁾ Sie waren, wie die beiden andern, allgemeine Verwaltungsbeamten. So
wie ſie anſtatt des Kaiſers ſtanden, erhoben und verwalteten ſie auch die Einkünfte
aus ihren Provinzen anſtatt der und für die Kaiſer. Eichhorn a. a. O. II.
§. 234. b. v. Löw a. a. O. S. 176. Sie ſind aber verſchieden von den Land-
vögten.
⁴⁾ Solche Unmittelbarkeit genoſſen beſonders einzelne Städte, Reichsſtädte
genannt. Dieſer Städte Vogteien ſind daher auch von den Landvogteien, Burg-
grafen u. dgl. zu unterſcheiden. Sie bildeten alſo als Körperſchaft ein wichtiges
Glied in der damaligen Reichsverbindung. Ueber die Entſtehung der Städte, über
ihre Verfaſſung, Rechte und Verwaltung ſ. Raynouard histoire du droit municipal,
überſetzt von Emmermann. Leipzig 1830. II Bde. Wilda, das Gildenweſen im
Mittelalter. Halle 1831. Hüllmann, Städteweſen des M. A. IV Bde. Bonn 1826.
v. Raumer, Geſch. der Hohenſtaufen. VI. S. 74.
⁵⁾ Der Kaiſer hat aber immer noch das Recht, die Regirung ſelber zu ver-
ſehen und beliebig Rechte und Privilegien zu ertheilen. v. Löw a. a. O. S. 212. 197.
⁶⁾ Eichhorn a. a. O. II. §. 291.
[17/0039]
§. 15.
Fortſetzung. Militärweſen und Gerichtsweſen.
V. Die geſammte Staatsverwaltung kann noch in zwei
Hauptzweige geſchieden werden, nämlich A. die Militärver-
waltung. Die Heerbannsmilitz ging im Reiche in die Lehns-
militz über, während ſie den einzelnen Landesherrn noch zuſtand
gegen ihre Unterthanen, in ſofern dieſe nicht im Lehnsverbande zu
ihnen ſtanden. Die Reichsſtände und reichsunmittelbaren Gemein-
heiten ſind als ſolche mit ihren Mannen und Unterthanen zur
Heerfolge verpflichtet. Erſtere kraft der Lehnspflicht gegen den
Kaiſer mit ihrer Ritterſchaft, andern Freien und Städtern; die
Lezteren wegen ihrer Unmittelbarkeit und der Verleihung mancher
kaiſerlichen Privilegien und Vorrechte. Jene dienten unter dem
Banner ihres Fürſten; dieſe unter dem ihres Reichsvogts. Unter
jenem Banner waren aber noch die Fahnen der Graf- und Herr-
ſchaften. Die beſonderen Dienſtrechte beſtimmten die Bedingungen
des Dienſtes. Wer ein Reichslehen beſaß, hatte ſechs Wochen
auf eigene Koſten zu dienen; der Dienſtmann mußte während des
Feldzugs vom Dienſtherrn erhalten werden, wenn das Dienſtrecht
nichts Anderes beſtimmte. Das ganze Reichsheer war nach Rang,
Verdienſt und Würde in ſieben Schilde getheilt 1). B. Die
Civilverwaltung und unter dieſer:
I. Die Gerichtsbarkeit. Ueber Leib, Ehre und Lehen der
Reichsfürſten übte der Kaiſer ſelbſt in den ſogenannten Fürſtenge-
richten. In anderen Sachen richtete der Hofrichter an des Kaiſers
Statt, und die kaiſerlichen Hof- und Landgerichte in den Pro-
vinzen, unter welchen noch die gemeinen Landgerichte ſtanden 2).
¹⁾ Eichhorn, deutſche St. und R. Geſch. II. §. 294. v. Löw a. a. O.
S. 176–180. 209. Von 10 Mansis Reichsgut im Lehen mußte 1 Ritter und
2 Knechte, von 5 Mansis 1 Ritter und 1 Knecht geſtellt werden. Der Dienſt der
Nichtlehnsleute des Reichs richtete ſich nach Herkommen und freier Zuſage. Dem
Kaiſer ſtand aber das Reichsheer, wenn bewilligt, nur auf kurze Zeit pflichtgemäß
zu Gebote, und er mußte ſchon in dieſer Periode, wenn ihm die Zuſtimmung der
Stände zu einem Zuge fehlte, ein eigenes Heer aufſtellen, wozu er ſich beſoldeter
Ritter und Knechte bedienen mußte. Geſchichtliche Beweiſe davon, und daß dies
auch ſchon die Landesherrn thaten, bei Eichhorn a. a. O. Note z, aus den Jah-
ren 1195 und 1236. Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 87–89.
²⁾ Eichhorn a. a. O. II. §. 293. Der Hofrichter wurde a. 1235 zuerſt be-
ſtellt. schilter, Institutiones juris publici. L. 4. Tit. 9. §. 379. Hüllmann,
Geſch. des Urſprungs der Stände. §. 9. v. Löw a. a. O. S. 207.
§. 16.
Fortſetzung. Finanzweſen. Das Kammerweſen und die Regalien.
II. Die Finanzverwaltung nahm jetzt auch entſchieden
einen anderen Charakter an. Einkünftequellen waren:
Baumſtark Encyclopädie. 2
[18/0040]
1) Das Reichsgut. Man unterſcheidet die eigentlichen Kam-
mergüter, an welchen dem Kaiſer das ächte Eigenthum gehörte, und
die Herrſchaften, welche aus Vogteien und Städten beſtanden. Jene
wurden unmittelbar von Amtsverwaltern oder Amtmännern
bewirthſchaftet; dieſe aber von Vögten1). Die Amtleute waren
die Unterbehörden in der Domänenverwaltung; die Oberbehörden
aber waren die Pfalzgrafen2). Als Mittelbehörden kann man
jene Vögte betrachten, obſchon ſie keine Controle über die Amt-
leute hatten. Die Pfalzgrafen, Präſidenten bei den Pfalzkonventen
(Conventus palatini), mußten um ſo mehr Oberbehörde ſein, als
die Kaiſer ihren Aufenthalt auf einige Zeit in den Pfalzen wähl-
ten und für ſich und ihren Hof daſelbſt der Naturalverpflegung
bedurften. Durch Lehen, durch Veräußerung und Verpfändungen
in dieſen Zeiten der Noth und Verwirrung, durch die Zudring-
lichkeiten der geiſtlichen und weltlichen Großen des Reichs, und
durch die Anmaaßungen der Reichsvögte war nach und nach das
Reichsgut und das Kammergut an ſich und in ſeinem Ertrage ſo ge-
ſchwächt worden, beſonders war der Verwaltungsaufwand ſo groß,
daß das reine Einkommen daraus bei weitem nicht zur Deckung
der Hof- und Reichsausgaben hinreichte3). Es iſt alſo natürlich,
daß die Kaiſer, ſo wie ſie einerſeits durch jene Verhältniſſe und
Ertheilung von einträglichen Privilegien immerfort verloren, ſich
auf anderem Wege Einkünfte zu verſchaffen ſuchten, wenn man
dazu noch bedenkt, daß ſie ſich immer mehr zur Unterhaltung von
Soldmilitz gezwungen ſahen. Daher kommt ihr Streben, die
folgenden Einkünftequellen zu erweitern, nämlich:
2) Die Regalien und fiskaliſchen Rechte, d. h. gewiſſe
vom Kaiſer ſich allein zugeſchriebene Gerechtſame, welche ein Ein-
kommen gewährten. Allein a) das Recht der Zollanlage war nur
noch in der Theorie ein Regal, und es war eben ſo wie der Domänen-
beſitz entweder mit den Reichsgütern oder ohne ſolche in die Hände der
Reichsſtände gekommen, ſo daß der Widerſpruch entſtand, der
Kaiſer allein habe das Zollrecht, derſelbe dürfe aber nicht ohne
Einwilligung des Reichsſtandes im Lande des Lezteren Zölle an-
legen. Der Wirklichkeit nach hatte der Kaiſer nur die Zollaufſicht,
und das Recht, Zollfreiheit zu ertheilen4). Ebenſo ſtand es mit dem
b) Münzregal, welches der Kaiſer nur noch in den Reichsſtädten
faktiſch beſaß, während ihm ſonſt über das reichsſtändiſche Münz-
weſen blos die Oberaufſicht blieb, und er keine neue Münz-
ſtätte anlegen durfte, wo für einen Reichsſtand daraus ein Nachtheil
erwuchs. Der Kaiſer hatte alſo auch hier den größten Theil ſei-
ner Reichseinkünfte verloren, während die Reichsſtände des
[19/0041]
Gewinnes willen mit ſchlechten, nicht reichsgeſetzmäßigen Münzen
den Verkehr überſchwemmten5). Es entſtand aber jetzt c) das
Bergwerksregal, kraft deſſen ſich der Kaiſer das Eigenthum
an alle Metall- (beſonders der Gold- und Silber-) Gruben zu-
ſchrieb. Dennoch aber hatten viele Reichsſtände Bergwerke, ent-
weder weil ſie dieſelben ſchon vor Entſtehung und Ausbildung dieſes
Regals beſaßen, oder weil ſie ihnen aus kaiſerlichen Gnaden ver-
liehen wurden6).
¹⁾ Hüllmann, Geſch. der Domänenbenutzung. S. 25. Man nannte aber
auch die Amtsverwalter Vögte, was ſich aus der Aehnlichkeit der Geſchäfte erklären
läßt. Kammergüter und Reichsgüter waren daher verſchieden von einander. Leztere
ſind zu Lehen gegeben und können auch Centgerichte haben, jene nicht; hatten ſie
den Blutbann, ſo waren ſie auch nicht unter der Vogtei, ſondern blos unter der
Landvogtei, nämlich wegen der Lehndienſte und der höheren Landgerichte bei den
Landvogteien. Ein Reichsgut war bei Nürnberg. Man ſ. darüber Eichhorn
a. a. O. II. §. 295. Note a. b. d.
²⁾ Hüllmann a. a. O. S. 26–30. v. Raumer, Geſch. d. Hohenſtaufen. V. 43.
³⁾ Beiſpiele von ſolchem Aufwande bei Eichhorn a. a. O. II. §. 295. Note d.
Die Vögte und Amtleute plünderten und betrogen auf alle Art.
⁴⁾ Hüllmann, Geſch. des Urſpr. der Regalien. S. 6. 47–50. Eichhorn
a. a. O. II. §. 296. Mittermaier, deutſch. Privatrecht. §. 257–260. v. Rau-
mer, Geſch. der Hohenſtaufen V. 421.
⁵⁾ Hüllmann, Geſch. des Urſpr. der Regalien. S. 58–62. Baumſtark,
Verſuche über Staatskredit. S. 141. Hüllmann, Geſch. des Urſpr. der Stände.
§. 21. §. 47. Deſſelben Städteweſen. II. 22. 31. Wilda, das Gildenweſen
im M. A. S. 229. 240. 255. In den Reichsſtädten verwalteten die Münzer
das Münzweſen. Eichhorn a. a. O. II. §. 269. v. Löw, Geſch. der deutſchen
Reichs- und Territorial-Verfaſſung. S. 220–223. v. Raumer, Geſchichte der
Hohenſtaufen. V. 374.
⁶⁾ Das Bergwerksregal mag auch entſtanden ſein, ſowohl im Reiche als in
den Reichslanden, als unentbehrliches Erforderniß zur Ausübung des Münzregals.
Hüllmann, Geſch. des Urſpr. der Regalien. S. 72. Eichhorn a. a. O. II.
§. 297. S. 330. Mittermaier, deutſch. Privatrecht. §. 296. a.
§. 17.
Fortſetzung. Steuerweſen.
3) Das Steuerweſen tritt jetzt ſchon unter zwei Geſichts-
punkten, nämlich in den Reichsſteuern und Landesſteuern
auf. Eine Reichsſteuer im eigentlichen Sinne des Wortes, als
vom Kaiſer auf das ganze Reich kraft allgemeinen ſtaatsrechtlichen
Steuerrechtes umgelegt, gab es wirklich zwar noch nicht1). Allein
der Kaiſer bezog a) Subſidien von der Geiſtlichkeit, für ihre
Freiheit vom Lehnsdienſte; b) Adärationen oder Adjutorien
von den Vaſallen, wenn ſie nicht ſelbſt mit dem Heere zogen, ſon-
dern blos ihre Leute ſchickten; c) eine ordentliche Steuer2) von
den Nichtlehnsleuten; d) außerordentliche Beiſteuern3);
e) eine Königſteuer von den kleineren Stiftungen und Abteien,
die ihre Lehen nicht zu verdienen brauchten4), und f) das Juden-
ſchutzgeld im ganzen Reiche, wegen ſeiner ſchirmvogteilichen
2 *
[20/0042]
Rechte über die chriſtliche Kirche5). Die ſämmtliche Steuern,
mit Ausnahme der Lezten, waren Lehnsſteuern6). Denſelben
Charakter hatten auch allgemeinhin die Landesſteuern, erhoben
von den Reichsſtänden in ihren Landesgebieten. Als ein ſolcher
Landesfürſt erſchien auch der Kaiſer in Bezug auf die ihm geblie-
benen eigenen und reichsunmittelbaren Ländereien und Städte
(§. 14.). Es gehören hierher die Kopf- und Pflugſteuer7),
die Hundſteuer8), die Beede9), das Futtergeld10), Per-
ſonalſteuern11) und Leibespflichten12). Doch zeigen ſich in
dieſer Periode bei einzelnen Landesfürſten ſchon Spuren unſerer
heutigen eigentlichen Schatzungsſteuer13).
¹⁾ Die Steuern der reichsunmittelbaren Städte, Dörfer und Ländereien erſchei-
nen mehr als landesherrliche. Eichhorn, deutſch. St. und R. Geſch. II §. 297.
v. Raumer, Geſch. der Hohenſtaufen. V. 392.
²⁾ Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 51. Dies war die einzige ordentliche
Steuer. Die Subſidien der Geiſtlichkeit beſtanden unter Carl d. Gr. nicht, da unter
ihm die Geiſtlichkeit militzfrei war. Mit dem Lehnsweſen erſtand ihre Pflicht wieder.
Sie hießen auch Adoha. v. Löw a. a. O. S. 202. 205. 213.
³⁾ Sie hießen auch Geſchenke, Supplemente. Aber alle ſpäter noch genannten
Steuern in den einzelnen Landestheilen gehören unter dieſe Rubrick.
⁴⁾ servitium oder subsidium regium genannt. Z. B. das Kloſter Lorſch
hatte an Conrad II. 100 Pf. zu bezahlen. Das Nonnenkloſter zu Paſſau eine ähn-
liche Steuer bis a. 1193, wo es durch Heinrich VI. davon befreit wurde. Lang,
hiſtor. Entwickl. S. 52. v. Löw a. a. O. S. 202.
⁵⁾ Dieſes kam ſchon in voriger Periode in den Pfalzen vor. Unter dieſem
Rechtsgrunde aber erſt ſeit dieſer Periode. Eichhorn a. a. O. II. §. 297. Note
c-h, wo auch die Quote angegeben iſt. Die Juden hießen Kammerknechte.
Hüllmann, Geſch. des Urſpr. der Regalien. S. 52–57, wo urkundlich erwieſen
iſt, daß der Kaiſer auch dieſe Einkünftequelle durch Verleihungen, beſonders an
Geiſtliche, und durch Verpfändung vielfach einbüßte. S. §. 11. Note 12 oben.
v. Löw a. a. O. S. 220. v. Raumer, Geſch. der Hohenſtaufen. V. 267.
⁶⁾ Beſonders zu bemerken iſt hier der Rechtsgrund der Steuer, ſelbſt wenn ſie
wie oben in Note 2 eine ordentliche war, wie z. B. die Serjantes und die Cavalcade
der Städte.
⁷⁾ Dieſe zu erheben war den Tempelherrn auf 5 Jahre vom K. Philipp bewil-
ligt. Lang a. a. O. S. 52.
⁸⁾ Hundſtorar, Canagium, durch die bair. Herzoge von ihrer Geiſtlichkeit
erhoben, kraft der Pflicht der Leztern, die herrſchaftl. Hunde zu ernähren. Stru-
ben Nebenſtunden. II. 347. Auch das Jäger- und Vogelgeld des Pfalzgrafen
Ludwig am Rhein und das Hundekorn in Mecklenburg gehört hierher. Lang
a. a. O. S. 53.
⁹⁾ Ueber Urſprung und Weſen der Beede ſ. Eigenbrodt, über die Natur der
Beedeabgaben. Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 55–61. Eichhorn a. a. O.
II. §. 297. 306. 307. 310. III. 396. 414. 415. 424. 426. 428. 448.
¹⁰⁾ Früher Magazinkorn und Futter auf Verſammlungen der Lehnsleute,
welche der Lehnsherr 24 Stunden freihalten mußte; auch auf den Zügen der Kaiſer
nach Italien, von der Geiſtlichkeit und den Vaſallen erhoben. Lang a. a. O.
S. 62–63.
¹¹⁾ Nämlich Hauptrecht, Budtheil, Wildfang- und Hageſtolzenrecht, Beede-
mund, Ungenoſſengeld, Hühnergelder. Ihr Erheber hieß Hühnervogt, Leibſteuer-
meiſter. Sie ſind ſämmtlich Folge der Leibeigenſchaft. Lang, hiſtor. Entwickl.
S. 63. 71–85.
[21/0043]
¹²⁾ Auch eine Art Perſonalſteuer aus dem Leibeigenſchafts-Verhältniſſe, neben
den Hühnern in Geld oder Korn entrichtet. Daher Leibgeld, L. bede, L. ſchilling,
L. pfennig, L. zins (nicht L. rente), Leibkorn. Lang a. a. O. S. 64–65.
¹³⁾ Schon a. 1127 in Flandern Schoß und Tallie; a. 1137 vom Stifte
Stablo die Incisura=Tallia; a. 1197 Tribut, umgelegt v. Biſchof Thimo.
a. 1221 die collecta des deutſchen Ordens; a. 1239 Steuer der Einwohner
Nürnbergs vom Vermögen; die Tallien und Collekten der Kirche zu Aſchaffen-
burg. Ueberhaupt heißt ſie bald Schatzſteuer, Tallie, Collekte, Schoß, bald Land-
wehr, in dieſer Periode. Lang, hiſtor. Entw. S. 99–107.
§. 18.
Fortſetzung. Dienſtleiſtungen.
Es dauerten aber neben dieſen manchfachen Abgaben noch:
4) die Dienſte fort. Jedoch hatten die meiſten die Natur der
Reichsdienſte wie in der vorigen Periode verloren, und jene der
Landesdienſte angenommen. Reichsdienſte leiſteten natürlich die
Reichslehnleute beim Reichsherrn. Andere Reichsdienſte der oben
ſchon beſchriebenen Art wurden ordentlich blos von Unterthanen
auf Reichsgütern, Stiftern u. dgl. geleiſtet1). Dagegen aber be-
ſtanden die Landesdienſte ſo ziemlich noch in der alten Ausdehnung
als gemeine Laſt der Landesunterthanen fort. Es gehören hierher
1) die Banndienſte, welche mit den alten Heerbannsdienſten zu-
ſammenhängen2); 2) die Gerichtsdienſte, zufolge der wandern-
den Gerichte3); und 3) die Frohndienſte, gefordert aus guts-
oder leibherrlichen Rechtstiteln4). Auch dauerten die früheren
Sendkoſten, Herbergen, Atzungen und Nachtfelden, ſo
wie der Königspfennig und Grafenſchatz der Grafen noch
fort5).
¹⁾ Eichhorn, deutſche St. und R. Geſch. II. §. 298.
²⁾ Z. B. Heerfahrtsdienſte, servitia comitiae, Landfolge, Landhute, Herren-
dienſte, Weg- und Brückenfrohnden, Militärfrohnden.
³⁾ Vogtdienſte. S. Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 66–67. über alle dieſe
Dienſte.
⁴⁾ Die gutsherrlichen Frohnden waren dinglich; die leibeigenſchaftlichen aber
perſönlich, z. B. Baudienſte und Jagdfrohnden. Sie heißen auch Engern, woher
Engergeld=Dienſtgeld. Man kennt ſchon die Hand-, Spann- und Fußdienſte.
Es wurden in der Frohnd Pfingſttänze von den Unterthanen gehalten, z. B. in
Langenburg, Schwarzburg, Rudolſtadt und bei Heidelberg. Lang a. a. O. S. 67–70.
⁵⁾ Dieſe Dienſte ſind zwar zum Theile auch Abgaben, wurden aber hier er-
wähnt, weil ſie zum Theile aus Dienſtleiſtungen ihren Urſprung ableiten. Lang,
hiſtor. Entwickl. S. 62. Ueber ſämmtliche Frohnden ſ. Mittermaier deutſches
Priv. Recht. §. 169 folg.
§. 19.
Deutſche Kammerverwaltung im Reiche und in den
Reichslanden vom J. 1272 bis z. J. 1518.
Dieſe Periode iſt für die Ausbildung des Kameralweſens von
den bisherigen die wichtigſte, weil ſie den erſten Wendepunkt des-
[22/0044]
ſelben enthält. Schon im 13ten Jahrhunderte zeigen ſich die
Spuren des Lockerwerdens der Feudalbande auffallend. Der Grund
der Lehnsüberlaſſung war allmälig in den Hintergrund getreten und
die Lehnsleute waren allenthalben geneigt, ſich als ſelbſtſtändige
unabhängigere Herrn in ihren Landesgebieten zu betrachten und es
entſtanden darum Vereinigungen des Herrn- und Ritterſtandes ſchon
im 14ten Jahrhunderte. So wie ſie einerſeits ſich von den Lehns-
pflichten zu befreien ſtrebten, ſo ſuchten ſie anderſeits ihre Unab-
hängigkeit und ihre Gerechtſame immer zu vermehren. Auf dieſe
Weiſe wuchs der Druck auf die Land- und Städtebevölkerung,
nicht blos weil ſich die Landesherrn im Steuerrechte fortwährend
mehr anmaßten, ſondern auch weil die Gewalt derſelben in Will-
kür ausgeartet war, die Rechtspflege ihre Unpartheilichkeit ver-
loren hatte, und der Handel nebſt den anderen bürgerlichen
Gewerben ſeiner Freiheit beraubt war. Nachdem die Schweitz ihr
Joch abgeſchüttelt hatte, waren auch die beabſichtigten und ange-
ſagten Landfrieden der Kaiſer, die den Zweck hatten, auf einige
Zeit die wilden Elemente in Ruhe und Einigung zu halten, nicht
mehr im Stande, eine große Vereinigung der Städte zur Wahrung
ihrer wohlerworbenen Rechte zu verhindern. Es brach der Städte-
krieg aus, und hatte, da das Städteheer geſchlagen wurde, nicht
den glücklichen Ausgang, deſſen ſich der Kampf der Schweitzer-
Eidgenoſſenſchaft erfreute. Erfreuten ſich die Städte auch nicht
des Sieges mit den Waffen, ſo hatte ihr Krieg dennoch unbe-
rechenbar gute Folgen für die Sicherheit der Rechte und Güter
aller einzelnen Reichsglieder, für die Reichs- und Landesverfaſſung
und Verwaltung. Kurz ſein Haupterfolg war, daß fortan nicht
blos die geiſtlichen und weltlichen Fürſten und Herrn als
die Beſtandtheile des Reichs angeſehen und behandelt wurden, ſon-
dern auch das Volk im Reiche ſowohl als in den einzelnen
Reichslanden als ein Haupttheil der Verfaſſung erſchien und
mitwirkte. Dadurch erklären ſich die Abänderungen in den fol-
genden Kathegorien.
§. 20.
Verfaſſung.
I. Die Reichsverfaſſung ſuchte K. Albrecht II. im 15ten
Jahrhunderte ſchon durch einen Landfrieden ſo zu organiſiren, daß
ſowohl der Fürſtenſtand als die Einigung der Herrn und Ritter,
die Einigungen der Städte und die anderen Landſaßen in gegen-
ſeitig geregelten Rechten und Pflichten zu einem Ganzen vereinigt
würden und allgemeine Sicherheit der Rechte und Güter beſtehe.
Auch unter K. Friedrich III. lagen die Elemente dazu vor Augen.
[23/0045]
Allein unter beiden Kaiſern ſcheiterte der Verſuch und die Ent-
würfe von Aufträgalbehörden zur Regulirung und Entſcheidung
von Reichs- und Territorialfehden fanden keinen Anklang1). Erſt
der Kaiſer Maximilian I. brachte die Vereinigung eines ewigen
Landfriedens zu Stande, hob alles Fehderecht auf, gebot die Klage
wegen Rechtsverletzungen bei den gehörigen Gerichten anzubringen,
und die Organiſation des Reichskammergerichtes für Rechtsſtrei-
tigkeiten der Reichsunmittelbaren2). Aber ſchon vor ihm hatten
auch die Städte neben dem Fürſten- und dem Herrenſtande das
Stimmrecht durch ihre Abgeordnete am Reichstage. So hatte nun
auch das Gewerbsweſen ſeine Vertretung bei den Reichsberathungen,
welche im Uebrigen die nämlichen Gegenſtände betrafen, wie im
vorigen Zeitraume3).
II. Die Landesverfaſſung erlangte in dieſer Periode mehr
Selbſtſtändigkeit, den kaiſerlichen Rechten gegenüber. Zwar war
ſie noch nicht zu voller Ausübung der königlichen Rechte gelangt,
weil anderſeits der Kaiſer nach den Reichsſatzungen gewiſſe könig-
liche Rechte ausſchließlich beſaß und allein verleihen konnte. Allein
in der Gerichtsbarkeit war, wie oben und weiter unten zu erſehen
iſt, die Abſonderung der Landeshoheit bereits ſtreng hervorgetre-
ten4). Die Vereinigungen der Landesunterthanen hatten nach
und nach in den Reichslanden eine verfaſſungsmäßige Selbſtſtän-
digkeit als Landſtände zur Wahrung der guten Volksrechte,
beſonders des Steuerbewilligungsrechtes, erlangt5).
¹⁾ Eichhorn, deutſch. St. und R. Geſch. III. §. 408. v. Löw, Geſch. der
deutſch. Reichs- und Territorialverfaſſung. S. 331. v. Raumer, Geſchichte der
Hohenſtaufen. V. 457. 263.
²⁾ Eichhorn a. a. O. III. §. 409. v. Löw a. a. O. S. 331 folg.
³⁾ Eichhorn a. a. O. III. §. 435. v. Löw a. a. O. S. 291. v. Rau-
mer, Geſchichte der Hohenſtaufen. V. 60.
⁴⁾ Eichhorn a. a. O. III. §. 418. v. Löw a, a. O. S. 294 folg.
⁵⁾ Ueber die landſtänd. Rechte, beſonders das der Steuerbewilligung ſ. Eich-
horn a. a. O. III. §. 423–426. v. Löw a. a. O. S. 299. 385.
§. 21.
Fortſetzung. Militärweſen und Gerichtsbarkeit.
III. Die Staatsverwaltung anbelangend, ſo hatte A. die
Militärverwaltung einen neuen Charakter angenommen. Da
aus den im §. 19. angeführten Gründen der Lehnskriegsdienſt immer
nachläſſiger und matter wurde, die Reichsmilitz im Nothfalle ſehr
geſchmolzen war, und jeder Militzpflichtige ſich ſtreng nur an die
Zeit hielt, wie lange er zu dienen hatte; da ferner die Erfindung
des Schießpulvers eine andere Art, Krieg zu führen, veranlaßt
[24/0046]
hatte, ſo war es natürlich, daß man den Heeresdienſt durch Geld-
beiträge erſetzen ließ, und mit dieſer Summe für das Reich
Kriegsleute gegen Gold warb. Die Lehnsmilitz ging in die
Goldmilitz über. Da aber weder diejenigen, welche ihren Dienſt
noch ſelbſt leiſteten, noch dieſe Werbſoldaten bei einem allgemeinen
Aufgebote geübt und völlig dienſtfähig waren, ſo lag der Gedanke
an ein ſtehendes Reichsheer für die Friedenszeit um ſo näher, als
es weit zuverläſſiger ſein mußte, denn ein ſchnell geworbenes und
wieder entlaſſenes Heer. Maximilian I. führte daher zuerſt ſtehen-
des, regelmäßig gerüſtetes, eingetheiltes und kriegeriſch geordnetes
Fußvolk (Lanzknechte) ein1), zum eigenen und Reichsdienſte.
B. Die Civilverwaltung erlitt ebenfalls ſolche weſentliche
Veränderungen. Nämlich:
A. Die Gerichtsbarkeit hatte ſich in dieſem Zeitraume
allmälig abgetheilt in die Reichs-, Landes- und ſtädtiſche
Gerichtsbarkeit. Die Landgerichte der vorigen Periode hatten
allmälig den Charakter von Reichsgerichten verloren und den der
Landesgerichte angenommen, und waren durch Maximilians I.
Landfrieden in dieſer Abſonderung in ſoferne beſtätigt worden, als
er die Rechtshändel der Landeinſaßen vor dieſe, die Klagen der
Reichsunmittelbaren aber vor das Reichskammergericht wies2).
Zudem waren ſolche Landgerichte von einzelnen Reichsſtänden nach
und nach erworben worden, und wenn ſolche anderen Landesherrn
gehörten und in ihrem Gerichtsſprengel Lehnsleute und Vogtei-
einſaßen ſich befanden, ſo ſchützte man ſich durch die Privilegia
de non evocando3), welche ſchon ſeit früherer Zeit dem Fürſten-
ſtande als ſolchem gegeben waren4). Bei den Fehmgerichten,
den Criminalhöfen, in Weſtphalen gelang dieſe Umwandlung in
Landesgerichte nicht ſo leicht wegen der Eigenthümlichkeit ihrer
und der Territorialverfaſſung5). Die Hofgerichte dauerten
auch noch fort, jedoch als eine höhere Inſtanz über den Landes-
gerichten zur Belehrung dieſer. Die Städte hatten aber noch
beſondere Oberhöfe. Die allerlezte gerichtliche Inſtanz war das
Reichskammergericht, obſchon man von den Hofgerichten auch
unmittelbar an den Landesherrn und ſeinen fürſtlichen Rath oder
ſeinen Kanzler, der ein Doktor der Rechte war, appelliren konnte6).
¹⁾ Eichhorn, deutſche St. und Rechtsgeſch. III. §. 437. v. Löw, Geſch.
der deutſch. Reichs- und Territorial-Verfaſſung. S. 293.
²⁾ Eichhorn a. a. O. III. §. 409. v. Löw a. a. O. S. 286. 301. 304.
³⁾ Eichhorn a. a. O. III. §. 418. v. Löw a. a. O. S. 286. 294. 317.
⁴⁾ Eichhorn a. a. O. III. §. 396. v. Löw a. a. O. S. 282.
⁵⁾ Ueber die Fehmgerichte ſ. Eichhorn III. §. 419–422 und die dort citir-
ten Schriften. v. Löw a. a. O. S. 287. 326. 336.
⁶⁾ Eichhorn a. a. O. III. S. 269–271.
[25/0047]
§. 22.
Fortſetzung. Kammerverwaltungsgegenſtände.
Wie bereits (§. 19.) erwähnt iſt, erlitt
B. Die Kammerverwaltung eine totale Umgeſtaltung,
weil ſich ihr Reſſort um vieles Neue vermehrte. Auch in dieſer
Periode bilden 1) die Domänen eine Einkünftequelle, ſowohl für
das Reich als auch für die einzelnen Fürſten. Allein ihr Beitrag
zu den Staatsbedürfniſſen mußte wegen des ungeheuren Aufwandes
der Fürſten bei den Gelagen auf ihren Gütern ſehr gering ſein,
und der Reinertrag an ſich konnte ſich verhältnißmäßig nicht hoch
belaufen, wegen der hohen Beſoldungen der Verwaltungsbeamten1).
Da nun die Landeshoheit ihrer Vollſtändigkeit bedeutend näher
gerückt war, ſo hatte auch 2) das Regalienweſen und der
Umfang der fiskaliſchen Rechte noch eine ſtrengere Abſon-
derung zwiſchen dem Reiche und den Landen deſſelben erlitten,
obſchon der Kaiſer ſich noch einige ausſchließlich zuſchrieb. Allein
das Zollrecht, Münzregal und Bergwerksregal2) war ja ſchon im
vorigen Zeitraume faktiſch kein ausſchließlich kaiſerliches mehr.
Entſchiedene Schritte hatte aber 3) das Steuerrecht gemacht.
Mit der immer zunehmenden Lückenhaftigkeit der Lehnsheere, und
der immer nothwendiger werdenden Soldmilitz allgemeineren Ge-
brauches3), ſo wie mit dem fortwährend ſteigenden Staatsaufwande
überhaupt wurde eine neue Art von Steuer ſtets unentbehrlicher.
Das iſt a) die Schatzſteuer (Schatzung), ſowohl Reichs- als
auch Landesſchatzung, welche zwar anfänglich nur von den
Reichsunmittelbaren, dann auch von den Reichsſtänden anſtatt der
Lehnsdienſte ohne Beſtimmung darüber, wie dieſe ſie aufbringen
würden, endlich aber von den Reichsunterthanen überhaupt als
ſolchen durch den Reichstag, und von den Landesunterthanen eben
ſo durch den Landtag und Landesfürſten unter dem Rechtstitel der
allgemeinen Unterthanenpflichten erhoben wurde. Die frühern
Steuern waren grundherrliche und Lehnsabgaben geweſen, hatten
blos den Charakter der außerordentlichen gehabt, wenn die ge-
wöhnlichen Steuerpflichten überſchritten wurden, während aber jetzt
dieſe, eine ordentliche Laſt aus reiner Unterthanenpflicht überhaupt,
vom Vermögen im Allgemeinen erhoben und alljährlich beſonders
ausgeſchrieben wurden4). Aber es kamen zu den bisherigen Steuern
noch einige neue, nämlich b) die Fräuleinſteuer, bald bittweiſe
erhoben bald anbefohlen, ohne jedoch eine allenthalben beſtehende
zu ſein5); c) das Handlohn, von verſchiedenem Betrage, erho-
ben bei der Gewährung eines Lehns durch den Lehnsherrn6);
[26/0048]
d) die Weiſat, nämlich Darbringen von Naturalien an gewiſſen
Jahrestagen für den Lehnsherrn7); e) die Nach- und Erb-
ſchaftsſteuer, erhoben von dem Vermögen der in ein anderes
Landesgebiet überſiedelnden Unterthanen und von Erbſchaften8);
f) die verſchiedenen Zinſe und Gülten aus grundherrlichen Ver-
hältniſſen9). Auch hatten g) die Zölle in dieſen unruhigen Zeiten
ſich vermehrt, erhöht und einen Zuwachs durch das Geleitsgeld
erhalten10); es entſtanden in dieſer Periode auch h) die Con-
ſumtionsſteuern, genannt Acciſe, Lizent, Aufſchlag, Impoſt,
auf Speiſen und Getränke11).
¹⁾ Hüllmann, Geſch. der Domänenbenutzung S. 36., wo auch ein Beiſpiel
von Beſoldung angegeben iſt aus Hungari Geſch. der Abgaben in Sachſen S. 35.
Auch finden ſich dort mehrere Beiſpiele vom Aufwande bei Gelagen und Vermäh-
lungen. Auch die Landſtände wurden auf ihrer Verſammlung frei gehalten.
²⁾ Münze und Bergwerke gehörten früher ſchon zuſammen. Aber außer dem
Naturalertrage aus Bergwerken bezog jetzt der König auch den Erzzehnten. Die
Böhmen widerſetzten ſich ſchon a. 1303 dieſer kaiſerlichen Abgabe. Welchen Gewinn,
man aus dem Münzgewerbe zog, erſieht ſich leicht aus Folgendem: A. 1396 nahm
der rhein. Kurfürſt von ½ Pfd. oder 1 Mark Gold ½ fl., und von 1 Mark Silber
4 Schillinge Schlagſchatz. Im 13ten Jahrhundert prägte man im Allgemeinen ſonſt
das Silber 15 und 14 löthig; a. 1330 nur 14 löthig; a. 1360 nur 13 löthig;
a. 1381 nur 12 bis 11 löthig; und a. 1397 zuweilen gar nur 8 löthig aus. Lang,
hiſtor. Entwickel. S. 140–142.
³⁾ Daß ausnahmsweiſe auch ſchon früher Soldmilitz beſtand, iſt ſchon §. 16.
geſagt. Aber ſchon Carl Martell hatte Söldner zu Kriegern. Birnbaum,
über die rechtl. Natur der Zehnten. S. 136. Note 23.
⁴⁾ Eichhorn, deutſch. Staats- und Rechtsgeſch. III. §. 437. 438. Lang,
hiſtor. Entw. S. 153. 181.
⁵⁾ Lang a. a. O. S. 91. G. H. Hinüber, de jure statum imperii dotis
subsidia filiarum illustrium e subditis exigendi. Gotting. 1756. A. L. seip, de
libertate statuum provincialium circa dotationem filiarum illustrium. Gotting. 1747.
A. Fritsch, de dotatione filiae principis et in specie de collectis maritagii, vulgo
Fräuleinsteuer. Gera 1671. Ejusdem Opuscula miscell. P. I. n. 3. p. 54.
Moſer Familienſtaatsrecht. II. 279. Cramer Nebenſtunden. Thl. 41. S. 109.
Struben, Rechtliche Bedenken. Thl. IV. Bed. 138. Deſſelben Nebenſtunden.
II. 409. Sie wurde oft bei Verheirathung der Schweſter, oft nur der Tochter,
auch nur der älteſten Tochter des Landesherrn erhoben.
⁶⁾ Lang a. a. O. S. 92. Beck, B. d. Nachſteuer und Handlohn mit Lan-
gens Bemerk. Baireuth 1781. schroeter, de origine Laudemiorum ap. Germanos.
Erfurt. 1744. Dieſe Steuer hat über 30 verſchiedene Namen, wovon der bekann-
teſte Laudemium iſt. Mittermaier, deutſch. Priv. R. II §. 443. und die dort
in d. Anmerk. 8. cit. Schriften. Eichhorn a. a. O. II. §. 367. III. §. 445.
⁷⁾ Lang a. a. O. S. 96. Spieß, Aufklärungen in der Geſchichte und Di-
plomatik. S. 37.
⁸⁾ Lang a. a. O. S. 116. Beck cit. in Note 6. Walter, Syſtem der
Abzugsgerechtigkeit. Bern 1775. Bodmann, Geſchichte des Abzugs- und Nach-
ſteuerrechts in Deutſchland und im Erzſtift Mainz. Mainz 1791. Kramer, Ueber
reichsſtänd. Abzugsrechte und ritterſch. Abzugsfreiheit.
⁹⁾ Lang a. a. O. S. 126. L. Cencii, Tract. de Censibus. Lugdun. 1658.
F. de Solis, Comm. de Censibus. Francof. 1605. L. Duardi, Comm. in Extra-
vagantes Pap. Pii V. de forma creandi census. F. Martini, Comm. de jure
Censuum. Colon. 1660. Boehmer, de vario censuum significatu et jure. Halae 1722.
[27/0049]
⁹⁾ Buri, Abh. v. d. Bauerngütern. Gießen 1769. Ausg. v. Runde. Gießen 1783.
Eichhorn a. a. O. I. §. 88. 171. Hüllmann, Finanzgeſch. S. 148. Mit-
termaier, deutſch. Privat R. I. §. 155. 156. Eigenbrodt, Ueber die Natur
der Bede-Abgaben. §. 3. 4.
¹⁰⁾ Lang a. a. O. S. 143. 147.
¹¹⁾ Lang a. a. O. S. 235. Faulſtich, Beitr. z. Geſch. der Acciſe. 1781.
Leipzig. III Bde. Hüllmann, Städteweſen. II. S. 115.
§. 23.
Fortſetzung. Polizeiweſen.
Mit dem Bisherigen iſt aber das Bereich der Kammerverwal-
tung noch nicht geſchloſſen. Schon unter der fränkiſchen Herrſchaft
vor Carl d. Gr. gab es gewiſſe die Sicherheit und das Gewerbs-
weſen ſo wie die Sittlichkeit betreffende Staatsanordnungen (§. 10.).
In den ſpäteren Zeiten des Mittelalters, beſonders in dieſer unruhe-
vollen Periode, war die Aufſicht auf die öffentliche und allgemeine
Sicherheit einer der wichtigſten Zweige der Staatsverwaltung1).
Daſſelbe war der Fall mit der Aufſicht auf das Religionsweſen
und die Sittlichkeit, obſchon dies größtentheils in das Bereich der
Geiſtlichkeit gehörte2). Das Gewerbs- und Nahrungsweſen, be-
ſonders der Handel und die Handwerke, wurden immer wichtiger,
zum Theile wegen ihrer wachſenden Verbreitung3), zum Theile
wegen der politiſchen Wichtigkeit der Gilden, Zünfte und Innun-
gen4), zum Theile wegen des Umſtandes, daß ſie fortan eine
Hauptquelle der Staatsſteuern werden mußten in der Schatzungs-
ſteuer und in den Zöllen5). Es begannen allmälig höhere Anſtalten
für Gelehrten- und Staatsbildung ſich zu erheben6). Man mochte
wohl einen gewiſſen inneren Zuſammenhang dieſer weitläufigen
Materien ahnen. Da ſie aber vom bisherigen Kammerweſen, zu
dem blos die Verwaltung fürſtlicher Einkünfte gehörte, verſchieden
waren, ſo bezeichnete man ſie mit dem noch jetzt gebräuchlichen
Ausdrucke Polizei7).
¹⁾ Man erinnere ſich hier an die Landfrieden, an die Raubritterſchaft, an die
Geleitsritterſchaft, an die Aufſicht auf Meſſen und Märkten und dgl. mehr in
Deutſchland. In Deutſchland waren die Landeshauptleute zur Erhaltung
der allgemeinen Sicherheit und Ordnung mit der anſäßigen Ritterſchaft beſtellt
(Eichhorn, deutſch. Staats- und Rechtsgeſch. III. §. 430.). In Frankreich
iſt die Maréchaussée, welche ſchon ſeit weit früher beſtand, unter Ludwig XII.
neu organiſirt worden, deren Zweck die Erhaltung der allgemeinen Sicherheit war
(Des Essarts Dictionnaire de Police. Tom. VI. p. 305.). In England entſtan-
den a. 1285. 1332. 1361 Verordnungen wegen der Constables, die auch die allge-
meine Sicherheit erhalten ſollten (Colquhoun, die Polizei von London, Leipzig
2 Bde. I. 218. v. Vinke, Darſtellung der innern Verwaltung Großbrittanniens
S. 71.). Die Aufſicht auf die Sicherheit in den Städten war den Gilden und
ſpäter den Städtebehörden überlaſſen (Struben Nebenſtunden. Abh. 31. §. 2–4.
Kress, Vindicia judicii recuperatorii. cap. II. §. 6. und unten die Note 4. Hüll-
mann Städteweſen. III. 250. Eichhorn, deutſche St. u. R. Geſch. III. §. 431 flg.).
[28/0050]
²⁾ Eichhorn, deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. I. §. 162 und 163.
II. §. 292.
³⁾ Eine Darſtellung derſelben bei Hüllmann Städteweſen. Bd. I. Ander-
ſon, Geſchichte des Handels (Riga 1773–93. VII Bde.). Fiſcher, Geſchichte
des deutſchen Handels (Hannover 1794. 2te Aufl. IV Bde.).
⁴⁾ Wilda, das Gildenweſen im Mittelalter. S. 41. 63. 78. 137. 145 folg.
228 folg. 288. Hüllmann Städteweſen. III. 325. Eichhorn a. a. O. II.
§. 312. III. §. 432. Mittermaier, deutſches Privatrecht. II. §. 450.
⁵⁾ S. §. 22. Note 3. Beſonders hatte auch zu dem Streben der Könige nach
dem Staatsſteuerrechte ihr Hinblick auf die Verwaltung der Städtebunde und ihr
gemeinſames Tragen der gemeinſamen Laſten beigetragen, bei welchem dennoch der
ſtädtiſche Wohlſtand ſtieg.
⁶⁾ Es wurde Prag a. 1348, Wien a. 1368, Heidelberg a. 1386, Cöln a. 1388,
Erfurt a. 1392, Leipzig a. 1408, Roſtock a. 1415, Löwen a. 1426, Mainz a. 1441,
Greifswald a. 1456, Baſel a. 1459, Freiburg a. 1460, Trier a. 1472, Ingol-
ſtadt a. 1472, Tübingen a. 1477, Wittenberg a. 1502, Frankfurt a. d. O. a. 1506
gegründet. Eichhorn a. a. O. III. §. 441.
⁷⁾ Dies Wort kommt jedenfalls ſchon a. 1495 vor. In der projektirten Regi-
mentsordnung heißt es Pollucy. Müller, Reichstagstheater unter Max I.
Thl. I. 384. Rau (Ueber die Kammeralwiſſ. §. 4) nennt dieſes Wort, „als aus
einer fremden Sprache ſtammend, unbeſtimmt und vieldeutig“, und glaubt dieſes
zu begründen durch die Behauptung, πολιτεία, woher Polizei kommt, heiße bei
den Griechen 1) Staat überhaupt, 2) Staatsverfaſſung, nämlich τάξις τῆς πόλεος,
und 3) die beſte Verfaſſung im Sinne des Ariſtoteles, eine veredelte Demokra-
tie, — die Griechen hätten überhaupt den Begriff Staatsverwaltung nicht
gehabt, ſie würden ihn aber, wenn er ſich einigermaßen gebildet gehabt hätte, eher
mit πολιτευμα bezeichnet haben, und man dürfe überhaupt bei ihnen eine ſcharfe
Entgegenſetzung von Verfaſſung und Verwaltung nicht ſuchen. Allein 1) es iſt
richtig, daß πολιτεια etwas die Stadt (πολις) Betreffendes bezeichnet, aber darum
kann und muß es bei den griechiſchen Städten, wie jetzt bei Hamburg, Lübeck,
Bremen und Frankfurt, etwas den Staat Betreffendes bedeuten. 2)Πολις bedeutet
auch Staat, nach Aristotelis Politic. lib. II. cap. 2. lib. III. cap. 4., wo es
heißt: πολις ſei die Bürgergeſellſchaft (πληθος), deren Zweck die Selbſtſtändigkeit des
Lebens ſei (ἱκανον προς αὐταρκειαν ζωης). 3) Die durchgreifende Bedeutung von
πολιτεια iſt vielmehr reipublicae administratio seu regimen (Staatsverwaltung),
denn es kommt von πολιτεύειν, πολιτευεσθαι, rempublicam regere (den Staat ver-
walten), her. Im lezten Sinne gebraucht Xenophon gerade lezteres Wort bei
der bekannten Definition vom Staate (πρὸς τὸ ἴδιον κερδος πολιτευοντων, d. h.
der zur allgemeinen Erſprießlichkeit die Staatsangelegenheiten Verwaltenden);
Aeschines erklärt ſeine Bedeutung und viele Pleonasmen mit διοικειν, rem gerere
(verwalten, ſachführen). (A. Baumstark de curatoribus emporii et nautodicis
apud Athenienses p. 22.) 4) Ariſtoteles ſagt allerdings (Polit. III. 4.) πολιτεία
ſei ἡ ταξις της πολεος allein ταξις heißt nicht status oder ordo (die Ordnung, als
etwas ſchon Beſtehendes), ſondern ordinatio (das Ordnunghalten, die Ordnung als
eine Thätigkeit); dieſe Anſicht iſt nicht zu bezweifeln nach Aristotelis Politic. III. 7.,
wo er ſagt: πρὸς τὸν κοινὸν συμφέϱον ἀποβλέπουσα πολιτεία; folglich heißt πολιτεια
gerade bei Ariſtoteles Staatsverwaltung. 5) Gerade Ariſtoteles iſt der
erſte Philoſoph und Politiker, der den Begriff der Staatsverwaltung von jenem
der Staatsverfaſſung unterſchied; er theilt die Staatsgewalten in ſubjektiver
Beziehung ein in die Geſetzgebung, Vollziehung und richterliche Gewalt. (Politic.
IV. 14–16. Tennemann, Geſch. der Philoſophie. III. 315. L. Hofmann,
Unterſuchungen über die wichtigſten Angelegenheiten des Menſchen (Zweibrücken
1830). II. S. 11. H. Grotius de jure belli et pacis. I. cap. 3. §. 6. N. 1.
6) Die Anſicht von Rau wegen des Ausdruckes πονιτενμα widerlegt Ariſtoteles
wenige Zeilen unter der erwähnten Stelle ſelbſt, indem er ſagt: των δε ἀλλων
ἀϱχων, ϰαι μαλιςτα τηϛ κυϱιας παντων ϰυϱιων μεν γαϱ πανταχου πολιτευμα
της πολεως πολιτευμα δ'ἐστιν ἡ πολιτεια d. h. überall ſei die Inkumbenz
der Curien, einer beſondern höheren Behörde, die über den Archen ſtünde, das
[29/0051]
⁷⁾ πολιτευμα des Staates, dieſes aber ſei nichts anderes als die πολιτεια. Die Archen
waren aber Verwaltungsbehörden im weiteren Sinne (A. Baumstark I. c. p. 26.),
folglich ihr Geſchäft die Staatsverwaltung. 7) Auf keinen Fall könnte der Mangel
der Trennung beider Begriffe die Anſicht rechtfertigen, daß πολιτεια nur Staats-
verfaſſung heiße. Nach unſerer Anſicht iſt alſo das griechiſche πολιτεια mit der
ſpätern Polizei ſehr nahe verwandt, und man kann den Einführern dieſes Wortes
nur vorwerfen, daß ſie den Gattungsbegriff für jenen der Art geſetzt haben, — ein
Fehler, der in jener Zeit mehr als verzeihlich, ja unvermeidlich war.
§. 24.
Fortſetzung. Kammerkollegien.
Zu einer ſolchen Maſſe von verſchiedenen Geſchäften war die
Staatsverwaltung in jener Zeit angewachſen1). Doch aber hatte
man ſie in den Behörden, blos das Domänenweſen ausgenommen,
noch nicht in Juſtiz- und reine Kammerbehörden geſchieden. In
Burgund beſtand a. 1385 zu Lille unter Herzog Philipp d. Küh-
nen eine Collegialbehörde für Juſtiz- und Finanzverwaltung zu-
ſammen. Allein Johann der Unerſchrockene trennte ſie ſchon
a. 1409 in zwei Behörden, und verlegte die Juſtizbehörde nach
Gent, während er das Finanzkollegium zu Lille ließ2).
Dies fand ſeinen Grund in der Häufung und Verſchiedenartigkeit
der Geſchäfte. Die Vergleichung beider Geſchäfte zeigte leicht,
a) daß die Rechtspflege auf poſitive Normen und Gewohnheiten
geſtützt iſt, während ſich die Kammerbehörden dieſelben erſt nach
Maaßgabe der Zweckmäßigkeit bilden mußten; b) daß der Juſtiz-
beamte ohne weitere Rückſichten die vorhandene Norm auf einen
herausgeſtellten Fall anzuwenden hatte, während die Kammerbe-
hörde es mit den verſchiedenſten menſchlichen und bürgerlich prak-
ſchen Verhältniſſen, denen eine Maaßregel entſprechen mußte, zu
thun hatte; c) daß die Juſtizbehörde nicht, wie jene, auf die Er-
findung neuer Mittel zu längſt bekannten Zwecken, auf die Wan-
delbarkeit aller Verhältniſſe und auf die in den Händen der
Unterthanen liegenden, ſich bald vermehrenden, bald verringernden
Beſitzthümer Rückſicht zu nehmen brauchte; und d) daß kurz über-
haupt die Juſtizbehörde einen gegebenen Fall unter ein Geſetz ſub-
ſumirt, während die Kammerbehörde mehr ihre Maaßregeln unter
gegebene Fälle ſubſumirt, um das Zweckmäßigſte zu treffen3). Als
Maximilian I. Burgund ererbt hatte, ſo führte er, ohne Zwei-
fel, weil er mit obiger Trennung bekannt wurde, im J. 1498 zu
Insbruck und im J. 1501 zu Wien Hofkammern ein. Dieſe Ein-
richtung fand allgemeine Nachahmung, namentlich in Sachſen,
Brandenburg, Baiern, Schweden und Dänemark4). Jedoch wa-
ren dieſe Kammerkollegien nur die Oberbehörden. Der Behörden-
organismus in der Domänenverwaltung war folgender: Ueber
[30/0052]
größere Landesdiſtrikte war der Großvogt, Vizedom oder Lan-
deshauptmann geſtellt. Zur Berechnung der Einkünfte aus
den Domänen und Gefällen war ihm ein Kammer- oder Rent-
meiſter untergeordnet. Die Mittelbehörde war der Oberamt-
mann oder Amtshauptmann, meiſtens ein Adeliger. Als
Unterbehörden waren die Amtsverwalter, A. Schreiber, A.
Kellner oder wie ſie ſonſt genannt wurden, über mehrere unter-
gebene Schreiber geſtellt5).
¹⁾ Hüllmann Städteweſen. II. 255.
²⁾ Miraei Opera diplomat. T. II. p 1252. Diplom. Philippi ducis Burgun-
diae de a. 1385. Hüllmann, Geſch. der Domänenbenutzung. S. 68. Rau,
Ueber die Kameralwiſſ. §. 3.
³⁾ Rau, Ueber die Kameralwiſſenſchaft. §. 4.
⁴⁾ Eichhorn, deutſche St. und R. Geſchichte. III. S. 271. Hüllmann
Domänenbenutzung. S. 68.
⁵⁾ Hüllmann Domänenbenutzung. S. 59–67. Eichhorn a. a. O. III.
S. 268. v. Löw, Geſch. der Reichs- und Terr. Verfaſſung. S. 297. §. 25.
§. 25.
Die deutſche Kammerverwaltung in den Reichslanden vom
Jahre 1518 bis z. J. 1648 und ſpäter.
Zu einem größeren Complexus von Geſchäften wuchs die Kam-
merverwaltung nicht an. Nur die Poſtanſtalt trat noch hinzu1).
Aber die zunehmende Bildung, die Erfahrung, die ſteigende Be-
völkerung, die Vermehrung der Staatsausgaben, die Erweiterung
des Gewerbsweſens, die religiöſen Spaltungen, das immer fühl-
barere Bedürfniß genauerer Bildung des Volkes, der Gelehrten
und Staatsdiener vergrößerten die Manchfaltigkeit derſelben eben
ſo, als ſie die Ueberſicht und Führung erſchwerten2). Deshalb
nahm der Organismus der Oberbehörden einen beſtimmteren Charak-
ter an. Der nächſte Rath am Hofe des Landesherrn, jetzt ein
Collegium unter dem Vorſitze des Kanzlers, Hofrath oder auch
Regirung genannt, beſchäftigte ſich jetzt neben ſeinen bisherigen
Juſtizgeſchäften auch mit demjenigen Theile der bisherigen Kam-
merverwaltung, welchen man jetzt Regirungsſachen, beſonders
auch ſpäter noch Adminiſtration, nannte3). Zur Verwaltung
der Staatseinkünfte, der Finanzen, ward die ſogenannte Hof-
kammer beſtellt4). Nur in den einzelnen Provinzen größerer
Länder wurden auch Regirungscollegien errichtet, die unter
dem Hofrathe ſtanden und das zu beſorgen hatten, was nicht
Juſtizangelegenheiten war5), und in deren Bereich auch das
Steuerweſen kam. In den unteren Behörden beſtand dieſe Tren-
nung der Juſtiz, Adminiſtration und des Finanzweſens nicht ſo
[31/0053]
ſtreng, weil die Beſchäftigung derſelben im Gegentheile nicht voll-
ſtändig geweſen ſein würde6).
¹⁾ Schon a. 1516 war zwiſchen Burgund und Wien eine derartige Verbindung.
a. 1595 war Leonhard v. Taxis ſchon General-Oberpoſtmeiſter des Reichs.
Klüber, das Poſtweſen in Deutſchland. S. 16. Gerſtlacher, Handbuch der
deutſch. Reichsgeſetze. IX. Thl. S. 1697. Eichhorn, deutſche St. und R. Geſch.
IV. §. 530.
²⁾ z. B. es entſtanden jetzt eigene Reichspolizei-Ordnungen. Die erſte
a. 1530, ſpätere a. 1548, a 1577, deren genauere Beſtimmung und Ausführung
den Landesfürſten nach den Landesverhältniſſen überlaſſen war; ferner nahmen die
Reichsmünzordnungen einen feſteren Charakter an, z. B. jene von 1524 und
1559; ferner bekam die Kriegsverfaſſung durch die Executionsordnung von
a. 1555 und durch die Kreiseintheilung eine neue Geſtalt; dadurch erhielt das
Beſteurungsrecht des Kaiſers und der einzelnen Landesfürſten eine feſtere Baſis,
ſo daß Steuern zu gewiſſen Zwecken von den Landſtänden gar nicht verweigert wer-
den durften. Eichhorn a. a. O. IV. §. 530. 537. Lang, hiſtor. Entwickelung.
S. 153. 181. 193. 203. v. Löw a. a. O. S. 361.
³⁾ Eichhorn a. a. O. IV. §. 549. 535. Er war nämlich eine Reichsbehörde,
Reichs-Lehnhof- und Regirungscollegium neben ſeinen Juſtizſachen.
v. Löw a. a. O. S. 337. Unter der Landesregirung verſtand man ein colle-
gium ad politica negotia imprimis quatenus a tractatione litium distinguuntur
ordinatum. Ludolf Observat. forenses 99. Struben Nebenſtunden. Abh. XIII.
§. 2. §. 5. §. 6–8. §. 21. Ueber Wohlfahrtsgeſetze hatten die Gerichte nicht zu
entſcheiden. Beſchwerden gegen dieſe gingen an das Regirungscollegium. Im Bre-
miſchen und Verdenſchen z. B. gehörte die Beſtimmung über die Zweckmäßigkeit
und Prozeßwürdigkeit der Polizei-, Teich- und Contributions-Sachen vor die Re-
girung, die Prozeſſe ſelbſt aber vor das Juſtizcollegium. Man muß aber dieſe hohe
Regirung nicht mit jenen in Baiern und Oeſterreich verwechſeln. Denn dieſe
waren Collegium in den Provinzen und ſtanden unter jenem hohen Hofe, dort
Hofrath genannt und eigentlich fürſtlicher geheimer Rath.
⁴⁾ Ehe dieſe Trennung wirklich vorging, beſtanden einzelne Deputationen hier-
für, z. B. in Sachſen a. 1556. (Weiße, Sächſ. Geſch. Thl. IV. 151.) Daher
iſt dennoch die Anſicht von Rau (Ueber die Kameralwiſſ. §. 3.) unrichtig, wo er
ſagt, es ſei in jeder Hinſicht irrig, daß Kurfürſt Auguſt I. von Sachſen das erſte
Kammercollegium errichtet habe. Denn ſie iſt höchſtens wahr, in ſoferne, als die
Kammerbehörde auch ſpeciell Finanzbehörde bedeutet. An dem Amtmanne Hans
von Ponikau hatte ſich eine ſolche Deputation a. 1556 verwirklicht. Unbeſtreit-
bar aber iſt die Thatſache, daß im nämlichen Jahre, als jener Kammerrath wurde,
auch der Stallmeiſter Thile von Trotta als ſolcher beſtellt ward. (Weck, Be-
ſchreibung und Vorſtellung von Dresden S. 175. Horn, Samml. zu einer hiſtor.
Handbibliothek von Sachſen. S. 510. Angabe der Beſoldung deſſelben bei Hüll-
mann Geſch. der Domänenbenutzung. S. 36. Hungari, Geſch. der Abgaben in
Sachſen. S. 35.) Dieſe Hofkammern wurden aus jenem Regirungscollegium, aus
jener Kammerbehörde im weiteren Sinne, der Häufung der Geſchäfte halber, her-
ausgezogen.
⁵⁾ Lang, Geſch. von Baireuth. Thl. II. S. 83. und vergl. oben Note 3.
Später ſah man die Nothwendigkeit der Trennung der Kammerſachen in zwei
Collegien, nämlich in eines zu Beſorgung der Intraden und Ausgaben, und eines
als Direktorium der Vermehrung der fürſtlichen Einkünfte, noch mehr ein.
(v. Schröder, fürſtl. Schatz- und Rentkammer (a. 1686). Ausg. v. 1721. S. 15.)
⁶⁾ Selbſt Rentkammern hatten manchmal auch richterliche Gewalt. Struben
Nebenſtunden a. a. O. §. 24 u. 25 und die dort citirten Schriften. Dennoch aber
ſuchte man der Regel nach nur Gleichartiges, oder nicht zu Ungleichartiges zu ver-
binden. Darum findet man bei den unteren Juſtizbehörden nur die Polizei der
Sicherheit, aber in der Regel kein Finanzweſen und keine andern eigentlichen Re-
girungsſachen. (v. Seckendorf, der deutſche Fürſtenſtaat. II. cap. 10. §. 12.
[32/0054]
⁶⁾ III. cap. 4. §. 1. v. Juſti, Staatswirthſchaft. I. 296.) Daher iſt auch zu er-
klären, wie Struben ſagen kann, die Polizei, die Erhebung von Polizeiſtrafgeldern
gehören den Gerichten. (Struben Nebenſtunden. Abh. V. §. 5. Abh. XXXIV.
§. 13. 15. 17. Unterricht von den Regirungs- und Juſtizſachen. Sect. IV. §. 14.)
III. Hiſtoriſche Entwickelung des Weſens der
Kameralwiſſenſchaft.
§. 26.
Rückblick auf das Bisherige.
Die Betrachtung der allmäligen Ausbildung des Kameralweſens
in der deutſchen Staatspraxis, bis dahin, wo in ihm alle Ele-
mente der heutigen Kameralwiſſenſchaft ſchon enthalten, wenn auch
nicht ausgebildet, ſind, und der Uebergang ihrer Grundſätze und
Regeln in die Reihe der Wiſſenſchaften zeigt nicht nur, daß ſich
auch die Kameralwiſſenſchaft urſprünglich aus der Praxis hervor-
gebildet hat, ſondern auch, daß ſchon im hiſtoriſchen Verlaufe der
Kameralpraxis ſich verſchiedene Begriffe des Kammerweſens for-
mirten. Nämlich der erſte Begriff deſſelben war die Verwaltung
des fürſtlichen Privatvermögens; der zweite die Verwaltung der
fürſtlichen und Staatslandgüter mit ihren Gefällen und Gerecht-
ſamen; der dritte die Verwaltung der Staatslandgüter mit ihrem
Zugehör und der ſonſtigen Staatseinkünfte aus Militär-, grund-
herrlichen, Staatsdienſt- und Staatsverhältniſſen; der vierte die
Verwaltung der Staatseinkünfte und Staatsausgaben im Domä-
nen-, Regalien- und Steuerſache, ſo wie in der geſammten
Staatsjuſtiz; der fünfte die Verwaltung des eigentlichen Finanz-
weſens und der Polizei im weiteren Sinne; und der ſechste die
Verwaltung des Finanzweſens allein, im Gegenſatze der mit ihm
im Cauſalzuſammenhange ſtehenden Polizei, deren Verwaltung mehr
Regirung genannt wurde. Die fernere Ausbildung des Begriffes
des Kameralfaches ging aus der Wiſſenſchaft hervor, deren Litera-
turgeſchichte, als eines Ganzen, erſt am Ende des 17ten Jahr-
hunderts beginnt. Die Kameralwiſſenſchaft iſt blos eine deutſche
Wiſſenſchaft, oder das Reſultat der deutſchen Kammerverwaltung
und des deutſchen Gelehrtenfleißes. Dagegen in dem Verdienſte
um die Ausbildung der einzelnen ſie bildenden Zweige concurriren
mit ihr ſowohl die Völker des tiefſten Alterthums als die noch jetzt
leben Nationen 1).
¹⁾ Es iſt daher ſehr unrichtig, wenn man wie Weber (Entwurf einer Ency-
clopädie und Methodologie der Kameralwiſſenſchaft. Berlin 1819. S. 105 folg.) die
[33/0055]
¹⁾ Geſchichte der Kameralwiſſenſchaft mit den Völkern des Alterthums beginnt, und
auch den Italienern, Franzoſen und Engländern am Verdienſte um die Ausbildung
derſelben Theil gibt. Denn es hat bei ihnen keine Schriftſteller über die Kameral-
wiſſenſchaft, obſchon die vorzüglichſten Erfindungen und Entdeckungen, z. B. in der
Landwirthſchaft, Technologie, im Handel und in der politiſchen Oeconomie, ihnen
angehören. Ueber die Geſchichte der Kameralwiſſenſchaft ſ. m. noch: Rau, Ueber
die Kameralwiſſenſch. §. 5 u. 6. D. G. Schreber, zwo Schriften von der Ge-
ſchichte und Nothwendigkeit der Kameralwiſſenſchaften. Leipzig 1764. S. 6–83.
Deſſelben Sammlung verſchiedener Schriften, die in die ökonomiſche, Polizei-
und Cameral-Wiſſenſchaften einſchlagen. 16 Theile. Halle 1755–65. Deſſelben
Neue Sammlung verſchiedener in die Kameralwiſſenſchaft einſchlag. Abhandlungen
und Urkunden. Bötzow und Wismar 1762–65. Deſſelben Neue Kameralſchrif-
ten. 12 Thle. Halle und Leipzig 1765–69. (Alle drei Sammlungen ſehr wichtig.)
Benſen, Ueber das Studium der ſogenannten Kameralwiſſenſchaften. S. 17 folg.
K. O. Rößig, Verſuch einer pragmatiſchen Geſchichte der Oeconomie-, Polizei-
und Kameralwiſſenſchaften. Leipzig 1781 (enthält nur die Geſchichte der Gewerbs-
wiſſenſchaften und Gewerbe). 2 Thle. Rau, primae lineae historiae politices.
Erlang. 1816.
§. 27.
Erſte Periode. Entſtehung des kameraliſtiſchen Studiums.
Schon am Anfange des 17ten Jahrhunderts ſprach der eng-
liſche Großkanzler Baco von Verulam die Idee aus, die Oeco-
nomik oder Wirthſchaftslehre als eine Univerſitätsdoktrin in die
Reihe der Gegenſtände der allgemeinen Bildung aufzunehmen.
Darauf verſuchten mehrere Gelehrten, unter andern auch Hecker-
mann in Danzig, Richter in Görlitz, Breckeinger in Leiden,
und Anthor, pſeudonym als Sincerus, die bisher vereinzelt
kultivirten ökonomiſchen Wiſſenſchaften in ein ſyſtematiſches Ganze
zu vereinigen 1). Wenn es denſelben auch, wie nicht, gelungen
wäre, ſo mußte dieſe Wiſſenſchaft dennoch der Verachtung und
Verfolgung wegen, die ihr zu Theil ward, noch verdrängt bleiben.
Allein man begann ſchon das Kammerweſen, wie es damals beſtand
und verwaltet wurde, mit allerlei nützlichen Anmerkungen verſehen,
in Büchern darzuſtellen, und ſo die Regeln der damaligen Kameral-
praxis zu lehren. Dieſes Verdienſt gebührt Veit Ludwig von
Seckendorff2), Wilhelm von Schröder3) und J. von
Horneck4). Sie bildeten die Brücke von der Praxis zur Wiſ-
ſenſchaft, welche als ſolche mit dem 18ten Jahrhunderte beginnt.
Durch die Bemühungen des J. B. von Rohr5), des Anthor6),
Morhof7), J. Ch. Beckmann8) und Ch. Thomaſius9) ward
endlich Friedrich Wilhelm I., König von Preußen, dazu be-
wogen, in Halle und in Frankfurt a. d. O. kraft Reſcripts
vom 24. Juni 1727 Profeſſuren der Oeconomie und Kameralwiſ-
ſenſchaften zu errichten, jene dem Simon Peter Gaſſer10)
und dieſe dem Juſtus Chriſtoph Dithmar11) zu übertragen.
Baumſtark Encyclopädie. 3
[34/0056]
Doch waren die Schriften dieſer beiden nicht die erſten, denn ſchon
am Ende des zweiten Jahrzehnts hatte Lau12) über das Ka-
meralfach geſchrieben.
¹⁾ Weber Entwurf. S. 141. Schreber, Neue Cameralſchriften. Bd. VI.
S. 50.
²⁾ Sein berühmtes, immer werthvolles Buch heißt: Der teutſche Fürſtenſtaat.
III Thle. Gotha 1656. Dritte vermehrte Auflage Frankfurt a. M. 1665. Die
fünfte Frankfurt a. M. 1678. Ausgabe von A. F. v. Biechling. Jena 1737.
Dieſes Buch erlebte 9 Auflagen. Es diente dem Juriſten Thomaſius in Halle,
nach ihm dem Kanzler von Ludewig daſelbſt, und dem Prof. Frankenſtein in
Leipzig als Leitfaden zu Vorleſungen. Weber Entwurf. S. 143. Sehr wichtig
dazu iſt die Vergleichung der Abhandlung darüber in (v. Pfeiffer) Berichtigungen
berühmter Staats-, Finanz-, Polizei-, Cameral-, Commerz- und ökonomiſchen
Schriften des 18ten Jahrhunderts (Frankfurt a. M. 1781–84. VI. Bde. 8.).
Bd. I. S. 309–388.
³⁾ Sein berühmtes Werk: Fürſtl. Schatz- und Rentkammer. Leipzig 1686.
erlebte auch 9 Auflagen.
⁴⁾ Sein, nicht unter ſeinem Namen erſchienenes, einen umfaſſenden Geiſt
beurkundendes Werk: Oeſterreich über Alles, wenn es nur will. 1654. hat mehrere
Auflagen erlebt, worunter die neueſte und bemerkenswertheſte den Titel führt:
Joh. v. Horneck, Bemerkungen über die öſterreich. Staatsökonomie, ganz umge-
arbeitet und mit Anmerkungen verſehen von B. F. Herrmann. Berlin und
Stettin 1784.
⁵⁾ Seine a. 1712 zu Leipzig gehaltene und vertheidigte Diſſertation: De
excolendo studio oeconomico tam principum, quam privatorum. Seine Haus-
haltungsbibliothek. §. 26.
⁶⁾ Projekt der Oeconomik, entworfen von Anaſtaſio Sincero. Frankfurt
und Leipzig 1716.
⁷⁾ Sein Polyhiſtor. T. III. Weber Entwurf. S. 142.
⁸⁾ Seine Politica Parallela. cap. 10. p. 524.
⁹⁾ Das Hauptverdienſt hat dieſer Halle'ſche berühmte Rechtslehrer durch ſeine
Vorleſungen über Seckendorff und durch ſeine Cautelae circastudium oeconomi-
cum in ſeinen Cantelis circa praecognita jurisprudentiae. Cap. 17.
¹⁰⁾ Er ſchrieb a. 1729 ſeine: Einleitung zu den ökonomiſchen, politiſchen und
Cameralwiſſenſchaften. Halle. 4. Aber ſchon a. 1727 ein: Programm von der
allergnädigſt geſtifteten Profeſſion über Oeconomie-, Cameral- und Polizei-Sachen.
Halle. 4. Man vrgl. v. Ludewig, Von der neu eingerichteten Profeſſion in Oeco-
nomie-, Polizey- und Cammerſachen. Halle 1727. Deſſen Oeconomiſche Anmer-
kungen zu Seckendorffs Fürſtenſtaat. S. 167–268.
¹¹⁾ Er ſchrieb a. 1727 ſeine: Oration von der ihm gnädigſt conferirten Pro-
feſſion der Oeconomie- und Cameralwiſſenſchaften zu Frankfurt a. d. O. in 4. Aber
ſeine: Einleitung in die ökonomiſchen, Polizei- und Cameralwiſſenſchaften. Frank-
furt a. d. O. 1729. erlebte 6 Auflagen, wovon die 5te v. Schreber Leipz. 1755,
und die ſechste von demſelben a. 1769 erſchien.
¹²⁾ Sein: Aufrichtiger Vorſchlag von glücklicher, vortheilhaftiger, beſtändiger
Einrichtung der Intraden und Einkünften der Souverainen und ihrer Unterthanen,
in welchem von Polizei-, und Kammer-, Regocien- und Steuerſachen gehandelt wird.
Franfurt 1719. 4.
§. 28.
Fortſetzung. Univerſitätsſtudium derſelben.
Als nun ſo einmal der Anfang mit der Begründung des
kameraliſtiſchen Studiums auf Univerſitäten gemacht war, ſo folgte
[35/0057]
a. 1730 ſchon Schweden mit der Gründung einer kameraliſtiſchen
Profeſſur auf der deutſchen Univerſität Rinteln, und a. 1741
mit der Profeſſur der Haushaltungskunſt und Handelskunſt auf der
ſchwediſchen Univerſität zu Upſala. Im Jahre 1742 gab es ſchon
einen Profeſſor des Kameralweſens in Leipzig und a. 1745 einen
am Carolinum in Braunſchweig. Im J. 1751 wurden Profeſſuren
des Kameralweſens in Oxford in England, in Abo und Lund
errichtet. In Wien am Collegium Theresianum war ſchon a.
1752 eine ſolche. Es folgten a. 1760 eine kameraliſtiſche Profeſſur
auf der Univerſität Bützow in Meklenburg, und a. 1761 hatte
Göttingen ſchon einen berühmten Lehrſtuhl des Kameralfachs,
nachdem ſchon vor 1755 daſelbſt Lehrer deſſelben angeſtellt geweſen
waren. Im J. 1764 ward die neue Profeſſur der Oeconomie und
Kameralwiſſenſchaften beſetzt, und a. 1768 in Wittenberg eine
ſolche errichtet. In Jena war ſchon vor 1770 über Kameralwiſ-
ſenſchaften geleſen worden, aber in dieſem Jahre ward eine Pro-
feſſur dieſes Faches daſelbſt beſtellt. Im Jahre 1774 ward die
Kameralſchule in Kaiſerslautern errichtet, im Jahre 1777 zu
Gießen aber eine fünfte oder ökonomiſche Fakultät1). Das
J. 1782 brachte auch der Akademie in Stuttgart eine ökonomi-
ſche Sektion2). Bei der Reform der Univerſität zu Mainz a. 1784
trat auch eine kameraliſtiſche Facultät ins Leben3). Die Kameral-
ſchule von Kaiſerslautern ward aber mit der Univerſität Hei-
delberg vereinigt, und wurde bei der ſpäteren Reform der Uni-
verſität unter Carl Friedrich eine kameraliſtiſche Sektion der
philoſophiſchen Facultät4). Im J. 1789 trat das kameraliſtiſche
Inſtitut zu Marburg ins Leben5). Gleichzeitig iſt auch die
Entſtehung der kameraliſtiſchen Abtheilungen in Tübingen und
Würzburg. Es geſchah alſo auf dieſe Weiſe, ſo wie durch Un-
terſtützung mit vielen materiellen Mitteln in dieſer Periode von
Deutſchland allenthalben ſehr viel für Verbreitung des Kameral-
ſtudiums. Auch wurde von den Regirungen auf das Studium
dieſes Faches vielfach ausdrücklich gedrungen6). Allein die Neu-
heit des Gegenſtandes, die Mängel der Wiſſenſchaft in jener Dar-
ſtellung, der Widerſpruch zwiſchen ihr und der Praxis, das Ueber-
gewicht der Juriſten im Staatsdienſte, und die alte Gewohnheit,
daß ſich die Kameralbeamten, anſtatt allgemein wiſſenſchaftlich,
blos ſpeziell in der Praxis bildeten, verhinderten eine Selbſtſtän-
digkeit der Kameralwiſſenſchaft, und ſie ward nicht einmal als
nöthig oder beſonders nützlich für den Staatsdienſt überhaupt
erachtet.
3 *
[36/0058]
¹⁾ Schlettwein, Grundverfaſſung der zu Gießen neu errichteten ökonomiſchen
Facultät. Gießen 1778. 8.
²⁾ Deutſches Muſeum 1782. Mai S. 455. Weber Entwurf. S. 152.
³⁾ Neue Verfaſſung der verbeſſerten Hochſchule zu Mainz. Mainz 1789. 8.
⁴⁾ Leipziger Intelligenz-Blatt. 1776. S. 169. Deutſcher Merkur v. J. 1777.
Ephemeriden der Menſchheit. 1778. II. St. S. 49. Leipziger Intelligenz-Blatt.
1785. S. 30. 39. 49. Seeger, Geſch. der Heidelberg. Staatswirthſchafts-Hohen-
Schule von ihrer Entſtehung an zu Lautern bis zum J. 1808. Carlsruhe 1808. 8.
⁵⁾ Abhandlung des geſtifteten ſtaatswirthſch. Inſtituts zu Marburg. Offenbach
1791. 8. Wachler, Aphorismen über Univerſitäten. S. 153.
⁶⁾ Namentlich in Preußen, Hannover, Baiern und Wirtemberg.
§. 29.
Fortſetzung. Art der Bearbeitung derſelben.
In den Schriften über die Kameralwiſſenſchaften aus dieſer
Periode1) iſt leicht der Typus zu finden, wonach dieſelben gelehrt
wurden. Die Wiſſenſchaft war zu neu, zu ſehr blos aus der
Praxis hervorgegangen, und der ganze Betrieb der geſammten
Staatswiſſenſchaften zu ſchlaff, als daß man eine philoſophiſche
Anordnung des Gebietes der Kameralwiſſenſchaft damals ſchon er-
warten dürfte. Man ſtellte eben die drei Hauptzweige der nöthigen
Kenntniſſe für die Verwaltung, als etwas Gegebenes, zuſammen,
ohne ſchon auf die Gründe ihres wiſſenſchaftlichen Zuſammenhan-
ges einzugehen. Die Kameralwiſſenſchaften beſtanden daher 1) aus
den ökonomiſchen Wiſſenſchaften, d. h. den Lehren von den
Gewerben, von der Land- und Forſtwiſſenſchaft, vom Bergbaue
und von der Handlung. Dieſe erſchienen blos als Hilfswiſſenſchaften,
zum Theile weil ſie zur Verwaltung der Landgüter, Bergwerke,
Fabriken und Monopolien des Staats nöthig waren, und zum
Theile weil ihre Kenntniß wegen der Polizei und des Steuerweſens
vorausgeſetzt wurde. 2) Aus der Polizeiwiſſenſchaft, von de-
rem Inhalte man gar keine nähere Vorſtellung hatte, da es Jedem
als das bunteſte Allerlei erſchien1). An dieſer Verwirrung war
nicht blos Schuld die ungeheure Maſſe von polizeilichen Gegen-
ſtänden der ſcheinbar unzuſammenhängendſten und widerſprechendſten
Art, nämlich das Sicherheits-, Wohlfahrts-, Nahrungs-, Bil-
dungs- und Religionsweſens, ſondern auch der Umſtand, daß in
der Praxis ſelbſt, aus der man die wiſſenſchaftlichen Sätze ſchöpfte,
an ſich und wegen der abweichenden beſonderen Landesverhältniſſe
die verſchiedenſten Maximen befolgt wurden, zu deren Vereinigung
in einem Prinzipe man nicht tauglich war, da man es noch nicht
verſtand, hiſtoriſche und ſtatiſtiſche Thatſachen zum Behufe der
Abſtraktion von Grundſätzen und Regeln mit einander zu vergleichen.
[37/0059]
Die beſondern Schriften über den politiſchen Theil der Kameral-
wiſſenſchaften ſuchen daher entweder, vollgepfropft von antiquariſcher
Gelehrſamkeit, die Verwaltungsmaximen der Alten auf die prak-
tiſchen Verhältniſſe ſpäterer Zeit anzuwenden2), oder ſie ſind
am Grundſatze und deſſen conſequenter Durchführung mangelhaft3).
Beſonders dienten die Maximen als Richtſchnur, welchen der Her-
zog von Sully, Miniſter Heinrichs IV. von Frankreich4), wäh-
rend ſeiner Verwaltung, und Colbert, Finanzminiſter Ludwigs XIV.
zu ſeiner Zeit5) befolgt hatten, welches Lezteren Syſtem ſelbſt bis
auf den heutigen Tag der Entwickelung der Kameralwiſſenſchaft
noch hinderlich iſt. Da ſich aber der Natur der Sache nach das
Polizeiweſen mehr den Kammerſachen anſchloß (§. 24.) als an die
Rechtswiſſenſchaft, ſo ſetzte man dieſe jenen gegenüber, und nannte
jene zuſammen Adminiſtration, Adminiſtrativweſen, Ver-
waltung, obſchon dieſer Begriff an ſich weiter iſt. Die Polizei
in dieſem Sinne definirte man daher meiſtens nur negativ als
diejenigen Adminiſtrationsgeſchäften, welche nicht das Kammer-
oder Finanzweſen betrafen, und jede poſitive Definition mußte
nothwendigerweiſe mißlingen6). Endlich 3) aus der Kameral-
wiſſenſchaft im engeren Sinne, gleichbedeutend mit Finanzwiſ-
ſenſchaft, unter welcher man die Lehre von der Erhebung und
Verwendung der fürſtlichen Einkünfte verſtand. Obſchon dieſer
noch älter war, als die eigentliche Polizeiwiſſenſchaft, ſo war ſie
doch von einer wiſſenſchaftlichen Ausbildung noch ganz fern, weil
ſie alle Mängel der kameraliſtiſchen Praxis in ſich hatte, immer
als eine mehr praktiſche Kunſt betrachtet wurde, und gerade die
Hauptſtützen ihrer Bildung, nämlich die Grundſätze von der Natur,
Entſtehung, Vermehrung und Verzehrung des Vermögens der Na-
tionen, als Collektivbegriffs der Bürger mit ihren Beſitzthümern,
fehlten7). Die bis zum lezten Dritttheile des 18ten Jahrhunderts
herrſchende Syſtematiſirung der Kameralwiſſenſchaft war ungefähr
folgende:
I. Oeconomiſcher Theil und zwar
a) Landwirthſchaftslehre, nämlich Landwirthſchafts-
lehre im eigentlichen Sinne, Forſtwirthſchaftslehre und
Bergbaulehre.
b) Stadtwirthſchaftslehre, nämlich Technologie und
Handelslehre.
II. Politiſcher Theil und zwar
a) Polizeiwiſſenſchaft
b) Kameralwiſſenſchaftim obigen Sinne8).
[38/0060]
¹⁾ Außer den bereits genannten gehören hierher noch: Stiſſer, Einleitung
zur Landwirthſchaft und Polizei der Deutſchen, zum Unterricht im Oeconomie-,
Policey- und Cammerweſen. Jena 1735. Ausg. v. Zink 1746. Spätere 1768.
Zſchakwitz, Gründliche Abhandlung der geſammten Oeconomia politica et ca-
meralis. Halle 1739. Zink, Grundriß einer Einleitung zu den Cameralwiſſenſchaf-
ten. Leipzig 1742. Deſſelben Anfangsgründe der Cameralwiſſenſchaften. Leipzig
1755. 2 Thle. Deſſelben Cameraliſtenbibliothek. Leipzig 1751–52. v. Juſti,
Gutachten vom vernünftigen Zuſammenhange der prakt. Vorträge aller ökonomiſchen
und Cameralwiſſenſchaften. Leipzig 1754. Deſſelben Staatswirthſchaft oder ſy-
ſtemat. Abhandl. aller ökonom. und Cameralwiſſenſchaften. Leipzig 1752. 2 Bde.
II. Aufl. 1758. Später herausgegeben von A. Luber, Compendium der ſyſtemat.
Abhandl. ꝛc. Landsberg 1804. 3 Bdchn. Darjes, Erſte Gründe der Cameral-
wiſſenſchaften. Jena 1756. II. Ausg. 1760. (v. Pfeiffer) Lehrbegriff ſämmtlicher
ökonomiſchen und Cameralwiſſenſchaften. Mannheim 1764–1778. 4 Theile. 4.
Springer, Grenzen der Cameral-, Oekonomie-, Finanz- und Polizeiwiſſenſchaft.
Halle 1767. 8. Deſſelben Einleitung in die Lehre von der Cameralwirthſchaft.
Baſel 1767. 4. Deſſelben Grundriß der Cameralwiſſenſchaften. Jena 1768. 8.
Deſſelben Oeconomiſche und cameraliſche Tabellen. Frankfurt u. Leipzig 1772. 8.
Succow, die Cameralwiſſenſchaften, nach dem Grundriſſe v. Darjes. Jena 1768.
2te Aufl. 1784. 8. Förſter, Verſuch einer Einleitung in die Cameral-, Polizei-
und Finanzwiſſenſchaft. Halle 1771. 3. Deſſelben Entwurf der Land-, Stadt-
und Staatswirthſch. Berlin 1782, auch 1793. Börner, Sämmtliche Cameral-
wiſſenſchaften. Halle 1773. Enderlin, Natürliche allgemeine Cameralwiſſenſchaft.
Carlsruhe und Baſel 1774 u. 78. 2 Bde. Neuſte Ausg. Stuttgart 1804. Schmid,
der Zuſammenhang zwiſchen der Land- und Stadtwirthſch., der Handlung, Polizei,
dem Finanzweſen und der Staatswirthſchaft. Lautern 1776. (Rüdiger) Ueber
die ſyſtemat. Theorie der Cameralwiſſenſchaften. Halle 1777. 8. Deſſelben
Grundriß des Cameralweſens. Halle 1781. Jung, Verſuch einer Grundlehre
ſämmtlicher Cameralwiſſenſchaften. Lautern 1779. Deſſelben Syſtem der Staats-
wirthſchaft. Marburg 1792. Fabricius, Anfangsgründe der ökonomiſchen Wiſſen-
ſchaften. Kopenhagen 1782. 2te Auflage 1783. 8. Lamprecht, Entwurf einer
Encyclopädie und Methodologie der ökonomiſch-politiſchen und Cameralwiſſenſchaften.
Halle 1785. Goſch, Verſuch eines Plans zu dem Syſtem der ſämmtlichen einem
Staatswirthe nöthigen Wiſſenſchaften. Kopenhagen 1787. 8. Scheidler, Ueber-
ſicht eines Lehrplans der eigentlichen Cameralwiſſenſchaft. Bonn 1788. 4. Parrot,
Gemeinnütziges Handbuch der Land- und Stadtwirthſchafts-, Polizei- und Cameral-
wiſſenſchaft. Nürnberg 1790–91. 2 Thle. 8. Rau, Erſte Linien der Cameral-
wiſſenſchaft. Frankfurt a. M. 1791. Röſſig, Encyclopädie der Cameralwiſſen-
ſchaften. Leipzig 1792. 8. Niemann, Abriß des ſogenannten Cameralſtudiums.
Kiel 1792. 8.
²⁾ z. B. die Werke von: Bodinus, de Republica. Franzöſiſch zuerſt zu Paris
1576. Fol. Später nach mehreren Auflagen auch lateiniſch. Lugduni et Parsiis 1586.
Später noch viele Ausgaben. Vergl. einen Auszug im Handbuch für den
Staatsmann. Zürich 1791. Bd. I. S. 63–127. Ferner Klock, De aerario.
Norimbergae 1651. fol. Herausgegeben von Peller 1671. Ejusdem Tract. de
Contributionibus. 1634. fol. 2. Edit. 1740. Die Diſſertationen und Schriften,
welche Lang, hiſtor. Entwickelung der teutſchen Steuerverfaſſung, am Eingange
nach den Sammlungen angegeben hat.
³⁾ z. B. Bechers polit. Discours von den eigentlichen Urſachen des Auf- und
Abnehmens der Städte, Länder und Republiken u. ſ. w. Frankf. u. Leipzig 1672.
6te Ausg. v. Zink 1759. v. Loen, Entwurf einer Staatskunſt. Frankfurt 1747.
Dritte Ausg. 1751. 8. Ueberhaupt die Schriften nach dem Colbert'ſchen Syſteme,
welche ſpäter noch erwähnt werden ſollen.
⁴⁾ Mémoires de sully. Neueſte Ausg. v. Paris 1788. VI Bde. 8. Auszug
daraus im Esprit de sully. Dresde et Varsovie 1768. Darſtellung ſeines Syſtems
in meiner Schrift: Des Herz. von Sully Verdienſte um das franzöſ. Finanzweſen.
Heidelberg bei Groos. 1828. Auch noch in andern Schriften.
[39/0061]
⁵⁾ Testament politique de J. B. Colbert p. Courtiliz de sandras. La Haye
1694 et 1711. (de Bruny) Examen du ministère de Colbert. Paris 1774. (Necker)
Eloge de Colbert. Paris 1773. Dresde 1780. (Pechmeja) Eloge de Colbert.
Paris 1773. (Durhan) Eloge de Colbert. Paris 1773. Auch noch in andern
Schriften.
⁶⁾ M. ſ. die Definitionen-Sammlungen bei: Roßhirt, Ueber den Begriff der
Staatspolizei (Bamberg 1817). S. 34–61. Butte, Verſuch der Begründung
eines Syſtems der P. W. S. 6–29 (Landshut 1807). v. Berg, Handb. des
P. Rechts (Ausg. v. 1802). Bd. I. S. 1–12. Henrici, Grundzüge zu einer
Theorie der P. W. (Lüneburg 1808). S. 1–68. v. Soden, die Staatspolizei
(Bd. VII. ſeiner Nat. Oeconomie). S. 23.
⁷⁾ Die Finanzwiſſenſchaft iſt ganz und gar ein Produkt dieſes Jahrhunderts,
und ihre wiſſenſchaftliche Auffaſſung jenes der lezten 10 Jahre. Früher erſchien ſie
als eine geheime Kunſt.
⁸⁾ M. ſ. darüber auch Rau, Grundriß der Kameralwiſſenſchaft. Heidelb. 1823.
§. 4. Vor ihm ſchon Weber Entwurf. S. 26. 148. Anmerk.*. Die Begrün-
dung dieſer Behauptung liegt in den in Anmerk. 1. angegebenen Schriften.
§. 30.
Zweite Periode. Entwickelung der Kameralwiſſenſchaft
unter dem Einfluſſe des Syſtemes der Staatswiſſenſchaft
und der Theorie des Volksvermögens.
Es waren vier Hauptgründe, warum in der vorigen Periode
das Vorſchreiten der Kameralwiſſenſchaft verhindert wurde, näm-
lich 1) weil man eine zu beſchränkte Anſicht von den ökonomiſchen
Wiſſenſchaften hatte, in ſofern als man ſie blos als Einzelnheiten
von Einzelnen getrieben, nicht aber aus dem höheren Geſichtspunkte
der ganzen bürgerlichen Geſellſchaft betrachtet hatte; 2) weil man
die Geſchichte, Geographie und Völkerkunde noch nicht recht be-
nutzt hatte, um aus ihnen den allgemeinen Gang der Völkerent-
wickelung, das Verhältniß der Menſchen unter ſich, alſo zum
Verkehre und zur Natur, und die geiſtige Thätigkeit des Menſchen
in allem Thun nebſt ſeinen allgemeinen charakteriſtiſchen Eigen-
thümlichkeiten darzuſtellen; 3) weil man gar keinen klaren Blick
in das Geſammtgebiet der Polizei, und noch weniger über ihre
Fähigkeit zu ächt wiſſenſchaftlicher Bearbeitung Aufklärung hatte;
und 4) weil folglich das Prinzip nicht entdeckt war, das die bis-
herige Finanzkunſt verallgemeinern und zu einer wiſſenſchaftlichen
Erkenntniß bringen konnte.
§. 31.
A. Smith. A. Ferguſon. A. L. v. Schlötzer. J. Kant.
J. G. v. Herder.
Dieſe Uebelſtände wurden aber gegen das Ende des vorigen
Jahrhunderts gelöst, durch Männer, deren Rieſenkräfte wir nicht
[40/0062]
blos in dem Aufſchwunge des politiſchen und literariſchen Lebens,
ſondern auch noch an ihren jetzt noch lebenden, ſchon alt geworde-
nen, Schülern bewundern. A. Smith, ein Schotte, gründete eine
neue Wiſſenſchaft, die Theorie des Volksvermögens1), d. h. er
ſtellte die aus dem Verhältniſſe des Menſchen zur Natur und zu
ſeinen Mitmenſchen, ſo wie die aus ſorgfältiger Beobachtung der
Geſchichte, Geographie, Völkerkunde und pragmatiſchen Anthro-
pologie, abgeleiteten Grundſätze von der Natur, Entſtehung, Ver-
theilung und Verzehrung des einem Volke, als Collektivbegriff,
eigenthümlich zugehörenden Vermögens auf, und brachte mit ihnen,
als der Baſis, die Maximen im Einklang, wonach der Staat, als
Totalität, ſeine Bedürfniſſe befriedigen, den Volkswohlſtand er-
höhen und ſeine Einnahmen und Ausgaben verwalten ſolle. Dieſe
Wiſſenſchaft, welche über alle Zweige der Adminiſtration ein ſchon
längſt entbehrtes Licht verbreitete, betrachtet die bürgerlichen Er-
werbsarten nicht einzeln, als Erwerbsarten des Einzelnen, ſondern
in ihrem Zuſammenhange als Volksbetriebſamkeit, und zeigt,
welche derſelben und, im lezten Geſichtspunkte, wie ſie die verſchie-
denen Vermögenstheile hervorbringen und wie ſie ſich in Betreff
ihrer Wichtigkeit für den Volkswohlſtand zu einander verhalten.
Dieſe neue Wiſſenſchaft mußte man von zwei Seiten betrachten,
nämlich 1) von der rein und angewandt philoſophiſchen, als
eine Doktrin, die, geſtützt einerſeits auf Anthropologie und Natur-
wiſſenſchaften, anderſeits auf Geſchichte, Länder-, Völker- und
Gewerbskunde, die Menſchen in ihren praktiſchen Verhältniſſen
unter ſich als ſolchen zur Welt und zur Erde betrachtet; und
2) von der praktiſch politiſchen Seite, als unentbehrliche
Doktrin für die Staatsgeſetzgebung überhaupt, für die Polizei-
und Finanzverwaltung insbeſondere und zur Erklärung des allge-
meinen Völker- und Staatenverbandes.
¹⁾ Adam smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of
Nations. 2 Voll. London 1776. 2te Originalausgabe 1776. Dritte 1784. Vierte
1786 in III Voll. Fünfte 1789. Sechste 1791. Auch eine Ausg. v. Baſel. 1801.
IV Voll. Eilfte Ausgabe von W. Plaifair. 1805. III Voll. Neue Ausgabe mit
I Vol. Anmerkungen und III Voll. Originaltext von D. Buchanon. London 1814.
Allerneueſte Ausgabe v. J. R. Mac-Culloch with a life of the author, an intro-
ductory discourse, notes and supplement dissertations. IV Voll. 8. Edinburgh.
1828. Vergl. (v. Pfeiffer) Berichtigungen berühmter Staatsſchriften. III.
S. 1–152. Auszug daraus im Handb. für den Staatsmann. Zürich 1791.
Bd. II. S. 1–181. Dieſes unübertreffliche unſterbliche Werk iſt überſetzt ins
Deutſche von J. F. Schiller. Leipzig 1776–78. 2 Bde. 8., a. 1792 kam
ein 3ter Band von Ch. A. Wichmann hinzu; ferner von Garve und Dörrien.
Breslau 1794–96. IV Voll. 8. 2te Aufl. Breslau und Leipzig 1799. 3 Bde.
3te Ausgabe unverändert 1810. Dieſe Garve'ſche Ueberſetzung, bisher allgemein
ſehr gelobt, muß ich für vielfach unrichtig und für ſo breit geſchlagen erklären, daß
man mit Mühe die klaſſiſche Sprache des Autors nicht wiederfinden kann. Ich
[41/0063]
¹⁾ kann ihr daher den unbedingten Vorzug vor der Schiller'ſchen durchaus nicht
geben. Es iſt überſetzt ins Franzöſiſche von Blavet. Yverdon 1781. VI Voll. 12.
Londres et Paris 1788. 2 Voll. 8. Paris 1800–1801. IV Voll. Nachgedruckt
Amsterdam 1784. IV Voll. 8. Ferner von Roucher mit 1 Band Anmerkungen
von Condorcet. Paris1790. IV Voll. 8. endlich von Garnier mit Noten.
V. Voll. 8. Paris 1802, ganz vorzüglich, beſonders die neue Ausg. von 1822 in
VI Voll. 8. Es iſt ins Däniſche überſetzt von Draebye. Kopenhagen 1778–1780.
2 Bde. 4.; ins Spaniſche von Alonzo Ortiz. Madrid 1794. IV Voll. 4.; und
ins Ruſſiſche von Poliatkowsky 1803.
§. 32.
Fortſetzung.
Nach der Schrift von A. Smith erſchien eine von eben ſo
allgemeinem Intereſſe und eben ſo geeignet, ihr Zeitalter zu heben,
von Adam Ferguſon, dem berühmten Geſchichtsſchreiber1). Er
ſammelte darin die Reſultate des Studiums der Geſchichte der
Völker, der Geographie und Völkerkunde zu einem philoſophiſchen
Syſteme über den Gang der Bildung der Menſchheit und über die
Blüthe und den Verfall der Nationen. Nach einer philoſophiſchen
Unterſuchung über die lezten Triebfedern der Menſchenhandlungen,
über die geiſtigen und ſittlichen Kräfte des Menſchen, über Glück
und Volkswohlfahrt, ſpricht er vom Zuſtande der Völker vor und
unter dem Einfluſſe des Begriffs von Eigenthum, von dem Einfluſſe
der Oertlichkeit und des Clima's auf den politiſchen Zuſtand, die
Geſittung und die Sitten der Nationen, von der Bevölkerung und
dem Volksvermögen in ihrer Wechſelwirkung, von der bürgerlichen
Freiheit, von der Entwickelung der Gewerbe, Künſte und Wiſſen-
ſchaften, von der Theilung der gewerblichen und Kunſtbeſchäftigung,
von den Gewohnheiten civiliſirter Völker, und ſchließt ſein Werk
mit der Darſtellung des allmäligen Verfalls bis zur gänzlichen
Verſunkenheit der Nationen in allgemeiner Sittenloſigkeit und
Sklaverei. Es umfaßt ein weit größeres Feld als das Smith'ſche
Buch, da es alle, ſowohl die ſachlichen als die nicht ſachlichen,
Intereſſen der Menſchheit philoſophiſch auf dem Wege der Ge-
ſchichte unterſucht, während das Leztere blos das Volksvermögen
zum Gegenſtande hat. Im Grunde ſtellt es die Baſen dar, auf
welchen die Smith'ſche Theorie fußt, und hat eben ſo wie dieſe
eine philoſophiſche und politiſche Seite.
¹⁾ M. ſ. Ferguson An Essay on the History of civil society. Neuere Origi-
nalausgabe von London 1782 oder 1793. Ausgaben von Baſel 1789. 1791.
Franzöſiſche Ueberſetzung von Bergier. 2 Voll. 12. 1783. Frankfurt. Deut-
ſche Ueberſetzung. Leipzig 1765.
[42/0064]
§. 33.
Fortſetzung.
Aber auch die Deutſchen blieben in den wiſſenſchaftlichen Fort-
ſchritten nicht zurück, auch ſie gingen einen ſelbſtſtändigen Gang.
Zuerſt iſt hier A. L. v. Schlötzer1) zu erwähnen, der Vater der
jetzigen Staatswiſſenſchaft. Dieſer große Mann trat in die Fuß-
ſtapfen von Conring und Achenwall, und verband die Ideal-
politik der Platoniſchen und Ariſtoteliſchen Schulen mit der prak-
tiſchen Politik (Staatskunſt) der modernen abendländiſchen Zeit,
indem er jene idealen Prinzipien auf die praktiſchen Verhältniſſe
der neueren Zeit anwenden lehrte, und begründete ſo das Syſtem
der Staatswiſſenſchaften, in welchem die Staatenverhältniſſe noch
von einem weitern Geſichtspunkte als von jenem des politiſchen
Theiles der Kameralwiſſenſchaften dargeſtellt werden. Er erhob
eine auf ſchwachen Füßen ſtehende Kunſt zu einer auf Prinzipien
baſirten Wiſſenſchaft von der Einrichtung und Verwaltung des
Staatskörpers. Dazu war nicht blos nöthig, die Philoſophie und
Geſchichte um Rath zu fragen, ſondern es mußte auch auf den
gegenwärtigen allſeitigen Zuſtand des Staates beſſer als bisher
Rückſicht genommen werden. Es bildete daher v. Schlötzer nicht
blos eine ſtaatswiſſenſchaftliche, ſondern auch eine neue
ſtatiſtiſche Schule2), ſo daß mit ihm auch die Statiſtik zu einer
wiſſenſchaftlichen Theorie erhoben wurde. Auch hier nahm das
früher mehr Kunſtartige den Charakter der Wiſſenſchaft an.
¹⁾ A. L. v. Schlötzer Briefwechſel. Göttingen 1780–82. 1775. Staats-
anzeigen. 1782–95 (Fortſetzung des Briefwechſels). — Staatsgelehrſamkeit. 1793.
1ter Band. Theorie der Statiſtik. 1804. 2ter Bd.
²⁾ Die Statiſtik war zwar ſchon vor ihm durch Conring und Achenwall
namentlich ſyſtematiſch behandelt. Allein Schlötzer ſchrieb die erſte Theorie der-
ſelben. v. Malchus, Statiſtik und Staatenkunde. Stuttgart und Tübingen 1826.
S. 2. Note 1.
§. 34.
Fortſetzung.
Hat man an den drei bisher genannten Köpfen neben der phi-
loſophiſchen Wirkſamkeit zugleich auch eine hiſtoriſche und prak-
tiſch-politiſche wahrgenommen, ſo muß auch des Imanuel Kant
und J. G. v. Herder Erwähnung geſchehen. Wenn man auch
gänzlich von den großen Verdienſten der Kantiſchen Philoſophie
um alle Wiſſenſchaften in Betreff der logiſchen Schärfe und Klar-
heit abſehen will, wenn man den glücklichen Aufſchwung nicht
beachten will, den ſie in das ganze literariſche Leben ihrer Zeit
[43/0065]
gebracht hat, ſo iſt doch ſchon an ſich der ausgedehnte Aufſchluß
hier von der höchſten Wichtigkeit, welchen ſie über Staat, Recht,
Strafe, Vernunft und Moral gegeben hat. Allein das ganze
Kantiſche Syſtem war der Entwickelung der Kameralwiſſenſchaft
unentbehrlich1). In noch näherer Beziehung zu ihr ſtehen aber
von Herders Verdienſte um die Philoſophie der Geſchichte der
Menſchheit2); denn dieſe lehrt gerade, was im politiſchen Theile
der Kameralwiſſenſchaften und in der Politik ſelbſt ſehr ſchwer iſt,
das hiſtoriſche Einzelne auf ein allgemeines Prinzip zurückzuführen,
und ſelbſt wenn ſie auch über Vieles keine reellen Aufſchlüſſe ge-
geben hätte, was jenen wichtig iſt, ſo mußte ſie wenigſtens die
Art klarer machen, wie man ſo umfaſſende Fragen zu behandeln hat.
Unter dieſem fünffachen Einfluſſe gedieh nun die Kameral-
wiſſenſchaft, da ſie gerade erhielt, was ihr gemangelt hatte (§. 30).
Insbeſondere ſah man ſogleich, daß die Theorie des Volksver-
mögens ein integrirender Theil derſelben ſein mußte. Aber darüber
entſtanden Schwierigkeiten, in wieferne und welchen Platz ſie im
kameraliſtiſchen Syſteme einnehmen ſollte. Denn mit der Polizei-
wiſſenſchaft ſtand ſie nur halb in logiſchem Zuſammenhange, weil
es dieſe auch mit dem Bildungsweſen, der Religion, Geſundheit
und Sicherheit zu thun hatte, wovon jene nichts enthielt. Mit
der Finanzwiſſenſchaft war ſie auch ſchwer zu verbinden, zum
Theile weil ihr Ineinandergreifen auch nur theilweiſe war, zum
Theile weil ſie ſich oft geradezu widerſprachen und zum Theile weil
ſie ſchon in der Lehre von der Verzehrung des Volksvermögens
einen weſentlichen Theil der Lezteren abhandelte. Ueberhaupt war
in ihr das Philoſophiſche mit dem theoretiſch und praktiſch Poli-
tiſchen noch ſo vermengt, daß man nicht wußte, welche Seite als
die wichtigſte herauszuheben ſei3), obſchon man einſah, daß ſie
mit den ökonomiſchen Wiſſenſchaften nichts gemein hatte4). Jedoch
die Schlötzer'ſche Staatswiſſenſchaft war in dieſen Zweifeln ent-
ſcheidend, indem ſie blos die Sicherheitspolizei für die Polizei
erklärte, und ihr die Pflege der Volkswirthſchaft und Volksbildung
gegenüber ſtellte. Leztere fiel an ſich außer das Gebiet der Kameral-
wiſſenſchaft; die Polizei, der Juſtiz gegenüber, hätte in ihr nur
nach dem verkehrten Prinzipe Platz finden können, daß man Wohl-
ſtand und Bildung befördere, um die Sicherheit zu erhalten5).
Daher fiel nur die Pflege der Volkswirthſchaft der Kameralwiſſen-
ſchaft anheim, während die Statiſtik eine Hilfswiſſenſchaft
ſowohl der Lezteren als der Staatswiſſenſchaft wurde. Die
Kameralwiſſenſchaft beſtand alſo fortan aus den ökonomiſchen Wiſ-
ſenſchaften, der Theorie des Volksvermögens nebſt ihren praktiſchen
[44/0066]
Lehren für die Pflege der Volkswirthſchaft und aus der Finanz-
wiſſenſchaft, in welche man denjenigen Abſchnitt der Theorie des
Volksvermögens aufnahm, der von der öffentlichen oder Staats-
konſumtion handelte.
¹⁾ Doch aber iſt der Kameralwiſſenſchaft der theoretiſchen Philoſophie zu Liebe
oft Zwang bis ins Lächerliche angethan worden. So hat Klipſtein (ſ. §. 35.
Note 1.) die Anſicht, dieſelbe nach Kategorien der Kantiſchen Philoſophie einzuthei-
len und ſagt, die wirthſchaftliche Gründungslehre (entſprechend der Qualität)
handle vom eigenen Vermögen (Realität), vom fremden (Negation), vom Wirth-
ſchaftsvermögen (Limitation). Nach dieſen drei Begriffen theilt auch Völlinger
die Kameralwiſſenſchaft ein in praktiſche oder Realwirthſchaftslehre, pathologiſche
oder Wahn- (Wind-) Wirthſchaftslehre, und Beſchränkungslehre der praktiſchen
und pathologiſchen Wirthſchaft. Seine Prolegomena und angewandte Wirthſchafts-
lehre ſind voll der lächerlichſten Anwendungen der Kantiſchen Philoſophie.
²⁾ Ideen zu einer Philoſophie der Geſchichte. 4 Thle. in 4. Riga und Leipzig
1785–92. Auch 4 Thle. in 8. 1785–1791. Auch in ſpäteren Ausgaben ſei-
ner ſämmtlichen Werke.
³⁾ Selbſt bis in die neueſte Zeit iſt das Zuſammenziehen der Gewerbswiſſen-
ſchaften und der Theorie des Volksvermögens mißbilligt von Lotz Handbuch der
Staatswirthſchaftslehre I. §. 3. Derſelbe läugnet ſogar den weſentlichen und noth-
wendigen Zuſammenhang zwiſchen derſelben und der Gewerbskunde und den Natur-
wiſſenſchaften. Allein dieſer merkwürdige Irrthum des verdienſtvollen Lotz beruht
auf einer unrichtigen Anſicht von der Kameralwiſſenſchaft, die durchaus etwas
Anderes, weit Umfaſſenderes iſt, als die Theorie des Volksvermögens. In wieferne
dieſe und die Gewerbskunde ihrem erſten Prinzipe nach zuſammenhängen, wird im
Folgenden klar werden. Wenn ſie aber beide nach einem allgemeinen Prinzipe zu-
ſammengeſtellt werden, ſo iſt noch keineswegs eine zum weſentlichen Theile der
Andern gemacht.
⁴⁾ Denn ſie lehrt nicht den Betrieb der Erwerbsarten, ſondern betrachtet ſie,
abgeſehen vom Geſichtspunkte des Einzelnen, aus einem höheren allgemeineren
Standpunkte. Sie enthält 1) aus den Gewerbswiſſenſchaften abſtrahirte und ver-
allgemeinerte Sätze, und zwar nicht um damit gleichſam einen allgemeinen Theil
der Gewerbskunde zu bilden, ſondern um das ganze Gewerbsweſen des Volkes im
Zuſammenhange zu ſehen und eine Grundlage zu bilden, worauf die Thätigkeit der
Regirung zur Leitung und Beförderung des ganzen Gewerbsweſens im Zuſammen-
hange als Volksbetriebſamkeit fußen ſoll. Darum werden aus der Gewerbs- und
Haushaltlehre Sätze in die Theorie des Volksvermögens entlehnt, ohne daß ſie anders
als mittelbar in ſie gehören. Sie enthält aber 2) auch durch dieſe Abſtrakte aus
der Privatökonomie gebildete eigenthümliche Sätze, indem ſie die Einzelthätigkeiten
nicht blos als ſolche neben einander geſtellt betrachtet, ſondern eine Totalität in
ihnen erblickt, welche eine Geſammt-Betriebſamkeit, ein Geſammt-Vermögen, ein
Geſammt-Produkt bildet, da die Leiſtung des Einzelnen nicht blos für ihn, ſondern
gerade für die Geſammtheit eine Wirkung hat, die außer dem Vergleiche mit dem
Vortheile des Einzelnen ſteht, und da mehr oder weniger allgemeine Ereigniſſe den
Einzelnen oder einen Theil der bürgerlichen Geſellſchaft ganz anders treffen als den
andern. Rau, Ueber die Kameralwiſſ. §. 13. 14.
⁵⁾ Rau, Ueber die Kameralwiſſ. §. 6. Dies iſt hier nur als eine literariſche
Thatſache gegeben, abgeſehen davon, ob die ihr zu Grunde liegende Anſicht richtig
iſt oder nicht. Rau mit vielen andern hält ſie für richtig.
§. 35.
Schriftſteller und ihre Verdienſte.
Ueber den Inbegriff der Kameralwiſſenſchaft war man ſo weit
übereinkommend klar geworden. Auch haben ſich die Schriftſteller
[45/0067]
dieſer Periode1), um die formelle Ausbildung der Kameralwiſſen-
ſchaft viele Verdienſte erworben. Weniger mit der Syſtematiſirung,
als mit der Darſtellung der Encyclopädie der Kameralwiſſenſchaft
haben ſich Schmalz, Walther und Sturm beſchäftigt. Den-
noch aber verdienen die Syſteme des Erſten und Lezten einer Er-
wähnung. Mit der Syſtematiſirung aber beſchäftigten ſich Völ-
linger, Seeger, Weber, Fulda, v. Buqnoy, Obern-
dorfer, Gejer, der Ungenannte, Rau und Butte. Wenig-
ſtens ſind gerade dieſe die wichtigſten Syſtematiker. Schmalz2)
drang aber in die feineren logiſchen Beziehungen der einzelnen
Theile der Kameralwiſſenſchaft gar nicht ein, ſondern ſtellte ſie
nur als gegebene Hauptmaterien zuſammen. Völlinger und
Seeger haben beſonders das Verdienſt, entdeckt zu haben, daß
die Kameralwiſſenſchaft ihrem Grundcharakter nach nichts anders
als die Wirthſchaft überhaupt und in ihren beſonderen Bezie-
hungen zum Gegenſtande habe, und führten daher den Namen
Wirthſchaftslehre für ſie ein, was für die Anordnung ihre
Theile von großem Einfluſſe war. Der Leztere insbeſondere hat
auch dem Erwerbe durch perſönliche Dienſte im Syſteme einen
Platz gegeben und die Lehre von dem Kunſtbetriebe der Gewerbe als
ſpekulativen Theil angedeutet. Jener zieht aber noch das weite
Gebiet der Polizei hinein. Sturm3) zieht gegen die Fortſchritte
der Einſicht über den Inhalt der Kameralwiſſenſchaft ſeiner Zeit
(§. 34.) in ihr Gebiet noch die Geſundheits-, Medizinal-, Cultur-,
Religions- und Sicherheitspolizei, leztere aber ſehr unvollſtändig,
hinein, weil er die Erhaltung der öffentlichen oder Sicherheit des
Staates gar nicht erwähnt; er führt unter der ökonomiſchen Wiſ-
ſenſchaft den Erwerb durch perſönliche Dienſte und durch Verleihen
von Capital nicht an und kennt die innere Beziehung der Polizei
zur Theorie des Volksvermögens und Finanzwiſſenſchaft nicht.
Weber4) erkennt zwar den Unterſchied zwiſchen der Privat- und
öffentlichen Oeconomie. Allein ihm entging der natürliche Unter-
ſchied der Gewerbsarten, und die richtige Anſicht von Wirth-
ſchaft bei der Beſtimmung des Gebiets der Staatsökonomie, indem
auch er, wie Sturm, das ganze Gebiet der Polizei in ſie hinein-
zieht, aber doch die öffentliche Sicherheitspolizei nicht vergißt.
Fulda5) findet den natürlichen Unterſchied der Gewerbe, obſchon
er das mit dem Handel verwandte Geſchäft des Kapitaliſten von
jenem noch nicht zu trennen weiß. Aber auch ihm entgeht, obſchon
er den Begriff von Wirthſchaft ſtreng, nicht wie Weber und
Sturm, durchführt, das Prinzip zur logiſchen Trennung der
politiſchen Theile der Kameralwiſſenſchaften. Es haben aber
[46/0068]
v. Buqnoy6) und Oberndorfer7) eine gänzlich falſche Anſicht
von dem Weſen der Kameralwiſſenſchaft, weil ſie dieſelbe für
gleichbedeutend mit der Wiſſenſchaft des Volksvermögens, oder der
Nationalwirthſchaftslehre halten, und dem gemäß alle Gewerbs-
wiſſenſchaften als weſentliche Theile der Lezteren anſehen8).
Gejer9) hat das Verdienſt, die allgemeinen Sätze der Wirthſchaft
überhaupt aus den beſondern Wirthſchaftslehren abſtrahirt, ferner
das eigentlich Techniſche bei allen Gewerbsbetrieben vom Haus-
wirthſchaftlichen getrennt, und die Theorie der Praxis gegenüber
geſtellt zu haben. Allein er hat in ſoferne einen bedeutenden Rück-
ſchritt gethan, als er die Gebiete der Privatwirthſchaft und der
Volkswirthſchaft in der Wiſſenſchaft gänzlich untereinander warf,
und ſo in den Fehler Buqnoy's und Oberndorfers verfiel.
Der Ungenannte10), ein Mann von ſeltenem Scharfſinne und
feſter Conſequenz, hob den Unterſchied der allgemeinen und beſon-
dern Wirthſchaftslehre ſchärfer hervor; allein er vermengte, blos
an der Objektivität als Theilungsgrund hängend, die Gebiete der
natürlichen Produktion und der techniſchen, indem er auch den
Bergbau zur Technologie nahm. Er hat ferner den Unterſchied
zwiſchen der wilden und zahmen Thier- und Pflanzenzucht hervor-
gehoben; aber er ſpricht der öffentlichen Wirthſchaft ganz den
Charakter als Wirthſchaft ab, und rechnet in die Leztere blos die
Privaterwerbszweige, Land- und Forſtwirthſchaft, Viehzucht und
Jagd, techniſche Gewerbe und Handel, ohne des Erwerbs durch
perſönliche Dienſte und Capital zu gedenken. Butte 11), auch
hierin eigenthümlich, weicht ganz von der hiſtoriſchen Bildung der
Kameralwiſſenſchaft ab, indem er die Finanzwiſſenſchaft als
Staatswiſſenſchaft ganz von ihr ausſchließt, und in die
Landeswiſſenſchaft (Kameralwiſſenſchaft) die Geographie,
die Gewerbswiſſenſchaften, die Theorie des Volksvermögens und
der Volkswirthſchaftspflege, und die Polizei nimmt.
¹⁾ Walther, Verf. eines Syſtems der Cameralwiſſenſchaften. Gießen 1793
bis 97. V Thle. 8. Deſſelben Verſ. eines Grundriſſes der allgem. Oeconomie.
Gießen 1795. 8. Vom I. Thl. jenes Buches a. 1804 und vom II. Thle. a. 1803
eine neue Ausgabe. Semer, Beitrag zur näheren Beſtimmung des Begriffs der
eigentl. Staatswirthſchaft und ihres Gebietes. Mannheim 1794. 8. Völlinger,
Grundriß einer allgemeinen kritiſch-philoſophiſchen Wirthſchaftslehre. Heidelb. 1790.
Deſſelben Prolegomena zu einer angewandten Wirthſchaftslehre. Ebendaſelbſt.
Klipſtein, Reine Wirthſchaftslehre. Gießen 1797. 8. Schmalz, Encyclopädie
der Cameralwiſſenſchaften. Königsb. 1797. 8. Zweite Ausg. beſorgt von Schmalz,
Thaer, Hartig, Roſenſtiel und Hermbſtadt. 1819. 8. Medicus, Verſuch einer
kurzen Skitze der ökonomiſch-politiſchen oder ſtaatswirthſchaftl. Encyclopädie. Leipzig.
1797. Benſen, Ueber das Studium der ſogenannten Kameralwiſſenſchaften.
Erlangen 1804. 8. Jägerſchmidt, Ueber die Grundbegriffe der Staatswirthſchaft,
nebſt dem Syſteme der dazu gehörigen Wiſſenſchaften. Baſel 1799. 8. Fulda,
Syſtematiſcher Abriß der ſogenannten Kameralwiſſenſchaften. Tübingen 1803. 8.
[47/0069]
¹⁾ Deſſelben Grundſätze der ökonomiſch-politiſchen oder Kameralwiſſenſchaften.
Tübingen 1816. 2te Aufl. 1820. Crome, Abriß der Staats- und Kameralwiſſen-
ſchaften. Gießen 1803. 8. Weber, Einleitung in das Studium der Kameral-
wiſſenſchaften, nebſt dem Entwurfe eines Syſtems derſelben. Berlin 1803. Später
auch mit dem Titel: Entwurf einer Encyclopädie und Methodologie der Kameral-
wiſſenſchaften. Berlin 1819. Derſelbe Ueber die Kameralwiſſenſchaft. Breslau
1828. Jacob, Ueber Curſus und Studienplan für angehende Kameraliſten. Halle
1805. 8. Seeger, Entwurf eines vollſtändigen Syſtems der Kameralwiſſenſchaften.
Ellwangen 1805. 2te Aufl. Mannheim und Heidelberg 1806. 8. Deſſelben
Syſtem der Wirthſchaftslehre. Carlsruhe 1807. 8. Erhielt a. 1815 ein neues
Titelblatt. Sturm, Grundlinien einer Encyclopädie der Kameralwiſſenſchaft. Jena
1807. 8. Sopp, Neueſte Darſtellung der Kameralwiſſenſchaft. Wien 1808–11.
IV Bde. 8. v. Hagens, Begründung des ſtaatswirthſchaftl. Studiums als einer
eigenen Wiſſenſchaft. Landshut 1808. 8. Butte, Generaltabelle der Staats- und
der Landeswiſſenſchaft. Landshut 1808. 8. Deſſelben Allgemeine Wiſſenſchafts-
anſichten. Bonn 1827. 8. v. Buqnoy, Theorie der Nationalwirthſchaft. Leipzig
1815 mit 3 Nachträgen von 1816–18. 4. Eſchenmayer, Ueber das formelle
Prinzip der Staatswirthſchaft, als Wiſſenſchaft und Lehre. Heidelberg 1815. 8.
Oberndorfer, Grundlegung der Kameralwiſſenſchaften. Landshut 1818. 8.
P. Ph. Gejer, Ueber Encyclopädie und Methodologie der Wirthſchaftslehre.
Würzburg 1818. Verſuch einer logiſchen Begründung der Wirthſchaftslehre.
Würzburg 1822. 8. Soll Joh. Sartorius zum Verfaſſer haben. Rau, Grund-
riß der Kameralwiſſenſchaft. Heidelberg 1823. 8. Deſſelben Schrift: Ueber die
Kameralwiſſenſchaft. Heidelberg 1825. 8. Schulze Ueber Weſen und Studium
der Wirthſchafts- oder Kameral-Wiſſenſchaften. Jena 1826. 8.
²⁾ Erſter Theil: Gewerbskunde.
I. Techniſche Gewerbskunde (a. Landwirthſchaft, b. Forſtwirthſchaft, c.
Bergbau, d. Technologie).
II. Merkantiliſche Gewerbskunde (a. Allgem. Grundſätze, b. Merkantiliſches
der Oeconomie, c. Merkantiliſches der Fabrikation, d. Handel, e. Rent-
geſchäft.
Zweiter Theil: Staatswirthſchaft.
I. Eigentliche Staatswirthſchaft.
II. Gewerbspolizei.
III. Finanzen.
Dieſes Syſtem ſieht die hauswirthſchaftlichen Geſchäfte eines jeden Gewerbes
fälſchlich als merkantiliſch an, und vergißt, daß ſowohl der Handel als das Rent-
geſchäft auch ihr eigentlich Hauswirthſchaftliches haben, ſo wie ihr Techniſches.
³⁾ Erſte Hauptabtheilung.
I. Landwirthſchaftslehre (a. beſondere Landwirthſchaftslehre [α. Pflanzen-
produktionslehre, β. Thierproduktionslehre, γ. Mineralienproduktions-
lehre], b. allgemeine Landwirthſchaftslehre [Hauswirthſchaft])
II. Technologie (nach den Zubereitungsarten getheilt).
III. Handlungslehre (a. von den Handelsgegenſtänden, b. von den Arten der
Handlung, c. von der Führung der Handlung).
Zweite Hauptabtheilung.
IV. Polizeilehre (Bevölkerung, körperl. und geiſtige Bildung, Privatver-
mögen, angenehmes Leben [Sicherheit u. dgl.])
V. Kameralwiſſenſchaft (Finanzwiſſenſchaft).
Es fehlt dieſem Syſteme ein durchgreifendes Prinzip in den einzelnen Unter-
abtheilungen.
⁴⁾ I. Privatöconomie:
1) produktive oder ſchaffende Gewerbe (a. eigentlich produktives — Land-
bau —; b. eduktive — Fabriken, Manufakturen und Handwerke —;
c. zugleich pro- und eduktives — Bergbau und Hüttenweſen).
2) Distributive oder eintheilende Gewerbe — Handel.
II. Politiſche Oeconomie:
1) Nationalöconomie, Lehre vom Volksvermögen.
[48/0070]
⁴⁾ 2) Staatsöconomie (a. Polizeiwiſſenſchaft — Sicherheits- und Cultur-
Polizei [und in der Lezteren enthalten: Bevölkerungs-, Bildungs-,
Religions- und Gewerbs-Polizei], b. Finanzwiſſenſchaft).
Dieſes Syſtem ſichtet nicht einmal die Technologie von der Naturproduktion,
kennt das Rentgeſchäft und den perſönlichen Erwerb nicht, und rechnet zur Staats-
ökonomie, was mit dem Vorhergehenden objektiv gar nicht in Verbindung ſteht,
und was zur Nationalökonomie gehört; denn die Bildung und Religion iſt keine
Sache der Wirthſchaft, und die Gewerbspolizei gehört zur Nationalökonomie, wäh-
rend die Sicherheitspolizei der Staatsökonomie und Nationalökonomie zu ferne ſteht.
⁵⁾ I. Theil: a. Produktionslehre (Oeconomie, nämlich Pflanzenkunde, Thierzucht,
Bergbau), b. Fabrikationslehre (Technologie), c. Handelslehre
(Handlung).
II. Theil: a. Gewerbspolizei (Induſtriepolitik), b. Finanzkunde (Kameral-
kunde).
Dieſes einfache Syſtem iſt unvollſtändig, da es in der Privatökonomie nur das
Techniſche enthält, es wendet den Ausdruck Oeconomie falſch an, und erkennt die
Theorie der Gewerbspolizei nicht an als etwas Beſonderes.
⁶⁾ I. Von den Quellen des Nationalwohlſtandes.
a. Gewinnung roher Produkte [Landwirthſchaft, Forſtbau, Bergbau,
Fiſcherei).
b. Veredlung roher Produkte (Technologie).
c. Handel (Handel unmittelbar, Hilfsgeſchäfte der Handlung, techniſche
Handelsmittel, nämlich Communikationsmittel).
II. Von der Leitung der Quellen des Nationalreichthums, oder von dem po-
litiſchen Theile der Nationalwirthſchaft.
a. Vorbegriffe.
b. Eigentliche Leitung.
c. Syſtem der Staatswirthſchaft.
d. Vertheilung der Auflagen.
In dieſem ganzen Syſteme fehlt die Einſicht des Verhältniſſes der Hilfs- und
Hauptwiſſenſchaften; die Fiſcherei erſcheint nie aus einem logiſchen Theilungsgrunde
neben den andern Rohproduktionen; beim Handel fehlt die Lehre von der Geſchäfts-
führung, ſo wie bei den andern Gewerben; und die ganze Finanzwiſſenſchaft wird
mit der Lehre von den Auflagen abgemacht.
⁷⁾ Er findet an der Kameralwiſſenſchaft drei Haupttheile, nämlich die rationale,
die poſitive und die praktiſche Kameraliſtik.
Die erſte theilt er in:
I. Politiſche Oeconomie.
a. Nationalökonomie;
1) niedere Nationalökonomie (ländliche, techniſche, kommerzielle
Induſtrie — die Gewerbslehren);
2) höhere Nationalökonomie (Staatswirthſchaft).
b. Staatsökonomie (Finanz).
II. Oekonomiſche Polizei (nämlich Gewerbs- und Sicherheitspolizei).
III. Oekonomiſch-politiſche Arithmetik.
Die zweite iſt das Studium der poſitiven Geſetzgebung.
Die dritte enthält die kameraliſtiſche Geſchäftstheorie, das eigentliche Kameral-
prakticum (zuſammen reinpraktiſche Gegenſtände), dann die bürgerliche,
die Straßen- und Waſſerbaukunſt (zuſammen praktiſch-mathematiſche Ge-
genſtände).
Dieſes Syſtem kennt nicht den Unterſchied zwiſchen Privat- und öffentlicher
Wirthſchaft, nicht den Charakter der Volkswirthſchaftslehre, daher die nichts ſagende
Eintheilung der Nationalökonomie und der Mangel an Wörtern, um die eigentlich
Leztere von der Finanz zu unterſcheiden; auch nach ihm muß die Sicherheit blos der
Wirthſchaft wegen erhalten werden, was offenbar unrichtig iſt; es rechnet
die Mathematik zwar zu den Hilfswiſſenſchaften, aber einen Theil derſelben, nämlich
obige Arithmetik doch zu den Hauptwiſſenſchaften; es trennt poſitive und praktiſche
Kameraliſtik, obſchon ſie zuſammen in die Praxis gehören; es macht einen Unter-
[49/0071]
⁷⁾ ſchied zwiſchen rein praktiſcher und praktiſch-mathematiſcher Kameraliſtik, der nichts
bedeutet an ſich, und mißkennt, daß die Baukunſt ſelbſt ihre Theorie hat und
eigentlich blos in die Technologie gehört.
⁸⁾ Gegen dieſe Syſteme ins Beſondere gilt die Einwendung von Lotz, oben
§. 34. Note 2. Denn hier werden die Gewerbslehren zu weſentlichen Theilen der
Volkswirthſchaftslehre gemacht. Es gehört wohl auch hierher: Schulze, Ueber
die volkswirthſchaftliche Begründung der Gewerbswiſſenſchaften. Jena 1826.
⁹⁾ I. Allgemeine Wirthſchaftslehre.
II. Beſondere Wirthſchaftslehre. Die Leztere zerfällt ſo:
1) Theoretiſcher Theil;
a. in Bezug auf die Thätigkeit des Volks (Landwirthſchaftslehre,
Technologie, Handelslehre). Bei jeder Gewerbslehre wird der
Unterſchied zwiſchen den eigentlichen Gewerbsregeln und den
Hauswirthſchaftsregeln gezeigt.
b. in Bezug auf die Thätigkeit der Regirung (Finanzwiſſenſchaft,
wirthſchaftliche Culturlehre [oder Volkswirthſchaftslehre]).
2) Praktiſcher Theil, mit denſelben Abtheilungen.
Obſchon dieſes ſcharfſinnig und fleißig durchdachte Syſtem den theoretiſchen und
praktiſchen Theil trennt, und ſo insbeſondere die Ausſcheidung der praktiſchen Lehren
der Volkswirthſchaftslehre von der eigentlichen Theorie des Volksvermögens zuerſt
erdacht hat, ſo blieb es dennoch von der Löſung dieſer Aufgabe noch weit entfernt.
Sein Grundfehler iſt die Zerſplitterung, denn es wäre weit beſſer geworden, wenn
die Trennung des Theoretiſchen und Praktiſchen als bloße Unterabtheilungsnorm bei
jeder beſonderen Lehre angewendet worden wäre, weil man alsdann jede Wiſſenſchaft
für ſich als Ganzes geſchaut hätte. Allein dies konnte nur zufolge der Anerkennung
des andern logiſchen Fehlers deſſelben geſchehen, kraft deſſen dem praktiſchen Theile
der einzelnen Gewerbslehren zum Theile blos Hauswirthſchaftliches, zum Theile das
Rentgeſchäft, das Zuſammenhalten des Gewerbsbetriebes Lehrendes, und zum Theile
die Lehre vom Erwerbe aus perſönlichen Dienſten zugetheilt wird, indem er von
der Benutzung der perſönlichen Kräfte zum Erwerbe, der Capitalien, und beider
zugleich handeln, und die Etablirung und Betreibung des ganzen Geſchäftes,
welches auch ſchon von Anderen als etwas Beſonderes herausgehoben war, lehren
ſoll. Dieſes Syſtem hat aber das Verdienſt, bei der Bergbaulehre (Theil der
Landwirthſchaft), das Hüttenweſen der Technologie zugetheilt zu haben.
¹⁰⁾ I. Allgemeine Wirthſchaftslehre.
II. Beſondere Wirthſchaftslehre. Dieſe Leztere:
A. Produktionslehre.
1) Des Organiſchen (Landwirthſchaft);
a. der Thiere — der zahmen (Viehzucht) und der wilden
(Weidwerk);
b. der Pflanzen — der zahmen (Landbau), — der wilden
(Forſtwirthſchaft).
2) Des Unorganiſchen (Technologie);
a. des Thierreichs;
b. des Pflanzenreichs;
c. des Mineralreichs (dazu auch Bergbau und Hüttenweſen).
B. Circulationslehre (Handelslehre).
Dieſes Syſtem enthält einen vom Verf. nicht vertheidigten Widerſpruch, indem
es bei der Technologie, nach dem zu verarbeitenden Stoffe eintheilend, unorganiſche
und organiſche Stoffe aufzählt, und dennoch die Technologie Produktionslehre des
Unorganiſchen nennt. Es kennt den Unterſchied zwiſchen natürlicher und techniſcher
Produktion nicht, und muß, um conſequent zu ſein, auch das Technologiſche der
Landwirthſchaft, Viehzucht, Forſtwirthſchaft u. dgl. bei dieſen Gewerbslehren ab-
handeln, wie das Hüttenweſen beim Bergbaue.
¹¹⁾ Nach ihm zerfällt die Landeswiſſenſchaft alſo:
A. Landes-Kundenlehre (Geographie, Natur).
1) Lehre von der Beſchaffenheit des Landes (Gränzen, Flächengehalt,
Gebirge, Gewäſſer, Klima).
Baumſtark Encyclopädie. 4
[50/0072]
¹¹⁾ 2) Lehre von des Landes Naturprodukten (der vier Reiche, Mi-
neral-, Pflanzen-, Thier- und Menſchen-Reich — Lezteres
ethnographiſch).
B. Landes-Hervorbringungslehre (Prophoralogie, Arbeit).
1) Urproduktionslehre (Landwirthſchaft im weiten Sinne, Bergbau-
Waſſernutzungslehre [Fiſcherei]).
2) Zugutmachungslehre oder Technologie (Mineral-, Pflanzen-,
Thierreich und bürgerliche Baukunſt).
3) Handelslehre.
C. Landes- Wohlſtandslehre (Nationalwohlſtandslehre, Genuß).
1) Einwohnerreichthumslehre (National- oder Volkswirthſchafts-
lehre).
2) Einwohnerordnungslehre (Polizei).
Dieſes Syſtem iſt am unbegründetſten. Es erklärt das Kamerale für „den Inbe-
griff der Landes-Wiſſenſchaften, in ſoferne dieſe die Verwaltung des Staats mit-
telbar für ſeinen Zweck unterſtützen.“ Allein neben dem, daß die Geographie auch
von Kameraliſten gekannt ſein muß, gehört ſie auch zur Staatswiſſenſchaft, Natur-
wiſſenſchaft, Philoſophie, Philologie, Jurisprudenz und Medizin. Sie iſt alſo eine
allgemein bildende Doktrin und gehört nicht in das kameraliſtiſche Syſtem als ſolches.
Aber die Statiſtik, ſelbſt gewiſſermaßen auch die Geſchichte, müßte ebenſo wie die
Geographie nach obiger Angabe des Inbegriffs von Kamerale hinein gehören, ſo
wenig er auch von der Geſchichte anerkannt iſt. Ob es vier Naturreiche gibt,
darüber ſteht dieſer Kritik kein Urtheil zu, aber rügen kann und muß ſie, daß bei
B. 2. nur drei Reiche erſchienen ſind, wenn ſie nicht unſinniger Weiſe annehmen
ſoll, daß die bürgerliche Baukunſt die Zugutmachung der Produkte des Menſchenreichs
ſei. Dieſe Baukunſt gehört allen Naturreichen an, in jedem Falle dem Mineral-
und Pflanzenreiche. Die Finanzwiſſenſchaft richtig betrachtet, gehört wenigſtens in
die Mitte zwiſchen die Staats- und Landeswiſſenſchaft des Verf.; da ſie am meiſten
mittelbar die Staatszwecke unterſtützt, ſo müßte ſie im Inbegriffe des Kamerale
doch auch eine Hauptſtelle finden.
§ 36.
Fortſetzung. Rau's Syſtem.
Für einen ſolchen Stand des kameraliſtiſchen Syſtemes be-
durfte es der Klarheit, Umſicht, Pünktlichkeit und des Fleißes
eines Rau, um unter Benutzung des bisher Erdachten und mit
eigener Sichtung ein Syſtem aufzuſtellen, das die ächte Wiſſen-
ſchaftlichkeit der Kameralwiſſenſchaft ins ſchönſte Licht ſtellen mußte.
Rau gab der allgemeinen Wirthſchaftslehre ihren Inhalt, und
unterſchied in der beſondern Wirthſchaftslehre die bürgerliche
(Privat-) von der öffentlichen Wirthſchaftslehre (politiſchen
Oekonomie). Er zog die ariſtoteliſche, auch ſchon von Geier be-
nutzte, Unterſcheidung der gewerblichen Thätigkeit (nämlich Er-
werben und Haushalten) herbei, theilte die bürgerliche Wirth-
ſchaftslehre in Erwerbslehre und Hauswirthſchaftslehre,
und ließ jene zerfallen in die Lehre vom Erwerbe aus Stoff-
arbeiten, aus dem Güterverkehre, durch perſönliche
Dienſte. Der Erwerb aus Stoffarbeiten geſchieht nach ihm
durch Gewinnung roher Produkte aus der Natur (Erdarbeit),
und durch Veredlung der rohen Produkte (Gewerksarbeit),
[51/0073]
der Erwerb aus dem Güterverkehre aber durch den Handel und
das Ausleihen von Vermögen gegen Renten. Die öffentliche
Wirthſchaftslehre theilt er in die reine Volkswirthſchafts-
lehre und in die angewandte. Jene iſt die eigentliche Theorie
des Volksvermögens; dieſe aber zerfällt ihm in die Lehre von der
Volkswirthſchaftspflege und in die Finanzwiſſenſchaft.
Seine Verdienſte ſind bleibend. Denn er erhob den Begriff der
allgemeinen Wirthſchaftslehre zur Wirklichkeit, ſtellte den Unter-
ſchied zwiſchen Erwerb und Hauswirthſchaft wirklich dar, bezeich-
nete den Unterſchied der bürgerlichen Gewerbe genauer, trennte
die Begriffe von Gewerbe und Gewerk, und führte die Trennung
der theoretiſchen und praktiſchen Lehren der Nationalökonomie in
der Volkswirthſchaftslehre und Volkswirthſchaftspflege unübertrof-
fen aus, ganz abgeſehen davon, daß wir ihm die wiſſenſchaftliche
Anordnung der einzelnen Theile der Materie dieſer zwei Wiſſen-
ſchaften eigentlich verdanken, und die Einführung der neueren aus-
ländiſchen Literatur ſo wie manchfache Erläuterungen und Erwei-
terungen ſchuldig ſind. Kann man aber auch nicht in das verwer-
fende Urtheil Anderer1) über dieſes Syſtem einſtimmen, ſo bleiben
doch der Kritik noch manche Verbeſſerungen deſſelben überlaſſen.
Daſſelbe hat folgende Mängel: 1) Daſſelbe iſt auch mit der Ein-
ſeitigkeit der neueſten Theorie behaftet, welche nur die Thätigkeit
für körperliche Gegenſtände als das eigentliche Objekt der Wirth-
ſchaft anſieht und in die Kameralwiſſenſchaft aufnimmt2);
2) daſſelbe wirft die Unterſcheidung der Erwerbs- und Hauswirth-
ſchaftslehre mit Unrecht in den beſonderen Theil; denn der Begriff
der Hauswirthſchaft iſt ein allgemeiner und kommt ſo in jeder
Wirthſchaft wieder vor; der Erwerb geſchieht in jeder Wirthſchaft
nach gewiſſen allgemeinen Regeln, welche zuſammengefaßt den Ge-
genſtand der Erwerbslehre im allgemeinen Theile machen; beide
treten aber in beſonderer Geſtalt bei jedem Wirthſchaftsbetriebe in
ſoferne auf, als die allgemeine Erwerbslehre dort in die Regeln
von den beſondern Erwerbsarbeiten im Einzelnen, und die Haus-
wirthſchaftslehre in jenen von dem gewerblichen Einrichten und
Zuſammenhalten der Wirthſchaft wieder auftritt. Rau nennt dieſe
zwei Leztern Kunſtlehre und Gewerbslehre3). 3) Daſſelbe
ſchließt den Handel und das Rentgeſchäft von den Stoffarbeiten
mit Unrecht aus, denn, wenn ſie auch nicht Sachliches produziren
oder auch nicht den Zweck der Veredelung haben, ſo beſchäftigen
ſie ſich doch ausſchließlich mit Stoffen und haben es mit der Er-
haltung und Aufbewahrung derſelben zu thun, neben welchen
weſentlichen Stoffarbeiten ſie als das Charakteriſtiſche die Ver-
[52/0074]
ſendung und den Uebertrag haben. Dieſe Arbeiten ſind aber nicht
etwa techniſche, in Bezug auf welche der Handelsmann oder Rent-
ner ein Techniker, aber nicht mehr der Erſtere iſt, ſondern ſie ſind
ein weſentlicher Beſtandtheil der ganzen Wirthſchaft, und ſo am
beſten im Speditionsgeſchäfte, beim Leihgeſchäfte mit Meublen
u. dgl. erkennbar4). 4) Daſſelbe führt das Sammeln wildwach-
ſender Pflanzen, das Fangen wilder Thiere und das Leſen ihrer
einzelnen brauchbaren Theile, als beſondere Wirthſchaften mit
Unrecht auf. Sie können zwar die beſondere wirthſchaftliche Be-
ſchäftigung einzelner Menſchen, Bürgersklaſſen und Volksſtämme
ſein und ſind es auch. Allein deshalb verdienen ſie eben ſo wenig
eine Stelle als beſondere Wirthſchaft im Syſteme, als die vielen
einzelnen Handelsgeſchäfte, einzelnen Zweige der Viehzucht u. dgl.,
die ausſchließlich betrieben vorkommen. Entweder iſt ihre Verein-
zelung Folge der geringen Civiliſation wie bei den Jäger- und
Hirtenvölkern, oder Folge der Arbeitstheilung in civiliſirten
Nationen. In beiden Beziehungen ſind ſie nationalökonomiſch wichtig,
aber darum noch kein beſonderer techniſcher oder wirthſchaftlicher
Zweig5). Das Sammeln wildwachſender Pflanzen findet ſeinen
natürlichen Platz in der Lehre von der Ernte, und das Fangen
wilder Thiere in der Lehre von der Jagd und Fiſcherei. 5) End-
lich ſtellt es die Finanzwiſſenſchaft als einen Theil der angewandten
Volkswirthſchaftslehre auf, was ſie keineswegs ſein kann6).
¹⁾ Schenck, das Bedürfniß der Volkswirthſchaft. I. Vorrede S. VI. welcher
dem Rau'ſchen Syſteme der Volkswirthſchaftslehre die Zerſplitterung, ihm ſelbſt
aber vorwirft, er hänge zu ſehr am Syſteme von A. Smith. Lezteres iſt Lob für
Rau, denn er iſt kein blinder Anhänger deſſelben. Erſteres iſt ſo weit wahr, als
er die Quellen des Vermögens von ihrem Ertrage, und dieſen qualitativ an ſich,
von ſeiner Größe und deren Bedingungen trennt. Aber wie viel hat die Theorie
des Volksvermögens dadurch nicht an Klarheit gewonnen? Zweifelsohne iſt ſie
Herrn Schenck auch zu Gute gekommen. Eine andere Frage iſt jetzt
die, ob
man nicht das von Rau nothwendig getrennte wieder verbinden ſolle.
²⁾ Dies kann erſt im nächſten Abſchnitte klar werden, wenn die hierher ge-
hörenden Begriffe entwickelt ſind.
³⁾ Rau, Ueber die Kameralwiſſ. §. 20. vrgl. mit §. 29. Schon Seeger
hat die Kunſtlehre als ſpekulativen, Schmalz die Gewerbslehre als merkan-
tiliſchen Theil erkannt, Thaer und v. Crud haben die landwirthſchaftliche,
Geier aber die gewerkliche Gewerbslehre behandelt; Beckmann hat ſchon dieſe
Unterſcheidung in der Landwirthſchaft, und nach ihm alle landwirthſchaftlichen
Schriftſteller benutzt.
⁴⁾ Rau a. a. O. §. 23. nennt ſie ſo, weil die Arbeiten an dem Stoffe des
Vermögens vorgenommen werden. In ſoferne gehört der Handel und das Rent-
geſchäft hinzu. Aber es ſind die andern Stoffarbeiten von dieſen dadurch verſchieden,
daß ſie zum ſpeziellen Zwecke nicht blos, wie Rau meint, eine Vermehrung, ſon-
dern auch eine Veredlung der Stoffe haben.
⁵⁾ Rau a. a. O. §. 24. verwechſelte hier offenbar das Nationalökonomiſche
dieſer Unterſcheidung mit dem Privatwirthſchaftlichen. Denn nur im erſteren Sinne
ſpricht der von ihm citirte Torrens, On the production of wealth Lond. 1821.
[53/0075]
⁵⁾ an verſchiedenen Stellen von der appropiate industry, was dieſe Arbeiten be-
zeichnet.
⁶⁾ Dies wird erſt in dem nächſten Abſchnitte darzuthun ſein, wo der Gehalt
beider näher bezeichnet wird.
IV. Philoſophiſche Entwickelung des kamera-
liſtiſchen Syſtemes.
§. 37.
1) Allgemeine Vorbegriffe.
Der Menſch iſt ein körperlich geiſtiges Weſen und ſteht durch
erſtere Eigenſchaft mit der Sinnenwelt in Verbindung und unter
ihren Geſetzen. Er iſt von ihr abhängig, in ſoferne er von ihr die
körperlichen Mittel zur Erreichung ſeiner Zwecke erlangen muß.
Er iſt aber auch kraft ſeiner Vernunft und ſeines Geiſtes Herr
über ſie und ſie nimmt von ihm Einwirkungen an. So einerſeits
im Verhältniſſe mit der Sinnenwelt wird er durch das in ihm
lebende Prinzip der Selbſterhaltung und der Liebe und des Haſſes
zur Geſelligkeit gebracht. Der geſellſchaftliche Verband der Men-
ſchen geht nur aus dieſen Gründen hervor, und wird durch das
Prinzip des Eigennutzes und des Gemeinſinnes erhalten1). Hängt
derſelbe im Naturzuſtande2) von der Natur und von ſeiner Kraft
und Einſicht, ſie zu benutzen und ihr zu widerſtehen, ab, ſo kommt
im Stande der Civiliſation zu dieſer Abhängigkeit noch jene vom
Menſchenverbande durch Leiſtungen, d. h. vom Verkehre. Dieſe
doppelte Abhängigkeit iſt begründet, ſubjektiv durch ſeine wahren
Bedürfniſſe und ſeinen Hang zum Wohlleben, objektiv durch eine
Menge von Dingen und Verhältniſſen verſchiedener Art, welche
nach ſeinem Anerkenntniſſe im Stande ſind, ihm entweder unmit-
telbar oder mittelbar jene ſubjektiven Gründe ſeiner Abhängig-
keit von Natur und Verkehr zu heben. Dieſe Dinge und Verhält-
niſſe verſchiedener Art, zur Befriedigung ſeiner Bedürfniſſe und
zur Erhöhung ſeines Lebensgenuſſes dienlich, nennt man Güter3).
¹⁾ Ferguson, History of the civil society. (Basil 1789.) p. 15. 24. 30.
²⁾ Dieſer Begriff hat drei Bedeutungen. Man bezeichnet damit den Zuſtand
des Menſchen vor der geſellſchaftlichen Vereinigung, den Zuſtand deſſelben in der
Rohheit als Gegenſatz der Civiliſation, und die Abhängigkeit des Menſchen von der
Natur. Ein rein außergeſellſchaftlicher Zuſtand des Menſchen iſt, weil er Menſch
iſt, nicht denkbar; jener Zuſtand iſt alſo eine Fiktion, die nur Bedeutung hat,
wenn man ſich den Menſchen als von der Natur abhängig denkt. Die dritte Be-
deutung obigen Wortes fällt ſo mit der erſten zuſammen. In ſoferne iſt der Menſch
immer im Naturzuſtande. Die zweite Bedeutung jenes Wortes kann aber auch
keinen blos periodiſchen Zuſtand des Menſchen im Leben bezeichnen. Der Menſch
[54/0076]
²⁾ iſt ſchon im Zuſtande ſeiner Kindheit, ebenſo die Nation und die Menſchheit ſchon
im Zuſtande ihrer Kindheit, durch die geiſtigen, moraliſchen und Gemüthskräfte zur
Bildung, zum Einzelglücke und Volksglücke beſtimmt. Dieſer, und nicht ein Thier-
ſtand, iſt der Stand der Natur, in welchem der einzelne Menſch und die Nation
bleibt, ſo lange ſie leben, denn ſie ſind immer höherer Bildung und höheren
Glückes fähig; folglich ſind Rohheit und Civiliſation nur relative Begriffe, und der
Menſch iſt immer in Naturzuſtande. Was der einzelne Menſch zum Volke, das iſt
ein Volk zur ganzen Bevölkerung der Erde, zur Menſchheit. Sinkt auch ein ein-
zelner Menſch, ſo liegt es in ſeiner und in ſeiner Verhältniſſe Individualität, und
die Fortſchritte ſeines Volkes zu Bildung und Glück können immer dieſelben ſein.
Ebenſo bei der Menſchheit, wenn ein Volk ſinkt und untergeht. Jeder Menſch geht
den allgemeinen Gang der Bildung, ebenſo auch jede Nation; aber beide um ſo
ſchneller, je mehr in der Geſellſchaft ſchon Mittel zu ihrer Vervollkommnung da
ſind. Man ſ. auch Ferguson a. a. O. p. 1–15.
³⁾ Ueber dieſen Begriff iſt Rau getheilter und nicht ganz richtiger Meinung.
Er nennt (Ueber die Kameralwiſſ. §. 8.) Alles, was den vernünftigen Zwecken
des Menſchen entſpricht, ein Gut, und gibt dennoch in der Benutzung dieſer Güter
ein ſittliches und unſittliches Wollen faktiſch zu, und ebenſo, daß ſie zum Guten
und Böſen benutzt werden könnten. Er ſcheint ſich aber zu corrigiren, indem er
auch ſpäter (Lehrb. der polit. Oekonomie. I. §. 1.) unter ſachlichen Gütern
körperliche Gegenſtände verſteht, die zur Erreichung manchfacher Zwecke als Hilfs-
mittel gebraucht werden können. Wenn auch, wie er an erſterer Stelle ſagt, dem
Gebrauche und der Erlangungsart der Güter das Sittengeſetz Regeln vorſchreibt,
ſo folgt hieraus nur, daß dieſelben zu vernünftigen Zwecken gebraucht werden
ſollten, nicht aber daß ſie nur dazu gebraucht werden können. Uebrigens gibt
auch noch das Rechtsgeſetz Regeln für Gebrauch und Erlangungsart der Güter.
Es glaubt Zachariä (40 Bücher v. Staate. Bd. V. §. 1.) eine wichtige Verbeſ-
ſerung der Wiſſenſchaft bewirkt zu haben, indem er ſtatt Gut das Wort Brauch-
lichkeit (engl. Commodity) braucht!
§. 38.
Fortſetzung. Arten der Güter.
Dieſe Güter liegen entweder im Menſchen von Natur und
werden in ihm erzeugt, dann nennt man ſie innere Güter; oder
ſie liegen außer ihm und werden außer ihm erzeugt, dann heißen
ſie äußere Güter. Dieſe Lezteren, ſind wieder entweder materi-
elle (ſachliche) Güter, d. h. körperliche phyſiſche Gegenſtände als
Güter, oder immaterielle (körperloſe), d. h. äußere Güter
ohne körperliche Natur1). Weder die inneren noch die körperloſen
äußeren Güter können ſachliche Güter werden. Aber ſie können
auf die Vermehrung der ſachlichen Güter wirken, ihre Brauch-
barkeit erhöhen, und in ſoferne in die ſachlichen Güter uneigent-
lich übergehen. Jedoch die inneren Güter des einen Menſchen
können für den anderen äußere körperloſe werden, wenn jener die-
ſem Dienſte leiſtet. Mit dieſen Dienſten aber und mit ſachlichen
Gütern kann man ſich auch körperloſe äußere Güter verſchaffen
und ſeine inneren Güter erhöhen. Dieſe Wechſelwirkung wird klar
durch die nähere Bezeichnung der Güter ſelbſt. Innere Güter
ſind die Vernunft, die innere Freiheit, die Religion, die morali-
[55/0077]
ſchen, intellektuellen und die Kunſtanlagen, die Tugend, die
Kenntniſſe, die Geſchicklichkeiten (geiſtig und körperlich) und die
Fertigkeiten (körperlich) des Menſchen.Sachliche Güter ſind
alle rohen und veredelten Erzeugniſſe der Natur, welche den inneren
Gütern des Menſchen zu ſeinen Zwecken unterworfen ſind, alſo
auch des Menſchen eigener Körper2). Körperloſe äußere Güter
ſind alle Verhältniſſe und Umſtände, welche als Erzeugniſſe des
Menſchenverkehres für die Förderung ſeiner manchfachen Zwecke
tauglich ſind3). Es gehören hierher a) die äußeren und inneren
Verhältniſſe des Staates und im Staate, nämlich die Erhaltung
des Beſtandes und die Beförderung des Rechts, des Güterweſens
in obigem Umfange zur materiellen und immateriellen Verbeſſerung
des Menſchenlebens, und der öffentlichen und Privatſicherheit;
b) die Verhältniſſe des Familienlebens, nämlich der Liebe, der
Ehe, der Vater- und Mutterſchaft, und der Vormundſchaft, ſo
wie das Verhältniß des Herrn zu dem Geſinde; c) die Verhältniſſe
geſellſchaftlicher Vereinigungen im Staate, nämlich jene der Freundſchaft, der
Wohlthätigkeit, des Vergnügens, des Erwerbs,
der Wiſſenſchaft, der Kunſt und Sittlichkeit; d) das Vorhanden-
ſein und die Nutzerlaubniß von Anſtalten des Staats, der Einzel-
nen, der Geſellſchaften, Gemeinden und Corporationen für die
verſchiedenſten Zwecke der Menſchheit; e) und endlich die gegen-
ſeitigen Leiſtungen im Verkehre durch Dienſte4).
¹⁾ Rau (Ueber die Kameralwiſſ. §. 8. 11. Lehrb. der polit. Oekonom. I.
§. 1. 2. 46. 95.) iſt der Meinung, man wolle mit der Eintheilung in äußere
und innere Güter jene in ſachliche und perſönliche bezeichnen, und wählt
daher dieſe leztere Eintheilung, womit er aber nicht blos den Namen, ſondern das
Theilungsprinzip ſelbſt ändert. Die Unvollſtändigkeit dieſer Eintheilung iſt aus
Obigem erſichtlich. Derſelbe ſcheint die perſönlichen Güter Zuſtände nennen zu
wollen, was ſie aber eben ſo wenig, als alle Eigenſchaften ſind.
²⁾ Nimmt man die Sache als der Perſon gegenübergeſetzt an, dann hat
Rau Recht, wo er den Körper mit ſeinen Eigenſchaften perſönliches Gut nennt.
Im Gegenſatze des Materiellen und Nichtmateriellen iſt aber obige Unterſcheidung
richtig. Er geht aber zu weit, wo er (§. 95.) Vortheile der Menſchen mit
perſönlichen Gütern gleichbedeutend nimmt. Es folgt zwar hieraus nicht, daß
in dieſem Sinne alle Güter perſönliche ſind, wie Hermann ſtaatswirthſchaftliche
Unterſuchungen (München 1832). Abh. I. §. 2. Anmerkg. ſchließt, denn ſo ſchöbe
man den Fehler unter, die Wirkung (Vortheil) für die Urſache (Gut) genommen
zu haben. Er hat vielmehr nur die allgemeine Wirkung der Güter für die ſpezielle
der perſönlichen Dienſte geſetzt. Das von ihm gebrauchte geradezu iſt nicht
bezeichnend genug. Die Erklärung dieſes Irrthums ſ. unten in §. 39.
³⁾ Dieſe Definition ſtreng feſtzuhalten iſt wichtig, um die wahren äußeren
körperloſen Güter zu ſichern. So iſt z. B. die innere Freiheit das erſte innere
Gut, die äußere Freiheit aber das erſte immaterielle äußere Gut. Man
könnte die Güter auch kurz in Natur- und Verkehrsgüter eintheilen, nach ihrem
Urſprunge und nach der Exiſtenz und Coexiſtenz des Menſchen. Hermann a. a. O.
I. §. 2. verfällt in den Fehler der Inconſequenz, wo er die Religion und die
Wiſſenſchaft zu den immateriellen äußeren Gütern rechnet. Beide ſind blos
[56/0078]
³⁾ innere Güter, denn ſie ſind, entſtehen und bilden ſich aus im Innern des Menſchen.
Sind ſie blos äußerlich, dann verloren ſie ihr Weſen. Aber die Verhältniſſe des
Schutzes und der Beförderung von Wiſſenſchaft und Religion, ſo manchfach ſie auch
ſein mögen, ſind äußere immaterielle Güter.
⁴⁾ Nur die Dienſte an ſich, ganz abgeſehen von ihren materiellen Folgen für
den Empfänger derſelben; ebenſo bei d) nicht das Materielle der Anſtalten, ſondern
ihr Gegebenſein und ihre Nutzbarkeit zu den menſchlichen Zwecken.
§. 39.
Fortſetzung. Werth. Wirthſchaft.
Die Mitwirkung der Güter zur Erreichung der Zwecke des
Menſchen hängt an ſich von ihrer Tauglichkeit ab. Der Grad der
Tauglichkeit eines Gutes für menſchliche Zwecke iſt ſein Werth,
der mit dieſer Tauglichkeit im Vergleiche mit anderen Gütern und
mit der Wichtigkeit des Zweckes ſteigt und fällt. Dieſer Werth
in Verbindung mit der Thätigkeit des Menſchen zur Anwendung
des Gutes gibt die Nutzung, welche eine mittelbare iſt, wenn
wenn das Gut die Mittel zur Befriedigung von Bedürfniſſen und
zur Erhöhung des Lebensgenuſſes gibt, dagegen eine unmittel-
bare, wenn das Gut ſelbſt dieſe Zwecke befördert. Die mittelbare
Nutzung findet Statt, wenn demſelben neue nutzbare Dinge abge-
wonnen werden oder wenn man daſſelbe gegen brauchbare Dinge
abtritt1). Jene ſind Güter, von Gebrauchswerth, dieſe aber
von Tauſchwerth. Die Summe von Gütern von Gebrauchs-
und Tauſchwerth, welche man ausſchließlich beſitzt, bildet das
Vermögen2). Die Thätigkeit des Menſchen zur Beiſchaffung,
Erhaltung und Verwendung des Vermögens heißt man Wirth-
ſchaft3). Dieſe iſt alſo nur möglich mit Gütern, welche einen
Gebrauchs- und Tauſchwerth haben, mit allen anderen aber nicht,
welche ſo und in ſolcher Menge vorhanden ſind, daß ſie gar nicht
ausſchließlich von einer Perſon beſeſſen werden können und zu ſein
brauchen, weil ſie jeder freie Menſch genießt, oder ohne Mühe
von der Natur empfängt4). Die ſyſtematiſche Darſtellung der
Grundſätze und Regeln von der Wirthſchaft iſt die Wirthſchafts-
lehre oder Kameralwiſſenſchaft5).
¹⁾ Der Acker gibt im Getreide ein unmittelbar nutzbares Erzeugniß, während
er nur eine mittelbare Nutzung geſtattet. In dieſen Verhältniſſen ſtehen alle ſach-
lichen Güter. Die inneren Güter laſſen zum Theile eine unmittelbare Nutzung,
zum Theile eine mittelbare zu; z. B. die Wiſſenſchaft, die Kunſt, beſonders die
Muſik, womit man ſich ſelbſt Genüſſe verſchaffen, und Andern Dienſte leiſten kann,
welche nutzbare Folgen haben. Die äußeren körperloſen Güter ebenfalls, nur ver-
ſchwindet die Mittelbarkeit der Nutzung bei ihnen mehr, als bei den andern, z. B.
die mittelbaren und unmittelbaren Genüſſe und Vortheile des häuslichen Lebens.
²⁾ Franzöſiſch richesse, engliſch riches und wealth genannt, in Deutſchland
aber fälſchlich mit Reichthum bezeichnet, der ein hoher Grad von Vermögensbeſitz
[57/0079]
²⁾ iſt. Hermanns Anſicht von Reichthum (ſtaatsw. Unterſuchungen. I. Abh.
§. 5–7.) ſcheint vom Sprachgebrauche nicht gebilligt zu werden. Das Befinden
eines Gutes unter der Willkühr eines Menſchen, ſo daß er andere von deſſen
Genuſſe ausſchließen kann, bildet ihm nach den Begriff Tauſchgut. Fülle von
Gütern iſt ihm Reichthum, Fülle von Gegenſtänden, die als Tauſchgut anwend-
bar, Bedürfniſſe zu befriedigen im Stande, und überall nicht in beliebiger Menge
ohne Entgelt zu haben ſind, iſt ihm wirthſchaftlicher Reichthum. Zum
Begriffe von Vermögen hält er aber das Eigenthum, nicht den bloßen
Beſitz, und äußere Tauſchgüter für nöthig. Der Reichthum umfaßt ſcheinbar
auch innere Güter, z. B. Reichthum an Gefühlen, Kenntniſſen, Talenten, und
ſcheint alſo weiter als Vermögen, welches nicht blos nur äußere, ſondern ſogar
nur äußere Güter von Gebrauchs- und Tauſchwerth, die ſich im ausſchließlichen
Beſitze eines Menſchen befinden, umfaßt. Allein ausſchließlicher Beſitz und
Eigenthum iſt eins und daſſelbe. Nimmt man Erſteren ex lege, dann hat der
Beſitzer die Befugniſſe des Eigenthümers; nimmt man ihn de facto, ohne nach der
Erwerbsart zu fragen, ſo bleibt der Begriff von reich und vermögend beim Beſitzer
nur ſo lange, als man die geſetzwidrigen Gründe ſeines Beſitzes nicht kennt.
Werden dieſe bekannt, ſo fällt mit dem ausſchließlich der Begriff Eigenthum,
Vermögen und Reichthum hinweg. Hermann meint zwar, die perſönlichen
Güter, z. B. Arbeitskraft in freien Ländern, könne man nicht Eigenthum nen-
nen, weil ſie der Menſch zwar wohl vermiethen, aber nicht verkaufen dürfe,
und folglich eine Befugniß des Eigenthums fehle. Allein das iſt Selbſttäuſchung;
denn die Arbeitskraft für ſich ohne den Menſchen zu verkaufen iſt unmöglich; es
müßte alſo der Menſch mit jedem perſönlichen Gute ſich ſelbſt als Sklave ver-
kaufen; dieſes, als ein Vergehen gegen das Moral- und Rechtsprinzip, kann der
Staat nicht dulden, wie viele andere unrechtmäßigen und immoraliſchen Benutzungen
des Eigenthums. Wenn der Begriff Reichthum auch von inneren Gütern ge-
braucht wird, ſo iſt dies nur tropiſch zu verſtehen; denn die Sprache ſetzt in dieſen
Fällen immer das innere Gut hinzu, woran man reich iſt. Aber Reichthum
allein, alſo in ſeiner eigentlichen Bedeutung ausgeſprochen, gilt nur von einem
hohen Grade von Vermögen. Deswegen iſt der Ausdruck wirthſchaftlicher
Reichthum ein Pleonasmus.
²⁾ say, Cours d'économie politique (Paris 1828. VI. Tom. 8.) I. 163.
Ueberſ. von v. Theobald. I. 120. Steuart, political oeconomy. II. 26. Rau
(Lehrb. I. §. 2.) hat aber Unrecht, indem er ſchon diejenigen Güter für Vermögen
rechnet, die ſich in der Gewalt eines Subjectes befinden. Dieſes Criterium iſt
viel zu weit, denn z. B. Verwalter, Kaſſirer, Miniſter haben Gewalt über Ver-
mögen, das nicht ihr Vermögen iſt. Hermann geht jedoch in der Beſchuldigung
gegen Rau zu weit, wo er ihm deswegen Inconſequenz und Widerſpruch vorwirft,
weil er (Lehrb. der polit. Oekonom. I. §. 2.) das Vermögen als blos aus ſachlichen
Gütern beſtehend darſtellt, und (§. 55.) dennoch behauptet, die Werthe bildeten
das Vermögen. Denn Lezteres ſagt Rau nur mit Bezug auf die ſachlichen Güter,
um zu zeigen, daß nicht die Menge der Gegenſtände dem Körper nach den größeren
Reichthum begründe. Allein Rau fehlt darin, daß er blos ſachliche Güter als
Beſtandtheile des Vermögens gelten läßt (Ueber die Kameralwiſſenſchaft §. 11.),
die fortgeſetzte Sorge für das Vermögen Wirthſchaft nennt, dennoch (Lehrb. I.)
§. 46.) die den ſachlichen entgegengeſetzten Güter als Umſtände erwähnt, welche auf
die Größe des Vermögens mächtigen Einfluß äußern, und dennoch den weitern
Begriff von Gut zuläßt (ſ. oben §. 37. Note 3.). Denn es können wirklich kör-
perloſe äußere Güter wahres Vermögen ſein, wenn ſie der ausſchließliche Beſitz
eines Menſchen ſind und wirklichen Tauſchwerth haben. Hermann iſt hier in
lezteren Kriterien nicht ſtreng konſequent, da er überhaupt die Sorge für die
Beiſchaffung und Verwendung der äußeren Güter Wirthſchaft nennt (§. 3.) und
die als äußere immateriellen Güter bezeichneten Lebensverhältniſſe zum Vermögen
rechnet (§. 7.), obſchon er allgemeinhin und nach ſeinem ſcheinbar noch ſtrengeren
Sinne zum Vermögen den Begriff von Eigenthum fordert, und unter den
weſentlichen Befugniſſen des Eigenthümers das Veräußerungsrecht aufzählt.
Denn die wenigſtens Lebensverhältniſſe haben einen Tauſchwerth. Selbſt die von
ihm z. B. genommene Kundſchaft eines Gewerbsmannes hat nur in einzelnen
[58/0080]
²⁾ Fällen einen ſolchen, während ihr Beſitzer ſich dadurch bereichern kann, ohne ſie
veräußern zu können. Kann aber das Leztere geſchehen, ſo iſt es gewiß ſtets nur
zufolge beſonderer Umſtände, da ſich ſonſt die Kundſchaft freiwillig bei den beſten
Leiſtungen im Verkehre ſammelt. Dieſe beſonderen Umſtände müſſen die Kundſchaft
aber zu einem ausſchließlichen Beſitze ex lege oder de facto für die Zukunft gemacht
haben; im erſten Falle iſt ſie ein Privilegium, im zweiten aber eine Art von
Monopol zufolge des Mangels an Concurrenz. Ricardo, Principles of political
economy. ch. 20., hat wegen ſeiner Anſicht von Werth auch eine verworrene
Anſicht von riches (ſ. unten §. 57. Note 2. und §. 61. Note 2.). Denn er ſagt
dort, dieſer richte ſich nicht nach dem Werthe, ſondern nach dem Ueberſchuſſe zur
Befriedigung der Bedürfniſſe und zum Lebensgenuſſe. Allein der Widerſpruch iſt
klar, da ſich nach ihm der Tauſchwerth nach Seltenheit und Menge, und Schwierig-
keit der Schaffungsarbeit richtet, da die Möglichkeit der Bedürfnißbefriedigung und
die Erhöhung des Lebensgenuſſes von dem Werthe, und nur bei gleichem Werthe
von der Menge der Güter abhängt, da ſich nach jenem die Möglichkeit der Anſchaf-
fungen richtet.
³⁾ Abgeleitet von Werth, Werthſchaffen, Werthſchaft, Wirth-
ſchaft. Es iſt unrichtig, als lezten Zweck der Wirthſchaft blos die Befriedigung
der Bedürfniſſe anzugeben, und um zum Begriffe der Wirthſchaft zu gelangen, von
dem Bedürfniſſe auszugehen. Seeger Syſtem. S. 17. Hermann, ſtaatswirth.
Unterſuchungen. Abh. I. §. 3. Denn einerſeits iſt alsdann wegen der vielfachen
Gründe der Bedürfniſſe die Frage gar nicht beantwortet, und anderſeits begnügt
ſich das menſchliche Streben nicht mit der Befriedigung der Bedürfniſſe, es will
immer Erhöhung des Lebensgenuſſes, im Vergleiche zu welchem am Ende die
Bedürfniſſe ſehr verſchwinden. Rau, Ueber die Kameralwiſſ. §. 9.
⁴⁾ Mit dem Sonnenſchein, Regen, Winde, der Luft, dem Waſſer, der Erde,
als Ganzen, u. ſ. w. findet keine Wirthſchaft Statt, obſchon man aus einer
ſonnigen Bleiche, aus einem Zuber Regenwaſſer, aus dem Winde bei einem Gebläſe,
aus Gasarten, aus einem Brunnen, und aus einem Stücke Boden oder einem
Wagen voll Erde vielen wirthſchaftlichen Nutzen ziehen kann. Hermann a. a. O.
unterſcheidet daher freie und wirthſchaftliche Güter, was ſo viel iſt als Güter
ohne und mit Tauſchwerth. Rau, über die Kameralwiſſ. §. 11.
⁵⁾ Der Begriff Oekonomie iſt nicht gleichbedeutend mit Wirthſchaft,
obſchon in der Regel ſo gebraucht. Daher war auch das früher gebrauchte Oeko-
nomik für Wirthſchaftslehre nicht richtig, obſchon beſſer als Oekonomie. Am
verwerflichſten iſt der Gebrauch von Oekonomie für Landwirthſchaft. Ari-
ſtoteles unterſcheidet im Begriffe von οἰκονομια (von οἴκος und νέμω) die Bezie-
hung zwiſchen dem Herrn und Sklaven, zwiſchen Mann und Frau, Eltern und
Kindern, und den Erwerb (κτῆσις). Der Zweck der Oekonomie iſt darnach gegen-
ſeitige Unterſtützung und Leitung der Familienſachen zur Ausbildung der Mitglieder,
wozu der Erwerb nur als Mittel erſchien, aber an ſich nicht geachtet wurde. Im
Begriffe von Oekonomie kommen alſo auch alle Güter vor, welche keinen Tauſchwerth
haben, nämlich alle körperloſen äußeren und die inneren Güter. Die Oekonomie
(Haushaltung) iſt alſo die Thätigkeit zur Erwerbung, Erhaltung und Anwendung
von Gütern überhaupt, die Wirthſchaft aber nur Theil und Mittel derſelben.
§. 40.
2) Entwickelung des kameraliſtiſchen Syſtemes.
Weder eine reine Anordnung nach den Objekten der Wirth-
ſchaft, wie ſchon verſucht wurde.1), noch eine ſolche nach den
Subjekten derſelben kann ein genügendes Syſtem geben, gerade
weil der Gegenſtand der Wiſſenſchaft ſo eminent praktiſch iſt.
Beide Rückſichten müſſen die Theilungsprinzipien geben. Die
Wirthſchaftslehre ſichtet bei den Wirthſchaften das Spezielle einer
[59/0081]
jeden Eigenthümliche von demjenigen, was ſie gemein haben.
Manche Wirthſchaftsregeln ſind auf jede Wirthſchaftsart anwend-
bar, und ihre Kenntniſſe für jeden verſtändigen Betrieb nöthig,
da ſie ganz einfach und aus den allgemeinen Natur- und Verkehrs-
verhältniſſen der Menſchen entnommen ſind. Es trägt daher:
I. Der allgemeine Theil der Wirthſchaftslehre die allge-
mein giltigen Grundſätze von dem Erwerbe, der Erhaltung und
Verwendung des Vermögens vor. Da aber die zwei lezten Kate-
gorien ſo verwandt ſind, daß ſie die Sprache mit Hauswirth-
ſchaft bezeichnet, ſo theilt ſich dieſer allgemeine Theil ein in:
1) die Erwerbslehre, welche die allgemeinen Gründe und
Mittel des Erwerbes oder der Herbeiſchaffung der wirthſchaftlichen
Güter darſtellt; und 2) die Hauswirthſchaftslehre, welche
die Mittel zur Sicherung der Güter gegen die Zerſtörung oder
Verſchlechterung und die Grundſätze und Regeln von der wirth-
ſchaftlichen Einrichtung der Verwendung der Güter, und zwar dies
Alles blos mit Bezug auf das bei jeder Wirthſchaft vorkommende
Hausweſen, nicht aber mit Rückſicht auf jeden beſonderen objektiv
und ſubjektiv eigenthümlichen Erwerbszweig, darſtellt2). Es
läßt ſich:
II. Der beſondere Theil der Wirthſchaftslehre, welcher die
Grundſätze und Regeln der verſchiedenen Arten von Wirthſchaften
lehren muß, am beſten ſogleich nach den Subjekten eintheilen.
Man unterſcheidet die wirthſchaftlichen Thätigkeiten der Einzelnen,
Stiftungen, Corporationen, Geſellſchaften und Gemeinden von je-
nen des Staates und Volkes als Totalität betrachtet. Jene
Einzelwirthſchaften der Privaten, Stiftungen und Geſell-
ſchaften ſind ſowohl in Bezug auf die Betriebsart, die Ausdehnung
und die Gegenſtände übereinſtimmend, aber auch zugleich verſchie-
den von jener der Gemeindewirthſchaft, und jenen der
Staats- und Volkswirthſchaft3). Man erhält daher füglich
drei Theile der beſonderen Wirthſchaftslehre, die bürgerliche,
die Gemeinde- und die öffentliche Wirthſchaftslehre.
¹⁾ S. §. 35. Note 10.
²⁾ Die Hauswirthſchaft iſt ein bei jeder Wirthſchaft wiederkehrender Geſchäfts-
kreis; ſie iſt etwas Allgemeines, indem ſie das durch irgend einen Erwerbszweig
Errungene zu den allgemeinen Zwecken des Familienlebens bereit hält und darreicht.
Auch ſie wird nur als Mittel zur Haushaltung betrachtet Daher ſteht der Haus-
wirthſchaft nicht, ſondern nur der Haushaltung zu beſtimmen zu, auf welche
Zwecke und was und wie viel zu einem beſtimmten Zwecke verwendet werden ſolle.
Was aber zu wirthſchaftlichen Zwecken allein verwendet werden ſoll, das fällt wieder
in das Bereich der Hauswirthſchaft, nämlich dasjenige, was an ſachlichen Gütern
täglich zubereitet und verzehrt werden muß und darf. Die Verwendungen z. B. für
Unterricht der Kinder beſtimmt die Haushaltung, die Hauswirthſchaft hat die Mittel
[60/0082]
²⁾ hierzu bereit zu halten und abzuliefern, aber nach der Ablieferung dabei nichts mehr
zu thun. Die Verwendungen z. B. für Speiſe und Trank beſtimmt die Haushal-
tung, die Hauswirthſchaft hat die Mittel dazu bereit zu halten, abzuliefern, aber
auch zugleich einzutheilen, zuzubereiten, vorzuſetzen. Dieſe Unterſcheidung iſt ſelbſt
für die Finanzwirthſchaft (§. 44.) von Wichtigkeit. Aber außerhalb des Kreiſes der
Hauswirthſchaft ſteht das Zuſammenhalten des Gewerbsbetriebes, das Bereithalten
der Gewerbsmaterialien, die Beſorgung der Gewerbsauslagen u. dgl.; denn das iſt
etwas Spezielles, jeder Wirthſchaftsart Eigenthümliches, das im folgenden §. zu-
ſammengefaßt wird.
³⁾ Dieſe wichtige Unterſcheidung iſt dem Syſteme von Rau auch entgangen.
Sie muß aber dennoch ſchon nach der Natur der Sache gemacht werden, weil die
Gemeindewirthſchaft von der bürgerlichen ſehr verſchieden iſt, und auch, mit der
Finanzwirthſchaft verglichen, viel Eigenthümliches hat. Dieſe Wirthſchaftslehre iſt
bis jetzt gar nicht bearbeitet, obſchon ſie von der größten Wichtigkeit iſt, beſonders
wenn die Gemeinden ſelbſtſtändige Verwaltung bekommen.
§. 41.
Fortſetzung.
Es ſtellt A. die bürgerliche Wirthſchaftslehre (Privat
W.) die Grundſätze und Regeln der Einzelwirthſchaften dar. Bei
jedem bürgerlichen Gewerbe läßt ſich die Lehre von den einzelnen
Gewerbsgegenſtänden und Gewerbsgeſchäften trennen von der Lehre
von der Einrichtung, von der Zuſammenhaltung und von der Leitung
des ganzen Geſchäftes. Den erſten Theil kann man die Gewerbs-
lehre, den zweiten die Betriebslehre nennen1). Die verſchie-
denen Erwerbsarten ſcheiden ſich nach der Art der Beſchäftigung,
und nach den Objekten weiter ab. Man erwirbt durch körperliche
und örtliche Veränderungen von Stoffen (Stoffgewerbe,
Stoffarbeit) oder durch perſönliche Dienſte (Dienſtgewerbe).
Es lehrt 1) die Stoffgewerbslehre, a) wie man die rohen
Gegenſtände der Natur abgewinnt (die Urgewerbe, Urproduktion,
Erdarbeit)2); b) wie man dieſe rohen Produkte durch mechaniſche
und chemiſche Veränderung veredelt (die Kunſtgewerbe,
Technik, Gewerksarbeit)3); c) wie man die nicht zur eigenen
Verzehrung und Verwendung errungenen Güter gegen Vergütungen
an andere abtritt (die Umſatzgewerbe, Tauſchgeſchäfte)4).
Es lehrt aber 2) die Dienſtgewerbslehre, wie viele Arten von
perſönlichen Dienſten es gibt, und wie die Dienſtgewerbe zu be-
treiben ſind5).
¹⁾ Rau (Ueber die Kameralwiſſenſch. §. 29.) nennt den Erſteren Kunſt-
lehre und den Zweiten dagegen Gewerbslehre. Ohne auf obige Veränderun-
gen beſondern Werth zu legen, möchte ſich der Verf. vor dem Vorwurfe unnöthiger
Neuerungsſucht verwahren. Mit Kunſtlehre ſind allerlei andere Nebenbegriffe,
Gegenſätze der Gewerbe, verbunden; beim Handel und Leihgeſchäfte iſt der Grund,
warum Rau das Wort wählte, nämlich die techniſche Manipulation, nicht ſo
wirkſam, wie bei den andern Gewerben; der bei b. vorkommende Ausdruck
[61/0083]
¹⁾ Kunſtgewerbe könnte Verwirrungen veranlaſſen; der Ausdruck Gewerbe und
Gewerbsbetrieb ſcheint obige Benennung zu rechtfertigen.
²⁾ Der von Rau a. a. O. §. 24. gewählte Ausdruck Erdarbeit möchte
dennoch uneigentlich ſein, wenn auch Fiſche und Vögel mit zur Erde gerechnet
werden müſſen; das von v. Soden gebrauchte Wort Urproduktion iſt bezeichnender,
aber es enthält nicht zugleich den Begriff von Gewerb und Wirthſchaft; die Wahl
des Verf. dürfte daher wohl beſſer ſein.
³⁾ Die eigentliche Bedeutung des Wortes Gewerk hat Rau a. a. O. §. 24.
ſo nach dem Sprachgebrauche fixirt, daß es die Kunſtgewerbe bezeichnet. Darjes
(Erſte Gründe S. 27.) gebraucht es ſpeziell als Gegenſatz der Fabriken und Manu-
fakturen zur Bezeichnung der Kunſtgewerbe, die in der Scheidung der Stoffe beſtehen.
⁴⁾ Man hat die Umſatzgeſchäfte auch ſchon als bloße perſönliche Dienſte
anſehen wollen. Lotz, Handb. der Staatswirthſch. I. S. 186. Verri, Meditazioni
sulla economia politica Milani 1771. = Classici Italiani di Economia Politica.
Parte moderna. T. XV. §. 24. Die Gründe gegen dieſe Anſicht liegen ſchon im
Bisherigen.
⁵⁾ Der Ausdruck Dienſtgewerbe wird von Rau auch insbeſondere von den
zu einer anhaltenden Beſchäftigung gewählten Dienſten gebraucht, z. B. vom Ge-
werbe eines Gaſtwirthes, eines Schauſpielunternehmers. Allein dieſe Begründung
jenes eigenthümlichen Gebrauchs von Dienſtgewerbe ſcheint dem Verf. zu weit, da
dieſer Ausdruck von jedem Geſchäfte jedes Arbeiters, womit er ſich nährt, auch
gebraucht werden kann.
§. 42.
Fortſetzung.
Die früher üblich geweſene Eintheilung der bürgerlichen
Wirthſchaftslehre in die Lehre von der Stadt- und Landwirthſchaft
iſt jetzt ganz ohne Bedeutung, da in der Wirklichkeit ein ſolcher
Unterſchied nicht mehr exiſtirt. Die ſpäteren Verſuche einer Ein-
theilung nach den Objekten aus den drei Naturreichen ſind ganz
unbrauchbar, weil ſie die einzelnen Gewerbsarten mehr oder we-
niger durcheinander werfen1). Es handelt aber a) die Urge-
werbslehre von der Gewinnung roher Erzeugniſſe, ohne vorheriges
Einwirken auf die Entſtehung (Bergbaulehre) oder mit Ein-
wirkung auf dieſelbe (Landwirthſchaftslehre). Die Land-
wirthſchaftslehre lehrt die Feld-, Garten- und Wald- (Forſt-)
Wirthſchaft2). Die mit ihr in Verbindung ſtehende Thierzucht
iſt Zahmthierzucht oder das Waidwerk (Wildthierzucht),
jene gehört zur Feld- und Gartenwirthſchaft, dieſes zur Forſt-
wirthſchaft3). Es handelt b) die Kunſtgewerbslehre oder
Technologie von der Veredelung der Rohſtoffe zur Erhöhung
ihrer Brauchbarkeit. Die Anordnung dieſes wegen ſeiner Uner-
meßlichkeit und fortwährenden Vergrößerung noch nicht völlig
geordneten Stoffes geſchieht am beſten nach den verarbeiteten
Stoffen4). Die beiden anderen Theilungsgründe, nämlich die
Zwecke der Erzeugniſſe, und die Art der Verarbeitung (chemiſch
oder mechaniſch) ſind ſehr unbrauchbar5). Da die Stoffe ent-
[62/0084]
weder Einem der drei Naturreiche, oder Zweien derſelben, oder
allen Dreien angehören, ſo findet aus natürlichen Gründen ſowohl
das Hüttenweſen als die Baukunſt, deren Einreihung früher viel
Schwierigkeit machte, ihren Platz in der Technologie6). Endlich
handelt c) die Lehre von den Umſatzgewerben von dem Ge-
werbe, das durch An- und Verkauf des Eigenthums an Gegen-
ſtänden dem Wirthe Gewinn geben ſoll (Handel) oder von jenem,
welches blos durch periodiſche Abtretung des Nutzungsrechts an
wirthſchaftlichen Gütern gegen eine Vergütung erwirbt (Leih-
gewerbe).
¹⁾ Selbſt ſchon der Bergbau fordert nicht blos mineraliſche Stoffe, z. B. die
Salze, den Torf. Das ganze Gebiet der Technologie müßte bei ſtrenger Conſequenz
zerriſſen werden.
²⁾ Rau, Ueber die Kameralwiſſ. §. 24., glaubt es der Conſequenz ſchuldig zu
ſein, wegen dieſes Theilungsgrundes neben dem Bergbaue noch das Sammeln wild-
wachſender Pflanzen, die wilde Jagd und wilde Fiſcherei aufzuführen, dagegen bei
der Landwirthſchaft die Thierzucht und zahme Jagd zu nennen. Allein dadurch ent-
ſteht eine Zerſplitterung des Syſtems, welche die Conſequenz gar nicht verlangt
(ſ. §. 36. oben). Auf die bergmänniſch zu fördernden Produkte kann der Menſch
nicht erzeugend wirken; auf die Erzeugung wilder Pflanzen will er aber blos nicht
wirken, weil er es nicht braucht; der Unterſchied zwiſchen wilder und zahmer Jagd
iſt aber in der That nur ſcheinbar, und nicht in der Einwirkung auf die Erzeugung
des Wildes zu ſuchen, weil dieſe Einwirkung bei der widerſprüchlich ſogenannten
zahmen Jagd blos in der negativen Sorge beſteht, das Wild nicht überhand nehmen
und nicht ganz ausſterben zu laſſen; auf die Erzeugung der wilden Fiſche im Meere
und in den Strömen kann der Menſch ebenfalls nicht wirken. Es iſt daher gar
kein Verſtoß gegen die Conſequenz, wenn man das Sammeln wildwachſender Pflan-
zen, Früchte, Blüthen, Wurzeln u. ſ. w. als einen Theil der Ernte betrachtet,
die ſogenannte wilde Jagd als das Geſchäft des Jagens bei der ſogenannten zahmen
Jagd betrachtet, und dieſer die Wildfiſcherei einverleibt, welche blos zufolge der
Oertlichkeit und Arbeitstheilung eben ſo von einander getrennt wurden, wie die
Schaafzucht, Pferdezucht und Rindviehzucht.
³⁾ So ſteht die Forſtwirthſchaft im Syſteme, da Land das Geſchlecht,
aber Feld, Garten und Wald die Arten ſind. Allein wegen der Ausdehnung
und Verſchiedenheit der Forſtwiſſenſchaft im Vergleiche mit der Landwirthſchaftslehre
wegen Bearbeitung des Bodens, wegen der Saat und Pflanzung, wegen des Wuchſes
und Pflege der Pflanzen, wegen der Ernte (Hieb) u. ſ. w. hat man ſie, als eine
eigene Wiſſenſchaft, abgeſondert. Darum folgt auch der Verf dieſer Gewohnheit.
Rau, Ueber die Kameralwiſſ. §. 25.
⁴⁾ Dieſe Eintheilung hat Poppe in ſeinen technologiſchen Werken mit vielem
Glücke befolgt, nachdem ſie ſchon von Walther (Syſtem der Kameralwiſſenſchaften.
Thl. III. S. 15.), Broſenius (Technologie. I. S. 10.), Kunz (Ueberſicht der
wichtigſten Handwerke ꝛc. Braunſchweig 1807. 4.), Seeger (a. a. O. S. 29.
Tab. 5.) und von Schmalz (a. a. O. S. 91.) befolgt war.
⁵⁾ Allein der Zweck eines Produkts kann nicht zur Verdeutlichung der Pro-
duktionsverrichtungen dienen, und ein und daſſelbe Produkt dient oft zu vielen ver-
ſchiedenen Zwecken, ſo daß Wiederholungen unvermeidlich ſind, ſelbſt wenn man
eine Klaſſifikation der Zwecke für möglich erklären möchte. — Es gibt auch Gewerke,
und die meiſten ſind ſolche, bei welchen die Arbeiten theils mechaniſch, theils chemiſch
ſind. Daher machte Poppe eine dritte beide Arbeiten verbindende Claſſe von
Gewerksarbeiten. Uebrigens kann dieſe Dreiheit als Theilungsnorm für die Unter-
abtheilungen dienen. — Bei v. Pfeiffer (Lehrbegriffe. Bd. III.) herrſcht noch
völlige Unordnung. Die erſtere Anordnung haben Roſenthal und Leuchs
[63/0085]
⁵⁾ (Syſtem des Handels. Bd. I. S. 11 folg.) befolgt. Die andere aber mehr Jung
(Verf. eines Lehrb. der Fabrikwiſſ. Nürnb. 2te Aufl. 1794. §. 13.), Lamprecht
(Encyclopädie. S. 93. Lehrb. der Technologie. Halle 1787. §. 23 und 24.) und
Sturm (Encyclopädie. §. 394.). Ueber noch andere Eintheilungsgründe ſ. m.
Geier, Ueber Encyclopädie. §. 29.
⁶⁾ Die Baukunſt iſt eine Bearbeitung von Gegenſtänden aller drei Naturreiche
auf mechaniſchem und chemiſchem Wege. Das Hüttenweſen gehört in der Wiſſen-
ſchaft eben ſo wenig zur Bergbaulehre, als die Verarbeitung von Pflanzen- und
Thierſtoffen in die Land- und Forſtwirthſchaftslehre. Würde man das Entgegen-
geſetzte als Prinzip annehmen, dann müßte ſich die Technologie ganz auflöſen und
ſelbſt die Maſchinenlehre verſchwinden. Nichts deſto weniger kann man aber von
einer bergmänniſchen, land- und forſtwirthſchaftlichen Technologie reden.
§. 43.
Fortſetzung.
B. Die Gemeindewirthſchaftslehre lehrt die Grund-
ſätze und Regeln, wonach das Gemeindevermögen auf die zweck-
mäßigſte Weiſe verwaltet, und das Gemeindeeinkommen gerechter
Weiſe und mit der geringſten Gefährdung der Vermögensquellen
der Bürger erhoben, — und die Maximen, wie dieſe Erhebung,
die Bereithaltung des Einkommens zur Verwendung, die Controle
und Rechtfertigung derſelben einzurichten ſei1). Dieſelbe ſteht
nicht durchaus unter den nämlichen Regeln wie die Finanzwiſſen-
ſchaft, ſie hat, obſchon ſie in den allgemeinen Maximen mit ihr
übereinſtimmt, vielmehr viel Eigenthümliches. Schon im Allge-
meinen iſt der Maaßſtab der Staaten zur Einrichtung der Ge-
meindewirthſchaft zu groß, ganz abgeſehen von der eigenthümlichen
Frage über das Gemeindevermögen, über die Umlage und Erhe-
bung der Gemeindeſteuern, über den Gemeindekredit, über die
Rechnungsführung, die Controle und die Organiſirung des Kaſſen-
weſens, und der Wirthſchaftsbeamten. Sie beruht eines Theiles
auf den allgemeinen Sätzen der Volkswirthſchaftslehre, und andern
Theiles auf vielerlei praktiſchen Verhältniſſen und Erfahrungen.
Sie zerfällt aber in die Wirthſchaftslehre und in die Ver-
waltungslehre, wovon jene der theoretiſche, dieſer der praktiſche
Theil iſt, wie die Finanzwiſſenſchaft.
¹⁾ Es gibt nur eine ſolche Gemeinde-Finanzwiſſenſchaft, aber keine Gemeinde-
wohlſtandslehre, weil dieſe mit der Volkswohlſtandslehre in Eins zuſammenfällt,
und die Gemeinden ſtets in den Wohlſtandsmaaßregeln von den Verordnungen und
Geſetzen des Staates ſelbſt abhängen. Aber die Gemeindewirthſchaft hat viel Eigen-
thümliches nicht blos im Vergleiche mit der Privatwirthſchaft, ſondern auch mit der
Finanzwirthſchaft, ſowohl wegen des Umfanges und der Art der Objekte, als auch
wegen der Verwaltung an ſich. Gerade im Mißkennen dieſer Eigenthümlichkeiten
liegen viele praktiſche Fehler in der Gemeindewirthſchaft. S. auch Rau über die
Kameralwiſſenſchaft. §. 15.
[64/0086]
§. 44.
Beſchluß.
C. Die öffentliche Wirthſchaftslehre1) kann nur zwei
Objekte haben, nämlich die Volkswirthſchaft und die Staats-
wirthſchaft. Die Volkswirthſchaftslehre (Nationalökono-
mie) zerfällt in einen theoretiſchen und in einen praktiſchen Theil,
welcher leztere auch die Lehre von der Volkswirthſchafts-
pflege (Gewerbspolizei, Wohlſtandsſorge)2) genannt wird. Die
Staatswirthſchaftslehre3) (Finanzwiſſenſchaft) hat auch
einen theoretiſchen Theil (Finanzwiſſenſchaft im engeren Sinne)
und einen praktiſchen Theil (Finanzverwaltungslehre). Jener
lehrt, wie das Staatseinkommen auf eine die Bürgerrechte und
den Wohlſtand am wenigſten gefährdende Weiſe erhoben werden
kann. Der zweite aber lehrt die Maximen über die beſte Art der
Einrichtung jener Erhebung, der Bereithaltung des Staatseinkom-
mens, der Controle und der Rechtfertigung, wie ſie in die Finanz-
wirthſchaft gehört4).
¹⁾ Auch politiſche Oekonomie genannt, welcher Ausdruck aber, obſchon
von Rau gebraucht, nicht ganz bezeichnend, ſondern mehr ſagend iſt. S. §. 39.
Note 5.
²⁾ Den Ausdruck Volkswirthſchaft hat Rau (Ueber die Kameralwiſſ.
§. 15 und §. 16.) gründlich vertheidigt, woraus zugleich das Verhältniß derſelben
zur Idee einer Weltwirthſchaft klar wird. Weniger überzeugend möchten die im
§. 17. derſ. Schrift dargelegten Gründe ſein, warum die Finanzwiſſenſchaft auch
eine Abtheilung des praktiſchen Theiles der Volkswirthſchaftslehre ſein ſoll. Daß ſie
a) in Betreff der Einnahmen und Ausgaben die allgemeinen Wirthſchaftsregeln der
bürgerlichen Hauswirthſchaft (nicht Haushaltung) benutzen könne; ferner b) daß
ſie verſchiedene Gewerbskenntniſſe wegen Staatsgewerben und Beſteuerung zu Hülfe
nehmen müſſe; ferner c) daß ſie vielfach auf das natürliche Staatsrecht gewieſen
ſei, und d) daß ſie ohne die Volkswirthſchaftslehre keine Wiſſenſchaft geworden
wäre, und ihre Ausbildung immer noch von der fortſchreitenden Entwickelung jener
abhängt, indem die Finanzwirthſchaft ohne Kenntniß und Befolgung der volkswirth-
ſchaftlichen Grundlehren den Volkswohlſtand zernichten würde, — daran iſt nicht zu
zweifeln. Aber eben ſo gut als Rau aus lit. d. ſchließen zu dürfen glaubt, die
Finanzwiſſenſchaft ſei eine Anwendung der Volkswirthſchaftslehre und folglich ein
praktiſcher Theil derſelben, kann man auch ſchließen, daß ſie eine Anwendung der
Gewerbswiſſenſchaften und des natürlichen Staatsrechtes und ein praktiſcher Theil
von dieſen ſei. Rau wählte das Wort Anwendung ſehr richtig, aber es bedeu-
tet nicht ſo viel wie Ausführung. In der Wiſſenſchaft der Volkswirthſchaftspflege
werden die Grundſätze gelehrt, wie die Prinzipien der Volkswirthſchafts-
lehre auszuführen ſind, um den Nationalwohlſtand zu befördern. In der
Finanzwiſſenſchaft wird gelehrt, wie die finanziellen Prinzivien auszu-
führen ſind, ohne den Nationalwohlſtand zu zerſtören, weswegen die volks-
wirthſchaftlichen Grundſätze hier im wahren Sinne nicht ausgeführt, ſondern
blos angewendet werden. Die Ausführung, vorausſetzend daß ſie ſelbſt der
nächſte Zweck iſt, bildet das Weſentliche des Praktiſchen einer Wiſſenſchaft; die bloße
Anwendung, vorausſetzend daß bereits andere Prinzipien zur Ausführung gegeben
ſind, welche blos modifizirt und in der Erreichung der Zwecke unterſtützt werden
ſollen, bildet blos das Weſentliche der Lehnſätze (Lemmata), die aus einer anderen
Wiſſenſchaft herbeigezogen werden. In der That zeigt auch ein Blick auf das
[65/0087]
²⁾ Finanzweſen, z. B. gerade auf die indirekten Steuern, daß in ihm die volkswirth-
ſchaftlichen Lehrſätze keineswegs gerade ausgeführt, ſondern von den finanziellen
Prinzipien modifizirt werden; ferner z. B. bei den direkten Steuern, daß die
volkswirthſchaftlichen Lehrſätze gebraucht werden, um alle Einkommensarten aufzu-
finden und den Reinertrag bei einer jeden zu beſteuern; endlich z. B. bei der
Capitalienſteuer, daß die volkswirthſchaftlichen Lehrſätze ſie zu billigen ſcheinen,
während die ſiegenden finanziellen Prinzipien ihre Einführung nicht geſtatten.
Weder das Finanzielle noch das Volkswirthſchaftliche kann in der Finanzwiſſenſchaft
allein durchgreifen; das Charakteriſtiſche iſt vielmehr die Concurrenz oder die
Kreutzung beider Prinzipien, bei welcher das erſtere poſitiv, das zweite aber negativ
thätig iſt. Aus dieſen Gründen kann alſo die Finanzwiſſenſchaft kein Theil der
praktiſchen Volkswirthſchaftslehre ſein; ſie ſteht für ſich allein und hat auch ihren
theoretiſchen und praktiſchen Theil. In wieferne aber dieſe formelle Frage für das
Materielle dieſer Wiſſenſchaft von der größten Wichtigkeit iſt, das wird bei der
Finanzwiſſenſchaft ſelbſt gezeigt werden. v. Malchus, Handb. der Finanzwiſſenſch.
und Finanzverwaltung. Stuttg. 1830. I. S. 5. Hermann, ſtaatsw. Unter-
ſuchungen. Abh. I. §. 14. Schön, Grundſätze der Finanz (Breslau 1832).
S. 10–19. Meine Recenſion dieſer Schrift in den Heidelberger Jahrbüchern.
Jahrgang 1833. S. 595.
³⁾ Dies Wort wird auch für öffentliche Wirthſchaftslehre und für Volkswirth-
ſchaftslehre gebraucht. Nach Einführung dieſes lezteren Ausdrucks kann ſein Ge-
brauch in obigem ſpeziellen Sinne um ſo weniger Anſtoß finden, als in der Kunſt-
ſprache Volk und Staat einander gegenüber ſtehen.
⁴⁾ Man ſieht, daß die Finanzverwaltungslehre das eminent Praktiſche und
nach einzelnen Staatsverhältniſſen Wandelbare iſt, wofür ſich nur wenige allgemein
wiſſenſchaftliche Regeln aufſtellen laſſen. Die Gegenſtände derſelben ſind verſtändlich
bis auf die Rechtfertigung, in ſo weit ſie das Finanzweſen angeht.
Hier findet auch das §. 40. Note 2. Geſagte Anwendung. Denn der Finanzminiſter
iſt der Staatshauswirth, und hat als ſolcher die Verwendung der den einzel-
nen andern Departements-Miniſtern abgelieferten Summen nicht zu rechtfertigen,
ſondern blos die Erhebung, die Bereithaltung des geſammten Staatseinkommens,
die Controle über dieſe Zweige und die Verwendung der ſeinem eigenen Departe-
ment zugetheilten Summe.
Baumſtark Encyclopädie. 5
[[66]/0088]
Allgemeine Wirthſchaftslehre.
Erſter Theil.
Erwerbslehre.
§. 45.
Vorbegriffe.
Erwerben heißt mit Hilfe von Aufopferungen für ſich oder für
Andere Einnahmen bewirken1). Gewerbe aber iſt die fortgeſetzte
Thätigkeit auf eine beſtimmte anhaltend gewählte Erwerbsart.
Daſſelbe iſt verſchieden vom Gewerke, worunter man dasjenige
Gewerbe verſteht, welches die veredelnde Umgeſtaltung der Roh-
ſtoffe zum Zwecke hat. Der Erwerb hat auch den Zweck der
Wirthſchaft, nämlich Befriedigung der Bedürfniſſe und Erhöhung
des Lebensgenuſſes. Die Erwerbslehre muß alſo Unterſuchungen
enthalten über die wirthſchaftlichen Bedürfniſſe, über die Erwerbs-
mittel, und über die Arten des Erwerbes im Allgemeinen2).
¹⁾ Ob der Betrüger, der Dieb und der Räuber auch erwerben, und Gewerbe
treiben, dies iſt leicht zu entſcheiden nach den Geſetzen der Moral und des Rechts,
ohne deren Befolgung kein wirklicher Erwerb Statt finden kann.
²⁾ Zur Literatur der wenig bearbeiteten allgemeinen Wirthſchaftslehre gehört:
Walther, Verſuch eines Grundriſſes der allgemeinen Oekonomie. Gießen 1795.
Völlinger, Grundriß einer allgemeinen Wirthſchaftslehre. Heidelberg 1796.
Klipſtein, Reine Wirthſchaftslehre. Gießen 1797. Florinus, der klug- und
rechtsverſtändige Hausvater. 2te Ausg. Nürnb. 1705. Folio. S. 131. (v. Münch-
hauſen) Hausvater. Hannover 1764–73. VI Bde. (Heumann) Der politiſche
Philoſophus. Frankfurt 1724. S. 159. Merrem, Allgemeine Grundſätze der
bürgerlichen Wirthſchaft und Haushaltung. Göttingen 1817.
Erſtes Hauptſtück.
Von den wirthſchaftlichen Bedürfniſſen.
§. 46.
1. Begriff von Bedürfniß.
Die Abhängigkeit des Menſchen von Natur und Verkehr (§. 37.)
zeigt ſich bei ihm durch Wünſchen und Begehren, durch Fürchten
[67/0089]
und Fliehen. Dieſen Affekten und Affektsäußerungen liegt beim
Thiere der Inſtinkt, beim Menſchen aber das Bewußtſein zu
Grunde. Sie haben aber ihren objektiven Entſtehungsgrund in
obigem Verhältniſſe des Menſchen zu Natur und Verkehr, welches
als ein Zuſtand der Abhängigkeit von Gütern aller Art bezeichnet
werden kann, die ihm Dienſte leiſten müſſen, wenn er nicht in
Nachtheile von verſchiedenen Graden der Empfindlichkeit gerathen
ſoll. Dieſer Zuſtand wird Bedürfniß1) genannt. Objektiv ge-
nommen bezeichnet man aber damit auch die Güter, welche ihn
aus jenem zu reißen im Stande ſind, d. h. ſeine Bedürfniſſe in
jenem ſubjektiven Sinne genommen zu befriedigen vermögen.
Kommt der Menſch nicht in den Beſitz und zum Gebrauche der-
ſelben, dann tritt die Entbehrung ein, deren Grad von der
Wichtigkeit derſelben für beſtimmte Zwecke und von der Wichtigkeit
dieſer Zwecke ſelbſt abhängt, und den Grad des Bedürfniſſes
anzeigt.
¹⁾ Die Bedürfniſſe ſind daher mit Unrecht als eine ſubjektive Nothwendigkeit,
deren Gegentheil nicht möglich iſt, bezeichnet worden. Verſuch einer logiſchen
Begründung der Wirthſchaftslehre. S. 7. Rau, Ueber die Kameralwiſſenſch. §. 9.
§. 47.
2. Arten der Bedürfniſſe. Naturbedürfniſſe.
In Bezug auf die Entſtehungsgründe ſind die Bedürfniſſe ent-
weder Natur- oder Verkehrsbedürfniſſe; in Bezug auf die
Güter ſelbſt aber kann man ſie auch in wirthſchaftliche und
außerwirthſchaftliche eintheilen1). Die Naturbedürfniſſe
entſpringen nicht blos aus der Natur als Gegenſatz des Menſchen,
ſondern auch aus der Natur des Menſchen ſelbſt, und wechſeln
alſo nicht nur in jedem Menſchen nach ſeiner Natur, ſondern auch
nach den Zuſtänden, in welchen ſich ſeine Natur periodiſch be-
findet. Unter dieſen Bedürfniſſen laſſen ſich alſo unterſcheiden:
a) die allgemeinen Naturbedürfniſſe, welche nämlich aus
den durchgehenden Verhältniſſen der Menſchheit zur Natur hervor-
gehen und bei allen Menſchen zu allen Zeiten gefunden werden2),
und b) die beſonderen Naturbedürfniſſe, welche nämlich den
einzelnen Menſchen, Menſchenraſſen und den Bewohnern beſtimmter
Zonen, Länder und Gegenden in ihren manchfachen Zuſtänden ei-
genthümlich ſind3).
¹⁾ Eine Eintheilung der Bedürfniſſe in ſolche der Nothwendigkeit, Bequem-
lichkeit und des Wohllebens läßt ſich weder durch den Sprachgebrauch noch durch
den Begriff von Bedürfniß rechtfertigen. S. Steinlein, Handbuch der Volkswirth-
ſchaftslehre. München 1831. I. S. 219.
5 *
[68/0090]
²⁾ z. B. Nahrung, Kleidung, Wohnung, Schutz gegen die Naturgewalten,
Schlaf.
³⁾ Die Reiſebeſchreibungen bieten Beiſpiele in Menge dar. Aber die Bedürf-
niſſe einzelner Individuen ſind nicht blos durch Naturzuſtände im ſtrikten Sinne,
wie z. B. bei den verſchiedenen Krankheiten, ſondern auch durch die Macht der
Gewohnheit, die dem Menſchen zur anderen Natur werden kann, begründet, wie
z. B. das Bedürfniß eines Mittagsſchlafes, Spazierganges, des Tabackrauchens und
Schnupfens, des Branntwein-Trinkens.
§. 48.
Fortſetzung. Verkehrsbedürfniſſe.
Unter den Verkehrsbedürfniſſen ſind nicht jene objektiven
Bedürfniſſe zu verſtehen, womit der Verkehr den Menſchen ver-
ſteht; denn in dieſem Sinne gehören auch Naturbedürfniſſe, z. B.
Nahrung und Kleidung, dazu. Sie ſind vielmehr diejenigen Be-
dürfniſſe, in welche der Menſch durch das Verkehrsleben geſetzt
wird. Sie ſind außerordentlich verſchiedener Art, und können
nach den Rangſtufen geordnet werden, welche die Bürger und ihre
geſellſchaftliche Vereinungen im Verkehre einnehmen. Objektiv iſt
aber darunter alles dasjenige zu rechnen, ohne was eine Bürger-
klaſſe und eine geſellſchaftliche Vereinigung der Bürger nicht ſo
exiſtiren kann, wie es ihre Zwecke und ihr geſelliges Zuſammen-
leben erheiſchen. Sie ſind Folge von geſellſchaftlichen Gewohnheiten,
Gebräuchen und Nothwendigkeiten, und für den Menſchen als
Standesangehörigen ſo wie für die geſellſchaftlichen Vereinigungen
als ſolche gerade ſo nothwendig, als die Naturbedürfniſſe für den
Menſchen als Naturweſen. Man kann daher unterſcheiden: a) Ver-
kehrsbedürfniſſe einzelner Bürgerklaſſen1); b) Verkehrsbedürfniſſe
von Geſellſchaften, als moraliſchen Perſonen, welche beſtimmte
Zwecke befolgen2); c) Gemeindebedürfniſſe, d. h. welche für die
Gemeinde, als moraliſche Perſonen mit beſtimmten Zwecken, ent-
ſtehen; d) Staatsbedürfniſſe für alle Staatszwecke, und e) Be-
dürfniſſe der Völkerſtaaten3).
¹⁾ z. B. ſtandesmäßige Kleidung, Wohnung und Nahrung; verſchiedene Be-
dürfniſſe je nach den eigenthümlichen Beſchäftigungen in Wiſſenſchaften, Künſten und
Gewerben.
²⁾ z. B. Lokale, Heitzung, Dienerſchaft, Bücher-, Modell-, Inſtrumenten-,
Naturalienſammlungen u. dgl.
³⁾ Dieſe drei lezten bürgerlichen und Staatsvereinigungen mit ihren großen
Bedürfniſſen ſind beſonders in neueſter Zeit wichtig.
§. 49.
Wirthſchaftliche Bedürfniſſe. Luxus. Bedarf.
Wirthſchaftliche Bedürfniſſe ſind ſolche, welche blos
wirthſchaftliche Güter betreffen. Sie ſind ſowohl Natur- als auch
[69/0091]
Verkehrsbedürfniſſe1). Da, wo dieſe verſchiedenen Arten von
Bedürfniſſen aufhören, beginnt der Luxus, deſſen anderſeitige
Gränzen unbeſtimmbar ſind, der aber wie das Bedürfniß ſeinen
Urſprung in der Sinnlichkeit des Menſchen und im Verkehre hat.
Er iſt wechſelnd mit der geſchichtlichen Entwickelung der Menſch-
heit, mit den Rangſtufen der Bürgerklaſſen und mit der Entwicke-
lung des Geſellſchafts-, Gemeinden-, Staaten- und Völkerſtaaten-
lebens2). Da der Luxus mit der Sinnlichkeit, Eitelkeit und dem
Prunke unmittelbar verknüpft iſt, ſo iſt er aus der Geſellſchafts-,
Gemeinde- und Staatswirthſchaft ausgeſchloſſen; denn jene Coeffi-
zienten des Luxus ſind der Natur dieſer moraliſchen Perſonen
fremd3). Sowohl der Luxus als die wirthſchaftlichen Bedürfniſſe
erheiſchen eine gewiſſe Menge von Befriedigungsmitteln. Die zu
einem beſtimmten Zwecke nöthige Menge von Leztern, beſtimmt
durch Zahl und Maaß, heißt man Bedarf4).
¹⁾ Die Bedürfniſſe gehören alſo nicht darum in die Wirthſchaft, weil zu ihrer
Befriedigung ſachliche Güter erfordert werden, wie Rau (Ueber die Kameralwiſſ.
§. 10.) meint; denn auch bloße wirthſchaftliche Verhältniſſe können Wirthſchafts-
bedürfniſſe ſein, wie z. B. die Kundſchaft.
²⁾ Man hat den Luxus ſchon für Alles genommen, was der Menſch über die
natürlichen Bedürfniſſe genießt. Daß hierbei der Forſcher ins Bodenloſe geräth, iſt
gar nicht zu bezweifeln. Keine Moral kann ſo weit gehen. Gerade ſo erſcheint
aber auch ſeine andere Seite grenzenlos bis zum gänzlichen Verfalle einer Nation.
Luxus bleibt daher ein relativer Begriff im Allgemeinen, obſchon man ihn im ge-
gebenen Falle beſtimmen kann. Er enthält diejenigen Genüſſe, welche die wirth-
ſchaftlichen Natur- und Verkehrsbedürfniſſe derjenigen Rangſtufe in der bürgerlichen
Geſellſchaft überſchreitet, von deren Luxus die Rede iſt. So wie bei einer rohen
Nation das als Luxus erſcheint, was bei einer civiliſirten wahres Bedürfniß iſt; ſo
wie das wahre Bedürfniß der Bewohner des Südens und Nordens dem Volke in
der gemäßigten Zone Luxus iſt; ebenſo iſt bei einer Bürgerklaſſe ſchon Luxus, was es
bei der andern noch nicht, und bei dieſer, was es bei der Fürſtenfamilie nicht iſt.
Ferguson, An Essay on the History of the civil society. pag. 165. 285. 292. 369.
Melon, Essais politiques. Chap. 9. Pinto, de la circulation. pag. 324. Destutt
de Tracy, Commentar über Montesquieus Geiſt der Geſetze. Buch VII. storch,
Cours d'économie politique, überſetzt von Rau. II. 189. Rau, Ueber den Luxus.
Erlangen 1817. Deſſen Lehrbuch der polit. Oekonomie. I. §. 343. folg. (Deſſen
Definition von Luxus aber ganz unbefriedigend iſt, weil er nicht erklärt, was
„entbehrlicher Gütergenuß“ und was „weſentliches Bedürfniß“ iſt.) Krauſe, Ver-
ſuch eines Syſtems der National- und Staatsökonomie. I. S. 52 folg. A. smith,
Inquiry. IV. pag. 240. say, Cours complet. VI. pag. 16. 126. Ueberſetzt von
v. Theobald. VI. 13. 97. Considérations sur les richesses et le luxe. Amster-
dam et Paris 1787. Chap. 12–17. Necker, De l'administration des Finances
de la France. III. Chap. 11. p. 92. Galiani, Della Moneta. II. 157. (Economisti
Classici Italiani. P. moderna. Tom. IV.)
³⁾ Daher kommt es auch, daß alle Geſellſchaften, Gemeinden und Staaten,
welche Luxus in ihrer Wirthſchaft haben, bald in Verfall gerathen. Wilda, das
Gildenweſen im M. A. Halle 1831. Boſſe, Grundzüge des Finanzweſens im
römiſchen Staate. Leipzig 1804. II Bde. Beiſpiele gibt auch Frankreich in einigen
Perioden vor der Revolution.
⁴⁾ Der Bedarf iſt nicht blos eine durch Zahl und Maaß beſtimmte Menge
objektiver Bedürfniſſe an ſachlichen Gütern, wie Rau (Ueber die Kameralwiſſenſch.
[70/0092]
⁴⁾ S. 19.) meint, ſondern er iſt etwas weit Allgemeineres. Denn es gibt auch einen
Bedarf zum Luxus, ſo wie man auch von einem Bedarfe an inneren und immateri-
ellen äußern Gütern ſpricht. Schon der Bedarf im wirthſchaftlichen Sinne erſtreckt
ſich weiter als auf ſachliche Güter.
Zweites Hauptſtück.
Von den wirthſchaftlichen Erwerbsmitteln.
§. 50.
1. Produktion.
Da kein Erwerb ohne Aufopferung Statt findet (§. 46.), ſo
ſetzt der Erwerb ſowohl durch Stoffarbeiten als durch perſönliche
Dienſte äußere und innere Güter voraus, durch deren Anwendung
man erwirbt. Vor jedem Erwerbe müſſen alſo Güter von Ge-
brauchswerth oder von Tauſchwerth gegeben ſein, und da auch
dieſe wieder hervorgebracht ſein müſſen, ſo iſt das lezte Mittel des
Erwerbs die Hervorbringung (Produktion)1). Ihr nächſter
Zweck iſt die Erlangung von Gütern, ihr Endzweck der Genuß,
und ihr Mittelzweck der Erſatz der durch die Produktion verwen-
deten alten Güter, weil ohne dieſen ſich der Hervorbringer wirth-
ſchaftlich entweder nicht verbeſſerte oder gar verſchlimmerte. Die
Wirthſchaft verlangt alſo von jeder hervorbringenden Thätigkeit:
1) daß ſie uns der Materie oder der Veränderung nach neue Gü-
ter verſchafft; 2) daß ſie uns Güter verſchafft, welche für uns
entweder Gebrauchs- oder Tauſchwerth haben; 3) daß ſie uns in
den neuen Gütern die zu ihrer Gewinnung verwendeten Güter
vergütet, und 4) daß ſie uns über die Vergütung hinaus noch
einen Ueberſchuß an werthvollen Gütern verſchafft2). Es iſt aber
alſo auch a) jede Beſchäftigung wirthſchaftlich produktiv, welcher
entweder mittelbar oder unmittelbar jene Kriterien zukommen3);
b) es ſetzt jede produktive Beſchäftigung den Werth eines zu pro-
duzirenden Gutes als etwas bereits Erkanntes voraus4); c) die
bloße Entdeckung neuer Tauglichkeiten an Gütern iſt noch nicht
produktiv, ſondern es wird dies erſt ihre Benutzung in hervorbrin-
genden Geſchäften5).
¹⁾ Vorzügliche Literatur: A. smith, Inquiry. II. 93. 138. (Book II. Chap.
III. et V.) Malthus, Principles of Political Economy. Franzöſiſch überſetzt von
Constancio. I. 30. Ganilh, Dictionnaire de l'économie politique. p. 415. Edin-
burgh Review. IV. 343. Quarterly Review. No. 87. p. 5. Rau, Lehrbuch der
politiſchen Oekonomie. I. §. 69. 82. 103. Lotz, Handbuch der Staatswirthſchafts-
lehre. I. §. 31 folg. storch, Cours d'économie politique, überſetzt von Rau.
I. 81. III. 249. 271. Mac-Culloch, Principles of Political Economy, überſetzt
von Weber. S. 1. 47. 112. Hermann, ſtaatswirthſch. Unterſuch. S. 20 folg.
[71/0093]
¹⁾ und der dort citirte Read, Political Economy. Edinburgh 1829. Chap. 4. Auch
say, Cours d'économie politique. I. 170 sqq. 243. 279. Ueberſetzt von v. Theo-
bald. I. 125. 180. 208.
²⁾ Unter dieſen Geſichtspunkten iſt die Produktivität der Gewerbe zu entſchei-
den, ſowohl in Betreff der Privat- als der Volkswirthſchaft. Natürlich ergeben ſich
für die Erſtere andere Reſultate als für die Leztere, weil das Vermögen, von deſſen
Vergrößerung die Rede iſt, in zwei Hauptbeziehungen erſcheint. Der sub 3. ange-
führte Satz ſcheint mit §. 39. in Widerſpruch zu ſtehen, wenn nicht bemerkt wird,
daß der Ausdruck „für uns“ hier bezeichnen ſoll, daß ein Gut, wenn es auch
Tauſchwerth hat, vom Wirthe dennoch blos verbraucht und nicht vertauſcht werden kann.
³⁾ Dieſes iſt unbeſtritten von den Gewerben in Bezug auf das Privatvermögen.
Beſtritten aber in Bezug, auf das Volksvermögen. Jedoch darüber entſcheidet die
Volkswirthſchaftslehre.
⁴⁾ Es iſt alſo Rau (Lehrb. der polit. Oekonom. I. §. 82. §. 69.) mit ſich
ſelbſt im Widerſpruche, da er an jener Stelle behauptet, zur Entſtehung eines
ſachlichen Gutes werde ſchon der Stoff und die Anerkennung der Brauchbarkeit
deſſelben vorausgeſetzt, nachdem er an dieſer Stelle ſchon geſagt hat, Produktion
ſei die Thätigkeit zur Vermehrung der Güter durch Werthserhöhung der Stoffe.
Denn nach dieſer lezten Anſicht wären nur die Kunſtgewerbe produktiv.
⁵⁾ Es iſt daher auch leicht erſichtlich, daß Rau (Lehrb. I. §. 83.) unter Pro-
duktion fälſchlich und im Widerſpruche mit ſeiner obigen Anſicht (Note 3.) blos die
Vermehrung brauchbarer Körper und die Entdeckung von Tauglichkeiten verſteht.
Denn wird der Werth als etwas Anerkanntes vorausgeſetzt, dann kann die Pro-
duktion nicht mehr in ſeiner Entdeckung beſtehen. Hermann, ſtaatswirthſchaftliche
Unterſuchung. S. 20–26.
§. 51.
2. Hauptbeziehungen der Produktion.
Die Produktion hat eine doppelte Bedeutung, nämlich jene
im Sinne der Technik (techniſche Produktion) und jene im
Sinne der Wirthſchaft (wirthſchaftliche Produktion). Unter
jener iſt die Schaffung eines vollendeten Erzeugniſſes materieller
oder immaterieller Art zu verſtehen. Sie iſt vollendet, ſobald das
Erzeugniß nach den Regeln der höheren oder der Gewerbskunſt fertig
iſt1). Unter dieſer aber verſteht man der Natur der Sache nach jede
materielle oder immaterielle Hervorbringung, welche durch das
neue Erzeugniß nicht allein den dazu gemachten Aufwand erſetzt,
ſondern auch darüber noch einen Ueberſchuß von Gütern anerkann-
ten Werthes gibt (§. 50. 39.). Sie iſt folglich vollendet, wenn
ſich dieſer Ueberſchuß im Eigenthume des Hervorbringers befindet2).
Ob der Hervorbringer dieſen Ueberſchuß durch Jemanden erhält,
an welchen er ſein Erzeugniß vertauſcht hat, oder ob er ihn im
Gute ſelbſt für ſich behält, das iſt hierbei ganz gleichgiltig3).
¹⁾ Hermann (ſtaatswirthſch. Unterſuchungen. S. 29.) hat daher Unrecht, da
er ſagt, ein Produkt ſei techniſch fertig, wenn es zu Geld gemacht, und
dagegen ökonomiſch fertig, wenn der Aufwand und der Ueberſchuß durch den Geld-
werth bezahlt ſei.
²⁾ Es iſt uneigentlich geſagt, ein Produkt ſei ökonomiſch fertig, wenn man
auch ganz von der Einſeitigkeit der Hermann'ſchen Beſtimmung darüber (Note 1.)
[72/0094]
²⁾ abſehen will, man müßte denn den Ueberſchuß als das wirthſchaftliche Produkt an-
ſehen, und nicht auch, was ſonſt noch im eigentlichen Produkte enthalten iſt.
Die Bezahlung des Geldwerthes allein kann nicht die wirthſchaftliche Vollendung
einer Produktion beſtimmen, da man auch andere Güter gegen das Produkt einge-
tauſcht haben oder es für ſich zum Gebrauche behalten kann (Note 3.).
³⁾ Die Wirthſchaft geſchieht zwar nur mit Gütern von Gebrauchs- und
Tauſchwerth (§. 39.). Allein daraus folgt noch nicht, daß auch alle producirten
Güter vertauſcht werden müſſen. Z. B. die Kleider, welche ein Schneider, die
Schuhe, welche ein Schuſter für ſich und ſeine Familie ſelbſt macht; ein Landgut
mit allerlei techniſchen Nutzungen, z. B. Mühlen, Brauereien, mit Viehzucht,
welche das vom Ackerbaue gelieferte Futter braucht, gibt viele Beiſpiele davon, daß
nicht alle Produkte vertauſcht zu werden brauchen, ſondern vom Wirthe ſelbſt wie-
der verwendet werden.
§. 52.
Fortſetzung.
Die Produktion iſt daher ſowohl von der Seite des Produ-
zenten, als auch von jener des Conſumenten zu betrachten
(§. 50.). Bei jenem iſt das Ziel der techniſchen, bei dieſem aber
das Ziel der wirthſchaftlichen Produktion. Denn dieſer erſtattet
jenem, wenn es auch eine und dieſelbe Perſon iſt, den Produktions-
aufwand und verſchafft jenem in der lezten Inſtanz den Produk-
tionsüberſchuß. Es ſind demnach unter obigen (§. 50.) Bedingniſſen
noch alle Gewerbe produktiv zu nennen, welche auf ein Produkt
fördernd wirken nach dem techniſchen Produzenten bis zur Ablie-
ferung an den Conſumenten1). Die Bedingungen der Produktivität
der Gewerbe für den Conſumenten2) ſind daher: 1) daß das Gut
ſeinen Zwecken entſpreche; es wird um ſo mehr begehrt, je größer
ſein Werth iſt (§. 39.); 2) daß es mit der möglichſt geringſten
Aufopferung in ſeinen ausſchließlichen Beſitz komme; bei gleicher
Aufopferung gibt alſo ſeine techniſche Vollkommenheit und ſein
Werth, dagegen bei wirklicher Gleichheit dieſer beiden bei Gütern
die geringſte Aufopferung, beim Begehre den Ausſchlag. Es iſt
folglich produktiv auf Seiten des Conſumenten jede Leiſtung,
a) welche ihm ihre Erzeugniſſe um keine höhere Aufopferung ver-
ſchafft, als um welche er ſie ſonſt erlangen könnte; b) welche ihm
um dieſe Aufopferung werthvolle Produkte verſchafft, und c) bei
welcher die Aufopferung überhaupt das Werthsverhältniß des Gutes
nicht überſteigt3).
¹⁾ Auch hier iſt die Frage über die Produktivität der Gewerbe eine doppelte.
Privatwirthſchaftlich wird ſie unſtreitig bejaht. Volkswirthſchaftlich iſt ſie am be-
ſtrittenſten.
²⁾ Sie ſind für die Produktivität der Gewerbe auf Seiten des Producenten
ſchon in: §. 50. angegeben.
³⁾ Einſeitig hat daher Hermann (ſtaatswirthſch. Unterſuchungen. S. 31.)
die Bedingungen beſtimmt, da er behauptet, produktiv auf Seiten des Conſumenten
[73/0095]
³⁾ ſei jede Leiſtung, welche ihm keine höhere Aufopferung beim Eintauſche ihrer Pro-
dukte auflege, als er auf anderem Wege für ſie machen müßte. Beiſpiele gibt es
zur Erläuterung im materiellen und immateriellen Verkehre in Menge.
§. 53.
3. Wirthſchaftliche Güterquellen.
Die Quellen und Mittel, aus denen die wirthſchaftlichen Gü-
ter entſpringen, ſind:
1) Die Natur, denn ohne ſie vermag der Menſch nichts. Sie
unterſtützt ihn aber:
a) Durch ihre geheimen Kräfte, deren Erforſchung die
wichtigſte geiſtige Thätigkeit des Menſchen iſt, deren Unterſtützung
in allen nur denkbaren menſchlichen Geſchäften unentbehrlich ſind,
und deren Wirkung entweder chemiſch oder mechaniſch iſt.
b) Durch ihre verſchiedenen Körper, welche als Gegen-
ſtände, woran, worin und worauf die Naturkräfte wirken, voraus-
geſetzt werden müſſen, zur materiellen Produktion des Menſchen
unentbehrlich ſind, und zu ſeiner menſchlich geiſtigen Exiſtenz nicht
fehlen dürfen. Es gehören hierher:
α) alle Naturkörper der drei Reiche, nebſt ihren Kräften;
β) die Erde ſelbſt, als ein Ganzes, mit ihrem Inhalte;
γ) die Luft, als Ganzes, und die Luftarten;
δ) das Waſſer, als Ganzes, und in ſeinen manchfachen Ein-
zelerſcheinungen.
2) Die Arbeit des Menſchen, ohne welche die Natur für
den Menſchen nicht blos nutzlos, ſondern ſchädlich wäre (§. 37.).
Durch die Arbeit, d. h. durch ſeine Kraftanſtrengung, erforſcht
der Menſch ihre Geheimniſſe; durch ſie macht er ſich ihre Kräfte
und Körper zu Nutzen; durch ſie wirkt er ihren ſchädlichen Ein-
flüſſen entgegen; durch ſie erhöht er die Menge und den Werth der
Naturprodukte; durch ſie leiſtet er ſeinem Nebenmenſchen Dienſte.
Durch ſie wird die Wirkſamkeit der Natur für's Menſchenleben
überhaupt erhöht und der Verkehr allein möglich1).
¹⁾ Rau, Ueber die Kameralwiſſenſchaft. §. 7.
§. 54.
Fortſetzung. Capital.
3) Die bereits vom Menſchen mit Hilfe jener beiden
erworbenen und aufgeſparten Güter1). Dieſe eignet ſich
der Menſch in immer größerer Menge an, je weiter ſeine Civili-
ſation ſteigt. Sie dienen ihm theils als Objekte, woran ſich die
[74/0096]
Natur- und Menſchenkräfte äußern ſollen, theils als Unterſtützungs-
mittel in dieſer Kraftäußerung. Sie ſind auch nur einigermaßen
kultivirten Völkern ſchon ein drittes wichtiges Element der Her-
vorbringung. Sie werden entweder zur Produktion verwendet oder
nicht. Im erſten Falle dienen ſie in wirthſchaftlichen Geſchäften
als Grundlage zur Gewinnung wirthſchaftlicher Güter. Im an-
deren Falle beſteht ihr Zweck blos in ihrer Verwendung zur un-
mittelbaren Verzehrung ohne Beabſichtigung einer Produktion oder
ſie haben noch gar keine feſte beſondere Beſtimmung. Im erſten
Falle heißen ſie Capital (Erwerbsſtamm), d. h. eine Maſſe der
durch Natur, Arbeit und Capital erworbenen wirthſchaftlichen2)
Vermögenstheile, welche überhaupt als Grundlage des Erwerbes
von wirthſchaftlichen Gütern angewendet ſind3). Im zweiten Falle
heißt man ſie Verbrauchsvorrath, d. h. eine Maſſe ſolcher
Vermögenstheile, welche ohne beabſichtigte Produktion zur Ver-
zehrung beſtimmt ſind4). Im dritten Falle endlich, wo aus ihnen
noch beides gemacht werden kann, heißen ſie todter Vermögens-
ſtamm, d. h. die Maſſe von Vermögenstheilen, deren Verwendung
noch nicht entſchieden und deren Nutzung überhaupt noch nicht be-
kannt iſt5).
¹⁾ Vorzügliche Literatur: A. smith, Inquiry. II. 1. sqq. Garve's Ueberſ.
II. S. 3. der III. Ausg. (Iſt gerade hier ſehr ſchlecht überſetzt, und wahrſcheinlich
Urſache von den vielen Verwirrtheiten in der Lehre vom Capitale bei Krauſe,
Verf. eines Syſtems der National- und Staats-Oekonomie. Bd. I.) Steuart, Political
Economy. B. IV. 1. ch. 4. B. II. ch. 4. oder vol. IV. p. 19. I. p. 241. der Baſeler
Ausgabe von 1796. v. Jacob, Nationalökonomie. III. Ausg. S. 91. Hufe-
land, Neue Grundlegung der Staatswirthſchaftskunſt. I. 126. 230. Ricardo,
Principles of Political Economy. p. 14. 109. Malthus, Principles of Political
Economy. Franz. Ueberſ. v. Constancio. I. 428. Torrens, On the production of
wealth. p. 5. Mill, Elements of Political Economy. p. 16. Mac-Culloch Prin-
ciples, überſetzt von Weber. S. 57. 72. 101. storch, Cours d'économie politique.
Ueberſetzt von Rau. I. 69. 131. 156. III. 292. II. 356. Lotz, Handbuch der
Staatswirthſchaftslehre. I. S. 210. 220. Rau, Lehrbuch der polit. Oekonomie.
I. §. 51. 122. say, Cours d'économie politique. I. 263. Ueberſ. von v. Theo-
bald. I. 194. Hermann, ſtaatswirthſch. Unterſuch. Abh. III. und die dort
citirten: Read, political economy. p. 24. 65. und Mac-Culloch Principles (2. Edit.
London 1830). p. 97. M. ſ. auch Th. smith, An Attempt to de fine some of
the first principles of Political Economy. chap. VIII. Lauderdale, An inquiry
into the nature and origine of public wealth. Chap. III. Deutſche Ueberſetzung.
Berlin 1808. S. 37. §. 17. P. Ravenstone, A few doubts on the subjects of
Population and Political Economy. p. 292. Nebenius, der öffentliche Credit. I.
Cap. II. S. 17.
²⁾ Es iſt daher unrichtig: a) blos ſachliche, bewegliche und der Erde abge-
wonnene Güter zum Capital zu rechnen, denn auch Werkgebäude und z. B. Kund-
ſchaften gehören, als wirthſchaftliche Güter, zum Capitale; b) auch die inneren
Güter als perſönliches Capital gelten zu laſſen. (Kraus, Staatsw. III. 21., der
fälſchlich nach A. Smith das ſtehende Capital in dingliches und perſönliches
eintheilt. Luden Politik. I. 219. Müller, Elemente der Staatskunſt. III. 40.
storch, Cours d'économie polit. Ueberſetzt von Rau. II. 256. Steinlein,
Handbuch der Volkswirthſch. I. 341. say, Cours d'économ. polit. I. 285 Ueberſ.
[75/0097]
²⁾ von v. Theobald. I. 212. Canard, Principes d'économ. polit. Deutſche Ueberſ.
Augsb. 1824. L. say, Considerations sur l'industrie. p. 74. S. dagegen Rau
Lehrb. I. §. 129. Lotz Handb. I. S. 63. Note.) Denn nur Vermögen kann Ca-
pital werden. Endlich c) dasjenige zum Capital zu rechnen, was ein materielles
Einkommen gibt (Rau. I. §. 51. Note b. der 2ten Aufl.); denn hiernach wären
es auch die Dienſte, manche Verhältniſſe und Gegenſtände aber nicht, welche eine
immaterielle Nutzung geben und wirthſchaftliche Güter ſind, z. B. Werk-Häuſer,
die man auch vermiethen konnte, aber ſelbſt gebraucht. M. ſ. daher die ſehr wich-
tige Unterſcheidung bei say, Cours d'économie politique. I. 295. Ueberſetzt von
v. Theobald. I. 220. (Capitaux productifs d'utilité et d'agrément.) Uebrigens
wird A. Smith (II. 11.) von Krauſe, Hermann und von Weber (politiſche
Oekonom. I. 94.) ganz falſch verſtanden; denn er ſagt nie, daß die durch viele
Auslagen erworbenen Geſchicklichkeiten, Kenntniſſe u. dgl., ſondern blos, daß die
dazu verwendeten Ausgaben Capital ſeien, welches ſich rentiren müſſe, und daß
„die erhöhte Geſchicklichkeit eines Arbeiters in demſelben Lichte zu betrachten
ſei, wie eine Maſchine oder ein Werkzeug, welches die Arbeit erleichtere und ver-
kürze.“ Die vortreffliche Darſtellung der Gründe gegen die mißverſtandene Anſicht
bei Hermann a. a. O. §. 5. würde A. Smith heute noch billigen. Kraus
(Staatswirthſch. III. 16–17.) hat daher auch Unrecht, wo er der Privatbibliothek
den Charakter des Capitals abſpricht, und A. Smith (Inquiry. II. 8–9.), wo
er den Wohnhäuſern, die ſo eben aus Werkhäuſern entſtanden ſind, fernerhin den
Charakter des Capitals abſpricht.
³⁾ A. Smith (I. 79.), Lotz, Rau und A. von der ächt ſmithiſch deutſchen
Schule ſchließen daher mit Recht den Grund und Boden vom Capitale aus.
Anderer Anſicht ſind Torrens und Hermann, welche das Grundeigenthum und
und deſſen Verbeſſerungen als Capital betrachten, a) weil das Capital aus Gütern
beſtehe, die zur Produktion nöthig ſind; b) weil, wenn nach A. Smith der Boden
das Werkzeug iſt, womit ſein Eigenthümer ſeinen Arbeits- und Vermögensgewinn
realiſirt, die Häuſer von demſelben nicht zu unterſcheiden ſeien, und er dieſe doch
zum Capitale rechne; c) weil, wenn man den Boden mit Geld kauft, daſſelbe als
Capital in die Wirthſchaft verwendet wird (A. Smith. II. 137. 223.); d) weil
die Verſchiedenheit der Bildung des Einkommens aus Grund und Boden gegen
jenes aus anderen Capitalien kein Grund zum Ausſchluſſe deſſelben vom Capitale
ſei; e) weil dies auch die Entſtehung des Capitales nicht ſei; und f) weil Capital
in Grund und Boden übergeht, der nur im Verbande mit dieſem ein Einkommen
gewähre. Derſelben Anſicht iſt der Verf. der Staatswirthſchaft nach Natur-
geſetzen. S. 13. Edinburgh Review. IV. 364. und Louis Say a. a. O. Allein
der Hauptfehler dieſer Anſicht liegt in obigem zu weitem Begriffe von Capital, in
dem Verkennen des gänzlich unläugbaren Satzes, daß gerade das Capital etwas
nach den Urquellen der wirthſchaftlichen Güter (Natur und Arbeit) Entſtandenes,
und als ſolches von jenen zu trennen iſt, und in der leicht ins Abſurde zu führenden
Anſicht, daß dasjenige, wozu Capital verwendet iſt, ſelbſt Capital ſei. Uebrigens
iſt der Grund von simonde de sismondi, Nouveaux principes d'économie politique,
I. 101. 102, daß Grund und Boden ſelbſt, Capital aber nicht ohne Arbeit pro-
ducire, für unſere Anſicht nicht entſcheidend. Ganilh, Des systemess d'économie
politique I. 270.
⁴⁾ Es iſt daher unrichtig: a) denſelben zum Capitale zu rechnen, weil ihm
das wahre Criterium dazu fehlt, Krauſe Verſuch. I. §. 43. 45. 136. 191.
Hermann a. a. O. §. 10.; b) den Charakter des Capitals auch in ſeine Dauer
zu ſetzen, um es vom Verbrauchsvorrathe zu unterſcheiden, wie Hermann §. 8.
und Ricardo a. a. O. S. 20.; denn es gibt Conſumtionsartikel von langer
Dauer, z. B. Luſthäuſer, Meubles, und Capitalien, welche ſehr ſchnell an ſich
verſchwinden, z. B. viele zu verarbeitenden Stoffe, obſchon ſie im Verkehre ſamt Ein-
kommen erſtattet werden; c) unter Capital den direkt zum menſchlichen Unterhalte
oder zur Erleichterung der Produktion anwendbaren Theil des Vermögens zu ver-
ſtehen, wie Mac-Culloch a. a. O. der neuen Ausgabe ſeiner Principles und S. 72
der Ueberſetzung von Weber. S. dagegen say Cours IV. 127. Ueberſetzt von
v. Theobald. IV. S. 98.; ferner d) alle Güter zum Capital zu rechnen, welche
[76/0098]
⁴⁾ zur Produktion verwendet werden können, wie Hufeland neue Grundlegung I.
126; denn dann iſt Alles Capital.
⁵⁾ Es iſt daher unrichtig, Capital für Vermögen zu rechnen, dennoch den
Boden vom Capitale auszuſchließen, und dann zwiſchen produktiver und unproduk-
tiver Verwendung deſſelben zu unterſcheiden, wie Read a. a. O. Denn es gibt
auch ein Drittes.
§. 55.
Fortſetzung. Arten des Capitals.
Die Capitalien laſſen ſich nach verſchiedenen Geſichtspunkten
eintheilen, nämlich:
1) In Betreff ihres Zweckes: a) in Nutzcapitalien (capi-
taux productifs d'utilité et d'agrément), d. h. wirthſchaftliche
Güter zur unmittelbaren Nutzung1). Sie bilden gleichſam den
Uebergang zum Verbrauchsvorrathe; und b) in Erwerbscapi-
talien (eigentliche Capitalien), d. h. wirthſchaftliche Güter zur
mittelbaren Nutzung. Sie ſind materieller und immaterieller Natur.
2) In Betreff der Nutzungsart durch den Eigenthümer, a) in
Leihcapitalien, d. h. ſolche, deren materielle oder immaterielle
mittelbare oder unmittelbare Nutzung an andere gegen eine Ver-
gütung abgetreten wird. Sie werden verliehen, vermiethet, ver-
pachtet; und b) in Werb- (Produktiv-) Capitalien, d. h. ſolche,
deren Nutzung man durch Selbſtanwendung bezieht2).
3) In Betreff ihrer Natur ſelbſt; a) in ſtehendes
(fixes) Capital, d. h. ſolches, deſſen Nutzung blos in das ge-
ſchaffene Produkt übergeht, und das alſo weder den Eigenthümer
noch ſeine Geſtalt zu verändern braucht, um produktiv zu werden,
z. B. Werkhäuſer, Privilegien, Maſchinen; und b) in umlau-
fendes (fließendes) Capital, d. h. ſolches, das ſelbſt in das
Produkt übergeht und in deſſen Preiſe beim Verkaufe erſtattet
wird, gleichgiltig, ob der Uebergang in das Produkt ganz materiell
war oder ob es nur bei und zum Behufe der Produktion conſumirt
wurde, z. B. das Geld, und alle dabei verzehrten und verwandel-
ten Gewerbsſtoffe3).
4) In Betreff der Gegenſtände, die zum Capitale
gehören, a) in die Verwandlungsſtoffe, an denen die Er-
werbsarbeit vorgenommen wird; b) die Hilfsſtoffe, welche blos
zur Schaffung des neuen Produkts gebraucht, ohne in ſelbiges
überzugehen; c) die Wohn- und Werkgebäude; d) die Werk-
zeuge, Maſchinen und chemiſche Vorrichtungen; e) alle Samm-
lungen, welche den Erwerb bedingen und Nutzen gewähren;
f) Vorräthe an bürgerlichen Gütern, deren Verkauf Gewinn gibt;
g) Vorräthe an demjenigen Gute, womit der Tauſch erhalten und
[77/0099]
ausgeglichen wird (§. 60.); h) die im ausſchließlichen Beſitze des
Wirthes befindlichen immateriellen Güter, welche ſeinen Erwerb
erhalten und befördern, z. B. Privilegien, Monopolien, Kund-
ſchaften u. dgl. m.
¹⁾ Die Nutzcapitalien ſind ein ſtreitiger Punkt, und ſelbſt diejenigen Schrift-
ſteller, welche ſie zum Verbrauchsvorrathe rechnen, mögen ihre Anſicht nicht überall
conſequent durchführen, z. B. bei der Häuſerſteuer. Lotz (Handb. III. S. 285.)
bleibt ſich conſequent, indem er dieſe für eine Conſumtionsſteuer erklärt. Welche
widerſinnige Folgerungen daraus hervorgehen, zeigt die Finanzwiſſenſchaft. Daß die
Gewerksgebäude Capital, die Luſthäuſer aber Verbrauchsvorrath ſind, gibt man zu.
Bei Wohnhäuſern iſt das Eigenthümliche, daß ſie vermiethet werden und einen
materiellen Ertrag geben können, ſo wie daß, wer ſich ein Haus baut, einen
Miethzins erſpart. Zu läugnen iſt aber zugleich nicht, daß auch die Werkgebäude
nur einen immateriellen Ertrag geben und darin den Wohnhäuſern gleich ſind. Da
die Häuſer nun auch nur aus, der Erde abgewonnenen, Gütern beſtehen, ſo kann
nichts entgegen ſein, ſie als Nutzcapital zu betrachten, das man beſtändig wieder
mit Koſten erhält. Zudem iſt die Unterſcheidung der Gewerbs- und Wohngebäude
in vielen Fällen gar nicht thunlich. Unter demſelben Geſichtspunkte ſtehen z. B.
auch die Bibliotheken und allerlei Sammlungen, welche als Nutzcapital erſcheinen
bei demjenigen, der durch ſie nichts verdienen will, während ſie Erwerbscapital
ſind für den, der ſie zum Erwerbe benutzt.
²⁾ Hermann (ſtaatswirthſch. Unterſ. Abh. III. §. 10.) hat unrichtig blos die
Erwerbscapitalien ſo eingetheilt, denn auch die Nutzcapitalien können vermiethet
werden. Dadurch werden ſie zwar für den Eigenthümer Erwerbscapitalien, für den
anderen bleiben ſie aber doch Nutzcapital, z. B. Bibliotheken.
³⁾ Hermann a. a. O. theilt nur die Werkcapitalien alſo ein, obſchon auch
die Leihcapitalien beiderlei Natur ſein können, z. B. verliehenes Geld, vermiethete
Maſchinen u. dgl.
Drittes Hauptſtück.
Von den Arten des Erwerbes im Allgemeinen.
§. 56.
Obſchon die genannten Güterquellen bei jedem Erwerbe mehr
oder weniger wirkſam ſind, ſo gibt es doch verſchiedene Erwerbs-
arten, welche ſich aber in folgende Hauptarten ſondern laſſen:
1) Erwerb durch unmittelbare Anwendung der genannten Gü-
terquellen zur Hervorbringung von Gütern wegen ihres Gebrauch-
und Tauſchwerthes. Hierher gehören die Ur- und Kunſtgewerbe.
2) Erwerb durch Anwendung der genannten Güterquellen, um
anderen damit materielle und immaterielle Güter und Nutzungen
gegen Vergütung zu gewähren. Hierher gehört der Handel, das
Leihgeſchäft und die Dienſtgewerbe.
Die beiden Arten des Erwerbs werden im beſonderen Theile
nach ihren Eigenthümlichkeiten betrachtet. Bei der erſten Art liegt
der Erwerb in den hervorgebrachten Gütern, bei der anderen aber
[78/0100]
in alle demjenigen, was uns für die Ueberlaſſung von wirthſchaft-
lichen Gütern, Nutzungen und Leiſtungen im Verkehre gegeben
wird. Dieſes aber nennt man Preis, welcher unter verſchiedenen
Formen und Benennungen wiederkehrt1). Die Größe des Erwerbs
erſter Art hängt an ſich lediglich von der Wirkſamkeit der Güter-
quellen, jene des Erwerbs der anderen Art außerdem noch von den
Verkehrsverhältniſſen ab.
¹⁾ Vorzügliche Literatur: A. smith Inquiry. I. 43. 70. 82. Lauderdale
Inquiry. Deutſch. Ueberſ. Berlin 1808. S. 1. 11 folg. Ricardo Principles. Chap.
1. et 20. Torrens, On the production. Chap. 1. Mill, Elements of Polit. Econ.
Chap. III. sect. 2 and 3. p. 90 sqq. Rau, Lehrb. der polit. Oecon. I. § 158 folg.
Mac-Culloch Principles. Ueberſ. von Weber. S. 172. 198 folg. Murhard,
Theorie und Politik des Handels. I. S. 30. storch, Cours d'économie politique.
Ueberſ. von Rau. I. 39. 239. 277. 286. III. 22. 245 folg. Zachariä, 40 Bücher
vom Staate. Bd. V. S. 126. simonde de sismondi, La richesse commerciale.
I. 317. Canard, Principess d'économie politique. Chap. III. say, Cours d'éco-
nomie politique. II. 210. 312 sqq. Ueberſ. von v. Theobald. II 156. 231.
Lotz Handbuch. I. 39 folg. Hermann, ſtaatswirthſch. Unterſuch. S. 66 folg.
S. auch meine ſtaatswiſſ. Verſuche über Staatskredit. S. 466.
§. 57.
Werth und Preis.
Der Preis iſt vom Werthe (§. 39.) ungefähr wie die Wirkung
von der Urſache verſchieden. Der Preis, d. h. die Menge von
wirthſchaftlichen Tauſchgütern, welche man im Verkehre für andere
materielle und immaterielle Güter, welche vertauſcht werden kön-
nen, erhält, ſetzt nicht blos Güter von Tauſchwerth, ſondern auch
das Begehren und Anbieten ſolcher voraus1). Die Unterſcheidung
des Gebrauchs- und Tauſchwerthes2) liegt in der Natur der
wirthſchaftlichen Güter. Der Tauſchwerth iſt allgemeinhin vom
Preiſe verſchieden, wie der Werth überhaupt. Der Werth iſt etwas
in der Vorſtellung der Menſchen Liegendes, nach ihrer Anſicht an
den Gütern Haftendes, und Relatives; dagegen der Preis etwas
Beſtimmtes, Feſtes und aus wirthſchaftlichen Gütern ſelber Beſte-
hendes. So wie es keinen Tauſchwerth ohne vorausgeſetzten Ge-
brauchswerth gibt, ſo auch gibt es keinen Preis ohne Vorausſetzung
des Tauſchwerthes. Der Tauſchwerth hat einen Preis zur Folge,
ſobald ein Angebot und Begehr von einem Gute entſtanden iſt und
wirkſam wird. Dieſe beiden laſſen ſich von zwei Seiten betrachten.
Subjektiv verſteht man unter ihnen die Menſchen, welche wirth-
ſchaftliche Güter, Nutzungen und Leiſtungen anbieten und ſuchen;
objektiv aber die Menge und Arten der angebotenen und begehrten
wirthſchaftlichen Güter, Nutzungen und Leiſtungen ſelbſt. Nicht
einmal bei den perſönlichen Leiſtungen fallen beide zuſammen, weil
[79/0101]
von dieſen ein Menſch mehr bieten kann als der andere. Sowohl
objektives Angebot als objektiver Begehr ſind Preiſe, dieſer für
den Anbieter, jener für den Begehrer.
¹⁾ Rau (Lehrb. I. §. 56.) nimmt daher mit Unrecht an, daß der Preis nur
aus ſachlichen Gütern beſtehe, und widerſpricht ſich im §. 158., wo er ſagt, zwei ge-
genſeitig ausgetauſchte Güter bildeten wechſelſeitig das Eine den Preis des Andern.
S. meine Verſuche über Staatskredit. S. 466.
²⁾ Ueber den Unterſchied dieſer beiden und des Preiſes f. v. Soden Nat.
Oekonomie. IV. 22. Hufeland, neue Grundlegung. I. 118. Lotz, Reviſion der
Grundbegriffe der Nat. Wirthſchaftslehre. I. S. 9. Handbuch. I. 20. L. say
Considerations. p. 47.storch Cours. Ueberſ. von Rau. I. 27. Rau Lehrbuch.
I. §. 62. (II. Ausg. §. 56.) Dieſer Leztere erkennt im Tauſchwerthe entweder nur
den Gebrauchswerth (eigentlichen Werth) oder den Preis an. In wieferne dies
unrichtig iſt, geht aus dem Paragraphen hervor. Gebrauchswerth haben die Güter
vor der Bildung des Begriffs von Eigenthum und Arbeitstheilung; Tauſchwerth
erhalten ſie erſt nach dieſer, was noch heute an allen Gütern zu erkennen iſt, welche
kein Eigenthum werden können. S. Torrens, On the production of wealth. pag.
12–28. Ferguson, An Essay on the History of civil society. p. 125–127.,
wo die Gemeinſchaftlichkeit der Arbeit und des Beſitzes bei Völkern ohne Begriff von
Eigenthum gezeigt iſt. Uebrigens betrachtet A. Smith den Preis keineswegs als
eine Art des Tauſchwerthes, wie Rau meint, ſondern als das Mittel zur Schätzung
und Vergleichung der Werthe und gibt als ſolchen der Arbeit den Vorzug, und
nennt den Preis in Arbeit Real-, jenen in Geld Nominalpreis A. Smith. I.
48–49. S. §. 59. Note 5. Eigenthümlich iſt Ricardo's Anſicht von Werth
(Principles. Chap. 1 and 20), unter welchem (value) er die Menge, Schwierig-
keit und Leichtigkeit der Arbeit, um die Güter zu erlangen, verſteht. Aber er ſetzt
auch die Brauchbarkeit (utility) mit A. Smith voraus, und gibt als die zwei
Quellen des Tauſchwerthes der Güter ihre Seltenheit und obigen Werth an, weil
er nur nach dieſen bemeſſen werde, und jede Erhöhung der Arbeitsmenge den Werth
erhöhe (Principles. p. 1–5. p. 340–342.). Eine nähere Betrachtung zeigt, daß
er die Folgen der Brauchbarkeit, nämlich Arbeit zur Erlangung der Güter, mit der
Urſache vermengt, und dieſe Folge, je mehr ſie ſich erweitert, als Regulator der
Tauſchkraft der Güter anſieht, ohne zu bedenken, daß es wieder die verſchiedenen
Grade der Brauchbarkeit und Seltenheit ſind, welche den Menſchen zur Arbeit an-
treiben. Ihm ſpricht Steinlein (Handb. I. S. 223.) nach; allein mit Unrecht,
ſchon darum, weil der deutſche Sprachgebrauch obigen (§. 39.) Begriff von Werth
geheiligt hat. S. §. 61. Note 2. unten.
§. 58.
Regulatoren des Preiſes.
Die Größe des Preiſes hängt vom ſubjektiven und objektiven
Begehre und Angebote ab. Daher unterſcheidet man folgende
Preisbeſtimmungen:
1) Von Seiten des Begehres. Er richtet ſich hier nach folgenden Umſtänden:
a) Nach dem Werthe des zu ertauſchenden Gutes, der zu
ziehenden Nutzung und des zu empfangenden Dienſtes; denn davon
hängt die Aufopferung, zu der man ſich, um ſich ein Gut im Ver-
kehre zuzueignen, entſchließt, ab.
b) Nach den Koſten, um welche man das Gut, die Nutzung
und die Leiſtung ſonſt erhalten kann. Dieſe Koſten können nun
[80/0102]
ein anderweitiger Preis oder eigene Produktions- und Herbeiſchaf-
fungskoſten ſein. Vernünftiger Weiſe berechnet ſie vorher ein Je-
der, der einen Tauſch, Kauf, ein Leihgeſchäft unternimmt oder
Arbeiter beſchäftigt.
c) Nach der Zahlfähigkeit des Begehrers; denn jeder ver-
nünftige Wirth muß dieſe zu Rathe ziehen, ehe er Güter, Nutzungen
oder Leiſtungen eintauſcht. Schulden ſind die Folge des Nicht-
zahlens, deſſen Verſchiedenheit von der Zahlunfähigkeit klar iſt.1).
Die Zahlfähigkeit hängt vom Einkommen ab, und wird für die Be-
dürfniſſe berechnet, wenn man den zur Verwendung gewidmeten
Vermögensſtamm durch den Preis des Bedarfes dividirt, dagegen
aber für das Wohlleben, wenn man nach Deckung der Bedürfniſſe
den übrigen zur Verwendung beſtimmten Vermögensſtamm durch
den Preis des Bedarfs zum Wohlleben überhaupt oder eines er-
wünſchten Genuſſes insbeſondere dividirt2).
¹⁾ Daß man noch nicht zahlunfähig iſt, wenn man beim Tauſche oder Schluſſe
eines Geſchäftes nicht ſogleich bezahlt, zeigt der allgemeine Gang des Verkehrs,
welcher beſtimmte Zahlzeiten angenommen hat und bis dahin die Forderungen und
Schuldigkeiten aufzeichnet. Daran iſt der Kredit Schuld, der alſo den Verkehr
erleichtert.
²⁾ Wie man ſeine Zahlfähigkeit im Allgemeinen berechnen kann, ſo auch in
jedem einzelnen Falle, wo man ſich Genüſſe verſchaffen will. Hermann, ſtaats-
wirthſchaftliche Unterſuchungen. S. 73.
§. 59.
Fortſetzung.
2) Von Seiten des Angebotes. Er richtet ſich hier nach
folgenden Umſtänden:
a) Nach dem Werthe des zu vertauſchenden Gutes, der zu
gebenden Nutzung und des zu leiſtenden Dienſtes; denn nach ihm
richtet ſich die Vergütung, die der Anbieter haben will, unter
übrigens gleichen Umſtänden1).
b) Nach den Koſten, um welche der Anbieter das Gut, die
Nutzung und die Leiſtungsfähigkeit erhalten hat. Bei Gütern ſind
es die Schaffungskoſten oder der Ankaufspreis, die Erhaltungs-
koſten und der Verluſt bei längerer Aufbewahrung; bei den Nutzun-
gen aber die Vergütung für Entbehrung derſelben, die Entſchädi-
digung für die Abnutzung des verliehenen Capitals und die Entſchä-
digung für das Wagniß (Riſico), dem der Eigenthümer wegen
gänzlichen Verluſtes ausgeſetzt iſt; bei perſönlichen Leiſtungen die
Zinſen des zur Erlangung der Dienſtfähigkeit verwendeten Capitals,
der Erſatz des Capitals zur Lebensunterhaltung nach erloſchener
Dienſtfähigkeit2), oder kurz der Aufwand, welcher zur Erhaltung
[81/0103]
des Arbeiters und ſeiner arbeitsunfähigen Familie während der
Leiſtungen und jener Zeit, wo man Gewohnheits und Nothwendig-
keits halber nicht arbeitet, erfordert wird3).
c) Nach dem marktüblichen Preiſe, in ſoferne als der
Anbieter überhaupt bei gleicher Güte des Gutes, der Nutzung und
des Dienſtes nicht mehr erlangen kann, in ſoferne als derjenige,
welcher wenigere Koſten aufwendet, als der marktgängige Preis
beträgt, wenigſtens einige Zeit hindurch ſich dieſen höheren Preis
bezahlen läßt und in ſoferne, als man ſich bei vielen Tauſch-,
Kauf-, Mieth- und Dienſtgeſchäften geradezu an den marktüblichen
Preis hält4).
d) Nach dem Tauſchwerthe der Güter, Nutzungen und
Leiſtungen, in denen der Preis entrichtet wird. Derſelbe richtet
ſich nach dem Grade der Macht, mit welcher ſie im Verkehre an-
dere Güter, Nutzungen und Leiſtungen anziehen. Dieſe Macht
aber äußert ſich bei gleicher Güte in der Menge der Lezteren,
welche für eine beſtimmte Menge der Erſteren erlangt werden
kann. Ihr Tauſchwerth ſteht daher mit der zu erhaltenen Menge
in geradem, mit der hinzugebenden in umgekehrtem Verhältniſſe,
bei gleicher Güte5).
3) Von Seiten des gegenſeitigen Kampfes zwiſchen
Angebot und Nachfrage; denn bei größerem Angebote ſinkt,
bei größerem Begehre ſteigt der Preis. Das Verhältniß des ob-
jektiven Angebots zum objektiven Begehre heißt Mitbewerb.
(Wettbewerb, Concurrenz, engl. competition).
¹⁾ Hierbei tritt der Werth nicht blos als Tauſch-, ſondern auch als Gebrauchs-
werth in den Calcul, ſchon darum, weil ſich in allen Fällen jener nach dieſem
richtet, und noch deswegen, weil es Güter, Nutzungen und Leiſtungen gibt, für die
man Preiſe bezahlt, die mit den Koſten im Mißverhältniſſe ſtehen, z. B. für Ge-
mälde eines Raphael, Correggio, neuerdings eines Leſſing, für vergriffene Schriften
berühmter Männer, für Manuſcripte, für Concerte, für ſehr alten Wein. Aber
es hat daher Hermann ſtaatswirthſch. Unterſuch. S. 77.) Unrecht, wo er blos
den Tauſchwerth als beim Angebote wirkſam bezeichnet. Im Handel aber iſt der
Tauſchwerth noch zu unterſcheiden von der Handelswürdigkeit, d. h. der aus
dem Tauſchwerthe folgenden Eigenſchaft der Waare, dem Handelsmanne einen Ge-
winn zu verſchaffen.
²⁾ Die nähere Entwickelung dieſer Einzelheiten gehört der Volkswirthſchafts-
lehre an. Die Streitigkeiten über dieſen Punkt werden in ihr angedeutet werden.
³⁾ Hermann macht bei der Preisbeſtimmung von Seiten des Angebotes nur
die Ankaufs- und Erzeugungskoſten als wirkſam geltend; dies iſt einſeitig, denn
nur bei ſachlichen Gütern ſind dieſe wirkſam.
⁴⁾ Lezteres z. B. beim Geldausleihen, beim Wechſel- und Staatspapier-
Handel. Hermann führt mit Unrecht unter den Beſtimmgründen des Tauſch-
werthes der hinzugebenden Waaren, alſo von Seiten des Angebotes, dort, wo er
von den Koſten ſpricht, auch den marktgängigen Preis der hinzugebenden Waaren
an, obſchon dieſer an ſich auf den Koſtenſatz von Seiten des Anbieters auch nicht
Baumſtark Encyclopädie. 6
[82/0104]
⁴⁾ den geringſten Einfluß äußert; denn der marktübliche Preis wirkt nur auf den
Preisſatz, keineswegs aber auf den Koſtenſatz von Seiten des Anbieters.
⁵⁾ An dieſem Verhältniſſe kennt man recht die Wichtigkeit des Tauſchwerthes
im Gegenſatze des Gebrauchswerthes. Denn da die gegenſeitig zu vertauſchenden
wirthſchaftlichen Güter gegenſeitig den Preis bilden, ſo muß ein Etwas vor dem
Preiſe vorhanden ſein, um die Größe dieſes Lezteren zu beſtimmen, und das iſt der
Tauſchwerth. Als Beiſpiel diene alter und neuer Wein, um den gegenſeitigen
Preisſatz nach Güte und Quantum zu beſtimmen, wenn einer den Preis des andern
bildet.
§. 60.
Preis- und Tauſchmittel.
In keiner Periode hat der Preis einen ſo ausgedehnten Be-
griff, als in jener der Ungebildetheit, wo ſich wenige Gewerbs-
thätigkeiten entwickelt haben, wo man noch keinen Handel und
keine Handelsverbindung kennt. Denn da dient jedes Gut gelegen-
heitlich als Preis. Bald aber theilen ſich die Güter in Betreff der
Allgemeinheit ihres Werthes und ihrer Geſuchtheit. Der wahre
Werth, die äußere Schönheit, der Grad von Seltenheit, die
Dauerhaftigkeit macht ein Gut beſonders von allen Gliedern einer
bürgerlichen Geſellſchaft geſucht, ſo daß man, da es überall gerne
angenommen wird, daſſelbe auch allenthalben für Güter, Nutzungen
und Leiſtungen im Verkehre anbringen kann. Das ſo als allge-
meiner Entgelt im Verkehre angenommene Gut nennt man aus-
ſchließlich Geld, worunter man das allgemeine Preis- und
Tauſchmittel verſteht, das überall in der Nation als Gegen- und
Gleichwerth gegen Güter, Nutzungen und Leiſtungen gegeben und
genommen wird. Sobald dies eingeführt iſt, bekommt der Preis
im gewöhnlichen Leben den engeren Begriff als Geldpreis. Die
Wahl des Gegenſtandes, welcher als Geld dient, iſt wechſelnd
nach dem Grade der Civiliſation eines Volkes1). Doch aber hat
die Geſchichte beſtätigt, daß alle civiliſirten Völker ſich des Silbers
und Goldes als Geldmaterials bedienen. Man hat dies aber Me-
tallgeld nennen müſſen zur Unterſcheidung von den Papierzeichen,
welche man auch als Vertreter des Metallgeldes in Umlauf ſetzte
und als wahres Geld betrachtete, und nun noch allgemeinhin
Papiergeld nennt.
¹⁾ Meine Verſuche über Staatskredit. S. 139. Die Neger in Congo hatten
ein idealiſches Geld, Markute genannt; auf den engliſch weſtindiſchen Colonien dienten
der Zucker, unter den nordamerikaniſchen Wilden rohe und gegerbte Häute, Biber-
felle, bei den Aethiopiern das Steinſalz, in Neufoundland die Stockfiſche, in
Virginien der Tabak, die Cauris (eine Art Muſcheln auf den Maldiven) in Indien
und Afrika, die Cacaokörner in Braſilien als Geld. Je nach der Entwickelung der
gewerblichen Thätigkeit eines Volkes dient zuerſt Eiſen, dann Kupfer, dann Silber,
dann Gold als Hauptgeldmaterial und am Ende nimmt man zum Papiere als Ver-
tretungszeichen des Metalls ſeine Zuflucht.
[83/0105]
§. 61.
Arten des Preiſes.
Wenn man den Preis unter verſchiedenen Beziehungen be-
trachtet, ſo erhält er verſchiedene Benennungen, nämlich:
1) Je nach der Wirkſamkeit der Concurrenz und der
daraus erfolgenden Höhe deſſelben unterſcheidet man den Markt-
(wirklichen oder Tauſchpreis, franzöſ. prix courant) und Mono-
polpreis. Jener iſt der auf offenem Markte bei offenem Mit-
bewerbe entſtandene ſtändige, dieſer aber derjenige Preis, welchen
ein einziger Anbieter im Verkehre verlangt und erhält, da er keine
Concurrenz ausgehalten hat.1).
2) Je nach Höhe des Preiſes in Betreff ſeiner Be-
ſtandtheile findet ſich, daß der Preis entweder mehr und weniger
den Koſtenſatz überſteigt, oder gerade denſelben beträgt. Ein tie-
ferer Stand deſſelben zwingt, das Tauſch-, Kauf-, Mieth-, Leih-
und Dienſtgeſchäft aufzugeben. Im zweiten Stande nennt man
den Preis Koſtenpreis (natürlicher, nothwendiger, angemeſſener
Preis)2).
3) Je nach den Gegenſtänden, woraus der Preis be-
ſteht unterſcheidet man den Geldpreis und den Sachpreis,
d. h. jenen, der in anderen Gütern, Nutzungen und Leiſtungen,
anſtatt in Gelde ausgedrückt iſt3).
4) Je nach der Berechnungsart der Preiſe gibt es ei-
nen Einzel- und einen Durchſchnittspreis, d. h. einen aus
mehreren Einzelpreiſen gefundenen mittleren Preis. Der Leztere
kann örtlich und zeitlich verſtanden werden, und iſt im erſten
Falle der mittlere Preis eines Gutes, einer Nutzung oder Leiſtung
von verſchiedenen Orten, Gegenden, Ländern, und im zweiten
Falle von verſchiedenen Perioden4).
¹⁾ Lotz Handb. I. 49. Deſſelben Reviſion der Grundbegriffe. I. 71. folg.
81 folg. Hufeland (Neue Grundlegung. I. 132.) nennt den Erſteren doppel-
ſeitigen, und den Lezteren einſeitigen. simonde de sismondi (de la richesse
commerciale. I. 283) nennt Erſteren prix relatif, im Gegenſatze des prix intrinsèque,
worunter er den aus den Schaffungskoſten und dem gewöhnlichen Gewinne des
Produzenten beſtehenden Preis verſteht. Beide ſind Marktpreiſe, aber der Erſtere
hört auf, der Leztere zu ſein, wenn er unter deſſen Betrag fällt.
²⁾ Den Ausdruck natürlichen Preis gibt Hufeland I. 373. dem Gegen-
ſatze des Koſtenpreiſes. v. Jacob (Nationalökonomie. S. 89. §. 176.) ſetzt ihn
dem erkünſtelten gegenüber, welcher nicht blos die nothwendigen, ſondern auch
willkürliche Urſachen der Produktion des Gutes dem Produzenten erſetze. Daß dies
nicht Statt finden kann, iſt aus §. 58. und 59. klar. Mit Unrecht ſetzt derſelbe
(S. 88. §. 178.) den Koſtenpreis dem Marktpreiſe gegenüber, denn dieſer wird oft
Koſtenpreis. Lotz (Reviſion. I. 84.) tadelt dies und will dagegen denſelben ſeinem
wirklichen Preiſe gegenübergeſtellt wiſſen. Allein ſein wirklicher Preis iſt der Preis
überhaupt, und kann ſelbſt Marktpreis werden, eben ſo wie Monopolpreis. Daher
6 *
[84/0106]
²⁾ iſt auch dieſer Gegenſatz unrichtig. Hufeland (Neue Grundlegung. I. 132.) nennt
den Koſtenpreis wirklichen inneren Preis, und als Gegenſätze hierbei den
willkürlich einſeitigen Preis und den Preis, für den der Anbieter die Sache
abgeben will. Allein daß dieſe Unterſcheidung wenig taugt und nicht gut bezeichnet
iſt, fällt in die Augen. Was wir Koſtenpreis heißen, das nennt Simonde a. a. O.
prix nécessaire, und Grundlage des prix intrinsèque. Aber er fällt mit Kraus
(Staatswirthſchaft. I. 80.), Lüder (Nationalinduſtrie. I. 89.), Ch. v. Schlötzer
(Staatswirthſch. I. 90.), Lotz (Reviſion. I. S. 81.) in den Fehler einſeitiger
Betrachtung, indem auch er wie dieſe unter demſelben blos die Produktionskoſten
verſteht. Lotz a. a. O. findet es unnatürlich, dieſe einen Preis zu nennen, da doch
die Produktion nicht Tauſch ſei; in ſeinem Handb. I. S. 51. Anmerk. betrachtet er
aber denſelben nicht blos von der Seite der Hervorbringung, ſondern auch von
Seiten der Koſten, um ein Gut auf den Markt zu bringen. Jedoch alle dieſe
Schriftſteller haben A. Smith (Inquiry. I. 83. Uebers. von Garve. I. s. 99.)
mißverſtanden. Sartorius (Handb. der Staatswirthſchaft. S. 10. §. 9.) blieb
ihm treu. Derſelbe verſteht darunter den bezahlten Preis, welcher blos die Koſten
der Hervorbringung und des auf den Markt Bringens nach ihren natürlichen Sätzen
enthält. Aber Rau I. §. 167., welcher hierauf eingeht, erklärt denſelben für eine
bloße Modification des Marktpreiſes zufolge der Concurrenz. Wäre er dieſes, ſo
würde ſeine beſondere Auszeichnung dennoch ſtets wichtig ſein. Allein er iſt es nicht.
Denn der Begriff des Marktpreiſes hat nicht die Nebenidee der bloßen Zufälligkeit
und Augenblicklichkeit, ſondern die Grundidee eines konſtanten Wirkens von Angebot
und Nachfrage, ſo daß ſich ein Grundtypus für den Marktpreis bildet, um den in
kleinen Abweichungen der augenblickliche Marktpreis gravitirt. Es läßt ſich daher
wohl ein augenblicklicher Koſtenpreis, aber nur mit einem ſolchen Nachtheile für den
Anbieter denken, daß er ſogleich das betreffende Verkehrsgeſchäft aufgibt, oder dies
nur darum nicht thut, weil ihm der ſpätere Gewinn dieſen Schaden wieder erſetzen
muß. Denn der Koſtenpreis enthält blos obige Koſten, und gar keinen Gewinn,
nicht einmal die Zinſen des angewendeten Capitals, um die Güter auf den Markt
zu bringen; er verurſacht alſo Verluſt. Dies iſt die wahre Anſicht von A. Smith,
und des ihm treu gebliebenen Torrens, On the production of wealth. p. 50–55.
Aber Rau (I. §. 62. Note a.) ſcheint Ricardo (Principles. chap. 1 and 20.) nicht
recht aufgefaßt zu haben, da er von ihm ſagt, derſelbe verſtehe unter Werth die
Hervorbringungskoſten der Güter. Dies ſcheint dem Verf. Ricardo nicht behaup-
tet zu haben, ſondern nur daß die Leichtigkeit und Schwierigkeit der Hervorbrin-
gungsarbeit den Werth beſtimme. Es iſt überhaupt zum Verſtändniſſe Ricardo's
nicht aus den Augen zu verlieren, daß er die Theorie des Volksvermögens immer
mehr ins Abſtrakte zu ziehen ſucht. S. oben §. 57. Note 2.
³⁾ A. Smith, Inquiry. I. 48–49. v. Jacob, Nationalökonomie. S. 87.
§. 171. simonde de sismondi, Richesse commerciale. I. 317. Lotz, Reviſion.
I. 89 folg. A. Smith führte dieſen Unterſchied blos den Namen nach ein, denn
unter Sachpreis verſteht er den in Arbeit ausgedrückten Preis, da alle Güter in
Arbeit ſich zuſammenfinden. Seine Nachfolger haben dieſen Begriff erweitert, aber
dennoch mit ihm den Geldpreis einen Nennpreis genannt. Da Geld auch ein Gut
iſt, ſo kann dieſe Benennung nicht allgemein vertheidigt werden.
⁴⁾ Bei der Berechnung der Durchſchnittspreiſe iſt zu berückſichtigen: a) die
Zeit überhaupt, aus welcher und für welche ſie genommen werden. Mit der Anzahl
der Jahre ſteigt daher nicht immer ihre Sicherheit, weil ſich die Menge der außer-
ordentlichen Fälle auch um ſo mehr darin häufen kann, wie jene der ordentlichen.
b) Die Jahreszeiten, aus denen ſie genommen werden und für die ſie gelten ſollen,
weil die Umſtände, die den Einzelpreis beſtimmen, davon abhängen, c) die Qualität
der Gegenſtände, um deren Preis es ſich handelt, weil hiernach obige Umſtände
wechſeln; d) die Verſchiedenheit der Orte, Gegenden und Länder nach allen geogra-
phiſchen und ſtatiſtiſchen Verhältniſſen, für welchen man ſie berechnet; e) alle Zeit-
verhältniſſe, welche auf die Concurrenz wirken, nämlich Angebot und Nachfrage
zugleich oder einſeitig erhöhen oder erniedrigen. f) Die Verhältniſſe des Tauſch-
werthes und Preiſes der Geldmateralien, alſo in der Regel des Metalles, Metall-
geldes und Papiergeldes; und endlich g) die Zwecke, wozu die Durchſchnittspreiſe
berechnet werden, je nachdem ſie allgemeinerer oder beſonderer Natur ſind. Rau
Lehrb. I. §. 185. Hermann, ſtaatswirthſch. Unterſ. S. 122 folg.
[85/0107]
§. 62.
Veränderungen im Gewerbe.
Aus dem Bisherigen über den Erwerb iſt die Entſtehung von
Veränderungen in der Wirthſchaft klar zu machen. Sie ſind im
Allgemeinen folgende:
1) Der Vermögensſtamm erhält Zuflüſſe, die man allgemein-
hin Einnahme nennt.
2) Derſelbe erleidet Abflüſſe, die man allgemeinhin Ausga-
ben heißt.
3) Wenn man die Einnahmen ohne Bezug auf die Ausgaben
betrachtet, ſo heißen ſie rohe Einnahmen (Roheinkommen,
Rohertrag, Bruttoertrag).
4) Man nennt aber den Reſt nach Abzug der Ausgaben, um
Einnahmen zu bewirken, reine Einnahmen (Reineinkommen,
Reinertrag, Nettoertrag, Ueberſchuß, Gewinn).
5) Ueberſteigen aber die Ausgaben den Rohertrag, dann findet
Verluſt Statt, es wird das Zuſetzen und Schuldenmachen nöthig.
Man muß daher als ordentlicher Wirth ſuchen: 1) einen
großen Rohertrag zu erwerben, weil der Reinertrag um ſo größer
ſein kann1); 2) einen geringen Koſtenaufwand für den Erwerb zu
machen; und 3) den Erwerb ſo ſicher und dauerhaft als möglich
zu erhalten, d. h. die Wirthſchaft nachhaltig einzurichten und zu
führen; 4) nur eine ſolche Erwerbsart zu wählen, wozu man die
erforderlichen Kenntniſſe und Geſchicklichkeiten hat; 5) nur eine
ſolche Wahl zu treffen, bei welcher man nach dem Stande der
Verhältniſſe dauernden Erwerb haben kann; 6) alſo alle ſogenann-
ten Windprojekte zu vermeiden; 7) bei der Einrichtung einer
Erwerbsart wo möglich die vorzüglichſten ſachlichen Capitalien ſich
anzuſchaffen; 8) dabei aber nach der Anſchaffung aller körperloſen
Capitalien und Verhältniſſe zu ſtreben, welche den Erwerb erhöhen
können; 9) in der Anlage der Capitalien blos auf das Nöthige
und Nützliche zu ſehen, und Alles Andere zu vermeiden; 10) in der
Unterhaltung derſelben keine Koſten zu ſcheuen und nicht fahrläſſig
zu ſein; 11) die Naturkräfte ſo viel und ſo geſchickt als möglich
zu benutzen; 12) in der Wahl der Gehilfen und Arbeiter behutſam
zu ſein; 13) die Arbeiten geſchickt unter ſie zu vertheilen und zu
ordnen, ſo daß keiner unbeſchäftigt oder unrichtig beſchäftigt iſt;
14) dieſelbe durch pünktliche Löhnung und Hausbewirthung bei
Fleiß und Kraft zu erhalten; 15) nicht zu viele Erwerbsarten auf
einmal zu betreiben, wenn man ſeines hinreichenden Capitales und
der erforderlichen Umſicht nicht gewiß iſt; 16) in den Erwerbs-
[86/0108]
arten ſo wenig als möglich zu wechſeln, weil das Herausziehen
und Umwandeln der Capitalien zu ſchwierig und jedesmal mit
einigem Verluſte verbunden iſt.
¹⁾ Dieſer Satz verdreht ſich ſcheinbar bei der Volkswirthſchaft ins Gegentheil,
da in ihr der große Rohertrag an ſich als ſolcher das Erwünſchteſte iſt. Denn je
größer der Rohertrag, um ſo größer werden die einzelnen Theile der zum Erwerbe
mitwirkenden, und um ſo beſſer erhält ſich die geſammte Bevölkerung. Allein je
größer dieſe einzelnen Theile ſind, um ſo wahrſcheinlicher iſt bei jedem Einzelnen
ein größerer Ueberſchuß über ſeine Koſten, alſo bei ihm der Reinertrag. Es löst
ſich alſo der Volks-Rohertrag in viele einzelne Roh- und Reinerträge auf.
Zweiter Theil.
Hauswirthſchaftslehre.
§. 63.
Vorbegriffe.
Aus dem Begriffe und Weſen der Hauswirthſchaft (§. 40.)
geht hervor, daß ſie nicht blos in der bürgerlichen, ſondern auch
in der Gemeinde- und Staatswirthſchaft vorkommt. Wenn in
dieſen nach ihrer Natur auch nicht alle hauswirthſchaftliche Sorgen
Statt finden, ſo iſt dies doch bei den meiſten der Fall. Da die
Hauswirthſchaft als Weſentliches den inneren Organismus und
Zuſammenhang hat, da ſie als Hauptthätigkeiten die Erhaltung,
Verwendung und Controle dieſer Lezteren bis zu einem gewiſſen
Grade anerkennt, ſo hat die Hauswirthſchaftslehre auch von der
Beſtellung der Hauswirthſchaft, von der Erhaltung, von der Ver-
wendung und von der Verrechnung des Vermögens und Einkom-
mens zu handeln.
Erſtes Hauptſtück.
Von der Beſtellung der Hauswirthſchaft im
Allgemeinen.
§. 64.
Vortheile der häuslichen Gemeinſchaft.
Das häuslich geſellſchaftliche Leben iſt eine von den charak-
teriſtiſchſten Eigenthümlichkeiten des Menſchengeſchlechtes. Es be-
fördert die geiſtige, ſittliche, körperliche und wirthſchaftliche Be-
ſtimmung und Cultur des Menſchen, ſo daß aus der Familie der
gute Menſch und wahre kräftige Bürger hervorgeht. Das gegen-
[87/0109]
ſeitige Beiſpiel, die Liebe und Anhänglichkeit, die Strenge des
Hausherrn, die Aufſicht und Ermunterung, die Genüſſe des häus-
lichen Lebens ſelbſt und die gegenſeitige Sorgfalt ſind die Haupt-
elemente des guten häuslichen Lebens. Die wirthſchaftlichen Vor-
theile eines ſo gemeinſchaftlichen Lebens ſind aber die zweckmäßigere
Befriedigung der Bedürfniſſe, die Erhöhung des Lebensgenuſſes
und die größere Sparniß am Bedarfe an Gütern, da durch zweck-
mäßige Aufbewahrung und Wiederbenutzung des Erübrigten viele
neue Auslagen vermieden und durch ſorgfältiges Ordnunghalten
die Genüſſe regelmäßiger und wirkſamer werden. Die Hauswirth-
ſchaft bleibt aber nicht in den engen Schranken einer kleinen bür-
gerlichen durch Blutsverwandtſchaft geknüpften Familie 1). Sondern
es gibt verſchiedene Ausdehnungen derſelben von der prachtvollen,
reichlichen und geſetzlich organiſirten Hauswirthſchaft am kaiſer-
lichen Hofe bis zu dem friedlichen, genügſamen und nach Recht
und Billigkeit geleiteten häuslichen Leben der bürgerlichen Familie,
von der reichen Hauswirthſchaft des großen Capitaliſten und Ge-
werbsunternehmers bis zur armen häuslichen Gemeinſchaft der
Bettlerfamilie. Darum iſt die Hauswirthſchaft verſchieden nach
dem Grade des Standes der Familie und nach dem Grade ihres
Reichthums und Einkommens. Aber es werden auch einzelne häus-
liche Vortheile von Gemeinden, von zuſammengetretenen Einzelnen,
oder vom Staate beſonders herausgehoben, und diejenigen, denen
ſie zu Theil werden ſollen, in eine häusliche Gemeinſchaft verbun-
den, weil jene Vortheile hierdurch am beſten erreicht werden. Zu
dieſen häuslichen Vereinigungen, deren Hauswirthſchaft immer
ausgedehnter als jene der bürgerlichen Familie, deren innere Ver-
hältniſſe mehr oder weniger reichlich und auf gewiſſe beſtimmte
Normen geſetzt ſind, gehören die Kranken-, Irren-, Armen-,
Arbeits-, Waiſen-, Siechen-, Zucht- u. dgl. Häuſer. Jede hat
einen eigenthümlichen Zweck, aber zu dieſem eine eigenthümliche
Einrichtung; allein alle genießen ſie die manchfachen Vortheile
eines häuslich gemeinſchaftlichen Lebens.
¹⁾ Die Liebe, ſelbſt auch oft blos wirthſchaftlicher Vortheil, legt den erſten
Grund zur häuslichen Niederlaſſung. In ihr bildet ſich die Blutsverwandtſchaft.
Manche Familie iſt auch ſchon aus bloßer Freundſchaft zuſammengetreten. Die
Dienerſchaft findet ſich aus anderen Gründen ein. Die Saint-Simoniſten wollen
dieſe Gründung von Familien verwiſchen, und blos jene durch Charakter- und
Geſchäftsähnlichkeit einführen.
§. 65.
Wirthſchaftsperſonen und ihr gegenſeitiges Verhältniß.
Das gegenſeitige Verhältniß der Wirthſchaftsperſonen in der
Hauswirthſchaft iſt verſchieden nach den lezten Gründen, auf denen
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es beruht, und nach der Art der Hauswirthſchaft ſelbſt. Es
ſind 1) in der Familie dieſe Verhältniſſe nothwendige
Folgen der Natur. Dadurch iſt a) der Hausvater an die
Spitze der ganzen Hauswirthſchaft geſtellt; er iſt nach gemein-
ſchaftlicher Berathung mit der Hausmutter der Geſetzgeber im
Hauſe; mit Unrecht will man ihm oft den Antheil an der Haus-
wirthſchaft abſprechen; er iſt der oberſte Richter in häuslichen
Angelegenheiten; er wacht gemeinſchaftlich mit der Hausmutter auf
die pünktliche Vollziehung der Befehle; ihm ſteht der Verſchluß
des Erwerbs und das Anweiſen deſſelben zu häuslichen Zwecken
zu; hat derſelbe auch die Controle über die wirthſchaftliche Ver-
wendung, ſo hat er ſich dennoch eines thätigen Antheils an den
Verwendungsgeſchäften zu den häuslichen Bedürfniſſen zu enthalten,
da es ſich mit ſeiner Natur, Anlage und ſeinem Standpunkte im
Hauſe nicht verträgt; dies ſchließt jedoch eine ausnahmsweiſe Un-
terſtützung ſeiner Frau nicht aus, dieſe iſt vielmehr oft eine
weſentliche eheliche Pflicht im Sinne der Moral; die Führung des
Hauptbuches der Hauswirthſchaft gebührt ihm, jene der Neben-
bücher aber nicht, weil dieſe ſchon mit den Verwendungsgeſchäften
in unmittelbarer Berührung ſteht; der periodiſche Rechnungs-
abſchluß iſt ſchon ein Theil ſeines Controlrechtes. Damit hat auch
ſchon b) die Hausmutter ihren angewieſenen Wirkungskreis; ſie
nimmt an der Berathung häuslicher Angelegenheiten Theil; dazu
beſtimmt ſie ſchon die Eigenthümlichkeit der weiblichen Klugheit,
Umſicht und Mäßigung, ſo wie ihr praktiſches enges Verhältniß
zu den Hausgenoſſen und zum bürgerlichen kleinen täglichen Ver-
kehre, wodurch ſie mehr Erfahrungen und Einſichten in dieſer
Beziehung erwirbt, als der Mann; ein geſchäftiges Einmiſchen in
die gewerbliche, kunſt- oder wiſſenſchaftliche Thätigkeit und Auf-
ſicht des Hausvaters iſt ihr aber eben ſo fremd, als dem Hausvater
ein ſolches in die Verwendungsgeſchäfte für den häuslichen Bedarf;
ſie verfügt über die Beſchäftigung des hierzu beſtimmten Geſindes,
aber nicht über die Gehilfen und Arbeiter des Mannes, jedoch nie
ſo ausſchließlich, daß ihnen nicht auch der Hausherr Befehle er-
theilen kann; ſie zeichnet die Ausgaben für den häuslichen Bedarf
in Nebenbüchern auf und legt dem Hausvater periodiſch Rechnung
ab. Endlich ſtehen c) die Kinder des Hauſes gegen ihre
Eltern, und dieſe gegen jene in dem Naturverhältniſſe der Liebe,
aus welchem alle Pflichten des Rechts und der Moral entſpringen,
die ſie wechſelſeitig zu erfüllen haben und deren Entwickelung an
ſich der Wirthſchaftslehre ganz fremd iſt; allein die Wirthſchafts-
lehre erheiſcht die Erfüllung jener Pflichten mit gleicher Strenge,
[89/0111]
wenn auch nicht aus gleichen Gründen, wie das Rechts- und
Moralgeſetz, weil aus ihrer Uebertretung wirthſchaftliche Nachtheile
entſtehen können, zufolge von Handlungen und Lebensweiſen der
Kinder, welche eine vernünftige Wirthſchaft verbannt 1).
¹⁾ z. B. heimliches Entwenden bei ſpärlicher Befriedigung von Bedürfniſſen,
Genußſucht und Verſchwendung bei früher Angewöhnung, Verbindungen zwiſchen
Kindern und Geſinde zu Verheimlichungen u. dgl. m.
§. 66.
Fortſetzung.
Jene Verhältniſſe ſind aber 2) in den, den Begriff der
Familie überſteigenden, Hauswirthſchaften Folge ei-
ner vorſchriftlichen Organiſation1), da hier der Begriff der
von Hausvater und Hausmutter hinwegfällt und der Geſchäftskreis
der Führer der Hauswirthſchaft zu ausgedehnt iſt. Es tritt daher
hier ein völliger Behördenorganismus ein, in welchem jeder Beamte,
in verſchiedenen Abſtufungen, ſeinen Geſchäftskreis genau ange-
wieſen erhält. Es werden ganz eigene Regiſtraturen und Kanzleien
errichtet, in welchen die ganze Hauswirthſchaft ſchriftlich und auf
zuſammengeſetzte Art aufgezeichnet wird. Die Controle derſelben
und der Geſchäftsführung iſt alsdann einer eigenen höheren Be-
hörde übertragen 2). Das Verhältniß zwiſchen den Beamten und
etwa vorhandenen Pfleglingen iſt ebenfalls durch Vorſchriften re-
gulirt, eben ſo wie die ganze Behandlung der Lezteren, die mit
pädagogiſchen, ärztlichen, polizeilichen, nationalökonomiſchen und
finanziellen Prinzipien zuſammenhängen und in ſoferne außerhalb
den Kreis der allgemeinen Wirthſchaftslehre fallen. Die Haupt-
maxime bei Errichtung eines ſolchen Behördenorganismus iſt Ein-
fachheit, die andere die feſte Abgränzung des Geſchäftskreiſes, die
dritte die Selbſtſtändigkeit der Beamten, ohne ſich den Gefahren der
Veruntreuung und nutzloſen Verſchwendung Preis zu geben und
die Untergebenen ſchutzlos und blos zu ſtellen.
¹⁾ Es gehören hierher nicht die Erziehungsinſtitute, denn dieſe bilden Familien
mit dem Erziehungsperſonale und die Behandlung der Zöglinge iſt Sache der Päda-
gogik, mit der aber die Hauswirthſchaft im nämlichen Verhältniſſe ſteht, wie im
Falle c. des §. 65.
²⁾ Unter dieſen Geſichtspunkten ſtehen die im §. 64. genannten Anſtalten;
auch die Verwaltungen der fürſtlichen Höfe mit ihren eigenthümlichen, noch mittel-
alterigen, Chargen, und die Behörden zur Verwaltung der Civilliſten in konſtitutio-
nellen Staaten, an deren Spitze immer der Fürſt ſelbſt mit einem Rathe ſteht.
§. 67.
Fortſetzung.
In beiden Fällen 3) unterliegt die Behandlung des
Geſindes gleichen, aus dem Rechts-, Moral- und
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Klugheitsgeſetze abgeleiteten, Regeln. Das Geſinde iſt
von doppelter Art, nämlich freies oder Zwangsgeſinde. Dieſes
Leztere iſt entweder grundherrliches oder oberherrliches Zwangs-
geſinde (Leibeigene und Sklaven) und leiſtet häusliche Dienſte ent-
weder ganz ohne Belohnung oder gegen einen kleineren als den
gewöhnlichen Lohn. Allein a) die Leibeigenſchaft und Skla-
verei iſt gleich ſehr vom Rechts- und Moralgeſetze verboten; aber
auch die wirthſchaftliche Klugheit kann ſich aus allgemeinen Grün-
den damit nicht vertragen, ganz abgeſehen davon, daß die Wirth-
ſchaft unter dem Rechts- und Moralgeſetze ſteht. Denn die geringe
Geiſtesbildung, der Hang zur Unſittlichkeit, die Mittelmäßigkeit
und Schlechtigkeit der erzwungenen Arbeit 1), die geringere Quan-
tität von geleiſteter Arbeit bei gleichem Perſonale im Vergleiche
mit freiem Geſinde, die feindliche Stellung der Leibeigenen und
Sklaven gegen den Herrn, die daher und von ſchlechter Behand-
lung herrührende Neigung zu Veruntreuungen, die Verluſte der
Herrn bei eintretenden Krankheiten unter den Sklaven ſind wirth-
ſchaftliche Mängel, welche durch die ſcheinbar geringe Unterhal-
tungskoſten der Sklaven und Leibeigenen nicht aufgewogen werden2).
Das civiliſirte Europa kennt dieſe Barbarei nicht mehr und hat
den Ruhm ihrer gänzlichen Vertilgung. Dagegen findet man
allenthalben auf Landgütern noch b) grundherrliches Zwangs-
geſinde, auch wo die Leibeigenſchaft bereits verſchwunden iſt.
Die Arbeit deſſelben ſteht in dem (in der Note 1.) bemerkten
Verhältniſſe zum freien Dienſte, deſſen Behandlung aber iſt gleich
jener des freien Geſindes. Bei der Behandlung c) des freien
Geſindes wird man unter beſtändiger Vorſtellung ſeiner drücken-
den Lage ſich nie zu Ungebührlichkeiten, deſpotiſcher Strenge und
Mißhandlung verleiten laſſen; doch aber ſchützt vor dem entgegen-
geſetzten Aeußerſten die Wahrheit, daß ſeine Gefühlsweiſe blos
ſeiner Bildung angemeſſen iſt, und die Erfahrung von den vielen
böſen und unerträglichen Eigenſchaften mancher Geſindeperſonen;
jede Geſindeperſon iſt oft nach ihrer beſonderen Eigenthümlichkeit
zu beurtheilen und zu behandeln; mit Milde und Mäßigung iſt auch
bei Ungebildeten mehr auszurichten als mit übermäßiger Strenge,
und das Vergönnen kleiner beſonders volksthümlicher Vergnügungen
macht ſie auf längere Zeit bieg- und arbeitſamer; die freudig oder
auch nur willig gethane Arbeit gedeiht beſſer als die mit Unwillen
und Ueberdruß vollführte; angemeſſene Strenge, gut angebrachter
Tadel, Aufſicht, Ermunterung und Beiſpiel von Seiten der Herr-
ſchaften wird die Zucht, Ordnung, Tüchtigkeit und Arbeitſamkeit
erhalten; alles dies iſt aber ohne Erfolg, wenn dem Geſinde nicht
[91/0113]
ſein Lohn pünktlich und zwar in genügendem Maaße, ſo wie nicht
ſein Unterhalt richtig gegeben wird; den Unterhalt bekommt das
Geſinde entweder in der Koſt am gemeinſchaftlichen Tiſche oder in
Lebensmitteln, deren Zubereitung jedem ſelbſt überlaſſen iſt (De-
putate); die erſtere Art hat den Vorzug wegen der Gemeinſchaft,
des geringeren Aufwandes an Perſonen und Zeit zum Kochen,
während die andere Methode die Nachtheile in dieſer Hinſicht durch
Kürze der Rechnung und Verringerung der Aufſichtsgeſchäfte nicht
erſetzt; das zu ſtarke Beſchränken beider verſcheucht gutes Geſinde
aus dem Hauſe, bringt ſchlechtes herbei mit allen den vielen wirth-
ſchaftlichen Nachtheilen und Verluſten, und verurſacht häufigen
Geſindewechſel, der immer verhütet werden muß. Jedoch in Län-
dern mit guter Polizeigeſetzgebung ſind die Rechte und Pflichten
des Geſindes geſetzlich regulirt, und auf großen Landgütern eigene
Geſinde- und Speiſeordnungen eingeführt, nach denen ſich nament-
lich die Pachter zu richten haben.
¹⁾ Nach übereinſtimmenden Erfahrungen ſind ſchon die Frohnddienſte 25–30%
ſchlechter, als die freien. Es ſetzt v. Flotow (Anl. z. Verfertigung von Ertrags-
anſchlägen. I. §. 84.) das Verhältniß zwiſchen der Frohndſpannarbeit und der freien
= 3:2, und zwiſchen der Frohndhandarbeit und der freien = 4:3.
²⁾ Nach say (Traité d'économ. polit. §. 215.) koſtet auf den Antillen der
Unterhalt eines Sklaven jährlich 500 frs., der eines freien Arbeiters, bei einem
Taglohn von 5–7 frs., wenigſtens im Durchſchnitte 1800 frs. Allein dies iſt in
Europa nicht anwendbar, und auch für die Antillen nicht beweiſend, weil die Skla-
ven dort alle Concurrenz freier Arbeiter verdrängt haben say Cours. II. p. 47.
Ueberſ. von v. Th. II. 35. Cours III. 213. Ueberſ. III. 167. Cours IV. p. d.
Ueberſ. IV. S. 351. storch Cours. Ueberſ. von Rau. II. 256. 276. 462. 506.
III. 436. v. Jacob Polizeigeſetzgebung. I. 167.
§. 68.
Beſchluß..
Was endlich 4) die Taglöhner anbelangt, ſo richtet ſich
ihre Behandlung nach den §. 67. angegebenen Regeln. Auch bei
ihnen unterſcheidet man freie und Zwangs-Taglöhner (Fröhner),
welche Leztere entweder aus grundherrlichen oder auch noch aus
leibeigenſchaftlichen Verhältniſſen herrühren. Die Löhnung, auch
wenn ſie bei den Fröhnern vorkommt, beſteht entweder aus Geld-
lohn oder aus Geldlohn und Naturalverpflegung. Da, wo beide
Arten anwendbar ſind, kann die Frage über die Vortheile der
Einen vor der Andern nur nach beſonderen Verhältniſſen entſchie-
den werden. Im Allgemeinen kann man aber wohl annehmen, daß
mit der Naturalverpflegung, da ſie den Geldlohn verringert und
wenn ſie gut eingerichtet werden kann, Vortheile verbunden ſind,
weil man den Unterhalt der Arbeiter ohne ſie auch in Geld bezahlen
[92/0114]
müßte, wobei ſie leicht höher zu ſtehen kommen kann, als wenn ſie
die Hauswirthſchaft bei gehöriger Sparſamkeit und Aufbewahrung
von Speiſen in Natur liefert. Bei den Fröhnern, ſelbſt wenn ſie
keinen Geldlohn erhalten, iſt die Speiſung (Pröven) oft eine
Vertrags- oder Herkommenspflicht des Hauſes. Noch wichtiger iſt
die Frage, ob die Stück- oder Gedingarbeiter den eigentlichen
Taglöhnern vorzuziehen ſeien. Ihre Entſcheidung hängt von der
Art der Arbeiten und von der Aufſicht auf dieſe ab. Denn bei
manchen wirthſchaftlichen Arbeiten ſind ſie gar nicht anwendbar.
Dagegen bei gehöriger Aufſicht ſind ſie wegen Erleichterung der
Wirthſchaftsführung, der Wohlfeilheit, der Schnelligkeit und
größeren Kraftanwendung um ſo vortheilhafter, je mehr der Stück-
arbeiter ſeines eigenen Nutzens wegen zur Arbeitſamkeit angeſpornt
iſt. Bei unrichtiger Anwendung und ſchlechter Aufſicht iſt die
Stückarbeit aber in jeder Hinſicht die ſchlechteſte 1).
¹⁾ In England iſt ſie am ausgedehnteſten angewendet, da man dort überhaupt
faſt alle, beſonders landwirthſchaftliche, Arbeiten durch Taglöhner in obigem dop-
pelten Sinne betreiben läßt, ſo daß man einen Fall erzählt, wo auf einem Gute
von 323 preuß. Morgen Feld, 20 Kühen, 40 Schafen und mehreren Ochſen nur
2 Knechte, 2 Jungen und im höchſten Falle Sommers 2 Mägde, im Winter nur
eine, gehalten worden. Burger Landw. II. S. 330.
§. 69.
Vertheilung, Verbindung und Folge der häuslichen
Geſchäfte 1).
Je größer die Menge von Hausgeſchäften und je bedeutender
hiernach die Zahl der Arbeiter, deſto unentbehrlicher iſt 1) die
Vertheilung der Arbeiten unter die Arbeiter ſelbſt, ſo daß jeder
ſein beſtimmtes ſtändiges Geſchäft hat; ſo treten ſich die Perſonen
nicht hindernd in den Weg, es wird an jeder Arbeit in Einem
fortgearbeitet, ſie wird ſchneller beendigt und beſſer vollführt, weil
mit der beſtändigen Uebung der Arbeiter größere Fertigkeit erzeugt
wird. Bei dieſer aber iſt eben ſo nöthig 2) die Verbindung
der Arbeiten; allein dieſe hat eine doppelte Bedeutung, nämlich
als Zuſammenhalten aller hauswirthſchaftlichen Thätigkeiten zu
einem Ganzen und in einer Ordnung, und als Verbindung der-
jenigen einzelnen Arbeiten, deren Vereinigung unmittelbar erfordert
wird oder die in chronologiſcher Beziehung in einem Verbande
ſtehen. Beides iſt begreiflicherweiſe nöthig wegen der Ordnung
und wegen der Verhütung einer ſchädlichen Zerſplitterung der
häuslichen Geſchäfte. Hierdurch iſt zum Theile ſchon 3) die rich-
tige Folge der häuslichen Arbeiten als unumgänglich dargethan;
dieſelbe liegt aber zum Theile ſchon in der Natur und Art der
[93/0115]
Arbeit ſelbſt, welche nur eine beſtimmte Tages- und Jahreszeit
zuläßt, zum Theile auch in der größeren oder geringeren erfolgen-
den Ermüdung und zum Theile in den manchfachen äußeren Um-
ſtänden, deren Aufzählung unmöglich iſt. In dieſen drei Punkten
bewährt ſich der tüchtige Hauswirth und die tüchtige Hausfrau,
denn von ihnen hängt die nützliche und paſſende Beſchäftigung der
Kräfte und der Gang der Hauswirthſchaft ab. Ihre Erreichung
iſt aber eine Sache der praktiſchen häuslichen Kunſt, alſo des Ta-
lentes, Taktes und der Erziehung.
¹⁾ Die häuslichen Arbeiten hier aufzuzählen iſt überflüſſig. Jeder Angehörige
einer Familie kennt ſie.
Zweites Hauptſtück.
Von der Erhaltung und Verwendung des wirth-
ſchaftlichen Vermögens und Einkommens.
§. 70.
I. Allgemeine Regeln der Erhaltung und Aufbewahrung.
Was jede Art von bürgerlichen Gewerben bei ihren eigenthüm-
lichen Produkten für Erhaltungsmaßregeln zu treffen habe, das
lehrt die beſondere Wirthſchaftslehre. Hier handelt es ſich nur um
die allgemeinen Prinzipien jener Erhaltung und Aufbewahrung,
und um die der in der Hauswirthſchaft nöthigen Sachen. Im
Allgemeinen werden Erhaltungsmaßregeln nöthig:
1) Gegen die Natur, d. h. den hindernden und ſtörenden
Einfluß der Naturkräfte. Es gehört hierher die Sorgfalt z. B. für
Abhaltung des Schadens durch den Blitz, das Feuer, das Waſſer,
die Fäulniß, den Thierfraß u. ſ. w., deren Aufzählung hier zu
weit führen würde.
2) Gegen die Menſchen, d. h. menſchliche Sorgloſigkeit,
Unachtſamkeit, Bosheit und Unrechtlichkeit; z. B. gegen Betrug,
Diebſtahl, Verderben u. dgl.
Man könnte, wenn der Ausdruck nicht uneigentlich wäre, dieſe
Thätigkeit die häusliche Sicherheitspolizei heißen 1). Man
bedient ſich zu dieſen Zwecken folgender Mittel:
1) Des Schutzes der Gebäude durch äußere Mittel, z. B.
Blitzableiter, Anſtriche gegen Feuer- und Waſſersgefahr und
Schwämme, guten Verſchluß.
2) Des Schutzes durch ſicheren Bau der Häuſer jeder Art,
z. B. Conſtruktion ſelbſt, Abhalten von Theilen, welche leicht Ge-
fahr herbeibringen, z. B. Wetter-, Schindel-, Strohdächer,
Getäfel u. dgl.
[94/0116]
3) Des Schutzes durch ſorgfältigen Bau der inneren Theile
eines Hauſes, z. B. Heerde, Kamine, Oefen, Darren, Backöfen,
Schornſteine, Rauchkammern u. dgl.
4) Des Schutzes durch Anempfehlung von und Aufſicht auf
Achtſamkeit unter den Hausgenoſſen, z. B. bei dem Feuer, Holze,
Kohlen, Lichter u. dgl.
5) Des Schutzes durch Aufbewahrung der Gegenſtände in
Gefäßen, Kiſten, Schränken, Küche, Keller, Speicher, je nach
der Eigenthümlichkeit der Gegenſtände.
6) Des Schutzes durch chemiſche Sicherungsmittel gegen
Fäulniß, z. B. Räuchern, Salzen, Einmachen u. dgl.
7) Des Schutzes durch Bereithalten von Mitteln, um bei vor-
handener Sicherheitsgefahr ſogleich thätig zu ſein, z. B. Schieß-
gewehre, Feuerzeuge, Nachtlichter, kleine Handfeuerſpritzen, Züber
voll Waſſer, Häckſel, Spreu, Sand, Aſche zum Löſchen von bren-
nenden Flüſſigkeiten u. dgl.
8) Des Schutzes durch Behutſamkeit im Waarenhandel auf
Märkten gegen Schlechtigkeit der Waaren u. dgl., z. B. bei But-
ter, Fleiſch, Flachs, Hanf u. dgl.
9) Des Schutzes durch Verhinderung von Hausdiebſtählen
durch Geſinde, Hausfreunde und ſolche Handwerker, z. B. Schloſ-
ſer, Schmiede u. dgl., welche Zutritt in geheime Gemächer haben
und leichte Mittel zum Eindringen beſitzen, wie z. B. das Nach-
machen von Schlüſſeln u. dgl.
10) Des Schutzes durch Fangen und Tödten der ſchädlichen
Thiere, z. B. Mäuſe, Wanzen u. dgl.
¹⁾ Es gehört aber hierher nicht blos die Sicherung ſachlicher, ſondern auch
immaterieller äußerer wirthſchaftlicher Güter; z. B. Maßregeln gegen Entziehung
von Kundſchaft, Taglöhnern u. dgl. durch Verläumdung, gegen Entziehung der
Liebhaber zur Vermiethung eines Hauſes durch Verläumdung, Hausſchwamm,
Wanzen, übeln Geruch u. dgl.
§. 71.
II. Allgemeine Grundſätze von der Verwendung.
Nach der Art und nach dem Maaße, wie weit die Verwen-
dung geht, unterſcheidet man den Gebrauch und Verbrauch,
welcher leztere immer eine Vernichtung des verwendeten Gutes
zur Begleiterin hat. Aber nach den zu verwendenden Objekten
ſcheidet ſich jene der immateriellen äußern Güter (Lebensverhält-
niſſe) von jener der ſachlichen Güter. Die Wichtigkeit der Be-
nutzung beider leuchtet in die Augen. Jene der Erſteren beruht
auf den Prinzipien der Vernunft, der Moral, des Rechts und der
Lebensklugheit, welche ſich wechſelſeitig modifiziren und Maximen
[95/0117]
für die Handlungen hervorbringen, um den reinen Eigennutz und
die Selbſtſucht eben ſo ſehr zu verbannen, als vor allzugroßer un-
kluger Dienſtfertigkeit, Offenheit, Hingebung und Freigebigkeit zu
warnen 1). Der Gebrauch und Verbrauch der ſachlichen wirth-
ſchaftlichen Güter aber beruht außer jenen noch auf den wirth-
ſchaftlichen Prinzipien. Es verlangt nämlich:
1) Das Vernunftgeſetz (handle vernünftig!), daß man keine
Verwendung (Ausgabe) ohne vernünftigen Zweck, ohne die ver-
nünftigen Mittel zu ergreifen, ohne vernünftige Ausführung, mache.
2) Das Moralgeſetz (handle vernünftig des Vernünftigen ſelbſt
willen, d. h. weil ſich die Vernunft Selbſtzweck iſt!), daß man
keine Ausgaben zu immoraliſchen Zwecken, mit immoraliſchen Mit-
teln, und durch immoraliſche Ausführung mache.
3) Das Rechtsgeſetz (handle vernünftig deiner Nebenmenſchen
wegen, die daſſelbe Geſetz in ſich haben, = handle nach dem Ver-
nunftgeſetze, als dem Prinzipe der Geſellſchaft! = Jedem das
Seinige als Vernunftweſen!), daß man keine Ausgaben zu un-
rechtlichen Zwecken, mit rechtswidrigen Mitteln und rechtswidriger
Ausführung, mache.
4) Das Klugheitsgeſetz (ſuche alle rechtlichen und moraliſchen
Mittel und Handlungen zu deinem Vortheile zu wenden, ohne ver-
nunftwidrig, immoraliſch und unrecht zu handeln!), daß man die
Ausgaben nach der Stufenfolge der Bedürfniſſe einrichte und aus
dem Vermögen und Einkommen den größtmöglichen Vortheil zu
ziehen ſuche, ohne gegen Vernunft, Moral und Recht, folglich
auch gegen die Religions- und Staatsgeſetze, ſich zu vergehen,
und ohne Andere alſo zu vernunftwidrigen, immoraliſchen und
rechtswidrigen Handlungen anzuſpornen oder von ſolchen nicht
abzuhalten.
Es beſchränken ſich dieſe Maximen eben ſo, wie die Geſetze,
aus denen ſie hervorgingen, blos urſachliche Modificationen des
Vernunftgeſetzes und reciprok ſind. Es iſt alſo falſch 1) blos das
Rechtsgeſetz oder blos die poſitiven Geſetze als Richtſchnur in der
Wirthſchaft zu nehmen, denn die wirthſchaftliche Thätigkeit beſteht
ſchon, ehe durch die Geſellſchaft das Rechtsgeſetz entſtand und auch
in allen Fällen, wo es ſich nicht um das bloße Recht handelt und
alſo nur das Vernunftgeſetz in ſeiner Allgemeinheit und in ſeiner
Modification als Moralgeſetz gilt, und die moraliſche Handlung iſt
in der Geſellſchaft auch darum unſere Pflicht, weil die Mitglieder
durch dieſelbe ein Recht darauf haben; 2) blos das Klugheitsgeſetz
als Richtſchnur in der Wirthſchaft gelten zu laſſen und dieſe
darum als etwas moraliſch Verwerfliches zu erklären, denn auch
[96/0118]
die Klugheit ſteht unter dem oberſten Vernunft-, dem Moral- und
Rechtsgeſetze.
¹⁾ Die Menſchenkenntniß iſt die erſte Bedingung. Sehr gehaltvoll und
nützlich,
wenn das Gemüth das gehörige Gegengewicht hält, ſind die Lehren
Zachariä's
in ſeinen 40 Büchern vom Staate. I. 472.
§. 72.
Fortſetzung.
Nach dieſen Geſetzen und Maximen iſt daher klar: 1) die
Verwerflichkeit der Verſchwendung, d. h. des zweckloſen Aus-
gebens überhaupt, ſelbſt bei dem größten und am meiſten bei be-
ſchränktem Vermögen; 2) die Verwerflichkeit des baaren Gegentheils,
nämlich der Habſucht, d. h. des rückſichtsloſen Strebens nach
größerer Vermögensanhäufung überhaupt und ſowohl bei beſchränk-
tem als beſonders bei großem Vermögen; 3) die Verwerflichkeit
des Geizes, d. h. der übermäßigen Beſchränkung der Verwendung
unter Hintanſetzung des Zweckes der Güter und Wirthſchaft, näm-
lich der Befriedigung der Bedürfniſſe und Erhöhung des Lebens-
genuſſes1); und 4) die Verwerflichkeit des Luxus, wenn er
ſtandes- und vermögenswidrig iſt und die moraliſche Kraft des
Menſchen gefährdet, während man mit den gleichen Ausgaben die
Pflichten der Wohlthätigkeit und des Gemeinſinnes erfüllen oder
mit ihrer Vermeidung Sparniſſe machen könnte. Aber es iſt auch
nach denſelben Geſetzen und Maximen klar: 5) die Nothwendigkeit
und Löblichkeit der guten Wirthſchaft, deren Streben die Be-
friedigung der Bedürfniſſe und die Erhöhung des wahren Lebens-
genuſſes iſt, und 6) die Zweckmäßigkeit des Erübrigens und
Zurücklegens, um jenen Fehlern auszuweichen, für die Zukunft
zu ſorgen und die Pflichten der Wohlthätigkeit und des Gemein-
ſinnes zu üben.
¹⁾ Zachariä (40 Bücher vom Staate. Bd. V. §. 1. S. 1.) hat daher nach
allen Seiten Unrecht, da er die Wirthſchaftslehre definirt, als die Lehre von der
Art, wie man reich werden, alſo ſein Bedürfniß an Brauchlichkeiten vollkommen
befriedigen kann, oder als die Methodenlehre der Habſucht und des Geitzes. Allzu
große Gemüthlichkeit kann man dieſer Definition wenigſtens nicht vorwerfen!
§. 73.
III. Beſondere oder wirthſchaftliche Grundſätze der
Verwendung.
1) Herſtellung eines richtigen Verhältniſſes der
Ausgaben und Einnahmen.
Es wird ſehr oft behauptet, die Ausgaben müßten ſich nach
den Einnahmen richten. Allein dies iſt nur da der Fall, wo eine
[97/0119]
Vermehrung der Einnahmen wirthſchaftlich nicht möglich iſt.
Naturgemäßer wird behauptet, die Einnahmen müßten ſich nach
den vernünftigen Ausgaben richten; denn das Bedürfniß und der
Hang zum Lebensgenuſſe war ſchon vor den Einnahmen da und das
Prinzip der Selbſterhaltung iſt im Menſchen ſo ſtark, daß er Alles
aufbietet, um die erforderlichen Bedürfniſſe zu erlangen. Allein
auch dies iſt einſeitig, weil jedenfalls die Gründe der Ausgaben
unbegränzt, die Güterquellen aber begränzt ſind. Die vielmehr in
der Mitte liegende Wahrheit beſteht daher in dem wirthſchaftlichen
Prinzipe, die Einnahmen nach obigen Geſetzen (§. 71.) ſtets im
Verhältniſſe der vernünftigen Ausgaben zu vergrößern und die
Ausgaben einer vernunft- und ſachgemäßen Beſchränkung zu unter-
ziehen. Dies iſt die wahre Bedeutung von der Sparſamkeit,
welche als ſolche noch verſchiedene Grade haben kann, bis ſie die
moraliſche Geſinnung ihren Charakter mit Geitz und Habſucht ver-
wechſeln läßt. Aber es ergeben ſich aus dem Verhältniſſe zwiſchen
Einnahme und Ausgabe gewiſſe Wirthſchaftszuſtände, je nach
denen auch die Sparſamkeit einen andern Grad annehmen kann.
Sie ſind: 1) das Auskommen, d. h. derjenige wirthſchaftliche
Zuſtand, in welchem ſich Bedürfniſſe und Einnahmen ausgleichen;
2) der Wohlſtand, d. h. derjenige wirthſchaftliche Zuſtand, wo
der über jene Ausgleichung bleibende Ueberſchuß noch einen ſtandes-
mäßigen Lebensgenuß oder Erſparniſſe geſtattet; 3) der Reich-
thum, d. h. derjenige Grad von Wohlſtand, worin der Erwerb
des Bedarfs, auch ohne Arbeit des Beſitzers, die Bedürfniſſe weit
überſteigt, und Wohlleben geſtattet; 4) der Ueberfluß, d. h.
jener Grad von Reichthum, wo das Sparen ganz unnöthig er-
ſcheint; 5) der Mangel, d. h. der dem Ueberfluſſe gerade entgegen-
geſetzte Zuſtand, worin die Erlangung des nöthigſten Bedarfes nicht
Statt findet; 6) die Armuth, d. h. der gerade Gegenſatz des
Reichthums, oder die Unfähigkeit der Wirthſchaft, ſelbſt durch
Arbeit die dringenden Bedürfniſſe ganz zu befriedigen, wo alſo der
Beiſtand Anderer noch nöthig wird; und 7) die Dürftigkeit,
d. h. der Gegenſatz des Wohlſtandes, in welchem noch Entbehrungen
mancher Art nothwendig ſind. Eine mathematiſche Gränze läßt
ſich hier nicht ziehen, und die Vorſtellungen von dieſen Zuſtänden
ſind bei verſchiedenen Nationen auch verſchieden.
§. 74.
Fortſetzung.
Es verlangt das wirthſchaftliche Prinzip allgemeinhin 1) daß
man die kleinſten Ausgaben mache, d. h. ſich die Bedürfniſſe und
Baumſtark Encyclopädie. 7
[98/0120]
Genüſſe, unbeſchadet ihrer zweckmäßigen Befriedigung und wahren
Vollkommenheit der dazu dienenden Gütermenge, ſo wohlfeil als
möglich verſchaffe; 2) daß, wenn man ſie ſich unmittelbar ſelbſt
am wohlfeilſten verſchaffen kann, man den Verkehr nicht zu Hilfe
nehmen ſoll; 3) daß, wenn uns die eigene Produktion und Schaf-
fung theurer zu ſtehen kommt, ohne uns andere Vortheile zu ge-
währen, man ſie aus dem Verkehre beziehe; 4) daß, wenn die
Koſten der eigenen Schaffung denen im Verkehre gleich ſtehen,
man den erſteren Weg nur dann einſchlage, wenn man durch
anderweitige Güterquellen nicht größere wirthſchaftliche Vortheile
beziehen kann; 5) daß man zuerſt die Befriedigung der Bedürfniſſe
nach ihrer Dringlichkeit beachte; 6) daß man nach ihr den Hang
zum Wohlleben zu befriedigen ſuche, und hierbei die Genüſſe,
welche Geiſt, Herz und Körper erkräftigen, vor allen wähle und
ſtufenweiſe bis zu jenem Grade ordne, wo jene Erkräftigung nicht
geſchieht oder gar Entnervung eintritt.
§. 75.
2) Arten des Bedarfs im häuslichen Leben.
Die Hauptausgaben, welche in einer Hauswirthſchaft vom
niederſten bis zum höchſten Grade entweder ſämmtlich oder zum
Theile vorkommen, ſind folgende:
1) Für Erziehung und Bildung ſowohl der Kinder als
der Erwachſenen. Entweder überläßt der Staat den Bürgern die
Erziehung und Bildung der Jugend, ohne dafür Anordnungen zu
treffen, oder er trifft Bildungsanſtalten und überläßt deren Be-
nutzung der freien Wahl der Bürger oder gebietet dieſelbe bis zu einem
gewiſſen Grade. Man unterſcheidet die Elementar-, Real-, Mittel-,
Gewerbs- und Gelehrtenſchulen (Mittel- und Hochſchulen). Ob man
ſeinen Kindern noch Hausunterricht neben der Schule, oder blos
Hausunterricht, ob man denſelben einen eigenen Hauslehrer geben
ſoll, das hängt von der Thätigkeit der Kinder im Lernen, vom
Unterrichte in der Schule, von den Folgen des bloßen Hausunter-
richtes auf den Charakter der Kinder, beſonders Söhne, von der
Beſchäftigung der Eltern und von den Vermögensumſtänden ab,
ebenſo wie die Erziehung in Inſtituten. Jeder Hausvater ſtrebt
nach einer höheren beſſeren Erziehung ſeiner Kinder als die ſeinige
war. Stets aber geht er außer von der Neigung und dem Talente
der Kinder auch davon aus, ob er im Stande ſei, die Mittel zu
einer beſtimmten Erziehung beizubringen, um ſein Kind nicht der
Gefahr einer Unterbrechung oder halben Bildung auszuſetzen; denn
[99/0121]
dieſe iſt das verwendete Vermögen niemals werth, und ſteht der
tüchtigen Bildung auf einer niedereren Stufe immer nach, und es
ſichert nicht immer die Höhe der Bildung auch die feſteſte und
freiſte Exiſtenz, obſchon es ſo den Anſchein hat, als ſeien die ge-
bildeten Herrn die glücklichſten. Iſt aber die Erreichung einer
Bildungsſtufe gewählt, ſo darf die Hauswirthſchaft ohne Unge-
rechtigkeit gegen die anderen Kinder kein Mittel ſcheuen, ſie auf
die tüchtigſte Weiſe zu erreichen. Hierin bewährt ſich der ächte
Hausvater1).
2) Für Nahrung und Küchengeräthe. Dieſe beſorgt
die Hausfrau mit dem Hausgeſinde. Daß die rohen Materialien
dazu nicht vom Hauſe ſelbſt in allen Fällen producirt werden, lehrt
die Erfahrung. Man ſehe beim Einkaufen nicht blos auf die
Wohlfeilheit und Menge, ſondern hauptſächlich auch auf die Güte.
Es werden viele Erfahrungen zu einem guten Einkaufe erfordert.
Eine gute und ſchmackhafte Zubereitung iſt wirthſchaftlich weit
beſſer als eine geitzige. Wehe dem Hauſe, deſſen Frau die Küche
nicht verſteht und vom Geſinde abhängt! Sie iſt entweder leicht-
ſinnig, Verſchwenderin oder eine Geitzige. Das Geſinde weiß ſich
immer gegen die übertriebene Spärlichkeit der Hausfrau zum Nach-
theile des Hausvaters und der Hausgenoſſen zu entſchädigen; dieſe
aber leiden am meiſten. Jedermann beurtheilt die Sorgfalt der
Hausfrau zuerſt nach der prunkloſen Schönheit, Reinheit und
Ordnung der Küchengeräthe, ebenſo wie man die Häuslichkeit der
Braut nach ihrem Neglige oder Morgenkleide beurtheilen kann.
Tüchtige Menſchen thun auch das Unbedeutende mit beſonderer
Aufmerkſamkeit. Das Beihalten einer feſten Speiſezeit iſt wirth-
ſchaftlich und geſundheitlich nöthig. Dies hängt aber vielfach von
der Strenge des Hausherrn ab, welche jedoch weder grämlich noch
pedantiſch ſein ſoll2).
¹⁾ Daß in einem Erziehungsinſtitute dies die vorzüglichſte Ausgabe macht, iſt
klar. Aber in der gebildeten Familie iſt eine Ausgabe für die Fortbildung der
Erwachſenen durch Lektüre u. dgl. nöthig.
²⁾ In öffentlichen Anſtalten mit Pfleglingen beſteht darüber ein feſtes Regle-
ment, was Zeit, Menge und Art der Speiſe betrifft.
§. 76.
Fortſetzung.
3) Für Kleidung und Bettzeug. Unordnung und Unrein-
lichkeit ſind hier eben ſo verwerflich als Eitelkeit. Wirthſchaftlich
beſſer iſt es, gute theurere, als wohlfeile mittelmäßige oder ſchlechte
Stoffe zu kaufen. Der deutſchen Hausfrau volksthümlicher uralter
7 *
[100/0122]
Ruhm iſt die Geſchicklichkeit in den hierher einſchlagenden häus-
lichen Arbeiten der Verfertigung und Ausbeſſerung. Nichts Aeuſ-
ſeres iſt empfehlender als Ordnung, Reinlichkeit und Einfachheit
des Anzugs, und der Gaſt urtheilt gerne vom unreinen Hemde,
Hals- und Taſchentuche des Mannes, von einem unordentlichen
Haargeflechte der Frau, vom unreinen verbogenen Tiſchtuche, und
vom unebenen Bette und groben Bettzeuge auf eine ſchlechte
Haushaltung1).
4) Für Wohnung. Man kann ſie ſich ſelbſt erbauen, kaufen
oder miethen. Nur ſelten trifft man es in beiden lezteren Fällen
ſo, wie man es wünſcht. Wer ſich ſein Haus ſelbſt baut, der hat
den beſten Theil erwählt. Auf alle Fälle muß der Hausherr ſo
viele Kenntniſſe vom Bauweſen haben, daß er ein Haus für ſeine
Zwecke beurtheilen und einrichten kann. Gehörige Ausbeſſerung
deſſelben zur rechten Zeit ſchützt vor größerem Schaden, vor Ver-
fall und vielem wirthſchaftlichen Unglücke und Verluſte. Größe,
Abtheilung und Einrichtung des Hauſes hängt von der Größe und dem
Stande der Familie ab; ein Erziehungshaus kann nicht ohne Lehr-,
Schlaf-, Speiſe- und Krankenſäle ſein, deren Conſtruktion von
pädagogiſchen Regeln abhängt; die Einrichtung der Kranken- und
Irrenhäuſer, ſo wie der Siechenhäuſer wird von geſundheits-
polizeilichen Grundſätzen beſtimmt; die Waiſenhäuſer werden nach
beiden zugleich conſtruirt; die Armen-, Arbeits- und Strafhäuſer
ſind aber nach allgemeinpolizeilichen Rückſichten zu bauen und ein-
zurichten. Bei der inneren Einrichtung der Wohnungen, welche
allen gemein iſt, z. B. der Oefen, Heerde, Schornſteine, Keller,
Speicher u. dgl., concurrirt die Bequemlichkeit mit der allgemei-
nen Sicherheit, weshalb ſie unter polizeilicher Aufſicht ſtehen.
5) Für Hausgeräthe (Meubles). Der Ankauf hat hierbei
unbedingten Vorzug vor der Miethe, wenn der Aufenthalt an einem
Orte nicht zu kurz iſt. Denn der Miethzins iſt ſo hoch, daß man
ſich für dieſen von einigen Jahren die Meubles ſelbſt kaufen könnte,
und beim Hinwegziehen von einem Orte iſt in der Regel der Erlös
nicht unbedeutend, wenn man ſie verkauft, weil der Begehr ſtets
wirkſam iſt. Sorgfalt im Gebrauche bringt ſchon im lezten Falle
auch mehr Vortheil. Die Schönheit und Pracht derſelben hängt
von Vermögen und Stand der Familie ab2), nie aber ſoll man
dieſe und die Wohlfeilheit der Dauerhaftigkeit vorziehen. Der
herrſchende Geſchmack ſoll dabei nicht unberückſichtigt bleiben.
¹⁾ In öffentlichen Anſtalten richtet ſich dieſe bei den Pfleglingen nach einer
allgemeinen Norm.
²⁾ In öffentlichen Anſtalten der genannten Art iſt dieſe leztere Eigenſchaft
ganz verbannt.
[101/0123]
§. 77.
Beſchluß.
6) Für Heitzung. Hierzu wählt man dasjenige Material,
das in der Gegend gebräuchlich iſt; denn jede Gegend hat an einem
mehr als am andern. Wo ſowohl Holz, Stein- und Braunkohlen,
als Torf und Lohkäſe zu haben ſind, nimmt man das am beſten
heitzende und das wohlfeilſte. Kiehn und Lohkäſe dienen meiſtens
zum Anfeuern und Unterhalten. Es iſt nicht leicht irgendwo die
Sparſamkeit ſo angebracht, wie hierbei, denn dieſe Ausgabe be-
läuft ſich hoch. Für Heitzung großer Säle und mehrerer Zimmer
in großen Gebäuden hat eine gut eingerichtete Luftheitzung große
Vortheile.
7) Für Beleuchtung. Die ſchönſte und reinlichſte iſt die
Wachsbeleuchtung. Wegen ihrer Koſtſpieligkeit iſt ſie aber weniger
angewendet als die Talgbeleuchtung. Allgemein verbreitet iſt die
Oelbeleuchtung wegen ihrer Wohlfeilheit in zweckmäßig conſtruirten
Lampen, wegen des hellen und ſteten Lichtes, das einen größeren
Raum als Wachs- und Talglichter erhellt. In Zimmern bedient
man ſich des gereinigten Oeles. In neueſter Zeit hat man auch
in großen Gebäuden die Gasbeleuchtung mit Vortheil angewendet,
die aber für kleine Räume, wo man mit dem Lichte herumzieht,
nicht paßt.
8) Für Arzneien und Aerzte. Für Erſtere muß man an-
ſchaffen, was nöthig iſt, ſowohl in der Familie als in Anſtalten.
Vortheilhaft iſt immer, wenn man, was nicht blos in der Apotheke
zu haben iſt, ſelbſt anſchafft oder produzirt. Iſt eine Hausapotheke
für eine Familie vortheilhaft, ſo iſt ſie für eine Anſtalt eben ſo
nöthig als der Vorrath an verſchiedenen ärztlichen Inſtrumenten
und Geräthen, deren Zahl und Art ſich nach der Art und Aus-
dehnung der Anſtalt richtet. Iſt ſolchen Anſtalten die Anſtellung
beſonderer Aerzte und Direktoren unerläßlich, ſo hat die Wahl
eines Hausarztes, der ſein jährliches Honorar bezieht, ſehr viele
Vortheile für eine Familie.
9) Für Arbeitslohn. Dieſer richtet ſich ſowohl beim Ge-
ſinde als bei den Taglöhnern und Stückarbeitern nach allgemeinen
Sätzen, deren Erörterung in die Volkswirthſchaftslehre gehört.
§. 78.
3) Verwendung der Ueberſchüſſe.
Wenn nach Befriedigung der Bedürfniſſe noch etwas vom Ein-
kommen übrig bleibt, ſo gibt es noch verſchiedene Zwecke, zu denen
[102/0124]
dieſer Reſt verwendet werden kann. Die Hauptzwecke ſind: 1)
wirthſchaftliche für die Zukunft, daher legt man Einkommen
zurück zur Vergrößerung des Vermögens; die Rückſicht auf das
Wohl der Kinder, auf Vermehrung der Familie und auf das
Alter, ſo wie für außerordentliche Fälle gebietet es gleich ſtark.
Wenn man in früherer Zeit das Geld todt in Schätze anſammelte
und ſo nur langſam ein geringes Geldcapital erhielt, das durch
einen Zufall verloren gehen konnte, ſo iſt man jetzt klüger gewor-
den, indem man das zurückgelegte Geld wieder nutzbar anwendet.
Man hat jetzt aber auch weit mehr Anlagsmethoden als damals.
Entweder legt man ſolche Geldcapitalien wieder an in neuen Ge-
werbsunternehmungen und Gewerbserweiterungen oder man leiht
ſie aus. Auf welche Weiſe dies geſchehen kann und den meiſten
Vortheil bringt, wird in der Lehre vom Rentgeſchäfte gezeigt.
Andere Zwecke ſind 2) jene des Vergnügens, deſſen Manchfal-
tigkeit unerſchöpflich iſt (§. 74. Note 6.); 3) jene des Gemein-
ſinnes, welche jedem guten Bürger am Herzen liegen müſſen und
durch deren Unterſtützung man ſich um ſo mehr Verdienſte erwirbt,
je beſſer man für ſie Capital und je mehr man ſolches anwendet;
und endlich 4) jene der Wohlthätigkeit, zu der man als Menſch
und Chriſt verbunden iſt und deren Pflichten man aber mit ge-
höriger Vorſicht üben ſoll.
Drittes Hauptſtück.
Von der Berrechnung des Vermögens und
Einkommens.
§. 79.
Nutzen und Arten der Rechnungsführung.
Dieſe wirthſchaftliche Thätigkeit ſteht zwar nicht in unmittel-
barem Verbande mit dem Zwecke der Wirthſchaft. Allein weder
der Erwerb noch die Hauswirthſchaft könnte einen geordneten Gang
gehen, wenn nicht eine logiſch geordnete und bequem zu überſehende
Aufzeichnung der Einnahmen und Ausgaben das menſchliche Ge-
dächtniß unterſtützte. Die Berrechnung hebt die Einträglichkeit des
Erwerbs, das Verhältniß der Ausgaben unter ſich und zu den
Einnahmen hervor, erleichtert ſo die Ueberſicht zu Veränderungen,
ſichert gegen Verluſte im Verkehre, und ſtellt den Eigenthümer,
wenn Verwalter die Wirthſchaft führen, vor Betrug ſicher. Die
Berrechnung iſt theils in chronologiſcher, theils in Realfolge, d. h.
[103/0125]
theils nach der Zeit, wie Ausgaben und Einnahmen folgen, theils
nach den Gegenſtänden beider einzurichten. Sie iſt um ſo ſchwie-
riger, denn um ſo zuſammengeſetzter, je verſchiedener und größer
die Ausgaben und Einnahmen ſind. Bei einer ganz einfachen
Familien-Hauswirthſchaft genügt die bloße Aufzeichnung der Aus-
gaben und Einnahmen in einem Hausbuche mit Rubriken für
Datum, Gegenſtände und Geldbetrag, und der monatliche Rech-
nungsabſchluß. Aber die Hausbücher dürfen mit den Gewerbs-
büchern für Gewerbseinnahmen und Ausgaben nicht vermengt werden.
Bei großer Hauswirthſchaft (§. 64.) und bei größerem Gewerbs-
betriebe iſt die Controle ſchwerer, darum die Rechnung genauer
und complizirter. Die Eigenthümlichkeiten der Gewerbsrechnungs-
führung zeigt die Betriebslehre jedes Gewerbrs. Im Allgemeinen
aber unterſcheidet man die einfache Buchhaltung und die
doppelte Buchhaltung1).
¹⁾ Die Literatur darüber iſt ungeheuer. Daher hier nur folgende Schriften
angegeben werden. Beckmann Anweiſung, die Rechnungen kleiner Haushaltungen
zu führen. Göttingen 1797. Günther, einfache Buchführung für Haushaltungs-
rechnungen. Frankfurt 1819. Berghaus, der ſelbſtlehrende doppelte Buchhalter.
Leipzig 1809. Leuchs, Theorie und Praxis des Buchhaltens. Nürnberg 1820. 4.
Leuchs, Syſtem des Handels. I. 192. Bleibtreu, Lehrbuch der Handelswiſſ.
S. 390. Boucher, La science de négocians et teneursdes livres. II. Edit.
Paris 1803. 4. Feder, Handb. des Staatsrechnungs- und Kaſſenweſens nebſt einem
Anhange über Haushaltungs- ꝛc. Rechnungen. Stuttg. 1820. 4. S. 197–210.
§. 80.
Einfache Buchhaltung.
Am einfachſten iſt bei einer zuſammengeſetzten Hauswirthſchaft
diejenige Aufzeichnung, wobei keine beſondere Rückſicht auf den
Capitalſtock genommen zu werden braucht, während man die Rech-
nung führt. Man zeichnet dabei Schulden und Forderungen an
Verbündete auf und gleicht ſie beim Rechnungsabſchluſſe gegen
einander ab. Das iſt das Charakteriſtiſche der einfachen Buch-
haltung. Sie hat mit den Veränderungen im Capitalſtocke nichts
zu thun, ſondern hält blos für jeden Verbündeten (z. B. Lieferan-
ten) eine Rechnung, in welche auf der linken Seite Alles ver-
zeichnet wird, was er von der Wirthſchaft bekommen hat (Debet,
Soll, Schuld), und auf der rechten dasjenige, was dieſe von
ihm erhalten hat (Credit, Haben, Forderung). Dabei aber iſt
die Verzeichnung ſämmtlicher einzelnen Vorgänge nicht ausge-
ſchloſſen. Es werden vielmehr hierzu überhaupt folgende Haupt-
bücher gehalten:
1) Das Memorial (Manual, die Kladde, Strazze), in
welchem chronologiſch alle Ausgaben und Einnahmen ausführlich
beſchrieben werden und wenigſtens drei Columnen, nämlich für den
[104/0126]
Monatstag, die Specifikation des Vorganges und den Geldbetrag
enthalten ſind.
2) Das Caſſabuch, in welchem Einnahmen und Ausgaben
ohne Bezeichnung des Gläubigers und Schuldners und blos für
die Kaſſe aufgezeichnet werden.
3) Das Haupt- (Geheim-) Buch, eigentliches Schuldbuch,
welches die Rechnungen (Conti) für die verſchiedenen Verbündeten
enthält.
Da, wo dieſe Buchführung nicht die Hauswirthſchaft, ſondern
das Gewerbe anbelangt, gibt es noch ein Hausbuch, welches
gleichſam nur ein Filial des Memorials iſt, und woraus dann auch
die betreffenden Auszüge für Caſſa- und Hauptbuch gemacht werden.
§. 81.
Doppelte Buchhaltung.
Dieſe (italieniſche) Buchhaltung beſteht nicht darin, daß Ein-
nahmen und Ausgaben unter den zwei Rubriken Credit und Debet
vorkommen, denn dies kommt auch bei der einfachen Buchhaltung
vor; ſondern darin daß nicht blos mit den Verbündeten Conto-
führung gehalten, ſondern auch nebenbei alle Vorgänge aufge-
ſchrieben werden, welche den Capitalſtock betreffen und die Aus-
gaben und Einnahmen der verſchiedenen Beſtandtheile der Wirthſchaft,
die gleichſam als Perſonen erſcheinen, im Innern angehen. Sie
hat ihren Namen daher, daß die Capitalsveränderungen im Inneren
ſowohl als gegen Außen verzeichnet werden und folglich jeder Vor-
gang zweimal, nämlich als Credit und Debet vorkommt. Es kom-
men daher Rechnungen vor für jeden Verbündeten und für jeden
Theil der Wirthſchaft, für welche Ausgaben und Einnahmen Statt
finden und an welche der ganze Capitalſtock der Wirthſchaft etwas
zu fordern und zu geben hat. Wird dieſe Buchhaltung nicht für
eine Hauswirthſchaft allein, ſondern für ein Gewerbe geführt,
dann erſcheint auch die Haushaltung als eine beſondere Perſon,
an welche das Wirthſchaftscapital zu fordern und zu zahlen hat,
und das Hausbuch als ein Filial des Memorials. Wird aber blos
für eine große Hauswirthſchaft dieſe Buchhaltung geführt, dann
erſcheinen die einzelnen Theile des Hauſes, wofür Ausgaben und
Einnahmen Statt finden, als ſolche Perſonen, mit denen der Ca-
pitalſtock Abrechnung hält. Die zu führenden Bücher ſind:
1) Hauptbücher. Es gehört hierher: a) das Memorial
für alle Vorgänge; dann b) das Caſſabuch zur Aufzeichnung der
Geldeinnahmen und Geldausgaben, alſo für Caſſenveränderungen;
c) das Journal, d. h. kein Tage-, ſondern ein Monatsbuch, in
[105/0127]
welchem am Ende jedes Monats die in beiden vorhergehenden
Büchern enthaltenen Poſten nach den Creditoren und Debitoren ge-
ordnet eingeſchrieben werden; und d) das Hauptbuch, welches
nicht blos wie bei der einfachen Buchhaltung die Conti für die
Verbündeten, ſondern auch für jeden Hauptbeſtandtheil des Ge-
ſchäfts enthält, als welcher auch die Caſſe erſcheint; daſſelbe fußt
auf dem Journal und enthält nur monatliche Rechnungen, es führt
aber vier Columnen, nämlich für das Folio des Journals, für
den Monatstag, für die Spezifikation des Vorgangs und für den
Geldbetrag, ſowohl auf der Debet- als Creditſeite.
2) Nebenbücher. Dieſe ſind entweder ſolche, die überhaupt
bei jeder doppelten Buchhaltung vorkommen, oder ſolche, die mit
den Beſtandtheilen des Geſchäftes wechſeln, alſo z. B. beim Han-
delsgeſchäfte anders als bei der Hauswirthſchaft ſind. Jene ſind
a) das Schuld- (Conto courant) Buch, zur detaillirten Erläu-
terung der im Hauptbuche nur monatlich und kurz angegebenen
Verhältniſſe zu den Verbündeten; alle Leiſtungen derſelben und der
Wirthſchaft werden in doppelten Poſten aus dem Memorial und
Caſſabuche eingetragen; b) das Balance- oder Saldobuch;
jeden Monat muß die Probe von der Richtigkeit der Rechnungen
gemacht werden; darum werden die einzelnen Conti des Hauptbuches
aus dieſem ausgezogen und im Saldobuche addirt; die Probe beſteht
natürlich in der Gleichheit der ganzen Credit- und Debetſumme;
und c) das Fakturabuch, worin die beſondern Auslagen bei dem
Ein- und Verkaufe aufgezeichnet werden. Die beſondern Neben-
bücher hängen von den Beſtandtheilen des Geſchäftes oder der Haus-
wirthſchaft ab.
§. 82.
Rechnungsabſchluß.
Am Ende des Jahres werden die Rechnungen abgeglichen, um
Gewinn und Verluſt, oder das Mehr und Weniger der Einnahmen
oder Ausgaben kennen zu lernen. Es iſt dazu erforderlich:
1) Ein Abgleich der Credit- und Debetſeite jedes Conto für
ſich. Die kleinere Summe wird von der größeren abgezogen und
der Reſt (Saldo) unter die kleinere geſetzt und addirt, ſo daß beide
Summen gleich ſind. Allein dies gibt den Gewinn und Verluſt
noch nicht vollſtändig an im Verhältniſſe zum Capitalſtocke. Daher
kommt bei der doppelten Buchhaltung noch
2) ein Abgleich des Vermögens der Wirthſchaft gegen die
Schulden vor. Es werden die Saldi des Caſſenconto, der Perſonal-
conti für Debet und Credit zuſammengezogen, die Gütervorräthe
[106/0128]
aufgenommen, die ſonſtigen beweglichen und unbeweglichen Capitalien
aufgeſchrieben und taxirt. Der Reſt der Debet- und Creditſumme
iſt die Balance. Da man aber auch hiermit den Verluſt oder
Gewinn noch nicht kennt, ſo kommt endlich noch
3) ein Abgleich zwiſchen dem vorjährigen und diesjährigen
Vermögen vor. Hierzu dient der Capitalconto, worin das nach
der vorjährigen Balance vorhandene Vermögen, gleichſam als dem-
ſelben vorgeſchoſſen, die Debetſeite, und die diesjährige Balance,
gleichſam als von demſelben abbezahlt, die Creditſeite einnimmt.
Der Unterſchied zwiſchen beiden wird wie bei 1. abgeglichen und
zeigt den Verluſt und Gewinn an.
Es iſt leicht erſichtlich, daß man dort die doppelte Buchhaltung
nicht immer findet, wo es ſich um keinen Capitalſtock handelt, ſon-
dern eine jährliche Dotation gereicht wird, die ſich nach einem
Durchſchnitte der Bedürfniſſe richtet und keine Capitalſammlung
geſtattet.
[[107]/0129]
Beſondere Wirthſchaftslehre.
Erſter Theil.
Bürgerliche Wirthſchaftslehre.
Erſter Abſchnitt.
Stoffgewerbslehre.
Erſte Abtheilung.
Urgewerbslehre.
I. Buch.
Bergbaulehre.
Einleitung.
§. 83.
Unter Bergbaulehre verſteht man die wiſſenſchaftliche Zu-
ſammenſtellung der Grundſätze und Regeln, wornach die unter der
Erdoberfläche befindlichen nutzbaren Ganz- und Halbmineralkörper
gewonnen werden. Sie iſt als eine Kunſt ſchon ſehr alt, aber ihre
Ausbildung zu einer geordneten Lehre und Wiſſenſchaft iſt Reſultat
der neueren und neueſten Zeit1). Ihre Ausbildung hing von jener
der Naturwiſſenſchaften ab und von der Mathematik, Mechanik und
Technologie. Sie fußt daher auf folgenden Hilfswiſſenſchaften:
1) auf der Mineralogie, d. h. der Naturgeſchichte der Mineralien,
in ihren beiden Haupttheilen, nämlich Oryktognoſie, d. h. Cha-
rakteriſtik der Felsarten ohne Bezug auf Lagerung und ſonſtige
Verhältniſſe, und Geognoſie, d. h. Naturgeſchichte der auf und
in der Erde vorkommenden Mineralien in Bezug auf Lagerung und
ſonſtige Verhältniſſe; 2) auf der Geologie, d. h. der Naturge-
ſchichte und Bildungsgeſchichte der Erde, als eines ganzen eigen-
thümlichen Weltkörpers; 3) auf der Chemie, beſonders in ihrer
Anwendung zur Unterſuchung der Beſtandtheile und Trennung der
nutzbaren Mineralien, d. h. als Probirkunſt und Docimaſie;
4) auf Mathematik, beſonders in ihrer Anwendung zur Beſtim-
[108/0130]
mung der im Bergbaue vorkommenden Raumverhältniſſe durch
geometriſche und trigonometriſche Lehrſätze und Aufgaben, d. h. als
Markſcheidekunſt; 5) auf der Mechanik und Maſchinen-
lehre, in ſoferne als beim Bergbaue die Anwendung großer
mechaniſcher Kräfte zur Trennung und Förderung der mineraliſchen
Körper erfordert wird; 6) auf der Technologie, in ſoferne als
zur Benutzung und zum Verkaufe der mineraliſchen Körper mancher-
lei techniſche Vorrichtungen, Kenntniſſe und Arbeiten nöthig ſind,
um ſie ſogleich nach der Förderung zu reinigen, d. h. als Lehre
vom Hüttenweſen, als Hüttenkunde. Denn die Metalle kommen
vor: a) als gediegen und reguliniſch, d. h. von allen Verbindungen
frei und nur mechaniſch vom umgebenden Geſteine zu trennen;
b) als reguliniſch und mit einem anderen reguliniſchen Metalle
verbunden; c) vererzt, d. h. in Verbindung mit Schwefel; d) in
Verbindung mit Sauerſtoff und Waſſer, und e) mit Säuren ver-
bunden. Die Metalle ſind bald im Feuer unzerſtörbar (vollkom-
men, edel; Platina, Gold, Silber), bald im Feuer zerſtörbar
(unvollkommen, unedel; Kupfer, Zink, Eiſen ꝛc.), bald ſtreng-
flüſſig (Kobalt, Nickel), bald leichtflüſſig (Blei, Zinn ꝛc.).
¹⁾ G. Agricola (geb. 1494, † 1555), de re metallica libri XII. Basil. fol.
Deutſch 1580. v. Löhneiß, gründlicher und ausführlicher Bericht von Bergwerken.
o. O. u. J. Fol. (1690). v. Cancrin, Erſte Gründe der Berg- und Salzwerks-
kunde. Frankfurt a. M. 1773–91. XII. Delius, Anleit. zur Bergbaukunſt.
Wien 1773. 4. 2te Aufl. 1806. 8. Rau, Anleit. zur Bergbauwiſſ. Mainz 1793.
Schubert, Handbuch der Geognoſie und Bergbaukunde. Nürnb. 1813. (Lezte im
Auszuge nach Delius.) de Villefosse, de la richesse minérale. Paris 1812–19.
III. 4. Deutſch von Hartmann. Sondershauſen 1822. III. 8. (Hauptwerk).
v. Waldenſtein, die beſonderen Lagerſtätten der nutzbaren Mineralien. Wien 1824.
Blume, Ueber mineralog. ökonomiſche Unterſuchungen in und auf der Erde.
Leipzig 1829 (ſehr gut) Brard, Elémens pratiques d'exploitation des Mines. 1829.
Deutſch bearbeitet, auch mit Bezug auf Deutſchland und Literatur, von Hart-
mann. Berlin 1830 (ſehr gut). Hausmann, Norddeutſche Beiträge zur Berg-
und Hüttenkunde. Braunſchweig 1806. Karſten, Archiv für Bergbau und Hütten-
kunde. Seit 1818. Noch andere Zeitſchriften von Lempe, Köhler, v. Moll,
Werner u. A.
Erſtes Hauptſtück.
Bergmänniſche Gewerbslehre.
Erſtes Stück.
Allgemeine Gewerbslehre.
§. 84.
Vorbegriffe.
Die bergmänniſche Gewerbslehre ſtellt ſyſtematiſch die Grund-
ſätze und Regeln dar, wie vermittelſt der Werkzeuge, Maſchinen
[109/0131]
und anderer künſtlicher Mittel die unter der Erdoberfläche befind-
lichen nutzbaren mineraliſchen Körper gewonnen und hervorgezogen
(gefördert) werden. Die allgemeine Gewerbslehre erklärt die
bei jedem Bergbaue geltenden Regeln und vorkommenden Gegen-
ſtände und Arbeiten. Sie trägt daher am beſten ihre Lehren in
der Ordnung vor, in welcher die bergmänniſchen Arbeiten geſchehen.
Die beſondere Gewerbslehre lehrt die Regeln vom Abbaue ver-
ſchiedener Gebirgsarten und Lagerſtätten.
I. Von den Anzeigen des Vorhandenſeins nutzbarer
Mineralkörper.
§. 85.
1) Schichtungen der Erde und deren Inhalt.
Man unterſcheidet in der Erde die geſchichteten und unge-
ſchichteten Felsarten. Unter dieſe Lezteren rechnet man die Er-
zeugniſſe der neuen Vulkane, als Trachyt, Obſidian und Bimſtein,
und jene der alten Vulkane, d. h. Trappgeſteine, nämlich Phomo-
lith, Baſalt, Dolerit, Wacke, ſchwarzer (Augit-) Porphyr. Unter
den geſchichteten Felsarten unterſcheidet man ſechs Hauptarten,
welche ſich von der Oberfläche bis ins Innere der Erde ſo folgen:
1) Das Alluvium, die oberſte Schichte und lezte Bildung,
welche enthält Dammerde, Raſeneiſenſtein, Torf, Schutt, Sand
und Schlammablagerungen, Sand- und Lehmbänke, Meeresſand-
ſtein, Meereskalk, Ueberreſte von Meerſchaalthieren, Kalktuffanſatze
und Ablagerungen.
2) Das Diluvium, die zweit oberſte Schicht und vorlezte
Bildung, welche enthält Gruß-, Kies- und Sandablagerungen,
Gerölle, Gebirgsſchutt, große Blöcke, Lehm, Mergel, rothen
Thon, Muſcheln noch jetzt lebender Thiere, Reſte ausgeſtorbener
Geſchlechter.
3) Das Tertiärgebilde, die dritt oberſte Schichte und Folge
großer Ueberſchwemmung, welche in beckenartiger Lagerung enthält
große Mengen der manchfachen Thier- und Pflanzenreſte, Molaſſe
(in der Schweiz und in Schwaben), Nagelflur, d. h. grobes Zu-
ſammenhängſel (Conglommerat) mit ſandſteinigem Bindemittel,
Formationen von Sand, Sandſtein und Mergel, Gips mit Knochen,
Kieſel- und Grobkalk, Braunkohlen mit Spuren verkohlter Stämme,
Töpferthon mit foſſiliſchen Muſcheln, aus ſüßem Waſſer, Meeres-
pflanzen und andere Thierreſte.
4) Das Flötzgebilde, die dritt unterſte Schichte und dritte
Bildung, welche enthält die Kreideformationen mit Feuerſteinen
[110/0132]
und Verſteinerungen, abnehmend gegen die Tiefe, Jurakalk,
Quaderſandſtein, Greenſand, ſchwarze ſchiefrige Mergel- und
Sandſteine (Lajas Mergel, Lajas Sand), bunten Thon, Kalk-
mergel, Kalkſtein, Muſchelkalk, Eiſen, Blei, Kupfer, Steinſalz,
Gips, Zechſtein, Alpenkalk und Steinkohlen, in der tiefſten Lage.
5) Das Uebergangsgebilde, die zweit unterſte Schichte
und zweite Bildung, welche in ſich führt die älteſten foſſiliſchen
Reſte aus dem Thier- und Pflanzenreiche, Abdrücke von Palmen
und baumartigen Farnkräutern, Thonſchiefer, Grauwacke, Mangan,
Zink, Silber, Bergkalk, rothen Uebergangsſandſtein, grobkörnigen
Quarz, Feldſpath, Glimmerblättchen und Glimmerſchiefer.
6) Das Urgebilde, die unterſte Schichte, die aber auch auf
den höchſten Punkten der Erde gefunden wird, weil die Erde in
ihrer Erzeugung fortfährt, welche gar keine Verſteinerung und
größtentheils blos Glimmerſchiefer und Gneis führt.
§. 86.
2) Anzeigen des Vorhandenſeins nutzbarer Mineralien.
Nach dieſen Erfahrungen über die Erdſchichtungen und deren
Gehalt hat man daher die verſchiedenen Mineralkörper in verſchie-
dener Tiefe in der Erde zu ſuchen. Da man endlich den Wahn
des Wünſchelruthenſchlagens und die Unbegründetheit der Einwir-
kung des thieriſchen Magnetismus zur Entdeckung von Mineralien,
beſonders von Metallen, eingeſehen hat, begnügt man ſich mit
folgenden Anzeigen von Vorhandenſein nutzbarer Mineralien:
1) Entfernte Anzeigen ſind vorhanden, wenn man vom Er-
ſcheinen eines Mineralkörpers, der mit einem andern in einer
Formation vorkommt, auf das Vorhandenſein des Lezteren ſchließt.1).
2) Nähere Anzeigen ſind die Mineralien, welche die Nachbar-
ſchaft eines andern anzeigen, da ſie immer oder in der Regel da-
mit verbunden ſind 2).
3) Gewiſſe Anzeigen ſind ſolche, die über das Vorhandenſein
eines Mineralkörpers gar keine Zweifel übrig laſſen. Die einzig
zuverläſſige iſt das Ausgehende, d. h. der aus irgend einer Ur-
ſache über Tag (äußerlich) erſcheinende Theil einer Lagerung 3).
Allein wenn auch ſolche Anzeigen vorhanden, wenn ſogar das
Mineral vorhanden iſt, ſo iſt noch nicht ausgemacht, daß die Aus-
beute auch die Arbeit lohnen wird, d. h. daß das Mineral nutzbar
und bauwürdig iſt. Man muß daher beim Beginne der Arbeit ſehr
behutſam ſein und die Erfahrungen über das gewöhnliche Vor-
kommen und die gewöhnliche Ausdehnung der Formationen zu
Hilfe nehmen.
[111/0133]
¹⁾ z. B. Kohlenſandſtein und Schieferthon vom Vorhandenſein von Steinkoh-
len, denn ſie ſind nur Charakteriſtiſches der Steinkohlenformation; der Schwefel
und Gips vom Vorhandenſein des Salzes und der Salzquellen; Granite von Zinn.
Allein von der Möglichkeit zur Wirklichkeit gilt kein Schluß.
²⁾ z. B. Schiefer mit Pflanzenabdrücken, ſchwarzer Thon, kohlenſaures Eiſen,
bituminöſer Schiefer vom Daſein von Steinkohlen; Wolfram vom Daſein des Zin-
nes; ſalzhaltiger Thon vom Daſein von Salz; Gips vom Daſein ſalzhaltigen
Thones; Quarz, Schwerſpath, Kalkſpath, Flußſpath, vom Vorhandenſein von Blei,
Kupfer, Silber, Zink. Allein von dem gewöhnlichen Verbande darf man nicht auf
den beſtändigen ſchließen, denn dieſe Mineralien kommen auch allein vor.
³⁾ z. B. in Schluchten, Bergwaſſern, ſteilen Felſen u. dgl. Der Anekdoten
über Entdeckungen hiervon gibt es eine Menge. Hier gilt aber öfters das Aeſopiſche
Partruriunt montes, et nascetur ridiculus mus. Man ſ. jedoch hierüber Brard,
Grundriß der Bergbaukunde, v. Hartmann S. 4–6. und v. Leonhard's
(vortreffliche) Agenda geognostica, Hülfsbuch für reiſende Gebirgsforscher. Heidel-
berg 1829.
II. Von der Geſtaltung, Lage und dem Maaßgehalte
der Formationen1).
§. 87.
1) Geſtaltung der Lagerſtätten.
Es gibt verſchiedene Verbindungsformen (Lagerſtätten) nutz-
barer Mineralien, nämlich:
1) Lager, d. h. Schichten von verhältnißmäßig geringer
Dicke, von gleichem Alter mit dem ſie umgebenden (Neben-) Ge-
ſteine, und von geringer Neigung gegen den Horizont. Sie heißen
Flötze in den Flötzgebilden, z. B. Steinkohlenflötze; Bänke im
Diluvium und in ungeſchichteten Felsarten; liegende Stöcke,
wenn ſie ſich weniger in die Länge als in die Teufe erſtrecken;
Stückgebirge, wenn ſie im Verhältniſſe zur Länge und Breite von
außerordentlicher Teufe ſind. Sie keilen ſich aus, wenn ſie am
Ende einen Keil bilden. Sie verdrücken ſich, wenn ſie ſich ver-
dünnen. Sie bilden Mulden oder Becken (concave Biegungen),
wenn ſie ſich nach dem Verdrückten wieder allmälig erweitern, aber
Bückel oder Sättel (convexe Biegungen), wenn ſie ſich ſattel-
förmig bilden. Flötze verwerfen ſich, wenn mehrere Flötze, die
übereinander liegen, in combinatoriſcher Ordnung andere Stellen
einnehmen.2).
2) Gänge, d. h. ſchmale Lagerſtätten von Mineralien, welche
die Schichten eines Gebirgs durchſchneiden und von denſelben ver-
ſchiedene Mineralmaſſen führen. Sie heißen Stockwerke, wenn
viele kleine Gänge ſich auf einem Hauptpunkte durchkreutzen, und
ſtehende Stöcke, bei geringer Erſtreckung und Auskeilung.
Schlechten ſind leergebliebene Gangſpaltungen; taube oder
faule Gänge ſind mit allerlei Bruchſtücken grober Materie aus-
[112/0134]
gefüllte Gangſpaltungen. Denn gewöhnlich kommen nur Metalle
und edle Steine als Gänge vor. Druſen ſind leere oder an den
innern Wänden mit Kryſtallen bewachſene, die Gänge unterbrechende
Räume. Ein ſchmaler neben einem breiten Gange heißt Neben-
gang; das was einen Gang einſchließt Nebengeſtein; die glatte
oder gefurchte unmittelbar an dieſes anſtoßende Seite des Ganges
Saalband; und die zwiſchen der Gangfläche und dem Nebenge-
ſtein manchmal noch eingeſchobene Maſſe Beſteg3). Auch die
Gänge keilen ſich aus. Sie zertrümmern ſich, wenn ſie ſich
in mehrere kleine Keile zertheilen und endigen. Sie verdrücken
ſich auch, aber thuen ſich auf, wenn ſie immer weiter werden.
Sie machen einen Bauch, wenn ſie außerordentlich zunehmen,
und gabeln ſich, wenn ſie ſich in zwei Keile theilen. Sie werden
von Rücken durchſetzt, wenn ſie von anderen tauben Geſteinen
quer unterbrochen werden. Sie ändern ihre Gang- und Erzart
nach der Natur des Nebengeſteins und auch bei gleichem Neben-
geſteine.
3) Unregelmäßige Anhäufungen im Innern, als Nieren und
Neſter, d. h. kleine Erz- und Steinmaſſen, welche von ziemlich
gleichen Dimenſionen zerſtreut liegen; Butzenwerke oder Putzen,
kleine nach allen Dimenſionen ziemlich gleich ausgedehnte und mit-
unter durch Erz gefüllte zerſtreut liegende Räume.
¹⁾ Brard Grundriß. S. 6–34. Werner, Theorie von der Entſtehung
der Gänge. Freiberg 1791. v. Charpentier, Beobachtungen über die Lagerſtätten
der Erze. Leipzig 1799. Karſten Archiv. IV. 3. Schmidt, Beiträge zur Lehre
von den Gängen. Siegen 1827. Deſſelben Theorie der Verſchiebungen älterer
Gänge. Frankfurt 1810. v. Moll, Jahrbücher für Berg- und Hüttenkunde. IV. 2.
(1810.)
²⁾ Lager bilden z. B. die Braunkohlen, die Kalkſteine, der Thon, Gips und
Thonſchiefer. Die Metalle kommen in ihnen nur als Körner oder Schnürchen oder
einzelnen Maſſen vor.
³⁾ Daſſelbe beſteht aus einem feinen Thone, aus fetter Erde, Steinmark u. dgl.
§. 88.
2) Lage der Lagerſtätten.
Man unterſcheidet in dieſer Hinſicht zwei Hauptrichtungen,
nämlich:
1) Das Streichen der Lagerſtätten, d. h. ihre Richtung,
als Maſſen, nach den Himmelsgegenden. Zu ſeiner Beſtimmung
denkt ſich der Bergmann den halben Horizont von Mitternacht bis
Mittag, in 12 Stunden zu 15 Graden eine jede eingetheilt, und
gibt je nach dem angegebenen Streichen die Stunde an, in der es
den Horizont durchſchneidet. Stehende Gänge ſtreichen von
Stunde 12–3; Morgengänge von Stunde 3–6; Spatgänge
[113/0135]
von Stunde 6–9; Flachgänge von Stunde 9–12 1). Die
Gänge erleiden aber in dieſer Hinſicht viele Veränderungen. Sie
fahren getroſt durch das Geſtein oder ſind hauptſtreichend,
wenn ihr Streichen in große Ferne geht; im Gegentheile führen
ſie einen kurzen Strich oder ſind mozzig2). Geht ihr Strei-
chen durch ein Thal in das andere Gebirg (Gegengebirge), dann
heißen ſie dort Gegentrümmer. Dieſelbe ſtreichen entweder mit
dem Gebirge oder quer durchs Geſtein. Der Gang verrückt ſich
aus ſeiner Stunde oder er bleibt in derſelben, wenn er ſein
Streichen verändert oder beibehält. Im erſten Falle ſchmeißt
er ſich im Winkel oder im Bogen aus ſeiner Stunde, je
nach dieſer Form ſeiner Abweichung; oder er wirft auch einen
Haken und einen Bauch.
2) Das Fallen der Lagerſtätten, d. h. ihre Neigung gegen
den Horizont. Die Gänge ſind auf dem Kopfe ſtehend bei
einem Neigungswinkel von 90 Graden; ſeicher bei einem Nei-
gungswinkel von 90–75 Graden; thonlägig bei einem N. W.
von 75–45 Graden; flachfallend bei einem N. W. von 45–15
Graden; und ſchwebend bei einem N. W. von 15–0 Graden.
Auch in dieſem Betrachte erleiden die Gänge Veränderungen. Sie
ſtürzen ſich, wenn ſich ihr Fallwinkel vergrößert, und richten
ſich auf, wenn er ſich verkleinert. Dieſelben fallen wider-
ſinnig, machen aus Liegendem Hangendes und umgekehrt,
wenn ſich ihr Fallen auf die entgegengeſetzte Seite wendet. Sie
ſetzen in Klüften in einander über, wenn ein Gang in der
Auskeilung des andern anfängt oder blos mit ſeinen Ausklüftungen
in einen andern Gang hinüber reicht. Sie zertrümmern ſich
auch bei ihrem Zuſammentreffen. Sie durchkreutzen ſich ohne Ver-
änderung oder mit Veränderung ihrer Richtung, in welchem lezten
Falle ſie ſich verſchieben. Sie durchſetzen ſich entweder in
einem Schaarkreutze (ſchiefen Winkel) oder in einem Winkel-
kreutze (rechten Winkel). Sie ſchleppen ſich, wenn ſie, in
Berührung getreten, eine Strecke mit einander fortlaufen. Ein
Gang wird vom andern abgeſchnitten, wenn er beim Aufſtoßen
auf denſelben plötzlich aufhört.
¹⁾ Nach Beobachtungen im Harze, in Sachſen, Böhmen, Ungarn, Sieben-
bürgen und andern Orten in Europa, ſo wie in Mexiko und Peru in Amerika
ſtreichen die meiſten Gänge von Weſten nach Oſten.
²⁾ Dieſe haben höchſtens eine Erſtreckung von 300 Lachtern.
§. 89.
Inſtrumente zur Beſtimmung des Streichens und Fallens.
Um die Lage einer Lagerſtätte zu beſtimmen, bedient man ſich
verſchiedener bergmänniſcher Inſtrumente, nämlich:
Baumſtark Encyclopädie 8
[114/0136]
1) Zur Beſtimmung des Streichens braucht man den
Markſcheidecompaß und den Gruben- (Hand- oder Taſchen-)
Compaß. Dieſer unterſcheidet ſich von jenem blos durch ſeine
äußere Form einer großen Taſchenuhr, während jener in einem
Bügel hängt. Man unterſcheidet daher bei Erſterem das Hänge-
zeug (Compaß ſammt Bügel) und den Zulegecompaß (die Ver-
packungsſchachtel). Die Magnetnadel iſt wie in jedem Compaſſe
angebracht und kann vermittelſt eines Zäpfchens und Stängchens
(Arretirung) angehalten werden. Der Limbus zerfällt rechter Hand
von Süden gegen Norden, und linker Hand von Norden gegen
Süden, jedesmal alſo zur Hälfte, in 12 gleiche Theile, ſo daß
ſowohl bei Nord als auch bei Süd 12 ſteht, und von einer gleich-
namigen Ziffer zur andern immer ein Durchmeſſer gezogen werden
kann. Zur linken Hand vom Norden liegt Oſt, und zur rechten
Hand Weſt, alſo beides am verkehrten Orte und mit 6 bezeichnet1).
Um das Streichen nun zu erfahren, legt man die gemalte Nord-
linie des Compaſſes, den Südpunkt am nächſten beim Beobachter,
parallel mit der Streichungslinie auf. Nun ſetzt ſich die Magnet-
nadel in die natürliche Nordlinie und zeigt ſo (nicht die Him-
melsgegend, ſondern) die Stunde des Streichens an 2).
2) Zur Beſtimmung des Fallens bedient man ſich des Grad-
bogens, d. h. einer von Meſſingblech federhart geſchlagenen,
leichten, nicht zu breiten, ringförmigen Scheibe mit eingegrabenen
concentriſchen Halbkreislinien, die von einem Halbmeſſer in zwei
Quadranten getheilt iſt, deren jeder vom Peripheriepunkte des
Halbmeſſers an in 90 Grade getheilt iſt. Am Centrum, welches
auf einem die beiden 90ten Grade verbindenden Meſſingbande liegt,
iſt ein Seidenfaden oder ein Menſchenhaar befeſtigt, das mit einem
Lothe beſchwert iſt und über den Gradbogen herabhängt. Der
Neigungswinkel wird durch das Aufſetzen des Gradbogens auf das
Geſtein gefunden, wenn die Lothſchnur einen Grad bezeichnet. Oft
kann man aber nicht zur gehörigen Fläche hinreichen, deshalb ſind
bei den beiden Endpunkten des Durchmeſſers Haken angebracht,
vermittelſt welcher man das Inſtrument an eine ausgeſpannte
Schnur oder einen Stab, die man als Fortſetzung der Falllinie
an das Geſtein feſthält, ſo hängen kann, daß die Lothſchnur doch
ihre Anzeige macht, ohne daß man den Gradbogen unmittelbar auf
das Geſtein aufgeſetzt hat.3).
¹⁾ Dies iſt nicht widerſinnig, weil, wenn man von Süd aus zählt, man die
eigentliche Richtung nach der Himmelsgegend finden und die nämliche Ziffer antref-
fen wird.
²⁾ An ſich aber zeigt doch eigentlich die gemalte Nordlinie das Streichen an.
³⁾ Brard Grundriß. S. 388–394. Karſten Archiv. XVI. S. 61.
[115/0137]
§. 90.
3) Maaßgehalt der Lagerſtätten.
Den Maaßgehalt beſtimmt man mit einem eigenen bergmänni-
ſchen Längenmaaße, nämlich der Lachter, von beinahe 7 Fuß,
faſt 80 Zoll 1). Was von einer Lagerſtätte an der Erdoberfläche
erſcheint, heißt das Ausgehende, bei Gängen auch das Aus-
beißen. Das zunächſt über den Gängen Liegende heißt das Han-
gende, das unter ihnen Liegende heißt das Liegende. Bei ganz
ſenkrechten Gängen heißt man dieſes Beides Gangulmen, bei
Flötzen jenes das Dach, dieſes die Sohle. Hiernach wird fol-
gendes klar. Es iſt:
1) Die Mächtigkeit einer Lagerſtätte der ſenkrechte Abſtand
zwiſchen dem Hangenden und Liegenden, den Gangulmen oder
zwiſchen dem Dache und der Sohle, d. h. die Dicke der Lagerſtätte.
2) Die Länge und Teufe aber die Erſtreckung von einem
Ende zum andern zwiſchen dem Hangenden und Liegenden durch.
Die beiden äußerſten Spitzen des Ganges nach dem Streichen ſind
die Enden. Man nennt ſie in Bezug auf den mittleren Theil die
Flügel.
¹⁾ Ueber andere Grubenmaaße ſ. Lempe Magazin. VII. 157.
III. Von der Unterſuchung der Erdoberfläche
und von den Verſuchsbauen.
§. 91.
1) Im Allgemeinen.
Solche Lagerſtätten von Mineralkörpern werden nach den bis-
her angegebenen Kennzeichen nicht blos durch Zufall entdeckt, ſon-
dern ſie werden auch aufgeſpürt. Die Kunſtgriffe dabei ſind emi-
nent praktiſcher Natur und nicht allein nach der geognoſtiſchen
Beſchaffenheit einer Gegend überhaupt, ſondern auch insbeſondere
nach der Natur des zu unterſuchenden Gebirgs verſchieden. Als
allgemeinſte Regel gilt, daß Strombette, Anſchwellen von Gewäſ-
ſern, beſonders aus Gebirgen, Bergſpalten, Klüfte, enge Thäler,
Rodungen u. dgl. mächtige Hilfsmittel ſind, daß man eine Gegend
mehrmals bereiſen muß und über alle Entdeckungen und Lagen
genaue Regiſter geführt und Karten gezeichnet werden 1). Hat
man aber äußere ſichere Anzeige von Lagerſtätten gefunden, ſo
muß das Aufgraben der Mineralien u. dgl. ſelbſt, d. h. das
Schürfen, beginnen. Darum werden verſchiedene Verſuchsbaue
nöthig, je nach der Lage des Ortes und der Formation 2). Es
gehört hierher:
8 *
[116/0138]
1) Das Graben tiefer Löcher in verſchiedenen Diſtanzen auf
ebenen Flächen, namentlich z. B. bei Verſuchen auf Torf.
2) Der Gebrauch des gewöhnlichen Rad- oder Brunnenbohrers,
mit dem man Löcher in die lockere Erde z. B. auf Wieſen bohrt, in
verſchiedenen Diſtanzen, um Mächtigkeit und Teufe der Lager oder
Bänke zu erforſchen.
3) Das Ueberröſchen, d. h. die Führung eines Grabens
oder zweier ſich durchkreutzenden Gräben, wobei man aber ſo ſcho-
nend als möglich mit der fruchtbaren Oberfläche umgehen muß.
4) Das Einführen von mehr oder weniger wagerechten, und
mehr oder weniger ſenkrechten Eingängen auf den Gang oder das
Lager. Erſtere ſind Schurfſtollen, Leztere aber Schurfſchachte.
Da ſie ſchon mehr als bloße Verſuchsbaue ſind und bei ihrer Con-
ſtruktion auf ihren ſpäteren Gebrauch gerechnet wird, ſo ſollen ſie
hier blos erwähnt, das Nähere aber unten vorgetragen werden.
(§. 95.)
5) Die Unterſuchung mit dem Erd- oder Bergbohrer, d. h.
einem aus mehreren Anſchraubeſtücken beſtehenden und mit verſtähl-
ten Bohrern verſehenen Inſtrumente, welches zum Durchbohren
der Gebirgsarten gebraucht wird.
¹⁾ Viel Praktiſches hierüber bei Brard Grundriß S. 35 folg. und in
v. Leonhard Agenda geognostica. S. §. 86. Note 3 oben.
²⁾ Bei den Steinkohlen theilt man die Haupt-, Neben- und Querthäler
ab. Sie finden ſich ſtets am Abhange älterer Gebirge und in Becken. Sie ſind mit
verſchieden mächtigen Erdſchichten überdeckt, oft ſchon mit einem Stocke aufzuwühlen.
Sie kommen mehr in Nebenthälern vor, in Begleitung von Kohlenſandſtein und
Schieferthon. Die Braunkohlen oder der Lignit kommen beſonders in der
Molaſſe und im plaſtiſchen Thone vor, in Lagern und unregelmäßigen Maſſen. Die
Felsarten in ihrer Nähe ſind bituminös. Der Torf kommt in niedrigen ſumpfigen
Gegenden vor, und in Thälern mit horizontal fließendem Waſſer. Elaſtizität des
Bodens zeigt ihn an, da er nicht tief liegt.
§. 92.
2) Bohrverſuche insbeſondere. Der Erdbohrer.
Der Erd- oder Bergbohrer 1) beſteht aus dreierlei Be-
ſtandtheilen. Sie ſind:
1) Das Anfangsſtück, welches aus Eiſen beſteht, oben eine
Drehſtange (Drehling, Krückel) horizontal aufnimmt und mit
einem Ringe oder Bügel verſehen iſt, in den man das Seil zum
Herausziehen des Bohrers befeſtigt, und welcher am Anfangsſtücke
ſelbſt drehbar iſt.
2) Das Geſtänge, d. h. eine wechſelnde Anzahl von eiſernen
4 Fuß langen Stangen (Verlängerungsſtücken), welche, je tiefer
der Bohrer in die Erde geht, immerfort angeſetzt werden. Am
[117/0139]
einfachſten geſchieht dieſes Anſetzen a) durch Schrauben ſo, daß
am einen Ende des Verlängerungsſtückes eine Schraubenmutter,
am andern aber eine Schraubenſpindel ſteht; b) durch Muffen,
d. h. ſo, daß an dem einen Ende des anzulegenden Verlängerungs-
ſtückes eine Büchſe angebracht iſt, welche über die Zuſammenfügung
hin auf das Ende des bereits befeſtigten Geſtänges übergreift und
durch eine vorgeſteckte Feder feſtgehalten wird; oder c) durch Ga-
beln, d. h. ſo, daß jede Stange am einen Ende eine Gabel, am
andern aber einen Zapfen hat, der in die Gabel des ſchon befe-
ſtigten Geſtänges geſteckt und durch zwei Schraubenbolzen befeſtigt
wird 2).
3) Das Endſtück, welches unmittelbar auf dem Geſteine
arbeitet und ſich alſo nach der Härte deſſelben richten, abnehmen
und anſetzen laſſen muß. Man unterſcheidet daher folgende End-
ſtücke: a) den Schaufelbohrer, d. h. einen mehr oder weniger
cylindriſchen Bohrer, welcher der Länge nach um einige Zolle ge-
öffnet iſt, unten an der übergreifenden Seite in eine ſchräge Spitze
endigt, bei einem Durchmeſſer von 3–4 Zoll eine Länge von
12–18 Zoll hat und ſogleich im Alluvium gebraucht wird; b) den
Hohlbohrer, d. h. einen wie der vorige cylindriſch geformten,
aber von ihm dadurch unterſchiedenen Bohrer, daß er nicht ge-
ſchloſſen iſt; c) den Schneckenſchraubenbohrer, d. h. einen
Hohlbohrer, der ſich gegen unten verengt und in eine gekrümmte
Spitze ausläuft; d) das Steineiſen (Trepane), d. h. ein in
eine Doppelſpitze oder breitgedrückte Schärfe auslaufendes ſtählernes,
16–18 Zoll langes und am Kopfe 3 Zoll breites Unterſtück;
e) den Kolbenbohrer, d. h. ein mit 5 Stahlſpitzen verſehenes,
im Gevierte auslaufendes, ſtählernes, in der Mitte pyramidiſch
zulaufendes Unterſtück; f) den Kronenbohrer, wie der Kolben-
bohrer beſchaffen, nur ohne die 5te pyramidiſche Spitze in der
Mitte; g) den Meißelbohrer, d. h. ein Unterſtück mit einem
kurzen, dicken, kugelförmigen Kopfe; h) den Löffel oder Krätzer,
zum Herausziehen des trockenen und naſſen Bohrmehls, für welchen
erſten Zweck der Cylinder mit einer 1½ Zoll breiten Längenſpalte
von oben nach unten verſehen iſt, wo er durch ein ſchräg liegendes
Blättchen geſchloſſen wird, während für den zweiten Zweck das
Inſtrument unten ganz geſchloſſen iſt und die Spalte nur bis zur
Hälfte geht; i) die Sandkälle, d. h. einen eiſenblechenen Trich-
ter, der in eine ſchneckenförmige Spitze ausläuft; k) den Bohr-
und Sohlenlöffel zum Herausziehen des kochſalzhaltigen Waſ-
ſers, d. h. einen unten verſchloſſenen Cylinder, deſſen obere Oeff-
nung durch einen Deckel bedeckt wird, den eine Feder zudrückt und
[118/0140]
der durch eine längs des Bohrgeſtänges zu Tage gehende Schnur
oder einen ſolchen Draht aufgezogen wird; l) den Schmand-
löffel, d. h. einen zum Reinigen des Bohrloches eingerichteten,
3–3½ Fuß hohen Becher aus Blech, an deſſen Ende ſich eine
ungefähr 1¾ Zoll weite Oeffnung befindet, die von einem meſſin-
genen leicht beweglichen Fallthürchen gedeckt wird und mit einem
Gewichte zu beſchweren iſt; m) die Zangenſtücke (Fangſtücke
oder Sucher), d. h. mehr oder weniger zangenartige und compli-
zirte Endſtücke zum Herausziehen ſtecken gebliebener Bohrſtücke.
¹⁾ v. Gries, Beſchreibung des Berg- und Erdbohrers. Wien 1770. de Vil-
lefosse, de la richesse minérale, bearbeitet von Hartmann. II. 114. Selb-
mann. Vom Erd- und Bergbohrer. Leipzig 1823. vrgl. mit Blume Unterſuchungen
S. 39–80. Brard Grundriß. S. 52 folg. Karſten Archiv. VIII. S. 91.
Karſten, Archiv für Mineralogie, Geognoſie, Bergbau und Hüttenkunde. I. S. 400.
²⁾ Die Befeſtigung iſt ſehr wichtig, weil ſich beim Fallen und Drehen des
Erdbohrers entweder Geſtänge losreißen oder aufſchrauben und im Bohrloche ſtecken
bleiben könnte.
§. 93.
Das Bohrgeſchäft und ſeine Vorrichtungen.
Das Bohren ſelbſt im eigentlichen Sinne dieſes Wortes findet
nur im Alluvium und Diluvium Statt. Sobald man auf hartes
Geſtein ſtößt, beſteht die Manipulation des Bohrgeſchäftes im
Herumdrehen, Heraufziehen und Fallenlaſſen des Bohrers. Die
Endſtücke deſſelben wechſeln mit der Härte des Geſteines und der
nöthigen Arbeit. Die ganze Operation muß aber mit genauer
Auf- und Vorſicht geſchehen. Die heraufgezogenen Schichtarten
müſſen geordnet und unterſucht, und das Bohrgeſchäft protokolliſch
aufgezeichnet werden. Unachtſamkeit, Verzögerungen, Langſamkeit
u. dgl. bringen in den Bohrverſuchen oft ſolchen Schaden, daß ſie
nicht allein ihren Zweck nicht erreichen, ſondern auch die Bohrinſtru-
mente ſtecken bleiben und die Gebirge verlaſſen werden müſſen1).
Zur bequemen Vollführung des Bohrgeſchäftes ſind mancherlei
Vorrichtungen nöthig. Man rechnet hierher:
1) Den Bohrſtand, d. h. ein Gerüſte über der Erde, auf
dem die Bohrarbeiter ſtehen und arbeiten. Statt deſſen gräbt man
auch oft.
2) eine pyramidiſche, 18 Fuß tiefe, Grube, die ſich
nach unten verengt, oben an jeder Seite 18 Fuß weit iſt und
an ihren Seiten mit Brettern bekleidet wird, welche durch immer
enger werdende Vierlinge gehalten werden, wovon der unterſte
8 Fuß weit iſt2). Oft aber iſt
3) das bloße Ebenen des Bohrgrundes zum ganzen Geſchäfte
ſchon hinreichend.
[119/0141]
4) Das Lochholz (die Bohrſcheibe), d. h. ein Holz von 19
Leipziger Zoll Länge, 11 Zoll Breite und 3–6 Zoll Dicke, in
deſſen Mitte ſich ein mit Eiſen gebüchstes rundes Loch befindet,
über welchem zwei eiſerne von der Seite laufende Klappen zuſam-
mentreten und eine etwas kleinere runde Oeffnung bilden. Dieſes
Inſtrument wird ſogleich beim Beginne des Bohrverſuchs in die
Erde befeſtigt und dient zur ſenkrechten Haltung der Bohrſtangen3).
5) Die Sandröhren oder das Bohr-Röhrenwerk, d. h.
eine hinreichende Anzahl 4–5 Fuß langer, 6 Zoll im äußern
Durchmeſſer dicker, eckiger oder runder Röhren, wovon die erſte in
einen 6 Zoll langen eiſernen Anſatz (Schuh) eingepaßt und mit
4 eiſernen Nieten befeſtigt iſt, damit ſie beſſer durchdringen kann.
Wie ſich das Bohrloch vertieft, werden dieſe Röhren, eine über
und nach der anderen, eingekeilt. Beide Enden jeder Röhre haben
einen eiſernen Ring im Holze feſtgenietet. An der oberen Kante
des Ringes der unterſten Röhre ſind eiſerne Verbindungsſchienen
perpendikulär herauf zu angebracht, die in der Mitte mit einer
eiſernen Schraubenmutter durchlocht ſind. An der unteren Kante
des Ringes der oberſten Röhre ſind dieſelben perpendikulär herunter
zu angenietet. Dieſe Vorrichtung dient zum leichteren Wieder-
heraufziehen der Röhren4).
¹⁾ Beiſpiele bei Brard Grundriß S. 61. Blume Unterſuchungen S. 93. 116.
²⁾ Brard Grundriß S. 67.
³⁾ Blume Unterſuchungen S. 56. Aehnlich, aber zuſammengeſetzter, iſt die
ſogenannte Lehrröhre. S. Selbmann, vom Erd- und Bergbohrer. S. 52.
⁴⁾ Blume Unterſuchungen. S. 82. Selbmann, vom Erd- und Bergbohrer.
S. 49. Brard Grundriß S. 67.
§. 94.
Fortſetzung.
6) Die einfache Ramm-Maſchine (Katze), zum Einram-
men dieſer Röhren, wobei man jedoch nicht unmittelbar auf die
Röhre ſelbſt rammt, ſondern auf den ſogenannten Mönch oder
Röhrenkopf, der auf die Röhre gepaßt wird.
7) Das Bohrgerüſte, d. h. eine eigene Maſchine zum Her-
ausziehen des Bohrgeſtänges, welche aus drei, oben in einen
Winkel zuſammenlaufenden, Balken beſteht, in deren Winkel eine
Rolle angebracht iſt, über welche das im Bügel oder Ringe des
Anfangsſtückes angefeſtigte Seil zum Aufziehen läuft.
8) Die älteren und verbeſſerten Hebebäume, Hebeladen, Hand-
göpel, Holzheben, Wagenwinden, Haſpel und Flaſchenzüge.
[120/0142]
9) Die Docke, d. h. ein Fußgeſtell von ſtarken Balken, in
der Form von ¾ eines Kreutzes, welches in der Mitte und an den
drei Balkenenden durch Pfähle in die Erde gerammt wird. Am
oberen Ende des mittleren Kreutzbalkens ſind zwei, in Form einer
Hebelade mit Löchern und eiſernen Bolzen verſehene Säulen per-
pendikulär befeſtigt. Auf den in jene Säulenlöcher geſteckten Bolzen
ruht nun der Hebelarm, durch den das Geſtänge gehoben und ge-
ſenkt wird. Er iſt an der einen Seite mit einem Drückel ver-
ſehen und an der anderen mit einer Gabel von Eiſen, deren beide
Zinken durchlöchert ſind und einen Bolzen führen, in dem das
Geſtänge befeſtigt wird1).
10) Mehrere complizirte Bohrmaſchinen, deren Brauchbarkeit
aber noch beſtritten wird2).
Da nun aber durch den Bohrer weder die Art der Gebirgsfor-
mation, noch ihr Fallen, Streichen, Hangendes und Liegendes
mit hinlänglicher Sicherheit in allen Fällen beſtimmt werden kann,
ſo ſind die Bohrverſuche am beſten angewendet in regelmäßig ge-
ſchichteten Gebirgen, zur Beſtimmung der Mächtigkeit der Lager,
Flötze und Bänke, zur Unterſuchung der Erſtreckung, Gang- und
Erzart von zu Tage ausgehenden Gängen und Lagern, zur Auf-
ſuchung von Quellwaſſer, arteſiſcher Brunnen und Salzſohlen, und
endlich zur Beförderung des Luftzugs in Bergwerken3).
¹⁾ Blume Unterſuchungen. S. 87.
²⁾ Selbmann, vom Erd- und Bergbohrer. S. 65–88. Blume Unter-
ſuchungen. S. 91–93.
³⁾ Brard Grundriß. S. 64–73.
IV. Von der Anlegung der Grubengebäude.
§. 95.
1) Arten und Theile der Grubengebäude.
Man hat, um auf die nutzbaren Mineralien zu kommen, ver-
ſchiedene Zugänge in die Erde. Nämlich:
1) Wagrechte (oder nur wenig gegen den Horizont geneigte)
Zugänge. Führen ſie von Außen nach Innen, dann heißen ſie
Stollen; verbinden ſie aber zwei Stellen des Bergwerkes im
Innern mit einander, dann werden ſie Strecken genannt. Der
oberſte Theil oder die Decke derſelben heißt Firſt oder Förſt, der
ihr entgegengeſetzte aber Sohle. Die beiden Wände derſelben
nennt man Ulmen, den Eingang des Stollens das Mundloch,
und das Ende deſſelben das Stollenort. Je nach dem Zwecke,
wozu die Stollen dienen, haben ſie ihren Namen, obſchon ſich oft
[121/0143]
alle Zwecke in einem einzigen vereinigt finden. Dient der Stollen
zur anfänglichen Unterſuchung des Gebirgs, dann heißt er Schurf-
ſtollen (§. 91.); dient er zur Herausſchaffung der Mineralien,
Förderſtollen; dient er zur Bewirkung des Luftzuges, Wetter-
ſtollen; und dient er zur Ableitung des Waſſers, Erbſtollen.
Man macht das Mundloch eines Stollens wenigſtens 1 Lachter
über den höchſten Stand eines nahegelegenen Waſſers, z. B. in
Thälern mit Flüſſen und Bächen, um einer Ueberſchwemmung der
Baue zuvorzukommen. Vor demſelben wird der Schutt (Bergen)
vorſichtig in einen Haufen (Halde) geſtürzt, daß ebendaſelbſt
ein ebener Platz bleibt und der Stollen ſelbſt vor Waſſer geſchützt
wird. Die Stollen ſind von verſchiedener Höhe und Breite, doch
nicht ſchmäler als 3½-3¾ Fuß an der Sohle, wenn ſie mit
Karren befahren werden ſollen1). Je feſter das Hangende und
Liegende iſt, deſto höher darf der Stollen ſein. Davon hängt auch
die Form der Förſte ab, die bald horizontal, bald ein Gothiſcher
(Spitz-) Bogen, der am Ellenbogen der Arbeiter beginnt, ſein
kann; lezteres, wenn das Geſtein nicht brüchig oder wenn der
Stollen querſchlägig, d. h. ſo durch das Nebengeſtein geführt
iſt, daß er den Gang abſchneidet oder überfährt. Soll der Stollen
zugleich zur Waſſerableitung dienen, ſo reicht 0,015 Zoll Anſteigen
auf 1 Lachter hin. Das Waſſer läuft entweder auf der Seite oder
in der Mitte des Stollens ab. Der dazu dienende Kanal heißt
Waſſerſeige. Sie liegt unter dem Sohlenbalken an dem Mund-
loche und unter dem Geſtänge am Stollen ſelbſt. Dieſes aber
beſteht aus mehreren, auf zwei der Länge nach laufenden Balken
(Tragewerk), etwa zwei Fingerbreit von einander angenagelten
Querhölzern oder Brettern, die zum Fahren und Gehen dienen2).
2) Mehr oder weniger ſteile Zugänge. Sie heißen Schächte,
wenn ſie zu Tage ausgehen; Geſenke oder Abteufen, wenn ſie im
Innern Oerter mit einander verbinden; die Seiten des Schachtes
heißt man Stöße, die Sohle deſſelben aber Scheibe. Man
unterſcheidet die Schurf-, Förder- (Treib-), Fahrſchachte,
und die Kunſtſchächte, in welchen lezteren die Pumpſtangen zum
Herausheben des Waſſers gehen. Alle vier Zwecke erfüllt oft auch
ein Schacht. Die Länge, Höhe und Weite der Schächte hängt
ebenfalls vom Geſtein und von der Lage des Minerals ab3). Die
Form iſt oval, rund oder eckig.
¹⁾ Als gute Dimenſionen eines Stollens gibt Brard (Grundriß. S. 47–48.)
an: 5 Pariſ. Fuß Höhe, 3 Fuß 6 Zoll Weite an der Sohle, und 2 Fuß 6 Zoll
Weite an der Förſte, im Lichten der Zimmerung (§. 96), ſo daß das Gebirge
8 Zoll höher und 16 Zoll weiter auszuhauen iſt.
²⁾ Das Geſtänge beſteht auch blos aus Brettern und liegt auf der Sohle auf,
[122/0144]
³⁾ Die Fahr- und Kunſtſchächte ſind immer kleiner, als der Förderſchacht, und
von dieſem blos durch Balken und Bretter geſchieden. Man theilt die Schächte auch
nach dem Neigungswinkel ein (§. 88.). Brard (Grundriß. S. 50.) rechnet bei
einem Verſuchsſchachte von 50 Lachter Länge, eine Höhe von 9 Fuß und eine Weite
von 6 Fuß mit der Zimmerung; bei feſtem Geſteine und runder Form einen Durch-
meſſer von 6 Fuß.
§. 96.
2) Grubenſicherung. a) Grubenzimmerung.
Alle dieſe Zugänge und Grubenbaue müſſen befeſtigt ſein, um
die Arbeiter gegen den Einſturz der Gebirge zu ſichern. Dies ge-
ſchieht entweder mit Holz, und heißt Grubenzimmerung, oder
mit Steinen, und heißt Grubenmauerung1). Die Gruben-
zimmerung iſt verſchiedener Art, je nach der ein-, zwei-, drei-
oder allſeitigen Feigheit (Lockerheit) des Geſteins. Sie beſteht:
1) Bei Stollen und Strecken entweder in quer von einer
Ulme zur andern an die Förſte getriebenen Balken und Brettern
(der Kappe); oder ſie iſt halbe Thürſtockzimmerung, wenn
blos ſolche Kappen, Seitenpfoſten und Bretter an einer Seite an-
gebracht ſind; oder ganze Thürſtockszimmerung, wenn auch
die zweite Ulme gezimmert iſt; oder ganze Thürſtockszim-
merung mit Sohlhölzern, wenn auch die Sohle mit Pfoſten ge-
zimmert iſt; oder endlich ganze Thürſtockszimmerung, mit
Tragwerk, Förderungsgeſtänge und Waſſerſeige2). Die ganze
Zimmerung geſchieht ohne Zapfen und Nägel, ſondern durch bloßes
Ineinanderfügen vermittelſt Bogen und Winkel. Längs den Ulmen
werden zwiſchen ſenkrechte Pfähle Bretter quer eingetrieben, ſo
auch an der Förſte, wo jedoch Alles horizontal liegt und etwaige
Zwiſchenräume zwiſchen Geſtein und Zimmerung mit Faſchinen
ausgefüllt werden müſſen.
2) Bei Schächten und Geſenken entweder in der Bolzen-
ſchrotzimmerung oder in der ganzen Schrotzimmerung.
Die Leztere beſteht aus lauter der Länge des Schachts nach auf
einander gelegten Vierlingen. Die Erſtere aber beſteht in ſolchen,
4–4½ Fuß von einander entfernten, Vierlingen, welche durch
ſenkrechte Balken (Bolzen) unterſtützt und durch Tragſtempel,
d. h. in die Bühnelöcher an den Schachtulmen getriebene Quer-
bolzen, an ihren kurzen Seiten getragen werden3).
¹⁾ de Villefosse Mineralreichthum. II. 178. Cancrin, Erſte Gründe der
Berg- und Salzwerkskunde. (Frankf. 1773–91.) I. 68. Delius Bergbaukunſt.
I. 310. 437. Karſten Archiv. II. IV. V. IX. XVI. XVIII. Dingelſtedt,
Anleitung zur Grubenzimmerung. Schneeberg 1793. Erler, Anleit. z. Strecken-
und Schachtmauerung. Freiberg 1796. Gätzſchmann, Anleitung zur Gruben-
mauerung. Schneeberg 1830. Brard Grundriß. S. 277–318.
[123/0145]
²⁾ Die Zimmerung mit Unterzügen beſteht darin, daß man längs der Förſte
Balken legt und ſie mit Thürſtöcken unterſtützt.
³⁾ Dieſe Tragſtempel werden auch nöthig bei ſchwebenden Strecken (Diago-
nalen oder Bremsbergen) bei einem Falle von 40–45 Graden. Es erſcheinen dann
die beiden Thürſtöcke, die Kappe und die Schwelle zuſammen als der Vierling. —
Der Vierling bei der Schachtzimmerung beſteht nämlich aus 2 längern und 3
kürzern Bolzen, wovon 2 am Ende und 1 in das Geviere eingerückt angebracht iſt,
um ſo den Schacht in den Treib- einerſeits und Fahr- und Kunſtſchacht anderſeits
zu theilen, weshalb zwiſchen je 2 davon Bretter eingeführt werden. — Auf dem
Oberharze kennt man auch noch die verlorene Zimmerung mit Getrieben,
und ſtatt der viereckigen die achteckige Schachtzimmerung. Auch iſt dort die ganze
und Bolzen-Schrotzimmerung verſchieden. Bei Tarnowitz in Schleſien wandte man
auch die Getriebszimmerung an. Brard Grundriß. S. 292. Karſten
Archiv. II. b. 146. IV. 212. Auch ſichert man kleine runde Schachte mit Baum-
zweigen. Brard Grundriß. S. 297.
§. 97.
Fortſetzung. b) Grubenmauerung.
Die Grubenmauerung verdient vor der Zimmerung, zwar
nicht in Betreff der Koſten, aber wegen ihrer Stärke, Sicherheit
und Dauerhaftigkeit den Vorzug. Sie iſt:
1) Bei den Stollen und Strecken entweder theilweiſe oder
ganze Mauerung, je nach der Brüchigkeit des Geſteins. Hiernach
hat man eine Förſtenmauerung im Gewölbe, Mauerung der Ulmen
mit Kappen, Mauerung der Förſte nebſt einer Ulme, Mauerung
der Förſte und beider Ulmen, und allſeitige Mauerung, und zwar
in elliptiſcher Form, wobei das untere Ende der großen Axe nach
die Waſſerſeige macht. Die geradlinigte Mauerung heißt man
Scheibenmauerung, und die bogenförmige dagegen Gewölbe-
mauerung1).
2) Bei den Schächten und Geſenken unterſcheidet man
wegen der Mauerung die ſeicheren von den flachen Schächten.
Für die ſeicheren Schächte gibt es eine länglich viereckige, runde
und eine elliptiſche Mauerung. Leztere iſt die beſte, weil ſie die
Feſtigkeit der Bogenmauerung mit der Bequemlichkeit der länglich
viereckigen für die Theilung in zwei Theile und die Förderung in
ſich vereinigt. Am leichteſten iſt die Mauerung, wenn ſie ſogleich
beim Abteufen des Schachtes geſchieht; am ſchwierigſten, wenn in
einem viereckigen Schachte die faule Zimmerung durch die Mauerung
erſetzt werden ſoll. Das Schwerſte iſt immer, der Mauerung einen
gehörig feſten Standpunkt zu geben. Bei feſtem Geſteine wird
hierzu dieſes benutzt und darum weit genug ausgehauen; im ge-
prägen Geſteine aber ein Roſt oder Geviere von Holz oder Eiſen
(wie in England), oder auch das Ausmauern von ſtarken Bogen,
die dazu beſtimmt ſind, der Mauerung zur Stütze zu dienen2).
[124/0146]
Die Mauerung flacher Schächte iſt entweder Kellerhals-
mauerung (bei 60 Graden Fall des Ganges und darunter), d. h.
ein halb liegendes und halb fortlaufendes Gewölbe, oder Mauerung
mit überſpringenden Bogen, d. h. lauter ſenkrechte über ein-
ander ſtehende Scheibenmauern von geringer Erſtreckung, die über
einander hervorſtehen und eine jede für ſich auf einem Bogen
ſteht3).
¹⁾ Die ſogenannte Gurtmauerung (zu Idria in Krain) beſteht aus ellip-
tiſchen, 1 Fuß breiten und 1–2 Fuß von einander entfernten Gewölben.
²⁾ Als Schachtſcheider, welcher den Schacht in zwei Theile trennt, hat man
auch ſchon Mauerung angewendet. Aber wegen der Wohlfeilheit, Leichtigkeit und
des Raumerſparniſſes iſt die Zimmerung vorzuziehen.
³⁾ Eine der merkwürdigſten Schachtmauerungen iſt die Senkmauerung,
angewendet auf der Friederichsgrube bei Tarnowitz in Schleſien und beim Tunnel
in London. Nachdem man einen viereckigen Schacht einige Lachter tief abgeſenkt
hat, legt man in denſelben einen ſtarken eichenen runden Roſt oder Kranz auf die
Sohle. Am äußeren Rande dieſes Kranzes werden Latten ſenkrecht aufwärts ange-
nagelt und ihre obern Enden ebenfalls an einen, jedoch etwas ſchwächeren Roſt
befeſtigt. Der Raum zwiſchen dieſem Holzkaſten wird ausgemauert. Hierauf wird inner-
halb des Mauerwerks die Sohle weiter abgeteuft, der Roſt dann losgeſchrämmt
und ſenkt ſich nun in die Teufe, ſo weit als man ihn haben will. So wird der
folgende Roſt an dieſen mittelſt Latten befeſtigt und fortgefahren, bis man auf feſtes
Geſtein kommt, um die gewöhnliche Schachtmauerung anzuwenden. Karſten Archiv.
IX. 168. Brard Grundriß. S. 315.
§. 98.
3) Fahrtanſtalten.
Die Anſtalten, um in die Bergwerke und aus denſelben zu
gelangen, ſind ſehr wichtig. Ihre Einrichtung darf nicht ohne
genaue Berückſichtigung der Zwecke, der Bequemlichkeit, Sicher-
heit, Feſtigkeit, Gefahrloſigkeit und der Rettbarkeit der Grubenleute
bei Gefahren geſchehen. Man bedient ſich folgender Fahrtanſtalten,
um die Gruben zu befahren:
1) Auf mehr oder weniger flachen Schachten eines Stockes,
den man zwiſchen die Beine als Steckenpferd ſteckt, und abreitet.
2) Der ſogenannten Rollen, d. h. geneigter glatter Ebenen,
auf die man ſich ſetzt und abrutſcht, z. B. in Baiern, Oeſterreich
und in Wieliczka.
3) Der Tonnen und Kübel, in welchen man an Seilern das
Geſtein fördert, oder auch anſtatt dieſer gewiſſer Seſſel oder Sättel
mit Steigbügeln, welche an die Seiler befeſtigt ſind, z. B. in
England.
4) Der Treppen von Holz, oder der in das Geſtein gehauenen
Stufen, z. B. in Frankreich, Italien, Steiermark, Schweden.
5) Der Fahrten mit einem Schenkel (Balken), an dem auf
[125/0147]
beiden Seiten die Bolzen hervorſtehen, um hinab- und hinanzu-
klimmen.
6) Der Leitern oder Fahrten von Holz oder Eiſen (lezteres
in England) von 10–12 Fuß Länge, mit Ruhebühnen von Holz,
um daran hinab- und hinauffahren zu können, ohne ſich hindernd
auf denſelben zu begegnen.
Es iſt wohl keinem Zweifel unterworfen, daß die ſechste Art
die beſte iſt, da ſie allein alle obigen Eigenſchaften hat, und nicht
ſo viel Raum und Koſten erfordert wie die vierte1).
¹⁾ Brard Grundriß. S. 127 u. a. W.
§. 99.
4) Wetterloſung.
Unter Wetter verſteht man die Grubenluft. Unter Wetter-
loſung1) die Thätigkeiten und Anſtalten zur Verbeſſerung der-
ſelben. Böſe (nicht athembare) Wetter im Gegenſatze der guten
(athembaren) ſind entweder matte, welche größtentheils kohlen-
ſaures Stickſtoffgas, Arſenik- oder Merkurialdämpfe enthalten, oder
ſchlagende, nämlich größtentheils entzündliches Kohlenwaſſer-
ſtoffgas. Der Aufenthalt der Menſchen, die Lichter, das Feuer,
faules Holzwerk, das Mineral ſelbſt, und die Verwitterung von
Geſtein ſind Haupturſachen ihres Entſtehens2). Man bedient ſich
zur Sicherung gegen ihre ſchädlichen Folgen folgender Mittel:
1) Zur Entzündung der ſchlagenden Wetter jetzt, nachdem
die Feuermänner und die Flintenſchüſſe mit Zündkraut als weniger
tauglich befunden worden ſind, der Sicherheitslampe von
Davy. Ihre Conſtruktion beruht auf zwei Haupterfahrungen,
nämlich darauf: a) daß eine Flamme durch ein Drahtgeflechte von
100 Löchern auf einem Quadratzolle von der äußern Luft geſchie-
den, mit dieſer nicht in Berührung tritt, und b) daß ein Spiral
von Platindraht in der Rothglühhitze die langſame Verbrennung
des Kohlenwaſſerſtoffgaſes bewirkt und erhält. Die Davy'ſche
Sicherheitslampe beſteht daher aus einem meſſingenen Oelbehälter,
in dem der Dacht angebracht wird, aus einem über die Flamme
geſtürzten Drahtgazecylinder obiger Beſchaffenheit, welcher oben
einen eben ſo belöcherten blechernen Hut hat, und aus einem im
Cylinder über der Dachtflamme feſt angebrachten Spirale von
Platindraht. Die anderen Beſtandtheile ſind Nebenſachen. Die
ſchlagenden Wetter dringen durch den Cylinder an die Flamme,
verbrennen an ihr langſam ohne Exploſion, und wenn dieſe nicht
mehr brennen kann, am Platinſpirale in der Rothglühhitze, was
[126/0148]
einen ſolchen Schein gibt, daß der Arbeiter damit die Grube be-
fahren kann, ohne der Gefahr ausgeſetzt zu ſein, daß durch das
Verbrennen jenes Blechhutes die Flamme ausbrechen und eine
Exploſion verurſachen wird3). Kommt er wieder mit der Lampe
in die athembare Luft, dann lodert der Dacht wieder auf.
2) Zur Ableitung der Wetter, alſo auch zur Sicherung
gegen matte Wetter, der Wetterwechſeln, d. h. ſolcher Ein-
richtung der Zugänge, daß ein Luftzug erhalten wird. Ihre Con-
ſtruktion beruht auf der Erfahrung, daß die Grubenluft im Win-
ter wärmer und leichter, im Sommer aber kälter und ſchwerer iſt,
als die äußere. Setzt man nun die Mundlöcher der Schächte und
Stollen in verſchiedene Ebenen und bringt man ſie mit einander in
Verbindung, ſo wird im Winter die äußere Luft am tief liegenden
Mundloche ein- und die Grubenluft am höheren herausſtrömen,
aber im Sommer umgekehrt. Solche Zugſchächte heißt man
Lichtlöcher oder Wetterſchächte, auch Wetterkamine, wenn
ſie bloße 3–4 Fuß weite Geſenke ſind. Kann man dieſen Luftzug
in die Waſſerſeige anbringen, ſo iſt es für die Arbeiter beſſer. In
der Regel iſt aber der Schacht durch den Wetterſcheider in
zwei Theile getrennt, und jene ſtehen ein Lachter über die
Schachtöffnung hervor. Um aber den Zug zu verſtärcken, ſetzt
man in die Schächte vom Tage hinein auch Wetterlutten, d. h.
hölzerne Röhren, welche oft ſenkrecht, oft horizontal, trichter-
förmig erweitert, dem Winde entgegen gerichtet ſind, um ihn
beſſer aufzufangen. Dieſes nennt man Wetterführung4).
3) Zum Ein- und Ausblaſen der Wetter verſchiedener
künſtlicher Mittel. Die Luft wird eingeführt: a) vermittelſt großer
Blasbälge mit mehreren nach verſchiedenen Richtungen ſich öffnen-
den Ventilen (Wetterbläſer); b) vermittelſt der Wetter-
(Wind-) Trommeln oder des Wetterrades, d. h. runder,
6 Fuß Durchmeſſer zählender Gehäuſe, in denen ſich ein acht-
flügeliges Rad zur Aufnahme des durch die Zuglöcher am Gehäuſe
bewirkten Luftzuges befindet, das die Luft in die Schachte wirft;
c) vermittelſt der Waſſertrommeln, d. h. oben trichterförmig
ſich mündender und gegen unten ſich verengender Hauptröhren,
welchen durch ſchiefe Seitenröhren die Luft zugeführt wird, und
in welchen dieſelbe durch Waſſer, das durch den Trichter einſtürzt,
nach unten in einen, manchmal auch noch mit einem Flügelrade
verſehenen, Behälter geriſſen, und von da durch Röhren in die
Grube geleitet wird. Sie ſind nur bei hinreichender Waſſermenge und
leichter Ableitbarkeit des Waſſers aus der Grube anzuwenden. Die
Wetter werden aber herausgeſogen und durch andere herbeiſtrömende
[127/0149]
erſetzt: a) vermittelſt des Wetterſatzes, d. h. einer einfachen
hölzernen, mit ledernen und hölzernen Röhren verſehenen Luft-
pumpe; b) vermittelſt freier in den Gruben angemachter Feuer
zur Conſumtion und Anſaugung der Luft; beſſer aber anſtatt ihrer
c) vermittelſt der Wetter- (Wind-) Oefen, mit einer in die
Grube führenden, die Wetter über ein Feuer auf einem Roſte
leitenden, Röhre. Dieſe Oefen ſtehen außerhalb der Gruben und
empfangen die Wetter durch die Lutten aus den Gräben herauf5).
¹⁾ Delius Bergbaukunſt. II. S. 1. de Villefosse Mineralreichthum. II.
216. III. 59. A. v. Humboldt, Ueber die unterirdiſchen Gasarten. Braunſchweig
1799. Karſten Archiv. IX. 253. X 132. XIX. S. 518. Brard Grundriß.
S. 346.
²⁾ Beſonders in Steinkohlengruben, wo ſich viel Schwefel findet und die
Steinkohlen in Haufen bei Feuchtigkeit erhitzen, in winkeligen Gruben, wo ſie
keinen freien Abzug haben ſind ſie ſehr angehäuft und gefährlich. Auch ſtrömen ſie
öfters gerade aus den Ulmen in Blaſen auf, über die man Röhren anbringen kann.
Oft hängen ſie in Bläschen an den Ulmen, die man zerdrücken kann u. dgl.
Exploſionen können ſchon bei [FORMEL] Kohlenwaſſerſtoffgas in der Atmoſphäre entſtehen;
bei ⅖ verlöſchen die Lampen.
³⁾ Näheres darüber in den Annales des Mines. I. 177. VIII. 209. Gilberts
Annalen der Phyſik. 1820. Karſten Archiv. I. a. 165. II. a. 173. II. b. 159.
Dingler, polytechn. Journal. 1829. S. 125. Brard Grundriß. S. 361. Der
Blechhut und die Befeſtigung des Platinſpirals, ſo wie das Zuſammendrehen
von 8 Platindrähten in einen ſolchen iſt von Chevremont erfunden.
⁴⁾ Eine eigene Wetterführung des Bergingenieurs James Ryan beſchreibt
Brard Grundriß. S. 359., nach Repertory of Arts. 1818., Karſtens Archiv.
IX. 253. und Gray's prakt. Chemiker. Weimar 1829. S. 427.
⁵⁾ Die Dimenſionen eines ſolchen Ofens ſind nach Brard (Grundriß S. 357.)
folgende: Ein runder Aſchenkaſten, 10 Zoll weit und bis unter den Roſt 2 Fuß
hoch. Der runde Heitzkaſten, eben ſo weit, aber vom Roſte bis zum Kamine 18
Zoll hoch, und, wo dieſes anfängt, gewölbt. Durchmeſſer des Kamins unten 12,
oben 8 Zoll. Höhe des Ofens von der Sohle bis zur oberen Kaminöffnung 7 Fuß,
Dicke der Mauern 2 Fuß, und inwendig aus Ziegelſteinen beſtehend. Die Heitz-
thüre 9–10 Zoll [], Thüre des Aſchenkaſtens 18 Zoll hoch und 1 Fuß weit. —
Das Feuer hängt man auch in Becken in die Schachte. Allein ſie ſind wegen der
ſchlagenden Wetter gefährlich. Da ſie auf einem Roſte ruhen, ſo hat Chevre-
mont deshalb vor den Roſt einen Rahmen mit Davy'ſchem Metallgaze ange-
bracht. — Die Verſuche mit Chlorkalk zur Verbeſſerung der Wetter haben ſich
nicht bewährt. Karſten Archiv. XVIII. 323 Brard Grundriß. S. 368–70.
§. 100.
5) Waſſerloſung.
Die in den Gruben anzutreffenden Waſſer ſind nicht minder
gefahrdrohend, als die Wetter, weil ſie nicht blos das Leben der
Arbeiter gefährden, ſondern auch öfters den Fortbau unmöglich
machen, d. h. die Gruben verſäufen. Auch gegen ſie hat man,
entſprechend der Wetterloſung, drei Hauptmittel. Nämlich:
1) Das Verdämmen (Cuvelage et Picotage) der Waſ-
ſer, d. h. Vorrichtungen, um das Herzuſtrömen des Waſſers zu
[128/0150]
verhüten. Man bedient ſich dazu oft: a) der Dämme, um das
Waſſer auf einer höheren Sohle vom Hinabſturze in tiefere Theile
der Gruben zu hindern. Ihre Stärke iſt nach ihrem auszuhalten-
den Drucke verſchieden, und ſie beſtehen in der Regel aus zwei
ſtarken Holzwänden, in deren Mitte Letten eingeſtampft wird. Iſt
nahes Waſſer zu vermuthen, ſo unterſucht man am beſten mit dem
Bohrer, um ein ſchnelles Anſchwellen bei fortgeſetzter Arbeit zu
verhüten1). b) Der eigentlichen Verdämmung (Cuvelage et
Picotage) der Schächte. Sie gründet ſich auf ſehr waſſerhaltende
und waſſerfeſte Erdſchichten, und ſoll das Durchdringen der
Waſſer, wenn der Schacht durch ſolche Schichten geht, verhin-
dern, indem ſie in ihr natürliches Niveau gehalten werden. Auf
einer ſolchen Schicht mit dem Schachte angelangt, erweitert man
den Schacht 4–4½ Zoll über die Jöcher der Zimmerung hinaus,
und füttert die Zwiſchenräume zwiſchen den angebrachten Jöchern
mit Moos aus, auf welches vermittelſt vieler hölzerner Keile meh-
rere Bretter ſo feſt angekeilt werden, daß das 2–2½ Zoll dick
aufgelegte Moos bis auf einige Linien Dicke zuſammengepreßt wird2).
Man kann dieſe Vorrichtungen Waſſerhaltung nennen.
2) Die Waſſerloſung im eigentlichen Sinne, indem man
den Waſſern einen natürlichen Abfluß durch ſeine eigene Schwere
gibt. Dies geſchieht durch die Waſſerloſungsſtollen, weniger an-
wendbar in flachen, als in getheilten gebirgigen Ländern, weil ſie
an ſich ſehr koſtſpielig und in erſteren Ländern zu lang ſein müſſen.
Man legt dieſe Stollen ſo tief an, daß ſie möglichſt das Waſſer
der höheren Sohlen der Grube aufnehmen. Ihr Bau iſt wegen
der Nivellirung der Gebirgsoberfläche und wegen der Auffindung
des gehörigen Gefälles ſehr ſchwer. Dient ein ſolcher Stollen nicht
zugleich zum Fördern, dann braucht er weniger Dimenſion3).
3) Die Waſſerhebung, indem man die Waſſer künſtlich
aus den Gruben herauszieht. Man bedient ſich dazu, je nach der
Tiefe, aus welcher die Waſſer heraufgezogen werden müſſen, außer
den früher angewendeten archimediſchen Schnecken, Paternoſter-
werken, Schaufelkünſte, jetzt noch folgender Mittel: a) der Ton-
nen und Fäſſer auf ſchwebenden Strecken und flachen Schächten,
indem man ſie auf Schlitten oder Wagen, deren Räder auf höl-
zernem Geſtänge gehen, heraufzieht. b) Der Züber und Kübel
zum Heraufziehen, wie bei der Förderung (§. 106.), welche aber
unverſchloſſen nicht ſo gut ſind wie jene verſchloſſenen Fäſſer;
c) der Sauge- und der Druckpumpen, die wie die Waſſer-
pumpen überhaupt konſtruirt ſind; d) bei großer Teufe des Kunſt-
ſatzes, d. h. mehrerer immer übereinander angebrachter Pumpen
[129/0151]
mit Waſſerbehältern (Satzkäſteln), in welche die eine Pumpe
eingießt und aus welchen die nächſt höhere pumpt4); e) des He-
bers und der Luftcompreſſion5). Dieſe Waſſerhebung wird
durch dieſelben Kräfte wie die Förderung bewirkt.
¹⁾ Beſchreibung einer horizontalen Bohrmaſchine bei de Villefosse Mineral-
reichthum. II. 209. Brard Grundriß. S. 345.
²⁾ Die nähere Beſchreibung des Verdämmens bei Brard Grundriß. S. 338
folg. de Villefosse Mineralreichthum. II. 188. Karſten Archiv. IV. 214.
IX. 209. X. 192. Journal des Mines. XVIII. No. 104 et 105.
³⁾ Man muß ſich wegen der böſen Folgen der Verſtopfung vor zu engen
Stellen dieſer Art hüten. Brard (Grundriß S. 323.) gibt als beſte Dimenſion
5 Fuß Höhe und 3 Fuß Breite an.
⁴⁾ Zur Literatur: Delius Bergbaukunſt. II. 50. de Villefosse Mineral-
reichthum. II. u. III. v. Cancrin erſte Gründe Thl. VII. und Werke über
Maſchinenweſen. Brard Grundriß. S. 327.
⁵⁾ Beſchreibung des Erſteren in Karſten Archiv. IV. 217., der anderen
daſelbſt XIII. S. 35.
V. Von der Arbeit auf dem Geſtein.
§. 101.
1) Bergmänniſches Gezähe und Geleuchte.
Die Arbeit in den Gruben kann ohne Lampen (Geleuchte)
nicht geſchehen. Sie haben verſchiedene eigenthümliche Formen
und jeder Bergarbeiter muß mit einer ſolchen und dem Feuerzeuge
verſehen ſein. Da aber die Feſtigkeit des Geſteines ſehr verſchie-
den iſt, ſo hat man auch verſchiedenes Werkzeug (Gezähe) und
verſchiedene Arbeiten. Erſteres läßt ſich nach Lezterem anordnen.
Es gibt nämlich:
1) Gezähe zur Lostrennung des Geſteins. Es gehören
hierher: a) die Keilhauen, d. h. mehr oder weniger keilförmige
ſpitzige Hauen mit ſtarkem Oehr und Helme (Stiel), die zum
Zwängen des Geſteines dienen. Man unterſcheidet nach Stärke,
Größe und Kürze die Geſteins-, Schramm- und Kerb- (Schlitz-)
Keilhauen; b) die Lettenhaue, welche vornezu eine breite
Schneide hat und beſonders zum Wegnehmen dünner Lettenſchich-
ten dient; c) die Keile (Fimmel, Wölfe) von verſchiedener
Größe, die ins Geſtein eingetrieben werden, früher für Mühlſteine
und Marmorblöcke von Holz, jetzt aber von Eiſen; d) die Treib-
fäuſtel von verſtrahltem oder bloßem Eiſen, verſchieden geformte
ſtarke Hämmer von 8–20 Pfunden; e) die Heber oder Brech-
ſtangen, d. h. große Eiſenſtangen mit keilförmigen, etwas ge-
krümmten Spitzen, von 15–60 ℔ Schwere; f) der Schramm-
ſpieß, der ſich unten in eine vierkantige pyramidiſche Spitze endet
Baumſtark Encyclopädie. 9
[130/0152]
und auf Kohlenflötzen angewendet wird; g) die Schaufeln und
Kratzen, von verſchiedener Form mit langem Stiele.
2) Gezähe zur Spreng- und Schießarbeit. Es gehören
hierher: a) die Handfäuſtel von 4–6 ℔, und ſchlanker und
kürzer als die Treibfäuſtel; b) die Spitzen (points), ſchlanke
verſtählte Keile; c) die Geſtein- oder Bergeiſen, d. h. ganz
ſpitzige kleine Eiſen von verſchiedener Größe und Geſtalt, welche
mit einem Helmöhre verſehen, im Beſitze jedes Bergmannes in
größerer Anzahl ſind, und, aufgeſteckt, ein ſpitziges Hämmerchen
von ungefähr 2 ℔ bilden können; d) die Bohrer zur Schieß-
arbeit; ſie ſind achteckig oder rund, von Eiſen und an beiden Enden
verſtählt, aber von verſchiedener Schneide und Spitze. Man unter-
ſcheidet den Meißelbohrer mit bogenförmiger, mit zugeſchärfter,
mit gerader und ſtumpfer Schneide; den Kreutzbohrer, mit vier
ausgeſchweiften, zwei ſich durchkreutzende Schneiden bildenden,
Flächen; den Kolbenbohrer, wie die Kreutzbohrer, nur mit 5
hervorragenden Spitzen, eine in der Mitte und vier in den Ecken;
den Kronenbohrer, ohne die fünfte mittlere Spitze; und den
Letten- (Trocken-) bohrer, eine runde eiſerne, oben mit einem
Loche verſehene, unten kolbenförmige Stange zum Trocknen der
Bohrlöcher in naſſem Geſteine; e) die Krätzer, eine oben mit
einem Loche verſehene, dünne, vierkantige, unten mit einem Löffel
oder Teller verſehene Stange, zum Herausziehen des Bohrmehls
und zum Austrocknen der Bohrlöcher vermittelſt eines in das obere
Loch befeſtigten Lappens oder Wergbüſchels; f) die Räumnadel,
ein ſpitziges, oben mit einem Loche verſehenes weiches Eiſen- oder
Kupferſtängchen zum Offenhalten eines Zündkanals bei der Schieß-
patrone; g) der Stampfer, eine 3½ ℔ ſchwere, unten kolben-
förmige, mit einer Hohlkehle verſehene, Eiſenſtange zur Aufnahme
der Räumnadel, während die Patrone ins Bohrloch geſetzt wird.
Er muß alſo dünner als das Bohrloch ſein1).
¹⁾ Lempe, Magazin für Bergbaukunde. VIII. Bd. Werner, Bergmänniſches
Journal. Jahrg. I. S. 8. Schroll, Beitrag zur Kunſt und Wirthſchaft der Arbeit
auf dem Geſteine. Abſchn. IV. v. Moll Annalen. I. 2. 38. Karſten Archiv.
V. 277. Delius Bergbaukunſt. I. 210. Brard Grundriß. S. 77–101.
§. 102.
2) Feſtigkeit des Geſteines.
Das Geſtein hat verſchiedene Grade von Feſtigkeit, und nach
dieſen wechſelt auch die Arbeit auf dem Geſteine ſo wie der Ge-
brauch des Gezähes. Es gibt:
[131/0153]
1) Rölliges (pulveriges) Geſtein, nämlich loſe Erde, Sand,
Lehm u. dgl., die man mit der Schaufel und Kratze wegräumt.
2) Mildes Geſtein, zerreiblicher zuſammengebackener Sand,
Dammerde, auch Steinkohlen und Steinſalz manchmal. Man ge-
winnt ſie mit der Keilhaue und der Fimmel, und ſchlägt ſie mit
dem Fäuſtel in Sand.
3) Gepräges (gebräches) Geſtein, nämlich Schwer-, Feld-
und Flußſpath, auch Kalkſtein, Gips, Sandſtein, alle lettigen,
eiſenſchüſſigen, großglimmerigen und kurzklüftigen Geſteine. Man
gewinnt ſie mit der Schlägel- und Eiſenarbeit, zum Theile indem
man Keile eintreibend ſpaltet, zum Theile indem man rinnenförmige
Ringe einhaut und das Dazwiſchenliegende aushaut (das Brun-
nenhauen), und mit der Sprengarbeit.
4) Faules Geſtein, mit Waſſer und Thon durchdrungen, und
nicht blockweiſe zu gewinnen, z. B. allſeitig gebrochene Schiefer,
die man mit der Keilhaue und Schaufel gewinnt.
5) Blättriges Geſtein, das ſich in Blätter und Tafeln
trennt, nämlich die Schiefer und Geſtein mit ſchiefriger Textur,
die man mit Fimmeln und Brecheiſen gewinnt, aber mit Meißeln
theilt.
6) Brüchiges Geſtein, das durch allſeitige Riſſe in unregel-
mäßige Blöcke getheilt, aber unter Benutzung örtlicher Um-
ſtände auf die verſchiedenſte Weiſe gewonnen wird und viele
Schwierigkeiten macht.
7) Weiches und zähes Geſtein, durchdringlich mit dem Ge-
zähe, zerquetſchbar, aber nur ſchwer zerreißlich, z. B. Schieferthon
und Serpentin, marmorartiger Thon bei rothem Sandſteine; man
ſchlitzt ſie auf beiden Seiten mit verſtählten Lettenhauen und treibt
neben und mitten Fimmeln ein.
8) Sprödes Geſtein, z. B. feinkörniger Granit, die Trappe,
Porphyre und einige Sandſteine, blos durch Sprengarbeit mit Erfolg
zu gewinnen.
9) Hartes und zähes Geſtein, z. B. einzelne Quarzarten
und Granite, die man blos durch Sprengarbeit, oft nur durch
Feuerſetzen gewinnen kann1).
¹⁾ Brard Grundriß. S. 101–107. Werner Journal. I. 4.
9 *
[132/0154]
§. 103.
3) Arbeit auf dem Geſteine.
Nach der Feſtigkeit des Geſteines gibt es folgende Arbeiten
auf demſelben:
1) Die Arbeit des Lostrennens, blos mit Hand-Werk-
zeugen. Sie läßt keine genügende wiſſenſchaftliche Beſchreibung
zu. Denn ſie iſt reine Kunſt der praktiſchen Manipulation.
2) Die Spreng- und Schießarbeit, deren Weſentliches
in folgenden Arbeiten beſteht: a) im Bohren einer cylinderför-
migen Röhre in das zu ſprengende Geſtein mit den (§. 101. N. 2.)
beſchriebenen Werkzeugen; das Verfahren iſt im Kleinen wie bei
den Bohrverſuchen und gibt ein Loch von 10–48 Zoll Länge und
½-4 Zoll Weite; b) im Beſetzen, d. h. im Anbringen einer
Maſſe, um dem eingelegten Pulver den Ausweg zu verrammeln;
nachdem das Bohrloch mit der Patrone geladen iſt, geſchieht dies
entweder mit einem Holzpflocke, mit Letten (Lettenbeſetzung), mit
Sand (lockere Beſetzung) oder mit Waſſer, in welchem lezteren
Falle man aber entweder blecherne, hölzerne oder ſtark verpichte
Papier-Patronen nehmen muß, um das Pulver vor Feuchtigkeit
zu bewahren; c) im Wegthun (Entzünden) des Schuſſes; dies
geſchieht entweder durch Röhrchen von Schilf, Stroh und mar-
kigem Holze, die man auf die Patrone befeſtigt, durch die Beſetzung
hervorragen läßt und mit Pulver füllt, oder durch Lunten, d. h.
mit einer Pulvermaſſe beſtrichene Binſen, Ruthen u. dgl., oder
endlich durch ſogenannte Raketchen, d. h. kleine mit Pulvermaſſe
ausgeſtrichene und getrocknete Papierdütchen, die man 3–4 Zoll
tief in die Zündröhre ſchiebt. Dieſe lezte Methode iſt beſonders
gut bei über ſich ſtehenden Bohrlöchern. Zur Entzündung bedient
man ſich der Schwefelmännchen und Schwefelfaden, um dem Ar-
beiter Zeit zur Entfernung zu geben1).
3) Das Feuerſetzen, um durch Verbrennen bedeutender
Holzſtöße das Geſtein mürbe zu machen. Es iſt beſonders anwendbar
bei lebhaftem Wetterwechſel und in breiten Gruben. Man treibt
vom Förderſchachte aus Strecken gegen die Lagerſtätte, bringt an
deren Enden Höhlungen an, die geräumig genug ſind, um auf
einem gelegten Roſte Holzſtöße zu faſſen2).
¹⁾ Werner, Bergm. Journal. 5. Jahrg. Bd. I. S. 193. v. Moll Annalen.
I. 2. S. 119. (Luftbeſetzung.) Gilbert, Annalen der Phyſik. XXIV. 55. 314.
Karſten Archiv. II. a. S. 1. Journal des Mines. N. 56. (Sprengen unter
Waſſer.) Delius Bergbaukunſt. I. §. 160. Brard Grundriß. S. 108–126.
²⁾ Delius Bergbaukunſt. I. §. 204. de Villefosse Mineralreichthum. II.
S. 288. Freiesleben, Bemerkungen über den Harz. Leipzig 1795. I. 330. 451.
[133/0155]
VI. Von der Grubenförderung und Tageförderung.
§. 104.
1) Stollen- und Streckenförderung.
Förderung iſt die Hinwegſchaffung des gewonnenen Minerals
aus und von der Grube1). Geſchieht ſie vom Innern zu Tage,
dann heißt ſie Grubenförderung. Geſchieht ſie aber zu Tage,
dann iſt ſie Tageförderung, welche durch die gewöhnlichen
Transportmittel entweder auf gewöhnlichen Wegen, auf Schienen-
wegen, wozu die Förderwagen an den Rädern eigens eingerichtet
ſein müſſen, auf Eiſenbahnen, mit Dampfwagen, auf den bei der
Grubenförderung gebrauchten Karren, oder mit Kähnen zu Waſſer
geſchieht, je nachdem es Ausbeute, Betrieb und örtliche Umſtände
geſtatten2). Bei der Grubenförderung gibt es drei Hauptarten,
nämlich:
1) Die Strecken- und Stollenförderung. Sie ge-
ſchieht auf folgende Weiſen und iſt darnach: a) Rückenför-
derung, gewöhnlich nur in Stein- und Braunkohlengruben ange-
wendet, ſehr mühſam, koſtbar und von geringem Erfolge;
b) Schlepptrogförderung, angewendet auf ſchmalen Kohlen-
flötzen; der Schlepptrog beſteht aus zwei Kuffen von Holz, an denen
ein Bretterkaſten befeſtigt und eiſerne Oeſen angebracht ſind, in
welche das Ziehzeug (Sielzeug) des Schleppers eingehängt wird;
c) Schlittenförderung, wobei der Mineralkaſten auf einem
Schlitten ſitzt und durch 4 eiſerne Stangen gegen das Herunter-
fallen geſichert iſt; d) Laufkarrenförderung, wobei der Lauf-
karren aus zwei Karrenbäumen beſteht, die hinten in zwei Hand-
haben ausgehen, vorne zwiſchen ſich ein Rad führen, und in der
Mitte einen Mineralkaſten bilden; e) Hundeförderung, wobei
man unter den Hunden abweichend geformte, mit vier kleinen,
halb oder ganz ſichtbaren, Rädern verſehene, länglich viereckige,
mit Eiſen beſchlagene ſtarke hölzerne Kaſtenwagen verſteht, an denen
die Hinterrädchen größer als die Vorderrädchen ſind; nach der
Conſtruktion unterſcheidet man die ungariſchen und die deutſchen
Hunde; f) Wagenförderung, wobei ſich die Wagen von den
Hunden durch die Gleichheit der vier Rädchen, durch die Noth-
wendigkeit des Geſtänges (§. 95.) zu ihrer Leitung, durch das
Getrenntſein der Fördergefäße vom Wagengeſtelle, und durch die
Geſtalt der Gefäße unterſcheiden, welche bald rund, bald viereckig
ſind; g) die Kahnförderung, wenn genug Waſſer vorhanden
iſt und es überhaupt die Gewerbsverhältniſſe und Lage der Berg-
werke erlauben3).
[134/0156]
¹⁾ Ueber Förderung handelt: v. Böhmer, Ueber Grubenförderung. Freiberg
1791. Delius Bergbaukunſt. I. S. 455. Lempe, Lehrbegr. der Maſchinenlehre.
I. Thl. 1. Abthl Leipzig 1795. de Villefosse Mineralreichthum. II. 188. 613.
III. 44. 78. Karſten Archiv. II. b. 28. IV. 146. 102. VII. 86. 396. XIX. 1.
²⁾ Brard Grundriß. S. 268.
³⁾ Genaue Beſchreibung dieſer Maſchinen, beſonders der Wagen und Hunde,
bei Brard a. a. O. S. 214–237.
§. 105.
2) Diagonalförderung.
2) Die Diagonalförderung. Sie geſchieht: a) auf dia-
gonalen Strecken, die unter einem mehr oder weniger ſtarken
Winkel anſteigen, um durch ſie beſonders im Steinkohlenbaue aus
den oberen Abbauſtrecken und Gewinnungsörtern die Mineralien
entweder auf die Sohle eines Schachtes oder auf die Grundſtrecke
und Stollen zu bringen und von dort weiter fördern zu laſſen; ſie
iſt wegen der Schwierigkeit des Heraufziehens der leeren Gefäße
nur bei Flötzen von nicht über 30 Grade Neigungswinkel anwend-
bar; man bedient ſich dabei übrigens der im §. 104. angegebenen
Maſchinen1); b) auf Bremsſchächten (Bremsbergen), welche
man auf zu geneigten Flötzen anwendet, wo die Diagonalſtrecken
nicht anwendbar ſind; ſie ſind, auf der Falllinie des Flötzes von
der Grundſtrecke aufſteigende, faſt zu einem Neigungswinkel von
36 Graden ſich neigende Schächte2), in welchen im nämlichen
Augenblicke, wenn ein gefülltes Gefäß heruntergelaſſen wird, ein
leeres heraufkommt; weil die Bremsſchächte rechtwinkelig von der
Abbauſtrecke ablaufen, ſo bringt man, um die Förderkarren leichter
einleiten zu können, an denſelben eine Drehſcheibe an, auf welche
das Gefäß geſtellt und durch die Drehung leicht in die gehörige
Richtung gebracht wird; der Name dieſer Schächte kommt von
dem Weſentlichſten derſelben, nämlich von der Bremsvorrichtung,
d. h. von einem zum Anhalten der hinabrollenden Gefäße die-
nenden, halb in einem Kaſten gehenden Rade, welches vermittelſt
eines Hebels gehemmt werden kann, der den beweglichen Kaſten an
daſſelbe anſchiebt; endlich c) durch die Rolllöcher (Rollſchächte),
d. h. ſtark geneigte kleinere Diagonalſtrecken auf ſtark geneigten
Flötzen u. dgl., in welchen man das gewonnene Mineral, auch
Bergen, auf die Grundſtrecken zur Förderung hinabrollen läßt;
am untern Ende bringt man Schieber und Gaſſe an, um das
Mineral in den Mündungskaſten zu leiten.
¹⁾ Brard (Grundriß S. 238.) gibt für die Schlepptrogförderung ein Anſtei-
gen nicht über 18°, für kleinere Wagenförderung auf hölzernem Geſtänge nicht über
2° 20', für die größere nicht über 1° 12', und für eiſernes Geſtänge nur für
[135/0157]
¹⁾ etwa halb ſo ſtark an. Oft iſt Wagenſperre nöthig. Man fördert hier auch mit
Pferden, aber ohne großen Vortheil.
²⁾ Auf ganz flach fallenden Flötzen geht dieſe Förderung nicht; doch ſollen
9–10° Fall bei eiſernem Geſtänge, und 12–15° bei hölzernem Geſtänge das
Minimum ſein. Brard Grundriß. S. 241.
§. 106.
3) Schachtförderung.
3) Die Schachtförderung. Es iſt bei ihr zu bemerken:
a) daß im größeren Theile des Schachtes, der von dem kleineren
durch Zimmerung geſchieden iſt, die Fördergefäße am beſten in der
Diagonale gegen einander ſtehen; b) daß man ſich dabei zum Theile
eiſerner Ketten, zum Theile runder, platter und flacher (Band-)
Seile bedient; c) daß als Fördergefäße entweder eigene Tonnen
und Kübel von mehr länglicher Form oder Maſchinen und Gefäße
der Streckenförderung, z. B. die Hunde, Wagengefäße, gebraucht
werden; und d) daß man die Seile an ſie entweder unmittelbar
anknüpft oder an einen Bügel von Eiſen hängt, in welchen ein
Eiſenhaken eingelegt wird, der am Seile befeſtigt iſt. Dieſe An-
knüpfung iſt ſehr wichtig, damit man den Unglücksfällen durchs
Herausſpringen und Herabfallen nicht ausgeſetzt wird. Die zur
Förderung angewandten Kräfte ſind verſchieden. Man bedient ſich
dabei: a) des Haſpels, der je nach der anzuwendenden Kraft
verſchieden groß, aber ſonſt ganz einfach konſtruirt iſt; öfters iſt
an ihm anſtatt der Spillen ein Schwungrad an einem Ende des
Rundbaums, oder der Welle, manchmal aber auch eine Erdwinde,
d. h. ein mit Umdrehzapfen verſehenes Rad in der Mitte des
Rundbaums, und nicht ſelten ein Stirnrad am Rundbaume, in
welches ein mit dem Haſpelhorne verſehenes Getriebe eingreift,
angebracht; b) des Pferdegöpels, d. h. eines ſenkrechten Well-
baums, um welchen ſich oben auf einen Korb, der koniſch zuläuft
oder blos cylindriſch iſt, die Seile wickeln; c) des Waſſergö-
pels (der Treib- oder Bremskunſt), wobei das Kehrrad das
Weſentlichſte iſt; daſſelbe iſt ein oberſchlächtiges Waſſerrad mit drei
Kränzen und zwei Reihen von Schaufeln, die ſo ſtehen, daß das
Rad bald rückwärts bald vorwärts gehen kann, je nachdem das
Waſſer auf die eine oder andere Seite fällt. Nach dem Kehrrade
folgt an Wichtigkeit der Korb, um den ſich die Seile wickeln,
und deſſen Größe hier, wie beim Pferdegöpel, nach der Schacht-
teufe verſchieden iſt. Beide ſind mit einander in Verbindung ge-
ſetzt, entweder durch eine gemeinſchaftliche Welle oder durch
ſenkrecht an den Enden der beſondern Wellen des Rades und
des Korbes angebrachte Korbſtangen, die dem Korbe die Bewegung
[136/0158]
des Rades mittheilen, oder endlich durch das Feldgeſtänge, eine
komplizirte Maſchine, welche, wenn das Aufſchlagwaſſer vom
Schachte entfernt liegt und fließt, die Radbewegung vom entfern-
ten Waſſer her der Korbbewegung mittheilt1); d) der Dampf-
maſchine, deren Kraft jede beliebige Richtung haben kann.
e) Der Kette ohne Ende (Paternoſterwerk), bei nicht be-
trächtlichen Schachtteufen; es gehen zwei Ketten ohne Ende ober-
halb der Schachtmündung über zwei Räder, an denen hervorſtehende
Zähne angebracht ſind, in welche die Kettenglieder greifen, und
aber unten im Geſenke über Rollen; die Fördergefäße hängt man
zwiſchen die Ketten in beſtimmte Glieder, und die obern Räder
werden durch eine Triebkraft bewegt und ſo die Gefäße herauf-
gewunden2); f) des Gegengewichtes, welches aus 2 Käſten
beſteht, die an den beiden Enden eines Seiles hängen, das auf
zwei Rollen geht; das eine Gefäß wird auf der Sohle des Schach-
tes immer mit Mineral, das andere am Mundloche mit Waſſer
gefüllt, dies unten und jenes oben geleert und ſo abwechſelnd3).
¹⁾ Beſchreibung dieſer Maſchinen bis ins Einzelne finden ſich bei Brard
Grundriß. S. 250–266.
²⁾ Eine nähere Beſchreibung findet ſich, wie Brard angibt, in Brewster
Edinburgh Encyclopaedia Art. Mine vol. XIV. p. 359. Art Railway vol. XVII.
p. 309. Taf. 394 u. 477.
³⁾ Dieſe Methode iſt angewendet in der Steinkohlengrube des Lord Fitz-Wil-
liam bei New Kaskgade in England.
VII. Von dem Scheiden der Erze in und außer
der Grube.
§. 107.
In der Grube wird nicht ſogleich beim Aushauen des Geſteines
die Sonderung der Erze vorgenommen, ſondern erſt nachdem eine
Strecke verſchrämt iſt, reinigt man die Sohle und gewinnt aus
den einzelnen Stücken mit den Fimmeln und kleinen Schüſſen die
Erzmaſſe, dabei ſcheidet man dieſe nach ihrer Reinheit und Reich-
haltigkeit noch vor der Förderung. Jede Unordnung beim Zer-
ſchlagen, Scheiden und Fördern hat bedeutende Verluſte zur Folge
durch das Zerſpringen, Zerſplittern, Zertreten, Beſchmutzen und
öftere Umladen. Was man von der Grube aus ſogleich gediegen
liefern kann, das braucht nicht in die Hüttenwerke zu gehen. Der
Ausſchläger ſcheidet nicht blos die erzhaltigen Stücke (Gänge)
von dem tauben Geſteine (Bergen), ſondern auch die Gänge
ſelbſt wieder nach Größe und Gehalt, und ladet ſie ſo in die För-
derungsgefäße. So kommen auch die ganz guten (derben) Gänge
[137/0159]
beſonders. Die Bergen müſſen öfters der Baue wegen in der
Grube bleiben; man ſpart die Förderkoſten und die Förderzeit.
Im Allgemeinen iſt eine zu ſtarke Zerkleinerung in der Grube die
Urſache von Verluſt; bei Steinkohlen aber ſtrebt man immer nach
großen Stücken. Dieſe Scheidung in der Grube gehört noch zum
Bergbaue und iſt erſt am Tage ins ganz Reine fortzuſetzen.
Zweites Stück.
Beſondere Gewerbslehre.
§. 107. a.
Vorbegriffe.
Die beſondere Gewerbslehre, welche bisher immer als Lehre
von der Führung des Haues ein Hauptſtück der Bergbaulehre aus-
machte, lehrt die verſchiedenen Arten des Baues bei den einzelnen
bergmänniſch zu fördernden mineraliſchen Stoffen, je nach ihrer
eigenthümlichen Natur und beſonderen Lagerſtätten. Dieſe beiden
Beziehungen bilden daher auch den Eintheilungsgrund.
I. Von dem Betriebe der Torfgräbereien.
§. 108.
Iſt erwieſen, daß ſich in einem Grunde Torf befindet und kann
man mit Erfolg eine Torfgräberei von beträchtlicher Ausdehnung
anlegen, ſo iſt das Erſte, worauf man zu achten hat, die Trocken-
legung des Torfmoores. Man beginnt daher mit dieſem Betriebe
wegen Beförderung des Waſſerabfluſſes am tiefſten Theile des Thales
und am unterſten Ende. Man durchſchneidet von da aus das Moor
mit Gräben und Kanälen. Dadurch entſtehen einzelne Felder und
Waſſerwege zum Transporte des geſtochenen Torfes. Man hat bei
dem Ausſtechen immer Rückſicht auf die beſte Wiederherſtellung des
Bodens zu nehmen. Darum müſſen die Vertiefungen ſogleich,
wenn man ihrer nicht mehr bedarf, wieder mit den nicht torfigen
Grundtheilen und mit den Abfällen ſo ausgefüllt werden, daß eine
regelmäßige fruchtbare Fläche daraus entſteht. Man thut daher
auf Wieſengrund gut, wenn man den Raſen regelmäßig abſticht
und dann ſpäter wieder auflegt. Liegt der Torf noch ganz unter
Waſſer, ſo fiſcht man ihn mit eigenen Maſchinen heraus. Derſelbe
wird entweder noch in ſeiner Weichheit ſchon mit dem Torf-
ſpaten, d. h. einem Spaten mit zwei einen rechten Winkel mit
einander bildenden Flächen und Schneiden, in Formen geſtochen
und getrocknet (Stichtorf) oder in Formen und durchlöcherten
[138/0160]
Kaſten gepreßt und getrocknet (Preßtorf). Da er ſich leicht ent-
zündet, ſo darf man den Torf beim Trocknen nicht in zu große
Haufen legen1).
¹⁾ Näheres übers Torfweſen in: Eiſelen Handbuch oder ausführliche Anlei-
tung zur näheren Kenntniß des Torfweſens. 2te Aufl. II. Bde. Berlin 1802. 1811.
Dau, Neues Handbuch über den Torf. Leipzig 1823.
II. Von dem Betriebe der Steinbrüche.
§. 109.
Am wenigſten koſtſpielig iſt es, wenn man ſogleich vom Tage
aus die Steine brechen kann. Allein oft verbietet es der Vortheil
der fruchtbaren Ackererde, ſogleich außen einen Steinbruch zu be-
ginnen, und manche Steinſchichten liegen ſehr tief im Erdinnern.
Man hat daher zwei Arten des Abbaues; nämlich:
1) Den Pingen- oder Tagebau, d. h. den Betrieb der
offenen Steinbrüche. Man beginnt ſie mit dem Aufdecken oder
Abräumen, indem man das Alluvium, beſonders alſo die Damm-
erde hinwegräumt, am obern Theile, anfängt und für das Auf-
ſchütten des Schuttes einen Platz wählt, der im Baue nicht hin-
derlich werden und für die Zukunft allen Schutt aufnehmen kann.
So gewinnt man den Sand, Kalkſtein, Bauſtein, Marmor, Gips,
Dachſchiefer, die Mühlſteine u. dgl. Die Einrichtung und Folge
der Arbeit und der abzulöſenden Blöcke hängt ganz von der Locali-
tät und praktiſchen Umſicht ab. Das Lostrennen geſchieht der
Regel nach durch das Abſchlitzen, nachdem man recht abgeräumt
hat. Man zieht nämlich auf der Oberfläche einen oder mehrere
Schlitze (Eingewinne), in die man Keile eintreibt, bis eine
Spalte entſtanden iſt, aus der ſich der Block ablöst. Wo die
Natur Schichtungen gelegt hat, da kann man alſo nur Länge und
Breite der Blöcke einrichten. Man bedient ſich aber auch nach dem
Schlitzen der Fimmel und Brechſtangen, und kleinere Steine bricht
man nicht ſelten blos mit der Keilhaue. Je edler der Stein iſt,
deſto behutſamer muß man vor Springen im Bruche ſein, z. B.
beim Marmor überhaupt, und beſonders zu Statuen.
2) Den unterirdiſchen Bau. Die Arbeiten auf dem Ge-
ſteine ſind wie beim Pingenbaue, nur in Höhlen, zu denen man
durch Schächte oder Stollen einfährt. Man läßt wegen der Unter-
ſtützung des Geſteines Pfeiler ſtehen. Bei zu großen Räumen
blos wendet man Zimmerung an. Brüchige Fächer unterſtützt man
mit Mauern. Iſt der Bruch abgebaut, und entſteht für die Ober-
fläche kein Schaden, dann ſtürzt man ſie am beſten zuſammen,
[139/0161]
nachdem man die Pfeiler vollends abgebaut hat. Unter demſelben
Geſichtspunkte ſtehen auch die Lehm-, Thon-, Mergel-, Kreide-
und Ocher-Gruben; denn nur die Subſtanz iſt verſchieden1).
¹⁾ Brard Grundriß. S. 135. de Villefosse Mineralreichthum. II. 384.
Karſten Archiv. IX. 133. XI. 200. XIII. 489. XVII. 386.
III. Von dem Abbaue regelmäßiger Lager und Flötze.
§. 110.
1) Flachfallende Lager.
Bei dem Abbaue regelmäßiger Lager und Flötze hängt die
Bauart von dem Fallen ab. Man unterſcheidet daher die ſchwach-
fallende (20°-25°) von dem ſtarkfallenden (25°-90°).
Ihre Verſchiedenheit macht eine abgeſonderte Betrachtung nöthig1).
1) Der Betrieb flachfallender Lager und Flötze (Stein-
kohlen, Eiſenſtein, Kupferſchiefer u. dgl.) zerfällt in zwei Haupt-
arbeiten. Dieſe ſind: a) die Ausrichtung derſelben, d. h. die
Einrichtung der Grube, ſo daß man anfangen kann abzubauen.
Man geht mit einem Schachte oder Stollen auf den tiefſten Punkt
des Lagers oder Flötzes, weil man aus den Abbaupunkten immer
ſuchen muß, das Mineral auf eine tiefe Grundſtrecke zu bringen,
um den Schwierigkeiten der ſchwebenden Förderung auszuweichen.
Fährt man mit einem Schachte ein, ſo geſchieht es 1½-2 Lach-
ter ſeitwärts der Grundſtrecke in das Hangende, höchſtens der
Förderſchacht geht unmittelbar auf die Grundſtrecke ſelbſt. Mit
einem Stollen einfahrend, muß man das Lager oder Flötz quer-
ſchlägig im Liegenden oder Hangenden ſuchen. Von dieſen Ein-
gängen aus richtet man ſich dann das abzubauende Feld ein, nicht
blos durch horizontale, ſondern auch durch ſchwebende Strecken.
Die Erſteren ſind die Grund-, Mittel- und die Abbauſtrecken2).
Die Lezteren liegen entweder auf der Falllinie des Lagers und
Flötzes und ſind ſchwebende Strecken im eigentlichen Sinne
und Bremsberge, oder ihre Richtung iſt zwiſchen der Streich-
und Fallebene des Lagers und Flötzes, und ſie ſteigen unter einem
Winkel an3). Die Grundſtrecke treibt man im Niveau der
Stollen- oder Maſchinenausrichtung; die Mittelſtrecke im Niveau
einer höheren Sohle, aber gerade aus einem Schachte, welcher die
Pfeilerhöhe theilt. Die eigentlich ſchwebende Strecken kommen
nur bei ſehr ſchwachfallenden Lagern und Flötzen, die Brems-
berge aber bei ſtärker fallenden (§. 105.) vor. Die Diagonal-
ſtrecken ſteigen aus den Grundſtrecken hervor, und bringen ſo
allmälig die erforderliche Pfeilerhöhe hervor. Aus ihnen gehen in
[140/0162]
verſchiedenen Höhen (auch aus den ſchwebenden Strecken, wo dieſe
angewendet ſind) die Abbauſtrecken nach dem Streichenden her-
aus und zwar nach zwei entgegengeſetzten Richtungen. Auch kann
man mit der Hauptdiagonale in einiger Entfernung parallele
Diagonalen ziehen, welche das Feld in Pfeiler theilen. Der
Neigungswinkel dieſer Diagonalen richtet ſich nach der Falllinie
des Lagers oder Flötzes, nach der Höhe der Pfeiler und nach ihrer
Länge. Dieſe Abbauart nennt man auch Querbau. b) Der
Abbau derſelben, nachdem das Feld ſo abgetheilt iſt. Sind die
Theile des Feldes Pfeiler, dann heißt der Abbau Pfeilerbau.
Sind ſie aber lange Felder, dann heißt er Strebbau (Bau mit
breitem Blicke). Geſchieht der Abbau nach dem Streichen, dann
heißt er ſtreichender; geſchieht er nach dem Fallen, ſchweben-
der; und geſchieht er in der Richtung zwiſchen beiden Flächen,
dann heißt er diagonaler Abbau.
¹⁾ Zur Literatur: Winkler, Prakt. Beobachtungen über den Betrieb des
Grubenbaues auf Flötzgebirgen. Berlin 1794. de Villefosse Mineralreichthum. II.
542. Brard Grundriß. S. 161–176. Karſten Archiv. II. 34. VII. 411. X. 107.
²⁾ Bei ihrer Einrichtung iſt gerade Richtung und ebene Sohle Haupterforder-
niß, denn man muß auf Förderung mit Wagen oder mit Pferden dabei Rückſicht
nehmen. Durch eine wellenförmige Lagerung darf ſich die Richtung der Strecken
nicht ändern. Die Strecke geht daher der Regel nach ſöhlig und auf dem Liegenden
der Richtung nach. Ihr Anſteigen beträgt daher nur ½-2°. Brard Grundriß.
S. 163–164.
³⁾ Bei allen Dreien iſt der Orts- oder Streckenbau ganz gleich. Die
Strecken ſind Anfangs ſchmal und kurz, dann erhält der Streckenpfeiler hiernach
ſeine beſtimmte Breite, und der Fortbau der Strecken fängt mit dem Unterſchrämen
der Wände an. Am meiſten iſt dieſer Bau bei den Kohlenflötzen angewendet.
Brard Grundriß. S. 166.
§. 111.
Pfeiler- und Strebbau.
Beim Pfeilerbaue nimmt man die oberſten Pfeiler am Aus-
gehenden, oder die am äußerſten Ende der Bremsberge und Dia-
gonalen liegenden Pfeiler zuerſt hinweg, denn die Abbauſtrecken
können immer nach dem Abbaue verworfen (verſchüttet) werden.
Darum treibt man auch die oberſten Abbauſtrecken zuerſt ins Feld
und geht damit ſo abwärts. Die Pfeiler baut man immer von
hinten, d. h. in der weiteſten Entfernung von der Förderſtrecke,
nach vornen ab, eben um die Abbauſtrecken ſogleich verwerfen zu
können, ohne Mineral liegen laſſen zu müſſen. Bei mehreren
Pfeilern übereinander und mehreren Flötzen übereinander, welche
mit einander abgebaut werden ſollen, nimmt man immer die ober-
ſten zuerſt hinweg. Beſonders bei Steinkohlen und andern leicht
entzündlichen und böſe Wetter verurſachenden Mineralien muß
[141/0163]
immer auf reinliche Räumung im Abbaue geſehen werden. Man
geht, wenn eine Abbauſtrecke weit genug ins Feld getrieben iſt,
aus derſelben mit einem Stoße ſchwebend in die Höhe bis zu
3 Lachter Länge und läßt 2 bis 3 Mann an einem Stoße arbeiten.
Es findet dabei die Schramm- und Schlitzarbeit Statt. Auch kann
man zwiſchen den Abbauſtrecken noch kleine ſchwebende Strecken
treiben, daß faſt quadratiſche Pfeiler entſtehen. Den Schramm
führt man entweder auf der Sohle auf dem Liegenden oder bis
über 1 Lachter über der Sohle im Lager oder Flötz ſelber. Die
durch den Abbau entſtehenden Höhlungen müſſen durch untergeſetzte
Stempel gehalten werden. Das Wegnehmen derſelben und der an
der Förſte oder dem Dache noch ſtehenden Kohlen heißt Raub und
iſt ſehr gefährlich.
Beim Strebbaue findet keine Ausrichtung Statt, weil ſie
mit dem Abbaue Eines iſt. Er findet bei ſchwachen Flötzen und
Lagern bis zu 6 Zoll Mächtigkeit Statt. Die Streben gehen von
einer ſtreichenden Förderſtrecke zur andern. Sonſt aber finden
bei demſelben die nämlichen Strecken und Schächte Statt, wie
beim Pfeilerbaue. Sind die Arbeitsräume ſo nieder, daß die Ar-
beiter knieen und auf der Seite rutſchen, und am linken Arme
ſo wie an der linken Hüfte deshalb Brettchen anbinden müſſen,
ſo heißt dieſe Arbeit Krummhölzer- oder Krummhälſer-
Arbeit.
§. 112.
2) Stehende Lager.
2) Der Betrieb ſtehender oder ſtark geneigter Lager oder
Flötze. Auch bei dieſen findet eine Ausrichtung der Lager und
Flötze Statt. Man teuft einen donlägigen oder flachfallenden
Schacht ab. Er ſteigt auf der Fallebene bis zur Sohle der Mittel-
oder Grundſtrecke hinab. Die Pfeiler werden vorgerichtet, indem
man von demſelben mit ſtreichenden Oertern fortgeht, wenn der
Druck aus dem Hangenden nicht zu groß iſt. Ein verdeckter Wet-
terzug wird nöthig, theils wegen neuer guter Wetter, theils wegen
der Verhinderung des Einſturzes des alten Mannes. Dies geſchieht
mit Schienenhölzern, welche zugleich das Geſtein unterſtützen und
den Weiterbau möglich machen. Man begnügt ſich aber öfters,
wo es nicht anders ſein kann, mit dem Abteufen eines ſeicheren
Schachtes. Aus ihm treibt man in den Sohlen der Abbauſtrecken
Querſchläge zu dem Lager oder Flötze, welches man abbauen will.
Dies findet auch Statt, wenn mehrere Lager oder Flötze überein-
ander in einem Abbaue gewonnen werden ſollen. Der Abbau
[142/0164]
ſelbſt geht vom Hangenden zum Liegenden. Die Abbauſtrecken wer-
den bis auf die halben Schachtlängen im ſtreichenden Felde ge-
trieben, aber die Mittel- und Grundſtrecke nur bis an das Ort,
wo ein neuer Schacht abgeteuft werden muß1).
¹⁾ Auch kennt man in der Grafſchaft Mark einen ſogenannten Stoßbau,
indem man 12–15 Lachter hohe Pfeiler mit Strecken unterfährt und ausrichtet
und dann in verſchiedenen Stößen auf einmal abbaut, oder aber indem man Pfeiler
von unbeſtimmter Höhe von unten nach oben durch Stöße abbaut, welche man
wechſelweiſe vor- und rückwärts treibt. Brard Grundriß. S. 174.
IV. Von dem Abbaue mittlerer Lager und Gänge.
§. 113.
1) Stroßenbau.
Zum Abbaue mittlerer und geringerer Gänge und gangartiger
Lager nach der Mächtigkeit kennt man den Stroßen- und den
Förſtenbau1).
1) Der Stroßenbau gewinnt das Mineral von oben nach
unten, indem man von der Sohle einer Strecke abwärts aushaut.
Man teuft auf der Sohle der Strecke ein Geſenke ab und haut
das Erz nach der Sohle weg. Sobald der erſte Häuer etwas weiter
vorgedrungen iſt, folgt einige Fuße hinter ihm und tiefer im Ge-
ſenke ein zweiter, dritter u. ſ. w. Wird der Stroßenbau von
einem Schachte aus getrieben, dann iſt kein Geſenke nöthig;
denn dann geht es nach der Ulme, und der Schacht iſt des Geſenkes
Stellvertreter. Dieſer Bau bildet das Anſehen einer großen Treppe.
Derſelbe heißt zweiflügelig, wenn er auf beiden Seiten des
Schachtes liegt. Auf dem Geſenke müſſen mehr Häuer arbeiten,
als in den Stroßen. Sind dieſe ſtärker oder auch ſo ſtark belegt
als jene, ſo wird die Stroße wegen der Schwierigkeit der Geſenk-
arbeit zu weit aufgetrieben ſein, ehe wieder eine zweite angelegt
werden könnte, da das Geſenke noch nicht tief genug wäre. Iſt
aber das Geſenke um Vieles voraus, ſo müſſen die Häuer durch
Bühnen gegen die auf den Stroßen losgehenden Wände geſichert
werden. Geht man ohne Geſenke vom Schachte nach beiden Stößen
mit einem Feldorte fort, ſo wird die Sohle dieſes Lezteren allemal
durch die folgende Stroße herausgeriſſen2). Bei mächtigen Gängen
arbeitet man blos auf dem Gange. Bei minder mächtigen aber
ſucht man den Gang am beſten durch Verſchrämen wegzubringen,
und erſt dann das Nebengeſtein auszuſchießen; da man doch vieles
von Lezterem wegnehmen muß, um die Stroße weit genug zu
machen. Um jede gegenſeitige Verhinderung in der Stroßenarbeit
zu verhüten, belegt man allemal zwei Stroßen mit einem Häuer.
[143/0165]
Da viel taubes Geſtein beim Stroßenbaue gehauen wird, ſo ſucht
man es in der Grube ſelbſt zu verſtürzen, indem man dazu bei
hinlänglich langem und tiefem Stroßenbaue vom Liegenden zum
Hangenden Stempel einzieht, mit Brettern und Latten belegt, um
darauf das Geſtein zu ſtürzen.
¹⁾ Zur Literatur: Delius Bergbaukunſt. I. S. 369. de Villefosse Mineral-
reichthum. II. 227. Schulz, Beiträge zur Geognoſie und Bergbaukunſt. S. 84.
Karſten Archiv. II. 110. Brard Grundriß. S. 177.
²⁾ Das Verhältniß der Höhe zur Länge der Stroße iſt 1:3 oder 1:4. Län-
gere Stroßen verurſachen das Langſchubhauen, wo die Schüſſe nicht ſo gut
angelegt werden und wirken können. Rückt aber der Bau zu wenig ins Feld, ſo
daß das Erz nicht der ganzen Längenerſtreckung nach ausgehauen wird, ſo ſagt man,
man habe ſich in den Sack gebaut.
§. 114.
2) Förſtenbau.
2) Der Förſtenbau iſt umgekehrt, denn er geht von unten
nach oben. Das Erz hangt an der Förſte einer Strecke. Dann
haut man über ſich aus der Streckenförſte aus, um einen Schacht
von unten nach oben zu führen. Von dieſem Orte wird das un-
mittelbar über der Strecke hängende Erz vorwärts ausgehauen.
Nachdem dieſe Förſte angelegt iſt, fängt man ebenſo darüber eine
zweite, über dieſer eine dritte u. ſ. w., allemal ſobald die vor-
herige 1 Lachter aufgefahren iſt. Die Form wird die umgekehrte
des Stroßenbaues, und die Häuer ſtehen hier unter, dort über
dem Erze. Ueber der Strecke ſchlägt man ein Gewölbe oder einen
Förſtenkaſten, auf welchen man alle gewonnenen Berge ſtürzt, und
der Arbeiter bei der Arbeit auf den Bergen ſteht. Bei gehöriger
Feſtigkeit deſſelben braucht man keine Kaſtenzimmerung, wie beim
Stroßenbaue. Reinliche Arbeit und Räumung der Erze iſt Haupt-
regel bei dieſem Baue. Ob man aber den Förſtenbau oder den
Stroßenbau in einer Grube wählen ſoll, das hängt von lokalen
Verhältniſſen ab. Denn einmal hat dieſer, ein andermal jener
Vortheile1).
¹⁾ Man ſ. darüber Brard Grundriß. S. 180 folg.
V. Von dem Abbaue mächtiger Lager und Gänge.
§. 115.
Querbau.
Weil der Förſten- und Stroßenbau für mächtige Lager und
Gänge von mehreren Lachtern zu beſchwerlich, koſtbar und gefährlich
wäre, ſo wendet man ſtatt deſſelben bei dieſen Lagerſtätten den
[144/0166]
Querbau an1), welcher ſich von jenen dadurch unterſcheidet, daß
die Stroßen vom Liegenden zum Hangenden, alſo querſchlägig
gehen, und die Häuer nicht übereinander, ſondern in ebener Sohle
nebeneinander arbeiten. Das Erz wird aber, wie beim Förſten-
baue, von unten nach oben abgebaut. Man teuft im Neben-
geſteine einen ſeicheren Schacht ab, von dieſem aus nahe am Lie-
genden eine Strecke, und wenn dieſe etwas vorgerückt iſt, ſo fängt
man mit Aushauen der Querſtroßen an. Man legt deshalb in
gleicher Entfernung auf der Strecke an der Ulme jedesmal zu
gleicher Zeit eine Khür Häuer an, und läßt durch jede in der
Höhe der Strecke 6–9 Fuß breite Querſtroßen in den Gang aus-
hauen. Das Gewonnene iſt Erz. Die Entfernungen dieſer Quer-
ſtroßen von einander ſind ſo groß, daß das zwiſchen ihnen liegende
Feld gerade noch drei ſolche Querſtroßen möglich macht. Mit dem
Fortſchreiten der Hauarbeit in dieſen Querſtroßen wird ſtets der
ausgehauene Raum durch Joche an der Förſte, die auf Stempeln
ruhen, zur Sicherheit verzimmert, und zwar ſofort bis zum Han-
genden der Lagerſtätte. Taubes Geſtein wird immer an der Ulme
verſetzt. Iſt jede dieſer Khüren mit dem Querbaue zum Ende des
Ganges oder Lagers gekommen, dann wird der geleerte Raum vom
Hangenden an rückwärts gegen Wegnahme der Zimmerung mit den
Bergen ſogleich verſtürzt2). Hierauf wird jedes Zwiſchenfeld ge-
rade ſo abgebaut, nur in der Reihenfolge, daß man von den drei
Querfeldern, die das Eine gibt, die beiden äußerſten zuerſt anlegt,
und wenn dieſe verſtürzt ſind, das mittlere ebenſo abbaut und
verſetzt. Die auf dieſe Art abgebaute erſte Länge, von unten an-
gefangen, heißt der erſte Stock. Der nächſte höhere Querangriff
auf den Gang bildet den zweiten Stock. Noch während des
Abbaues des erſten Stockes wird im Liegenden 1 Lachter hoch und
weit ein Förſtenbau angefangen, ſo daß nach der Streichlänge
Platz wird, um Querſtroßen anlegen zu können. Dann wird der
zweite Stock wie der erſte, und nach ihm der dritte u. ſ. w. ab-
gebaut. Aber die Khüren ſtehen auf den verſtürzten Bergen des
vorherigen Stockes. Da die erſte Strecke für alle Stöcke offen
bleibt und nach ihr gefördert wird, ſo läßt man beim Verſtürzen
der Querſtroßen immer Rollſchächte (§. 105.) in einiger Entfer-
nung von einander, um auf ihnen das Erz in die Strecke rutſchen
zu laſſen. So wie man ſtockweiſe in die Höhe ſchreitet, ſo kann
man auch wieder von einem tieferen als dem erſten Punkte anfan-
gen wollen. Iſt dies voraus zu ſehen, ſo wird ſogleich beim erſten
Querbaue die Sohle der Strecke mit ſtarken Ladenhölzern belegt
um auf dieſe die Bergen zu ſtürzen. Beim Baue der erſten Strecke
[145/0167]
fährt man in dieſem Falle ſogleich etwa einen Fuß tief ins Lie-
gende ein. Denn wird beim ſpätern tiefern Baue von unten herauf
die Sohle auch abgehauen und muß dieſe Strecke unverſtürzt blei-
ben, ſo muß man feſtes ebenes Geſtein haben, worauf man die
Waſſerkunſt ſtellt. Dies findet ſich dann nur im Liegenden. Denn
die verſtürzten Berge ſind unebener und weichen gerne.
¹⁾ Delius Bergbaukunſt. §. 350. de Villefosse Mineralreichthum. II. 332.
Karſten Archiv. X. 248. Brard Grundriß. S. 156.
²⁾ Oft reichen die Berge zum Verſtürzen der Querſtroßen nicht hin. Man
bringt ſie entweder vom Tage herein oder bricht ſie im Innern. Lezteres thut man
am brüchigen Hangenden durch die ſogenannten Bergmühlen, d. h. einen Haupt-
und zwei Seitenquerſchläge im Hangenden, die zuſammen ein ¾ Kreutz bilden,
bei dem man die zwei Zwiſchenecken herausbricht und ſo eine Wölbung bildet, aus
der ſich die Förſte lostrennt und ſo Berge liefert.
VI. Von dem Abbaue der Stöcke und Stockwerke.
§. 116.
1) Stockwerksbau.
Die allermeiſte Schwierigkeit im Abbaue machen die unregel-
mäßigen großen Maſſen von Erzen und Steinkohlen, wegen der
Unbeſtimmtheit ihrer Ausdehnung, der wenigen Haltpunkte und der
Schwierigkeit der Sicherung und Befeſtigung, die mit der Brüchig-
keit des Geſteines zunimmt. Man hat zu ihrem Abbaue folgende
Methoden:
1) Den Stockwerkbau, die einzige regelrechte Methode des
Abbaues. Man teuft einen Förderſchacht im feſten Nebengeſteine,
einige Lachter von der Lagerſtätte entfernt, ab. Ein Lachter von
unten, um nämlich noch ein Geſümpfe (Waſſerbehälter) zu ha-
ben, treibt man eine Strecke entweder bis zu ſchlechten Wettern
oder bis zum Ende der Lagerſtätte hinein. Am Ende dieſer Strecke
werden rechts und links im Rechtwinkel zwei Strecken ins Mineral
gehauen, wieder bis zu beiden eben angegebenen Gränzen. Sogleich
nach dieſen werden rückwärts in der Strecke mit jenen parallele
Strecken getrieben u. ſ. w. Hierauf durchſchneidet man von den
Nebenſtrecken aus die ſo gebildeten Felder mit andern Strecken,
welche mit der Hauptſtrecke parallel ſind, aber mit den Nebenſtrecken
wo möglich auch rechte Winkel bilden, ſo daß lauter einzelne vier-
eckige Pfeiler ſtehen bleiben. Die Entfernungen aller dieſer Neben-
ſtrecken unter einander oder, was daſſelbe iſt, die Mächtigkeit der
Felder und Pfeiler hängt von der Dichtigkeit und Feſtigkeit des
Geſteins ab. Endlich werden dann alle dieſe Zwiſchenräume mit
Bergen feſt und ſorgfältig verſtürzt, und man geht dann in dem
Baumſtark Encyclopädie. 10
[146/0168]
Förderſchachte eine Sohle höher hinauf, und beginnt dort gerade
denſelben Bau mit derſelben Anzahl und Größe der Strecken,
Felder und Pfeiler. Dies kann leicht geſchehen, denn die Berge
und Pfeiler der unteren Sohle dienen als Wegweiſer, und Leztere
brauchen nur verlängert zu werden. Die Entfernung oder Aus-
füllungsmaſſe zwiſchen der Förſte der untern Strecke und der Sohle
der obern hängt ebenfalls von der Dichtigkeit und Feſtigkeit des
Geſteins ab. Iſt man mit ſolchen Abbauen ganz hinauf gekommen,
ſo ſucht man die Pfeiler abzubauen, indem man auf einem derſel-
ben einen Centralſchacht ſo abteuft, daß man alle andern wo mög-
lich mit Abbauſtrecken erreichen kann1). Dieſe Methode iſt gleich
anwendbar bei Stein- und Braunkohlen und beim Thoneiſenſtein.
Der Abbau ſelbſt geſchieht durch die Schram- und Schlitzarbeit,
die aber bei den Steinkohlen ſo einzurichten iſt, daß man am mei-
ſten große Kohlen und wenig kleine Kohlen fördert, denn das
Stückkohl hat Vorzüge im Gebrauche vor dem Kohlenklein.
Das Leztere muß aber ebenfalls ſorgfältig aufgeräumt und geför-
dert werden. (§. 111.).
¹⁾ Journal des Mines. N. 43. Tom. VIII. de Villefosse Mineralreichthum.
II. 282. Karſten Archiv. IV. 275. Freiesleben Bemerkungen über den Harz.
I. 437. Brard Grundriß. S. 142–151. Man hat auch ſchon geglaubt, von
der erſten Sohle mit Sicherheit die nächſte Sohle unter jene zu legen und durch
Ladenhölzer den Verſturz der Erſteren zu halten, wenn man von unten die erſte
Sohle aushauen müſſe. Allein Brard (Grundriß S. 147.) mißbilligt dies wegen
der allmäligen Schwächung des Holzes und wegen der Schwierigkeit, daſſelbe, wenn
es ſchwach iſt, auszuwechſeln.
§. 117.
2) Duckel-, 3) Weitungs- und 4) Bruchbau.
2) Den Duckelbau, eine ſehr unvortheilhafte, unnachhaltige,
unvollſtändige und daher verwerfliche Methode des Abbaues. Ein
Menſch, der es unternimmt, Eiſenerz zu fördern, das nicht tief
und doch ſehr häufig vorkommt, teuft einen kleinen Schacht von
30 Zoll Durchmeſſer (Duckel) ab. Er fährt an einem Seile um
eine Welle ab, die oben im Duckel an vier kreuzweiſe geſtellten
Hölzern befeſtigt iſt. Auf der Scheibe des Schachtes macht er
entweder eine quadratiſche Weitung oder treibt faſt rechtwinkelig
gegeneinander zwei Strecken. Das darin gewonnene Erz fördert
er mit Kübeln, Säcken oder Körben. Dieſer Bau wird von ihm
wegen der Waſſer und Wetter bald verlaſſen und das noch ſtehende
Erz nicht mehr abgebaut. Neben dieſem wird ein zweiter Duckel
gebaut u. ſ. w., daß auch das Zwiſchenerz liegen bleibt. Die da-
durch entſtehenden Höhlungen verhindern auch den ſpäteren Abbau
der tieferen Lager1).
[147/0169]
3) Den Weitungsbau. Man teuft einen Schacht ab, und
geht von dieſem in verſchiedenen Abſtänden mit Strecken hart am
Liegenden der Lagerſtätte fort ganz nach ſeinen Wendungen. Da
gräbt man Weitungen aus zum Feuerſetzen, und bricht das ſo
mürbe gemachte Erz ab, füllt die Sohle immer fort mit Bergen
auf und geht ſo fort in die Höhe. Auch treibt man in verſchie-
denen Teufen Verbindungsörter nach dem Streichen der Lager-
ſtätte. Das im Hangenden ſtehen bleibende Erz baut man erſt ab,
wenn man im Liegenden fertig iſt. Die Holzſtöße heißt man
Schränke oder Anſtöße2).
4) Den Bruchbau, welchen man in den Lagerſtätten anwen-
det, die eingeſtürzt (zum Bruche gegangen) ſind. Man geht in
Strecken vom Schachte aus in den alten Mann, und von dieſen
aus mit Oertern nach beiden Seiten zu den bauwürdigen Erz-
punkten. Von dieſen führt man eine Art von Stroßenbau.
¹ u. ²⁾ Verbeſſerungen dieſer beiden Methoden bei Brard Grundriß. S.
152. 153.
VII. Von dem Betriebe der Salzwerke.
§. 118.
Der Betrieb der Salzwerke hat wegen der Art des Vorkom-
mens des Salzes im Erdinnern viele Eigenthümlichkeiten. Es
kommt nämlich vor:
1) Als Steinſalz, wie z. B. in Cardona in Catalonien, in
Wieliczka und Bochma in Polen, in Northwich in England, in
Vic in Lothringen und an verſchiedenen Orten Aſiens. Hier wird
das Steinſalz wie anderes Geſtein in Lagern und Gängen ver-
ſchiedentlich abgebaut1).
2) Als Mengſel unter Thon und andern Erden und
Gebirgen. Da es hier in ſeinen kleinſten Theilen vorkommt, ſo iſt es
nur auf chemiſchem Wege zu trennen. Zu dieſem Behufe wird es mit
Waſſer ausgelaugt (ausgeſotten), welches entweder in der Salz-
grube ſelber (Selbſtwaſſer) oder von außen her durch donlägige
Schächte (Tagſchürfe) eingeleitet wird (Tagewaſſer). Zu
dieſem Zwecke werden eigene Räume (Sinkwerke, Wehren,
Sulzenſtücke) im Innern ausgegraben, in welche das Waſſer
eingeleitet wird, um die Salztheile abzuätzen, bis es mit Salz
vergütet (bis zu 26,15% Salzgehalt geſättigt) iſt. Das Einlei-
ten (Ankehren) des Waſſers muß ſehr ſorgſam geſchehen, ſo daß
weder von innen noch von außen ein Durchreißen der Dämme,
Förſten und Sohlen möglich iſt. Das Waſſer wird nach völliger
10 *
[148/0170]
Vergütung abgezapft. Dazu hat man die Wehrwerke, d. h. Ab-
laufkanäle mit zwei Wehrdämmen, in deren Mitte ſich eine höch-
ſtens 2 Lachter lange Strecke (der Langofen) befindet. Am Ende
dieſer Wehrwerke, welche verlettet und gut gezimmert ſein müſſen,
iſt ein Hahn und ein Abflußtrog angebracht, woraus die Lange
abgelaſſen, auf die Sohle der Stollen geleitet, von da zu Tage
geführt und dann ausgelaugt wird. Das Ankehren der Sinkwerke
kann bald alle ¼, ½ und bald alle Jahre nur einmal geſchehen.
Zu wenig Waſſer, das nicht bis an die Förſte (den Himmel)
reicht, äzt nur an den Stößen und erweitert ſie zu ſehr. Zu viel
Waſſer (Ueberhimmel) veräzt den Himmel und weicht die Decke
ab, ſo daß ſie auf die Sohle fällt (Gefälle macht), wodurch
der Salzgehalt der gefallenen Maſſen verloren geht. Ganz lang-
ſam muß ein ſchon angekehrtes Sinkwerk immer Waſſerzuflüſſe
erhalten, und ſo erweitert es ſich gegen den Himmel immer mehr
(es wandert in die Höhe). Iſt die Lauge (Soole) abge-
laſſen, ſo muß von der Sohle aus vor dem neuen Ankehren die
urſprüngliche Dimenſion des Sinkwerks (etwa 7 Fuß) wieder her-
geſtellt werden. Dies iſt die Säuberarbeit. Oft genügt es,
die Sohle blos zu ebnen (den Säuberberg einzugleichen).
Iſt die Sohle dem Himmel zu nahe gekommen, ſo ſchafft man den
Säuberberg hinweg und bewahrt ihn an beſondern Plätzen in der
Grube (an den Faßſtädten) auf. Im entgegengeſetzten Falle
wird die Sohle mit Bergen erhöht. Im nämlichen Verhältniſſe
müſſen auch die Dämme erhöht werden.2).
3) Als Soole, welche durch Bohrlöcher, Schächte und Stol-
len zu Tage gepumpt oder geleitet werden muß. Das Weſentliche
iſt, die Soole ſo concentrirt als möglich zu erhalten. Daher müſſen
alle ſüße Quellen ſo fern als möglich gehalten, darum oft eigene
Sinkwerke angelegt und die Soole über Gradirwerke von Reiſig
geleitet werden, ehe man ſie auslaugt oder abdampft. Auch das
Meerwaſſer gehört hierher. Zum Auslaugen muß die Soole 22
bis 25 Grade haben3).
4) Als Ausſchlag an der Erdoberfläche in Aſien und Afrika.
Zur Gewinnung deſſelben wird die obere Schicht abgeſchürft und
ausgelaugt. Die ſo erhaltene Soole wird concentrirt und alsdann
abgedampft.
¹⁾ Brard Grundriß. S. 192–197.
²⁾ Das Genaue darüber bei: Brard Grundriß. S. 197–208. v. Moll
Jahrbücher. I. 199. de Villefosse. II. 401. Karſten metallurgiſche Reiſe. S. 102.
³⁾ Ueber dieſen Betrieb und die Salzquellen Genaueres bei: Brard Grund-
riß. S. 208. Keferſtein geognoſtiſches Deutſchland. Bd. II. v. Langsdorff
Salzwerkskunde. Heidelberg 1824.
[149/0171]
Zweites Hauptſtück.
Bergmänniſche Betriebslehre.
§. 119.
Die Betriebslehre ſtellt die Grundſätze und Regeln auf, wo-
nach der Betrieb des Bergbaues zum größten Vortheile des Berg-
bau-Unternehmers im gewerblichen Zuſammenhange geleitet werden
ſoll. Es gibt daher folgende Haupttheile der Betriebslehre.
I. Von den allgemeinen Bedürfniſſen des bergmän-
niſchen Betriebes.
§. 120.
Die erſten Bedingungen des Bergbaubetriebes, deren Erfül-
lung ſich der Unternehmer verſchaffen muß, ſind folgende:
1) Günſtiges Vorhandenſein der Naturgüter und Natur-
kräfte. Es gehört hierher: a) die Lagerſtätte ſelbſt in ſolcher
Beſchaffenheit und Ausdehnung, daß ihr Abbau Gewinn bringen
kann; ehe ein Bergbau unternommen wird, hat ſich der Unterneh-
mer zuerſt hiervon zu überzeugen, aber ohne die Verſicherung hier-
von keinen Bau zu unternehmen, weil die Koſten, ſchon der Ver-
ſuche, ungeheuer ſind: b) das Holz in der Nähe eines zu unter-
nehmenden Bergwerkes, zum Behufe der Zimmerung, Feuerung
und des Feuerſetzens; ſein Verbrauch iſt außerordentlich groß, ſo
daß es Vortheil bringen kann, mit dem Bergbaue eine eigene
Forſtwirthſchaft zu betreiben, beſonders wenn das Holz im Ankaufe
theuer iſt und das Bergwerk keine Vorrechte in dieſer Hinſicht hat;
c) das Waſſer, deſſen Gebrauch bei manchen Bauen an ſich ganz
unentbehrlich iſt, wie z. B. bei Salzwerken und zur Wetterloſung,
während es bei andern weſentliche Vortheile, z. B. zum Transporte,
zur Förderung gewährt; liegt es fern von der Grube, dann wer-
den nicht ſelten koſtbare Kanal- und Rinnbauten, ſo wie Maſchi-
nerien nöthig, um die Kraft des Waſſers zu benutzen; d) gute
Luft, ohne welche kein Bergwerk betrieben werden kann.
2) Günſtiges Vorhandenſein der Verkehrsmittel. Es ge-
hört hierher: a) der Abſatz, ohne welchen der Bergbau zwecklos
iſt, wenn er nicht Materialien liefert, welche der Unternehmer ſelbſt
nutzt; große Concurrenz iſt dem Unternehmer nicht wünſchenswerth,
aber dann am wenigſten nachtheilig, wenn der Begehr nach den
Produkten am größten iſt; bei den Metallen iſt dies für Privaten
nur dann der Fall, wenn ſie zugleich Fabriken haben, denen das
Bergwerk den Rohſtoff liefert: für den Staat gilt dies im Durch-
[150/0172]
ſchnitte vom edeln Metalle wegen der Münzung; bei den Edelſteinen
iſt Abſatz unerläßlich; bei Marmor- und Bauſtein-Brüchen eben-
falls; weniger nöthig iſt der Abſatz bei Straßen- und Pflaſter-
ſteinen, wenn der Bruch Gemeinden gehört; bei Gips- und Kalk-
brüchen iſt er aber unerläßlich, wie bei Thon- und Mergelgruben,
wenn die Lezteren nicht den Mergel für große und mehrere Land-
güter liefern; ſelten aber wird es Vortheil bringen, eine Stein-
und Braunkohlengrube oder Torfſtecherei blos zu eigenem Verbrauche
zu betreiben. Salzwerke können ohne Abſatz gar nicht beſtehen.
Sehr vortheilhaft können b) die Berghandlungen ſein, welche
den bergmänniſchen Producenten die gewonnenen Erze und Edel-
ſteine abkaufen, weil dieſen, als ausſchließlichen Geſchäften, mehr
Abſatzmittel zu Gebote ſtehen, weil ſie dem Bergbauunternehmer
das Capital bald erſetzen, ſo daß er ſein Werk ſchneller und ſtetiger
betreiben kann, und weil ſie dem Bergbaubetriebe im Kleinen,
wie z. B. in Frankreich und in Schleſien, faſt ganz unentbehrlich
ſind. Weſentlich aber ſind c) die Transportmittel zu Waſſer
und zu Land; denn je ſchneller und je leichter der Transport, deſto
größer iſt unter übrigens gleichen Umſtänden der bergmänniſche und
der Handelsgewinn; es kommt daher ſehr auf die Beſchaffenheit
des Bodens zu Tage, auf die Güte der nächſten Wege zur Tage-
förderung, darauf ob ſie Eiſenbahnen, Schienenwege oder andere
Wege, ob ſie eben, uneben oder abhängig ſind, auf die Nähe
großer Straßen, Kanäle, Flüſſe und Ströme, und auf den Aus-
gang der Stollen an einem dieſer Communicationsmittel, an.
§. 121.
Fortſetzung.
3) Das Vorhandenſeyn von Hüttenwerken, weil der Abſatz
größer iſt, wenn die Erze ſchon gereinigt und in größeren gedie-
genen Maſſen zu kaufen ſind; von der Güte derſelben, von der
Methode der Aufbereitung und Reinigung, von der Einrichtung
derſelben, von ihrer Lage zum Bergwerke ſelbſt hängt ihr Vortheil
ab; aber darüber entſcheidet die Technologie.
4) Das Vorhandenſein der hinreichenden Menge tüchti-
ger Arbeiter. Daher iſt ein Bergwerk beſſer, das in ſehr be-
völkerten Gegenden, in Gegenden, wo der Bergbaubetrieb ein
Haupterwerbszweig iſt, und in Ländern liegt, wo für Bildung und
Unterſtützung bergmänniſcher Arbeiter viel geſchieht, ſei dies von
Privatvereinen oder vom Staate angeordnet, z. B. durch höhere
und niedere Bergſchulen, Reiſeſtipendien, Berg- und Knappſchafts-
[151/0173]
kaſſen. Hiervon hängt auch die Größe des Arbeitslohnes und die
Art der Arbeit ab.
5) Das Vorhandenſein des zum Betriebe nöthigen Capi-
tals. Zu dem bergmänniſchen Capitale gehören die Gruben- und
Taggebäude, die Magazine zur Aufbewahrung der Mineralien und
Geräthe, dieſe Lezteren ſelbſt, die Maſchinen, die Mineralvorräthe
und das Geld, welches zum Betriebe verwendet wird. Der Betrieb
wird um ſo vollkommener, je vollſtändiger dieſe Capitalien herge-
ſtellt ſind. Beſondere Vergünſtigungen in dieſer Beziehung kommen
dem Betriebe ſehr zu Statten, nämlich diejenigen: a) daß der
Staat den Bergarbeitern aus ſeinen Magazinen Getreide zu bil-
ligen gleichförmigen Preiſen, namentlich in Zeiten der Theuerung,
gibt; b) daß derſelbe den Bergwerken das Holz zur Zimmerung
und Feuerung ſo wie die Steine zur Mauerung gegen billige Preiſe
verabreicht; c) daß er den Gruben, die einige Zeit beſonders große
Ausgaben haben, Geldvorſchüſſe gibt, oder Bergkaſſen zu dieſem
Zwecke veranſtaltet ſind; d) daß er Bauten auf ſeine Rechnung
übernimmt, welche mehrere Bergwerke unterſtützen und von Pri-
vaten nicht unternommen werden, z. B. Erbſtollen1).
6) Die Freiheit des Betriebs. Der Bergbau muß zwar
unter Rechts- und Polizeigeſetze geſtellt und durch ſie beſchränkt
werden. Aber die Freiheit des Betriebs von den größtentheils ſehr
drückenden Abgaben an den Staat unter verſchiedenen Titeln,
beſonders vom Bergzehnten, der auch vom Rohertrage erhoben
wird, iſt das weſentlichſte und nothwendigſte Erleichterungsmittel,
weil ſie oft unerſchwinglich ſind2).
¹⁾ Rau, Lehrbuch der polit. Oeconom. II. §. 42.
²⁾ Rau, Lehrbuch der politiſchen Oeconom. II. §. 41. vergl. mit I. §. 352.
Bergius, neues Cameral-Magazin. I. 278.
II. Von der Organiſation des Bergbaubetriebes.
§. 122.
Da zum Betriebe eines Bergwerkes mehr als das bloße Eigen-
thum an dem Boden, in welchem man einfahren will, gehört, und
ein Private, zur Unterſuchung zwar allgemeinhin berechtigt, nur
auf Staatserlaubniß ein Bergwerk irgendwo anfangen darf; ſo
findet bei den Unternehmern noch folgender Unterſchied Statt.
Unternehmer ſind:
1) Entweder der Staat, als ein großer Grundherr, als Ober-
eigenthümer oder als Beſitzer des Bergwerksregales.
2) Oder damit belehnte Privaten. Dieſe betreiben eine Grube
oder einen Bruch:
[152/0174]
a) Entweder allein, d. h. ſind Eigenlehner. In dieſem
Falle muß der Eigenlehner, nachdem er durch die bekannten Mittel
vom Vorhandenſein einer bauwürdigen Lagerſtätte überzeugt iſt,
in kurzer Friſt nach der Entdeckung derſelben bei der Regirung
um die Erlaubniß zu einer Grubenanlage nachſuchen. Dies heißt
man muthen, und die ſchriftliche Eingabe Muthzettel, die
ſchriftliche Staatserlaubniß aber Muthſchein. Der Raum, auf
welchen ſich die Erlaubniß ausdehnt, heißt Zeche und wird im
Muthſcheine genau beſtimmt. Eine zu kleine Zeche iſt unvortheil-
haft, weil ſich die Anlage tüchtiger Bauten und Einrichtungen
nicht lohnt.
b) Oder in Geſellſchaften, d. h. Gewerkſchaften. Bei
dieſen gilt auch das unter a. Geſagte. Nur haben ſie eine eigen-
thümliche Einrichtung. Sie ſind Aktiengeſellſchaften. Die ganze
gegebene Zeche zerfällt in 128 gleiche Theile, wovon jeder eine
Aktie bildet, die man einen Kux nennt. Es machen 32 ſolche
Kuxe eine Schicht, die ſich auch wieder theilen läßt. Jeder
Kuxinhaber übernimmt als Inhaber eines oder mehrerer Kuxe für
jeden ſolchen [FORMEL] der Koſten und des Wagniſſes, dafür aber auch
den ſovielten Theil am Gewinnſte. Die Kuxe, welche der Landes-
fürſt oder Grundeigenthümer frei erhält, heißen Erbkuxe. Vier
Kuxe heißen ein Stamm. Ganz abgeſehen davon, wer die Grube
übernimmt, die Organiſation des Grubenperſonals iſt dieſelbe.
Die Aufſeher über die bergmänniſchen Arbeiter (Bergknappen)
heißen Steiger. Von der Wahl der Perſonen zu dieſem Amte
hängt Vieles ab. Sie ſehen auf die gehörige Beſchäftigung der
Knappen und reichen ihnen das Brenn- und Beleuchtungsmaterial,
ſo wie die Zimmerung. Die Zeit, wie lange die Knappen täglich
arbeiten müſſen, heißt Schicht. Sowohl die Gewerkſchaften, als
auch Eigenlehner manchmal, haben einen Verwalter, der Schicht-
meiſter genannt wird und die Bücher nebſt den Rechnungen führt.
Der ganze Betrieb ſteht aber noch unter Aufſicht und Controle von
Staatsbergbeamten zur Wahrung der Rechte der Eigenlehner
und Gewerkſchaften einerſeits, und jener der dritten Perſonen und
der Knappſchaft anderſeits.
III. Von der Leitung des Betriebes eines Bergwerkes.
§. 123.
1) Verſuchsbaue.
Dieſe Thätigkeit iſt die wichtigſte des Unternehmers und hat
folgende Hauptzweige:
[153/0175]
1) Wahl und Leitung der Verſuchsbaue1). Ehe man
den Verſuchsbau beginnt, unterſucht man den Ort, wo er am
beſten und wohlfeilſten anzulegen ſei; dies hängt von dem Gegen-
ſtande und Zwecke deſſelben ſo wie von der Localität ab (§. 91. u.
§. 94.), ebenſo wie die Art des Verſuchsbaues. Ehe man mit
einer Schürfmethode anfängt, berechnet man die Koſten derſel-
ben2); denn die Fälle ſind nicht ſelten, wo die Bohrverſuche den
Abteufungen eines Schachtes oder dem Eintreiben eines Stollens
nach den Koſten gleichkommen oder ſie überſteigen, ohne daß ſie am
rechten Orte angewendet und von erwünſchtem Erfolge ſind. Sind
die Bohrverſuche gewählt, ſo müſſen ſie ſorgfältig beaufſichtigt
werden. Es wird über den Verſuch ein eigenes Journal geführt,
in welchem Rubriken enthalten und auszufüllen ſind über die Num-
mer der Ausräumung (Herausziehung des Bohrmehls), die Tiefe
des Bohrlochs, das angewendete Endſtück, die Härte und Art des
Geſteins, und über die Mächtigkeit der Schichte. Jedes Bohrmehl
wird gereinigt, numerirt und zum Belege aufbewahrt. Bei Bohr-
verſuchen auf Steinkohlen iſt auch die Farbe des Bohrſchmandes
zu berückſichtigen. Größere Vorſicht tritt ein, ſobald ſich Stücke
des geſuchten Minerals finden. Stecken gebliebene Stücke des
Bohrgeſtänges müſſen ſogleich herausgezogen werden, und nach
beendigter halbtäglicher oder täglicher Arbeit darf der Bohrer nicht
ſtecken bleiben, weil dies nicht ſelten Veranlaſſung iſt, daß man
das Bohrloch verlaſſen muß, beſonders wenn es tief iſt und ſchon
viel gekoſtet hat. Die nöthige Arbeiterzahl nimmt mit der Tiefe
des Bohrloches zu. Der Erſte unter denſelben iſt der Vorarbei-
ter oder Bohrmeiſter. Gegen tüchtige Löhnung bekommt man
tüchtige Arbeiter und beſſere Arbeit, als im Gegentheile. Ueber
das ganze Geſchäft iſt ein Aufſeher beſtellt, der gegen Nachläſſig-
keiten und Muthwillen der Bohrarbeiter ſichert. Man legt, um
zum Voraus dagegen zu ſichern, am beſten einen Deckel auf das
Bohrloch, durch den das Geſtänge während der Bohrarbeit läuft.
Denn das Hinabfallen von Gegenſtänden bringt leicht das ganze
Geſchäft in Stocken.
¹⁾ Blume Unterſuchungen. S. 93. Selbmann, Vom Erd- und Bergbohren.
S. 88. Brard Grundriß. S. 56.
²⁾ Nach Brard betragen die Koſten eines Bohrverſuches von 100 par. Fuß
Tiefe 1000 Thlr. oder 4000 frs., nach Fars ein Bohrloch von 100 Toiſen Tiefe
in England 5712 frs., alſo für 100 par. Fuß 952 frs. oder 238 Thlr.; nach
v. Langsdorff in Deutſchland bei feſtem Geſteine auf
100 Fuß Tiefe 2599 fl. rhein.
200 " " 3486 fl. "
300 " " 4394 fl. "
400 " " 5308 fl. "
500 " " 6226 fl. "
600 " " 7150 fl. "
700 " " 8080 fl. "
[154/0176]
²⁾ Aber ein Verſuchsſchacht von 6 Fuß Länge und 4½ Fuß Weite ungefähr 1000 Rthlr.
Die Reſultate eines ſolchen ſind immer ſicherer als jene des Bohrens, beſonders da
man den Schacht auch ſpäter immer ſicherer, das Bohrloch aber nur bei Flüſſig-
keiten zur Förderung, brauchen kann.
§. 124.
2) Betriebsart.
2) Die Wahl und Leitung der Betriebsart. Schon
bei der Anlage einer Betriebsart muß die Zurichtung einer Grube
nach der Beſchaffenheit der Lagerſtätte geſchehen, und dabei auf
den ſchnellſten, reinſten, gefahrloſeſten und wohlfeilſten Abbau ge-
ſehen werden, ohne aus den Augen zu verlieren, daß man zum
Fortbetriebe eines Baues wo möglich immer noch Felder bereit
habe. Es iſt daher erforderlich: a) daß man vor dem Beginne
des Baues einen Koſten- und Ertragsüberſchlag mache, um vor
Verluſt geſichert zu ſein; b) nach dem Reſultate dieſer Vergleichung
die Grubencapitalien anlege; c) dabei aber darauf ſehe, mit we-
nigen tüchtigen Anlagen dieſelben Zwecke zu erreichen, wie mit
mehreren, z. B. bei den verſchiedenen Arten von Stollen und
Schächten; d) daß man ſich mit der Vorrichtung immer auf ein
möglichſt großes Feld ausdehne, z. B. beſonders bei Steinkohlen;
e) immer ſchon wieder ein Feld zubereitet habe, ehe das vorherige
zur Neige geht; f) den ganzen Abbau recht zu concentriren ſuche,
um ſo g) bequemere und lang brauchbare Einrichtungen treffen zu
können, ohne ſie ſpäter unbenutzt liegen laſſen zu müſſen; h) daß
man es den Arbeitern nie am Materiale fehlen laſſe, deſſen Man-
gel ſie an der Fortſetzung ihrer Arbeit hindert, z. B. an Geräth-
ſchaften, Feuerung, Licht, Zimmerung, um dadurch die ſchädlichen
Folgen in denjenigen Abbauarten zu verhüten, worin das Fort-
fahren der ſpäteren Khüren von jenen der früheren bedingt iſt,
z. B. beim Stroßen- und Förſtenbaue; i) daß man die richtige
Menge von Häuern vor ein Ort anlege, ohne durch Mangel an
ſolchen das Fortfahren der Arbeit zu hemmen und durch eine
Uebermenge ſowohl ſeine Koſten unnöthig zu vermehren, die Ar-
beiter unter ſich zu hindern, als auch die richtige Gleichförmigkeit
im ganzen Gange der Arbeiten zu zerſtören; k) daß man unter
den Arbeitern während der Arbeitszeit, und wegen ihres Betragens
vor und nach derſelben durch tüchtige Steiger eine ſchöne berg-
männige Ordnung und Aufſicht erhalte.
§. 125.
3) Grubenriſſe.
3) Benutzung der Markſcheidekunſt. Die Markſcheide-
kunſt iſt eine Hilfskenntniß der Bergbaulehre (§. 83.). Allein von
[155/0177]
ihrer Benutzung hängt nicht ſelten der gute Betrieb eines Berg-
werkes ab, weil man nach ihren Aufſchlüſſen weiß, nicht blos wie
weit der Bau vorgeſchritten iſt, ſondern auch wie weit er nach
den beſtehenden Rechtsgeſetzen noch fortbetrieben werden darf; weil
man nach dem Fallen und Streichen eines Baues und nach ſeinen
Abweichungen in dieſen Beziehungen beurtheilen kann, auf welche
Weiſe man im Innern den Betrieb ohne Gefahr und mit Nutzen
fortſetzen darf; weil man über die Anlage von Tagebauen, z. B.
der Mundlöcher von Stollen und Schächten, dadurch die erſte
Anleitung erhält; weil man bei vorkommenden Unglücksfällen durch
die von ihr gebotenen Mittel am beſten erkennt, wo und wie man
den Verunglückten am beſten Hilfe leiſten und den ſchlimmen Fol-
gen abhelfen kann; weil man nach denſelben ermeſſen kann, ob
und in wie weit die Fortſetzung des Abbaues Vortheil bringen
dürfte; und weil alſo von ihnen großen Theils die Uebernahme
einer Grube in Pacht oder zu Lehn abhängen kann. Die Mark-
ſcheidekunſt iſt bloße praktiſche Geometrie, modifizirt durch den
Umſtand, daß man im Dunkeln und bei gewiſſen Erzarten nicht
dieſelben Mittel anwenden kann, wie auf der Erdoberfläche. Sie
zerfällt in zwei Hauptarbeiten, nämlich die Verrichtung des
Markſcheidezuges, d. h. die Grubenmeſſung ſelbſt, und die
Zulegung des Markſcheidezuges, d. h. die Verfertigung der
Grubenriſſe. Die Lezteren ſind Grundriſſe und zeigen die Stol-
len, Strecken, Baue und Schächte im horizontalen Entwurfe, und
Seigerriſſe (Durchſchnitte), zeigen die Grube im ſenkrechten
Entwurfe, ſo daß von jeder ſolchen dieſe Darſtellungen gegeben
ſein müſſen, wenn man eine völlige Anſicht haben ſoll. So wie
der Grubenbau fortſchreitet, erweitert man auch dieſe Riſſe, um
beſtändig zu wiſſen, woran man ſei1).
¹⁾ Ueber Markſcheidekunſt: Brard Grundriß. S. 385 folg. Die älteren
Werke von v. Opel (1749). Bajer (1749. 2te Aufl. 1785). Weidler (1765).
Käſtner (1774). Lempe (1782 u. 1792). Moehling (1792) und Müller
prakt. Anleit. zur Markſcheidekunſt. Siegen 1809. Hecht Lehrbuch der Markſcheide-
kunſt. Freiberg 1829.
IV. Von der bergmänniſchen Betriebswirthſchaft.
§. 126.
1) Bergmänniſche Betriebsausgaben.
Die bergmänniſche Betriebswirthſchaft iſt nur eine Modifikation
der Hauswirthſchaft nach der Beziehung auf den bergmänniſchen
Gewerbsbetrieb (§. 63. vergl. mit §. 40.). Ausgaben, Einnahmen
und Verrechnung ſind die Hauptgegenſtände derſelben.
[156/0178]
Die bergmänniſchen Betriebsausgaben werden gemacht:
a) Für Beſoldung und Löhnung der Aufſeher und Arbei-
ter (§. 122.). Der Schichtmeiſter und die Steiger haben ihre be-
ſtimmten Gehalte. Die Knappen aber arbeiten nach Schichten oder
im Verdinge (§. 68.). Die Schichten ſind verſchieden und betra-
gen 6, 8–12 Stunden. Es iſt ſehr zweckmäßig, aus Abzügen
am Lohne, Beiträgen der Unternehmer, Strafgeldern u. dgl. eine
Knappſchafts- oder Bruderkaſſe zum Behufe ihrer Unterſtützung in
Unglücksfällen und im Alter zu errichten, woraus auch den Witt-
wen und Waiſen der Knappen Unterſtützung gewährt wird. Dies
hat ſelbſt Einfluß auf die Höhe des Lohnes. Die Bezahlung des
Lohnes geſchieht auch hier, wie bei anderen großen Unternehmun-
gen, an beſtimmten Tagen, alle Woche, alle 14 Tage oder alle
Monate. Sehr zweckmäßig iſt es von den Unternehmern, wenn ſie
in Zeiten der Wohlfeilheit Getreide u. dgl. aufſpeichern, um in
Zeiten der Noth, welche in den Gebirgsgegenden häufiger und
ſchlimmer ſind, den Knappenfamilien gegen billige Preiſe Lebens-
mittel abliefern zu können. Solche Mittel erhalten die Anhänglich-
keit, den Fleiß und die Ruhe der Arbeiter. Der Lohn ſelbſt iſt
zeit- und ortsweiſe wechſelnd.
b) Für Unterhaltung des ſtehenden Capitals. Je ſo-
lider die Gebäude, Maſchinen, Gefäße, Wege, Canäle und Geräthe
gebaut und conſtruirt ſind, deſto weniger Unterhaltungskoſten be-
dürfen ſie. Beſonders gilt dies von der Zimmerung und Mauerung,
und von den bergmänniſchen Gefäßen. Mit zeitigen kleinen Ver-
beſſerungen verhütet der kluge Unternehmer im Bergbaue öfters
die größten Verluſte und Unglücksfälle. Daher iſt Kargheit und
Unachtſamkeit nirgends am ſchlechteren Orte, als hier.
c) Für Holz und Bauſteine, theils zur Unterhaltung des
ſtehenden Capitals, theils als umlaufendes Capital, z. B. zur
Heitzung. Wenn das Bergwerk nicht eigenen Wald hat, ſo muß
man das Holz, ebenſo wie im ähnlichen Falle die Bauſteine, ſo
wohlfeil als möglich zu kaufen ſuchen; denn die Ausgabe dafür iſt
ſehr groß. Oft genießen die Gruben Vorrechte bei den Staats-
magazinen in dieſer Hinſicht. Iſt dies nicht der Fall, dann iſt
der Ankauf im Großen und die Abſchließung von Lieferungs-
kontrakten am vortheilhafteſten. Für naſſe Lage in der Grube
taugt Erlen- und Buchenholz beſſer als anderes. Sonſt benutzt man
am meiſten Nadelhölzer, aber mit größerem Vortheile Eichen- und
Ahornhölzer, wenn ſie zu haben ſind. Man wählt ſtarke dicke
Stämme, am beſten unbehauen, ſammt Rinde, Zacken und Zwei-
gen, weil man ſie dann zerſchneiden laſſen kann, wie man es
[157/0179]
bedarf, und weil man die Leztern zu Helmen, Faſchienen u. dgl.
benutzen kann. Das äußerſte Holz benutzt man durch Abſägen zu
Schwarten. Geſchältes Holz geht in Gruben ſchwerer in Fäulniß
als ungeſchältes. Das beſte Holz unter übrigens gleichen Um-
ſtänden zur Grubenzimmerung iſt das vor oder nach dem Safte
geſchnittene. Nahe floßbare Flüſſe kommen den Gruben ſehr zu
Statten, weil dieſe einen wohlfeilen Transport gewähren. Unter
den Steinen ſind die platten, ſchieferigen beſſer als Sandſteine
und Granit u. dgl. Backſteine ſind begreiflicher Weiſe nicht überall
von Dauer, oft ſehr theuer und müſſen nicht ſelten in eigenen
Formen zur Grubenmauerung gebrannt werden.
d) Für Eiſen zur Hinſtellung und Unterhaltung des ſtehenden
Capitals. Die Sparſamkeit mit demſelben, und der Gebrauch des
Holzes ſtatt deſſelben, wo es nur immer ohne Nachtheil geſchehen
kann, iſt eine alte bergmänniſche Gewohnheit und Regel.
§. 127.
2) Bergmänniſche Betriebseinnahmen.
Das rohe Einkommen beim Betriebe eines Bergwerkes beſteht
in folgenden Punkten:
a) Naturaleinnahmen an bergmänniſchen Produkten. Sie
ſind Haupt- und Nebenprodukte. Jene ſind die Maſſen des Haupt-
minerals, Leztere die Nebenmineralien u. dgl. Beim Betriebe im
Großen ſind zu ihrer Aufbewahrung eigene Magazine nothwendig,
deren Bau und Einrichtung nach Art des Minerals und polizei-
lichen Rückſichten verſchieden iſt. Die Sicherung gegen die Ein-
wirkung der Luft iſt wichtig beim Torfe, Steine, Erze, den
Steinkohlen und dem Salze. Die Sicherung gegen Menſchen iſt
um ſo nöthiger, je koſtbarer die Mineralien, je beweglicher und
verderbbarer ſie ſind.
b) Geldeinnahmen aus dem Verkaufe der rohen Produkte.
Entweder iſt der Staat ein Hauptabnehmer, wie bei den edeln
Metallen, oder es ſind dies Privaten, welche die Produkte, wie
z. B. Torf, Kohlen und Salz zur eigenen Conſumtion gebrauchen,
oder zum Zwecke der weiteren Verarbeitung ankaufen. In der
Regel findet der Verkauf nur im Großen Statt, und die Mineral-
kapitalien liegen nicht ſelten lange Zeit in den Magazinen. Darum
iſt der Bergbaubetrieb mehr Sache für den Staat, Gewerkſchaften
oder ſehr reiche Privaten, welche ſo lange ein Capital liegen laſſen
können. Sehr zweckdienlich ſind daher Berghandlungen, an welche
man die Mineralien entweder verkauft oder gegen einige Proviſion
zum Verkaufe in Commiſſion gibt.
[158/0180]
c) Oft ſind mit den Bergwerken auch die Hüttenwerke ſogleich
in Verbindung. Bei den Salzwerken ſind ſie unumgänglich. Ob-
ſchon ſie bei großem Betriebe oft eine ganz abgeſonderte Verwal-
tung haben, ſo ſtehen ſie doch mit dem Bergbaue ſo in Verband,
daß ſie ſeinen Ertrag und den Ertrag des ganzen Betriebes er-
höhen. Daher gehört auch ihre Einnahme an gewonnenem Natural
und an Geld in die Rechnung.
Der Reinertrag (die Ausbeute) iſt aber noch nicht gefunden
nach Abzug jener Ausgaben von dieſen Einnahmen. Es muß viel-
mehr noch in Abzug kommen: 1) der Zins des ganzen Betriebs-
capitals; 2) die immer Statt findenden Abgänge und Verluſte an
Natural und am Gelde; 3) etwaige Transportkoſten des Minerals
und damit verknüpfte Abgaben; 4) etwaige Proviſionen, Gebühren
u. dgl., die ſehr wechſelnd ſind. Oft bleibt nach Abzug aller die-
ſer Poſten nicht blos nichts übrig, ſondern es müſſen noch Nach-
träge (Zubuße) von den Unternehmern geliefert werden. Darum
darf das Bergwerk aber nicht aufgegeben werden, wenn der Bau
auf Zubuße die Ausſicht auf ſpäteren Gewinn (Ausbeute) eröffnet.
Auch darum eignet ſich tüchtiger Bergbaubetrieb ſelten für Ei-
genlehner.
§. 128.
3) Bergmänniſche Buchführung.
Der Schichtmeiſter führt die Bücher. Es gelten hier die
nämlichen allgemeinen Grundſätze jeder Buchführung (§. 79–82.).
Denn es kommt im Bergwerke ein Grundſtocksvermögen, eine jähr-
liche Auslage und Einnahme, es kommen um ſo mehr Schuldner
und Gläubiger vor, je complicirter der Betrieb und je ausgebrei-
teter der Berghandel iſt. Denn es finden nicht bei jedem Geſchäfte
ſogleich baare Zahlungen Statt. Die Buchführung iſt alſo hierin
von den anderen nur durch den Gegenſtand verſchieden. Aber die
Eigenthümlichkeit der Gewerkſchaftsverhältniſſe machen eine eigene
Buchführung nöthig, die insbeſondere dem Schichtmeiſter obliegt.
Es gehören beſonders hierher das Gegenbuch, Schurfbuch,
Muthungsbuch, Friſtenbuch, wovon die Bedeutung an ſich
klar iſt, mit Ausnahme des Erſten. Es werden nämlich in dem-
ſelben die Inhaber der Kuxe, die Verpfändungen, Veräußerungen
derſelben u. ſ. w. aufgeſchrieben. Eine eigene Buchführung erfor-
dert auch die Zahlung der Zubuße und jene der Ausbeute, welche
beide kuxenweiſe vertheilt werden. Der Rechnungsabſchluß geſchieht
vierteljährig (Quartal), wenn und weil jene beide ſo bezahlt wer-
den und man das Reſultat nur durch Rechnungsabſchluß erfahren
kann.
[159/0181]
V. Von der Fertigung bergmänniſcher
Ertragsanſchläge.
§. 129.
Arten der Anſchläge.
Andere als Ertragsanſchläge von Bergwerken können nicht ge-
macht werden, und ſchon dieſe ſind ſehr unſicher. Erſteres, weil
der Gehalt einer Lagerſtätte nicht mit Sicherheit ganz abgeſchätzt
werden kann, und wenn dieſes auch geſchehen könnte, es höchſt
unſicher iſt, ob der Fortbau nicht unterbrochen wird. Lezteres,
weil Zubuße und Ausbeute in ihrer Größe und Folge zu wandel-
bar ſind, und es alſo nicht geſtattet ſein kann, von einem mehr-
jährigen Durchſchnittsertrage auf den Ertrag in der nächſtfolgenden
Jahresreihe zu ſchließen, ohne die Möglichkeit des Fehlſchlagens
mit einzurechnen; denn die Ausbeute und Zubuße iſt zu wechſelnd,
und die Unterhaltungskoſten des ſtehenden Capitals werden, beſon-
ders bei der Grubenzimmerung, mit dem Alter des Leztern größer.
Man kann die Ertragsanſchläge unter zwei Geſichtspunkten be-
trachten, nämlich:
1) Als Ertragsvoranſchläge, um ſich einen muthmaßlichen
Ueberſchlag von dem Ertrage einer Grube zu machen, ehe man
ihren Abbau beginnt. Sie ſetzen eine Unterſuchung der Lager-
ſtrecke nach dem Streichen, Fallen, der Mächtigkeit und Teufe
voraus. Im Uebrigen beruhen ſie auf Muſterbauen. Denn man
gräbt entweder von Tage einige quadratiſche Abteufen von 1 Lach-
ter, oder man geht von dem Schurfſchachte und Schurfſtollen mit
ſolchen kleinen Strecken ins Feld. Der Durchſchnittsertrag von
3 oder 4 ſolchen Muſterbauen wird alsdann zur Veranſchlagung
des Rohertrags an Produkten vom ganzen Lager und Gange über-
haupt oder nur für eine Periode gebraucht. Denn durch Multi-
plication mit dem Raume oder mit der Zeit bei einer gegebenen
Arbeiterzahl läßt ſich dann die Quantität von Produkten berechnen.
Die Unzuverläſſigkeit dieſer Methode liegt am Tage (§. 124.).
2) Als Ertragsnachanſchläge, um ſich einer Anſicht vom
Durchſchnittsertrage einer, ſchon einige Zeit gebauten, Grube zu
verſchaffen. Man hat dazu zwei Mittel, nämlich die Informa-
tionen, d. h. protokolliſches mündliches Vernehmen der Berg-
beamten, beſonders der Steiger und Schichtmeiſter, und die
Rechnungsauszüge aus den Wirthſchaftsbüchern von mehreren
Jahren her. Soll aber ein ſolcher Anſchlag als Richtſchnur für
die Zukunft dienen, dann muß zugleich auf die Größe und Be-
ſchaffenheit der noch ſtehenden Felder Rückſicht genommen
[160/0182]
werden, wobei zugleich die periodiſch erweiterten Riſſe als Richt-
ſchnur dienen können, die immer mit einer näheren Beſchreibung
des Bergwerkes nach Geſtalt, Ausdehnung und Gehalt verſehen ſind.
§. 130.
Informationen, Auszüge und Beſichtigung.
Die Informationen erſtrecken ſich über alle von §. 95–107
angegebenen Punkte, über die beſondern Verhältniſſe der angewen-
deten Abbauart (§. 108–118.), über das Vorhandenſein der all-
gemeinen Bedingungen des Bergbaubetriebes (§. 220. u. 121.),
über die Arbeiterverhältniſſe und ſonſtige Betriebsausgaben (§. 126.),
über die tägliche, wöchentliche, monatliche rohe Ausbeute, und den
gewöhnlichen Preis des Naturales und über die Nebenkoſten bei
ſeinem Verkaufe (§. 127.). Es wird bei ihrer Aufnahme ein
beeidigtes Protokoll mit Unterſchrift des Informanden geführt.
Die Reſultate derſelben dienen zur Controlirung der Rechnungs-
poſten und zur Ergänzung des Mangelnden.
Die Auszüge aus den Büchern, ſowohl aus jenen des eigent-
lichen Betriebes als jenen über die Gewerkſchaftsverhältniſſe, haben
den Zweck der Durchſchnittsberechnung, und müſſen daher nach den
Regeln der Leztern (§. 61.) von verſchiedener Anzahl von Jahren
ſein. Sie erſtrecken ſich daher über Ausgaben und Einnahmen,
und müſſen ſonach in beſondere Rechnungen gebracht werden.
Die Beſichtigung aller Realitäten zu Tage und im Innern
der Grube nach Anleitung der Riſſe dient nicht blos zur Erhaltung
einer Anſicht vom jetzigen Stande der Grube, ſondern auch zur
Aufſtellung ihrer zukünftigen Verhältniſſe. Dabei werden Ver-
zeichniſſe und Beſchreibungen der feſt ſtehenden Capitalien,
und Inventarien über die beweglichen ſtehenden Capitalien auf-
geſtellt, zum Theile als Richtſchnur bei einer etwaigen Uebergabe
einer Grube, zum Theile wegen der Berechnung der Unterhal-
tungskoſten des Capitals.
§. 131.
Fertigung der Anſchlagsakten.
Während aller jener Anſchlagsarbeiten wird ein allgemeines
Geſchäftsprotokoll über den Verlauf der Veranſchlagung ge-
führt, in welchem auch die Informationsprotokolle ihren Platz
finden. Dagegen aber machen die Auszüge, Verzeichniſſe und In-
ventarien beſondere Inſtrumente aus, auf welche ebenſo im Proto-
kolle, wie auf dieſes in ihnen verwieſen wird. Nach den Infor-
mationen und Auszügen, ſo wie, wenn dieſe nicht hinreichen, nach
[161/0183]
allgemeinen Erfahrungen werden die beſondern Rechnungen gefertigt,
welche das Spezielle zum ganzen Ertragsanſchlage liefern. Es gibt
beſondere Ausgaben, welche nur zu einzelnen Zweigen des Be-
triebes gehören, und allgemeine, die den ganzen Betrieb über-
haupt betreffen. Jene kommen ſchon in den ſpeziellen Rechnungen
in Abzug, dieſe aber erſt in der Rechnung, welche jene Reinerträge
zuſammenſtellt. Man verhüte einen zu hohen Anſatz der Einnahmen
und einen zu niedrigen von den Ausgaben. Das Reſultat gibt den
Durchſchnittsertrag, der aber in Geld auch nur nach Durch-
ſchnittspreiſen, ſchon in den ſpeziellen Rechnungen, berechnet ſein
darf. Daſſelbe kann man ungefähr auch gebrauchen, um vermit-
telſt der Capitaliſirung, indem man es als Zins eines Capitals
anſieht, den Capitalwerth einer Grube zu finden, wenn ſie abge-
treten werden ſollte (§. 129.). In dieſem Falle müſſen aber die
Werthe der Betriebscapitalien noch hinzugerechnet werden, weil
die Zinſen derſelben (§. 127.) auch in Abzug gekommen ſind.
II. Buch.
Landwirthſchaftslehre.
Einleitung.
§. 132.
Die Landwirthſchaftslehre iſt die wiſſenſchaftliche Dar-
ſtellung der Grundſätze und Regeln, wonach die pflanzlichen und
thieriſchen Körper zahmer Art mit Unterſtützung der menſchlichen
Kunſt erzeugt und erhalten werden (§. 42.). Die Feld- und Gar-
tenpflanzen und die zahmen (Haus-) Thiere ſind ihre Gegenſtände.
Die Pflanzen und Thiere bedingen ſich wechſelſeitig auf die manch-
fachſte Weiſe. Darum muß die Pflanzenzucht mit der Thierzucht
vereint getrieben werden. Die Landwirthſchaft iſt das älteſte Ge-
werbe, welches die Völker in ihren Urzeiten treiben. Aber bis
zur Wiſſenſchaft konnte ſie ſich immer erſt in der Zeit hoher Bildung
eines Volkes erſchwingen. Den alten Aegyptern, die in die
Geheimniſſe der Natur tief eingedrungen waren, war ſie eine feine
Kunſt und Wiſſenſchaft1). Die Griechen und die Römer hiel-
ten das landwirthſchaftliche Gewerbe für das ehrbare, und die auf
uns gekommenen Schriften der Lezteren über Landwirthſchaft zeu-
gen von tiefen Kenntniſſen und vielen Erfahrungen im Gebiete
derſelben2). Mit der Völkerwanderung und der Einführung des
Chriſtenthums nebſt allen ſeinen unzähligen heilſamen Folgen bildete
Baumſtark Encyclopädie. 11
[162/0184]
ſich im Abendlande ein neuer Zeitkreis für die Ausbildung der
Landwirthſchaft. Sie wand ſich aus den vielen Eigenthümlichkeiten
und Bedrückungen im Mittelalter3) kräftig hervor bis ins vorige
Jahrhundert. Dieſem und der neueſten Zeit war die Ausbildung
derſelben und ihre Befreiung von den vielen Laſten, die jene hem-
men, überlaſſen. Sie wurde eine Wiſſenſchaft, für deren Ausbil-
dung zwar ſchon Beckmann in Deutſchland ſehr Vieles gethan
hat, bis ſie aber A. Thaer auf den jetzigen rationellen Stand-
punkt erhob, indem er uns zuerſt auf die engliſche Landwirthſchaft
aufmerkſam machte4), welche im ganzen Abendlande am höchſten
ſteht, und dann durch ſeine theoretiſchen Werke die Wiſſenſchaft
und Praxis ſo bereicherte, daß mit ihm in der Geſchichte der
Landwirthſchaft eine neue Periode in Deutſchland beginnt. In
neueſter Zeit iſt die landwirthſchaftliche Literatur ſehr reich ge-
worden, und die Verdienſte anderer Männer außer und nach
Thaer ſind darin ſehr groß5), ſowohl in Betreff der beſon-
deren Landwirthſchaft einzelner Gegenden, als auch der allge-
meinen Landwirthſchaftslehre, welcher jene als Grundlage dient,
da ſie auf beſondere Erfahrungen, Naturgeſchichte, Ma-
thematik, Phyſik und Chemie, beſonders der Agricultur-
chemie, d. h. die wiſſenſchaftliche Zuſammenſtellung der auf die
Landwirthſchaft anwendbaren chemiſchen Grundſätze, geſtützt iſt6).
¹⁾ Reynier, de l'économie publ. et rur. des Arabes et des Juifs. Paris. 1820.
Derſelbe de l'économie p. et r. des Perses et Phéniciens. Paris. 1819. Der-
ſelbe de l'économ. p. et r. des Egyptiens et Carthaginois. Paris. 1823. Einen
Auszug des Landwirthſchaftlichen aus dieſen Schriften enthält Fr. Damance, die
Landwirthſchaft der alten Völker mit Ausſchluß der Römer, nach dem Franzöſiſchen
von Reynier frei bearbeitet, mit einer Vorrede von Rau. Heidelb. 1833. 8.
²⁾ Die scriptores rei rusticae, in verſchiedenen Ausgaben, Virgilii Georgica,
Varro de re rustica.
³⁾ Anton, Geſchichte der deutſchen Landwirthſchaft. Görlitz 1799–1802.
III Thle. 8.
⁴⁾ Thaer, Einleitung zur Kenntniß der engl. Landwirthſchaft. Hannover
1801. II Thle. in III Bdn. (v. I. Bd. eine 3te Aufl. 1806.) Auch gehört hierher
J. N. Schwerz, Anleitung zur Kenntniß der belgiſchen Landwirthſchaft. Halle
1807–11. III Bde.
⁵⁾ Vorzügliche Literatur: Beckmann, Grundſätze der teutſchen Landwirthſch.
Göttingen 1769. 6te Ausg. 1806. Thaer, Grundſätze der rationellen Landwirthſch.
Berlin 1809–11. IV. 4. 2te Aufl. 1822. 3te Aufl. nach dem Tode des Verf.
1831. IV. 8. Gerike's prakt. Anleitung zur Führung der Wirthſchaftsgeſchäfte.
Herausgegeben von A. Thaer. Grätz 1806–7. III Bde. 8. Young's Annalen
des Ackerbaues, überſetzt von Riemer und Hahnemann. Leipzig 1790–1802.
III Bde. 8. Sturm, Lehrbuch der Landwirthſchaft. Jena 1819–21. II Bde.
Burger, Lehrbuch der Landwirthſchaft. Wien 1819–21. II Bde. 3te Auflage.
1830–31. Trautmann, Verſuch einer wiſſenſchaftlichen Anleitung zum Studium
der Landwirthſchaft. 3te Aufl. Wien 1822. II Bde. Schwerz, Anleitung zum
praktiſchen Ackerbau. Stuttgart 1823–32. III Bde. Kreyſſig, Handbuch zu
einem natur- und zeitgemäßen Betriebe der Landwirthſchaft. Königsberg 1824–26.
[163/0185]
⁵⁾ VI Bde. Loudon, Encyclopädie der Landwirthſchaft. Weimar 1828–30. II Bde.
Geier, Lehrbuch der Landwirthſchaft. Sulzbach 1828 (kurz). Koppe, Unterricht
im Ackerbau und in der Viehzucht. Berlin 1829–31. III Bde. A. Block, Mit-
theilungen landwirthſchaftlicher Erfahrungen. Breslau. I. 1830. II. 1832. 4.
Pabſt, Lehrbuch der Landwirthſchaft. Darmſtadt. I. 1832. J. E. v. Reider,
Lehrbuch der Landwirthſchaft. Leipzig 1833. Eine ganz vollſtändige Angabe der
Literatur bis a. 1822 enthält Weber Handbuch der öconomiſchen Literatur. Berlin
1803–1823. 8. V Bde. Außerdem mehrere Zeitſchriften Landwirthſchaftlicher
Vereine in Deutſchland.
⁶⁾ Die Agrikulturchemie v. Chaptal, überſ. von Eiſenbach. II. Stuttgart
1824. Die Agrikulturchemie von Davy, überſetzt von Wolf. Berlin 1814. Die
Agrikulturchemie von Hermbſtädt. Grundſätze der Agrikulturchemie v. Schübler.
2 Thle. 1832.
Erſtes Hauptſtück.
Landwirthſchaftliche Gewerbslehre.
§. 133.
Die landwirthſchaftliche Gewerbslehre ſtellt ſyſtematiſch die
Grundſätze und Regeln dar, wie an ſich, ohne Bezug auf aus-
ſchließlichen zuſammenhängenden Betrieb die Mittel zur zahmen
Pflanzen- und Thierzucht am beſten hergerichtet, die Pflanzen und
Thiere am zweckmäßigſten behandelt, und ihre Erträge am beſten
eingezogen und aufbewahrt werden. Sie zerfällt daher in die
Landbaulehre und Thierzuchtlehre. Jene theilt ſich in die
Feldbaulehre und Gartenbaulehre. Aber ſowohl dieſe bei-
den, als auch die Lehre von der Thierzucht beruhen auf allge-
meinen Grundſätzen und Regeln, welche bei jeder Art von Feld-
und Gartenbau und Thierzucht vorkommen, und auf beſonderen
Grundſätzen und Regeln, welche nach den zu pflegenden und zu
ziehenden Gegenſtänden, Pflanzen und Thieren verſchieden ſind.
Daher hat jede einen allgemeinen und einen beſondern Theil.
Erſter Abſatz.
Die Landbaulehre.
Erſtes Stück.
Die Feldbaulehre.
Erſte Unterabtheilung.
Allgemeine Feldbaulehre.
§. 133. a.
Die allgemeine Feldbaulehre1) hat von der Beſchaffen-
heit und den Beſtandtheilen des Bodens (Agronomie, Boden-
11*
[164/0186]
kunde), von der Zurichtung des Bodens zum Feldbaue (Agri-
kultur, Bodenbearbeitung), von der Behandlung der Feld-
pflanzen (Pflanzenbau, Pflanzenpflege, Pflanzenkultur),
und von der Ernte und Aufbewahrung der Pflanzen und ihrer
Theile, im Allgemeinen zu handeln.
¹⁾ Sinclair, Grundgeſetze des Ackerbaues, aus dem Engliſchen überſetzt von
Ritter v. Schreibers. Wien 1819. Fiſcher, Naturgeſetze des Feldbaues mit
wenig Stalldünger und ohne Sommerbrache. Wien 1830. Schönleutner, Theorie
des Ackerbaues. München 1830. Kreyſſig, Ackerbeſtellungskunde. II Thle. Leipzig
1832. Die angeführten Lehr- und Handbücher.
I. Die Bodenkunde oder Agronomie.
§. 134.
1) Der Boden als Bedingung des Pflanzenwachsthums.
Die Bodenkunde1), als Grundlage des ganzen künſtlichen
Pflanzenbaues, lehrt die Eigenſchaften, Theile, Miſchungsverhält-
niſſe und den Einfluß des urbaren Bodens auf das Wachsthum der
Pflanzen. Der Boden bedingt das Pflanzenwachsthum:
1) Chemiſch, indem er ihnen mit ſeinen Beſtandtheilen theils
ſelbſt zur Nahrung dient, dann aber ſtets die chemiſche Zerſetzung
der in ihm enthaltenen Nahrungstheile der Pflanzen bewirkt und
zuführt, und ihnen den zu ihrem Gedeihen nöthigen Grad von
Wärme gibt. Denn die Nahrungstheile der Pflanzen beſtehen aus
Luft, die der Boden aus der Atmosphäre anzieht, aus Waſſer,
welches der Boden enthält, aus Kohlenſäure, welche der Boden
bereitet, und aus Beſtandtheilen des Bodens ſelbſt, z. B. Salzen.
Die allgemeinen Bedingungen der Entwickelung der Pflanzen ſind
jene eines chemiſchen Proceſſes, nämlich Wärme, Luft und Feuch-
tigkeit, in mäßigem Zutritte.
2) Mechaniſch, indem er ihnen durch ſeine Feſtigkeit die
nöthige Haltung für die Wurzeln und den Stamm gibt.
¹⁾ Hundeshagen, die Bodenkunde in land- und forſtwirthſchaftlicher Hin-
ſicht. Tübingen 1830. Koppe Unterricht II. Buch. Bd. I. S. 105. Burger
Lehrbuch (neue Ausg.). I. S 12. Geier Lehrbuch. S. 2. Thaer engliſche
Landwirthſchaft. I. 76. Trautmann Landwirthſchaft. I. S. 261. Thaer ration.
Landwirthſchaft. II. 43. v. Reider Lehrbuch. §. 27. Schübler, Ueberſicht der
für die Vegetation wichtigſten phyſiſchen Eigenſchaften der Erdarten. Stuttg. 1821.
Auch in Fellenbergs landwirthſchaftlichen Blättern. V. S. 5. Thaer Annalen
der Fortſchritte der Landwirthſchaft. I. 363. III. 384. Deſſelben Möglin.
Annalen. IV. 110. XXVII. 163. 199. XXIX. 440. Ueber Pflanzenmoder. XXIX.
212. Ueber Humus ſ. auch Thaer Annalen der Fortſchritte der Landwirthſchaft.
III. 485. Ueber Wichtigkeit des Waſſers im Ackerbau Thaer Möglin. Annalen.
XX. 59. Annalen des Ackerbaues. IX. 442. 446. Schnee, Landwirthſch. Zeitung.
I. 2. (Geonomie). XI. 100 (Humus). Schwerz Anleitung. I. 4.
[165/0187]
§. 135.
2) Der Boden, nach ſeinen Beſtandtheilen und
Eigenſchaften.
Die urbare Erde oder die Ackerkrume, welche zum Pflanzen-
baue hergerichtet wird, hat verſchiedene Beſtandtheile, und dieſe
haben verſchiedene Eigenſchaften an ſich und in Bezug auf das
Pflanzenwachsthum, alſo in Bezug auf ihr Verhalten zur Wärme,
Luft und Feuchtigkeit. Jene Beſtandtheile ſind:
1) Erdarten, d. h. einfache, unzerlegliche, weiße, pulver-
förmige, im Feuer unſchmelz- und unzerſtörbare, im Waſſer mei-
ſtens unauflösliche Körper. Davon kommen in der Ackerkrume vor:
a) Die Kieſelerde, welche nie rein vorkommt, aber ent-
weder im feinſten pulverigen Zuſtande oder als Sand. Reine
trockene Kieſelerde hält auf 100 Theilen 250–280 Theile Waſſer.
Der Sand, d. h. ein kleines glänzendes Körnchen, das beim Aus-
waſchen der Erdart niederſinkt und das Waſſer nicht trübt, hält
nach Schübler 25–29% Waſſer, im feinen Zuſtande; aber nur
0,2–9,25 % im gröberen Zuſtande; läßt es am ſchnellſten wieder
fallen, trocknet ſchnell aus, und zieht aus der Atmosphäre keine
Feuchtigkeit an. Seine Wärme haltende Kraft iſt 0,950 nach
Schübler, jene des Kalkſandes = 1000 angenommen.
b) Die Thonerde, welche nie rein vorkommt, aber ſich in
jedem Boden findet, und rein gewonnen 400% Waſſer hält und
behält; im Boden kommt ſie als eine verſchieden gefärbte Erdart
vor, welche mit Waſſer einen formbaren Teig bildet, beim Um-
rühren des Bodens im Waſſer dieſes trübt, und bei behutſamem
Abgießen damit abfließt. In dieſer Geſtalt heißt ſie Thon. Er
hält nach Schübler 70% Waſſer, ohne es fahren zu laſſen; iſt
am feſteſten unter den Erden, und läßt nicht halb ſo viel Waſſer
verdünſten, als der Sand; zieht viel Feuchtigkeit aus der Luft an,
nämlich in 48 Stunden 0,048, und verbindet ſich mit ihrem Sauer-
ſtoffe, nämlich mit 0,153 in derſelben Zeit, wo der Kalk 0,108
abſorbirt; ſeine Wärme haltende Kraft iſt = 0,667 nach Schübler;
er verliert durch Austrocknen 0,183 an Volumen nach Schübler.
c) Die Kalkerde, welche einen Laugengeſchmack hat und im
Waſſer auflöslich iſt. Der Kalk kommt mit Sand, Thon und mit
organiſcher Materie in Verbindung vor, fließt bei der Auswa-
ſchung der Ackerkrume mit dieſen ab, während er mit Sand nieder-
fällt und nur durch eine Säure von ihm getrennt werden kann;
er zieht im ätzenden Zuſtande das Waſſer aus der Atmosphäre
leicht an und zerfällt dabei in ein weißes zartes Pulver; er ver-
[166/0188]
ſchluckt, ohne naß zu werden, von aufgetröpfeltem Waſſer 0,309,
und es entwickelt ſich dabei viel Wärme; mit mehr Waſſer gibt er
den gelöſchten Kalk; in dieſem Zuſtande verliert er verhärtend
das Waſſer bald wieder. Er kommt vor als kohlenſaurer Kalk
(Kalk+Kohlenſäure+Kryſtalliſationswaſſer) und als ſchwe-
felſaurer Kalk, Gips genannt (Kalk+Schwefelſäure+
Kryſtalliſationswaſſer). Jener, gewöhnlich Kalk genannt, iſt im
Feuer nicht ſchmelzbar, aber dieſer, der dagegen nur wenig im
Boden vorkommt. Jener braust beim Begießen mit Säure auf,
denn es entweicht die Kohlenſäure in Bläschen. Aus ihm entſteht
die Kalkerde, wenn ſich durch Erhitzung das Kryſtalliſationswaſſer
verflüchtigt hat und die Kohlenſäure entwichen iſt; die Kalkerde
hält nach Schübler 85, noch Burger 97–127% Waſſer, ver-
dünſtet es aber ſchneller als die Thonerde, jedoch langſamer als der
Thon, nämlich dieſer 313, jene 280 von 1000 Theilen Waſſer in
derſelben Zeit; dabei vermindert ſich ihr Volumen um 0,05 nach
Burger; zieht in 48 Stunden 0,035 Feuchtigkeit aus der Luft an,
und verbindet ſich mit 0,108 Sauerſtoff, während der Thon 0,153
abſorbirt; ihre Wärme haltende Kraft iſt = 0,618 nach Schübler.
d) Die Bittererde oder Talkerde; ſie nimmt nach Burger
im trockenen, von Kohlenſäure befreiten Zuſtande 380–400%
Waſſer auf, verflüchtigt im Trocknen daſſelbe bis auf 40%, die
aber bei 40° Wärme ſich noch nicht verflüchtigen; ihr Zuſammen-
hang iſt gering, aber ſie bildet auch mit Waſſer keinen zähen
Teig; ſie kommt im Boden nur als kohlenſaure Bittererde vor
(Bittererde + Kohlenſäure + Waſſer); ihre Waſſer haltende
Kraft iſt nach Schübler = 456, nach Burger = 546; ihre
Cohäſionskraft iſt nach Schübler = 0,118, jene der kohlenſauren
Kalkerde = 0,050, was jedoch Burger für unrichtig erklärt; ſie
verdünſtet von 1000 Theilen 313 Theile Waſſer, und verliert da-
bei 0,154 ihres Volumens; ſie zieht in 48 Stunden 0,110 Feuch-
tigkeit aus der Luft an, und abſorbirt nach Schübler in 30 Tagen
17% Sauerſtoffgas aus der Luft; ihre Wärme haltende Kraft iſt
0,380 nach Schübler.
§. 136.
Fortſetzung.
2) Metalle, d. h. einfache unzerlegliche, eigenthümlich glän-
zende, verſchiedenfarbige, dehnbare und eigenſchwere Körper. Von
ihnen kommt in der Ackerkrume nur das Eiſen allgemeinhin vor,
und zwar a) als Eiſenoxyd (Eiſenkalk, Ocher), d. h. als ein
erdartiger pomeranzengelber, brauner oder ſchwarzer, geruch- und
[167/0189]
geſchmackloſer, im Waſſer auflöslicher und im Feuer für ſich un-
ſchmelzbarer Körper; b) als ſchwefelſaures Eiſen in unter
Waſſer ſtehenden und naſſem Boden; c) als kohlenſaures Ei-
ſen in Torf- und Moorboden.
3) Salze, d. h. im Allgemeinen in Waſſer auflösliche und
Geſchmack habende Körper, insbeſondere aber jene Verbindungen
von Säuren, Erden, Laugenſalzen oder Metallen, die in 500
Theilen Waſſer ſich auflöſen. Es gibt ungemein viele Salze. Für
den Landwirth ſind hauptſächlich die ſchwefel- und ſalpeter-
ſauren Salze wichtig, weil ſie eine reitzende Wirkung auf die
Pflanzen haben.
4) Organiſche Materie im Zuſtande der Zerſetzung oder
Fäulniß. Dieſe geht um ſo ſchneller vor ſich, je zuſammengeſetzter,
und um ſo langſamer, je mehr mit erdigen und metalliſchen Thei-
len gemiſcht jene iſt. Sie findet auch unter mäßigem Zutritte von
Luft, Feuchtigkeit und Wärme Statt. Iſt die Zerſetzung ganz
vollendet, dann iſt das Produkt der Humus (Moder), d. h. ein
ſchwarzgraues leichtes lockeres Pulver, das im Feuer verbrennt,
ſtets in Laugenſalzen, nicht immer aber in Waſſer ſich auflöst,
nämlich nur dann, wenn es mit Sauerſtoff verbunden iſt. Er hält
190 bis 200% Waſſer; verdünſtet von 1000 Theilen Waſſer 108
Theile nach Schübler; ſeine Wärme haltende Kraft iſt = 0,49
nach Schübler, aber 0,72 nach Crome; verliert beim Verdün-
ſten des Waſſers 0,1 an Volumen; hat weniger Cohäſion als die
Bittererde; ſaugt in 48 Stunden auf 1000 Theile 110 Theile
Waſſer aus der Luft, und in 30 Tagen 0,203 Theile Sauerſtoff
der Luft, und es bildet ſich durch dieſen in Verbindung mit ſeinem
Gehalte an Kohle die kohlenſaure Luft; er erwärmt und entwärmt
ſich ſehr ſchnell. So weit der Humus in der oberſten Erdſchicht
geht (§. 85.), heißt ſie die Dammerde.
§. 137.
3) Der Boden nach ſeinen Miſchungsverhältniſſen.
Nach der verſchiedenen Miſchung dieſer Beſtandtheile in der
Ackerkrume unterſcheidet man alſo folgende Bodenarten:
1) Thonboden, d. h. ein Boden, welcher wegen ſeiner Fe-
ſtigkeit nur ſchwer gepflügt werden kann, das Waſſer bis zur
Sättigung in ſich aufnimmt, alsdann über ſich ſtehen läßt, ſehr
langſam trocknet, dann ſich ſehr zuſammenzieht, ſogar zerſpringt
[168/0190]
und bis zur Unmöglichkeit des Aufpflügens von einem tüchtigen
Regen verhärtet1).
2) Sandboden, d. h. ein Boden, welcher durch geringen
Thongehalt im feuchten Zuſtande etwas zuſammenhängt, aber beim
Trocknen ſogleich wieder zerfällt2).
3) Kalkboden, d. h. ein Boden, welcher mehr als 2 bis
75% Kalk enthält, alſo die Eigenſchaften des Kalks (§. 136.) in
verſchiedenen Graden äußert, indem er mehr oder weniger, ſtets
aber mehr Waſſer als der Thonboden, in ſich aufnimmt, und es
geſchwinder fahren läßt, und bei geringerer Cohäſion wegen ſeiner
Fähigkeit, aus der Luft Feuchtigkeit aufzunehmen und an ihr
zu zerfallen, weniger Wärme nimmt und hält, als der Thon-
boden3).
4) Humusboden. Derſelbe enthält auflöslichen Humus,
und wird, wenn er über 50% Thon, Lehm und Sand hat,
thoniger, lehmiger und ſandiger Humusboden genannt; oder er
enthält größtentheils unauflöslichen, verkohlten, überſauern Humus;
oder endlich größtentheils unauflöslichen, faſerigen, vegetabiliſchen
Stoff, und iſt dann in Torf- und Moorboden zu unterſcheiden.
¹⁾ Er heißt Letten-, Lehm- oder Klaiboden, nach dem ſteigenden Grade
ſeines Zuſammenhanges von der Zerreiblichkeit bis zur mühevollen Zerſchlagbarkeit
der Schollen. Man unterſcheidet a) den humpſen Thonboden mit 10–12%
Humus, 4–5% Kalk, 10% Sand und dem Reſte Thon; b) humoſen ſtren-
gen Boden mit 8–9% Humus, 4% Kalk und 6% Sand; c) reichen
Mergelboden mit 4% Humus, 36% Kalk und 22% Sand; d) humoſen
(loſen) mergeligen Boden mit 27% Humus, 10% Kalk und 49% Sand;
e) Mergelboden mit 2% Humus, 12% Kalk und 30% Sand; f) Thon-
boden mit 2% Humus und 38% Sand ohne Kalk; g) reichen Thonboden
mit 4% Humus, 2% Kalk und 36% Sand; h) Lehmboden, an Thon und
Sand ziemlich gleichhaltig, oder 50% Sand und 2% Humus; i) humoſen
Lehmboden mit mehr als 8% Humus; k) mergeligen Lehmboden mit
mehr als 4% Kalk; und l) ſandigen Lehmboden, mit nicht über 25% Thon.
²⁾ Iſt der Sand ganz fein, dann heißt er Flugſand, iſt er grob und ſtei-
nig, dann heißt er Grand- oder Schuttboden. Je nach der Miſchung mit
Thon gibt es: a) lehmigen Sandboden mit 14–18½, aber nicht über
25% Thon, 85 oder 80% Sand, und 1 bis 1½% Humus; b) Sandboden
mit 2–9%, aber nicht über 10% Thon und ½-1% Humus; c) humoſen
Sandboden mit mehr als 6% Humus.
³⁾ Er heißt Kalkboden bei mehr als 75% Kalk; Mergel bei 10–75%
Kalk; und kalkhaltig bei mehr als 2%, aber nicht über 10% Kalk. Ander-
wärts unterſcheidet man auch: a) thonigen Kalkboden mit mehr als 50%
Thon; b) lehmigen Mergelboden mit mehr als 30% bis 50% Thon;
c) ſandigen Lehm-Mergelboden mit mehr als 20% bis 30% Thon;
d) lehmigen Sand-Mergelboden mit mehr als 10% bis 20% Thon;
und e) humoſen Mergelboden mit mehr als 20% Humus.
[169/0191]
§. 138.
4) Der Boden nach ſeinen verſchiedenen Klaſſen.
Wegen der unendlichen Manchfaltigkeit der Miſchungsverhält-
niſſe und Eigenſchaften des Bodens wird es für die Landwirthſchaft
nöthig, denſelben nach den häufigſten Vorkommniſſen in Klaſſen
einzutheilen. Die Aufſtellung ſolcher Klaſſen heißt Klaſſifi-
zirung; das Einreihen eines gegebenen Bodens in eine beſtimmte
Klaſſe dagegen Klaſſirung1). Man unterſcheidet am beſten die
phyſiſche (natürliche) und die wirthſchaftliche Klaſſifizirung.
Jene richtet ſich nach den Beſtandtheilen und Miſchungsverhält-
niſſen des Bodens (§. 135–137.); dieſe aber nach allen Umſtänden,
welche den Ertrag des Bodens bleibend beſtimmen, und fußt daher
zuerſt auf der phyſiſchen Klaſſifizirung. Man hat daher bei der
Bodenklaſſifizirung folgende Punkte zu berückſichtigen: 1) Die
Beſtandtheile und Miſchungsverhältniſſe; 2) die Tiefe der Acker-
krume, ſowohl wegen der mechaniſchen als auch chemiſchen Unter-
ſtützung der Pflanzen (§. 134.); 3) den Untergrund, weil, wenn
derſelbe die der Ackerkrume entgegengeſetzte Eigenſchaften hat, dies
auf dieſelbe günſtig oder ungünſtig zurückwirkt; 4) die Form der
Oberfläche, weil davon die Trockenheit und Näſſe des Bodens,
Abſchwemmungen, Bergſtürze u. dgl. abhängen, abgeſehen von der
Schwierigkeit der Bearbeitung; 5) die phyſiſche Lage, und 6) die
klimatiſchen Verhältniſſe, weil davon die Kälte, Wärme, Trocken-
heit, Feuchtigkeit der Lage, das Ausgeſetztſein gegen Fröſte,
Winde u. dgl. abhängt; 7) die Lage zum Wirthſchaftshofe, wegen
der Aufſicht, der Arbeitskoſten und Zeitverſäumniſſe; 8) die Frei-
heit oder Beſchränktheit der Benutzung; 9) das Verhalten bei der
Bearbeitung; 10) die Hauptfrüchte und thunliche Fruchtfolge;
11) die Folgen früherer Cultur; 12) die gewöhnliche Benennung
des Bodens2); 13) den Düngungszuſtand und Bedarf; 14) die
erforderliche Einſaat an den Hauptfrüchten für den Boden; 15) den
durchſchnittlichen Ertrag bei üblicher Bewirthſchaftung3).
¹⁾ Thaer, Ausmittelung des reinen Ertrags productiver Grundſtücke. §. 14.
Thaer, Ueber große und kleine Wirthſchaften und Werthſchätzung des Bodens.
S. 93. Block Mittheilungen. I. 392. Thaer, Möglin. Annalen. IX. 158.
Deſſelben ration. Landwirthſch. II. 141. v. Flotow, Anleitung zur Fertigung
der Ertragsanſchläge. I. §. 26. Koppe Unterricht. I. S. 105 Auch gehören
hierher die offiziellen Klaſſificationen in verſchiedenen Staaten und Landſchaften.
²⁾ Dieſelbe verändert zwar den Bodenertrag nicht; allein bei einer brauchbaren
Klaſſifizirung iſt ihre Berückſichtigung von Wichtigkeit.
³⁾ Die wirkliche Durchführung einer Klaſſification würde hier zu viel Raum
einnehmen.
[170/0192]
II. Bodenbearbeitungslehre oder Agricultur-
lehre.
A. Von der Bodengeſtaltung (mechaniſchen Agricultur).
§. 139.
1) Urbarmachen des Bodens.
Ehe man die Pflanzgeſchäfte anfangen kann, muß der Boden
zur Pflanzung tauglich d. h. urbar gemacht ſein. Das Urbar-
machen1) kann auf zwei Arten geſchehen, nämlich:
1) Durch Hinwegräumung der auf und in dem Boden vor-
handenen Hinderniſſe des Pflanzenbaues überhaupt. Die auf die-
ſem Wege beurbarten Felder heißt man Neubrüche, Neureuden
oder Roden. Unter die hinwegzuräumenden Hinderniſſe gehören:
a) Bäume und große Sträuche, die man durch kahles Ab-
treiben, durch das Schwenden, d. h. die Tödtung des Baumes
durch Ablöſung eines großen Stückes Rinde am Boden, und durch
das Ausroden hinwegbringt; b) kleine Sträuche, z. B. Hei-
den und Ginſter, die man durch Abmähen und Aufbrechen des
Bodens vertreibt2); c) Flugſand, der nachbarliche Felder zu
bedecken droht, und hieran dadurch verhindert wird, daß man die
Sandflächen in einiger Entfernung von ihrem Ende von der Wind-
ſeite (N. W.) her mit Reiſig bedeckt oder Zäune pflanzt3);
d) große loſe und feſtſitzende Steine, die man durch Ab-
fahren und Sprengen entfernt4); e) ſtehendes Waſſer, welches
nur entfernt werden kann, wenn man ſeine Urſachen kennt. Dieſe
ſind entweder nahe gelegene Gewäſſer, oder unterirdiſche Quellen,
oder Zufließen des Waſſers von Anhöhen auf Flächen und in Ver-
tiefungen. Man kann ſolchen Boden entwäſſern (entſümpfen) durch
Dämme und Ableitungsgräben an den Gränzen des Feldes, durch
Abzugsgräben auf der ſumpfigen Fläche ſelbſt, die man bald über-,
bald unterirdiſch anlegt, oder endlich durch Ausfüllen von Ver-
tiefungen, wenn dieſe nicht gerade ſchon von Natur dazu dienen,
den Boden zu entſümpfen5).
2) Durch Umwandlung einer bisher benutzten Ackerfläche, z. B.
Wieſe, Weide u. dgl. zu anderen Nutzungen. Mürber, leichter
Boden kann ſogleich nach dem Umbruche beſäet werden, unter
Vorausſetzung hinlänglicher vegetativer Kraft. Aber feſter, bün-
diger, ſtark bewurzelter Boden wird erſt durch Verbrennung der
Grasnarbe und Unterackerung der Aſche urbar6). Zum Verbren-
nen iſt jedoch das Abſchälen des Raſens und das Zuſammenſetzen
deſſelben in größere Haufen erforderlich, ſo daß nach demſelben die
[171/0193]
Vertheilung der Aſche erſt geſchieht. Einerſeits verflüchtigt es
zwar viele Nahrungstheile, aber anderſeits zerſtört es die ſchädliche
Grasnarbe plötzlich, macht den Thonboden thätiger, und nimmt
ihm etwas von ſeiner hartnäckigen Waſſerhaltung. Denn das
Product der Verbrennung iſt Aſche, gebrannter Kalk, Gyps und
Salze7).
¹⁾ Ueber das Urbarmachen überhaupt ſ. m. Burger Lehrb. I. 247. Traut-
mann Landwirthſch. L. I. 280. Schwerz belg. Landwirthſch. III. 297. 369.
Thaer ration. Landwirthſch. III. 105. Koppe Unterricht. II. 3.
²⁾ Ueber Urbarmachung des Heidebodens ſ. m. Thaer Annalen der niederſächſ.
Landwirthſch. IV. Jahrg. Stück 2. S. 271. Deſſelben Annalen des Ackerbaues.
II. 479 (auch von jener der Torfmoore). Schnee, Landwirthſch. Zeitung. II. 338.
Ueber die Maſchine zum Fortſchaffen der Erde von Poirier Gilberdrie ſ. m. eben-
daſelbſt. V. 325.
³⁾ Thaer ration. Landwirthſch. III. 123. Man hat auch wegen Bildung
einer Grasnarbe ſchon, im Sande wachſende, Gräſer zu pflanzen, oder ihn mit
Fichtenreiſern mit den Aepfeln zur Beſaamung zu bedecken anempfohlen. S. auch
Schnee Landwirthſch. Zeitung. VI. 93.
⁴⁾ Jetzt erkennt man die kleinen Steine auch allgemein als ein Hinderniß an,
weil ſie den Boden loſe machen, austrocknen, das Pflanzenwachsthum verhindern,
die Bodenbearbeitung erſchweren und die Ackergeräthe verderben. Burger Lehrb.
I. 79. Koppe Unterricht. II. 6. Schnee Landwirthſch. Zeitung. XI. 425.
⁵⁾ Ueber Entſümpfungsanlagen ſ. m. Thaer engl. Landwirthſchaft. I. 221.
II. 1. 11. Deſſelben ration. Landwirthſch. III. 144. Young, The farmers
Calender. (Lond. 1805. VI. Edit.) p. 28. 35. 546. (Underdraiming, engl.)
Thaer Annalen des Ackerbaues. V. 689. Ueber eine durch den Wind bewegte
Entwäſſerungsmaſchine, ebendaſ. VIII. 30. Thaer Möglin. Annalen. XI. 109.
Zum Ziehen der Gräben hat man auch eigene Pflüge (Drain-, Trenching-, Schnitt-
oder Waſſerfurchen-Pflüge). ſ. §. 140. Note 5. Ueber Entwäſſerung ſ. auch Fel-
lenbergs Landwirthſch. Blätter. V. 154. Schnee Landwirthſch. Zeitung. XIII.
194. 259. 391. XIV. 29. 80.
⁶⁾ S. oben Note 2. Young, The farmers Calender. 75. 171. 286. 376. 417.
sinclair Grundgesetze. S. 283. Thaer engl. Landwirthsch. I. 185. (engl.
Paring, Burning, sodburning.) Koppe, Schmalz, Schweitzer und Teich-
mann, Mittheilungen aus dem Gebiete der Landwirthſchaft. I. 194. III. 251
(Brennen der Wieſen). Thaer Annalen des Ackerbaues. III. 748. Man bedient
ſich zum Abſchälen des Raſens eines eigenen Abſchälepflugs und der ſogenannten
Bruſtſchaufel. (Thaer Annalen des Ackerbaues. III. 764. Deſſelben Annalen
der niederſächſ. Landwirthſch. Jahrg. IV. Stück 2. S. 388.) Das Abbrennen ganzer
Waldungen geſchieht noch in Amerika; man haut die Bäume 3 Fuße über dem
Boden ab und zündet die Stumpen an. Solcher Boden ſoll 20–30 Jahre ohne
Dünger fruchtbar ſein. (S. Extracts of Lettres from Poor Persons, who emi-
grated to Canada. Lond. 1831. p. 17. 18. Quart. Review. Tom. 46. p. 367.
Schnee, Landwirthſch. Zeitung. I. 44. 449 (Plaggenhauen). IX. 37 (Raſen-
brennen). XV. 249. André Oeconom. Neuigkeiten. 1815. No. 29.)
⁷⁾ Davy Agrikulturchemie. S. 400. Schwerz belg. Landwirthſch. III. 360.
§. 140.
2) Weitere Bearbeitung des Bodens. a) Ackergeräthe.
Die Vorrichtung des Bodens zur Anpflanzung nach vollendeter
Beurbarung bezweckt die Lockerung, Befeſtigung, Wendung, Rei-
[172/0194]
nigung, Ebenung und Mengung der Ackerkrume. Man bedient ſich
dazu folgender Werkzeuge (Ackergeräthe)1):
A. Der ganz einfachen Hacken oder Hauen, Schaufeln oder
Spaten.
B. Der Eggen, mit hölzernen oder eiſernen Zähnen2).
C. Der Walzen, von Holz, Stein oder Eiſen3).
D. Der zuſammengeſetzteren Pflüge. Folgende Ueberſicht er-
leichtert ihre Unterſcheidung:
1) Der eigentliche Pflug. Man unterſcheidet an ihm:
a) die Schaar, d. h. das ſchaufelförmige, wagerecht ſtehende
und vorne am Pfluge angebrachte Eiſen, in der Form eines gleich-
ſchenkeligen oder (beſſer) rechtwinkeligen Dreiecks; b) das Soh-
lenſtück (Pflughaupt), d. h. das auf dem Boden (Sohle)
gehende Holzſtück, an dem die Schaar befeſtigt iſt; c) den Grin-
del (Pflugbaum), d. h. das zunächſt über dem Sohlenſtücke mehr
oder weniger horizontal angebrachte Holz zur Richtung der Zug-
linie; d) die Griesſäule, d. h. das feſte Band zwiſchen den
beiden Lezteren in der Mitte zwiſchen der Schaarſpitze und dem
Ende des Sohlenſtücks; e) den Sterz (die Handhabe), d. h. ein
oder zwei am hinteren Ende des Pflugs in die Höhe, krumme
auswärts ſteigende Hölzer zur Leitung des Pfluges; f) das
Streichbrett, d. h. ein bald feſtes bald bewegliches, an einer
oder an beiden Seiten des Pfluges gegen den Sterz zu vom Pfluge
ſchief abſtehendes, bald gekrümmtes bald gerades Brett, von dem
die Umwendung der Scholle abhängt; g) das Sech, d. h. ein
ſenkrecht abwärts dicht von der Schaarſpitze aus dem Grindel ab-
ſteigendes eiſernes Meſſer, das den Boden ſenkrecht aufſchneidet
und ſo der Schaar den Weg bahnt; endlich h) das Vorderge-
ſtell, d. h. ein vorne am Pfluge angebrachtes zwei- oder einräderi-
ges Geſtell oder auch eine bloße Schleife (Stelze) zur Erleichterung
der Bewegung und Haltung des Pfluges. Man unterſcheidet nun
nach dem verſchiedenen Vorhandenſein dieſer Pflugtheile die
Schwingpflüge (ohne Vordergeſtell), die Stelzen- und Rä-
derpflüge, die Wendepflüge (mit verſetzbarem [beweglichem]
Streichbrette), die Doppel- oder Leitenpflüge (zwei mit ein-
ander verbundene Pflüge, von welchen man abwechſelnd beim Hin-
und Herfahren den Einen und Andern gebraucht)4).
2) Die Hackenpflüge (Hacken, Aadl), d. h. Pflüge mit
einer Schaar, die ein gleichſchenkeliges Dreieck bildet, mit zwei
aufwärts gekrümmten Streichbrettern, und in der Regel ohne
Sech5).
[173/0195]
3) Die Reinigungspflüge (Cultivatoren). Es gehören
hierher:
a) Die Skarrifikatoren (Schröpfer, Aufkratzer), welche
blos mit mehreren ſcharfen Meſſern (Sechen) verſehen ſind6).
b) Reinigungspflüge mit mehreren größeren oder kleineren
Schaaren, nämlich:
α) Die Hobelpflüge (Entenfüße, engl. skim-ploughs),
mit platten Schaaren.
β) Die Wühlpflüge (Rührpflüge, engl. skuflers), mit
konvexen schaaren; hierher gehören:
a) Die Pferdehacken (engl. Horse-hoes), d. h. Wühl-
pflüge, die ſo ſchmal und mit drei in einem gleichſeitigen Dreiecke
ſo gegeneinander geſtellten Schaaren verſehen ſind, daß ſie zwiſchen
zwei Reihen von Gewächſen durchgezogen werden können7).
b) Die Exſtirpatoren, d. h. breitere mit ſieben bis dreizehn
in zwei Reihen angebrachten Schaaren verſehene Rührpflüge8).
4) Die Drillmaſchinen, d. h. verſchiedenartig conſtruirte
Ackergeräthe zur Ziehung der Furche, regelmäßigen Einlage der
Saat, und zum hinreichenden Bedecken derſelben9).
¹⁾ Beſchreibungen und Abbildungen der Ackergeräthe, ausgenommen in landw.
Zeitſchriften und Monographien, vorzüglich bei Thaer Beſchreibung der nutzbarſten
neuen Ackergeräthe. 3 Hefte. Hannover 1805–1806. 4. und W. Bailey Beſchrei-
bungen der nützlichen Maſchinen und Modellen, welche in dem Saale der zur Auf-
munterung der Künſte ꝛc. errichteten Geſellſchaft aufbewahrt werden. Aus d. Engl.
überſetzt von J. K(ennedy). München (ohne Jahrszahl). gr. 4. Kap. 1–12.
oder S. 1–82. Kürzere Beſchreibungen ohne Abbildungen in Trautmann
Landw. L. I. 336. (mit vieler, zweckmäßig gewählter Literatur); Burger Lehrb.
I. 200. Koppe Unterricht. II. 49. Thaer ration. Landwirthſchaft. III. 10.
Deſſelben engl. Landwirthſch. I. 191. 418. und andere. Ueber die Wichtigkeit
guter landwirthſch. Maſchinen ſ. Thaer Möglin. Annalen. XVII. 474. Schnee
Landwirthſch. Zeitung. III. 121. André Oeconom. Neuigkeiten. No. 48.
²⁾ Die Form der Eggen iſt ſehr verſchieden. Man unterſcheidet die Triangu-
lar- und die viereckige franzöſiſche Eggen, die Vöſendorfer Neuriß- und Flügeleggen,
die belgiſche Eggen, die ſchottiſche Rhomboidaleggen, die Schlangeneggen (Thaer
engl. Landwirthſchaft. I. 255. Deſſelben Annalen des Ackerbaues. VIII. 551.
Schwerz belg. Landwirthſchaft. I. 91. Deſſelben Mittheilungen. S. 168.).
Eggen mit vorwärts gekrümmten Zinken, Quecken- und Straucheggen. Nach
Trautmann findet man auch Beſchreibungen davon in Mehlers Ackergeräth-
ſchaften. I. u. II. Sammlung. (Dresden 1794. 8.) Hierher gehört auch das Ge-
ſchlecht der Harken. Schnee Landw. Zeitung. XIII. 151. (ungar. Eiſeneggen).
³⁾ Die Walzen ſind manchmal auch eckig und mit Stacheln verſehen. Daher
unterſcheidet man auch Stachelwalzen, Keilwalzen (von Gericke), canellirte und
Räderwalzen. Die belgiſche Walze iſt ſehr gut. Auch kennt man in Belgien ein
anderes Werkzeug, das man Schleife nennt (Schwerz belg. Landw. I. 93.),
ferner ein ſogenanntes Mollbrett zur Ebenung des Bodens (Deſſelben Mit-
theilungen. S. 166.). Ueber Saverlands Libellirmaſchine ſ. Bailey S. 116.
⁴⁾ Beſchreibungen von Pflügen ſind zu finden bei Thaer Annalen des Acker-
baues I. 150 (Brandenburg.). III. 169 (Anſpach-Baireuth). II. 369 (Holſtein).
II. 661 (Thüringen). II. 351 (Bailey u. Small'ſche). IV. 326 (Baireuther
[174/0196]
⁴⁾ Voigtland). X. 562 (Baden). XII. 449 (Polen). XII. 577 (Brabant). V. 607
(Pf. mit dopp. Streichbrett). Schnee Landw. Zeitung. I. 16 (Doppelpflug von
Krebs). S. 5 (Stelzenpflug). S. 203 (der Brabanter Pflug). S. 554 (Toskan.
Pflug). III. 109 (Gray's Schwingpflug). V. 129 (Loeſchers Pflug). VI. 77
(3 ſchaar. Pflug von Deſſau ꝛc.). Die berühmteſten, von einander abweichenden, Pflüge
ſind: Der belgiſche, Arbuthnot', oder Small'ſche, Bailey'ſche, Guilleaums'ſche,
Dombasle'ſche, der Aargauer und Norfolker Pflug; und die Doppelpflüge von
Arbuthnot, Duckel, Sommerville, Krebs, und der Doppelpflug aus Leiceſter. Auch
ein ſechsfacher Pflug von Gees, und ein dreifacher von Ducket iſt in oben cit.
Beſchreib. von Bailey S. 17. 26. beſchrieben. Ueber den Calenberger Pflug ſ. m.
Thaer Annalen der niederſächſ. Landwirthſch. Jahrg. IV. Stück 3. S. 33.
⁵⁾ Zu dieſen gehört der flandriſche Cultivator, der belgiſche Streichhacken
(Schwerz belg. Landw. I. 94.), die böhmiſchen Hacken (nach Trautmann in
Mehler beſchrieben), der meklenburgiſche (Thaer Annalen des Ackerbaues. X. 382.),
der ſächſiſche (Koppe, Schmalz ꝛc. Mittheilung. III. 169.), liefländiſche, und der
ſchleſiſche Rühr-Hacken, die preuß. Zogge, der Karrhacken, und die Stagutte
(Thaer Möglin. Annalen. Supplem. X. 413.). Zum Theile hierher, zum Theile
in die Note 4. gehören die Schnittpflüge und die Furchenzieher, unter denen beſon-
ders Lamberts Maulwurfspflug, Gray's Waſſerfurchenpflug, die Draimpflüge von
Knowle und Makie, der Trenchingpflug des Herrn Ducket, der Heidepflug und
Diſtelſchneider von H. Ringroſe, der Drainpflug von Clarke, welche größtentheils
von Bailey beſchrieben ſind. S. auch Thaer Annalen der niederſächſ. Landw.
Jahrg. IV. Stück 2. S. 388. Schnee Landw. Zeit. XII. 62.
⁶⁾ Der Scarrificator von Joh. Winn. Baker iſt bei Bailey S. 146. beſchrie-
ben, die Cultivatoren des Herrn de Chateau Veaux S. 133. 134. Thaer Annal.
des Ackerbaues. III. 745. André Oeconom. Neuigkeiten. 1811. No. 55 (Fiſcher's
Eilpflug).
⁷⁾ Hierher gehört die ſchottiſche Pferdehacke, Wilkie's Pferdehacke mit einer
Egge, Lloyd's Pferdehacke mit einer Egge, welche man beide auch Exſtirpatoren
nennt: die Pferdehacke von H. Hewet zur Vertilgung von Unkraut, Abſchälung von
Waſen und Abſchürfen der Ameiſenhaufen, bei Bailey. Ueber den Schaufelpflug
ſ. m. Thaer Annalen des Ackerbaues. V. 607. IX. 565., deſſen Verbeſſerung durch
Thaer ebendaſ. II. 494. Ueber den leichten Anhäufelpflug (Kartoffelhacke) ebendaſ.
V. 607. IX. 564. Fellenbergs landw. Blätter. I. 85. III. 83. André Oeconom.
Neuigkeiten. 1814. No. 58 (Fiſcher's Cultivator).
⁸⁾ Thaer Annalen des Ackerbaues. I. 399. V. 608. VII. 293 (Ausquecker).
Rüder Landwirthſch. Zeitung. Jahrg. 1833. S. 56 (Scarrificator von Fleck).
S. 93 (Beatſons Schröpfer). André Oeconom. Neuigkeiten. 1811. No. 5. 1814. No. 44.
⁹⁾ Es gehört auch hierher die eigentliche Säemaſchine. S. über dieſe Drill-
maſchine §. 144. Ueber die Kleeſäemaſchine von Bieraki bei Thaer Möglin.
Annalen. VI. 615. XI. 277. Ueber eine Rübſaamen- und eine Kleeſaamen-Säe-
maſchine auch Fellenbergs landwirthſch. Blätter. III. 113. 116., Getreide-
ſäemaſchine IV. 139., die Hofwyler Säemaſchine V. 99. Ueber den Säepflug von
Arter ſ. m. die Vaterländ. Blätter. Jahrg. 1815. No. 63–65. Ueber Ugazy's
Säemaſchine André a. a. O. 1815. No. 30. 32. und über Jordan's Saategge.
1813. No. 60.
§. 141.
Fortſetzung. b) Bearbeitung mit dieſen Geräthen.
Das Ebnen und Reinigen des Bodens geſchieht mit der
Egge, Walze und den Reinigungspflügen1); das Befeſtigen
deſſelben durch die Walze2); das Lockern und Mengen vermit-
telſt der Eggen, Skarrifikatoren und Extirpatoren, wovon die bei-
den Lezteren ſo konſtruirt ſein müſſen, daß jedes Meſſer einen
beſondern Strich macht, was aber bei der Egge bewirkt wird,
[175/0197]
indem man den Zugpunkt ungefähr im 4ten oder 3ten Theile einer
der 4 Seiten derſelben anbringt. Ein hoher Grad von Schwere
und Bindigkeit des Bodens erfordert entweder eiſerne Eggenzähne,
ganz eiſerne Eggen oder die Anwendung der beiden anderen In-
ſtrumente3). Die Wendung des Bodens geſchieht mit den
Pflügen, deren Güte nach der Vollſtändigkeit ihrer Leiſtung be-
meſſen wird, welche darin beſteht, daß eine gleiche, gerade, reine
Furche gebildet und der abgeſchälte Erdſtreifen vollſtändig umge-
kehrt wird4).
¹⁾ Ueber das Eggen und Walzen vorzüglich Thaer engl. Landwirthſch. I. 214.
Koppe Unterricht. II. 83., die in Note 3 des §. 142. cit. Schriften. Block Mit-
theilungen. I. 6. 12. Schnee Landw. Zeitung. IX. 332. und über Ackerbeſtellung
im Allgemeinen IX. 180. Man unterſcheidet das gerade- und krummlinige, und
bei jenem wieder das zwei-, vier- und ſechszähnige Eggen, je nachdem man blos
nach der Länge, nach der Länge und Quere, und nach dieſen beiden und noch ein-
mal nach der Länge das Feld übereggt. Die Wahl hierin trifft man nach der Art
und vorherigen Bearbeitung des Bodens. Man bedient ſich dazu am beſten der
Pferde, weil es ſchneller geht als mit Ochſen, deren Geſchwindigkeit ſich zu jener
der Pferde ungefähr dabei wie 2:4 verhält. Das Arbeitsmaaß im Eggen wechſelt
nach der Art deſſelben, nach der Art und Vorrichtung des Bodens, nach der Form
des Feldes, nach der Art der Zugthiere, nach der Breite und Schwere des Inſtru-
ments ſo wie des Ackers. Iſt die Diagonale der Egge 8', und die Breite des
Feldes 3° 2', alſo die Länge des preuß. Morgens 56° 2' 5'', ſo läuft dieſelbe
rund 169° (3x56° 2' 5'') lang bei einmaligem Ueberfahren, und braucht dazu,
wenn man 1000° auf 1 Stunde rechnet [FORMEL] Stunden oder 10½ Minuten,
und, wenn man 4½ Minuten fürs Umwenden und Putzen rechnet, ¼ Stunde
Zeit, folglich für 4 Morgen bei einmaligem Uebereggen 1 Stunde mit zwei Pferden.
Man kann daher in einem Tage
von 12 Stunden 48 Morgen 1 mal und 8 Morgen 6 mal übereggen.
11 " 44 " " " 7,3 " " "
10 " 40 " " " 6,6 " " "
9 " 36 " " " 6, " " "
8 " 32 " " " 5,3 " " "
7 " 28 " " " 4,6 " " "
Es iſt leicht hiernach die ungefähren Mittelſätze nach Proportion zu berechnen.
Rund eggt man mit 4 Pferden nach Thaer je nach der Bindigkeit des Bodens
14–16 Morgen täglich. Karbe nimmt 16–24 M. als Maaß an. Setzt man
nun 16. 18. 20. 22. 24., ſo eggt man ſo viel rund als in einem 8. 9. 10. 11.
12 ſtündigen Tage zweimal gerade.
²⁾ Nach Thaer und Meyer walzt man mit 2 Pferden täglich 20 Morgen.
Nimmt man, da dieſe Angabe unbeſtimmt iſt, die Dimenſionen von Note 1. an,
ſo braucht man, wenn für 20 Morgen 10 Arbeitsſtunden angenommen werden,
½ Stunde zum Ueberwalzen eines Morgens, oder ſo viel als zweimaliges Eggen.
³⁾ Mit einer Pferdehacke bearbeiten nach Burger 2 Menſchen mit 1 Pferd
in einem Tage von 9 Stunden 6,7 pr. Morgen, nach Thaer 6 Morgen, nach
Klebe mit 2 Pferd. 4 Morgen Kartoffelland, nach Schmalz 3–4 Morgen;
mit einem 6 ſchaarigen Extirpator bearbeiten 2 Perſonen mit 1 Pferd nach Thaer
12–15 Morgen, mit dem 7 ſchaarigen Extirpator und 2 Pferden nach Burger
6,7 Morgen; mit dem 11 ſchaarigen großen Extirpator nach Thaer 2 Menſchen
mit 4 Pferden 18 Morgen, und mit dem kleinen 1 Menſch mit 2 Pferden 10
Morgen, nach Burger aber 10,15 Morgen; mit dem Schnittpfluge, der 2 Furchen
unter einander zieht, bearbeiten 3 Pferde 2½ Morgen nach Thaer; mit der
Drillmaſchine aber 2 Menſchen mit 1 Pferd 10–12 Morgen. Thaer rat. Landw.
I. 135. Burger Lehrb. II. 341. Klebe, Ueber Gemeinheitstheilungen. I. 220.
[176/0198]
⁴⁾ Unter der großen Anzahl von Pflügen iſt der belgiſche oder Schwerzi-
ſche der beſte. J. N. Schwerz, Anleit. zur Kenntniß der belg. Landw. I. 81.
Deſſelben landw. Mittheilungen. I. 160. Wo man den Pflug nicht anwenden
kann, wird das Land umgegraben; die Größe der Leiſtung richtet ſich unter übrigens
gleichen Umſtänden nach der Feſtigkeit des Landes und der Tiefe des Grabens. Ein
Mann vermag umzugraben in einem Arbeitstage
v. 9 Stunden v. 10 Stund. v. 11 Stund.
in zähem Thonboden 7° ̺͆ 7½° ̺͆ 8¼° ̺͆
in zähem Lehmboden 9° ̺͆ 10° ̺͆ 11° ̺͆
in zähem Sandboden 11¼° ̺͆ 12½° ̺͆ 13¾° ̺͆
Eine Frau aber überall ungefähr 2–3° ̺͆ weniger.
§. 142.
Fortſetzung. Das Pflügen insbeſondere.
Was insbeſondere das Pflügen betrifft, ſo hat man dabei
zu unterſcheiden: 1) Die Tiefe deſſelben. Sie richtet ſich nach
der Beſchaffenheit des Bodens und nach der Natur der Pflanzen;
nach der Lezteren, in ſoferne als die Pflanzen verſchieden zart und
ihre Wurzeln verſchieden lang ſind, nach der Erſteren, in ſoferne
als der Boden verſchieden tief und der Untergrund verſchiedenartig
iſt. Die eigentliche Dammerde muß ſtets umgepflügt werden, der
Untergrund iſt aber nur dann aufzupflügen, wenn er die Acker-
krume verbeſſern kann und ſoll, oder wenn er der Pflanzenwurzeln
wegen gelockert werden muß1). 2) Die Form der Ackerfläche
durch das Pflügen. Man pflügt im Allgemeinen entweder zuſam-
men, wenn der Acker durch zwei Furchen begrenzt ein gewölbtes
Beet bilden ſoll, oder auseinander, wenn er in der Mitte durch
eine Furche getheilt zwei nach entgegengeſetzten Seiten der Quere
abhängige Beete bildet. Man hat aber noch beſondere andere
Formen davon2). Die erforderliche Form des Pflügens richtet
ſich nach der Lage und phyſiſchen Beſchaffenheit des Bodens. Die
Vertheilung der fruchtbaren Erde und die Ableitung des Waſſers
beſtimmt die Wahl der Form. Denn was hierin von der Natur
verſagt iſt, ſoll durch das Pflügen bewirkt werden. 3) Die Zeit
des Pflügens. Zu jeder neuen Frucht iſt daſſelbe nöthig. Ob der
Boden hierzu mehr als einmal gepflügt werden ſoll, hängt davon
ab, ob die Lockerung, Wendung und hierdurch die Sättigung des
Bodens aus der Luft und den Düngemitteln nach einer Pflügung
hinreichend iſt oder nicht3). Es beruht hierauf das Weſen der
Brache.
¹⁾ Man unterſcheidet mit Burger ein ſeichtes (5'' tiefes), mittleres (6''
tiefes) und tiefes Pflügen (über 6'' tief), aber mit Thaer ein flaches (2–4''
tiefes), ein mittleres (4–7'' tiefes), tiefes (8–12'') und ein noch tieferes
(das ſogenannte Rajolen). Burger Lehrb. I. 227. Thaer rat. Landw. III. 89.
[177/0199]
¹⁾ Das Ruſchottiren iſt nur eine Anwendung des Rajolens. S. Note 2. Ueber die
Tiefe des Pflügens ſ. m. auch Schnee Landw. Zeit. IV. 46. 231. 246. 306.
X. 104. 127. 225. Rüder Landw. Zeit. Jahrg. 1833. S. 201 (Riolen). Young
Annalen. III. 58.
²⁾ Eine ſehr ſchöne Darſtellung der verſchiedenen Pflügformen gibt Schwerz
belg. Landw. I. 100–166. und Thaer rat. Landw. III. 64–105.
³⁾ Ueber die Pflugarbeit ſehe man auch noch: Thaer engl. Landw. I. 198.
Koppe Unterricht. II. 66. Trautmann Landw. L. I. 346. Crud Oeconomie
der Landw. (aus dem Engl. überſ. von Berg). Leipzig 1823. S. 176. 183.
Gerike Anleitung. II. §. 210. Young The farmers Calender. 538–553.
v. Reider Landw. L. §. 61–65. Gejer Landw. L. §. 17. 20–22. Block
Mittheilungen. I. S. 14–30. Thaer Annalen des Ackerbaues. I. 574. V. 382.
VII. 278. 299. VIII. 656. Young Annalen. I. 28 (Kraft z. Pflugziehen).
§. 143.
Fortſetzung. Die Brache.
Unter Brache verſteht man den Zuſtand eines Feldes, ver-
möge deſſen es ein Jahr mehrmals blos gepflügt, geeggt und ſonſt
bearbeitet wird, um es für die nächſte Fruchtfolge vorzubereiten.
Dieſelbe iſt verwerflich; denn 1) ſie kann nach einer 2–4 maligen
Beackerung, während welcher der Boden gar nichts erträgt und
ſich die Nahrungstheile oft verflüchtigen, die Zinſen des Capitals
von 2 Jahren nicht erſtatten; 2) ein mürber Boden bedarf einer
ſo häufigen Wendung und Lockerung gar nicht, der bindige Thon-
boden wird durch ſie doch nicht völlig gewendet und gelockert, und
der nämliche Zweck kann durch die Anpflanzung behackter Früchte
erreicht werden1); 3) die Nahrungstheile, welche der Boden durch
die Brache gewinnen ſoll, werden während der Lezteren keiner
Pflanze außer dem Unkraute zugeführt. Dieſelbe iſt alſo nur als
Folge der Nothwendigkeit in denjenigen Gemeinden zu halten, wo
es der Felderverband erheiſcht, oder bei Feldſtücken, welche der
Entfernung wegen nicht in die ganze Fruchtfolge jedesmal auf-
genommen werden können. Die Bracharbeiten beſtehen a) im
Stürzen, b) im Wenden, c) im Rühren und endlich d) im Saat-
ackern2). Alle vier müſſen den Boden aus verſchiedenen Tiefen
aufackern. Das Erſte geſchieht am beſten entweder ſogleich nach
der Ernte oder im Herbſte; das Zweite im Herbſte oder Frühling;
das Dritte kann oft ganz unterbleiben, und das Vierte geſchieht
beim Säen. In feuchtem Klima geht man im Herbſte beim Stür-
zen nur ſeicht, in trockenem Klima aber tief in den Boden, damit
er ſich im erſten Falle nicht verſäure und im zweiten nicht ver-
trockne. Im Frühjahre findet das Umgekehrte Statt, wenn man,
wie es faſt allgemein fehlerhaft geſchieht, alsdann ſtürzt3).
¹⁾ Daher ſpricht man (uneigentlich) auch von einer bebauten, behackten,
beſömmerten oder Sömmerungsbrache.
Baumſtark Encyclopädie. 12
[178/0200]
²⁾ Ueber die Brache ſehe man beſonders: Trautmann Landw. L. I. 357.
Burger Lehrb. I. 237. Block Mittheilungen. I. 1. Schwerz belg. Landw.
I. 251. Thaer engl. Landw. I. 229. Deſſelben rat. Landw. I. 295. Deſ-
ſelben Annalen des Ackerbaues. II. 16. 29. 316. 493. V. 126. 373. 28 (entſtand
zwiſchen dem 17. u. 18ten Jahrhundert). VII. 297. XII. 216. Ueber den Bau
der Brachfrüchte XII. 216. Schnee Landw. Zeit. III. 292. 553. IV. 244. 404.
VI. 133. VII. 212. IX. 13. X. 306. XV. 75. vrgl. mit S. 49. Koppe Unter-
richt. I. 199. Sinclair Grundgeſetze. S. 301–12. Young The farmers Ca-
lender. 411. 471. 523. Deſſelben Annalen. III. 107. 203. 219.
³⁾ Nach dem Bisherigen ſind die Ausdrücke Dreiſchpflügen (Dreiſch = mehr-
jährig öde gelegenes Land), Brachpflügen, Sturzpflügen, Wendepflügen, Rühr-
pflügen und Saatpflügen leicht erklärbar. Das Pflügen iſt daher verſchieden ſchwer
nach der Art des Bodens (Klay-, Lehm- und Sand-Boden) und des Pflügens
ſelbſt. In gleicher Zeit arbeiten überhaupt dabei 2 Pferde ſo viel als 3 Ochſen.
Man vermag mit ihnen an einem Tage von 7–10 Stunden Arbeitszeit pflügen
auf Klayboden auf Lehmboden auf Sandboden
in der Dreiſchfurche 0,03 bis 1,30 pr. M. 0,66 bis 1,66 pr. M. 1,51 bis 2,00 pr. M.
in der Brachfurche 1,08-1,35 " 1,52-1,94 " 1,77-2,33 "
in der Wende-, Rühr-
und Sturzfurche 1,40-2,00 " 1,75-3,00 " 2,10-3,00 "
in der Saatfurche 1,24-1,77 " 1,55-2,22 " 1,86-2,60 "
Zwei Ochſen arbeiten alſo ungefähr immer ⅓ weniger als 2 Pferde. Bei einem
Geſpanne von Wechſelochſen hat man blos den Vortheil, daß man länger arbeiten
kann, indem die Ruheſtunden für die Thiere hinwegfallen.
§. 144.
Fortſetzung. Die Drill- oder Pferdehackenwirthſchaft.
Außer der gewöhnlichen Ackerbeſtellung mit Pflug, Egge und
Walze iſt beſonders auf großen Landgütern eine andere mit den
complizirteren Ackergeräthſchaften eingeführt. Sie iſt die Beſtel-
lung mit den Pferdehacken und den Drillmaſchinen1). Vor 100
Jahren (a. 1733) machte Yethro Tull, ein berühmter Englän-
der, eine Schrift2) bekannt, worin er zu zeigen ſuchte, daß der
Dünger durch Auflockerung der Ackerkrume und Anziehung der
Pflanzennahrung aus der Luft den Boden befruchten helfe. Da
man nun daſſelbe auch ohne Düngung durch die ſorgfältige Locke-
rung und Wendung des Bodens bewirken könne, ſo ſäete er den
Weitzen in dicke Reihen, die drei Fuße aus einander ſtanden, ſehr
ſorgfältig und bearbeitete dieſe Zwiſchenräume öfters mit einem
Cultivator, d. h. einem kleinen leichten Pfluge. Dadurch gewann
er zwei Dritttheile an der Saat, und zog eine viel bedeutendere
Ernte als die anderen Landwirthe bei ihrer üblichen Wirthſchaft.
In kleineren Wirthſchaften beſtellte man das Feld in nicht einmal
halb ſo dichten (9–12'') Reihen und bearbeitete es mit den
Handgeräthen durch Behacken, Reinigen und fleißiges Jäten. Bald
that man dies im Großen mit Maſchinen, wo es ausführbar war,
und nannte dieſe dritte Bauart auch noch Drill- und Pferde-
[179/0201]
hackenwirthſchaft3). Namentlich beim Baue der Getreide und
Hülſenfrüchte wendet man ſie an. Man hat beſonders zwei Ma-
ſchinen im Gebrauche, eine von Cook und eine von Ducket4).
Dieſer hat den Furchenzieher (mit 5 ſechartigen, umſchraub-
baren Meſſern), der 9 bis 18 Zoll von einander entfernte Furchen
für die Saat zieht (Drillpflug), die Säemaſchine, welche durch
Tuten den Saamen in 5 Rillen und von dieſen in jene 5 Furchen
bringt, die Egge und die Walze getrennt. Die Drillmaſchine des
Erſteren vereinigt den Furchenzieher und Säekaſten auf eine ſehr
zweckdienliche und dauerhafte Art. Die Pferdehacken, womit,
wenn die Saat nur zwei bis drei Zoll hoch heraus iſt, der Boden
bearbeitet wird, gehören in die Klaſſe der Aufkratzer und Wühl-
pflüge (§. 140.), und werden bei beiderlei Maſchinen angewendet.
Dieſe Drillwirthſchaft, welche beſonders auch an A. Young, der
darüber die ſorgfältigſten Verſuche angeſtellt hat, einen mächtigen
Gegner fand, iſt wegen der Müheſeeligkeit der Arbeiten, wegen
der unumgänglichen Nothwendigkeit der ſorgfältigſten Aufſicht auf
das Drillfeld und wegen der großen Pünktlichkeit in Bezug auf
die Zeit, wenn man mit der Pferdehacke, Handhacke und Schau-
fel zur Hand ſein muß, eine mißliche und gewagte Einrichtung.
Daher wird ſie bei ſehr vorgeſchrittener Landwirthſchaft für einen
ſehr aufmerkſamen land- und kapitalreichen Landwirth in demſel-
ben hohen Grade vortheilhaft und vergnüglich, als unter den ent-
gegengeſetzten Verhältniſſen nachtheilig und drückend ſein5).
¹⁾ Der Name kommt vom Engl., wo to drill, Löchermachen heißt und
alſo anzunehmen iſt, daß man urſprünglich Löcher ſtach und die Saamen in dieſe
hineinwarf. Wegen der Müheſeeligkeit dieſer Arbeit hat Tull unſtreitig ſchon
Hand- und Pferdemaſchinen (den Drillkarren und Cultivator) angewendet. Später
aber machte die engere Ackerbeſtellung die zeiterſparende Anwendung größerer Ma-
ſchinen möglich. Beſondere Verdienſte um Verbreitung, Verbeſſerung und Prüfung
dieſer Wirthſchaft haben ſich Du Hamel de Monceau in Frankreich, De Chateau-
vieux in der Schweitz, D'Ebene, und die Engländer Anstruther, Anderdon und
Young erworben.
²⁾ Sie führt den Namen: Horse-hewing-husbandry (Pferdehackenwirthſchaft).
³⁾ Die Wirthſchaft mit Säemaſchinen und mit Pferdehacken wird, wie ſpäter
öfters gezeigt werden ſoll, jetzt auf großen Wirthſchaften häufig angewendet. Daher
verſteht man unter der Pferdehackenwirthſchaft nicht immer die Drillwirthſchaft,
z. B. bei Kartoffeln, Mais, Rüben u. dgl. Das Charakteriſtiſche der eigentlichen
Drillwirthſchaft iſt halbe Brache.
⁴⁾ Der Ducket'ſche Drillpflug, ſo wie die Egge, Walze und Pferdehacke
wird von einem Pferde gezogen, die Säemaſchine aber blos von einem Menſchen
geſchoben, da die Leztere ein Karren mit zwei Rädern iſt. Der Drillpflug des
Herrn Willey, der in Bailey's Beſchreibungen nebſt jenen von Gainsborough,
Beſtland und Arbuthnot beſchrieben und abgebildet iſt, drillt, ſäet und eggt
zugleich, um den Saamen zu bedecken. Die von Sc. Mourgue verbeſſerte Drill-
maſchine drillt, ſäet, düngt und walzt zugleich. Ueber den Drillkarren oder die
Handdrille ſ. m. Thaer Annalen des Ackerbaues. IX. 566. Ueber die Drillmaſchine
12 *
[180/0202]
⁴⁾ von Cooke und Winter ſ. m. Young Annalen des Ackerbaues (überſetzt von
I. Riem). I. Anhang. Ueber die Young'ſche III. 82.
⁵⁾ Ueber die Drillwirthſchaft ſ. m. Thaer engl. Landwirthſchaft. I. 404.
III. 218. Deſſelben rat. Landw. IV. 98. A. Young The farmers Calender.
p. 530. Schwerz belg. Landw. I. 279 (obgleich ſie in Belgien nicht üblich iſt).
Trautmann Landw L. I. 383. Sinclair Grundgeſetze. S. 416. Thaer
Annalen der niederſächſ. Landw. Jahrg. VI. Stück 3. S. 1 (Verſuche von a.
1797–1803). Deſſelben Annalen des Ackerbaues. III. 747. V. 8 (ſchon im
alten Indien und Perſien). Schnee Landw. Zeitung. II. 401. III. 118. XV. 396
(nach Sinclair's Schrift: On drilling). Young Annalen. II. 153. 247.
B. Von der Bodenmiſchung (chemiſchen Agricultur).
§. 145.
1) Verſchiedene Mittel der Miſchung. a) Dünger.
Die chemiſche Agricultur bezweckt, die Beſtandtheile des Bo-
dens durch Hinzufügung von neuen zu verbeſſern. Die neuen Zu-
ſätze ſind:
a) Der Dünger, d. h. chemiſch zerſetzte (verweste) pflanzliche
und thieriſche Stoffe und Abfälle1). Unter den Dünger gehören
daher:
1) Die verſchiedenen Arten des Miſtes, d. h. einer Verbin-
dung der thieriſchen Excremente mit Pflanzenfaſern. Unter den
thieriſchen Excrementen gebraucht man die Auswürfe der Menſchen,
des Hornviehes, der Schaafe, der Pferde, der Schweine und des
Geflügels. Unter pflanzlichen Stoffen, die man damit mengt,
zählt man hierher das Stroh, Laub, Schilf, Heidekraut, die
Heidenplaggen, Farnkräuter, Oelkuchen, den Teichſchlamm, Tang,
Torf, Ruß, Malzſtaub, die Gerberlohe und Modererde. Es iſt
nicht gleichgiltig, wie der Miſt bereitet wird. Die Lage und Form
der beſonders gewählten Miſtſtätte darf den Miſt weder zu großer
Trockenheit, noch zu großer Näſſe ausſetzen, aber auch der Luft
nicht zu ſehr Preis geben. Sehr wichtig iſt das ſorgfältige Zu-
ſammenſchlagen, öftere Umſtechen und Begießen mit Flüſſigkeit.
Mit ihm in einer Grube, oder getrennt von ihm iſt der Harn,
d. h. die friſche von den Thieren gelaſſene Flüſſigkeit, die Jauche
(Pfuhl), d. h. die aus dem Miſte ſich abſondernde dünne Flüſſig-
keit, die aber ſchon Auflöſungen feſter Auswürfe enthält, und die
Gülle, d. h. eine Jauche, die ſchon größere feſte Stücke von
Excrementen mit ſich führt2).
2) Die verſchiedenen thieriſchen Stoffe allein, wozu z. B. auch
noch Blut, Aas, Hornſpähne u. ſ. w. zu zählen ſind. Da ſie ſehr
raſch in Verweſung übergehen, ſo muß man dieſem durch Trocknen
oder Begießen mit Waſſer zuvorkommen3).
[181/0203]
3) Die verſchiedenen pflanzlichen Stoffe im grünen, trockenen
oder vermoderten Zuſtande allein. Die grüne Düngung beſteht
darin, daß man entweder von ſelbſt gewachſene oder künſtlich auf
dem Boden gezogene Pflanzen umpflügt. Weil die Pflanzen auch
Luft und Waſſer als Nahrung in ſich aufnehmen, ſo baut man,
da die übrige Nahrung dem Boden ſelbſt angehört, zu dieſem Be-
hufe Pflanzen, die meiſtentheils ihre Nahrung aus der Luft ziehen
und viele Säfte haben, d. h. Pflanzen mit dicken breiten Blättern
und ſaftigen Stengeln, als die Lupine, Wicken, Erbſen, den
Spörgel und Buchweitzen, die Kleearten, Luzerne und Eſparſette.
Die trockene pflanzliche Düngung iſt nicht vortheilhaft, weil
ſolche Stoffe, wie Stroh, Laub, Schilf, Heidekraut u. dgl. ſich
ſchwer zerſetzen und wenig Auflösliches enthalten. Vor ihrem
Gebrauche als Dünger muß daher für ihre Zerſetzung hinreichend
geſorgt, oder ſie müſſen darum mit thieriſchen Stoffen vermengt
ſein (N. 1.). Größtentheils oder ganz vermoderte Düngung,
wie z. B. Moder und Teichſchlamm, iſt ſchon ſo weit zerſetzt, daß
man ſie nach einigem Ausgeſetztſein in der Luft ſogleich anwenden
kann. Torf (noch unaufgelöster Humus) und ſaurer Humus ſind
aber als ſolche noch nicht mit Vortheil zu gebrauchen, ehe man
ſie mit kaliſchen Subſtanzen, z. B. Kalk, Aſche, zum Behufe der
Beſchleunigung der Zerſetzung und zum Behufe der Entſäurung
vermengt hat4).
¹⁾ Der Begriff von Dünger iſt vielfach, z. B. auch von Burger, aber nicht
von Trautmann, unrichtig aufgefaßt. Blos ſolche Stoffe können Dünger werden,
welche fähig ſind, als Humus den Pflanzen ſelbſt Nahrung zu geben, alſo nur
organiſche Stoffe. Er iſt daher von den Reitzmitteln und Mengſtoffen, die die
Erhöhung der Bodenthätigkeit und Miſchung der Ackerkrume erzielen, wohl zu un-
terſcheiden. Trautmann Landw. L. I. 302. Vieles Aufſehen hat erregt das
Syſtem von A. Beatſon, neues Ackerbauſyſtem ohne Dünger, Pflug und Brache,
aus dem Engl. überſetzt von Haumann Ilmenau 1829. 2te Aufl. 1830. Ein
Nachtrag dazu, überſetzt von Mayer. Wien 1830.
²⁾ Die Zerſetzung des Miſtes hängt von mäßigem Zutritte der Luft, Wärme
und Feuchtigkeit ab. Je zuſammengeſetzter der organiſche Stoff, deſto ſchneller ſeine
Zerſetzung. Daher gehen animaliſche Stoffe ſchneller als vegetabiliſche in Ver-
weſung über, und ſind jene zu Dünger brauchbarer als dieſe. Eine Mäßigung der
Fäulniß, um den Dünger nachhaltiger zu machen, wird daher durch eine zweck-
mäßige Mengung dieſer beiden Stoffe bewirkt. Dieſelbe geſchieht entweder ganz
bis zur Ausfuhr im Stalle ſelbſt, zu welchem Zwecke man hinter dem Viehe einen
breiten vertieften Raum anbringt (Schwerz belg. Landw. II. 302. Thaer An-
nalen des Ackerbaues. VIII. 495.) oder nach periodiſcher Streuung mit jenen
Pflanzenſtoffen im Freien auf einer eigenen Dungſtelle. Trotz der großen Vortheile
der erſten Methode vor der Letzteren iſt ſie bei großem Düngerbedarfe ohne jene
Vorrichtung nicht immer ausführbar. Zur Abſonderung des Urins führen beſondere
Kanäle oder Gräben in ausgemauerte und cementirte Behälter. Aber die Dünger-
bereitung ſelbſt kann deſſelben nicht entbehren, denn er gibt dem Streumateriale
die Eigenſchaft, mehr Feuchtigkeit aus der Luft anzuziehen. Die menſchlichen
Excremente ſind als Dünger am ſtärkſten und ſchnellſten wirkſam. Jene des
[182/0204]
²⁾ Hornviehes, verſchieden nach Sommer- und Winterfütterung, ſind weniger
kräftig, aber leichter mit der Streu vermiſchbar und ſo nachhaltiger wirkſam. Die
der Schaafe wirken heftig, aber nicht andauernd und ſind ſchwierig mit Streu
vermiſchbar. Die Auswürfe der Pferde, Eſel und Maulthiere ſcheiden bei
ihrer Verſetzung mit Streu ſehr viel Wärme aus und ſind als Dünger anhaltender
wirkſam als Schaafsexcremente. Die Auswürfe der Schweine ſind ſehr wenig
Wärme entwickelnd, ſehr waſſerhaltig, langſam zerſetzlich und ſehr unwirkſam auf
dem Felde. Das Gegentheil gilt von jenen des Geflügels, die aber der Menge
nach nicht ſehr bedeutend ſind. Von den vegetabiliſchen Stoffen iſt Stroh das am
leichteſten zerſetzliche Streumaterial, nach ihm folgt das Baumlaub; Schilf und
Farnkraut iſt ſehr leicht zerſetzbar; Heidekraut und Heideplaggen aber
für ſich ſehr ſchwer; Gerberlohe iſt begreiflicher Weiſe ſehr unwirkſam, als ſehr
trockene, ſchwer auflösliche Holzfaſer; Tang, d. h. ans Ufer geworfene Seepflanzen,
verwest ſehr leicht und iſt nach Sinclair (Grundgeſetze S. 43.) ſehr wirkſam;
Oelkuchen und Malzſtaub ſind wegen des Gehaltes an Schleim und Zucker
ſehr vortheilhaft; der Ruß (Kohle, brenzliches Oel und Eſſigſäure) zerſetzt ſich
ſchnell und vertreibt das kleine Ungeziefer, auf die Oberfläche geſtreut. M. ſ. über
dieſe Gegenſtände auch Thaer Annalen des Ackerbaues. I. 129. 670. IV. 682.
VII. 302. IX. 221 (Eſelsmiſt, Federviehmiſt). IV. 451 (Hühnermiſt). II. 613
(Schaafmiſt). XI. 460 (Schorrmiſt). VI. 300. IX. 620 (Streuſurrogate). I. 316.
und III. 791 (Tang). Deſſelben Möglin. Annalen XXVII. 570 (Analyſe des
Kuhmiſtes von Morin). Deſſelben Annalen der niederſächſ. Landw. Jahrg. IV.
Stück 1. S. 176. und Annalen des Ackerbaues I. 671. IX. 622 (Modder).
Schnee Landwirthſch. Zeitung. II. 277. 511. 570. III. 402. 472. 605. IV. 70.
Schnee Landwirthſch. Zeitung. VI. 17. 69. 115. 169. 504. 265 (Dünger).
VII. 247. 477 (Kohlenſtoff). VIII. 475 (Torfaſche). X. 306. 397. 405 (Dünger-
arten). XIII. 161. Rüder Landwirthſch. Zeitung (Fortſetzung von Schnee).
Jahrgang 1833. S. 169. 225.
³⁾ Beſonders Menſchenexcremente trocknet man allein oder gemiſcht mit Mer-
gel, und ſtreut ſie als Pulver auf die Felder. Das iſt in China ſchon lange der
Ta-fö und in Frankreich die Poudrette. In Toskana gießt man dieſe Subſtanz
mit vielem Waſſer gemiſcht über die Pflanzen. Burger Lehrbuch. I. 103.
Trautmann Landw. L. I. 312. Schnee Landw. Zeitung. V. 321.
⁴⁾ Dies iſt die älteſte und natürlichſte Düngung. Thaer Annalen der
Fortſchr. der Landw. I. 250. v. Voght, Ueber manche noch nicht genug gekannte
Vortheile der grünen Bedüngung. Hamburg 1834. Schnee Landwirthſch. Zeitung.
IX. 409. X. 97. 104. Man ſehe aber über die Düngung überhaupt: Thaer rat.
Landw. II. 173. Crud Oeconomie. S. 165. Schwerz belg. Landw. III. 354.
und Deſſelben Mittheilungen. I. 100. Gerike Anleitung. II. §. 192 folg.
Thaer engl. Landw. I. 120. Koppe Unterricht. II. 90. Trautmann Landw.
L. I. 300. Burger Lehrbuch. I. 88. Young The farmers Calender. p. 48. 168.
185. 244. 313–320. Block Mittheilungen. I. 211. 242. v. Reider Lehrb.
§. 69–93. Schwerz prakt. Ackerbau. I. 47 folg. Geier Lehrbuch. S. 18.
I. 2. v. Hazzi, Ueber den Dünger. München 1829 (5te Ausgabe). Gazeri,
Neue Theorie des Düngers, überſ. von Berg. Leipzig 1823. Leuchs, Vollſtänd.
Düngerlehre. Nürnberg 1833 (2te Aufl.). Seutter, Theorie der Erzeugung und
Verwendung des Düngers. Ulm 1819. Bährens, Die natürlichen und künſtlichen
Düngmittel. Hamm 1820. III. Ausgabe. Der Dünger, oder Betrachtungen über
den Einfluß ꝛc. der bekannten Düngerarten. Sondershauſen 1831. Thaer Möglin.
Annalen. I. 166. IV. 42 (Auszug aus Gazeri's Schrift). XIX. 102. und
XXII. 1. und XXIX. 254 (Ueber den Einfluß des Düngers auf die Beſtandtheile
des Getreides). Deſſelben Annalen der niederſächſ. Landwirthſchaft. Jahrg. VI
Stück 1. S. 129. Deſſelben Annalen des Ackerbaues. IV. 399. VIII. 312.
IX. 174 folg. 617. Fellenbergs Landwirthſch. Blätter. IV. 128 (Düngerſtätte
und Jauchenbehälter). Young Annalen des Ackerbaues. I. 50. 187. II. 6. 265.
274. III. 199. 202. 295. Schmalz Lehre vom Dünger. Leipzig 1832.
[183/0205]
§. 146.
Fortſetzung. b) Reitzmittel.
b) Die Reitzmittel, welche nicht den Zweck haben, zu dün-
gen, d. h. dem Boden Nahrungstheile für die Pflanzen zu geben,
ſondern vielmehr auf Beförderung des Wachsthums der Pflanzen,
und der Thätigkeit des Bodens zu wirken1). Dieſelben müſſen
Stoffe ſein, welche ſich mit den Beſtandtheilen des Bodens ver-
binden können oder auch ſelbſt in Waſſer auflöslich ſind. Es ge-
hören folglich hierher:
1) Der Kalk, welcher ſowohl im ätzenden (reinen) Zuſtande,
als auch in Verbindung mit Kohlenſäure und Schwefelſäure an-
gewendet werden kann. Der ätzende Kalk muß, ehe er als
Reitzmittel dient, bis zum Zerfallen mit Luft oder Waſſer verbun-
den ſein, und wirkt auf den ſauren oder verkohlten Humus durch
Beförderung ſeiner Auflöslichkeit in Waſſer; in Boden ohne Humus
iſt er daher ſo zwecklos als auf Torf- und Moorboden vortheilhaft.
Der kohlenſaure Kalk (Kreide, Bauſchutt) wirkt in kalkloſem
Boden reitzend, in ſaurem Boden entſäurend. Der ſchwefel-
ſaure Kalk (Gips) wirkt reitzend auf den Boden und auf die
Pflanzen ſelbſt, zum Theile als Kalk, zum Theile wegen der in
ihm enthaltenen Säure2).
2) Der Schwefel, ſobald er auflöslich iſt. Er löst ſich durch
Kali (ätzenden Kalk oder Laugenſalze) in Waſſer und vermittelſt
der das Waſſer zerſetzenden Kohle in Waſſerſtoff auf. Weder zu
feuchter, noch zu trockener Boden, noch humusloſer Grund wird
daher durch Schwefelpulver gewinnen. Das durch Einfluß von
Luft und Waſſer ſich mit Sauerſtoff verbindende Schwefeleiſen
bildet ſchwefelſaures Eiſen, wie es öfters aus zerſetzten Stein-
kohlen und Torf hervorgeht. Auch dieſes hat die Erfahrung als
Reitzmittel bewährt.
3) Die Salze, nämlich die Laugenſalze, die ſalpeterſauren
und kochſalzſauren Salze. Die Laugenſalze (Kali oder Pottaſche,
Natrum oder Soda, und Ammonium) wirken im reinen Zuſtande
und in Verbindung mit Kohlenſäure auf die Auflöſung des Humus.
Sie werden für die Landwirthſchaft in der Holz-, Torf- und
Steinkohlenaſche, und in der Aſche von den Pottaſche-, Salpe-
ter-, Seifenſiedereien u. dgl. benutzt, abgeſehen von den andern
Beſtandtheilen der Aſche. Die ſalpeter- und kochſalzſauern
Salze (als leztere der Dorn- und Pfannenſtein von den Salinen)
wirken auf den Boden reitzend wegen des in ihnen enthaltenen
Laugenſalzes und Kalkes, wegen der Kalkerde und Säure, und
[184/0206]
wegen der Beſtandtheile des Salpeters und Kochſalzes (Stick-
und Sauerſtoff, Kali, und kochſalzſaures Natrum)3).
¹⁾ Da ſie auch manchen Pflanzen als Nahrung dienen, ſo erſcheinen ſie aber
nur in ſoferne als Dungmittel. Ihre auflöſende Kraft iſt aber die wichtigſte und
allgemeinſte. Schwerz Anleitung. I. 232.
²⁾ Der Gips wirkt beſonders auf warmem Boden und Pflanzen mit ſaftigen
Blättern und Stengeln, z. B. Schmetterlingsblüthen, Buchweitzen, Kohl, Rübſen
u. dgl. gut. Unter den Geſichtspunkt des Kalkes gehört auch das Knochenmehl,
als Reitzmittel, und es läßt ſich erklären, warum dieſes und das Gipſen oft ſo
ſchlechte Wirkung gehabt hat. Ebner, Das Knochenmehl, ein Düngungsmittel.
Heilbronn 1830. 2te Aufl.
³⁾ Nicht die metalliſchen Salze, weil ſie zu herb und zu ſchrumpfend ſind.
Die anderen Salze ziehen theils Feuchtigkeit aus der Luft an, befördern die Fäulniß
organiſcher Stoffe, verhüten Unkraut und ſchädliche Thiere und lockern zum Theile
den Boden. In Paris und Wien bereitet man auch ein künſtliches Dungſalz, das
ſogenannte Düngharnſalz (Urate calcaire), eine Mengung menſchlichen Urins
mit Gips und Kalk. S. Hericart de Thury, das Urat, ein neues Düngungs-
mittel der Herren Donat et Comp. Aus dem Franzöſ. überſ. Weimar 1820. *.
mit 1 Kupfertafel. S. auch Thaer Annalen des Ackerbaues. VIII. 216 (Dünge-
ſalz). Schnee Landw. Zeitung. II. 570. — Ueber dieſe Reitzmittel ſ. m. die im
vorigen §. citirten Schriften. Außerdem aber noch beſonders: Delius, Vom
Nutzen der Salzaſche zum Düngen. Leipzig 1773. II. Auflage. Piepenbring,
Ueber d. Dungſalz. Leipzig 1795. Weber, Von Benutzung der Abfälle bei Salinen
zum Behufe des Feldbaues. Neuwied 1789. 8. Mayer, Die Lehre vom Gips.
Anſpach 1789. 4. Deſſelben Vertheidigung des Gipſes. Frankfurt 1771. 8.
Rudolphi, Bemerkungen über Erd* und Dungmittel. Meißen 1800. Der Gips,
als Dungmittel. Bunzlau 1830. Thaer Möglin. Annalen. II. 518. VIII. 519.
IX. 291 (Aſchendüngung). Deſſelben Annalen d. Fortſchr. der Landwirthſchaft.
III. 407 (Aſchendüngung). Deſſelben Annalen der niederſächſ. Landwirthſchaft.
Jahrg. VI. Stück 3. S. 123 (Pottaſche). Deſſelben Annalen des Ackerbaues.
X. 192 (Steinkohlenaſche und Torfaſche). Thaer Möglin. Annalen. XVII. 147.
XXV. 231. XXIX. 244 (Knochenmehl). Deſſelben Annalen des Ackerbaues.
III. 190. VIII. 314. 496 (Kalk). Deſſelben Annalen der niederſächſ. Land-
wirthſchaft. Jahrg. IV. Stück 4. S. 255 Jahrg. V. Stück 4. S. 361 (Kalk).
Deſſelben Annalen der niederſächſ. Landwirthſch. Jahrg. IV. Stück 4. S. 326.
Jahrg. V. Stück 2. S. 289. Koppe, Schmalz ꝛc. Mittheilungen. III. 248
(Gips). Johnſon, Anwendung des Kochſalzes in Feld- und Gartenbau. Aus
dem Engl. überſ. Leipzig 1825. Ueber Düngung mit Eiſenvitriol ſ. m. Thaer
Annalen des Ackerbaues. X. 164. 201. Fellenbergs Landw. Blätter. III. 137
(Gips und Oelkuchen). Schnee Landw. Zeitung. IV. 98. V. 513. XI. 371 (Gips).
Rüder Landw. Zeitung (Fortſetzung von Schnee). Jahrg. 1833. S. 123. 156
(Knochendüngung). Young Annalen. I. 27. III. 130. 298 (Kalken).
§. 147.
Fortſetzung. c) Mengmittel, und d) Compoſt.
c) Die Mengmittel, d. h. Erdarten, durch deren Beimi-
ſchung im Boden ein beliebiges paſſendes Miſchungsverhältniß der
Beſtandtheile der Ackerkrume hervorgebracht werden ſoll (§. 137.).
Sie beſtehen aus den mineraliſchen Hauptbeſtandtheilen des Bodens,
die ſich gegenſeitig in ihren Wirkungen neutraliſiren. Es iſt hier-
her zu rechnen:
[185/0207]
1) Der Thon zur Verbeſſerung des Sand- und zu thätigen
Kalkbodens.
2) Der Kalk zur Verbeſſerung des Thonbodens.
3) Der Sand zur Verbeſſerung des Torf- und Moorgrundes,
nicht ſo ſehr aber zu jener des Thonbodens.
4) Der Mergel, d. h. eine Verbindung von Thon und Kalk
mit Beimiſchung von Sand als Nebenbeſtandtheil, die an der
Luft leicht in einen Staub zerfällt und ſich ſo zur Bodenverbeſ-
ſerung eignet. Je nach dem vorherrſchenden Beſtandtheile nennt
man ihn Thon- oder Kalk-, ſelbſt auch Sandmergel, und benutzt
ihn nach den bei 1–3 angegebenen Verhältniſſen1).
d) Der Mengedünger oder Compoſt, d. h. eine Zuſam-
menſetzung von den bisher genannten drei Arten der chemiſchen
Mittel zur Bodenverbeſſerung, die weder der einen noch anderen
Art allein angehört. Er beſteht aus Mergel, Moder, zerſetzt vom
Torfe, vegetabiliſchen und animaliſchen Subſtanzen aller genannten
Arten, welche regelmäßig übereinander geſchichtet oder unordent-
lich durcheinander verarbeitet, mit Jauche begoſſen und ſo öfters
umgeſtochen werden. Er iſt nur bei einer hinreichenden Menge ent-
behrlichen Miſtes zu componiren, weil man ohnedies damit zu viel
Arbeit und Zeitverluſt hat und den Miſt nicht auf längere Zeit
aufopfern kann2).
¹⁾ Ueber dieſe Mengmittel ſ. Trautmann Landw. L. I. 288. Burger
Lehrbuch. I. 184. Thaer rat. Landw. II. 235. Koppe Unterricht. II. 3. Thaer
engl. Landw. I. 165. Young The farmers Calender. 46. 102. 171. 184. 383
(von Kalken). 39. 42. 307 (von Thonen). 39. 42. 102. 364 (von Mergeln).
Block Mittheilung. I. S. 254. und Andere. Seip, Abhandl. von dem Mergel.
Hannover 1763. Herrmann, Wie ſind die verſchiedenen Arten von Mergel zu
erkennen, ꝛc. ꝛc. Wien 1787. Fiedler, Anweiſung über die Kennzeichen und den
Gebrauch des Mergels. Caſſel 1795. Tobiſſen Anw. z. Mergeln. Altona 1817.
Iverſen Anl. z. Mergeln. Hamburg 1819. Deſſelben Anweiſung z. Mergeln.
Leipzig 1819. Thaer Möglin. Annalen. I. 624. III. 387. VII. 242. IX. 359.
XV. 442. 462. (Mergel) und XIV. 383 (Erde auf moorigte Wieſen). Deſſel-
ben Annalen der niederſächſ. Landw. Jahrg. IV. Stück 4 S. 309. Jahrg. VI.
Stück 3. S. 114. Koppe, Schmalz ꝛc. Mittheilungen. I. 258. 280. III. 136.
Thaer Annalen der niederſächſ. Landw. Jahrg. V. Stück 4. S. 431. Deſſel-
ben Annalen des Ackerbaues. I. 24. 809. II. 41. 376. 485. III. 95. 187.
IV. 108. V. 225. 334. VI. 654. VIII. 8. XII. 291. Schnee Landw. Zeitung.
I. 125. III. 310. 409. 512. 569 (Mergeln). IV. 16. 463 (Kalken). 353. 485.
V. 37. 175. XIII. 209. Young Annalen. I. 198 (Mergeln). Niebour Anweiſ.
z. Mergeln. Hannover 1829. III. Aufl.
²⁾ Ueber den Compoſtdünger ſ. Thaer ration. Landw. II. 205. Young The
farmers Calender. 98. Burger Lehrbuch. I. 159. Thaer engl. Landw. I. 144.
Schwerz Mittheilungen. I. 111. Crud Oeconomie. S. 169. Block Mittheil.
I. 256. Es gibt eine Menge von Recepten dafür. S. §. 149. Note 8. Thaer
Annalen des Ackerbaues. III. 302.
[186/0208]
§. 148.
2) Die Benutzung dieſer Miſchungsmittel.
a) Des Düngers.
Sind dieſe verſchiedenen Miſchungsmittel bereitet, ſo iſt das
Wichtigſte ihr Auf- und ihr Einbringen in die Ackerkrume. Man
hat dabei folgende Regeln:
a) Der Gebrauch des Düngers oder die Düngung richtet ſich
1) nach der Qualität deſſelben. Je zerſetzter, reicher an thieri-
ſchen Stoffen und waſſerloſer derſelbe iſt, deſto größer iſt ſeine
Wirkung1); 2) nach der Quantität deſſelben, die auf das Feld
gebracht werden muß. Sie hängt ab: von ſeiner Qualität, vom
Düngerzuſtande des Feldes (alſo von der vorhergehenden Pflan-
zung), von der Eigenthümlichkeit in der Folge der Früchte auf
dem Felde, von der Zeit, für welche die Düngung gelten ſoll,
von der Raſchheit des Bodens in der Zerſetzung, Auflöſung und
Haltkraft der Humustheile, endlich vom Klima, ſeinen Eigenſchaf-
ten in den lezten drei Beziehungen und ſeiner Verflüchtigung der
Düngertheile. Dieſelbe iſt daher örtlich und zeitlich ſehr abwei-
chend2); 3) nach der Zeit, wann gedüngt werden muß. Daſſelbe
geſchieht, wenn es der Acker nöthig hat, in beſtimmten regel-
mäßigen Perioden und zweckmäßiger in feuchter als trockener
Jahreszeit3); 4) nach der Vertheilungsart des Düngers.
Dieſe muß ſo gleichförmig als möglich geſchehen, und beſonders
iſt das lange Liegen der Düngerhaufen auf oder gar neben dem
Felde wegen ſeines Verluſtes an Gehalt zu verhüten4).
¹⁾ Die Qualität des thieriſchen Düngers hängt von der Thiergattung,
Thiernahrung und Vollſtändigkeit der Verdauung ab (§. 145. Note 2.). Merkwür-
dige Verſuche hierüber hat Block (Mögliniſche Annalen der Landw. XI. No. 20.
in 4to beſonders gedruckt; ſ. auch Deſſelben Mittheilungen. I. 211; Thaer
Annalen des Ackerbaues. XI. 370. vrgl. mit 329. 354; und v. Daum Beiträge zur
Beförderung des Geſchäftsbetriebs der Regulirungs- und Gemeinheitstheilungscom-
miſſarien. II. §. 103.), Kreyſſig (Möglin. Annalen. XIII. 333.) und auch
Schmalz (Erfahrungen im Gebiete der Landw. II. 79.) mitgetheilt. Ihre Reſul-
tate laſſen ſich hier nicht mittheilen. In neuerer Zeit ſind darüber vielfache
Beobachtungen gemacht worden. Die Qualität des pflanzlichen Düngers richtet
ſich nach der Eigenthümlichkeit und Vollſtändigkeit der Zubereitung. Der Miſt nach
der Beſchaffenheit jener beiden, nach ihrer Verbindung und Zerſetzung. Bei völliger
Sättigung des Miſtes mit Pfuhl oder Gülle wird er nicht dem Schwinden durch
Erhitzen und Verbrennen ausgeſetzt ſein. Miſt aus kräftigem Futter wird unter
dieſer Bedingung bei 5 Fuß hoher Aufſchichtung nach 4 mal 24 Stunden ſchon
4–5 % des trockenen Gewichtes und 12–15 % des Volumens verloren haben.
Bei bereits ſpeckartig gewordenem Miſte iſt der Verluſt 25% des Gewichtes und
bis über 50% des Volumens. Daher muß man ſich vor zu großer Aufſchichtung
hüten. Die Auswürfe einer wohlgenährten Milchkuh haben 84%, jene des Pferdes
75%, und jene des Schaafes 66% Feuchtigkeit in ſich; reines Stroh kann nur
[187/0209]
¹⁾ 72–73% Feuchtigkeit aufnehmen, läßt ſie aber bald wieder fahren. Jeder Miſt
verliert mit dem Austrocknen allmälig auch von der Dungkraft. Völlig getrocknete
thieriſche Auswürfe nehmen aber bei der Anfeuchtung wieder obige [FORMEL] Waſſer an.
(Block). Ueber Düngung mit Jauche ſ. Thaer Annalen des Ackerbaues. VIII. 612.
Ueber Verdünſtung des Miſtes ebendaſelbſt IX. 409. Schnee Landw. Zeitung.
VI. 24. 6. VII. 22. 100.
²⁾ Sehr belehrende Verſuche über dieſe einzelnen Fragen hat auch Block
gemacht. Man ſ. deſſen Mittheilungen I. 227. 248. 185–210., weil ſich ſeine
Reſultate hier nicht mittheilen laſſen. Die Meinungen ſind aber darüber ſehr verſchieden.
Nach Thaer (rationelle Landwirthſchaft. II. 202.) ſind 10000 Pfund Miſt auf
1 Magdeburger Morgen eine ſchwache, 16000 Pfd eine gute, und 20000 Pfd.
eine ſtarke oder reiche Düngung. S. auch Deſſelben Annalen des Ackerbaues.
VII. 392. Die Qualität des Düngers iſt bereits oben auseinander geſetzt. Der
Einfluß der Fruchtfolge auf den Düngerzuſtand des Feldes iſt ſehr wichtig.
Durch vorhergehende Koppelweide erhält der Morgen Feld I ſter bis IV ter Klaſſe
1 Fuder (12 Centner), V ter Klaſſe ¾ und VI ter Klaſſe ½ Fuder Dünger pr.
Jahr, ſo lange die Weide währt. Die Brache erhöht den Düngerzuſtand des Fel-
dts pr. Morgen jährlich um ½ Fuder. Die Luzerne um 1 Fuder, die Kartoffeln,
der Weißkohl und die Rüben ſind in der Erſchöpfung des Feldes einer Roggenernte
(10 Scheffel Roggen = 100 Sch. Kartoffeln) gleich zu ſtellen, aber die Bearbeitung
wird wie die Brache angerechnet; der Raps erſtattet dem Boden 2, der Rübſen
1 Fuder Dünger pr. Morgen jährlich (Schmalz Anleit. zur Veranſchlag. ländlicher
Grundſtücke. §. 44.). Die Zeit bis zur Wiederholung der Düngung, ſo wie die
andern angeführten Umſtände laſſen keine allgemein giltige Beſtimmung zu.
³⁾ Dieſe iſt bei den verſchiedenen Pflanzungen verſchieden und richtet ſich auch
nach der Menge des zu liefernden Düngers, alſo hauptſächlich nach dem Viehſtande
u. dgl. M. ſ. Thaer Annalen des Ackerbaues. II. 373. VIII. 314. IX. 475. 617.
⁴⁾ Eine andere Frage iſt die, ob die Pferchdüngung oder das Auffahren des
Düngers von der Düngerſtätte vorzuziehen ſei, ob man auf einmal ſtark oder öfters
ſchwächer düngen, und ob man den Dünger ſeicht oder tief unterpflügen oder aber
ob man ihn blos überſtreuen ſoll (Lezteres heißt man in England Topdressing).
Die Löſung der erſten Frage hängt von der vorhandenen Menge Streu, von der
Schaafzucht, und von der Zartheit der Schaafe ab; die Wirkung der Pferchdüngung
hängt von der Güte der Weide, von der Anzahl der Schaafe, von der Dauer und
der Fläche des Pferchens ab; man rechnet ſie im günſtigen Falle einer halben Miſt-
düngung gleich; der Pferchdünger verliert in der Luft 5 bis 6, der Weidedünger
ungefähr 16 % ſeines Gehaltes vor der Unterpflügung (Block Mittheilungen. I.
271. 251. v. Daum Beiträge. II. §. 107. Thaer ration. Landw. II. 216.
Thaer Annalen des Ackerbaues. I. 764. II. 284. IV. 700.). Die Löſung der
andern Fragen richtet ſich mehr nach örtlichen Verhältniſſen (Schnee Landw.
Zeitung. I. 345.). Die Menge Miſt, welche in einem Tage ausgefahren werden
kann, iſt nach der Thiergattung und Zahl, nach der Wagengröße und nach der
Entfernung des Feldes vom Wirthſchaftshofe verſchieden. Nimmt man eine Normal-
entfernung von 250° an und ſetzt man, daß 4 Pferde (= 6 Ochſen) 2200 Pfund
Miſt verfahren auf einem Wagen, ſo kann der Weg in 15 bis 20 Minuten hin-
wärts, aber in weniger Zeit zurückgelegt werden; braucht man auch zum Abladen
15 Minuten, ſo ſind bei Wechſelwagen für jede Fuhre nicht mehr als ¾ Stunden
nöthig. Es kann nach Meyer, v. Flotow und v. Padewils 1 Perſon täglich
4 vierſpännige Fuder Miſt laden. Was das Düngerbreiten anbelangt, ſo möchten
v. Padewils, Nicolai, Meyer, Thaer, Reyne, Klebe und Schmalz
irren, indem ſie dieſe Arbeit blos nach der Ackerfläche berechnen; denn es kommt
dabei ſehr viel auf den Dünger ſelbſt an. Nach v. Flotow's Angabe kann eine
Perſon täglich 8 zweiſpännige Fuder Miſt breiten.
[188/0210]
§. 149.
Fortſetzung. b) Der Reitzmittel; c) der Mengemittel; und
d) des Compoſts.
Es iſt aber der Gebrauch
b) der Reitzmittel und
c) der Mengemittel
nur dann und dort von Nutzen, wann und wo die ihnen entgegen-
geſetzten ſchädlichen Eigenſchaften des Bodens neutraliſirt werden
ſollen. Wenn dies nicht der Fall iſt, dann iſt derſelbe gewiß
ſchädlich. Auch iſt vorzüglich auf dieſem Wege zu erklären, warum
das Thonen, Mergeln, Sanden, Kalken und Gipſen vielfach
ſchlimme Folgen hatte und dieſe Materien in manchen Gegenden
ganz in Verruf gekommen waren. Es richtet ſich alſo die Quali-
tät und Quantität der zu wählenden Reitz- und Mengemittel nach
der Beſchaffenheit des Bodens. Nämlich: 1) der Thon darf nur
in gepulvertem Zuſtande auf einen ſandigen Boden gebracht wer-
den1); 2) der Kalk (auch das Knochenmehl) wird nur in dem
Thonboden in gepulvertem Zuſtande vortheilhaft ſein2); 3) der
Sand hat ſich meiſtens zur Verbeſſerung torfiger Gründe und
Wieſen nützlich erwieſen3); 4) der Mergel, beſonders in ge-
branntem Zuſtande, paßt für den Thonboden beſonders wegen
ſeiner Wohlfeilheit um ſo mehr, je größer ſein Kalkgehalt iſt,
derſelbe eignet ſich bei hauptſächlichem Thongehalte wegen ſeiner
geringen Koſten und ſeines leichten Zerfallens an der Luft noch
beſſer als der reine Thon4); 5) man muß beſonders beim Ge-
brauche des Thones ſich hüten, daß keine Klayklumpen entſtehen,
weil man den Acker natürlich dadurch verderbt; — 6) in Betreff
der Zeit, wann dieſe Miſchung geſchehen ſoll, iſt zu bemerken,
daß dieſe nur vor der Saat beſorgt werden muß, weil die Men-
gung ohne Unterackern nicht möglich und namentlich der kohlen-
ſaure Kalk den Pflänzchen ſchädlich iſt5); 7) das Gipſen dage-
gen hat gerade dann ſeine hauptſächliche Wirkung, wenn die
entſprechenden Pflanzen ſchon eine ziemliche Höhe erreicht haben6);
8) die Salze, beſonders Laugenſalze, werden hauptſächlich mit
Vortheil auf dem Wieſenboden angewendet7).
d) Der Gebrauch des Mengedüngers iſt ſehr vortheilhaft.
Man überdüngt damit blos und eggt ihn unter oder pflügt ihn
ganz ſeicht ein. Dies geſchieht in der Saatfurche. Man ſtreut
ihn aber, bisweilen erſt im Frühjahre auf die Winterfrucht, über
die etwas hervorgekommene Saat8).
¹⁾ Lehm iſt dem Thone noch vorzuziehen. Beide müſſen vor dem Aufbringen
längere Zeit den Einflüſſen der Luft ausgeſetzt werden. Die Menge davon, welche
[189/0211]
¹⁾ man aufzufahren hat, richtet ſich nach der Beſchaffenheit der Ackerkrume und des
Lehms und Thones ſelbſt. Nach Block (Mittheil. I. 270.) ſind bei großem Mangel
an Bindung 60 bis 80 Fuhren, jede zu 20 bis 25 Cub. Fuß, nicht zu viel für
1 preuß. Morgen. Bei einer Lockerung der Ackerkrume von 7–8 Zoll bringen
40 Fuhren Lehm zu 25 Cub. Fuß derſelben ungefähr 8–9%, aber 70–80
ſolche Fuhren 16–18% mehr Bindung und Lehmgehalt, und es nimmt die
Ackerkrume um ⅔ bis 1⅓ Zoll an Tiefe zu. Wenn man täglich im Winter 12
Fuhren verſchaffen könne, dann bleibe dieſe Verbeſſerung immer vortheilhaft.
Burger (Lehrb. I. 196.) rechnet auf den Thaer'ſchen Sandboden (= 0,09 an-
geſchwemmten feinen thonartigen Theilen + 0,90 Sand + 0,01 Humus) im
Ganzen 0,0331 Thonerde, wenn der Boden 0,07 voll haben ſoll.
²⁾ Auch hier richtet ſich die Menge des aufzubringenden Kalkes nach der Be-
ſchaffenheit des Bodens. Auf ſehr bindigen, viele verwesliche Stoffe verſchließenden,
oder ſauren, und viel ſauren Humus haltenden Aeckern iſt nach Block (Mittheil.
I. 259.) ein ſtarkes Kalken zu empfehlen. Ein ſtarkes Kalken iſt nach ihm pr.
Morgen 30–40 Cub. Fuß, ein mittleres 18–24 Cub. Fuß, ein ſchwaches
6–10 Cub. Fuß gebrannter Kalk. Thaer (rat. Landw. II. 243.) gibt als ge-
ringſte Quantität 16 preuß. Scheffel pr. Morgen an, ſagt aber zugleich, er habe
auch beſonders in England 150 Scheffel pr. Morgen angewendet gefunden. (Nach
ſeiner engl. Landw. I. 168. gibt man auf ſchwerem Klay für einen engl. Acre
= 1,584 preuß. Morgen, 400–500 Bushel = 264[FORMEL] bis 330[FORMEL] preuß. Scheffel.)
Young (The farmers Calender. p. 44.) rechnet auf 1 Acre 60, auch 100 La-
dungen, wovon jede 18 Bahren voll (Barrowfuls) enthält. Burger (Lehr-
buch. I. 189.) rechnet 400 bis 800 Metzen auf 1 öſtreich. Joch, alſo auf 1 preuß.
Morgen ungefähr 190 bis 380 Scheffel.
³⁾ Nach Koppe (Unterricht. II. 47.) muß man dort den Sand 6–12 Zoll
hoch auffahren und nach Burger (Lehrbuch. I. 187.) ſind 800 einſpännige Fuder
à 6 Cub. Fuß nöthig, um 1 Joch 1 Zoll hoch zu bedecken, oder 351 ſolche Fuder
auf 1 preuß. Morgen.
⁴⁾ Block (Mittheilungen. I. 267.) rechnet bei ſtarkem bindendem Boden 30
bis 40 Fuhren Sandmergel oder 20 Fuhren Kalkmergel, und auf leichtem ſandigem
Boden 40 bis 50 Fuhren Thonmergel, jede Fuhr zu 25 Cub. Fuß. Thaer (rat.
Landw. II. 253.) gibt als eine ſchon gute Mergelung 20 bis 25 Ladungen zu
18 Cub. Fuß pr. Morgen auf lehmigem oder thonigem Boden an, wenn der Mer-
gel 60% Kalk und darüber hält; er rechnet auf ſandigem Boden 120 ſolche
Ladungen mergeligen Lehm, doch nehme man von Mergel, der 25% Kalk halte,
dazu auch nur 60 ſolche Ladungen. (Thaer's lehmiger Sandboden enthält 80 bis
85%, der ſandige Lehmboden aber 70–75% Sand, ration. Landw. II. 141.
No. 14–17.) Jenes iſt eine zöllige, dies eine halbzöllige Mergelung, welche
leztere Koppe (Unterricht. II. 26.) für die mittlere erklärt, und mit 108 einſpänn.
Ladungen zu 10 Cub. Fuß pr. preuß. Morgen bewirken will. Young (The far-
mers Calender. p. 39.) rechnet auf sand-, Mergel- oder Klayboden 50 oder 60
Cub. Yards pr. Acre, bei loſem feuchtem Lehmboden aber 100 Cub. Yards, oder
58,7-68,2-129,4 preuß. Cub. Fuß pr. preuß. Morgen.
⁵⁾ Der Kalk bildet eine Ausnahme bei den §. 146. Note 2. genannten Pflanzen,
auf deren Blätter und Wurzeln ſein Staub wie Gips wirkt, wenn die Pflänzchen
nicht zu jung ſind.
⁶⁾ Block (Mittheilungen. I. 261.) rechnet pr. Morgen 1½ bis 2 Centner
gemahlenen Gips für hinreichend, und 1 Centner Gips mit 2 Scheffel roher Aſche
vermiſcht für ſo wirkſam als 2 Centner Gips; aber 3 bis 4 Centner Gips pr.
Morgen hat nach ihm weit vortheilhaftere Wirkung; in günſtigen Jahren ſteigt
durch das Gipſen die Kleeernte um 40–50%, im Durchſchnitte aber ſicher um
25%, daſſelbe ſoll auf die folgende Frucht mit einer Erhöhung der Ernte um
6–8% noch wirken. Thaer (rat. Landw. II. 263.) rechnet zwiſchen 1 und 2
Scheffel pr. Morgen. Koppe (Unterricht. II. 117.) gibt das Maaß pr. Morgen
auch auf 1½-3–4 Centner, insbeſondere wo der Gips theuer iſt, zu 2 Centner
an. Der April und Anfang vom Mai iſt die beſte Zeit zum Gipſen, bei windſtillem
Wetter, wenn die Pflänzchen ſchon etwas vorgeſchritten ſind.
[190/0212]
⁷⁾ Thaer (rat. Landw. II. 267.) rechnet auf einen thonigen kalkigen Acker
30–36, auf einem ſandigen kalkigen Felde 15–18 Scheffel Kohle pr. Morgen,
und (S. 269.) 18–20-30 Scheffel Seifenſiederaſche pr. Morgen. Block
(Mittheilungen. I. 264.) gibt als gehöriges Maaß 80 Cub. Fuß ausgelaugte
Aſche pr. Morgen, und hält 120–160 Cub. Fuß für nicht zu viel; in Nieder-
ſchleſien gibt man dem Morgen 40 Cub. Fuß Seifenſiederaſche, gemiſcht mit
10 Cub. Fuß gebrannten Kalkes. Koppe (Unterricht. II. 126.) gibt als gewöhn-
lichſte Quantität ausgelaugter Aſche 2–3 Wagenladungen zu 24 Centner an.
Man ſtreut die Kohle blos über die Saatfurche oder Saat, die Aſche aber wird
ſeicht untergepflügt.
⁸⁾ Block (Mittheilungen. I. 256.) gibt als gutes Recept folgendes an: 4 Fu-
der Schlammerde oder Erde von Gräbenrändern u. dgl., 1 Fuder ausgelaugte Aſche,
Seifen- oder Pottaſchſieder-Aſche, 1 Fuder menſchliche Excremente und 1 Fuder
gebrannten Kalk, jedes Fuder zu 30 Cub. Fuß. Man kann auch Kalk und Aſche
doppelt nehmen. Dieſe Maſſe düngt 3 Morgen auf 2 bis 3 Jahre; iſt der Compoſt
aber ſchwächer, dann rechnet er 10–15 Fuder à 30 Cub. Fuß pr. Morgen.
III. Pflanzungslehre oder Pflanzenkulturlehre.
§. 150.
1) Das Einbringen der Pflanzen in die Erde.
Die Natur zeigt, daß ſich die Pflanzen durch Ausfallen des
Saamens, durch Verbreitung von Wurzeln, und Eingraben von
Zweigen fortpflanzen. Die Kunſt kann hier nur die Natur nach-
ahmen. Daher geſchieht das Einbringen der Pflanzen in den Bo-
den auf folgende Arten:
a) Durch die Saat (Ausſaat, Einſaat). Bei dieſer iſt zu
berückſichtigen vor Allem: 1) die Jahreszeit der Saat. Einfluß
auf ihre Beſtimmung hat die Natur der Pflanzen, das Klima, das
Wetter und die phyſiſche Beſchaffenheit des Bodens. Man unter-
ſcheidet daher die Sommer- und Wintergewächſe, je nachdem ſie
ſchon in einem Sommer oder in einem Winter und Sommer reif
werden und folglich im Frühjahre erſt oder im Spätjahre geſäet
werden1); 2) die Art und Beſchaffenheit des Saamens (der
Saat). Bei der Wahl der Art des Saamens kommt es auf das
Klima und die phyſiſche Beſchaffenheit des Bodens an, in Betreff
der Beſchaffenheit des Saamens aber hat man für gehörig reifen,
nicht zu alten, keimfähigen (lebendigen), und ſonſt weder durch
Unkrautſaamen verunreinigten noch durch Fehler in der Aufbe-
wahrung verdorbenen Saamen zu ſorgen; öfters bedient man ſich
äußerlicher Mittel zu deſſen Verbeſſerung2); 3) die Menge des
einzubringenden Saamens. Dieſelbe richtet ſich nach der Größe und
Natur der Pflanzen, nach dem Düngerzuſtande des Bodens, nach
der phyſiſchen Beſchaffenheit des Leztern, nach der Güte der vor-
herigen Bodenbearbeitung, nach der Saatzeit, nach der Beſchaf-
fenheit des Saamens und nach der Art des Säens3); 4) die
[191/0213]
Art der Vertheilung des Saamens; entweder ſäet man breit-
würfig, oder man wirft und ſteckt die Saamen einzeln ein oder
man ſäet mit Maſchinen4); 5) das Unterbringen deſſelben;
man unterſcheidet die Art und die Tiefe deſſelben und bedient ſich
dabei bald der Egge, bald des Rechens, bald der Pflüge und
Hacken, bald geſchieht es durch die Säemaſchine ſelbſt5).
b) Durch die Pflanzung. Sie geſchieht entweder mit
Wurzeln oder Ablegern, oder mit bereits erwachſenen Pflanzen.
Die beiden erſteren Methoden wendet man an, wenn ſich die Natur
der Pflanzen dazu eignet und eine Erziehung derſelben aus Saa-
men zu lange dauern würde. 6) Die lezte Methode wird benutzt,
bei empfindlichen und ſolchen Pflanzen, welche ſich erſt in mehreren
Jahren ganz entwickeln und weit auseinander ſtehen müſſen, um
ſich gehörig auszubilden6). Man ſäet ſie aber vorher in eigene
Beete, denen man eine beliebige Lage geben kann, zum Theile
wegen des Schutzes gegen klimatiſche Einflüſſe, zum Theile wegen
größerer Möglichkeit einer genaueren Sorgfalt in der vorläufigen
Behandlung7).
¹⁾ Die Sommergewächſe, wie z. B. Buchweitzen, Taback, Bohnen, Mais,
ertragen nicht leicht Fröſte. Daher iſt ihre frühe Saat nicht räthlich. Andere ſind
durch Nachtfröſte nicht ſo aſſicirbar, wie z. B. die Sommergetreidearten, und dieſe
kann man ſchon frühe ſäen. Die Wintergewächſe werden, weil ſie ſtarken Froſt
ertragen, ſchon im Spätjahre geſäet. Dieſe Verhältniſſe begünſtigen eine ſchöne
Reihenfolge in der Saat und eine bequemere Theilung der Geſchäfte. Daher iſt
aber die Saatzeit auch wechſelnd nach der Oertlichkeit, obſchon man annehmen kann,
das bei Wintergewächſen die frühe Saat die vortheilhaftere iſt, weil die Pflanze
vor dem Eintritte der Kälte gehörig erſtarkt ſein muß.
²⁾ Die Keimfähigkeit des Saamens erprobt man durch Anfeuchten und Aus-
ſetzen an Wärme. Dieſelbe iſt von längerer oder kürzerer Dauer, je nach der
Pflanzengattung und der früheren Behandlung des Saamens, die weder zu große
Hitze noch Näſſe bereiten darf. An der Runzelloſigkeit, am Glanze, an der Glätte,
Fülle und Geruchsloſigkeit erkennt man den guten Saamen. Bei Getreide und
Kleeſaamen iſt der Betrug am leichteſten. (Ueber die Verfälſchung des Lezteren,
die man das Doctoriren (Doctoring) heißt, ſ. m. Babbage On the Economy
of Machinery and Manufactures. §. 151., überſetzt von Friedenberg. S. 133.)
Aus Mangel an eigenem Saamen und zum Behufe der Erneuerung einer Pflanzen-
art nimmt man oft fremde Saat. Dabei iſt es immer beſſer, guten Saamen aus
minder begünſtigten Gegenden, als diejenige iſt, in welcher er untergebracht werden
ſoll, zu nehmen (Thaer Möglin. Annalen. XXVII. 205. Ueber ſchlechte Saat-
getreide). Sogenannte Saamenbeitzen zur Beförderung der Keimfähigkeit, wie z. B.
in Alaun- oder Salpeterauflöſung, in Miſtjauche u. dgl. m., ſind, obſchon ſie das
Keimen beſchleunigen können, öfters wegen zu großer Schärfe gefährlich. Kalk,
Aſche, Kupfervitriol, weißen Arſenik u. a. braucht man auch als Mittel gegen
Brand. Allein ſie haben ſich nicht bewährt. S. auch Thaer Möglin. Annalen.
XXVII. 246. 252 (v. Zubereitung des Saamens, auch mit Chlor). Deſſelben
Annalen der niederſächſ. Landwirthſchaft. Schnee Landw. Zeitung. I. S. 67. 447
(Miſtjauche). S. 347 (Kalk, Aſche, Salz). vrgl. mit Sickler Deutſchlands
Feldbau. S. 185. Auch Schnee XV. 21 (Beitze gegen Schnecken).
³⁾ Kräftigen und reichen Boden beſäet man nicht ſo dicht wie mageren. Dieſe
Regel gilt überhaupt von allen Fällen, in welchen der Boden der Pflanze zu ihrer
[192/0214]
³⁾ Entwickelung mehr Mittel gibt, als ein anderer. Bei der Drillſaat braucht man
weniger Saamen, als bei einer andern. S. §. 144.
⁴⁾ In dieſer Hinſicht iſt die beſte Säemethode diejenige, welche die Saat am
gleichmäßigſten und ſo vertheilt, daß jede zukünftige Pflanze ihren gehörigen Stand-
ort in mechaniſcher und chemiſcher Beziehung hat. Das Legen und Stecken der
Saamen iſt das ſorgfältigſte und beſte, aber auch zeitraubendſte und koſtſpieligſte
Verfahren (Schwerz belg. Landw. I. 280.). Die breitwürfige Saat geſchieht
mit der Hand, aber begreiflicherweiſe iſt ſie nicht ſo vollkommen, wie jene Methode
und das Säen mit Säemaſchinen, durch welche die Saat nach mathematiſchen
Geſetzen gleichförmig geſchieht. Die Anwendung dieſer lezteren iſt aber auf kleinen
Gütern und wegen der Koſtſpieligkeit der Maſchinen nicht überall anwendbar.
S. oben §. 140. Schnee Landw. Zeitung. I. 162. (Säen mit der Hand).
⁵⁾ Die Wahl der einen oder andern dieſer Methoden richtet ſich nach der
Lockerheit, Reinheit und Bearbeitung des Bodens, und nach der Größe der Saa-
men; denn davon hängt die nothwendige Kraft der Maſchine und die Höhe der
über den Saamen zu deckenden Erdſchichte ab. Die Tiefe des Unterbringens richtet
ſich aber auch noch nach dem Bedarfe der Saamen und Pflanzen an Feuchtigkeit,
Wärme, Luftzutritt und mechaniſcher Haltung. Verſuche darüber bei Burger
Lehrbuch. I. 290. André Oeconom. Neuigkeiten. Juli 1817 und April 1818 (auch
erwähnt und mitgetheilt von Burger a. a. O.). Nach Burger iſt eine ſeichte
Saat ½ Zoll, eine mittlere 1–1½ Zoll, eine tiefe 1½-3 Zoll tief. —
Ueber die Saatgeſchäfte überhaupt ſ. m. Trautmann Landw. L. I. 366. Koppe
Unterricht. II. 127. Gerike Anleitung. II. §. 232. Thaer rat. Landw. IV. 6.
v. Reider Landw. L. §. 97. Burger Lehrbuch. I. 279. Geier Lehrbuch. §. 40.
Crud Oeconomie. S. 229. Thaer Annalen des Ackerbaues. II. 383. I. 406. 681.
III. 348. Nach Thaer kann ein Mann an kleinen Sämereien täglich 5 Morgen,
an Bohnen aber mit 1 Jungen nur ſo viel drillen. Breitwürfig wird ein Mann
in 9 bis 10 Stunden 16–24 preuß. Scheffel ausſäen.
⁶⁾ z. B. beim Taback, Kopfkraut, Runkelrüben, auch Raps, Bäumen. Man
verpflanzt aber auch ſogar Getreide. S. Schwerz belg. Landw. I. 291.
⁷⁾ Man ſieht bei Saamenbeeten darauf, daß ſie gegen Norden und Oſten ge-
ſchützt ſind, ſich aber gegen Süden neigen. Gehöriges Düngen im Herbſte und
Bearbeiten im Frühjahre iſt ein Haupterforderniß, ebenſo wie das Jäten, Begießen
und Ueberſtreuen mit Gips, Ruß, Aſche u. dgl. als Mittel gegen Unkraut, Trockniß
und Ungeziefer. Das Ueberſetzen der Pflänzchen geſchieht bei feuchter Witterung mit
dem Setzholze oder der Haue.
§. 151.
2) Pflege der Pflanzen in und auf dem Boden.
Der Zweck dieſer Geſchäfte iſt die Beförderung des Wachs-
thums der Pflanzen. Dieſe wird erreicht:
a) Durch Erfüllung der Bedingungen und Hinweg-
räumung der Hinderniſſe des Wachsthums. Man ſucht
den Pflanzen daher, wo und wann es nöthig und nützlich wird,
auf künſtlichem Wege beizubringen: 1) Wärme, nicht blos poſitiv
künſtlich, ſondern auch durch Schutz gegen Kälte1); 2) Feuch-
tigkeit, zum Theile durch Begießen, zum Theile durch Wäſſern2);
3) Lockerheit und Reinheit des Bodens, durch Behacken, Be-
häufeln und Jäten, oder Feſtigkeit deſſelben durch das Walzen3);
endlich ſucht man ihnen: 4) Schutz gegen ſchädliche Thiere und
Pflanzen zu verſchaffen4).
[193/0215]
b) Durch äußerliche und innerliche Veredelung der
Pflanzen. Dieſelbe geſchieht: 1) durch das Beſchneiden und
Blatten; 2) durch die verſchiedenen Arten der Veredelung ſelbſt;
und 3) durch Heilung derſelben von ihren verſchiedenartigen Krank-
heiten5).
¹⁾ Es gehört hierher das Feueranmachen, das Dampfbereiten (beſonders auf
Weinbergen), das Schützen mit Einhängungen, das Bedecken mit Reiſig, und die
Treibbeete, deren Erklärung aber dem Gartenbaue angehört.
²⁾ Das Begießen iſt im Großen nicht anwendbar, und eignet ſich mehr für
gartenmäßige Kultur. Das Bewäſſern wird im Großen angewendet. In mancher
Gegend thut es die Natur durch Austreten der Flüſſe. Wo dies nicht der Fall
iſt, wird es blos bei Wieſen und wohl auch bei Weiden angewendet, und wird an
ſeinem Orte davon die Rede ſein; ebenſo vom Bewäſſern des Reißes.
³⁾ Durch das Behacken, das man entweder mit der Handhaue oder bei
regelmäßiger Saat und Pflanzung mit den Pferdehacken u. dgl. vollführt, lockert
man blos die Erde um die Pflanzen herum. Auch bedient man ſich dazu, beſonders
beim Getreide, der Eggen, ohne daß, bei gehörig dichter Saat, viele Pflänzchen
ruinirt werden. Das Behäufeln, welches auch mit obigen Werkzeugen, nur
nicht mit der Egge, geſchieht, hat auch den Zweck, mit dem um die Pflanzen
zuſammengezogenen Grunde der Pflanze mehr Nahrung, Feuchtigkeit, Schutz gegen
zu vielen Regen und zu große Trockniß zu geben. Das Jäten, d. h. das Reinigen
des Bodens von Unkraut, geſchieht auch entweder mit der Hand- (eigentl. Jäten)
oder mit der Pferdehacke oder durch obiges Behacken und Behäufeln. Das Wal-
zen, beſonders der Getreide, des Rapſes u. dgl., iſt von ſehr großem Nutzen, im
Frühling, wenn der Boden nach ſtarken Fröſten beim Thauwetter aufzieht.
(Schnee Landw. Zeitung. X. 333. 435. 449. Rüder Landw. Zeitung. 1833.
S. 129. Beſchreibung und Abbildung einer Gelenkwalze von Hermes zu dieſem
Zwecke.) Nach v. Fredersdorf (Anleitung zur Veranſchlag. S. 179.) werden zum
Jäten eines preuß. Morgens in einem Tage 40 Frauen erfordert, nach Reyne
aber nur 24 Frauen. Der Durchſchnitt für einen 10 ſtündigen Arbeitstag wäre
ſonach 32 Frauen für den Morgen. Allein die zu berechnenden Umſtände ſind zu
verſchiedener Art, als das man eine allgemeine Angabe mit Zuverläſſigkeit benutzen
könnte. Nach den meiſten Erfahrungen aber kann man annehmen, daß zum Be-
hacken und zum Behäufeln eines Morgens in 10 ſtündigen Tagen in zähem Thon-
boden 7, in Lehmboden 6, und in Sandboden 4 bis 5 Frauen nöthig ſind. Die
Anſicht, daß 1 Perſon täglich 1 Morgen behacke, welche v. Daum in ſeinen Bei-
trägen II. §. 343. aus dem nach Thaers Angabe zu zahlenden Lohne von 3 Pfenn.
für 40 Ruthen Länge, ſo daß 1 Perſon täglich 5 bis 6 gGr. verdiene, abſtrahirt
hat, verdient gar keinen Glauben.
⁴⁾ Zu den Unkrautspflanzen ſind beſonders zu rechnen: a) Einjährige:
die Wucherblume (Chrysanthemum segetum), der Hederich (Raphanus Raphani-
strum), der Windhafer (Avena fatua), der Schwindelhafer (Lolch, Lolium temu-
lentum), der Kuhweitzen (Wachtelweitzen, Melampyrum arvense), die Kamille
(Matricaria Chamomilla), das Flohkraut (Poligonum persicaria), der Ackerſenf
(sinapis arvensis), der Ackerhahnenfuß (Ranunculus arvenvis), die Kornblume
(Centaurea cyanus), die Kornrade (Agrostemma githago), die Korntreſpe (Bromus
secalinus), die Klatſchroſe (Papaver Rhocas), das Täſchelkraut (Tlaspi arvense und
Tl. bursa pastoris), der weiße und der grüne Gänſefuß (Chenopodiam album,
viride), der Hahnenkamm (Rhinantus crista galli), das Klebkraut (Galium apa-
rine), die gemeine Gänſediſtel (sonchus oleraceus), der Ritterſporn (Delphinium
consolida). b) Zwei- und mehrjährige: der Kandelwiſch (Equisetum arvense),
der Ackerwindling (Convolvulus arvensis), die Ackerdiſtel (serratula arvensis), die
knollige Platterbſe (Lathyrus tuberosus), der Huflattig (Tussilago farfara), die
Vogelwicke (Vicia cracca), der Natterkopf (Echium vulgare), der Attich (sambu-
cus ebulus), der Ackerampfer (Rumex acetosella), die Ackergänſediſtel (sonchus
Baumstark Encyclopädie. 13
[194/0216]
⁴⁾ arvensis), die Brombeere Rubus fruticosus), die Ackerbeere (Rub. caesius), und
das Queckengras (Triticum repens). (S. Trautmann Landw. L. II. S. 54.)
Zu den ſchädlichen Thieren gehören die verſchiedenen Arten von Wild, die
Feldmäuſe, Hamſter (Mus cricetus), die Sperlinge, die Saatkrähen (Corvus fru-
gilegus), die Maikäfer (Melolontha majalis) und ihre Larve (Engerling), die
Ackerſchnecken (Limax agrestis), die Zugheuſchrecken (Gryllus migratorius), die
Frühlingsrockenraupe (Phalaena nictitans), die Rockenraupe (Ph. secalis), die
Gerſtenmade (Musca frit, secalis, calamitosa, hordei), die Getreideſchänder (Ti-
pula cerealis). — Beiträge zur Lehre von der Vertreibung der Unkräuter und
ſchädlichen Thiere finden ſich in den landwirthſchaftlichen Zeitſchriften zerſtreut.
Insbeſondere ſind aber folgende Schriften darüber anzuempfehlen: Gmelin, Von
den Arten des Unkrauts in Schwaben. Lübeck 1779. 8. Mund, Abhandl. vom
Unkraute. Leipzig 1787. Lüders Bedenken über das Unkraut. Flensburg 1772.
Boehmeri Commentationes IV. de plantis segeti infestis. Viteb. 1789–1791, 4.
Ejusdem Progr. de plantis auctoritate publ. extirpandis. Ibid. 1795. Bechſtein,
Muſterung aller bisher als ſchädlich erachteten Thiere. Gotha 1805. 2te Auflage.
Crönfeld, Von der Ausrottung des ſchädlichen Ungeziefers. Leipzig 1794.
v. Reuß, Mittel zur Vertilgung ſchädlicher Thiere. Leipzig 1799. 2te Auflage.
Smith, Handbuch zur Vertreibung der ſchädlichen vierfüßigen Thiere. Aus dem
Engl. überſetzt. Hannover 1800. — Die beſten Mittel gegen die in der Oeconomie
ſchädlichen Thiere. Quedlinburg 1802. 2te Aufl. 8. Werner, Art und Weiſe,
das Ungeziefer ohne Gift zu vertreiben. Breslau 1803. Leuchs, Darſtellung der
Mittel zur Abhaltung u. ſ. w. aller ſchädlichen Thiere. Nürnberg 1822. 2te Aufl.
Eine Menge von Monographien über einzelne ſchädliche Thiere gibt Weber im
Handbuch der öconomiſchen Literatur an. Ueber die Wanderheuſchrecke ſ. m. Thaer
Möglin. Annalen. XX. 520. XXI. 135. XIII. 149.
⁵⁾ Dieſe drei Sachen gehören in der beſonderen Feldbaulehre beſonders abge-
handelt. Ueber Pflanzenpflege im Allgemeinen ſ. m. aber Burger Lehrb. I. 317.
Gejer Lehrbuch. §. 46. v. Reider Landw. L. §. 104. 115. Gerike praktiſche
Anleitung. II. §. 224. 228. Koppe Unterricht. II. 149. Schwerz belg. Landw.
I. 263. u. Andere. Ueber Pflanzenkrankheiten ſ. André öconomiſche Neuigkeiten.
1814. No. 36.
IV. Erntelehre.
§. 152.
1) Von dem Schnitte.
Die Reife iſt das Zeichen zur Ernte, d. h. zum Einſammeln
der Feldbauproducte. Man unterſcheidet die natürliche und die
wirthſchaftliche Reife. Erſt die völlige Ausbildung des Saa-
mens iſt das Zeichen der Erſteren; die Leztere aber tritt oft ſchon
früher ein1). Alsdann werden die ganzen Pflanzen oder deren
Theile, auf welche man beim Baue abzielte, abgebrochen, abge-
ſchnitten, ausgezogen, ausgehackt, abgehauen oder abgeſägt. Das
Eine oder das Andere geſchieht entweder mit der Hand durch
Handwerkzeuge oder aber mit Maſchinen. Zu jenen gehören die
Meſſer, Hibben, Aexte, Sägen, Sicheln, Senſen, Hacken, Kar-
ſten; zu dieſen die einfachen und complicirten Pflüge und die
Mähemaſchinen2). Bei der Ernte gibt es aber Unfälle3).
¹⁾ Weil nämlich manche Pflanzen ſchon vor der Reife geerntet werden müſſen,
z. B. der Klee, Flachs, das Wieſengras, die Hirſe. Man ſ. aber über die Ernte-
[195/0217]
¹⁾ geſchäfte: Burger Lehrbuch. I. 329. v. Reider Landw. L. §. 118. Gejer
Lehrbuch. S. 41. Koppe Unterricht. II. 155. Gerike prakt. Anleit. III. §. 349.
welche ſie zuſammen dargeſtellt haben. Dagegen aber: Thaer ration. Landwirthſch.
IV. 38. III. 258. Crud Oeconomie. S. 244. u. 222. Trautmann Landw. L.
II. 38. 106. welche ſie im beſondern Theile zerſtreut vortragen. Thaer Annalen
des Ackerbaues. I. 453. II. 363. 664. IV. 82. 100. VI. 48. Schnee Landw.
Zeitung. IX. 185.
²⁾ Ueber Mähe- und Erntemaſchinen ſ. m. Palladius de Re rustica. lib. VII.
tit. 2 (Beſchreibung einer im alten Gallien gebrauchten einfachen Erntemaſchine).
Schnee Landw. Zeitung. IV. 3 (Gladſtone's Erntemaſchine). XII. 226. und
XIII. 197 (Smiths Mähemaſchine). XIV. 437. 480 (Verſuche mit Lezterer).
Beſchreibung derſelben auch bei André Oeconom. Neuigkeiten. 1817. No. 5 folg.
Beſchreibungen und Abbildungen verſchiedener Arten von Sicheln und Senſen bei
Gerike a. a. O. Taf. 3–6. Die bis jetzt erfundenen Mähemaſchinen haben ſich
nicht erprobt. Die Form der Sicheln und Senſen iſt bekannt; Leztere haben aber
noch manchmal beſondere Vorrichtungen, welche entweder in einem Korbe, Bügel
oder in der Gabel beſtehen. Ob man den Schnitt mit der Senſe oder jenen mit
der Sichel vorziehen ſoll, das hängt davon ab, womit die Arbeit am vollkommen-
ſten und ſchnellſten geſchieht. Die in einer Gegend einheimiſche Geſchicklichkeit in
der einen oder andern Methode iſt dabei ſehr wichtig.
³⁾ Der allgemeinſte und ſchlimmſte davon iſt regneriſche Witterung. Die
Maßregeln dagegen richten ſich nach der Art des Productes. Man ſ. Putmaret's
Erfindung bei einer naſſen Getreideärndte die Früchte zu trocknen. Münſter 1771.
Untrügliche Art, wie bei regenhafter Witterung die Feldfrüchte in Sicherheit zu
bringen ſind. Weimar 1801. Helfenzrieder Beſchreibung einer Trockenſcheune.
Augsburg 1787. Thaer Annalen des Ackerbaues. IV. 82. Brandenburg Mit-
tel, das Ausfallen des Getreides auf dem Felde zu vermeiden. Berlin 1820.
Werner Anweiſung, bei ſchlechtem Aerndtewetter das Getreide gut zu erhalten ꝛc.
Leipzig 1816. Pſeiner, die verbeſſerte Getreideharfe (ein Trockenhaus). Wien
1822. Mit 16 Tabellen und 1 Kupfer. Mehreres auch in landw. Zeitſchriften.
§. 153.
2) Von der weiteren Gewinnung.
Manche landwirthſchaftliche Producte müſſen, ehe ſie weiter
gewonnen werden können, getrocknet werden, manche aber nicht1).
In beiden Fällen iſt aber oft erforderlich, daß man ſie noch von
ihrer äußeren rauhen Umgebung befreit. Dies geſchieht bald in-
dem man die Laubhüllen hinwegzieht, das Kraut abſchneidet, die
Schotten und Hülſen hinwegnimmt, die Kapſeln aufſchneidet,
bald indem man die Saamen von der Spreu befreit2). Das
Leztere iſt das Dreſchen. Man unterſcheidet das Dreſchen mit
Flegeln, das Ausdreſchen durch Thiere und den Druſch mit
Maſchinen3), welche man in Dreſch-Walzen,- Stampfen
und -Mühlen eintheilt (ſchottiſche Dreſchmaſchinen), je nachdem
in ihnen der Druſch durch die im Namen enthaltene Methode ge-
ſchieht. Das Flegeldreſchen eignet ſich für kleine Güter und
volkreiche Gegenden, das Thierdreſchen nur für ganz reifes,
leicht ausgehendes Geſäme, das Maſchinendreſchen aber blos
für große Güter und menſchenleere Gegenden. Zwar wird in
13 *
[196/0218]
gleicher Zeit auf beide leztere Methoden weit mehr gedroſchen, als
auf erſtere Art, allein das Stroh wird durch ſie mehr oder we-
niger unbrauchbar4). Auf das Dreſchen folgt das Reinigen der
Körnerfrüchte5).
¹⁾ z. B. Getreide, Heu, Klee, — Rüben, Kartoffeln.
²⁾ z. B. Mais, Runkelrüben, Bohnen, Mohn, Getreide, Kleeſaamen.
³⁾ Ueber alle ältere Dreſchmaſchinen ſ. m. Krünitz Oeconom. Encyclopädie.
IX. 505. Röſſig in den öconom. Heften. Dezember 1798. Die älteſte a. 1670
zu Paddern in Kurland erbaute Dreſchmaſchine ſoll, nach Trautmann (II. 44.),
in der Breslauer Natur- und Kunſtgeſchichte beſchrieben ſein. Ueber neuere aber
ſ. m. Peßler's vollſtändige Beſchreib. und Abbild. einer neuen Dreſchmaſchine.
Braunſchweig 1797. vergl. mit Karſten, die Peßleriſche Dreſchmaſchine nach
Theorie und Erfahrung beurtheilt. Celle 1799. Thaer rat. Landwirthſch. IV. 45
(ſchottiſche). Melzer Abbild. und Beſchreibung einer neuen Dreſchmaſchine. Leip-
zig 1803. Sickler Beſchreib. einer Dreſch- ꝛc. Maſchine. Erfurt 1806. Bailey
Beförderung der Künſte. S. 103 (Evers Dreſchmühle, die zugleich mahlt).
Danninger Beſchreibung der auf der Herrſchaft Nutzendorf ſeit 1813 errichteten
Dreſchmaſchine. Wien 1815. Mit 6 Kupfern. Ueber andere Dreſchmaſchinen ſ. m.
Schnee Landw. Zeitung. I. 136. 105. 175. 277. 451 (Veroneſiſche Dreſchwalze).
II. 121. 323 (die Roſenthal'ſche und Wigfull'ſche). V 160 (Dreſchwalze von
Puymarin). 118 (die kurländiſche). XI. 187. 320. XII. 125. 431 (ſchottiſche
Dreſchmühle). XIII. 99 (Moroſi's Dreſchmühle). 356 (franzöſiſche, mit Flegeln).
Die neueſte Dreſchmaſchine iſt von Frêche, in Frankreich, eine Walze. Man ſ.
darüber Bulletin de la société d'encouragement des Arts. Août 1831. p. 343.
Dingler polytechn. Journal. Bd. 42. Heft 2. S. 146. Weber ſchleſ. landw.
Zeitſchr. I. Jahrg. (1832.) I. Bd. 2. Heft. S. 56. Ueber Dreſchmaſchinen über-
haupt auch Thaer Annalen des Ackerbaues. I. 397. II. 178.
⁴⁾ Ueber die Dreſcharbeit ſ. m. überhaupt die im §. 152. Note 1. erwähnten
Schriften.
⁵⁾ Das Reinigen der Körnerfrüchte von gröberen Sämereien geſchieht durch
Siebe, jenes von leichteren Beimengungen durch das Werfen gegen den Wind mit
einer Schaufel, oder durch das in die Höhe Werfen und Wiederauffangen mit
breiten Wannen, oder durch die Fegemühle. Ueber dieſe Leztere ſ. m. Clauſ-
ſen Beſchreibung zweier Maſchinen zum Reinigen des Korns. Leipzig 1792.
Mitzel Abbildung und Beſchreibung einer Maſchine, die nicht nur Korn driſcht
und fegt, ſondern auch den Hanf ꝛc. bricht und erweicht. Dresden 1803. v. Stahl
Abbildung und Beſchreibung erprobter Maſchinen, wodurch das Getreide gereinigt
werden kann. Grätz 1806. Mit 5 Kupfern. Auch findet ſich eine Beſchreibung von
einer Fegemühle bei Bailey a. a. O. S. 97 (v. Evers). Dieſelben ſind übrigens
bekannt genug.
Zweite Unterabtheilung.
Beſondere Feldbaulehre.
§. 153. a.
Die einzelnen Zweige des Feldbaues unterſcheiden ſich nach
den drei Hauptnutzungen des Feldes als Acker-, Wieſen- und
Weide-Land. Der Bau der beiden Lezteren iſt einfacher als der
Ackerbau. Dieſer aber zerfällt in den Bau der Getreide-, der
Wurzel- und Knollen-, der Baſt-, Gewürz-, Farb-, Oel-,
Gewerks- und Futter-Pflanzen1).
¹⁾ S. auch Schubarth Anbau der Feldgewächſe. Leipzig 1832. II Thle.
[197/0219]
I. Von dem Ackerbaue.
A. Vom Getreidebaue.
§. 154.
1) Begriff, Weſen und Arten der Getreide.
Unter Getreiden (Cerealia, Frumenta) verſteht man die-
jenigen landwirthſchaftlichen Pflanzen, welche vorzüglich mehlreiche,
zur menſchlichen Speiſe dienende und der Brodgährung fähige
Saamen liefern. Man unterſcheidet daher:
1) Die Halmfrüchte (Grasgetreide, eigentliche Getreide),
d. h. Gräſer mit großen Saamen, welchen obige Eigenſchaften zu-
kommen. Ihre Nutzung beſteht in den Körnern und im Stroh.
Sie haben lange Halme mit Knoten und langen geſtreiften Blät-
tern. Jene endigen in einen Spindel, d. h. einen Stiel, woran
die Aehrchen, d. h. zwei oder drei Blütchen (Körner), zwiſchen
zwei gemeinſchaftlichen Kelchblättchen (Umhüllung) ſitzen. Sind
dieſe Aehrchen nicht geſtielt, dann bilden ſie eine Aehre (Spica);
ſind ſie aber geſtielt, eine Riſpe (Panicula) oder einen Kolben
(spica cylindrica seu panicula spincata), je nachdem die Stiel-
chen lang oder kurz ſind. An den Aehrchen unterſcheidet man die
Spelzen, d. h. die Umhüllung der Körner, die Grannen, d. h.
die an der Spitze der Spelzen angewachſenen Haare, und die
Blüthchen, d. h. zwei die Befruchtungstheile enthaltenden
Spelzchen.
2) Die Krautfrüchte (Krautgetreide), d. h. Kräuterpflan-
zen mit großen, zum Theile auch in Hülſen aufbewahrten Saamen,
welchen obige Eigenſchaften mehr oder weniger zukommen. Anſtatt
der Halme haben ſie ſaftige oder auch etwas holzige Stengel,
aber ſtatt der langen geſtreiften breite ſaftige gerippte Blätter1).
¹⁾ Man ſ. über die Getreide: seringe Melanges botaniques. Bern. 1818.
Tom. I. pag. 220. Metzger Europäiſche Cerealien. Heidelberg 1824. Andere
Schriften gibt Lezterer und auch Weber (Handbuch der öconom. Literatur) an.
S. auch Reum öconom. Botanik. S. 117. v. Haller Beſchreibung der Ge-
ſchlechter ꝛc. des Getreides. Bern. 1781.
§. 155.
2) Anbau der Getreidearten. a) Halmfrüchte. — Weitzen.
Roggen. Gerſte. Hafer.
Der Getreidebau iſt der allerverbreitetſte1). Unter den Halm-
früchten ſind folgende die wichtigſten:
1) Der Weitzen (Triticum). Unter den verſchiedenen Arten
deſſelben2) iſt der gemeine Weitzen (Trit. vulgare) und die
[198/0220]
Spelze, Veſen oder Dinkel (Trit. spelta) am meiſten be-
kannt. Jenen theilt man wegen der Zeit des Anbaues und Wachs-
thumes in Winterweitzen (Trit. vulg. hibernum) und Som-
merweitzen (Trit. vulg. aestivum) ein3).
2) Der Roggen (secale cereale), welchen man, ebenfalls
in Winter- und Sommerroggen (hibernum und aestivum) ein-
theilt4).
3) Die Gerſte (Hordeum), von deren Arten die ſechszei-
lige (Hordeum hexastichon) die eigentliche Wintergerſte (hi-
bernum) iſt5).
4) Der Hafer (Avena), der nur als eine Sommerfrucht
gebaut wird6).
¹⁾ Böcklin, Abhandlung vom Urſprung des Getreidebaues. Frankfurt 1786.
Riem, das Ganze des Getreidebaues. Hof 1800. Springer, Abhandl. vom
deutſchen Getreidebau. Göttingen 1767. Parmentier, Abhandl. über die Vor-
theile ꝛc. (des Getreides). Ueberſ. von Riem. Hannover 1806. II. Fiſcher,
Ueber den Anbau ausländiſcher Getreide. I. Heft. Nürnberg 1805. (Neue Ausg.
1818. Leipzig.) Wagini, Ueber Anbau der Getreidearten. Wien 1818. Da vom
Getreidebaue in allen Hand- und Lehrbüchern der Landwirthſchaft und in allen
landwirthſch. Zeitſchriften ungemein viel gehandelt wird, ſo wird hier nicht beſon-
ders auf Literatur verwieſen. Der Verf. hält es für beſſer, den Raum der Noten
zu praktiſchen Bemerkungen zu benutzen, und gibt daher in denſelben theils das
Botaniſche, theils das die Cultur Betreffende in Form von Aphorismen, um auch
hierin an Raum zu erſparen. Daſſelbe ſoll auch bei den folgenden Zweigen der
Landwirthſchaft geſchehen.
²⁾ Der gemeine Weitzen hat eine 4ſeitige, 3–4 Zoll lange, zuſammen-
gedrückte Aehre, mit 2–3 ſaamigen ausgebreiteten Aehrchen, mit aufgeblaſenen,
an der Spitze gedrückten Spelzen und länglich-ovalen abgeſtumpften Saamen. Der
Halm wird 3–4 Fuß lang. Die Spelz hat 2 ſaamige, locker in einander liegende
Aehrchen, abgeſtumpfte, zuſammengedrückte, bald gegrante, bald ungegrante Spelzen,
ovale, abgeſtumpfte, mehr glaſige Saamen, welche in den Spelzen bleiben. Vom
Weitzen überhaupt gibt es noch folgende verſchiedene Arten: Trit. turgidum (eng-
liſcher W.), Trit. durum (Bart W.), Trit. polonicum (polniſcher W.), Trit.
amyleum (Emmer W.), Trit. compositum (vielähriger, Wunder W.), Trit. mo-
nococcon (Einkorn). Darunter gibt es aber noch ſehr viele Abarten.
³⁾ Winterweitzen: Thonboden; viel Dünger; Boden nach Hackfrüchten
einmal, und nach Halmfrüchten mehrmals zu pflügen; Saatzeit Ende Septembers
und erſte Hälfte Oktobers; Einſaat 1¼-3 Scheffel pr. Morgen (preuß. Maaß);
Ertrag 10–25 Sch. pr. M.; auf 100 Pfund Körner 180–250 Pfd. Stroh. —
Sommerweitzen: thonigen Boden; Saatzeit lezte Hälfte vom April; Saat dich-
ter als bei jenem; Ertrag etwas geringer. Der Scheffel Weitzen wiegt 90 Pfund.
Spelz: Winterfrucht; Einſaat bis zu 5 Scheffel pr. Morgen, weil das Korn in
den Spelzen ſteckt; Ertrag doppelt ſo groß als beim Weitzen; lagert ſich wenig,
leidet nicht vom Vogelfraß wie der Weitzen; oft als Mengſel unter Roggen.
⁴⁾ Der Roggen hat die Blüthen in einer Aehre, 2 ſaamige Aehrchen in 2
Reihen abwechſelnd an der Spindel, 2 klappige Kelchſpelzen mit gleichen ſchmalen
in eine feine Spitze ausgehenden Klappen, aber 2 klappige ungleiche Blumenſpelzen,
wovon die äußere gegrant, am Rücken ſcharf, und mit einer Reihe ſteifer Haare
beſetzt iſt. Der Saamen iſt cylindriſch abgeſtumpft, der Halm 4–5 Fuß hoch,
und die Aehre 3–6 Zoll lang und gebogen. Winterroggen: leichter, nicht
feſter Boden; weniger Dünger als für Weitzen in gleichem Boden; Ackerbeſtellung
wie beim Weitzen; Saatzeit 25ten Auguſt bis 15ten September, je nach der Ge-
[199/0221]
⁴⁾ gend; Einſaat 1–2 Scheffel pr. Morgen; Ertrag 10–17 Scheffel; auf 100 Pfd.
Körner 200–300 Pfd. Stroh. — Sommerroggen: Klima und Boden wie
beim Winterroggen; gefährdete, minder ergiebige Getreideart; viel Dünger; feuchte
Frühlinge; Saat früh, ſchon im April, dichter als beim Winterroggen; Körner-
ertrag geringer, Strohertrag größer, als beim Weitzen und bei anderen Saamen-
getreiden. Ein Scheffel Roggen wiegt 86 Pfund.
⁵⁾ Die Gerſte hat die Blüthen auch in einer Aehre, einblüthige, einſaamige
Aehrchen, und zwar 3 beiſammen in einem Büſchel, von denen manchmal nur das
mittlere fruchtbar iſt. Die Kelchſpelzen ſind 2 klappig-pfriemenförmig, die Blumen-
ſpelzen ungleich, oft mit den Saamen verwachſen, die äußeren gegrant und 5 nervig,
die Saamen länglich, aufgeblaſen und zugeſpitzt nach beiden Enden. Halm 2½ bis
3 Fuß hoch, Aehre 3–3½ Zoll lang. Verſchiedene Arten: Hordeum hexastichon
(ſechszeilige Gerſte), Hord. vulgare (gemeine, vierzeilige Gerſte), Hord. distichon
(zweizeilige Gerſte), Hord. zeocriton (Reis- oder Pfauen-Gerſte). Es gibt viele
Abarten. Die Gerſte verlangt in warmem Klima einen mäßig bindigen, in feuch-
tem Klima aber einen leichten, loſen Boden; reichlichen Dünger; lockeres und
reines Feld; Saatzeit für Sommergerſte Ende des März und Anfang Aprils, für
Wintergerſte im September; Einſaat 1¼–3 Scheffel pr. Morgen; Ertrag 10
bis 26 Scheffel; auf 100 Pfd. Körner 140–161 Pfd. Stroh; der Scheffel Gerſte
wiegt 75 Pfund.
⁶⁾ Der Hafer hat Blüthen und Aehrchen in einer Riſpe, 2–6 blüthige,
2–4 ſaamige Aehrchen, die Blumenſtielchen ſind an der Spitze verdickt, die Kelch-
ſpelzen 2 klappig gleich, die Blumenſpelzen umſchließen meiſt den Saamen, der fein
behaart iſt. Der Halm iſt 3½-4 Fuß hoch, die Riſpe 8–10 Zoll lang. Ver-
ſchiedene Arten: Avena sativa (Riſpen-Hafer), Av. orientalis (Fahnen-Hafer),
Av. chinensis (chineſiſcher Hafer), Av. nuda (nackter Hafer), Av. fatua (Flug-
Hafer), Av. strigosa (Sand-Hafer), Av. brevis (kurzer Hafer). Der Hafer ver-
langt loſen trockenen, aber nicht mageren, Boden; wenig Feuchtigkeit, ohne durch
Näſſe und Kälte zu leiden, wie die Gerſte; kein zu trockenes Klima; iſt ſtark gegen
Frühlingsfroſt; einmaliges Pflügen in lockerem Boden nach Winterbrache; die frühe
Saat im April und Mai iſt beſſer als die ſpätere am Ende Mai's und Juni's;
Einſaat 1¼–2¾ Scheffel pr. Morgen; Ertrag 4–16 Scheffel; auf 100 Pfd.
Körner 160–200 Pfd. Stroh. Der Scheffel Hafer wiegt 50 Pfd.
§. 156.
Fortſetzung. Reiß. Glanzgras. Moorhirſe. Hirſe. Mais.
5) Der Reiß (Oryza sativa), deſſen Anbau mit vieler
Mühe verbunden iſt, gedeihet nur in warmem Klima auf frucht-
barem Boden, weshalb er für unſere Felder nicht wohl paßt. Er
muß bewäſſert werden1).
6) Das Kanarien- (Glanz-) Gras (Phalaris canariensis)
iſt eine Sommerfrucht, aber nicht von beſonderem wirthſchaftlichen
Werthe2).
7) Die gemeine Moorhirſe (sorghum vulgare, oder
Holcus sorghum), welche ein ſüdliches Klima erheiſcht, paßt
nicht für Deutſchland, beſonders da ihr Mehl ſehr unſchmack-
haft iſt3).
8) Die Hirſe (Panicum) iſt eine ſehr vortheilhafte Getreide-
art, welche als Sommerfrucht in vielfacher Hinſicht verdiente,
mehr gebaut zu werden, als wirklich der Fall iſt4).
[200/0222]
9) Der Mais oder das Welſchkorn (Zea Mais, M. vul-
garis), wovon es eigentlich nur Spielarten in Menge gibt, iſt
eine vielgebaute vortreffliche Sommerfrucht. Man baut davon den
gemeinen großen Mais, und den gemeinen kleinen Mais
(Dreimonats- Mais, in Italien Cinquantino genannt, weil er
ungefähr in 50 Tagen ſchon reif iſt)5).
¹⁾ Der Reiß iſt riſpenförmig, die Aehrchen ſind einblüthig, die Kelchſpelzen
zweiklappig, die Klappen ſehr klein und ſpitzig; die 2klappigen Blumenſpelzen bilden
eine Schaale über dem Saamen, die äußere Klappe iſt 5eckig und größer als die
innere, Saamen oval, ſtumpf, zuſammengedrückt und eckig. Der Halm iſt 3–4
Fuß hoch, und die Riſpe ausgebreitet. Man unterſcheidet den gegranten und un-
gegranten Reiß. Saatzeit früh im Frühling. Reife nach 6 Monaten. Das Feld
wird zur Bewäſſerung beſonders durch Dämme und Gräben zugerichtet, und
bewäſſert vor der Saat. Der, vorher eingeweichte, Saamen wird auf das Waſſer
geſäet, ſinkt unter, und wächst aus dem Waſſer hervor. Im Mai läßt man das
Waſſer ab, und jätet; hierauf wird das Waſſer wieder mehrmals zu- und abge-
laſſen, bis man im Oktober das Feld, als Vorbereitung zur Ernte, ganz trocken
legt. Unter ſeinen Spielarten iſt der Bergreiß (Oryza montana) beſonders
darum zu bemerken, weil er auf trockenem Felde gebaut werden kann.
²⁾ Saatzeit im April; Reife am Ende Juli; verlangt guten leichten Boden;
iſt als Brodfrucht unbedeutend, aber für Kanarienvögel ſehr gut.
³⁾ Die gemeine Moorhirſe hat eine dichte zuſammengezogene Riſpe,
1–2blüthige kurzgeſtielte Aehrchen, 2klappige, lederharte, ovale, glänzende, die
Saamen umſchließende Kelch-, aber dünnhäutige, zarte, kurz oder gar nicht gegrante
Blumen-Spelzen, verkehrt eiförmige, aufgeblaſene, glatte, mehlige Saamen. Der
Halm ſehr ſtark, 4–6 Fuß hoch, die Riſpe 3–4 Zoll lang und 2–2½ Zoll
breit. Arten: Holcus halepensiss (ſchmalblättrige M.), H. Cafer (mit dolden-
artiger Riſpe), H. spicatus (mit langer dichter Aehre), Holcus cernuns (mit oben
krummem Halſe), H. saccharatus (Zucker-M., mit ſehr ausgebreiteter Riſpe),
H. nigerrimus (pyramidiſche Riſpe), und H. bicolor (zweifarbige M., mit langer,
ſeitwärts zuſammengezogener Riſpe). Saatzeit bei uns Ende Aprils; Reife in
der Hälfte Septembers; warmer Sommer; Ertrag 200 fältig.
⁴⁾ Blumen und Aehrchen in Riſpen oder Kolben; Aehrchen einblüthig; Kelch-
ſpelzen 3klappig; Blumenſpelzen den Saamen umſchließend, 2klappig; Körner rund
und verſchieden groß. Bei der Riſpenhirſe Halm 1½-2 Fuß hoch, und die Riſpe
nach einer Seite hängend; bei der Kolbenhirſe Halm 2–4 Fuß hoch, Kolben von
verſchiedener Größe, Spindel haarig. Arten: Panicum miliaceum (Riſpenhirſe),
Pan. italicum (Kolbenhirſe), beide mit mehreren Abarten. Warmes Klima für
Wein. Verträgt Trockenheit und Hitze; daher tauglich für ſandigen Boden, für
Neubrüche; verlangt guten Düngungszuſtand und Reinheit des Ackers; Saatzeit
April, ſelbſt noch Mai; Einſaat 3–5 Metzen pr. Morgen; Ertrag 8–10 Schef-
fel, zu ernten vor völliger Reife mit der Sichel, wegen des Ausfallens der Körner;
100 Pfund Körner geben 137–140 Pfd. Stroh und 1 Scheffel wiegt 75 Pfd.
⁵⁾ Die männlichen Blüthen in der Riſpe, die weiblichen in der Aehre. Sten-
gel 2¾-18 Fuß hoch, bei uns gewöhnlich 5–7 Fuß. Klima wie für die Hirſe;
in warmen Ländern einen bindigen, in kälteren einen leichteren Boden; reichliche
und friſche Düngung und fleißige Reinigung des Bodens; Saatzeit des großen Mais
im April, des kleinern im Juni; lezteren ſäet man in die Stoppel nach der
Ernte; Einſaat ¾ bis 1 Scheffel pr. Morgen, in gleich weit von einander ent-
fernten Reihen: zweimaliges Behacken und dann Behäufeln: die Riſpen geben gutes
Rindviehfutter, dürfen aber der Befruchtung wegen nicht zu früh abgeſchnitten
werden; Ertrag, je nach der Weitwürfigkeit der Saat, 11–25 Scheffel pr. Mor-
gen; 100 Pfund Körner geben 135 Pfund Stroh; 1 Scheffel wiegt 78 Pfund.
[201/0223]
§. 157.
Fortſetzung. b) Krautfrüchte. Buchweitzen. Hülſenfrüchte.
Unter den Krautfrüchten ſind folgende die wichtigſten:
1) Der Buchweitzen oder das Heidekorn (Polygonum).
Er iſt eines der unzuverläſſigſten und empfindlichſten landwirthſchaft-
lichen Gewächſen, obſchon er ſich wegen ſeiner Schnellwüchſigkeit
und geringen Düngerbedarfs empfiehlt1).
2) Die Hülſenfrüchte. Die, Schoten tragenden, Ge-
treidepflanzen ſind alle nur einjährig, und blos, mit Mehl von
Halmfrüchten gemiſcht, zu Brod zu gebrauchen. Sie ertragen
keine eindringliche Kälte und ziehen einen großen Theil ihrer Nah-
rung durch Stengel und Blätter aus der Luft. Ein feuchtes Klima
iſt für ſie daher ſelbſt dann noch gut, wenn die Halmfrüchte nicht
gedeihen. Ihre Kultur erſchöpft eben darum auch den Boden
nicht, dieſer erhält durch ihre Bearbeitung und durch die abfal-
lenden Blätter ſogar noch einen Grad natürlicher Düngung, und
bleibt durch ihre Blätter beſchattet, ſo wie durch dieſen Schatten
und ihren dichten Stand vor Unkraut geſchützt. Die wichtigſten
von ihnen ſind:
a) Die Erbſe (Pisum), von welcher man die gemeine
Erbſe (Pisum sativum) und die Kronerbſe (P. corymbosum)
beſonders pflanzt2).
b) Die Bohne (Vicia faba), wovon man die große
Pferde- oder Saubohne (V. f. major), die eigentliche
Pferdebohne (V. f. minor) und die Kaffebohne (V. f. mi-
nima) beſonders baut3).
c) Die Wicke (Vicia sativa), welche, als Sommerfrucht,
ganz beſonders auch zu Futter ſich eignet4).
d) Die Linſe (Ervum Lens), wovon man die Pfennig-
linſe (E. L. major) und die kleine Linſe (E. L. minor) kul-
tivirt findet5).
e) Die Fiſole (Phaseolus), von deren vielen verſchiedenen
Arten und Spielarten die Zwergfiſole (Ph. Nanus) im Stocke
die kleinſte iſt6).
f) Die Platterbſe (Lathyrus sativus) und
g) Die Kicher (Cicer arietinum), welche aber jetzt beide,
da ſie den anderen Hülſenfrüchten in jeder Hinſicht nachſtehen,
nicht mehr viel gebaut werden.
¹⁾ Mit gefärbtem Kelche, der 5mal getheilt iſt, keine Blumenkrone hat, und
3 eckige Saamen gibt. Saamen dreieckig, ſpitz, von dem Kelche feſt umſchloſſen.
Stengel 2–3½ Fuß hoch. Arten: Polygonum fagopyrum (gemeiner B.), P.
tartaricum (tartariſcher B.) und P. emarginatum (großer B.). Wenig Bedarf an
[202/0224]
¹⁾ Feuchtigkeit; daher Fortkommen in Sandboden; iſt empfindlich gegen Kälte und
dürre Winde; Saatzeit gewöhnlich im Mai, aber öfters noch im Juli, alsdann iſt
er jedoch zweite Frucht; verlangt warmen Boden ohne viel Humus; iſt er erſte
Frucht, dann wird der Acker zweimal, — iſt er aber zweite Frucht, dann wird
jener nur einmal gepflügt; Einſaat 1¼-1½ Scheffel pr. Morgen; Ertrag, ſehr
wechſelnd, oft kaum die Saat, und dann wieder bis zu 18 Scheffel pr. Morgen.
²⁾ Man unterſcheidet die Pahl- (Früh-, Mark-, grüne, langhälſige, graue,
braune und Zwerg-Erbſe) und die Zuckererbſe (Säbel- und niedrige Zuckererbſe).
Reum öconom. Botanik. S. 301. Die beſten Erbſen blühen weiß. Die Kron-
erbſe hat weiße große, die gemeine Erbſe grüne, graue und weiße Körner. Leztere
iſt immer Früherbſe, und von den Erſteren nur die grünen und weißen entweder
Spat- oder Früherbſen; ſie lieben das Klima des Winterweitzens; nicht zu loſen,
beſonders aber Kalkboden; zu ſtarke Düngung treibt ſie ſehr in die Stengel und
gibt unvollkommene Körner; Vorbereitung des Bodens, wie bei den Sommerfrüch-
ten, nämlich Brachackerung vom Herbſte an, ſo daß man im Frühjahre nur ſeicht
pflügt; die Saat im Mai iſt ſchon ſpät und nicht ſo gut wie frühere; Einſaat
⅔-2 Scheffel pr. Morgen; Ertrag 3–10 Scheffel; Behacken oder Uebereggen
ſehr vortheilhaft; 100 Pfund Körner geben 260–285 Pfund Stroh, und 1 Sch.
Erbſen wiegt 100 Pfund.
³⁾ Sie hat weiß- und ſchwarzgefleckte Blumen, viereckige hohle Stengel und
ſaftige Blätter. Die Saubohne hat flache große weißgelbe oder blutrothe Saamen;
die Pferdebohne hat kleinere rundliche und braungelbe Körner; ihr iſt die Kaffebohne
ähnlich, aber kleiner. Durch Kultur unterſcheidet man auch die kleine, die Garten,
Windſor-, Magazin- und Zwerg-Puffbohne. Reum öconom. Botanik. S. 303.
Sie verlangt das Klima des Sommerweitzens, mehr Feuchtigkeit als die Erbſe,
hauptſächlich Thonboden, und nur bei feuchtem hühlem Klima einen loſen Grund,
aber unter allen Hülſenfrüchten am meiſten Dünger; Pflügen und Düngen ſchon im
Herbſte; Saatzeit im Mai iſt ſchon ſpät; das Behacken iſt nöthig; Einſaat 1–2
Scheffel pr. Morgen; Ertrag 6–10 Scheffel; 100 Pfund Bohnen geben 134 bis
144 Pfund Stroh und 1 Scheffel Bohnen wiegt 100 Pfund.
⁴⁾ Sie hat rothe Blüthen, ſchwarze Schoten, runde Saamen von verſchiedener
Farbe; Kultur im Gemiſche mit Gerſte und Hafer; zu Futter kann ſie dann grün
gemähet werden, und ſelbſt ſpäter ein nahrhaftes Heu geben: daher beſonders ge-
eignet zur Sommerbrache; in England gibt es Winterwicken, die ſchon im Mai
gutes Futter geben. Die Wicke verlangt mehr Feuchtigkeit und weniger Wärme
als die Erbſe, und ſchon auf magerem Boden nicht zu ſtarke Düngung; frühe Saat
iſt beſſer, als jene im Mai; ſie bedarf keiner beſonderen Kultur; Einſaat 1¼ Sch.
pr. Morgen; Ertrag 6–8 Scheffel; auf 100 Pfund Körner ſind 260–285 Pfd.
Stroh zu rechnen, und 1 Scheffel Wicken wiegt 100 Pfund.
⁵⁾ Sie hat bläulich-weiße, unter einander verſchlungene Blüthen, und kleine
Schoten mit 2–4 flachrunden Saamen. Sie verlangt bei trockenem Klima einen
thonigen, bei regneriſchen aber einen ſandigen Boden; wenig Dünger, recht frühe
Saat, eine Bodenbearbeitung wie bei gedüngter Sommerfrucht, und das Behacken
bei vorhandenem Unkraut. Einſaat ½-1¼ Scheffel pr. Morgen, und Ertrag
5–7 Scheffel. Reum (öconom. Botanik. S. 306.) unterſcheidet die Feld-,
Pfennig- und gelbe Linſe.
⁶⁾ Hauptſächlich Gartengewächſe, weil ſie meiſtens rankend ſind und alſo
Stangen haben müſſen. Sie vertragen keinen Froſt, aber Hitze, in naſſen Jahren
einen mürben, nur keinen Thonboden, und in heißen Jahren keinen Sandboden.
Sie lieben aber einen guten Düngungszuſtand, und ſind ſehr häufig in Maisäckern
als Zwiſchenfrucht gepflanzt.
§. 158.
3) Schlimme Zufälle der Getreidearten.
Die Getreide ſind verſchiedenen Unfällen ausgeſetzt. Es ge-
hört hierher, beſonders beim Weitzen: a) das Auswintern bei
[203/0225]
naſſem Boden und heftigem Winterfroſte; b) das Verſcheinen
und Gelbwerden im kalten Frühlingen1); c) das Lagern, als
Folge zu dichter Saat, zu ſtarker Düngung, anhaltenden Regens
u. dgl.; d) das Taubblühen bei ſchlechter Blüthezeit; e) der
Brand. Man unterſcheidet den Staubbrand (Uredo carbo,
franz. Nielle, Charbon) und den Steinbrand (Uredo Caries,
franz. la Carie)2); f) das Gichtkorn, wenn der Saame
einſchrumpft und ſchwindet; g) der Honigthau, eine honigartige
ausgeſchwitzte Feuchtigkeit; h) der Roſt, wenn Blätter und Sten-
gel gelbe Flecken bekommen, platzen und einen braunen Staub von
ſich geben; i) das Mutterkorn (beſonders beim Roggen), das
aus mißgeſtalteten langen hornartigen violetten Körnern beſteht,
die eine ſchädliche mehlige Subſtanz enthalten.
¹⁾ Man ſ. darüber Thaer Annalen der niederſächſ. Landwirthſch. Jahrg. IV.
Stück 3. S. 54.
²⁾ Von dieſem Uebel handeln vielfach alle Zeitſchriften für Landwirthſchaft.
Beim Staubbrande findet ſich in den Spelzen ein ſchwarzbrauner Staub; er entſteht
durch ſchlechten Boden, ſchlechtes Wetter u. dgl. und iſt nicht erblich. Der Stein-
brand, bei dem das Korn noch beſteht, aber braun und übel riechend und ſchmeckend
iſt, ſoll erblich ſein. Man ſ. z. B. darüber Reum Oekonom. Botanik. (Leipzig
1833.) S. 60. Dann außer den angegebenen Lehr- und Handbüchern noch Thaer
Möglin. Annalen. VI. 324. VIII 103. 158. IX. 293. XIV. 359. XXVII. 228.
Deſſelben Annalen der niederſächſ. Landw. Jahrg. IV. Stück 1. S. 98. Stück 2.
S. 306. Jahrg. VI. Stück 1. S. 61. Deſſelben Annalen des Ackerbaues. II.
334. 561. IV. 642. vrgl. mit 364. XII. 384. Schnee Landw. Zeitung. I. 466.
491. und in jedem folgenden Bande. André Oekonom. Neuigkeiten. Jahrg. 1811.
No. 4. u. and. Jahrg. 1812 an mehreren Stellen, und jedem folgenden Jahrgange.
§. 159.
4) Die Getreideernte.
Das Getreide wird in Schwaden geſchnitten oder gemäht,
dann getrocknet, nöthigenfalls gewendet und in Garben gebunden.
Die Garben ſelbſt werden zum Behufe völliger Abtrocknung in ver-
ſchiedenen Formen über einander geſtellt, oder auch auf Stangen-
gerüſte (Harfen) gehängt. Nach völliger Abtrocknung wird es
nach Hauſe gefahren1) und dort aufbewahrt, und zwar entweder
in Scheuren (Scheunen) oder im Freien in Triſten (Frimen2),
bis zum Druſche. Nach dem Lezteren und nach der Reinigung hebt
man daſſelbe entweder auf Schüttboden, oder in Getreide-
käſten oder endlich in unterirdiſchen Gruben (Silo's) auf3).
Die Erſteren ſind bequem, aber koſtſpielig und weder vor Inſekten
noch vor Mäuſen geſchützt; die hölzernen mit Eiſenblech beſchlage-
nen Kaſten ſind darum vorzuziehen; die unterirdiſchen, birnför-
[204/0226]
migen Gruben ſind nur in dichtem, waſſerhaltigem, ausgebranntem
und mit Stroh gefüttertem Thone anwendbar.
¹⁾ Es mähet 1 Mann bei 10ſtündigem Arbeitstage, bei mittlerer Dichtigkeit
des Getreides und gehöriger Geſchicklichkeit, an Winterfrucht 2,09 preuß. Morgen,
an Sommerfrucht 2,645 preuß. Morgen, an Schotenfrüchten 2,315 preuß. Morgen.
Es kann aber 1 Perſon in 12ſtündigem Arbeitstage im Durchſchnitte nur 0,50 Mor-
gen ſchneiden. Nach v. Podewils Wirthſchaftl. Erfahr. I. 45. macht 1 Perſon
täglich 10 Schock Strohſeile. Eine Perſon ſammelt, bindet und ſetzt zu Mandeln
auf, an einem 10ſtündigen Arbeitstage, im Durchſchnitte das Wintergetreide von
1,63 preuß. Morgen, das Sommergetreide von 1,78 preuß. Morgen, und die
Schotenfrüchte von 1,12 preuß. Morgen, ohne Rückſicht auf Maht oder Schnitt.
Im Durchſchnitte wiegt eine Weitzengarbe 23, eine Roggengarbe 22, eine Gerſten-
garbe 20, und eine Hafergarbe 17 Pfund. Man darf daher zu einer vierſpännigen
Ladung ſchon 105 Weitzengarben (2415 Pfd.), 105 Roggengarben (2310 Pfund),
120 Gerſtengarben (2400 Pfd.) und 135 Hafergarben (2295 Pfd.) rechnen, wenn
ſie ſich nur laden laſſen. Nach den im §. 148. Note 4. angenommenen Normal-
ſätzen beim Düngerfahren kann man für jede Fahrt 1 Stunde rechnen, weil das
Garbenladen mehr aufhält. Die Erbſen- und Wickenfuhren ſind leichter; daher
kann man ein vierſpänniges Fuder Erbſen auf 2000 Pfund, und Wicken auf 2200
Pfund ſchätzen (v. Daum Beiträge. II. §. 326,). Man wird daher auf 1¼ Stunde
unter obigen Normen eine Fahrt rechnen können, da man zum Aufladen leicht
¾ Stunden braucht. Eine Mandel Pferdebohnen wiegt 408 Pfund, Buch-
weitzen 295 Pfund. Da ſich beide dicht laden laſſen, ſo darf man auf ein vier-
ſpänniges Fuder ſchon 6 Mandeln von dem Erſteren (2448 Pfund), und 8 Man-
deln von den Lezteren (2360 Pfund) rechnen. Die Zeit für jede Fahrt iſt wie
beim Getreide. Man wird alſo von den bisher genannten Ladungen bei Wechſel-
wagen füglich im Tage 10 einbringen können. Für das Aufladen muß 1 Aufſtaker,
1 Nachharker und 1 Packer gerechnet werden. Da das Abladen ſehr raſch gehen
muß, ſo braucht man, um nicht aufzuhalten, immer noch einmal ſo viel Abſtaker
als Aufſtaker, und auf jeden im Durchſchnitte 3 Taſſer, worunter wenigſtens
1 Mann ſein muß. Daher im angegebenen Beiſpiele 2 Abſtaker, 6 Taſſer, wovon
2 Männer ſind. — Ueber Hanbury's Stangenhaken zum Ernten ſ. m. Bailey
a. a. O. S. 125.
²⁾ Ueber Getreidefeimen ſ. m. Thaer Möglin. Annalen. IX. 417. Thaer
engl. Landw. II. 154. 215. Weber prakt. Handbuch der Feldwirthſch. II. 152.
Sinclair Grundgeſetze. S. 751. Leideritz, Ueber Diemen- und Feimengerüſte,
Zerbſt 1801. Ueber Edgeworth's Vorrichtung ſ. m. Bailey a. a. O. S. 139.
Drei Dreſcher dreſchen in einem 7 ſtündigen Arbeitstage ungefähr 108 Garben
(9 Scheffel) Weitzen; oder 108 Garben (8,3 Scheffel) Roggen; oder in eben ſo
viel Garben 11,94 Scheffel Gerſte; oder 13,23 Scheffel Hafer; oder 144 Garben
(18 Scheffel) Buchweitzen; oder 11,72 Scheffel Wicken; oder 8 Scheffel Erbſen.
Der 5tägige Erdruſch kann von ihnen auch in einem Tage gereinigt werden.
³⁾ Man ſ. über dieſe unterirdiſchen Getreidemagazine: Thaer Mögliniſche
Annalen. XI. 26. XIX. 68. Schlier, Ueber unterirdiſche Getreidemagazine.
Würzburg 1825. Schnee Landwirthſch. Zeitung. II. 488. André Oeconomiſche
Neuigkeiten. 1813. Nro. 34 u. 35 (Magazin von Mauerwerk). Burger Lehrb.
I. 344. Trautmann Landwirthſch. L. II. 46. Ueber Fagot's Magazin ſ.
Schreber Sammlung. X. 264., über Engelmann's Magazin ſ. Preisſchriften
und Abhandl. der ökonomiſchen Geſellſch. zu Petersburg. I. 89., über Norberg's
Magazin ſ. Neue Abhandlungen der ſchwediſchen Akademie der Wiſſenſch. X. Bd.
1792. Nro. 5., über das Cheshire'ſche Magazin ſ. Sinclair Grundgeſetze.
S. 757. Ueber Delacroix's Aufbewahrung des Getreides ohne Silo's ſ. m.
Telnart, Die Kunſt, den Boden fruchtbar zu machen. Aus dem Franzöſ. überſ.
von Haumann. Ilmenau 1830. Die gefährlichſten Thiere in den Kornhäuſern
ſind: der weiße Kornwurm (Wolf, d. h. Made der Phalaena granella), der
rothe Kornwurm (Glander, Reiter, Wippel, Curculio frumentarius), und der
ſchwarze Kornwurm (Krebs, Curculio granarius). Der Lezte iſt der ſchädlichſte.
Schnee Landwirthſch. Zeitung. II. 93. 143. 368. 475.
[205/0227]
B. Vom Wurzel- und Knollengewächsbaue.
§. 160.
1) Begriff, Weſen und Arten der Wurzel- und Knollen-
gewächſe.
Man verſteht unter denſelben diejenigen Krautpflanzen, welche
wegen der in oder auf der Erde wachſenden Knollen oder Wurzeln,
die ſowohl den Menſchen als Hausthieren zur Nahrung dienen,
gezogen werden. Sie gehören botaniſch ganz verſchiedenen Ge-
ſchlechtern oder Familien an.
1) Die Wurzelgewächſe unterſcheiden ſich, abgeſehen von
ihrem botaniſchen Charakter, von den andern durch ihre zum Theile
in der Erde wachſenden fleiſchigen, bald länglichen, bald runden,
weißen, rothen und gelben Wurzeln, welche ſämmtlich in ſchwanz-
artiger Verlängerung in der Ackerkrume endigen.
2) Die Knollengewächſe ſind von jenen durch ihre bald
runde, bald längliche, bald breit gedrückte fleiſchige Knollen von
rother, gelber oder blauer Farbe verſchieden, welche nach beiden
Enden ſtumpf oder ſtumpfſpitzig ſind, keine glatte, ſondern eine
ſolche Fläche haben, die mit mehreren Vertiefungen (Augen,
Knoſpen) verſehen ſind, und durch eigene Wurzeln unter ſich und
mit dem Stocke zuſammenhängen1).
¹⁾ Ueber Kartoffelbau ſ. m. Ludwigs Abhandlung von den Erdäpfeln.
Bern 1770. Eugel Anweiſung ꝛc. über den Erdäpfelbau. Bern 1773–74. II.
Leonhardi, Ueber den Kartoffelbau in England. Aus dem Engliſchen überſetzt.
Leipz. 1797. Buſchendorf, Unterricht über den Anbau der Kartoffeln Leipz. 1806.
Juch, Das Ganze des Kartoffelbaues. Ulm 1818. Putſche, Verſ. einer Monographie
der Kartoffeln. Herausgegeben von Bertuch. Weimar 1819. Weber, Handbuch
des Futterbaues. S. 361. Kreyſſig, der Futterbau. §. 174. Thaer engliſche
Landw. I. 314. 266. III. 311. Hübner, Anleitung zur Pflanzung der Kartoffeln.
Salzburg 1807. Der Kartoffelbau in ſeiner höchſten Cultur ꝛc., nach den viel-
jährigen Erfahrungen des Freiherrn v. D. zu K. Wien 1820. Jacobi, Ueber
die Kartoffeln. Nürnberg 1818. Die Kartoffelfrucht, Anleitung zu ihrem Anbau ꝛc.
Rudolſtadt 1830. 4te Ausgabe. Kögel, Unterricht zum Anbaue der Kartoffel.
Quedlinburg 1831. 2te Aufl. Kade, Ueber den Anbau der Erdäpfel, Hel. tuberos.
Breslau 1820–1823. III Hefte. 4.
§. 161.
2) Anbau der Wurzel- und Knollengewächſe. a) Wurzel-
gewächſe.
Die vorzüglichen Wurzelgewächſe ſind folgende:
1) Die Möhre oder gelbe Rübe (Daucus Carotta), welche
von außerordentlichem Nutzen iſt, aber wegen der Mühe des Be-
hackens und Jätens, das mit der Hand geſchehen muß, in Deutſch-
[206/0228]
land ungleich weniger als in England gebaut wird1). Ihre Blätter
ſind doppelt gefiedert.
2) Die Paſtinake oder Hammelsmöhre (Pastinaca sa-
tiva), welche zu dem Geſchlechte der Möhren gehört, und dieſen
landwirthſchaftlich auch ſehr ähnlich iſt2).
3) Die Runkel-, Dick- oder Burgunder-Rübe (Beta
cicla altissima), hauptſächlich als Viehfutter gebraucht. Sie hat
große rothbraune und grüne gerippte Blätter, aber äußerlich rothe,
innerlich weiße und roth gekreiste Rüben von 1–16℔ Schwere3).
4) Die Rübe (Brassica). Man baut davon beſonders die
a) Kohlrübe (Art von Brassica Napus, welche man Br.
Napus rapifera oder auch Br. Napobrassica nennt). Sie hat
bläulichgrüne leierförmige glatte Blätter, und weiße, gelbe und
röthliche Wurzeln. Sie heißt auch Kraut- oder Unterkohlrübe,
Bodenkohlrübe, Dorſche, engliſch Turnep Cabbage, with the
Turnep under ground, franz. Chou navet, ſchwediſch Rutebag-
ger, woher der Name Rutabaga kommt.
b) Kohlrabe (Art der Brassica oleracea, welche man Br.
oleracea Caulo-rapa oder auch Br. oler. gongylodes nennt).
Sie hat über der Erde am Strunke eine kopfartige blaue oder
weiße Rübe mit blau- oder weißgrünen kleineren glatten Blättern.
Sie heißt auch Oberkohlrübe, Rübenkohl, engl. Turnep rooted
Cabbage, franz. Chou rave, ſchwediſch Kolrabi.
c) Saatrübe (Art der Brassica Rapa, die man Br. R.
rapifera nennt), mit dunkelgrünen, ſteifhaarigen Blättern und
langen, runden oder länglichten, weißen, gelben oder rothen Rüben
(engl. Turnip, franz. Rave, ſchwed. Rufar)4).
¹⁾ Sie wird in Deutſchland mehr klein und im Kleinen in Gärten zur menſch-
lichen Speiſe, in England aber im Großen groß auf dem Felde zu Futter gebaut,
verlangt einen tiefgelockerten, reinen, fruchtbaren, aber nicht friſch gedüngten
Boden, ein gemäßigtes Klima, und wird im März geſäet. Einſaat 3–4 Pfund
pr. Morgen; Ertrag 140 Centner Wurzeln und 15 Centner grünes Kraut pr. Mor-
gen, im Thonboden, und Sandboden geringer, in mürbem Lehmboden am größten.
Es gibt übrigens eine gelbe, weiße und rothe (dunkelgelbe, faſt rothe) Möhre.
Reum Oekonom. Botanik. S. 313.
²⁾ Sie verlangt einen trockenen, ſehr tiefen, mürben, weichen Boden, iſt der
Möhre ſonſt landwirthſchaftlich gleich, und ſoll eine noch größere Nahrhaftigkeit
haben.
³⁾ Man unterſcheidet auch die große Runkelrübe, mit weißlichem roth-
aderigem Fleiſch, die dicke Runkelrübe, mit weißem Fleiſche und rothem Halſe,
und die gelbe Runkelrübe, mit langen gelblichen Rüben. Reum Oekonomiſche
Botanik. S. 280. Sie liebt das Klima des Winterweitzens, einen tief gelockerten,
mürben, reinen, nicht friſch gedüngten Boden (beſonders wenn ſie zur Zucker-
fabrikation gebaut wird), und wird in Beete geſäet, aus denen man ſie am
Anfange des Juni in 2füßigen Reihen 1½ Fuß in der Linie von einander entfernt
ſetzt, wozu man ſich eigener Setzrechen bedient (André, Oekonom. Neuigkeiten.
[207/0229]
³⁾ 1814. Nro. 28.). Saatzeit Ende des März. Einmaliges Behacken mit der Hand-
baue und zweimaliges mit der Pferdehacke. Ihre Blätter werden abgenommen, erſt
wenn ſich die Wurzel ſchön gehörig ausgebildet hat. Ertrag 145–150 Centner
Rüben und 38 Centner grüne Blätter pr. Morgen.
⁴⁾ Die Kohlrübe liebt ein Klima, wie die Runkelrübe, einen ziemlich bin-
digen Boden; ſie wird wie die Runkelrübe gebaut und hat bald weißes, bald gelbes
Fleiſch. Ertrag 140–145 Centner Rüben und 18 Centner grünes Kraut pr. M.
Die Saatrübe kommt in jedem Klima fort, verlangt ein friſchgedüngtes, lockeres,
reines Feld, wird im Juni, Anfangs Juli oder Auguſt geſäet, und heißt im lezten
Falle Stoppel-, und im erſten Brachrübe. Behacken, aber nicht Verſetzen,
iſt nöthig. Ertrag der Brachrüben bis zu 200 Centner, der Stoppelrüben bis zu
140 Centner Rüben und 12 Centner grüne Blätter. Die Kohlrabe, mehr ein
Gartengewächs, iſt ſammt dem Kraute bis zu 20 Pfund ſchwer, und gibt einen
Ertrag von 200 Centner Rüben. Man ſ. über den botaniſchen und ökonomiſchen
Unterſchied, ſo wie über den Anbau dieſer Rüben: Metzger, Syſtematiſche Be-
ſchreibung der kultivirten Kohlarten. Heidelberg 1833. S. 46. 33. und 52.
(Ausgezeichnet.)
§. 162.
Fortſetzung. b) Knollengewächſe.
Die vorzüglichſten Knollengewächſe ſind folgende:
1) Die Kartoffel oder Erd-, Grundbirne (solanum
tuberosum). Man unterſcheidet runde Knollen (gelb, roth,
blau), wovon es 12, — längliche Knollen (gelb, roth, blau),
wovon es 7, breite Knollen (gelb, roth), wovon es 3, und
unregelmäßige Knollen, wovon es 4 Abarten gibt1).
2) Die Topinambur (knollige Sonnenroſe, Erdapfel, Heli-
anthus tuberosus), ein beſonders für das Vieh beſtimmtes Knol-
lengewächs mit hohen markigen breitblättrigen stengeln und gelben
sternförmigen Blumen2).
3) Die Erdnuß (Erdmaus, Lathyrus tuberosus) und
4) Das Cyperngras (Cyperus esculentus) ſind Beide un-
vortheilhaft und nicht mehr gebaut.
¹⁾ Reum Oekonom. Botanik. S. 223. Sie gedeihet in jedem Klima und
Boden, nur nicht in reinem Thonboden und Sumpfe, verlangt vielen Dünger und
ſteht im Ertrage mit dieſem in geradem Verhältniſſe. Als Sommerfrucht wird ſie
bearbeitet. Man erneuert ſie durch Saamen, pflanzt ſie aber durch die Augen der
Knollen fort, die man auch in Stücken zerſchnitten mit Erfolg in die Erde bringen
kann, was am vortheilhafteſten und angemeſſenſten iſt, wenn es mit Sorgfalt
geſchieht. Einſaat ganzer Kartoffeln 8–10 Scheffel pr. Morgen, geſchnittener
Kartoffeln 4–6 Scheffel, und ausgeſtochener Augen 3 Scheffel. Die Saat geſchieht
mit dem Pfluge oder mit der Hacke, am Anfange Mai's, Ende April's, weit beſſer
als im März. Mit 2 Pflügen, 6 Kartoffellegern und 2 Pflugleitern beſtellt man
täglich 3,33 bis 3,77 preuß. Morgen. Zur Beſtellung eines Morgens täglich mit
der Hacke und Hand bedarf man im Ganzen 9 Perſonen. Die Kultur im Großen
beſteht im Uebereggen beim Erſcheinen der Keime, ſpäter im Behacken mit der
Pferdehacke und dann im Behäufeln mit derſelben, — im Kleinen aber blos im
zweimaligen Rühren mit der Handhaue und im Behäufeln mit derſelben. (Eine
eigene Kartoffelhacke iſt erwähnt bei Thaer Annalen des Ackerbaues. II. 604. 610.,
die eigene Kartoffel-Furchenegge von Schröer iſt beſchrieben und abgebildet bei
Schnee Landw. Zeitung. VI. 200.) Zum Behacken und Behäufeln mit der Hand-
[208/0230]
¹⁾ haue bedarf man bei 10ſtündigem Arbeitstage für den Morgen in zähem Thonboden
7, in Lehmboden 6, in Sandboden 4–5 Franen. Das frühere Abſchneiden des
Krautes bringt im Ertrage Nachtheil. Ertrag nach der erſten Saatmethode 11,
nach der zweiten 15–20, nach der dritten aber 30 fach. Der Scheffel wiegt
100 Pfund und gibt 6–8 Pfund dürres Kraut. Man unterſcheidet auch Früh-
und Spätkartoffeln.
²⁾ Sie wird wie die Kartoffel behandelt. Wo ſie einmal angebaut iſt, kann
ſie nur ſchwer ausgerottet werden. Einſaat 5–6 Scheffel pr. Morgen. Ertrag
40–45 Scheffel à 104 Pfund. Auf 100 Pfund Knollen kann man 9¾-12 Pfd.
dürres Laub und 11–12 Pfund dürre Stengel rechnen.
§. 163.
3) Unfälle, und 4) Ernte der Wurzel- und Knollen-
gewächſe.
Außerdem daß dieſelben durch Trockniß ſehr im Wachsthum
aufgehalten werden, iſt vorzüglich die Kartoffel einer Krankheit,
Kräuſel (engl. curl) genannt, ausgeſetzt. Dabei trocknet das
Kraut ganz ein und die Stöcke haben wenig Knollen1). Die
Urſache kennt man davon noch nicht, aber die rothen ſind ihr mehr
als die gelben unterworfen und dürfen, wenn ſie die Krankheit
haben, nicht zur Saat benutzt werden.
Die Ernte derſelben findet im Spätjahre Statt. Die Rüben
werden mit den Händen ausgezogen und, nachdem das Kraut ab-
geſchnitten iſt, entweder im Freien in länglich-viereckigen Gruben
oder im Keller aufbewahrt. Die Reife der Kartoffeln erkennt man
äußerlich am allmäligen Verdorren der Blätter. Sie werden aber
in der Regel entweder mit der Handhacke, dem Karſten, gewöhn-
lichen Pfluge oder Hackenpfluge auf die Oberfläche gebracht2),
zuſammengeleſen, und, wenn ſie zur Saat dienen ſollen, im Keller,
ſonſt aber auch in Feldgruben aufbewahrt.
¹⁾ Dieſe Krankheit haben die Engländer entdeckt. Man vermuthet, ſie komme
von einem Inſektenſtiche.
²⁾ Einen eigenen Kartoffelheber beſchreibt Thaer Ackergeräthſchaften.
III. Heft. S. 19. Mit einem Pfluge reißt man täglich 3–4 Morgen Kartoffel-
feld und bedarf zum Aufleſen nach Schmalz (Anleit. §. 17.) 15 Perſonen. Dem-
nach ſind für 1 Morgen 2 bis 2½ Stunden zum Aufpflügen und 4 Perſonen zum
Aufleſen erforderlich, womit v. Flotow und Klebe übereinſtimmen. Setzt man
nun mit Caſpari (Ueber Naturalienertrag. Heft II. S. 22. = Thaer Möglin.
Annalen. 1829.) den vierjährigen Durchſchnittsertrag des Morgens = 6147 Pfund
= 61,47 Scheffel, ſo kann beſtimmt 1 Perſon an einem 8–9ſtündigen Arbeitstage
15,3 Scheffel aufleſen. Werden die Kartoffeln mit Handinſtrumenten ausgemacht,
ſo erfordert ein Morgen, um in 9 Stunden geräumt zu werden, im Durchſchnitte
5 Frauen und 9 Kinder, oder, wenn die Aufhacker ſelbſt aufleſen, 14 Perſonen;
dann muß aber beim ſpätern Pflügen des Ackers noch ein Kind hinter jedem zwei-
ſpännigen Pfluge zum Aufleſen hergehen. Eine Perſon kann alſo 4–5 Scheffel
täglich ausmachen. Zum Ausziehen der Rübgewächſe braucht man auf 2 Morgen
bei mitteldichtem Stande täglich 1 Frau, und eine ſolche zieht daher wohl täglich
292 Scheffel Rüben aus. Zum Abſchneiden des Krautes rechnet man für 1 Morgen
5 Perſonen, ſo daß alſo 1 Perſon dies Geſchäft an 5,8 Scheffel thut.
[209/0231]
C. Vom Gewürzpflanzenbaue.
§. 164.
1) Begriff, Weſen und Arten der Gewürzpflanzen.
Man verſteht unter denſelben diejenigen landwirthſchaftlichen
Pflanzen verſchiedenen botaniſchen Geſchlechts, deren Theile dem
Menſchen wegen ihres gewürzhaften ätheriſchen Oeles brauchbar
ſind. Man unterſcheidet unter denſelben:
1) Solche, bei denen die Blätter das Gewürzöl enthalten,
und nach einer Vorbereitung gebraucht werden.
2) Solche, von denen die Fruchtboden jenes Gewürzöl führen,
und nach vorgängiger Trocknung verwendet werden.
3) Solche, von denen die Narbe den Gewürzſtoff enthält1).
¹⁾ Ueber den Tabacksbau ſ. m. Dransfeld, der verbeſſerte Tabacksbau.
Breslau 1796. Chriſt, Nachricht und Anweiſung zum Tabacksbau. Frankf. 1798.
2te Auflage. Rieben, Anleitung zum Tabacksbau. Dresden 1790. Kling, der
Tabacksbau. Mannheim 1778. Trunk, Von den Vortheilen des Tabacksbaues.
Frankfurt 1803. Anweiſung zum Tabacksbau. Meißen 1804. Agardh, Conspectus
specierum Nicotianae. Aus dem Schwed. überſetzt. Kopenhagen 1821. Hermb-
ſtädt, Anleitung zur Kultur der Tabackspflanze. Berlin 1821. Kolbeck, Abhandl.
über den Taback. Nürnberg 1822. Ueber den Hopfenbau ſ. m. Bauder,
Abhandlung von der beſten Art den Hopfen zu bauen; von Riem beſorgte neue
Auflage. Nürnberg 1796. Ettler, Unterricht zur Kultur des edlern Hopfens.
Leipzig 1799. Möller, die einträglichſte Art den Hopfen zu bauen. Dortmund
1803. III. Auflage. Breitenbach, das Ganze des Hopfenbaues. Erfurt 1803.
Ackermann, Anweiſung zum Hopfenbaue. Karlsruhe 1822.
§. 165.
2) Anbau der Gewürzpflanzen.
Die wichtigſten, bei uns auf dem Felde gebauten Gewürz-
pflanzen ſind folgende:
1) Der Taback (Nicotiana), von welchem man den Vir-
giniſchen (N. tabacum), den großblättrigen (Jungfern-
taback, N. macrophylla) und den gemeinen (Bauerntaback, N.
rustica) auf dem Felde, aber den chineſiſchen (N. chinensis)
und den Riſpen-Taback (N. paniculata) nur in Gärten bei
uns pflanzt1).
2) Der Hopfen (Humulus Lupulus), von welchem man die
Saamenſchuppen der weiblichen Pflanze wegen eines gelben harzi-
gen Mehles (Hopfenmehles), das ſie führen, zur Bierbrauerei
benutzt, um dem Biere einen angenehmen bittern gewürzigen Ge-
ſchmack zu geben2).
3) Der Safran (Crocus sativus), welcher auch zugleich
der Farbe wegen gepflanzt wird3).
Baumſtark Encyclopädie. 14
[210/0232]
¹⁾ Der Virginiſche Taback hat ſtraußförmig ſtehende blaßrothe lange bauchige
Blüthen, und ſitzende länglich-lanzettförmige zugeſpitzte, oft über 1 Fuß lange und
4 Zoll breite Blätter, von denen die unteren herablaufend ſind, und einen 2–6
Fuß hohen Stengel. Der Jungferntaback hat roſenrothe aufgeblaſen-bauchige Blu-
men mit kurz zugeſpitzten Zipfeln, und breit-eiförmige, am Grunde geröhrte, kurz
geſpitzte Blätter. Der Bauerntaback aber hat grünlichgelbe Blumen mit cylindriſcher
Röhre und rundlich-ſtumpfen Zipfeln, aber geſtielte herzförmige, ovale, ganzrandige
Blätter, und höchſtens 4 Fuß hohe Stengel. Der chineſiſche Taback (auch N. fru-
ticosa genannt) iſt ſtrauchartig und ſoll die faſt unglaubliche Höhe von 16–18 Fuß
erreichen. Der Riſpentaback hat blaßgelbe riſpenförmig ſtehende Blumen, und iſt,
zum Unterſchiede von den anderen Arten, faſt ganz aſtlos. Reum Oekonomiſche
Botanik. S. 231. Der Taback verträgt das Klima des Winterweitzens, und ver-
langt einen leichten, mäßig bindigen, humusreichen Boden. Man ſäet ihn früh im
Frühling in Saamenbeete, aus denen man ihn am Ende des Mai verſetzt. Er
wird behackt und behäufelt. Man bricht die Stengelſpitzen und den Geitz, d. h.
die in den Blattachſeln hervorſtechenden neuen Blätter, ab. Der Ertrag iſt pr.
Morgen 577–666 Pfund getrockneter Blätter.
²⁾ Die männlichen Blüthen ſind in Riſpen, die weiblichen aber in Zapfen oder
Kätzchen mit häutigen Schuppen, welche den Saamen in Hüllſchuppen bewahren.
Der Stengel iſt rankend und windet ſich links. Es gibt verſchiedene Arten von
Hopfen. Gewöhnlich hat man Frühhopfen und Späthopfen, je nachdem er ſchon
im Auguſt oder erſt im Herbſte reift. Er liebt einen geſchützten Thonſandboden,
und wird durch Keime (Fechſer, Senker) der weiblichen Ranke fortgepflanzt.
Dazu wird der Boden im Herbſte ſehr tief umgearbeitet und gedüngt. Dann wer-
den die geſunden Keime 4–6 Fuß weit von einander geſetzt. Nach einigem
Hervorſchießen dieſer Fechſer wird die Erde um ſie herum aufgegraben; ſpäter bei
1–2 Fuß Höhe werden ſie an ſehr hohe Stangen angebunden. Der Ertrag
kommt erſt im dritten Jahre, in der Zwiſchenzeit muß aber ſorgfältig gejätet,
gehackt und gedüngt werden. Im Frühjahre deckt man die Wurzeln auf, beſchneidet
und reinigt ſie, ſpäter bindet man die Pflanzen wieder an (Anweiſen), und blättert
ſie aus, d. h. befreit ſie von den unteren großen Blättern. Der Ertrag iſt aber
ſehr wechſelnd, je nach der Beſchaffenheit des Jahres. Man ſoll auf 1 Morgen
4000 Stangen, und an jeder Stange 3–6 Hopfenſtauden rechnen, und den Ertrag
zu 4 Centner pr. Morgen annehmen können.
³⁾ Er wird bei den Färbepflanzen (§. 174.) näher betrachtet werden.
§. 166.
3) Unfälle und 4) Ernte der Gewürzpflanzen.
Der Taback iſt in der Jugend dem Froſtſchaden und Schnecken-
fraße ausgeſetzt, und leidet ſpäter auch durch Frühfröſte im Herbſte,
durch Hagel, Sturmwind und Roſt, bei welchem die Blätter gelb
werden und abdorren. Der Hopfen aber iſt von ungünſtigem Wet-
ter am meiſten gefährdet. Der ſchnelle Wechſel von Temperatur
bringt Honig- und Mehlthau hervor, deſſen Folge der Regel nach
die Blattläuſe ſind. Eigenthümliche Krankheiten des Hopfens ſind
der Kupferbrand, der ſchwarze Brand, und das Bodenroth.
Beim Taback ſind gelbe Flecken, Steifheit und Krümmung
die Zeichen zum Abblatten. Die unterſten Blätter heißen Sand-
(Erd-) Gut, die mittleren Mittel-, und die oberen Beſt-Gut.
Man fädelt die Blätter zuſammen und trocknet ſie an der Luft.
Im November ſchichtet man ſie dann in große Haufen auf ein-
[211/0233]
ander, in welchen ſie ſich bald erwärmen. Bemerkt man dies,
dann wirft man ſie zum Abkühlen aus einander. So fährt man
fort, bis alle Feuchtigkeit verſchwunden, eine blaue Farbe ein-
getreten und die Geruchstheile mehr entwickelt ſind. — Die Frucht-
zapfen des Hopfens ſind reif und zu ernten, wenn ſie beginnen
gelblich zu werden, ſtark riechen, und nach dem Zerreiben auf der
Hand ein Oel zurücklaſſen. Acht Zolle über der Erde ſchneidet
man die Ranken ab, zieht ſie mit den Stangen aus, ſtreift ſie
von denſelben ab, und zupft die Zapfen hinweg, die man dann
nach geſchehener Trockenung aufbewahrt.
D. Vom Baſtpflanzenbaue.
§. 167.
1) Begriff, Weſen und Arten der Baſtpflanzen.
Die Baſtpflanzen ſind ſolche landwirthſchaftliche Gewächſe ver-
ſchiedener botaniſcher Art und Geſchlechts, welche man wegen des
ihre Stengel umgebenden Baſtes baut. Sie ſind von zweierlei
Art, nämlich:
a) Neſſelpflanzen (Urtica), mit getrennten kleinen Blü-
then ohne Blume, wenig Staubfäden und zwei Narben, deren
Saamen in einem Schlauche ſitzt (Nußſaamen).
b) Hyperiken, mit vereinigten Blüthen, ausgebildeten Blu-
men, und verwachſenen vielen Staubfäden und Bälgen, deren
Saamen in einer Kapſel ſitzt1).
¹⁾ Ueber den Bau derſelben ſ. m. Vollſtändige Abhandlung über die vortheil-
hafteſte Methode den Hanf- und Flachsbau zu betreiben. Hannover 1794. La Hard
Abhandlung vom Hanfe. Leipzig 1785. Biallon Anleitung zum Flachs- und
Hanfbau. Hannover 1795. Duhamel Art de la corderie perfectionnée. 2 Edit.
Par. 1769. 4. Marcandier Traité du chanvre. Par. 1758. 4. überſ. Freiſtadt 1763.
Dallinger, Ueber die Cultur der großen Neſſeln. Weißenburg 1798. Neue Aufl.
1804. Leipzig. Bertuch, Magazin für den deutſchen Flachs- und Hanfbau von
Rothenſtein. Weimar 1819–21. III Hefte. 4. Lüder, Beſchreibung vom
Leinbau. Flensburg 1770. Seiferth, Von Erbauung und Zurichtung des Flachſes.
Dresden 1780. Riem, Praktiſche Anleitung zum Flachsbau. Pirna. 2te Auflage.
1807. Rafn Anleitung zum Flachsbau. Kopenhagen 1809. Jeniſch, Unterricht
über den Anbau ꝛc. des Flachſes. Prag 1817. Kolbeck, Abhandl. über Leinbau.
Herausgegeben von Campe. Regensburg 1822. Breitenbach, Handbuch des
Flachsbaues. Erfurt 1804. 2 Bde. v. Stoixner, Abhandlung vom Seiden-,
Flachs- und Hanfbau. Nürnberg 1807. 2te Aufl. Schubarth, Erfahrungen und
Beobachtungen über Flachskultur u. ſ. w. Leipzig 1829. Morgenroth, Ueber die
Verbeſſerung im Anbau des Flachſes. Baireuth 1830. Nagel prakt. Unterricht
im Leinbau. München 1832.
§. 168.
2) Anbau der Baſtpflanzen.
Die hauptſächlichſten Baſtpflanzen, die man auf dem Felde
baut, ſind folgende:
14 *
[212/0234]
1) Der Hanf (Cannabis sativa), mit zweihäuſigen Blüthen,
wovon, da die Geſchlechter getrennt ſind, die männlichen riſpen-
förmig, die weiblichen aber einzeln ſtehen. Der männliche Stengel
(Fimmel) iſt blaßgrün und ungefähr Manns hoch, der weibliche
dunkelgrün, höher und ſtärker. Dieſer gibt die Saamen, aus
welchen ein Oel bereitet wird, jener den Baſt zu Geſpinnſten1).
2) Die große Neſſel (Urtica dioica), deren Blüthen in
den Blattwinkeln als äſtige Trauben erſcheinen, zweihäuſig, doch
aber auch den Geſchlechtern nach gemiſcht ſind. Sie diente mit
ihrem Baſte früher zum Neſſeltuche, iſt aber jetzt nicht mehr von
Wichtigkeit.
3) Der gemeine Lein (Linum usitatissimum, Flachs),
mit riſpenförmigen Blüthen von ſchönen blauen Blumen. Der
Saamen, platt je zu 2 in einer 5klappigen Kapſel ſitzend, gibt
das bekannte Oel, der Stengel aber den Baſt. Man unterſcheidet
außer dem ausdauernden (ſibiriſchen, ruſſiſchen) Leine (Lin.
perenne), der ſich durch lange Stengel, wenige Aeſte, und feinen
vielen Baſt auszeichnet, bei uns den Klanglein, welcher von den
ſelbſt aufſpringenden Saamen ſeinen Namen hat, und einen kurzen
feinen, weißen, weichen Flachs gibt, und den Dreſch- oder
Schließlein, deſſen Saamenkapſeln wegen ihrer Geſchloſſenheit
gedroſchen werden müſſen und deſſen Baſtfäden länger, ſtärker und
gröber ſind, als bei jenem2).
¹⁾ Er verlangt ein warmes, hinreichend feuchtes Klima, und einen tiefen
lehmigen, lockeren, reinen, mehr feuchten Boden, und wird im Mai geſäet. Ein-
ſaat 1¼-2 Scheffel pr. Morgen. Er bedarf in der früheſten Jugend nur des
Jätens, aber nicht einmal immer dieſes, denn er wächst ſchnell und kräftig. Ertrag
pr. Morgen an Körnern 6 Scheffel, an Hanf aber 1400 Pfund roh. Der Scheffel
Körner wiegt 62 Pfund.
²⁾ Er verlangt einen mürben, reinen, lockeren, mäßig feuchten Boden von
vielem Humusgehalte, und wird im April (Frühflachs), Mai (Mittelflachs) und
Juni (Spätflachs) geſäet, obſchon eine frühe Saat immer die beſſere iſt. Einſaat
1–1½ Scheffel pr. Morgen. Er muß gejätet werden. Ertrag des Baſtleins
pr. Morgen Boden beſter Qualität = 4½ Scheffel Körner à 80 Pfund, und
1200 Pfund roher Flachs. Ertrag des Saamenleins an Körnern 6½ Scheffel
à 86½ Pfund, und 840 Pfund roher Flachs; an Spreu 30 Pfund.
§. 169.
3) Unfälle, und 4) Ernte der Baſtpflanzen.
Der Hanf iſt im Ganzen wenig Unfällen unterworfen. Nur
ein Unkraut, eine Schmarotzerpflanze, nämlich der Hanfwürger
(Orobranche major, und ramosa) ſchadet ihm, — iſt aber doch
nicht häufig. Derſelbe entſteht auf der Wurzel des Hanfes und
hat büſchelförmige äſtige Stengel und bläuliche Blumen.
[213/0235]
Der Lein leidet aber ſehr vom Unkraute, beſonders vom Lein-
dotter (Myagrum sativum) und von der Flachsſeide (Cus-
cuta europaea, auch Teufelszwirn genannt). Ein Uebel des
Leins, welchem wegen der ſtarken Stengel der Hanf nicht ausge-
ſetzt iſt, iſt ſein Lagern. Um es zu verhüten, hat man das
Stängeln (Rändern, Ländern) angewendet, indem man auf
ſchmalen Beeten das Feld gitterförmig mit Stäben belegt, welche
auf der Seite der Beete auf Holzgabeln ruhen1).
Was die Ernte anbelangt, ſo rauft man den Hanf, wenn er
anfänglich ins Gelbliche geht. Den Lein aber rauft man, wenn
er feinen Flachs geben ſoll, ſobald ſich die Körner in den Kapſeln
gebildet haben, — jedoch ohne dies, wenn die Körner ganz reif
ſind. Beim Klangleine iſt indeß große Sorgfalt nöthig. Das
Leztere geſchieht auch beim Saamenhanf. Nach der Ernte wird
der Flachs zum Abziehen des Saamens durch die Rüffelkämme
gezogen. Um aber den Baſt zu erhalten, muß bei beiden das
Bindemittel zwiſchen dieſem und dem Stengel aufgelöst werden.
Dies geſchieht durch das Röſten (in Süddeutſchland auch Röt-
ſen, Rözen, Reetzen genannt), in Waſſer (Waſſerröſte),
oder auf Wieſen durch Luft, Feuchtigkeit und Sonnenwärme
(Thauröſte). Jene gibt einen weißen, dieſe einen grauen Hanf2).
Nach dieſer Röſte werden beide getrocknet, mit Maſchinen gebrochen
(gebrecht), und um Stangen geſchwungen, um den Baſt von
den Annen (Igeln) zu reinigen, was aber ohne Anlage von
Darren, auf denen man ſie dörrt, nicht geſchehen kann3).
¹⁾ Schwerz Belg. Landw. II. 117. Neumann, Beſchreibung der Behand-
lung des Flachſes auf niederländ. Art. Prag 1820.
²⁾ Auch hat man ſich einer Walzmaſchine bedient, um das Röſten zu erſetzen.
S. darüber Bertuch Magazin. I. Heft. 1819. Chriſtian, Ueber die Art und
Weiſe, Flachs und Hanf ohne Röſte zu bearbeiten. Aus dem Franzöſ. überſ. von
v. Lawätz. Kopenhagen 1820. (Meyer) Ueber die Bearbeitung des Flachſes
und Hanfes im ungeröſteten Zuſtande durch Maſchinen. Hannover 1820. Ueber die
Methode, den Flachs und Hanf zu brechen mit der Maſchine von Giov. Catli-
netti. Aus dem Ital. überſ. von Pohl. Leipzig 1822. Hermbſtädt Techno-
logie. I. §. 209. 210. Sie hat den Erwartungen nicht entſprochen. Ueber die
2 andern Röſtmethoden handeln die §. 167. angeführten Schriften.
³⁾ Im Kleinen iſt das Baſtabziehen des Hanfes (das Schleißen) auch eine
Winterabendunterhaltung der deutſchen Bauernfamilien. Es geben 100 Pfund roher
Hanf 16, alſo der Morgen 224 Pfund gebrechten Hanf, es gehen durch die Brech-
annen 59 Pfund, durch das Röſten, Verſtäuben u. ſ. w. 25 Pfund ab. Es geben
100 Pfund roher Flachs 20 Pfund gebrechten, alſo der Morgen Baſtlein 240 Pfd.
Verluſt beim Röſten, Dörren ꝛc. 20 Pfund, und durch Brechannen 60 Pfund.
(Block Mittheilungen. I. §. 147. 148. 155.)
[214/0236]
E. Vom Oelpflanzenbaue.
§. 170.
1) Begriff, Weſen und Arten der Oelpflanzen.
Unter die Oelpflanzen können hier keine anderen als diejeni-
gen landwirthſchaftlichen Gewächſe von verſchiedenem botaniſchen
Charakter gerechnet werden, welche wegen ihrer ölhaltigen
Saamen in den Lauf der Feldwirthſchaft aufgenommen ſind1).
Es gehören unter dieſen Begriff außer dem Taback, Lein und
Hanf, wovon bereits gehandelt iſt,
1) Kohlpflanzen, eine Gattung, welche einen aufrechten
oder abſtehenden Kelch, verkehrt-eirunde Blumenblätter, und ſtiel-
rundliche Schoten hat, die in einen kegeligen Schnabel endigen,
und innerhalb zweier gewölbter Klappen die in der Reihe liegen-
den kugelrunden Saamen einſchließen2).
2) Mohnpflanzen, eine Gattung, welche 2 und 4 zählige
Blumen, und eine ſchotenartigen Saamenkapſel mit ſtrahliger
Narbe hat, welche viele ſehr kleine Saamen an Wandleiſten in
ſich ſchließt3).
3) Häderichpflanzen, eine Gattung mit 4 blättrigen Blu-
men, und runden oder walzigen, aber nicht klaffenden Schötchen
oder Schoten4).
¹⁾ Der Oelbaum, die Olive, der Nußbaum, die Buche gehören alſo nicht
hierher. Man ſ. aber über den Bau der Oelpflanzen: Anleitung zum Anbau ver-
ſchiedener Oelgeſäme. Wien 1768. Breitenbach Oelökonomie ꝛc. Berlin 1806.
Anweiſung zum Anbau der vorzüglichſten Oel tragenden Gewächſe. Nürnberg 1821.
(Rozier) Abhandlung über die beſte Art den Raps und Kohlſaat zu bauen. Aus
dem Franzöſ. überſ. Bern 1775. Unterricht über den Kohl- und Rübſaatbau im
Oeſterreichiſchen. Wien 1780. Der Rübſen und der Raps, als Sommer- und
Winterfrucht. Leipzig 1808. Ueber den Mohnbau in England, von X. Y. Z., aus
Young's Reiſen gezogen. Berlin 1817. Zeller, die Drillkultur des Rapſes nach
Erfahr. von Hohenheim. Mit lithograph. Tafeln. 4. Suttg. 1831. Schwerz
Belg. Landwirthſch. II. 141. Mittheilungen. I. 84. Iverſen, der Rapſaatbau
im Holſteiniſchen. Bremen 1806. Grandi, Vollſtändiger Unterricht über den
Anbau des chineſiſchen Oelrettigs. Leipzig 1804. 2te Aufl.
²⁾ S. Metzger Kultivirte Kohlarten. 11. 39. 49.
³⁾ u. ⁴⁾ Reum Oekonom. Botanik. S. 277. 264.
§. 171.
2) Anbau der Oelpflanzen.
Man pflanzt auf dem Felde beſonders folgende Arten derſelben:
1) Kohlreps (Brassica Napus oleifera, eine Art von Br.
Napus. §. 161. 4. a.). Man pflanzt davon einen Winterkohl-
reps (Br. Nap. ol. biennis, ſonſt Br. campestris oleifera ge-
nannt), und einen Sommerkohlreps (Br. Nap. ol. annua,
[215/0237]
ſonſt als Sommerſpielart der Br. campestris oleifera aufgeführt).
Er heißt in England Rape, in Flandern Slooren, in Frankreich
Colza, in Holland Cosezaat, und in Deutſchland auch Kohlſaat,
Raps, Reps1).
2) Rübenreps (Brassica Rapa oleifera, eine Art von Br.
Rapa. §. 161. 4. c.). Man pflanzt davon auch einen Winter-
(biennis) und Sommerrübenreps (annua), und nennt ihn
auch ſonſt Br. campestris oder praecox. Er heißt in Frankreich
Ravette und Navette, in Deutſchland aber Rübſaamen, Rübſen2).
3) Mohn (Papaver somniferum), auch Magſaamen genannt,
mit weißen, rothen und violettrothen Blumen, runder Saamen-
kapſel, und bis über 3 Fuß hohen Stengeln3).
4) Dotter (Myagrum sativum), deſſen Blüthen in langen
ſchlaffen Endtrauben mit blaßgelben Blumen beſtehen, deſſen Schöt-
chen umgekehrt-eiförmig, aufgeblaſen, glatt und mehrſaamig ſind,
und deſſen äſtiger Stengel 1 bis 2 Fuß hoch wird4),
5) Chineſiſchen Oelrettig (Raphanus chinensis olei-
ferus), als Winterſaat. Allein er hat nicht viel Beifall gefunden.
¹⁾ Winterkohlreps: Saatzeit September; Saat breitwürfig oder mit der
Repsſäemaſchine; verlangt als ſolche einen milden Winter; auch iſt Saat in Beeten
und Verpflanzung gebräuchlich. Sommerkohlreps: Saatzeit Mai und Anfangs
Juni; verlangt das Klima des Winterweitzens; ſonſt wie jener. Beide lieben
einen mürben Lehmboden, in völlig reinem, gepulvertem und düngerreichem Zu-
ſtande. Einſaat 1¼-1½ preuß. Metzen pr. Morgen. Ertrag des Winter-
repſes 5–10 Scheffel, des Sommerrepſes 3–6 Scheffel pr. Morgen, je
nach Boden, Klima und Düngung. Der Scheffel wiegt 75 Pfund und gibt 18,18
Pfund Oel.
²⁾ Wie Note 1. Nur wiegt der Scheffel Saamen 68–69 Pfund und gibt
16,36 Pfund Oel.
³⁾ Liefert nach den Oliven das beſte Oel, und iſt ſehr trefflich für die Bienen-
zucht. Klima wie für's Getreide. Boden mürb und reich. Saatzeit bis zu Ende
Aprils. Jäten und Behacken. Ertrag 4½-8 Scheffel pr. Morgen. Der Schef-
fel wiegt 61–75½ Pfund und gibt 16⅓-27¼ Pfund Oel, je nach der Aus-
bildung des Saamens.
⁴⁾ Verlangt warmen, vor 1 Jahr gedüngten, nicht zu loſen ſandigen Boden.
Saatzeit im Frühling vom März bis Mitte Mai's. Jäten und Behacken. Ertrag
5–8 Scheffel pr. Morgen. Der Scheffel wiegt 68–74 Pfund und gibt 16⅓
bis 21⅖ Pfund Oel.
§. 172.
3) Unfälle, und 4) Ernte der Oelpflanzen.
Der Reps und Rübſen leiden von Näſſe, Froſt und Spätreif,
durch Inſekten der verſchiedenſten Art und durch Schnecken, ſo
daß die Felder oft ganz verdorben werden. Der Dotter aber iſt
unter dieſen Pflanzen allein faſt gar keinen Unfällen ausgeſetzt.
[216/0238]
Die Ernte des Repſes und Rübſens, welche beginnt, noch ehe
die Saamen ganz reif ſind, iſt wegen der nöthigen großen Sorg-
falt ſehr ſchwierig, weil der Saamen bei voller Reife leicht aus-
fällt. Die Ernte des Mohn beginnt im Auguſt, wo man die Köpfe
deſſelben abſchneidet und ſpäter aufſchneidet. Beim Reps, Rübſen
und Dotter wird aber der ganze Stock abgeſchnitten.
F. Vom Färbepflanzenbaue.
§. 173.
1) Begriff, Weſen und Arten der Färbepflanzen.
Man verſteht unter ihnen alle jene landwirthſchaftliche Pflan-
zen, welche darum Gegenſtand des Feldbaues wurden, weil irgend
ein Theil derſelben einen brauchbaren Färbeſtoff in ſich führt. Sie
gehören verſchiedenen botaniſchen Gattungen und Arten an, wes-
halb der Gattungscharakter hier nicht voraus bezeichnet wird1).
¹⁾ v. Reuß, Vom Anbau der Färberröthe. Leipzig 1779. Miller, Ab-
handlung von der Färberröthe. Nürnberg 1776. Pfannenſchmidt, Praktiſcher
Unterricht von der Färberröthe. Mannheim 1769. Graßmann, Abhandlung von
dem Anbau des Saflors. Berlin 1792. Dallinger, Abhandlung vom Saflor-
und Waubau. Ingolſt. 1799. Neue Auflage 1805. Vom Anbau des Waidkrauts.
Wien 1788. Schwerz, Belg. Landwirthſch. II. 199. Heinrich, Abhandlung
über die Cultur des Waids. Wien 1812. Gehlen, Anleitung zum Bau der
Waidpflanze. München 1814. Wagner, der Wiener Safran in Baiern. München
1783. Petrak, Praktiſcher Unterricht, den niederöſterreichiſchen Safran zu bauen.
Wien 1797.
§. 174.
2) Anbau der Färbepflanzen.
Die vorzüglichen Färbepflanzen ſind folgende:
1)Der ächte Safran (Crocussativus), ein mehrjähriges
Zwiebelgewächs mit langröhriger und regelmäßig 6theiliger Blume,
welche eine hochrothe oder braungelbe dreifach getheilte Narbe von
durchdringendem Geruche und gelbfärbendem Pigmente1) hat.
2) Der Waid oder deutſche Indigo (Isatistinctoria),
eine zweijährige Pflanze, mit vielen gelben kleinen in dichten End-
trauben ſtehenden Blumen, und im erſten Jahre geſtielten, am
Stocke ſitzenden, cilanzettförmigen, im zweiten Jahre am Stengel
ſitzenden, pfeilförmigen glatten Blättern. Dieſe Blätter enthalten
einen blauen Färbeſtoff und ſind zur Auflöſung des indiſchen In-
digo unentbehrlich2).
3) Der Wau (Reseda luteola), eine zweijährige auch wild-
wachſende Pflanze, deren Blüthen in einer blaßgelben langen Aehre
ſtehen, deren Blätter aber lanzettförmig, glatt, oft unten zwei-
[217/0239]
zähnig ſind und deren Stengel eckig, kurzäſtig, aufrecht ſteht. Die
ganze Pflanze führt einen gelben Färbeſtoff3).
4) Die Färberröthe (Rubia tinctorum, Krapp), eine
perennirende Pflanze, deren Blüthen eine weite Riſpe mit drei-
gabeligen Aeſten von gelben Blumen bilden, deren braunrothe,
lange, am Ende faſerige Wurzel ein rothes Pigment führt4).
5) Der Saflor (Carthamus tinctorius), eine Art von
Diſtelpflanze, deren doldentraubenförmige gelbrothe Blüthen oder
Blumenköpfe ein gelbes und rothes Pigment liefern5).
6) Die Färberſcharte (serratula tinctoria), mit purpur-
farbiger Blüthe, und äſtigen holzigen Wurzeln, welche ein gelbes
Pigment geben.
¹⁾ Klima des Weines. Sonnige windloſe Lage eines mürben Lehm- oder
Sandmergelbodens. In das ausgegrabene gedüngte Feld werden am Ende Auguſts
die Zwiebeln, die im Juni aus dem alten Felde gezogen worden waren, in ein
vierzölliges Quadrat gegeneinander geſetzt. Im darauf folgenden 2ten und 3ten
Jahre Behacken des Feldes im Juli und Auguſt.
²⁾ Wächst in Deutſchland auch wild; verlangt aber einen leichten, gut geacker-
ten und gedüngten Boden. Saatzeit im März oder Frühherbſte. Zweimaliges
Behacken.
³⁾ Verlangt einen mürben ſehr fruchtbaren Boden. Saatzeit im Frühling mit
einem Sommergetreide, oder im Auguſt, welche leztere den größten Ertrag gibt.
Zweimaliges Behacken, nämlich im Herbſte und im Frühling.
⁴⁾ Verlangt einen tiefen lehmigen düngerreichen Sandboden, in reinem und
gepulvertem Zuſtande. Anfangs Saat in Sommerbeeten; ſpäter aber Pflanzung durch
junge Schoſſe von 10–12 Zoll Höhe mit hinreichender Wurzel. Pflanzzeit im
Mai, wo man ſie in der Reihe ½, und in der Weite 1½ Fuß weit auseinander
ſetzt. Im erſten Sommer Behacken mit der Handhaue; in den 2 folgenden jedes-
mal 2 maliges Behäufeln und 1 maliges Behacken.
⁵⁾ Verlangt einen mittleren, tief gelockerten, doch aber nicht friſch gedüngten
Boden. Reihenſaat durch Stecken der Saamen im Frühjahre, worauf man das
Feld übereggt. Jäten und Behacken. Blüht im Juli und Auguſt.
§. 175.
3) Unfälle, und 4) Ernte der Färbepflanzen.
Hauptſächlich der Safran nur leidet von Maulwürfen, Mäu-
ſen, Winterfröſten, Fäulniß und Brand (einer Art Schwamm) in
den Zwiebeln.
Die Ernte iſt verſchieden: 1) Vom Safran werden am Ende
des September Morgens die ausgeblühten Blumen abgebrochen,
die Narben zu Hauſe abgepflückt und vorſichtig auf dem Ofen ge-
trocknet. Die Zwiebeln werden alle 3 Jahre im Juni ausgegraben
und im Schatten getrocknet, um die brauchbaren für die nächſte
Pflanzung aufzubewahren. Daher ſind 3 verſchiedene Felder erfor-
derlich. 2) Iſt der Waid im März geſäet, dann ſchneidet man
die Blätter im Juni und im Herbſte ab. Iſt er aber im Früh-
[218/0240]
herbſte geſäet, dann bricht man ſie im folgenden Jahre zum erſten-
mal, wenn die Blumen anfangen hervorzukommen. Man kann dies
drei bis vier mal wiederholen. Die Blätter werden gewaſchen und
getrocknet. 3) Den Wau erntet man, wenn die Pflanze anfangt
gelb zu werden. 4) Die Wurzeln des Krapps werden im Herbſte
des dritten Jahres ausgepflügt, geſammelt, getrocknet und ge-
reinigt. 5) Wenn die Blüthen des Saflor braunroth und welk
werden, ſo nimmt man ſie Morgens ab und trocknet ſie im
Schatten1).
¹⁾ Rutt's Vorrichtung zum Trocknen der Färberröthe beſchreibt Bailey
a. a. O. S. 94. Ertrag pr Morgen: Safran 4 Pfund und drüber; Waid 19
Centner und drüber; Wau 6 bis 17 Centner; Krapp 9 Centner und drüber;
Saflor 45 Pfund Blüthen und 14 Scheffel Körner.
G. Vom Gewerkspflanzenbaue.
§. 176.
Man hat hier beſonders die Weberdiſtel (Dipsacus fullo-
num) zu bemerken, die gebraucht wird zum Aufkratzen der Woll-
tücher. Sie iſt eine zweijährige Pflanze, welche erſt im zweiten
Jahre die Köpfe (Fruchtboden mit den krummſtacheligen Kelchen)
treibt. Sie liebt ein feuchtes Klima und Jahr, trockenen, mäßig
feſten, ſtark und tief gepflügten Boden. Man ſäet im März und
April in Saamenbeete und verſetzt die Pflanzen dann im Auguſt
und September auf einen ſo eben abgeernteten Acker in 2füßigen
Quadraten gegeneinander. Im erſten Jahre behackt man ſie ein-
mal mit der Hand- und einmal mit der Pferdehacke, dagegen mit
Lezterer im zweiten Jahre zweimal. Man ſchneidet die Diſtelköpfe
nach völliger Ausbildung aller Blumen daran ab, und hängt ſie
dann zum Trocknen auf1).
¹⁾ Ertrag 26,700–44,450 Stück Köpfe durcheinander. Die Ernte dauert
ſehr lange, weil die Köpfe ungleich zeitig werden.
H. Vom Futterpflanzenbaue.
§. 177.
1) Begriff, Weſen und Arten der Futterpflanzen.
So bezeichnet man diejenigen Feldgewächſe, welche, weil ſie
ein vorzügliches Futter ausſchließlich für die Thiere geben, auf
dem Ackerlande mit der bisher mehrfach beſchriebenen Sorgfalt
behandelt werden. Sie bilden den Gegenſtand des ſogenannten
künſtlichen Futterbaues im Gegenſatze des nicht künſtlichen
auf Wieſen und Weiden1). Man pflanzt als ſolche Futterpflanzen:
[219/0241]
1) Gräſer, von beſonderer Größe und beſonderem Wohl-
geſchmacke, als das franzöſ. Raygras (Avena elatior), das Ho-
niggras (Holcus lanatus), den weißen Windhalm (Agrostis
alba, das Fioringras der Engländer), das engliſche Raygras
(Lolium perenne), den Wieſenfuchsſchwanz (Alopecurus pra-
tensis), das Ruchgras (Anthoxantum odoratum), das Riſpen-
gras (Poa aquatica und trivialis), das Knaulgras (Dactylis
glomerata), den Wieſenſchwingel (Festuca elatior), das Wieſen-
lieſchgras (Phleum pratense), und dann auch noch Hafer, Gerſte
und Wicken, für ſich und im Gemengſel.
2) Kräuter, von verſchiedenem botaniſchen Charakter, die
aber ſehr wohl ſchmecken, und kraut-, ſtrauch- oder baumartige
Stengel und gefiederte oder doch 3theilige Blätter, beide aber ſehr
ſaftig, haben2).
¹⁾ Dieſer Gegenſatz iſt aber ganz unlogiſch, denn auch der Wieſenbau wird
künſtlich getrieben. Unrichtig iſt es auch, die Wurzel- und Knollengewächſe als
Futterpflanzen aufzuführen, denn ſie ſind noch mehr.
²⁾ Anweiſung für den Landmann, die 4 beſten Futterkräuter, Luzerne, Eſpar-
ſette, Klee und Raygras zu bauen. Mannheim 1770. Praktiſche Anleitung zum
vortheilhaften Anbau der Futterkräuter (eine Sammlung von Schriften, auch z. B.
von Schubart). Berlin 1783. Schubarth v. Kleefeld, Oekonom. kameraliſt.
Schriften. 6 Thle. Leipzig 1786. Weber, Handbuch des Futterbaues. S. 297.
Gotthardt, Kultur der vorzügl. Futterkräuter. Erfurt 1797. Krome, der
Futterkräuterbau. Lemgo 1800. Bergen, Anleitung zur Viehzucht oder vielmehr
zum Futtergewächsbau und zur Stallfütterung des Rindviehes. Herausgegeben von
Thaer. Berlin 1800. Leopold, der Futterbau. Hannover 1805. Klapmeyer,
Vom Kleebau. Leipzig 1799. 2te Aufl. II Thle. Tſchiffeli, Briefe über die
Stallfütterung und den Kleebau in der Schweitz. Bern 1774. 1789. Wimmer,
Ueber den Kleebau. Wien 1796. Happe, Schreber und Sturm, die Kleearten
Deutſchlands, in Abbildungen. Nürnberg 1803 u. 1804. 2 Hefte. (Heft 15 u. 16
der Flora Deutſchlands.) Meyer, Ueber den Anbau der Luzerne. Leipzig 1796.
Schreber, Beſchreibung und Abbildung der Gräſer. 2 Thle. Folio. Leipzig 1769.
1779. 1810. Host, Icones et descriptiones graminum Austriacorum. fol. 4 Voll.
Thaer engl. Landwirthſch. I. 445. III. 469. Schwerz Belg. Landwirthſch. II. 1.
Mauke Grasbüchlein. Leipzig 1801. Kreyſſig, der Futterbau. Königsb. 1829.
Mit 48 lithogr. Tafeln. (Vorzüglich.) Medicus, Zur Geſchichte des künſtlichen
Futterbaues Nürnberg 1829. Hetzel, Abhandlung über die ſämmtlichen Arten
des Kleebaues. 2te Aufl. Heilbronn 1829. Schnädelbach, Belehrung über den
Anbau des Ackerſpergels. Ilmenau 1831. Mittheilungen über den Futterbau, Ab-
handlungen von Spazier und von Lux. Bruan 1831.
§. 178.
2) Anbau der Futterpflanzen.
Außer den genannten Gräſern, deren Anpflanzung keine be-
ſondere Schwierigkeit macht, ſind beſonders folgende Krautfutter-
pflanzen mit großem Vortheile angebaut:
1) Die Klee- oder Trifolienarten, zwei- bis dreijährige
Futterpflanzen. Man baut davon den Wieſenklee (Trifolium pra-
[220/0242]
tense), den röthlichen Klee (Trif. rubens), den Incarnartklee
(Trifol. incarnatum), den weißen Klee (Trifol. repens), den
Hopfenklee (Trif. agrarium), den Baſtardklee (Trif. hybridum),
den Bergklee (Trifol. montanum) und den gelben Klee (Trifol.
alexandrinum)1).
2) Der Schneckenklee, ewige Klee, oder die Luzerne
(Medicago sativa), die vorzüglichſte ſüdeuropäiſche Futterpflanze,
mit dicken holzigen tief eingehenden Wurzeln, äſtigen hohen Sten-
geln, kleeartigen Blättern, veilchenblauen traubenartigen Blüthe-
büſcheln und ſchneckenförmig gedrehten Saamenhülſen2).
3) Der Eſper (Süßklee, die Eſparcette, Hedysarum
onobrychis), mit langährförmigen Blüthen von blaßrothen Blu-
men, ſtacheligen geſchloſſenen Hülſen, vielgefiederten Blättern,
hohen äſtigen Stengeln und ſehr tiefen ſtarken Wurzeln3).
4) Der Spergel (Knötterig, das Mariengras, sper-
gula arvensis), mit büſchelförmigen weißen Blüthen, ſchmalen,
kahlen, gefurchten, ſternförmig in den Wirbeln zuſammenſitzenden
Blättern, und äſtigen, dünnen, fettigen, nicht langen Stengeln4).
¹⁾ Hält das Feld in fruchtbarem Zuſtande und paßt in jede Folge der Früchte.
Er verlangt einen feuchten kühlen Mai und April, ohne viel Wärme anzuſprechen;
einen bindigen kalkhaltigen humusreichen lockern reinen Boden mit friſcher oder
vormjähriger Düngung. Die frühe Saat, in der Regel in Winter- oder Sommer-
frucht, iſt die beſte. Einſaat (breitwürfig) 6–10 Pfund pr. Morgen. Bei ihm
iſt das Gipſen ſehr vortheilhaft. Ertrag an Kleeſaamen 1 Scheffel 6 Metzen, und
10 Centner Stroh. Grünes Futter aber in zwei Schnitten auf beſtem Boden
200 Centner; an Heu 44½ Centner, jedoch regelmäßig bei zwei Schnitten im
zweiten Jahre nur 26½ Centner. Zu Kleeſaamen läßt man den zweiten Schnitt
ſtehen. Die Bereitung des Heues iſt ſehr wichtig.
²⁾ Verlangt einen trockenen, reinen, mürben, ſehr gedüngten, mäßig bindi-
gen, humusreichen Boden. Saatzeit Mai bis Auguſt. Einſaat 10–15 Pfund
pr. Morgen. Jährliches Jäten und Uebereggen mit ſcharfem Zahne. Dauer 12 bis
16 Jahre. Vortheilhaft iſt das jährliche Gipſen und Düngen. Ertrag bei 2 bis
8jährigem Stande jährlich 20–25 Centner Heu pr. Morgen und drüber, je nach
Klima und Boden, an Saamen 2[FORMEL]–3[FORMEL] Scheffel pr. Morgen. Das Feld wird
umgeriſſen, wenn die Lücken zu zahlreich und zu groß werden.
³⁾ Dauer derſelben 16–20 Jahre. Verlangt ein nicht zu rauhes Klima,
und keinen ſo guten Boden wie die Luzerne, ſondern nimmt auch mit magerem,
weniger vorbereitetem Boden fürlieb. Aber je beſſer der Boden, deſto höher der
Ertrag, doch nie ſo hoch wie bei der Luzerne. Saatzeit April bis Auguſt. Ein-
ſaat 2–3 Scheffel pr. Morgen. Behandlung wie bei der Luzerne. Ertrag in
2 Schnitten von gutem Boden 18 Centner Heu pr. Morgen, und an Saamen
6–7 Scheffel.
⁴⁾ Schnell wüchſig, daher beſonders zum Abweiden tauglich. Man ſäet ihn
daher auch außer im Mai noch nach der Ernte in Rockenfelder. Schon Sandboden
iſt ihm gut genug. Einſaat 5–8 Pfund Saamen pr. Morgen; Ertrag an Heu
= 560 Pfund, an Grünfutter 28 Centner und Saamen 5–8 Scheffel pr. Morgen.
[221/0243]
§. 179.
3) Unfälle, und 4) Ernte der Futterpflanzen.
Die Klee leidet am meiſten von Boden, Klima und Wit-
terung, — kommt, wenn ihm dieſe ungünſtig ſind, dem Unkraute
nicht zuvor, und ſtirbt aus. Die Luzerne leidet in der Jugend,
wenn ſie breitwürfig geſäet und nicht gedrillt iſt, ſehr durch Un-
kraut; darum ſäet man ſie mit einem Saamengetreide aus, oder
in Saamenbeete, um ſie ſpäter zu verpflanzen. Ihr gefährlichſtes
Unkraut iſt das Filzkraut (Cuscuta europaea), eine Schling-
pflanze. Es muß ausgeſtochen werden. Auch die Eſparcette leidet
von Unkraut, und wird darum wie die Luzerne behandelt.
Der erſte Schnitt des Klees findet im folgenden Jahre nach
der Einſaat Statt. Die Luzerne und Eſparcette kann aber erſt
im dritten Jahre mit Vortheil geſchnitten werden. Man trocknet
dieſe Pflanzen beſſer als auf dem Boden, auf Geſtängen, welche
man Heintzen oder Hübeln heißt. Das Klee-Heu kann man
aber in Haufen durch die Erwärmung in ſich ſelbſt und plötzliches
Auseinanderlegen ſo zubereiten, daß man es halbſaftig einbanſen
kann, mit Zwiſchenlagen von Salz.
II. Von dem Wieſenbaue.
§. 180.
A. Begriff, Weſen und verſchiedene Arten der Wieſen.
Die Wieſen ſind Plätze, welche auf längere Zeit dem Gras-
wuchſe ausgeſetzt ſind, um, wenn derſelbe eine bedeutende Höhe
erreicht hat, das Gras mähen und heuen zu laſſen. Es gibt auch
verſchiedene Klaſſen der Wieſen, je nach ihrer Güte. Ihre Güte
hängt außer von den Bodenverhältniſſen, der Lage an waſſerreichen
Orten und dem Klima, von den Arten der Gräſer ab, welche ſie
haben. Dieſe ſind aber entweder ſüße, ſaure, oder frühe, ſpäte1),
und ſo kann man auch die Arten der Wieſen unterſcheiden, nur
nennt man in lezterer Hinſicht dieſelben 1. 2. oder 3ſchürig, je
nachdem man ſie im Sommer 1. 2. oder 3mal abmähen (ſcheeren)
kann2).
¹⁾ Die beſten Wieſengräſer und Kräuter ſind außer den im §. 177. erwähnten:
das glatte und das jährige Riſpengras (Poa pratensis und annua), das Schwaden-
gras (Festuca fluitans), Kammgras (Cynosurus cristatus), der Goldhafer (Avena
flavescens), der Melilotenklee (Trifolium melilotus), der weiße und der rothe Wie-
ſenklee (Trif. repens, und pratense), der gelbe Klee (Trif. procumbens, agrarium),
der Hopfenklee (Medicago lupulina), die Vogel- und die Zaunwicke (Vicia cracca
und sepium), die Lothusarten (beſonders Lothus corniculatus), die Wieſenplatt-
[222/0244]
¹⁾ erbſe (Lathyrus pratensis), die Schaafgarbe (Achillea millifolium) und der Wie-
ſenkümmel (Carum carvi). Gute Gräſer und Kräuter ſind: das Zittergras (Briza
media), der Schaafſchwingel (Festuca ovina), das Hundſtrausgras (Agrostis ca-
nina), der Wieſen- und der haarige Hafer (Avena pratensis und pubescens), der
Alpenklee (Trifolium alpestre), die weiche Treſpe (Bromus mollis), der Kälber-
kropf (Chaerophyllum sylvestre), die Arten des Wegerig (Plantago), der Scabioſa
(scabiosa), das Tauſendgüldenkraut (Gentiana Centaureum), der Quendel (Thymus
serpillum), die Arten der Schlüſſelblumen (Primula), das Knotenlieſchgras (Phle-
um nodosum), und die Pimpinelle (Poterium sanguisorba, sanguisorba officinalis
und Pimpinella saxifraga). Die anderen ſind zum Theile ſchlecht, zum Theile
giftig. Ueber die Futtergräſer ſ. m. Kreyſſig Futterbau. S. 52–171. Deren
Werth Schnee Landw. Zeitung. XI. 127. 301. André Oeconom. Neuigkeiten.
1815. Nro. 38.
²⁾ Man ſ. über den Wieſenbau: Schwerz Anleitung. I. 489. Thaer rat.
Landwirthſchaft. III. 224. Deſſelben engl. Landwirthſchaft. I. 498. III. 525.
Gericke Prakt. Anleitung. III. §. 339–376. Kreyſſig Futterbau. S. 352 bis
554. Trautmann Landw. L. II. 100. Burger Lehrbuch. II. 98. Koppe
Unterricht. III. 3. Block Mittheilungen. II. 1–46. Crud Oeconomie. S. 218.
v. Reider Landw. L. §. 173.
§. 181.
B. Bau der Wieſen.
Die Pflege der Wieſen, wenn ſie ſorgſam ſein ſoll, hat fol-
gende Momente zu beſorgen: 1) die Beſaamung derſelben mit
den beſten Wieſengräſern1); 2) die Trockenlegung der zu naſ-
ſen Wieſen vermittelſt der Abzugsgräben und Waſſerfänge2);
3) die Entſäurung derſelben durch Aufführen von Kalk, Heerd-
aſche und Mauerſchutt; 4) die Düngung derſelben mit Kompoſt,
kurzem Stallmiſte, Jauche u. ſ. w.3); 5) das Abwechſeln auf
demſelben Grunde, wenn es angeht, mit Acker- und Wieſenbau;
6) das Verjüngen derſelben entweder durch Aufkratzen der Ober-
fläche vermittelſt ſcharfer Eggen und Wieſenſchröpfer (Schröfen),
oder durch das 2–4 Zoll hohe Ueberſchütten mit Grund, um die
Pflänzchen zu nöthigen, tiefere Wurzeln zu ſchlagen, oder endlich
durch das Belegen derſelben mit 3'' ̺͆ breiten Raſenſtücken, in
eine gegenſeitige Entfernung von 6 Zoll (Einimpfen)4); und
endlich 7) das Bewäſſern entweder auf natürlichem Wege durch
Bäche, Flüſſe, Teiche, oder auf künſtlichem Wege durch Kanäle,
Schleuſen, Rinnwerke und Schöpfmaſchinen. Daſſelbe iſt entwe-
der Ueberſtauen, wenn der ganze Boden auf einmal einige Zeit
unter ſtehendes Waſſer geſetzt, oder Ueberrieſeln, wenn der Wie-
ſenplatz von einer nur dünnen Waſſerſchicht längere Zeit überfloſſen
wird5).
¹⁾ Man wählt zur Erziehung des Saamens eigene Plätze, welche der Natur
der Graspflanzen entſprechen, auf einer ſehr guten Wieſe. Die Ernte, der Druſch,
die Reinigung, Aufbewahrung, wie beim Getreide.
²⁾ Ueber Wieſenentſümpfung ſ. m. Schnee Landw. Zeitung. XIII. 194. 391.
[223/0245]
²⁾ XIV. 80. André Oeconom. Neuigkeiten. 1821. Nro. 39 folg. Ueber Maſchinen
zum Furchenziehen ſ. m. Schnee. V. 258. Schröer's Waſſerfurchenzieher. IX. 172.
und Lange's Waſſerfurchenzieher. XII. 145. Young Calender. 45. 87. 161.
222. 462.
³⁾ S. Schnee Landw. Zeitung. IX. 125. 321. X. 229. XII. 93. 247.
⁴⁾ Ueber Wieſenverjüngung ſ. m. auch: Thaer Annalen des Ackerbaues. V. 104.
IX. 274. Ueber den Wieſenſchröpfer.
⁵⁾ Von der Bewäſſerung handeln auch: Thaer Annalen des Ackerbaues. III.
291 (Behandlung bewäſſ. Wieſen). II. 80. 550. VIII. 56. Deſſelben Annalen
der niederſächſiſchen Landwirthſchaft. Jahrg. II. Stück 3 (v. Meyer). Weber,
Handbuch des Futterbaues. S. 422. Sinclair Grundgeſetze. S. 335. Young
The farmers Calender. 226. 294. 343. 543. Bertrand, die Kunſt Wieſen zu
bewäſſern. Neue Ausgabe. Nürnberg 1774. Anleitung über Wäſſerung der Wie-
ſen. Herausgegeben von der naturforſchenden Geſellſchaft. Zürich 1774. Scheyer
Anweiſung zur Wäſſerung der Wieſen. Leipzig 1795. Wittmann, Unterricht zur
Bewäſſerung der Wieſen nach lombard. Art. Wien 1810. Ueber die Wäſſerungs-
maſchinen ſ. m. Schnee Landw. Zeitung. II. 402. 409 (W. M. von Mont-
golfier). Beſchreibung des hydraul. Widders als der beſten Wäſſerungsmaſchine.
Leipzig 1807. 2te Auflage. Ernſt, Abbildung und Beſchreibung einer Pendular-
windmaſchine zur Ent- und Bewäſſerung der Wieſen. Leipzig 1807. Deſſelben
Abbildung u. Beſchreibung eines Staber-Schöpfrades zur Wieſenwäſſerung. Leipzig
1803. Beſchreibung und Abbildung der Wäſſerungs- und Entwäſſerungsmaſchine
von Saubert und der Waſſerhebemaſchine von Sergeant. Leipzig 1805. Ueber
die Anlage der ſogenannten Schwemmwieſen ſ. m. Thaer ration. Landwirthſch.
III. 205. Weber Handbuch des Futterbaues. S. 88. u. 100. Obige Abhandlung
von Meyer, welche a. 1807 von Thaer in Celle beſonders herausgegeben und
auch in deſſen kleinen Schriften Bd. I. abgedruckt iſt.
§. 182.
C. Unfälle des Wieſenbaues und D. Heuernte.
Zu den Unfällen des Wieſenbaues gehören: 1) die giftigen
Wieſenpflanzen1); 2) die Maulwurfs- und Ameiſenhaufen2);
3) die Vermooſung der Wieſen3); 4) zu große Hitze und aus-
trocknende Winde, gegen welche man ſie durch Zäune ſchützt;
5) das Behüten der Wieſen mit Vieh, wenn es zu lange dauert4);
6) die Larven der Maikäfer5), das Heupferd (Gryllu̺͆ verruci-
voru̺͆), der Regenwurm und die Grasraupe (Phalaena gra-
mini̺͆).
Die Zeit zur Heumaht iſt da, wenn die Riſpen der Gräſer
ausgebildet zu blühen anfangen. Das Gras wird gemähet, mehr-
mals mit Handgabeln oder Pferdeinſtrumenten gewendet, und wenn
es trocken iſt, aufgeladen und heimgefahren6). Man macht ent-
weder grünes (d. h. ſchnell und gut getrocknetes) oder braunes
(d. h. nicht völlig getrocknetes) Heu. Das Trocknen geſchieht ent-
weder auf dem Boden oder auf Gerüſten (Heintzen, §. 179.).
Das Einbanſen (oder Taſſen) deſſelben geſchieht entweder in
luftigen Scheunen oder in Heufeimen (Schobern) auf dem Felde.
Der Ertrag der Wieſen iſt ſehr verſchieden nach ihrer Güte,
[224/0246]
und die zweite und dritte Schur heißt Grummet (Grummaht,
Ohmaht)7).
¹⁾ Die giftigen Wieſenpflanzen ſind: das Bilſenkraut (Hioscyamus niger),
der Stechapfel (Datura stramonium), Waſſerſchierling (Cicuta aquatica), Pferde-
ſaamenkraut (Phellandrium aquaticum), die Zeitloſe (Colchicum autumnale),
die Küchenſchellen (Anemone nemorum, bulbosa, u. ſ. w.), die giftige Laktuke
(Lactuca virosa), die Euphorbien (Euphorbia), die Hundspeterſilie (Aethusa ci-
napium) und der Eppich (sium latifolium).
²⁾ Sie werden entweder mit der Handhacke oder mit Pferdeinſtrumenten hin-
weggeſchafft und die Maulwürfe gefangen. S. Thaer Ackergeräthe. II. Taf. 7.
³⁾ S. Schnee Landw. Zeitung. III. 573. Kniphof Phyſical. Unterſuchung
des Pelzes auf Wieſen. Erfurt 1753.
⁴⁾ S. Gottſchald, Der Nutzen bei Abſchaffung der Frühhütung auf den
naſſen Wieſen. Wittenberg 1782. und andere Schriften über die Hutgerechtigkeit.
⁵⁾ S. Steeb, Von den Maikäferarten, wie ſie vorzüglich auf den Wieſen
vertilgt werden können. München 1789.
⁶⁾ Dieſe Arbeiten dauern zwei bis drei Tage. Eine ſolche Maſchine zum
Wenden und Luften des Heues, nämlich eine Egge, iſt, wie Thaer (rat. Landw.
III. 265.) erwähnt, beſchrieben von Bloys v. Treslong in den Schriften der
Rotterdamer Societät. II. 88. Ferner die Maſchine hierzu von dem Engländer
Middleton in Leonhardi Abbildung und Beſchreibung einer neuen engliſchen
Maſchine zur ſchnellen Abführung des Heues. Aus dem Engl. überſ. Leipzig 1797.
(Auch in Geißler Auszüge aus den engl. Transactionen. III. 244.) S. Cancrin
Abhandlung von einer Fruchttriege zum Trocknen des Heues bei naſſem Wetter,
in dem Anhange. 2te Aufl. Marburg 1799. Ein Schwadenzieher ſoll auch
beſchrieben ſein in Mehlers böhm. Landw. III. Bd. I. Abthl. S. 123. Tab. 2.
Fig. 4. Ein Mann kann im Durchſchnitte täglich 1,8 preuß. Morgen Gras und
2 Morgen Klee mähen. Eine Frau kann ohne beſondere beſchwerende Umſtände
täglich 6 bis 6¼ Centner Grasheu wenden und heuen. Zur Ladung eines Fu-
ders Heu von 2200 Pfund ſind 2 Männer und 3 Frauen erforderlich, und dieſe
laden bei Wechſelwagen Stund für Stund ein Fuder, wenn ſie von den Abladern
nicht aufgehalten ſind, bei der ſchon mehrmals angenommenen Normalentfernung
der Wieſe. Beim Abladen und Banſen rechnet man auf 1 Abſtaker 1 männlichen
und 2 weibliche Banſer, um alle Stunden ein obiges Fuder abzuladen und zu
banſen.
⁷⁾ Die beſten Wieſen geben 18–24 Centner Heu und drüber; die IIter Klaſſe
15–18 Centner, IIIter Klaſſe 12–15 Centner, in 2 Schnitten, die IVter Klaſſe
9–12 Centner, die Vter Klaſſe 6–9, und die VIter Klaſſe nicht über 6 Centner
Heu, in einem Schnitte.
III. Von dem Weidebaue.
§. 183.
Dem Weidebaue widmet man mit Unrecht öfters nur geringe
Sorgfalt; und doch ſind bei ihm dieſelben Fragen wichtig, wie
bei dem Wieſenbaue. Sie ſind folgende, und betreffen:
1) Den Begriff, das Weſen und die Arten der Wei-
den. Weiden ſind die zur Abgraſung durch das Vieh beſtimmten
Grasplätze. Man unterſcheidet die Anger- (Raſen-), Wald-,
Wieſen-, Saat-, Brach- und Stoppelweiden, welche
ſämmtlich ſchon dem Namen nach erkenntlich ſind, — und die
[225/0247]
Dreſch- (Dreiſch-) Weiden, auf Aeckern, nachdem ſie länger
zum Feldbaue gedient haben. Die vier Lezteren nennt man auch
Ackerweiden. Die eigentlichen Weideplätze werden nach den
Klaſſificationsprinzipien überhaupt (§. 138.) und jenen der Wieſen
insbeſondere (§. 180. 182.) auch in Klaſſen getheilt. Daher kommt
die Unterſcheidung in Fett-, Niederungs-, Gebirgs-,
Heide-, Moor-, Sand- und Sumpfweiden.
2) Den Bau der Weiden. Der Bau der Acker-, beſon-
ders der Dreſchweiden, ſteht mit dem Wirthſchaftsſyſteme in Ver-
bindung, und iſt der eigentliche künſtliche Weidebau. Der Bau
der Wieſen- und Angerweiden fällt bei gehöriger Sorgfalt mit
dem Wieſenbaue in Eines zuſammen.
3) Die Unfälle der Weiden. Sie ſind zum Theile jene
des Acker-, zum Theile jene des Wieſenbaues (§. 151. 182.).
4) Die Benutzung der Weiden. Hierbei iſt der Beſatz
der Weiden, die Folge des Beſatzes mit verſchiedenen Vieharten,
und die Länge der Weidezeit von Wichtigkeit. Man muß dabei
berückſichtigen, daß ſowohl der zu große als der zu geringe Beſatz
ſchädlich wird, daß man die Schaafe vor dem Rindvieh zum Weide-
gange läßt, und daß ein zu langer Weidegang der Vegetation und
den Thieren ſchädlich wird. Der Ertrag der Weiden iſt nach der
Güte verſchieden1). Ueberhaupt concurrirt bei Allem dieſem die
Localität.
¹⁾ Tabellen über den Ertrag nach dem darauf zu ernährenden Vieh finden ſich
bei Thaer Ausmittelung des Reinertrags. §. 48. Deſſelben ration. Landw.
I. 281. III. 274. Meyer Gemeinheitstheil. III. 29. Pachtanſchläge. S. 65.
Schmalz Anleitung zur Veranſchlagung ländlicher Grundſtücke. §. 119. 120. 121.
Koppe Unterricht. I. 173.
Zweites Stück.
Gartenbaulehre.
Erſte Unterabtheilung.
Allgemeine Gartenbaulehre.
§. 183. a.
Die Gartenbaulehre, welche ebenfalls ihre eigene Litera-
tur1) und Geſchichte2) hat, zerfällt, der allgemeinen Beziehungen
nach, in dieſelben Theile wie die Feldbaulehre. Die allgemeine
Gartenbaulehre bezieht ſich gerade, jedoch mit beſonderer Be-
ziehung in ſoferne der Gartenbau ſich als den Landbau in der
höchſten Kultur darſtellt, auf dieſelben Gegenſtände, welche im
Baumſtark Encyclopädie. 15
[226/0248]
§. 133. a. als Gegenſtände der allgemeinen Feldbaulehre ange-
geben ſind.
¹⁾ Vorzügliche Literatur: Walther, Praktiſche Anleitung zur Gartenkunſt.
Stuttg. 1779. IIIte Aufl. 1819. als allgemein. deutſch. Gartenbuch. Sickler,
Deutſchlands Gartenſchatz. Erfurt 1802. III Bde. Dieterich, Das Ganze des
Gartenbaues. Neue Auflage. Leipzig 1806. II Bände. Blotz und Chriſt, Die
Gartenkunſt. IIIte Auflage von Becker und Kühne. Leipzig 1819. III Bände.
Ideler, Die wirthſchaftliche Gärtnerei. Neue Ausgabe. Berlin 1822. II Bände.
Pohl, Vollſtändiges Handbuch der Gärtnerei, nebſt Engel's, Krauſe's und
Leonhardi's Monatsgärtner nach der VIIten Auflage. Leipzig 1821. Schmidt
und Müller, Vollſtändiger Gartenunterricht. IXte Auflage. Leipzig 1820.
Bredow, Der Gartenfreund. Berlin 1833. IVte Auflage. Loudon, Encyclo-
pädie des Gartenweſens. Aus dem Engliſchen überſetzt. Weimar 1823–1828.
II Bde. (Ausgezeichnet und am umfaſſendſten.) Noiſette, Vollſtändiges Handb.
der Gartenkunſt. Aus dem Franzöſ. überſetzt von Sigwart. Stuttg. 1826–30.
V Bde. 8. (Sehr gut und ſehr ausgedehnt.) Metzger Gartenbuch. Heidelberg
1829. (Sehr praktiſch.) Leibitzer, Der Gartenbau. Peſth 1831. III Bdchn.
Ritter, Allgem. deutſches Gartenbuch. Quedlinburg 1833. IIte Aufl. in 2 Ab-
theilungen. Außerdem einige Zeitſchriften. Ueber ältere Literatur ſ. m. Weber'ſ
in §. 132. citirtes Handbuch, und über die ausländiſche Literatur Loudon Ency-
clopädie. II. 1421–1483.
²⁾ Ueber die Geſchichte des Gartenbaues ſ. m. Loudon Encyclopädie. I. S. 3
bis 129. und Noiſette Handbuch. I. Bd. 1ter Theil.
I. Bodenkunde.
§. 184.
Was in den §§. 134–137. hiervon geſagt iſt, gilt auch hier.
Von einer Klaſſifizirung des Gartenbodens (§. 138.) könnte aber
nur in ſo weit die Rede ſein, als man von der erſten Klaſſe des
Bodens noch verſchiedene Abtheilungen nach den Momenten der
Klaſſifizirung annehmen wollte. Der Gartenbau unterſcheidet ſich
von dem Feldbaue hauptſächlich dadurch, daß er auf einem einge-
friedigten Grundſtücke beſter Qualität betrieben wird; daß darin
diejenigen Pflanzen gebaut werden, welche vorzüglichen Boden,
geſchützte Lage und vorzügliche Pflege bedürfen; und endlich daß
die Behandlung des Bodens höchſt ſorgfältig geſchehen muß. Die
Wahl des Bodens hängt daher von den verſchiedenſten äußeren
Umſtänden ab. Die wichtigſten derſelben ſind die Beſchaffenheit,
Größe, Lage und Befriedigung des Bodens, die Nachbarſchaft
von Waſſer, und die Annehmlichkeit der Gegend1).
¹⁾ Man bereitet ſich daher die Erde für beſondere Gewächſe auch beſonders
durch Miſchung und Umſtechen der beſten Erdarten mit organiſcher Materie, um ſo
recht lockern, warmen, humusreichen Boden zu bekommen, und es iſt zweckmäßig,
dazu in jedem Garten einen paſſenden Platz oder ein Magazin zu halten, wohin
man zugleich Pflanzabfälle u. dgl. bringt. Beſonders gut iſt die ſchwarze, ſandige,
leichte, aufgelöste, Heidetheile enthaltende Heideerde, vom Saume der Waldun-
gen genommen. Die Einfriedigung der Gärten, zugleich abhängig vom guten Ge-
ſchmacke, ſei ſie eine lebendige oder todte, iſt dann die vorzüglichſte, wenn ſie
[227/0249]
¹⁾ unter übrigens gleichen Umſtänden den Wind am beſten abhält, daß Einſitzen ſchäd-
licher Thiere nicht geſtattet, und die Sonne nicht vom Boden abwehrt. Wenn
fließendes Waſſer mangelt, iſt ein Brunnen im Garten unentbehrlich.
II. Bodenbearbeitungslehre.
A. Von der Bodengeſtaltung.
§. 185.
Bodengeräthe.
Ein friſch beurbarter Boden (§. 139.) eignet ſich, ohne vor-
herige Bebauung mit Hackfrüchten1), noch nicht zum Gartenbaue.
Erſt nach jener kann er zum wirklichen Gartenbaue weiter bear-
beitet werden (§. 140.). Die zur Bearbeitung des Gartenbodens
erforderlichen Geräthe ſind folgende:
1) Bodengeräthe im eigentlichen Sinne. Es gehören hier-
her: a) die Picken, zur Auflockerung harten Bodens; b) die
Hebel (Brecheiſen), zur Fortſchaffung großer Steine; c) die
Spaten, zum Umſtechen; d) die Gabeln, zu verſchiedenen
Zwecken; e) die Hacken, zum Anziehen, Umwerfen und Umhacken
des Bodens; f) die Rechen, von Holz oder Eiſen, zum Reinigen,
Ebenen und Pulveriſiren des Bodens; g) die Rechenhacken, wo
beide lezteren Geräthe vereinigt ſind; h) die Raſeneiſen und
Raſenſcherer, zum Aus- und Abſtechen des Raſens; i) die
Raſenſtampfer, zum Feſtſtoßen der Raſen; k) die Raſenfeger,
Reiſig- und Drahtbeſen, zum Fegen und Reinigen; l) die
Wurzelngäter, zum Ausziehen langer kegelförmiger Wurzeln;
m) die Gartenwalzen.
2) Richtgeräthe. Es gehören hierher: a) die Richt-
ſchnüre; b) die Nuthen und Meßketten; c) die Richt-
ſcheite; d) die Viſirſtäbe; e) die Bodenzirkel; f) die Ab-
ſteckpfähle.
3) Die Gefäße. Hierher gehören: a) die Erdſiebe von
Rohr oder Draht; b) die Erdtrichter und Erdkörbe; c) die
Erdtöpfe und Erdkaſten; d) die Erdkarren.
¹⁾ Loudon Encyclopädie. I. 365. Ideler Wirthſchaftl. Gärtnerei. XVIII.
Brief. Ueber eine Gartenhäckelmaſchine von Schröer ſ. m. Schnee Landwirthſch.
Zeitung. IX. 221.
§. 186.
Arbeiten mit dieſen Geräthen.
Alle die Bodenarbeiten, welche beim Feldbaue mit Maſchinen
geſchehen, verrichtet man hier mit Werkzeugen der Hand. Da in
15*
[228/0250]
einem Garten alles regelmäßig eingerichtet ſein muß, ſo bedient
man ſich bei den Bodenarbeiten faſt immer der Schnur oder an-
derer Richtgeräthe. Dieſer Schnur nach geſchieht das Picken,
Rajolen, Graben oder Umſtechen; das Umbrechen und Ausgraben,
beſonders aber das Nivelliren des Bodens, welches oft das Hin-
und Hertragen der Erde erfordert, wenn man mit dem Rechen
nicht ausreicht, und das Walzen. Um aber den Grund recht fein
und rein zu machen, wird die Erde geſiebt und geſichtet. Dieſes
geſchieht beſonders bei der Zurichtung des Grundes für Töpfe und
Kaſten. Die Arbeiten ſelbſt aber wechſeln nach der Manchfaltigkeit
der Pflanzen und nach dem Zuſtande des Bodens, dabei aber auch
nach den der Gartenfläche zu gebenden Geſtalten, welche ſehr ver-
ſchiedenartig ſind.
B. Von der Bodenmiſchung.
§. 187.
Miſtbeete.
Die Mittel der Bodenmiſchung ſind dieſelben, wie bei der
Feldwirthſchaft (§. 148.). Die Miſchung ſelbſt aber muß weit
ſorgfältiger geſchehen als bei jener (§. 148.). Eine beſondere Art
derſelben ſind die Miſtbeete. Man verſteht unter denſelben be-
ſondere, ſtark und vorzüglich gedüngte, mit der fruchtbarſten und
reinſten Erde angefüllte Plätze zur Pflanzung fremder zarter und
einheimiſcher frühzeitig zu gewinnender Gewächſe. Man theilt ſie
in ganz freie, eingefaßte und völlig geſchloſſene ein. Die
Lezteren werden mit Fenſterdeckeln, dieſe aber noch mit Bretter-
deckeln verſehen. Ihre Lage muß ſie zum Empfange der Sonnen-
ſtrahlen beſonders tauglich machen. Der tauglichſte Dünger dazu
iſt der Pferdemiſt, wegen ſeiner Wärme und hitzigen Natur, und
wird ſchichtenweiſe zu unterſt aufgetragen. Auf ihn kommt die
Miſtbeete-Erde, wozu man ſich der Erde, die noch nicht getragen
hat (Jungfernerde), bedient. Man arbeitet ſie vorher mit et-
was Sand und Rindviehmiſt durch, und ſiebt ſie, um ſie von allen
Klumpen und Unreinigkeiten zu befreien1).
¹⁾ Loudon Encyclopädie. I. 469.
III. Pflanzungslehre.
§. 188.
1) Das Einbringen in die Erde, oder die Fortpflanzung.
Die Fortpflanzung der Gartengewächſe geſchieht: a) durch die
Saat, entweder von Saamen oder Knollen, welche bald breitwürfig,
[229/0251]
bald mit dem Setzholze, bald mit der Hacke geſchieht. Sonſt iſt
bei derſelben hauptſächlich auch das zu bemerken, was ſchon oben
(§. 150.) darüber geſagt iſt1); b) durch das Stecken von Zwie-
beln und Wurzeln; c) durch das Verpflanzen der in Beeten
aus Saamen gezogenen Gewächſe. Man verpflanzt in Löcher, in
Gräben, durch Zugraben (indem man zur Bedeckung der in ein
Gräbchen geſetzten Pflanzen ein neues Gräbchen aufſticht), in
Spalten, in den Ausſtich, in Säelöcher, durch Zudecken, in Fur-
chen, mit dem Steckholze, mit der Pflanzkelle, mit dem Erdklum-
pen, in Töpfe, und mit dem Einſchlämmen2); d) durch Senk-
linge, d. h. abgeſchnittene oberirdiſche Theile der Gewächſe. Man
hat für verſchiedene Stecklinge zu ſorgen, ganz abgeſehen von der
Natur der Pflanzen ſelbſt, je nachdem ſie ins freie Feld, in
Gewächs- und Treibhäuſer beſtimmt ſind, und bei großer Obhut
iſt ſogar eine Fortpflanzung durch bloße Blätter möglich3). End-
lich e) durch Ableger oder Abſenker, d. h. durch junge Pflan-
zenzweige, welche man vom Stocke aus in die Erde biegt und erſt
von demſelben abſchneidet, wenn ſie ſchon Wurzeln gefaßt haben,
um ſie hierauf zu verpflanzen. Man unterſcheidet die einfachen
Ableger, jene mit dem Einſchnitte (der Länge nach am unteren
Ende), jene von Schößlingen, und endlich Ableger in Senktöpfen
(an den Stöcken ſelbſt)4).
¹⁾ Loudon Encyclopädie. I. 488. Metzger Gartenbuch. S. 38. Ideler
Wirthſchaftl. Gärtnerei. XXIter Brief. Die Anzucht des Saamens iſt wichtig,
weil die Gewächſe ſehr leicht in Gärten ausarten. Noiſette, die Erhaltung und
Vermehrung der Pflanzen. S. 135–161. u. 161–169. (Stecken von Zwiebeln ꝛc.)
²⁾ Loudon Encyclopädie. I. 490. vrgl. mit 366. Ideler Wirthſchaftl.
Gärtnerei. XVIII. u. XXII. Brief. Noiſette a. a. O. 212. Zum Verpflanzen
bedient man ſich des Steck- oder Setzholzes, der (keilförmig gabeligen) Forſthacke,
der (doppelten) Pflanzhacke, der (dreieckförmigen, kurzgeſtielten) Pflanzkelle, der
Spitzhacke, der (zungenförmigen, ebenen oder halbcylindrigen) Gartenkelle, und des
Verpflanzers, der (z. B. für Bohnen und Erbſen) mehrentheils rechenförmig oder
aus mehreren Setzhölzern zuſammengeſetzt iſt, oder aber auch aus 2 halbcylindrigen
Eiſenſtücken mit kurzen Handgriffen beſteht, die ſo in die Erde geſchoben werden,
daß in ihnen eine Pflanze mit einem Erdklumpen Platz hat, und dazu dienen,
nachdem ſie mit Schrauben an einander befeſtigt ſind, die Pflanzen ſammt dem
gehörigen Erdklumpen herauszuziehen. Das Ausheben der Pflanzen und Zurichten
des Bodens iſt dabei ſehr wichtig.
³⁾ Loudon Encyclopädie. I. 472. Metzger Gartenbuch. S. 42. Beſonders
Pflanzen mit lockerem Zellgewebe eignen ſich dazu. Man ſchneidet die Stecklinge
fürs freie Feld im Februar und Anfange des März 1–1½ Fuß lang. Noiſette
a. a. O. S. 169.
⁴⁾ Loudon Encyclopädie. I. 473 folg. Metzger Gartenbuch. S. 46.
Noiſette a. a. O. S. 185.
§. 189.
2) Weitere Pflege der Gartengewächſe.
Dieſelbe hat auch, wie bei den Feldpflanzen (§. 151.), haupt-
ſächlich die folgenden Zwecke:
[230/0252]
a) Die Erfüllung der Bedingungen des Wachs-
thums. Hierin beſteht die meiſte Sorgfalt beim Gartenbaue.
Dieſelben Arbeiten, welche bereits oben (§. 151.) erwähnt ſind,
müſſen hier mit beſonderer Sorgfalt zum Theile vermittelſt der
bloßen Hand, zum Theile vermittelſt gewiſſer Handwerkzeuge ge-
ſchehen.1). Da aber im Gartenbaue auch Gewächshäuſer vor-
kommen, ſo muß beſonders bemerkt werden, daß das Licht den
Pflanzen zum Fortkommen meiſtens ſehr nöthig iſt, aber auch oft
künſtlich Schatten hervorgebracht werden muß. Was jedoch ins-
beſondere die Wärme anbelangt, ſo wird ſie den Pflanzen theils
durch Miſtbeete (§. 187.), theils durch Gewächs- und Treib-
häuſer2) zugebracht, zugleich aber muß man Mittel haben, um
auch die Hitze von den Pflanzen abzuhalten. Endlich iſt der Schutz
der Pflanzen vor ſchädlichen Thieren und Unkraut beim Garten-
baue von der höchſten Wichtigkeit3).
b) Die Veredlung der Gartengewächſe ſelbſt. Dieſe,
auch ſchon oben (§. 151.) erwähnt, iſt das eigentliche Geſchäft
des Gärtners. Es gehört in dies Gebiet das Beſchneiden u.
dgl.4), das Veredeln5) und die Heilung der Pflanzen von
Krankheiten6).
¹⁾ Hierzu bedient man ſich zum Theile der in §. 185. erwähnten Bodengeräthe
im eigentlichen Sinne. Zum Begießen hat man die gewöhnlichen Gießkannen, die
franzöſiſchen (auch mit Röhren im Zickzack zur Hemmung des heftigen Waſſerſturzes),
das Gießrohr (eine zinnerne Röhre, mit einem Trichter, unten einen Rechtwinkel
bildend, und oben zuweilen mit einer Brauſe verſehen), die Gartenſpritze (von
verzinntem Eiſen, Kupfer oder Meſſing, gegen 2 Fuß lang und 2 Zoll weit), die
Handpumpe, das (zu fahrende) Waſſerfaß, und die wäſſernde Walze (auf einem
Wagengeſtelle ein Waſſerfaß, darunter eine eiſerne Walze). Zum Beſchützen der
Pflanzen hat man tragbare Leinwand- oder Gazedecken, geölte Papierdecken (Form
eines Handglaſes), Stroh- und Gartennetze, Stroh-, Baſt- und Schilfmatten,
Gaze- und Papierbeutel, horizontale Läden, Pflanzenſchirme (ähnlich dem Regen-
ſchirme), Schutzkäfige (von Draht oder Weiden), irdene Schirme (wie ein Blumen-
topf mit einer Seitenöffnung), bleierne und kupferne Handgläſer (tragbare kleine
Glasgehäuſe mit Blei- und Kupferſtreifen), das Handglas von Gußeiſen (es wird
aus mehreren gegoſſenen Stücken zuſammengeſchraubt), jenes von geſchweißtem Eiſen
(aus eiſernen Schiebſtangen zuſammengeſetzt, beliebig zu erhöhen und zu geſtalten),
die grüne Glas- und die Kryſtallglocke, Pflanzenſtützen und Baſt. Loudon Ency-
clopädie. I. 378. 381. 387. Noiſette, die Erhaltung u. Vermehrung der Pflan-
zen. S. 226. (vom Begießen).
²⁾ Ueber Anlage der Treib- und Glashäuſer ſ. m. Metzger Gartenbuch.
S. 314–316 (ſehr praktiſch). Loudon Encyclopädie. I. 389–449 (vollſtändige
Darlegung aller im Gartenbaue vorkommenden Strukturen und Bauten). Der
Gärtner wirkt nicht blos beſchleunigend, ſondern auch aufhaltend auf die Vegetation.
Jenes durch die Geſtalt des Bodens (der Beete), durch Schutz gegen, und Anſetzen
an die Sonne, durch das Einbringen in das Haus, durch künſtliche Wärme von
Mauern, durch Bedecken mit Glaskäſten und Cylindern, durch ummauerte Gruben,
durch Warmhäuſer (Grünhäuſer, trockene und feuchte [oder Loh-] Erdhäuſer) u. dgl.
Dieſes durch Bewirkung der Ruhe in kalten Räumen, durch Geſtaltung und Lage
der Beete, durch künſtlichen Schatten und durch Kalthäuſer. Loudon Encyclopädie.
I. 509–520.
[231/0253]
³⁾ Die vorzüglichſten Unkräuter ſ. m. oben im §. 151. Eben ſo über die
wichtigſten ſchädlichen Thiere. S. aber auch Metzger Gartenbuch. S. 58. Noi-
ſette, die Erhaltung und Vermehrung der Pflanzen. S. 110–117. Ideler
Wirthſch. Gärtnerei. XXIII. Brief. Loudon Encyclopädie. I. 382, über die
Schutzmaßregeln und -Maſchinen.
⁴⁾ Die Zwecke des Beſchneidens, Ausputzens, Blattens u. dgl. ſind: a) Beför-
derung des Wachsthums; b) Beſtimmung des Umfanges; c) Beſtimmung der
Geſtalt; d) Beförderung der Blüthenknoſpen; e) Vergrößerung der Früchte;
f) Herſtellung des richtigen Verhältniſſes zwiſchen den Aeſten, Stämmen und Wur-
zeln; g) Verjüngung ſterbender Pflanzen; und h) Abhaltung und Heilung von
Krankheiten der Pflanzen. Loudon Encyclopädie. I. 495.
⁵⁾ Die Veredelung geſchieht auf die verſchiedenſte Art, indem man den Pflan-
zen ſchon von der Zucht und Auswahl der Fortpflanzungs-Vehikeln an bis zur
Ernte nicht blos in einem Jahre, ſondern in mehreren Jahren hinter einander
die Bedingungen ihrer Entwickelung immer ſorgfältiger und ausgewählter dar-
reicht. Der Gartenbau iſt an ſich ſchon eine Pflanzenveredelung. Daher ſind
die Urformen vieler Gewächſe botaniſch nicht mehr zu erkennen, und nur durch eine
alle Nüancen der Pflanzung erſchöpfende verſuchsweiſe Kultur wieder zu finden;
wie z. B. neuerlich Metzger mit den Kohlarten es gethan hat. Noiſette, die
Erhaltung und Vermehrung der Pflanzen. S. 194.
⁶⁾ Außer den bereits im §. 151. erwähnten ſind hier noch folgende Krank-
heiten zu nennen, nämlich die Läuſeſucht (Blatt- und Schildläuſe), die Verdrehung,
der Wurm, Krebs, Blutſturz oder Harzfluß, Erſtickung, Auszehrung, Schmarotzer-
pflanzen, das Uebertragen, und die Unfruchtbarkeit u. ſ. w. Man ſ. darüber und
über die Heilmittel vorzüglich Noiſette, die Erhaltung und Vermehrung der
Pflanzen S. 96–135, aber auch Metzger Gartenbuch S. 49. Ideler Wirthſch.
Gärtnerei. XXIV. u. XXV. Brief.
IV. Erntelehre.
§. 190.
Die Ernte iſt hier daſſelbe wie beim Feldbaue. Sie trennt
ſich auch in:
1) Die Geſchäfte der Ernte im eigentlichen Sinne durch
verſchiedene Operationen, und dieſe ſind je nach der Manchfaltig-
keit der Producte verſchieden. Die nach dem Einſammeln noch nö-
thigen Trennungs- und Reinigungsgeſchäfte unterliegen den bereits
oben angegebenen Regeln (§. 152.).
2) Die Geſchäfte der Aufbewahrung der Producte ſind
eben ſo verſchieden als die Arten dieſer lezteren, und die Zwecke,
wozu man ſie beſtimmt hat und gebraucht1).
¹⁾ Loudon Encyclopädie. I. 523.
Zweite Unterabtheilung.
Beſondere Gartenbaulehre.
§. 190. a.
Da man es in der Landwirthſchaft oder vielmehr im Landbaue
nicht mit dem Anbaue und der Pflege der wilden Bäume und
[232/0254]
Geſträuche zu thun hat, ſo kann dieſe Unterabtheilung nach den
Zwecken der Gartenzucht auch nur in die Lehre von dem Blu-
men-, Gemüſe- und Obſtgartenbaue zerfallen.
I. Von dem Blumengartenbaue.
§. 191.
Vor allem Anderen iſt es von Wichtigkeit:
1) Begriff, Weſen und Arten der Blumengärten zu
beſtimmen. Nach ihrem Zwecke, blos zum Genuſſe des Schönen,
wie es die Natur mit unendlicher Manchfaltigkeit in den Blumen
entfaltet, lebendige Blumengruppen anzulegen, ſo daß man zu
jeder Jahreszeit einen möglichſt reichen Flor beſitze, kann ihr Begriff
und Weſen leicht beſtimmt werden. Die Blumengartenkunſt treibt
man zum Theile im Zimmer in Töpfen, zum Theile in kleinen
geſchmackvoll angelegten und eingerichteten Gärten1).
2) Anlage und Bau der Blumengärten geſchmackvoll
und ſorgfältig einzurichten. Die Lage derſelben richtet ſich nach
den manchfachſten Umſtänden; man theilt ſie aber in Quartiere,
und dieſe wieder in Beete, beide regelmäßig und feſt in verſchie-
dener Geſtalt, ein, zwiſchen denen Gänge und Wege angelegt ſind,
die, nicht breit, mit feinem Sande beſtreut werden, und wohl auch
zu Lauben, Tempeln und dergl., die mit Zierlichkeit angebracht
ſein müſſen, führen. Zur Scheidung der Wege von jenen beiden
Geſtaltungen werden die Rabatten, Rondelle, Halbzirkel, d. h.
ſo geformte etwas erhöhete kleine Beete, angelegt, welche man
mit Seegras, Nelken, Buchs, Lavendel und dgl. einfaßt. Ein
niedliches Gewächshaus dient ihnen als nutzbare Zierde.
3) Zucht und Bewahrung vor Unfällen bei den einzel-
nen Blumengewächſen ſorgſam zu beobachten. Beide ſind verſchie-
den nach der Art der Pflanzen ſelbſt2). Bei der Wahl der Pflanzen
zur Gruppirung richtet man ſich nach Dauer, Größe, Blüthezeit
und Farbe der Blüthen der Pflanzen. Aber der gute Geſchmack
hat hier ein unabſehbares Feld von Combinationen. Außer den
bereits erwähnten Krankheiten und Feinden (§. 189.) iſt zu große
Hitze und Regen ein Verderbniß der Blumen, wogegen man ſie
durch Schirme und Verſtellen zu ſichern ſucht.
4) Ernte zur gehörigen Zeit und mit erforderlicher Umſicht
zu halten. Die Ernte erſtreckt ſich dabei nur eigentlich auf die
Einſammlung zeitigen Saamens, und das Abſchneiden von Blumen
zu Sträußen u. dgl.
¹⁾ S. Kißling Hand- und Taſchenbuch der eleganten Gartenkunſt. Nach
dem Franzöſ. bearbeitet. Mit einer Vorrede von Metzger. Heidelberg 1833. 8.
[233/0255]
¹⁾ v. Reider, die Geheimniſſe der Blumiſterei. Nürnberg 1822–30. III Bände
Deſſelben Annalen der Blumiſterei. Nürnberg ſeit 1825. Deſſelben Blumen-
kalender (für jeden Monat). Frankfurt 1829. Boſſe Handbuch der Blumengärt-
nerei. Hannover 1830. III Abthlgn. Leibitzer Gartenbau. Peſth 1831. II. Bdchn.
(die Blumengärtnerei). Metzger Gartenbuch. S. 286. Loudon Encyclopädie.
II. 1049. Noiſette Handbuch. III. u. IV. Bd. und andere allgemeine Garten-
bücher.
²⁾ Die wichtigſten Blumenpflanzen ſind folgende: 1) Krautartige, und
zwar auserleſene, beſondere Sorgfalt erheiſchende: die Hyacinthe, Tulpe, Ranun-
keln, Anemonen, Narciſſe, Schwertlilie (Iris), Kaiſerkrone, Lilie (Lilium), Ama-
ryllis, Iria, Tuberoſe, Päonie, Dahlia, Primeln, Aurikeln, Nelken, Nachtviole,
Cardinalsblume, Pyramidenglockenblume, Goldlack, Hortenſie, Balſamine, Reſeden;
die Rabattenblumen aber ſind ſehr verſchiedener Art, ſehr manchfach und nach Far-
ben zuſammengeſtellt, z. B. bei Loudon II. 1154–1177. und nach ihm bei
Metzger S. 301–314. in ſehr engem Drucke. 2) Buſch- und Strauch-
artige: beſonders die Roſen von verſchiedenen Farben und Abarten, und ameri-
kaniſche und Moorerdepflanzen, als Magnoliaceae, Magnolia, Rhodoraceae, Rho-
dodendron, Azalea, Kalmia, Cistus, Arbutus, Vaccinium, Andromeda, Erica,
Daphne u. A. Man ſ. über dieſe und viele andere z. B. Loudon. II. 1190–1211.
Metzger S. 360–366. Ueber die exotiſchen Glaskaſten-, Grünhaus-, trockene
und feuchte Warmhauspflanzen ſ. m. z. B. Loudon II. 1212–1262, welcher
überhaupt in dieſen Sachen ebenfalls außerordentlich reichhaltig iſt.
II. Von dem Gemüſegartenbaue.
§. 192.
Auch dieſe Gärtnerei betrachtet man am beſten unter obigen
Rubriken (§. 191.). Nämlich:
1) Begriff, Weſen und Arten der Gemüſe- und Küchen-
gärten laſſen ſich leicht beſtimmen, da ſie zum Zwecke haben, die-
jenigen Gartenpflanzen zu bauen, welche den Bedarf für die Haus-
wirthſchaft zu Gemüſeſpeiſen ausmachen und liefern. Es gibt
reine Gemüſegärten, und Gemüſegärten mit Obſtbau, welchen man
ſchon darum in denſelben treibt, um eine natürliche Beſchattung
zu bewirken1).
2) Anlage und Bau der Gemüſe- oder Küchengärten. Man
legt ſie paſſender hinter als vor den Wirthſchaftsgebäuden an. Sie
dürfen nicht zu hoch, nicht zu tief, nicht zu frei und nicht zu ein-
geſchloſſen ſein. Sicherheit vor reinem und anderem Nordwinde
iſt ihnen ſehr nöthig und vermittelſt hoher Mauern oder Nadelholz-
mäntel zu bewirken. Auch dieſe Gärten werden regelmäßig einge-
theilt und mit Wegen durchzogen (§. 191.).
3) Zucht und Bewahrung vor Unfällen der Küchen-
gewächſe. Die Wahl der zu ziehenden Pflanzen richtet ſich nach
eigenem Bedarfe und nach dem Begehre auf dem Markte. Es ſind
derſelben ſehr viele2). Es eignen ſich aber für dieſe Gärten keine
hohen, am wenigſten ſchattige Kernobſtbäume, ſondern Zwergbäume
und Beerſträucher in den Rabatten, feine Steinobſtſpaliere an die
[234/0256]
öſtlichen Mauerwände. Die Feinde und Krankheiten der Küchen-
gewächſe ſind die früher ſchon erwähnten.
4) Ernte der Küchengartenproducte. Sie betrifft theils
die reife Saat u. dgl. zur Fortpflanzung, theils die zu verzehren-
den Erzeugniſſe. Faſt jede Pflanze hat aber darin ihr Eigen-
thümliches.
¹⁾ Loudon Encyclopädie. I. 544. Noiſette Handbuch. II. Bd. S. 1–196.
Metzger Gartenbuch. S. 63. Reichart Anweiſung zum Küchengartenbaue, bear-
beitet von Bölcker. Erfurt 1822. Seidel, der Küchengemüſegärtner. Dresden
1822. v. Reider, der Küchengarten. Nürnberg 1829. Leibitzer Gartenbau.
1s u. 2s Bdchn. Andere allgemeine Gartenbücher.
²⁾ Man theilt die Küchengewächſe in folgende ſieben Ordnungen. Nämlich:
I. Wurzelgewächſe: Schwarzwurzel (scorzonera hispanica), Haferwurzel
(Bocksbart, Trapopogon porrifolium), Zuckerwurzel (sium sisarum), Möhre
(Daucus Carotta), Paſtinake (Pastinaca sativa), Rapunzel (Oenothera biennis),
der Meerrettig (Cochlearia armoracia), die Batate (Convolvulus Batatas), der
Rettig (Raphanus sativus), die Rübe (Brassica Rapa), rothe Rübe (Beta vulgaris),
Zellerie (Apium graveoleus). II. Zwiebelgewächſe: die Zwiebel (Allium
Cepa), Roccambol (Allium scorodoprasum), Schnittzwiebel (Allium fistulosum),
Schalotte (Allium ascalonicum), der Knoblauch (A. sativum), Lauch (A. Porrum),
Schnittlauch (A. schoenoprasum). III. Salat- und Gemüſegewächſe:
a) Salate: der Salat (Lactuca sativa), Endivie (Cichorium Endivia), die
Cichorie (C. Intybus), der Ackerſalat (Valeriana locusta), die Gartenkreſſe (Lepi-
dium sativum), Brunnenkreſſe (sisymbrium nasturtium). b) Gemüſe: die Melde
(Atriplex hortensis), der Spinat (spinacia oleracea), Mangold (Beta cicla),
Cardon (Cynara Cardunculus), Rhabarber (Rheum), Hopfen (Humulus lupulus),
Spargel (Asparagus officinalis), c) Kohlarten (§. 161.). IV. Blüthenge-
wächſe: die Artiſchocke (Cynara scolymus), Kapern (Capparis spinosa).
V. Fruchtpflanzen: a) Hülſenfrüchte: Erbſen (Pisum sativum), Bohnen
(Phaseolus vulgaris), Ackerbohnen (Vicia faba), Spargelbohnen (Lotus tetragono-
lobis), Kichern (Cicer arietinum), Aſtragal (Astragalus baeticus), Linſe (Ervum
Lens), b) Fleiſchfrüchte: Gurke (Cucumis sativus), Melone (Cucumis Melo),
Waſſermelone (Cucurbita Citrullus), Kürbis (Cucurbita Pepo), Liebesapfel (sola-
num Lycopersicum), Ananas (Bromalia Ananas), Erdbeere (Fragaria) u. ſ. w.
VI. Gewürzpflanzen, wie z. B. Boraſch (Borrago officinalis), Peterſilie
(Apium Petroselium), Körbel (scandix), Sauerampfer (Rumex) u. ſ. w.
VII. Schwämme: nämlich Champignon (Agaricus edulis) und Trüffel (Lycoper-
don tuber). — Dieſe Gewächſe werden zum Theile auch in Treibhäuſern gezogen.
III. Vom Obſtgartenbaue.
§. 193.
Am ſyſtematiſchſten muß bei dem Obſtgartenbaue oder bei den
Baumſchulen verfahren werden:
1) Begriff, Weſen und Arten des Obſtgartenbaues. Man
verſteht unter demſelben den gartenmäßigen Anbau derjenigen
Bäume und Geſträuche, welche zahm ſind und uns Obſt geben.
Er hat alſo als weſentliches Merkmal die Veredelung der Obſt-
pflanzen, wie ſie wild wachſen. Es gibt verſchiedene Arten deſſel-
ben, nach der Obſtſorte. Man kann ſie aber mit Bezug auf die
[235/0257]
verſchiedene Behandlungsweiſe in eigentliche Obſtgärten und
Weingärten eintheilen, wenn man einen logiſchen Fehler über-
ſehen will1).
2) Anlage und Anbau der Obſtgärten. Sie verlangen
im Allgemeinen gemäßigte Gebirgsgegenden, und tiefen kühlen
Boden; daher lieben ſie Thäler und den Fuß der Gebirge, um
gegen Frühfröſte und rauhe Winde geſchützt zu ſein2).
¹⁾ Außer den allgemeinen Gartenbüchern ſ. m. über Obſtbau: Sickler
deutſcher Obſtgärtner. Weimar ſeit 1794 bis 1802. 22 Bde. Deſſelben Allgem.
Geſchichte der Obſtkultur. Frankfurt 1802. Chriſt Handbuch der Obſtbaumzucht.
Frankf. 4te Auflage. 1817. Abercomby Anleitung zur Erziehung der Obſt- und
Fruchtbäume. Aus dem Engl. überſetzt von Lüder. Leipzig 1812. v. Heintl,
Unterricht über Obſtbaumzucht. Wien 1810. Reichart, Anweiſung zum Obſtbau.
6te Auflage von Völker. Erfurt 1819. Geiger, die Baumzucht. 2te Auflage.
München 1821. 4 Bdchn. Gruner, Unterricht in der Obſtbaumzucht. Leipz. 1822.
Noiſette Handbuch. II. Bd. 2r Thl. S. 197. folg. Loudon Encyclopädie. I.
477. 495. II. 1265. Metzger Gartenbuch. S. 139. v. Reider, das Ganze der
Obſtbaumzucht. Nürnberg 1831. Leibitzer Gartenbau. IIItes Bändchen. 1832.
Ueber Weinbau ſ. m. Müller Deutſchlands Weinbau. Leipzig 1803. Rau,
Anweiſung über den Weinbau. Frankfurt 1804. Sickler, Deutſchlands Weinbau.
Erfurt 1810. II. Bde. Geiſt, Ueber Verbeſſerung des Weinbaues. Würzbg. 1814.
v. Heintl Weinbau. Leipzig 1832. Metzger, der rheiniſche Weinbau. Heidel-
berg 1827. Kolbe Anweiſung, dem Weinſtocke den höchſten Nutzen abzugewinnen.
Neue Auflage. Erfurt 1828. Bronner, Verbeſſerung des Weinbaues. Heidelberg
1830. Röber, Verſuch einer rationellen Anleitung zum Weinbau. Leipzig 1832.
Jullien, Topographie aller Weinberge und Weinpflanzungen. Aus dem Franzöſ.
Leipzig 1833. Henderſon, Geſchichte der Weine. Aus d. Engl. Weimar 1833.
Gatterer, Literatur des Weinbaues. Heidelberg 1833.
²⁾ Zum Weinbaue insbeſondere iſt ein leichter, lockerer, reiner, fetter und ſtark
gedüngter Boden nöthig; beſonders gut iſt ihm Boden mit Kalk- und Kieſelgehalt
und vulkaniſches Gebilde. Derſelbe verlangt ein warmes Klima, eine ſonnige,
gegen Wind und Froſt geſchützte Lage, und verträgt weder Näſſe noch naſſe Kälte.
Vor der Anpflanzung muß der Boden ſehr tief umgegraben werden, was in Bergen
tiefer als in der Ebene geſchehen muß, wo man ihn ½ Fuß tiefer umgraben und
wenden muß, als die Stecklinge in der Regel lang ſind.
§. 194.
Fortſetzung.
3) Zucht und Bewahrung der Obſtpflanzen von Un-
fällen. Die Bäume und Sträucher fordern nach ihrer Natur
auch eine beſondere Behandlung1). Im Allgemeinen hat aber der
Baumgärtner, abgeſehen von dem Umgraben, Lockern und Reinigen
des Bodens, beſtimmte periodiſche Verrichtungen, wozu manchmal
die Bäume verſchiedenen Alters auch in verſchiedenen Garten-
abtheilungen ſtehen. Man unterſcheidet:
a) Die Saatſchule (Anzucht der Wildlinge). Im Herbſte
oder Frühlingsanfange werden die gut gewählten geſunden reifen
Kernen oder Steine oder Schaalen reihenweiſe in die Erde ge-
bracht und leiſe bedeckt. Jede Obſtſorte hat ihr eigenes Beet,
[236/0258]
eigene Nummer und eigenen Namenspfahl. Oft pflanzt man aber
die Bäume auch durch Ableger u. dgl. fort2).
b) Die Pflanzſchule (Veredelung der Wildlinge). Im
zweiten Jahre ſind die Wildlinge der Saatſchule entwachſen. Man
verſetzt ſie in dieſe und veredelt ſie (auch wenn ſie an einem Orte
verbleiben)3). Das Verſetzen — auch im Herbſte oder Frühlings-
anfange — erfordert ſchon bei der Ausnahme und dann bei der
Verſetzung ſelbſt große Sorgfalt. Denn es ſind dabei leicht Be-
ſchädigungen möglich. Jene darf nicht gewaltſam, dieſe aber nicht
zu tief und nicht zu ſeicht geſchehen. Die gegenſeitige Entfernung
hängt von der natürlichen Wurzelerſtreckung ab. Die Erde muß
ganz zerkrümmelt um die Wurzeln gezettelt und eingeſchlämmt
werden.
c) Die Baumſchule (Pflege der ausgewachſenen Edelbäume).
Ganz abgeſehen davon, ob und in welcher Anzahl die Bäume aus
der Pflanzſchule verſetzt werden oder nicht, in dem eigentlichen
Baumgarten befindlich erſcheinen die Bäume, wenn ſie veredelt und
zur Fruchttragung entwickelt ſind. Hier in dieſer Periode beginnt
das Beſchneiden der Bäume4). Die bereits oben angegebenen
Krankheiten kommen auch hier vor.
4) Ernte in den Obſtbaumgärten. Die Zeit dazu gibt die
Reife des Obſtes an. Daſſelbe wird gepflückt, abgeſchnitten, abge-
ſchwungen u. dgl.
¹⁾ Die Hauptarten ſind: I. Kernobſt: der Apfel (Pyrus malus) mit 167
Abarten; die Birne (Pyrus communis) mit 103 Abarten; die Quitte (Pyrus Cy-
donia) mit 4 Abarten. II. Steinobſt: der Pfirſich (Amygdalus persica) mit
30 Abarten; die Apricoſe (Prunus Armeniaca) mit 10 Abarten; die Pflaume
(Prunus domestica) mit 30 Abarten, worunter auch die 4 Abarten von Zwetſchen;
die Süßkirſche (Prunus Avium) mit 30 Abarten; die Sauerkirſche (Prunus Cerasus)
mit 29 Abarten; die Mahalebskirſche (Prunus Mahaleb) und die Kornelkirſche
(Cornus Mascula) mit 2 Abarten. III. Halbſteinobſt: die Miſpel (Mespilus
germanica) mit 3 Abarten; Azarolbirne (Crategus Azarolus) mit 3 Abarten; der
Spierling (sorbus domestica) mit 3 Abarten, und die Hagenbutte (Rosa villosa).
IV. Schalenobſt: die Mandel (Amygdalus communis) mit 10 Abarten; Wallnuß
(Juglans regia), die Kaſtanie (Fagus Castanea) und die Haſelnuß (Corylus Avel-
lana) mit 3 Abarten. V. Beerenobſt: die Maulbeere (Morus nigra und alba),
die Himbeere (Rubus Idaeus) mit 3 Abarten; die Stachelbeere (Ribes Clossularia)
mit 45 Abarten; die Johannisbeere (Ribes nigrum und rubrum) mit 4 Abarten;
die Weintraube (Vitis vinifera) mit 41 Hauptfamilien, worunter der Gutedel,
Muscateller, Sylvaner, Ortlieber (kleiner Räuſchling oder Rießling), Orleans,
Clävner und Traminer die bekanntern ſind, mit einer Menge von Abarten; die
Berberitze (Berberis vulgaris). und der Hollunder (sambucus nigra). VI. Feigen,
wovon es eine weiße, gelbe oder grünliche, und eine röthliche, violette oder bräun-
liche Art gibt. Metzger Gartenbuch. S. 179. Loudon Encyclopädie. I. 882 bis
981. Noiſette Handbuch a. a. O. Ueber die Vermehrung edler Obſtarten ſ. m.
Thaer Möglin. Annalen. XXVII. 211,
²⁾ Gerade die Weinreben pflanzt man fort entweder durch Schnittlinge,
d. h. jährige, nicht zu dünne noch zu dicke, nach völliger Reife abgeſchnittene Reb-
[237/0259]
²⁾ gerten — oder durch Würzlinge, d. h. ſolche Rebgerten, denen man ſchon in
einem Beete Würzelchen wachſen ließ, oder endlich durch Abſenker, d. h. blos
neben dem Stocke in die Erde gebeugte Bogen. Die beiden Lezteren wachſen
ſchneller, die Erſteren aber geben kräftigere Stöcke. Sie werden in 1½-2 Fuß
tiefe Gruben, bis auf 2 Augen eingelegt, mit kleinen Steckpfählen verſehen, und
ringsum alsdann der Boden fleißig behackt.
³⁾ Unter der großen Menge von Veredelungsarten (von Noiſette Handbuch.
II. Bd. 1r Thl. S. 1–131. werden 137 Arten deſſelben, von Loudon Encyclop.
I. 476 folg. nur wichtigere beſchrieben) kann man folgende als die Grundformen
anſehen. Die Veredelung iſt entweder eine einfache oder doppelte, — dieſes,
wenn man zuerſt eine Baumſorte aufſetzt in der Abſicht, erſt, wenn dieſe völlig
gewachſen iſt, die lezte gewünſchte Gattung auf dieſes Mittelreiß zu ſetzen. Die
Leztere bezweckt homogeneren und ſtärkeren Saftumlauf und man nimmt deshalb
dazu als Mittelreißer Obſtſorten vom ſtärkſten Triebe. Als allgemeinſte Regel gilt
aber, daß nur gleiche Geſchlechter ſich wechſelſeitig annehmen. Die Veredelungs-
arten ſind aber a) das Pfropfen, d. h. jene durch Einſetzen von Zweigen ent-
weder in eine Spalte auf dem Aſte oder Stamme (Spalt-Pfropfen) oder zwiſchen
die Rinde und den Grundſtamm (Borke-Pfropfen) oder in die Rinde im Umkreiſe
(Kron-Pfropfen). b) Das Aeugeln (Occuliren), d. h. jene vermittelſt der Ein-
ſetzung eines Auges in den Stamm oder Aſt, welches man Aeugeln mit dem
wachenden Auge nennt, wenn es während des Sommerſolſtitiums, und mit dem
ſchlafenden Auge, wenn von Mitte Auguſts bis in den September geſchieht.
c) Das Binden (Copuliren), d. h. das Aufeinanderſetzen von gleich dicken gegen-
ſeitig rehefußartig geſchnittenen Aeſten oder Stämmchen, wobei Rinde, Holz und
Mark auf einander paſſen. d) Das Abſäugen (Ablactiren), d. h. das Einſetzen
des Pfropfreißes in den Wildling, ohne es vom Mutterſtamme abzuſchneiden, ehe
es mit Erſterem ganz verwachſen iſt. — Auch Weinſtöcke pfropft man, aber
gerade über der Wurzel.
⁴⁾ Die Formen des Beſchneidens, deſſen Zwecke oben (§. 189.) angegeben
wurden, ſind folgende: der Hoch- und der Halbſtamm, der Zwergbaum, die Pyra-
mide, der Keſſelbaum und der Spalier. Näheres über dieſe Haupt- und viele
Nebenformen ſ. m. bei Noiſette a. a. O. S. 132 folg. Loudon. I. 495 folg.
Metzger. S. 165 folg. — Beim Weinbaue beſtehen die Zucht-Arbeiten im Be-
ſchneiden, Behacken, Ausblatten und Ausäugeln. Man zieht die Reben aber ent-
weder an Geländern (Lauben, Kammern, Rahmen und Spalieren), an Pfählen
(mit oder ohne Schenkel) oder an keinem von beiden (Stockwingert und Bockſchnitt).
Zweiter Abſatz.
Die Thierzuchtlehre.
Erſtes Stück.
Allgemeine Thierzuchtlehre.
§. 194. a.
Die Thierzuchtlehre bezeichnet die Grundſätze und Regeln
von der Anſchaffung, Erhaltung und Veredelung der zahmen
(Haus-) Thiere und ihrer nutzbaren Theile. Wegen der Wichtig-
keit der Thierzucht für den Landbau iſt ein richtiges Verhältniß
zwiſchen beiden von Bedeutung. Die allgemeine Thierzuchtlehre,
welche die Grundſätze und Regeln lehrt, die bei der Zucht aller
Arten von Hausthieren gelten, kann daher nur die Anſchaffung
[238/0260]
und Paarung, Zucht und Pflege, und die Mäſtung der
Hausthiere betreffen1). Die beſondere aber richtet ſich und zer-
fällt nach den einzelnen Arten von Hausthieren.
¹⁾ Vorzügliche Literatur: Bergen Anleitung zur Viehzucht. Mit Zuſätzen
von A. Thaer. Berlin 1800. Meisner, das Ganze der Viehzucht. Neue Ausg.
Leipz. 1808. Weber, Handb. der größeren Viehzucht. Frankfurt a. a. O. 1810. II. Bde.
Reichart, Landwirthſch. Viehſchatz. Leipzig 1832. III. Thle. Schmalz Thier-
veredelungskunde, mit 17 Steindrucktafeln. Königsberg 1833. André Oekonom.
Neuigkeiten. 1813. Nro. 25 folg. (Zuzucht). Schnee Landw. Zeitung. VII. 129
(Viehzucht und Maſt nach Bakewell). Koppe Unterricht. III. 49. Traut-
mann Landw. L. II. 268. Burger Lehrbuch. II. 182. Gejer Lehrbuch. S. 149.
Block Mittheilungen. II. 49. Gericke Anleitung. I. 23. Thaer rat. Landw.
IV. 297. v. Crud Oeconomie. S. 365. Thaer engl. Landw. I. 518. II. 122.
III. 617. Schwerz belg. Landw. II. 209. III. 238. Kreyſſig Futterbau.
S. 557. (beſonders Futtermittel und Fütterung). v. Reider Landw. L. §. 230 folg.
I. Von der Anſchaffung und Paarung der Thiere.
§. 195.
Es gibt eine Manchfaltigkeit von Abarten (Raſſen) der
Hausthiere, welche, im Klima, in der Nahrung und Lebensweiſe
derſelben begründet, nach dieſen Umſtänden wechſelt. Die Aufgabe
des Thierzüchters iſt daher, ſich die beſten und den Landesverhält-
niſſen am meiſten entſprechenden Raſſen zu verſchaffen. Man hat
hierzu folgende Mittel: a) Die Veredelung der einheimiſchen Raſſe
durch ſich ſelbſt (Inzucht). Dieſe Methode1) iſt, wenn ſie um-
ſichtig und aufmerkſam betrieben wird, zwar am ſchwerſten, aber
am intereſſanteſten und nützlichſten. Nur muß man ſich dabei ſtets
an die nächſte Blutsverwandtſchaft halten. b) Die Herbeiſchaf-
fung einer fremden beſſeren Raſſe beiderlei Geſchlechts und Fort-
pflanzung derſelben. Dieſe Methode hat bei ihrer ſehr großen
Koſtſpieligkeit den Nachtheil, daß die Thiere, wenn man ihnen
nicht dasjenige bieten kann, was ihnen ihr Vaterland gab, mit
der Klimatiſirung ihre Natur zu leicht verändern, wenn ſie nicht
ſchon früher ſterben. c) Das Kreutzen, d. h. die Veredelung
der einheimiſchen Raſſe durch ausländiſche, zur Paarung gebrauchte,
edle, männliche Thiere anderer Raſſen. Dieſe Methode entſpricht
dem Zwecke der allmäligen Gewöhnung an das neue Klima, und
gibt edle Raſſen, wenn man nur die weiblichen Thiere ſtets aus
dem neuen Wurfe wieder mit den ächten edlen männlichen Thieren
mehrere Jahre ſich kreutzen läßt und zum Sprunge keine neu ge-
worfenen Männchen nimmt2). Ueberhaupt aber dürfen die zur
Paarung beſtimmten Thiere nicht zu jung, nicht zu alt, und müſſen
geſund, munter und kräftig ſein, aber zugleich auch gut im Fut-
ter ſtehen3).
[239/0261]
¹⁾ Auf dieſe Weiſe hat man z. B. beſonders bei Rindvieh und Schaafen ganz
neue Raſſen gebildet, z. B. die Raſſe des Herrn Bakewell zu Diſhley. Thaer
engl. Landw. I. 524. 549. III. 637.
²⁾ In Betreff der Schaafe hat man bereits ſchöne Erfahrungen über die arith-
metiſche Progreſſion der Veredelung gemacht, aber weniger beim Rindviehe und am
wenigſten bei den Pferden. Thaer engl. Landw. III. 640.
³⁾ Ueber Paarung ſ. m., außer Thaer's angef. Werk., Burger. I. 184.
Gejer. S. 164. Koppe. III. 85. v. Reider. §. 230., beſonders das im
§. 194. a. angeführte vortreffliche Buch von Schmalz. Auch Thaer Möglin.
Annalen. X. 143. Schnee Landwirthſch. Zeitung. II. 564 (Einführung fremder
Viehraſſen).
II. Von der Zucht und Pflege der Thiere.
§. 196.
Die Pflege der Thiere beginnt ſchon vor ihrer Geburt,
indem man während der Trächtigkeit der Mutter auf das Junge
durch Schonung und Nahrung der Erſteren wirkt1). Nach der
Geburt überläßt man am beſten der Mutter das Junge zur Pflege
und läßt es an derſelben die Nahrung finden. Dabei muß die
Erſtere aber gut gefüttert werden. Die Zeit der Entwöhnung
hängt von der Beſtimmung des Jungen, von der Kraft der Mutter
und von der Nothwendigkeit der Milch zu anderen Zwecken ab.
Sie muß aber ſorgfältig geſchehen, damit weder das Junge noch
die Alte leide. Die fernere Zucht des Jungviehes bis zum rechten
Alter ſeiner Benutzung iſt verſchieden nach Geſchlecht und Art der
Thiere. Für Alle aber iſt eine kräftige, ſtärkende und den Körper
möglichſt frei bildende Zucht die beſte. Ueber die Nährungsart der
Thiere, wenn ſie ganz ausgebildet ſind, iſt man jetzt noch, obſchon
weniger als früher, getheilter Meinung. Sie betrifft die Stall-
fütterung und den Weidegang2). Der Hauptvortheil der
Erſteren beſteht darin, daß man gewiß drei Thiere kräftig ernähren
kann mit dem Futter von einer Grundfläche, worauf beim Weide-
gange nur eines Nahrung findet, — daß ſich alſo mittelbar der
Bodenertrag ſehr vermehrt, die Ackerkrume durch die Dünger-
bereitung in beſſerem Düngungszuſtande erhalten wird, und nicht
allein die Pflege der Thiere verbeſſert3), ſondern auch jedes unge-
bundene Syſtem in der Folge der Feldfrüchte eingeführt werden
kann. Was man gegen ſie eingewendet hat, nämlich Mangel an
Streumaterial wegen des nöthigen Futterbaues, Unmöglichkeit der
Haltung eines hinreichenden Futtervorrathes, Mangel an Boden
zum erforderlichen Futterbaue oder Vernachläſſigung des Getreide-
baues, Erziehung eines ſchwächlichen Viehſtandes u. dgl. mehr, iſt
durch die Erfahrung nicht nur nicht erwieſen, ſondern ſogar
widerlegt.
[240/0262]
¹⁾ z. B. bei Pferden und Zugkühen Befreiung von ſchwerer Arbeit.
²⁾ Man ſ über Stallfütterung in dieſer Hinſicht Schnee Landw. Zeitung.
II. 233. 604. VII. 133. 284. 415. XIV. 161. 173. Thaer Annalen des Acker-
baues. IV. 344. 697. V. 163. VI. 307–365. 451–485. 697–712. Deſ-
ſelben Möglin. Annalen. XXIV. 389. Trautmann. II. 310. Koppe. III. 149.
Thaer ration. Landw. I. 364. Deſſelben engliſche Landw. I. 653. Bergen
Anleitung zur Viehzucht. S. 282. Weber Handbuch der Viehzucht. II. 70.
Schwerz Belg. Landw. II. 225. u. A.
³⁾ Das Vieh bekommt alle Jahreszeiten ein kräftiges Futter in gleichen Gaben,
wird viel leichter beobachtet, vor Krankheiten bewahrt, zu einem regelmäßigen Leben
gewöhnt u. dgl. mehr. Da man aber darin einig iſt, daß man die Thiere im
Winter nicht auf der Weide laſſen kann, ſo betrifft obige Controverſe eigentlich nur
die Sommer- und Herbſtſtallfütterung. Das Tüdern ſteht in der Mitte zwiſchen
Stall- und Weidefütterung. Das Vieh wird dabei auf der Weide angebunden.
III. Von der Mäſtung der Thiere.
§. 197.
Die meiſten Hausthiere werden zugleich des Fleiſches wegen
gezogen. Deshalb mäſtet man ſie, wenn die Verhältniſſe das Aus-
märzen verlangen. Der allbekannte Zweck der Mäſtung1) wird
nur erreicht, indem man die Thiere zum Freſſen reizt, und von
jeder größeren, öfters von aller Bewegung abhält. Bei kleineren
Thieren, z. B. Geflügel, Kälbern, wendet man bei der Mäſtung
Gewalt an, indem man ſie ſtopft. Mit der Menge von Nahrung,
welche die Thiere zu verdauen haben, ſteht ihr Fettwerden unter
übrigens gleichen Umſtänden in geradem Verhältniſſe. Sorgfältig
iſt aber die Unverdaulichkeit bei der Mäſtung zu verhüten. Die
Art der Nahrung richtet ſich nach der Natur und Gattung der
Thiere. Zur Erweichung der Gefäße bedient man ſich zuerſt wei-
cher und gegohrener Nahrungsmittel in reichlicher Menge. Später
geht man zu härterem Futter über, und richtet es in der Regel
ſo ein, daß in der einen Hälfte der Maſtzeit die Futtermenge ſteigt
und in der anderen Hälfte eben ſo gleichmäßig abnimmt. Jeden-
falls iſt es nothwendig, die Nahrungsmittel durch Schneiden,
Kochen u. dgl.2) vorzubereiten, um den Thieren eine Unterſtützung
im Kauen und Verdauen zu geben. Regelmäßige Fütterung und
reinliche Behandlung iſt unumgänglich. Das Kaſtriren, beſonders
der männlichen Thiere, verbeſſert die Maſtung und den Geſchmack
des Fleiſches, weil die Verwendung der edelſten Säfte zur Saamen-
bildung unterbleibt. Die Zeit der Mäſtung richtet ſich nach der
Vergütung, welche dafür zu erhalten iſt und alſo auch nach der
Gewichtszunahme des Thieres3).
¹⁾ Man ſ. über Mäſtung Schnee Landw. Zeitung. XII. 198. und über künſt-
liche Mittel, zur Erweckung der Freßluſt. II. 405 Thaer Annalen des Ackerb.
III. 169. V. 112. Burger. II. 198. Trautmann. II. 393. v. Reider.
§. 331. 332.
[241/0263]
²⁾ Man hat zum Zerkleineren allerlei Maſchinen, nämlich zum Reinigen,
Zerſchneiden, Zerreiben und Zerſtampfen. S. André Oekonom. Neuigkeiten. 1811.
Nro. 29 (die Maſchinen zur Reinigung der Wurzeln, Lettowitz). Nro. 36
(Prechtl's Reibmaſchine für Runkelrüben). 1813. Nro. 2 (Häckerlingsmaſchine
von Sag). Nro. 6 (Runkelrüben-Schneidmaſchine von Hillard). 1814. Nro. 44
(Häckſelmaſchine von T.). 1815. Nro. 69 (Schneidmaſchine für Wurzeln, von
Heymer). Thaer Annalen der Fortſchritte der Landw. IV. 197 (Häckſelmaſchine
von Leſter). Schnee Landw. Zeitung. I. 6. 139. II. 143 (engl. Handſchrot-
maſchine). II. 70 (Kartoffelreibmaſchine von Reſch). S. 273 (Rübſchneidmaſchine
von Engelke). XIII. 455. 465 (Häckſelmaſchine). 258 (Kartoffelreibmaſchine
von Szakácſy). Ueber Hollefreund's verbeſſerte Häckſelmaſchine ſ. m. Deſ-
ſelben Landwirthſchaftslehre. Berlin 1830. II Bde. und über Edgill's Häckſel-,
und deſſen durch Bailley verbeſſerte Rübſchneidemaſchine die ſchon öfters ange-
führten Beſchreibungen von Bailley S. 82. 88.
³⁾ Meſſen, Wägen und Befühlen ſind die Mittel zur Beſtimmung der Fort-
ſchritte der Mäſtung. S. Thaer Annalen des Ackerbaues. IV. 354 (Wägen).
X. 121 (Ausmeſſen). XI. 329. Eine Wage iſt abgebildet in Dickſon prakt.
Ackerbau. Aus dem Engl. überſetzt von Thaer. I. 103 (2 Bde. Berlin 1807 bis
1808. 4.). Schnee Landw. Zeitung. II. 294.
Zweites Stück.
Beſondere Thierzuchtlehre.
I. Von der Pferdezucht.
§. 198.
1) Raſſen der Pferde. Man kann bei dem Pferde drei
Hauptraſſen unterſcheiden, nämlich die edle aus trockenen Gegen-
den, die zweite aus mehr feuchten Gegenden mit reicher Weide,
und die gewöhnliche Landraſſe1).
2) Zweck der Pferdezucht. Im Allgemeinen zieht der
Landwirth ſich die Pferde zur Arbeit auf. Allein Viele treiben
die Pferdezucht im Großen oder Einzelnen auf den Verkauf. Für
ſeine eigenen landwirthſchaftlichen Zwecke hat derſelbe aber nicht
ſowohl auf die Schönheit als vielmehr wegen der ſchweren Arbeit
auf Kraft, Geſundheit und Ausdauer der Pferde zu ſehen.
3) Zucht der Pferde. Zu welchem Zwecke man auch das
zukünftige Pferd beſtimmen mag und in welcher Ausdehnung man
auch die Pferdezucht treibt, — die Beſchäler (Hengſte) müſſen
durchaus fehlerfrei ſein und es muß in der Kreutzung eine Regel-
mäßigkeit mit Ausdauer durchgeführt werden. Die Wahl derſelben
hängt von dem Zwecke der zukünftigen Raſſe ab, und man nimmt
ſie im dritten Lebensjahre ſchon im Frühlingsanfange zur Beſchä-
lung. Die Mutterpferde gehen 40 Wochen trächtig. Die Füllen
(Fohlen) müſſen wenigſtens 3 Monate lang auf der Muttermilch
bleiben. Viele Bewegung und Weidegang iſt ihnen zur guten Ent-
wickelung nöthig. Man zieht ſie auf entweder einzeln auf dem
Baumſtark Encyclopädie. 16
[242/0264]
Wirthſchaftshofe ſelbſt oder zuſammen in wilden, halb-
wilden und zahmen Geſtüten2). Man gewöhnt ſie nach und
nach bis zum vierten Jahre an die Pferdenahrung. Mit dieſem
Jahre aber dürfen ſie zur Zucht und Arbeit angewendet werden3).
4) Krankheiten der Pferde. Die inneren Krankheiten
der Pferde ſind: die Druſe, der Rotz (Steindruſe), der Wurm,
die Krätze, die Urinverhaltung, die Kolik, der Koller,
die Hirſchkrankheit, der Durchfall, die Eingeweidewür-
mer, die Mundfäule, die Lungenentzündung. Die äußeren
aber ſind: Augenkrankheiten, die Mauke, Stein- und
Flußgalle, der Stollſchwamm, Piephacken, Spath, die
Lähmung, Hornkluft und Verwundungen4).
¹⁾ In Bezug auf das Vaterland rechnet man zur Erſteren die arabiſchen,
barbariſchen, türkiſchen, ſpaniſchen und neapolitaniſchen, — zur Zweiten die däni-
ſchen, oſtfrieſiſchen, holſteiniſchen, meklenburgiſchen, ungariſchen und ſiebenbürgiſchen
Pferde. Man ſ. jedoch über Pferdezucht außer den angeführten Lehr- und Hand-
büchern der Landwirthſchaft insbeſondere: Wollſtein, Anweiſ. zu einer richtigen
Zuzucht und Wartung der Füllen bis zum 4ten Jahre. Mit Anmerkungen von
E. Viborg, aus dem Franzöſiſchen und Däniſchen überſetzt von Markuſſen.
Kopenhagen 1800. Gotthard, das Ganze der Pferdezucht. Erfurt 1800. II Thle.
Das Pferd und die Pferdezucht ꝛc. mit 27 Kupfern von Flörke. Berlin 1809.
Naumaun, Ueber die vorzüglichſten Theile der Pferdewiſſenſchaft. Berlin 1810–15.
III. Theile. 4. 2te Auflage. v. Hochſtetter, Handbuch der Pferdezucht, mit 16
Kupfern von Vollmar. Bern 1821. III. v. Pöllnitz, das Pferd oder vollſtänd.
Anleitung ꝛc. Erfurt u. Gotha 1818. v. Knobelsdorf, Ueber die Pferdezucht in
England. Berlin 1820. (Aus dem IV. Bande der Möglin. Annalen.) Ammon,
Ueber die Zucht und Veredlung der Pferde durch Geſtüte. Berlin 1818. v. Ten-
necker, Lehrbuch der Geſtütswiſſenſchaft. Prag 1822. II Thle. Ithen, Gemein-
nütziger Unterricht über Kenntniß der Pferde und des Rindviehes, ihre Fütterung-
Chur 1829. II Thle. 2te Auflage. Bachmann, Anleitung zur Verbeſſerung der
Pferdezucht. Berlin 1830. 3te Aufl. Enslin, Beiträge zur edeln Pferdezucht.
Würzburg 1831. 2te Auflage. Juſtinus hinterlaſſene Schriften über die wahren
Grundſätze der Pferdezucht ꝛc. Herausgegeben von A. v. Kâpotſâny, mit Anmerk.
von Hörmann. Wien 1831. Ammon, Ueber die Verbeſſerung und Veredelung
der Landes-Pferdezucht durch Landesgeſtütanſtalten. Nürnb. 1829–1831. III Thle.
Schwab, Anleitung zur äußeren Pferdekenntniß. München 1831. 2te Auflage.
Weidenkeller, Katechismus von der Pferdekenntniß. Nürnberg 1831. v. Ten-
necker, Wiſſenſchaft für Pferde-Liebhaber. Leipzig 1831. 2te Aufl. Wüpper-
mann Hippologie. Osnabrück 1832. v. Tennecker, Jahrbuch für Pferdezucht ꝛc.
Ilmenau ſeit 1823. André Oekonom. Neuigkeiten. 1815. Nro. 17 folg. 1814.
Nro. 5. 6. 41. Thaer Mögliniſche Annalen. IX. 94. X. 1. XI. 185. Block
Mittheilungen. II. 49.
²⁾ Die Landgeſtüte haben mit jenen nichts gemein, denn ſie ſind blos eine
öffentliche Unter- und Bereithaltung paſſender Hengſte zur Pferde-Veredelung im
Lande. Bei zahmen Geſtüten iſt das Pferd nur im Sommer blos über Tag auf
der Weide, bei halbwilden aber den ganzen Sommer, und bei ganz wilden
bleiben dieſelben ohne beſondere Wartung in unangebauten Revieren, aus denen
man ſie ſpäter fängt. Die Auswahl der Weide muß in Bezug auf Lage, Gras
und Projection ſehr ſorgfältig gewählt werden. beim Ankaufe erkennt man das
Alter der Pferde an der Menge, Geſtalt, an dem Wechſel, an der Verkürzung,
Stellung und Richtung der Zähne.
³⁾ Das Wallachen wird aber im dritten Jahre vorgenommen, entweder
durch den Meſſerſchnitt oder durch Zerquetſchen (bistourner), worunter jenes ſicherer
[243/0265]
³⁾ iſt. Geräumigkeit, Luftigkeit der Ställe, gehörige Abſonderung der Stände, und
richtige Höhe der Krippen, und Regelmäßigkeit in Fütterung und Reinigung der
Pferde ſo wie der Ställe iſt von der größten Wichtigkeit. Eben ſo auch der richtige
Hufbeſchlag. Im Durchſchnitte erhält ein Ackerpferd täglich 3,3 Metzen Haber,
9,3 Pfund Heu, 15 Pfund Stroh zu Häckſel und Streu; aber ein Reitpferd nur
2⅓ Metzen Hafer. Man hüte die Pferde vor dem Tränken in Hitze und Schweiß.
Das Futter wechſelt aber nach Raſſe, Größe und Anſtrengung, und iſt in der
Sprung- und Wurf- (Abſetz-) Zeit größer.
⁴⁾ Ueber Pferde-Krankheiten und Heilung ſ. m. v. Kerſting, Manuſcripte
über Pferde-Arzneiwiſſenſchaft, herausgegeben von Sothen. Braunſchweig 1818.
5te Auflage. Deſſelben Anweiſung zur Kenntniß und Heilung äußerer Pferde-
Krankheiten. Marburg 1819. 6te Auflage. v. Tennecker, Handbuch der Arznei-
mittellehre für Pferde-Aerzte. Leipzig 1799. Waldinger, Ueber Krankheiten an
Pferden ꝛc. Wien 1816. 2te Aufl. Rohlwes, Der Taſchenpferdearzt, ein Hand-
buch ꝛc. Berlin 1819. 3te Auflage. Ammon, Taſchenbuch für angehende Pferde-
Aerzte. Frankfurt a. M. 1812. Merk, der praktiſche Pferdearzt. München 1820.
The Pocket Farrier, der Taſchenſchmidt, oder Taſchenroßarzt. Nach dem Engl.
bearbeitet von v. Tennecker. Leipzig 1819. 11te Aufl. Sind, der ſichere und
wohlfeil heilende Pferde-Arzt. Mit Zuſätzen von v. Tennecker. Frankfurt a. M.
1820. 8te Aufl. v. Tennecker, der Militair- und Civil-Pferdearzt ꝛc. Leipzig
1820. Block Mittheilungen. II. 173.
II. Von der Rindviehzucht.
§. 199.
1) Raſſen des Rindviehes. Man unterſcheidet die Nie-
derungsraſſe (ſchwerfällig, feiſt, mit kurzen dicken Vorderfüßen
und ſtarken Hängehaut am Halſe), die Bergraſſe (behend, pro-
portionirt, mit leichten ſtarken ſchlanken Füßen und Körper, mit
ſtarken Hinterbeinen und ausgebildetem Kreutze, und ſehr munter)
und die gewöhnliche Landraſſe (in der Mitte zwiſchen jenen
beiden)1).
2) Zweck der Rindviehzucht. Nach dieſem, nach Klima,
Boden, Weide und Futter beſtimmt ſich die Wahl der Rindvieh-
raſſe. Man zieht das Rindvieh entweder zur Zucht und zum
Milchbezuge, oder zur Arbeit und Mäſtung. Zu Arbeitsvieh
wählt man große kräftige Ochſen (kaſtrirte Stiere) lieber als
Kühe, weil dieſe zu ſchwach ſind, im Milchertrage, wenn ſie ar-
beiten, zu geringe ſtehen, aber jene nach der völligen Verarbeitung
zur Mäſtung vortheilhafter ſind als dieſe. Zu Melkvieh taugen
beſonders kurzbeinige langgeſtreckte Kühe mit ſchlankem dünnem
Halſe und Kopfe, mit feinen durchſcheinenden Hörnern, mit ein-
gefallenen Bäuchen, fleiſchigem Euter, ſtarker Milchader längs des
Bauches, und mit geſchmeidigem Knochenbaue, welche ſich ohne
Widerſtand melken laſſen2). Bei dem Maſtviehe ſteht man auf
Ausbildung des Körpers.
3) Zucht des Rindviehes. Das Zucht- und Melkvieh liebt
feuchte humusreiche üppige Weide, beſonders von Marſchboden,
16 *
[244/0266]
mit recht ſchmackhaften Gräſern und Kräutern. Die Stallfütterung
iſt ſeiner Natur angemeſſener, aber dann verlangt es auch grünes
ſaftiges Futter. Nach zwei Jahren iſt das Rindvieh zur Fort-
pflanzung tauglich; die Kuh geht 41 Wochen trächtig. Die Zucht-
kälber müſſen, wenn ein guter Schlag entſtehen und bleiben ſoll,
wenigſtens 6 Wochen lang an der Mutter ſaugen, die Märzkälber
längſtens drei Wochen. Die Sommerfütterung iſt meiſtens grün,
die Winterfütterung beſteht aus Heu, Stroh und Wurzelge-
wächſen3). Sorgfältige Behandlung von Jugend auf erhöht den
Milchertrag. Neumilchende Kühe melkt man dreimal, altmilchende
nur zweimal des Tages. Die Einträglichkeit an Milch hängt von
der Art der Pflege und Wartung ab, wenn man gleiche Güte des
Viehes an ſich vorausſetzt. Man rechnet aber, daß der dritte Theil
des auf Heu reducirten Futters, das nach Abzug des zum Lebens-
unterhalte noch nöthigen Futterquantums noch übrig bleibt, Pfund
für Pfund 2,4℔ Milch gibt4). Man zählt auf 30 Kühe einen
Stier oder Bullen. Was man ſonſt an männlichen Thieren dieſer
Gattung aufzieht, kaſtrirt man noch in früher Jugend, und ver-
wendet ſie zu Arbeit und Mäſtung5), dies entweder ſogleich oder
nach den eigentlichen Arbeitsjahren. Zur Arbeit ſind die Ochſen
in der Regel nur 6 Jahre brauchbar, und haben eigentlich vom
10ten bis 12ten Lebensjahre die meiſte Kraft und Ausdauer. Sie
müſſen beſonders vor großer Hitze bewahrt, und während der Ar-
beitszeit gut gefüttert werden6). Das Anſpannen muß ihnen die
möglichſt freie Bewegung und Kraftanſtrengung geſtatten. Daher
iſt das tiefſtehende Doppeljoch, obſchon es dem öfters zu findenden
auf die Nackenmuskeln aufzulegenden Einzeljoche vorzuziehen iſt,
dennoch nicht ſo vortheilhaft, als wie das Einzel-Stirnjoch mit
Strängen7).
4) Krankheiten des Rindviehes. Die ſchrecklichſte der-
ſelben iſt die Löſerdürre (geradezu Rindviehſeuche, Viehpeſt ge-
nannt), dann folgt der Milzbrand, die Lungenſeuche, die
Entzündungskrankheiten, Koliken, die Bläheſucht (Wind-,
Trommelſucht), das Blutharnen, die Franzoſenkrankheit,
der Zungenkrebs, die Klauenſeuche, der Grind und das
Blau- und Blutmilchen8).
¹⁾ Neuerdings hat es Burger (Lehrbuch. II. 212.) wieder verſucht, das
Rindvieh in zwei Raſſen, nämlich in die große weiße und kleine rothe einzutheilen.
Allein da nichts unweſentlicher iſt als die Farbe, ſo kann ſie auch nur unweſentliche
Spielarten, aber keine Raſſen begründen. Die Größe, von Bedeutung im Fleiſch-
gewichte, nicht immer aber für den Milchertrag, iſt zur Unterſcheidung der Raſſen
auch kein recht günſtiges Kriterium, weil auch ſie wandelbar iſt. Es ſind vielmehr
der Bau, die Höhe, die Beweglichkeit, die Kraft und der Anblick die wahren
[245/0267]
¹⁾ Kennzeichen der Raſſen. Das holländiſche Vieh gehört zur Niederungs-, das
ſchweitzeriſche Alpenvieh, wovon das Thalvieh daſelbſt verſchieden iſt, zur
Bergraſſe. Die ſonſt noch wichtigen Länderraſſen ſind die friesländiſche, däniſche
oder jütländiſche, die polniſche, ungariſche, die Märzthaler in Steiermark, die
Tyroler und die engliſche Raſſen, unter denen die Holderneß-, Lancaſter-, Suffolk-,
Leiceſter- (oder Bakewell'ſche) und die hornloſe Raſſe (polled oder galloway Catle)
die berühmteſten ſind. S. darüber Thaer engl. Landw. III. 658. Ueber Deutſch-
lands Raſſen ſ. m. Thaer Annalen der Fortſchritte der Landw. III. 417. Ueber
die Voigtländiſche Raſſe Koppe u. A. Mittheilungen. III. 200.
²⁾ Erſt 2 oder 3 Jahre nach dem erſten Kalben gibt die Kuh ihren vollen
Milchertrag. Jedesmal 4 bis 6, ja ſogar ſchon 8 Wochen vor dem Kalben ſteht
die Kuh gelte, nach dem Kalben iſt der Milchertrag am bedeutendſten und nimmt
in den erſten Wochen zu. Rechnet man die Geltezeit der Kuh und die Saugzeit
des Kalbes zuſammen, ſo bleiben 274 Tage Melkzeit übrig. Schnee Landwirthſch.
Zeitung. I. 65. Thaer Annalen des Ackerbaues. II. 290.
³⁾ Eine große Kuh erhält täglich 16–18, eine mittlere 12–14 Pfund,
und eine kleinere 10–12 Pfund Heu (oder darauf reduzirtes Futter) und 3 Pfund
Streuſtroh, in gewöhnlichen Verhältniſſen und bedarf zum eigentlichen Lebensunter-
halte 7–10 Pfund. Salzfutter iſt für den Winter beſonders nützlich, weshalb
man im Spätjahre dazu allerlei ſaftiges Grünfutter einmacht. Riſſe von einem
Behälter für Salzfutter im Großen finden ſich z. B. in den Landw. Blättern von
Kiel. 1833. 1tes Quartal. Im Kleinen iſt auch ein ſteinerner Trog, der gut
geſchloſſen und beſchwert werden kann, gut. Die Art des Futters hat auf den
Milchertrag den entſchiedenſten Einfluß (Schnee Landw. Zeitung. XIII. 274.).
⁴⁾ Ueber den Gehalt der Milch ſ. m. Schübler in Fellenbergs Landw.
Blätter. V. 117., auch Schnee Landw. Zeitung. III. 106., und Rumy's Analyſe
bei Rüder Landw. Zeitung. 1833. S. 25. Man hat auch Milchmeſſer, z. B. von
Cadet de Baux und Neander (Schnee Landw. Zeit. II. 352. VIII. 154. 373.),
von Gyllenbourg (Thaer Annalen des Ackerbaues. IV. 150.). In England will
man von verſchnittenen Kühen 2 bis 3 Jahre anhaltend hohen Milchertrag bezogen
haben (Rüder Landw. Zeitung. 1833. S. 3.).
⁵⁾ Die Mäſtung auf Fettweiden iſt nur ſelten möglich. Daher geſchieht ſie
meiſtens im Stalle. In Dampf gekochte Kartoffeln (Thaer Mögliniſche Annalen.
XIX. 130.), Pferdebohnen (Koppe u. A. Mittheilungen. II. 303.), Rutabaga
(Schnee Landw. Zeitung. III. 152.), Möhren (Young Annalen. III. 210.), und
andere Materialien ſind dazu ſehr gut. Man ſ. auch Thaer engl. Landw. III. 447.
Young Annalen. III. 177. Schnee Landw. Zeitung. V. 589. Thaer Möglin.
Annalen. XXIV. 165. v. Podewils Wirthſchaftserfahrungen. II. Thl. 58.,
über Viehmäſtung. Thaer Möglin. Annalen. XXVII. 63.
⁶⁾ Man ſ. André Oekonom. Neuigkeiten. 1815. Nro. 1 (Kühe als Arbeits-
thiere). Thaer Annalen der niederſächſ. Landw. Jahrg. VI. Stück 1. S. 1
(Zugochſen). Schnee Landw. Zeitung. III. 237. 413. 559. IV. 344 (Zugochſen
vrgl. mit den Pferden). Der Ochs, als wiederkäuendes Thier, braucht mehr Futter
als das Pferd. Man gibt ihm nämlich 22,6 Pfund Heu (oder anderes hierauf
reduzirtes Futter) täglich, und bei angeſtrengter Arbeit noch 0,4 Metzen Schrot-
getreide.
⁷⁾ André Oekonom. Neuigkeiten. 1815. Nro. 13 folg. 39.
⁸⁾ Geräumigkeit, Reinlichkeit und Helligkeit der Ställe, ſo wie Sorgfalt und
Regelmäßigkeit in der Fütterung ſchützt ſehr vor Krankheiten. Man ſ. über die-
ſelben v. Beneckendorf Abhandl. von den Seuchen und Krankheiten des Rind-
viehes. Berlin 1791. 2te Aufl. Wilburg Anleitung für das Landvolk in Abſicht
auf die Heilungsart der Krankheiten des Rindviehes. Nürnberg 1804. 7te Auflage.
Rindvieharzneibuch, ſowohl für die gewöhnlichen Rindviehkrankheiten, als auch für
Viehſeuchen. Tübingen 1803. 2te Aufl. Torkos, Ueber die Krankheiten des Horn-
viehes ꝛc. Presburg 1807. Waldinger, Ueber die gewöhnlichſten Rindvieh-
Krankheiten. Wien 1818. 2te Aufl. Greve, Wahrnehmungen am Rindvieh ꝛc.
Oldenburg 1819. Ites Bdchn. Tſcheulin, die Kunſt, Rindviehſeuchen zu erken-
[246/0268]
⁸⁾ nen ꝛc. Carlsruhe 1821. 2te Aufl. Ribbe, Unterricht zur Kenntniß der Krank-
heiten des Rindviehes. Leipzig 1822. Block Mittheilungen. II. 212. Traut-
mann. II. 333. — Aber über Rindviehzucht im Allgemeinen ſ. m. außer den
(§. 194. a.) angegebenen Schriften insbeſondere: Gotthard, das Ganze der
Rindviehzucht. Erfurt 1797. Fuß, Verſuch eines Unterrichts von der Rindvieh-
zucht. Prag 1797. Leopold, die landwirthſchaftliche Viehzucht. Hannover 1805.
Weber, Handbuch der Viehzucht. Bd. II. Walther, das Rindvieh u. ſ. w.
Gießen 1816. Franz, prakt. Anleitung zur rationellen Rindviehzucht. Leipz. 1832.
Ithen Unterricht ꝛc. (ſ. §. 198. Note 1.). Pabſt Anleitung zur Rindviehzucht.
Stuttg. 1829. Thaer engl. Landw. I. 518. III. 658. Schwerz belg. Landw.
II. 224. 294. Koppe Unterricht. III. 138. André Oekonomiſche Neuigkeiten.
1813. Nro. 12. 22. — 1815. Nro. 14. Schnee Landw. Zeitung. VIII. 271. 431.
IX. 249 folg. Young Annalen. III. 125 (Erziehung der Kälber). Block Mit-
theilungen. II. 85.
III. Von der Schaafszucht.
§. 200.
1) Raſſen der Schaafe. Die ſehr verſchiedenen Raſſen
der Schaafe laſſen ſich auf die Niederungs-, Berg- und
Landſchaafraſſe zurückführen. Die Erſte lebt in den Niederun-
gen auf fetten Weiden, hat einen großen Körper und ſchlichte,
grobe Wolle. Zur Zweiten gehören die auf Bergen lebenden klei-
neren Schaafe mit dichter, kurzer, krauſer Wolle. Die Dritte
ſteht in der Mitte zwiſchen den beiden genannten Raſſen1).
2) Zweck der Schaafszucht. Die Wahl der Raſſe richtet
ſich nach dem Zwecke der Nutzung. Dieſe aber beſteht in folgenden
Gegenſtänden: a) In der Wolle. Die auf einem Schaafe lie-
gende Geſammtmaſſe von Wolle heißt man das Vließ, und dieſes
beſteht aus einzelnen zuſammenhängenden Büſcheln, die man
Stapel nennt. Das Vließ beſteht aus glänzenden ſteifen Haaren
(Stichelhaaren) von verſchiedener Grobheit, und aus der
Wolle, d. h. mehr oder weniger gekräuſelten, weniger glänzenden,
weichen und feinen Haaren. Feinheit, Elaſticität, Stärke, Länge
und Kräuſelung ſind die Eigenſchaften, wonach man die Vorzüge
der Wolle, folglich der Raſſe in dieſer Hinſicht beſtimmt. Man
hat hiernach vier Hauptklaſſen der Wolle nach abnehmender Güte
feſtgeſtellt, nämlich die Rafina (vom Rücken bis zur Bauchwöl-
bung), die Fina (vom Halſe, von der Bruſt, vom Bauche und
von den Oberſchenkeln), die Terzera (von dem Kopfe und den
Unterſchenkeln) und die Kayda (von Stirne, Schweif und Unter-
füßen)2). Die Wolle wird entweder erſt nach der Schur oder
noch auf dem Schaafe gewaſchen, um ſie von der Unreinigkeit zu
befreien. Das eigentliche Wollfett wird ihr erſt vom Fabrikanten
genommen. Die Schur findet entweder blos im Frühling oder aber
auch zugleich im Herbſte Statt3). b) In der Milch. Die meiſten
[247/0269]
Urtheile über das Melken der Wollſchaafe ſind mißbilligend, weil
Ertrag und Güte der Wolle darunter leiden. Die Melkzeit liegt
aber zwiſchen dem 23ten April und Ende des September. Ein
Schaaf gibt im Durchſchnitte täglich in dieſer Zeit ⅛ Quart oder
ungefähr ¼ bis ½ ℔ Milch, welche mehr Butter- und Käſetheile
hat als die Kuhmilch. Man bedient ſich daher mehr der Nie-
derungsraſſe zu Melkſchaafen4). c) In dem Fleiſche. Auch zu
dieſem Zwecke nimmt man am beſten die Niederungsſchaafe, weil
ſie die größten ſind. Zur Mäſtung eignet ſich das Schaaf vor-
trefflich, beſonders die Gelteſchaafe und die Hämmel. Die Mäſtung
geſchieht entweder auf Weiden oder im Stalle. Im lezten Falle
bedient man ſich am beſten des Branntwein- und Malzſpülichts
und des Getreides. Die Maſtzeit dauert im Winter nicht unter
acht Wochen5).
4) Zucht der Schaafe. Die Paarung derſelben kann ſchon
mit einem Alter von 1½ Jahr beginnen. Dieſelbe geſchieht ent-
weder einzeln (bei feinen Raſſen) oder in der Heerde (bei Land-
ſchaafen). Das Schaaf geht 21 Wochen trächtig. Man zählt auf
30–40 Mütter einen Widder. Nach dem Lammen werden die
Erſteren mit den Lämmern abgeſondert und dieſe ſaugen 3 Monate
lang, während welcher man ſie auch allmählig an anderes Futter
gewöhnt. Naſſe Weiden (von Regen oder Thau) ſind den Schaafen
ſchädlich. Die Weidezeit fällt zwiſchen den October und März ein-
ſchließlich und beträgt ſo 120–160 Tage. Die Sommerſtallfüt-
terung6), mehrmals auch mit gutem Erfolge verſucht, iſt wegen
der Koſtſpieligkeit und Beförderung der Krankheiten in Mißkredit
gekommen. Die Winterfütterung beſteht aus Heu, Stroh von
Hülſenfrüchten und Wurzelgewächſen7).
5) Krankheiten der Schaafe. Dieſelben ſind die Fäule
(Faulfreſſen), die Drehekrankheit (Segeln), die Traber-
(Kreutzdreher-) Krankheit, der Schlagfluß (Blutfluß,
Rückenlut), die Lungenſucht, die Harnruhr (Blutharnen),
der Durchfall, die Faden- oder Eingeweidewürmer (Egel-
ſchnecken, Planaria latiuscula oder Fasciola hepatica), die
Blähe- (Trommel-) sucht, die Räude (Grind, Krätze), die
Pocken, die Klauenſeuche (die gut- und die bösartige), die
Eutergeſchwülſte und die Schaafinſekten (Schaafzecke, Acarus
reduvius, ricinus, und die Schaaflaus, Pediculus ovis und
Hippobosca ovina)8).
¹⁾ Dem Vaterlande nach gehören in die erſte Raſſe das ungariſche, engliſche,
das Marſchſchaaf, die ſpaniſchen Churos, und die Heidſchnuke in den niederſächſiſchen
Heiden, welche Burger (Lehrbuch. II. 260.) zur Bergraſſe zählt. In die zweite
[248/0270]
¹⁾ Raſſe ſind zu rechnen: das wälſche, paduaniſche, hochſchottiſche, das norwegen'ſche
Schaaf, und die ſpaniſchen Merinos. Der dritten Raſſe gehören hauptſächlich die
deutſchen Landſchaafe und auch die ſpaniſchen Metis an. Die Merinos gebraucht
man in Deutſchland zur Kreutzung. Man theilt ſie in Bezug auf ihre Lebensart
in Transhumantes (wandernde) und Estantes (ſtehende) ein, und hebt in Betreff
der Stammheerden von beſonderen Eigenthümlichkeiten beſonders die Escurial- und
Negretti- Schaafe hervor, außer welchen aber noch die Paular-, Guadeloupe-,
Iranda- und Infantado- Heerden u. dgl. ſehr berühmt ſind. Von den Merinos
transhumantes zieht man die Leoneſiſche Raſſe (Segoviſche) der Sorianiſchen
vor. Ueber die Merinos ſ. m. Thaer Möglin. Annalen. VII. 1. IX. 67. 425.
X. 99. 271. XI. 90. XIII. 120. XXI. und XXVII. 395. Deſſelben Annalen
des Ackerbaues. V. 35. 308 XII. 459. X. 673. Pictet, Erfahrungen über die
Merinoſchaafe. Aus dem Franzöſiſchen. Wien 1820. Schnee Landw. Zeitung.
III. 191. André Oekonom. Neuigkeiten. 1815. Nro. 27. 1813. Nro. 36 folg.
(Lezt. Aufſ. h. v. d. Merinozucht nach Teſſier). 1822. Nro. 1. 2. Ueber den
Nutzen der Einführung vollkommener Raſſen ſ. m. Thaer Möglin. Annalen. XVI.
556 (aus dem Franzöſ. des Ternaux überſetzt von Körte), und über Veredelung
ſelbſt Thaer Annalen der Fortſchritte der Landwirthſchaft. I. 1. Deſſelben
Annalen des Ackerbaues. V. 303. VI. 222. IX. 99. XII. 462. Möglin. Annalen.
VI. 1. III. 237. André Oekonom. Neuigkeiten. 1813. Nro. 5. und 1815. Nro.
17–28. 46 folg. Ueber Schaafraſſen überhaupt ſ. m. André a. a. O. 1812.
Nro. 55–57. Beim Ankaufe iſt auf das Alter zu ſehen, das man an den Vor-
derzähnen der unteren Kinnlade erkennt. Man nennt ſie nach dem zunehmenden
Alter mit Bezug auf die Hervortretung der Zähne Zwei-, Vier-, Sechs- und
Achtſchaufler, im 1. 2. 3. 4. und 5ten Jahre.
²⁾ Außer dieſen gibt es aber noch eine Menge von Unterabtheilungen. S.
Sturm, Ueber die Schaafwolle. Jena 1812. Luccock, Ueber Wolle. Aus dem
Engliſchen überſetzt von Schilling. Leipzig 1821. 2 Thle. Wagner, Beiträge
zur Kenntniß der Wolle. Berlin 1821. 2te Auflage. Weſtphal, Anleitung zur
Kenntniß der Schaafwolle und deren Sortirung. Berlin 1830 (Dieſer unterſcheidet
§. 48. im Ganzen 33 Sortimente, und insbeſondere §. 55. von der Lammwolle
11 Sortimente). Thaer Möglin. Annalen. VIII. 229. XIII. 352 XVII. 303.
Rüder Landwirthſch. Zeitung. 1832. Nro. 32–34. und 1833. Nro. 11. André
Oekonomiſche Neuigkeiten. 1813. Nro. 7 folg. (nach obiger Schrift von Sturm).
1814. Nro. 3. 1816. Nro. 15. 1817. Nro. 32 folg. Block Mittheilungen. II. 381.
Zur Beſtimmung der Feinheit der Wolle bedient man ſich der Wollmeſſer (Mikro-
oder Eirometer), und es gibt darunter namentlich einen Winkler'ſchen, Vogt-
länder'ſchen, Dollond'ſchen und Gravert'ſchen. Ueber dieſen ſ. m. Thaer Möglin.
Annalen. XXVI. 1. XXVII. 79.
³⁾ Ueber Wollwäſche ſ. m. Thaer Möglin. Annalen. XI. 1., über Wollwaſch-
werke (in Spanien) Schnee Landw. Zeitung. VII. 508. André Oekonomiſche
Neuigkeiten. 1812. Nro. 11 (nach Petri). XIII. 51 (zu Schierau in Schleſien).
XIV. 357. und Block Mittheilungen. II. 375. Ueber die Nachtheile des zweimaligen
Scheerens ſ. m. Thaer Annalen des Ackerbaues. IX. 95. I. 727., über einmaliges
II. 668. Eine Perſon ſchwemmt täglich 50–60 Schaafe, waſcht aber nur 17
nach v. Podewils Geſchoren werden ſie am beſten im Verding. Eine Angabe,
wie viele Schaafe eine Perſon ſcheeren kann, iſt zu geben verſucht bei Schnee
Landw. Zeitung. V. 54. Es gibt im Durchſchnitte an ungewaſchener Wolle jährlich
ein Niederungsſchaaf 8–10 Pfund, ein Bergſchaaf 7–8 Pfund, ein Bock 8 bis
10 Pfund Wolle. Nach der Pelzwäſche aber gibt von einer Merinoheerde ein Wid-
der 4–5 Pfund, ein Hammel 3–4 Pfund, ein Mutterſchaaf 2–2½ Pfund,
ein Jährling 1⅓-1⅔ Pfund, ein Lamm ⅓-⅔ Pfund, ein Landſchaaf nur
1⅝-2 Pfund, und ein Lamm dieſer Raſſe blos ¼-½ Pfund. Die Größe des
Schaafes iſt dabei von Einfluß. Man ſ. darüber André Oekonom. Neuigkeiten.
1814. Nro. 22.
⁴⁾ Ueber das Melken der Schaafe ſ. m. z. B. Schnee Landw. Zeitung.
XII. 192. André Oekonom. Neuigkeiten. 1811. Nro. 21–23.
[249/0271]
⁵⁾ Aber bis zu 4½ Monaten, je nach der Beſchaffenheit des Thieres. Block
Mittheilungen. II. 337. Man kaſtrirt die Widderlämmer bei 6–7 wöchentlichem
Alter, oder ſchon früher.
⁶⁾ Ueber die Sommerſtallfütterung ſ. m. Thaer Möglin. Annalen. XV. 78.
XVI. 168. Koppe u. A. Mittheilungen. I. 36. Schnee Landwirthſch. Zeitung.
III. 463. 469. XIV. 169. Andr'é Oekonom. Neuigkeiten. 1812. Nro. 48. 1816.
Nro. 1. 24. 44. 49. 1817. Nro. 15. 18. 38. Weber Handbuch der Viehzucht.
II. 339. und die beſonderen Schriften darüber von Hedenus (Leipzig 1818.),
Lipp (Wien 1818.), Viborg (Kopenhagen 1820.). Ueber Winterſtallfütterung
und Hürdenſchlag ſ. m. Thaer Annalen des Ackerbaues. IX. 83. XII. 25. 462.
Ueber Schaafſtälle Thaer Möglin. Annalen. XVII. 122. André Oekonomiſche
Neuigkeiten. 1814. Nro. 32 (für 800 Schaafe). Block Mittheilungen. II. 334
(für 600 Schaafe). Ueber Schaafraufen Block a. a. O. André Oekonomiſche
Neuigkeiten. 1813. Nro. 20. 1815. Nro. 23. 37. Koppe Mittheilungen. III. 234.
⁷⁾ Lämmer erhalten täglich 1½-1¾ Pfund Heu, Erſtlinge (von 2–2½
Jahre) und Zeitvieh (von 2½-3 J.) 2–2½ Pfund Heu, alte Schaafe 2½
bis 3 Pfund, ein edles trächtiges Mutterſchaaf kurz vor dem Lammen 2 Metzen
Hafer, nach dem Lammen 3 Metzen Hafer, ein edler Widder während der Sprung-
zeit 1 Scheffel Hafer, ein Hammel, Widder und Mutterſchaaf der Landraſſe 2½
bis 3 Pfund Heu, oder auf dieſes reducirtes Futter, und ½-¾ Pfund Stroh
zu Unterſtreu. Das Futter hat Einfluß auf Wolle, Talg und Geſundheit der
Schaafe. S. Thaer Möglin. Annalen. VI. 93. XXI. 177 (von Caſpari, auch
beſonders abgedruckt a. 1828). XXII. 41. XV. 26.
⁸⁾ S. darüber die landwirthſchaftlichen Zeitſchriften, beſonders Thaer von
Band II. an in jedem folgenden Bande der Möglin. Annalen. Auch Block Mit-
theilungen. II. 399 Trautmann Landw. L. II. 373. und eine Unmaſſe von
einzelnen Schriften über einzelne Krankheiten. Gegen die Pockenkrankheit ſchützt
man die Schaafe durch Impfen. — Ueber Schaafzucht überhaupt ſ. m. André
Unterricht über die Wartung des Schaafviehes. Brünn 1818. Germershauſen,
das Ganze der Schaafzucht. 3te Auflage von Pohl. Leipzig 1818. 2 Theile.
Gebhardi, Handbuch für Schäfer. Tilſit 1821. Elsner, Ueberſicht der europ.
veredelten Schaafzucht. Prag 1828. 2 Theile. Petri, Mittheilungen aus dem
Gebiete der höheren Schaaf- und Wollkunde. Wien 1830. Ir Bd. Petri, War-
tung, Pflege und Zucht der Schaafe. Leipzig 1831. v. Ehrenfels, Geſchichtliche
Darſtellung meiner Schaafkultur. Prag 1831. Elsner, Handbuch der veredelten
Schaafzucht. Stuttgart 1832. Thaer Möglin. Annalen. I. 1. XXI. 343. Schnee
Landw. Zeitung. XI. 373. 385 393. Young Annalen. II. 231. André Oekonom.
Neuigkeiten. 1812. Nro. 1–14. 1815. Nro. 18–21.
IV. Von der Ziegenzucht.
§. 201.
Man zieht bei uns nur die gemeine oder Hausziege1)
beſonders wegen ihres Felles, ihrer Milchnutzung, ſchnellen Ver-
mehrung und äußerſt wohlfeilen Ernährung. Im Großen kann ſie
nur im Gebirge gezogen werden. Feuchte und naſſe Weiden ertra-
gen ſie nicht. Mit trockenem Futter und Wurzeln füttert man ſie
im Winter. Die Ziege, mit dem zweiten Jahre mannbar, geht
5 Monate trächtig und wirft 1–3 Jungen. Man rechnet bis
100, ja 150 Ziegen auf 1 Bock.
¹⁾ Die meiſten Verſuche, bei uns die Caſchmir-, die Angora-Ziege einzu-
führen ſind mißglückt. Hückel, Abhandlung von den Ziegen und zahmen Schweinen.
Leipzig 1756. Gotthard, das Ganze der Ziegenzucht. Helmſtädt 1801. Krauſe
Ziegenzucht. Leipzig 1832.
[250/0272]
V. Von der Schweinezucht.
§. 202.
1) Raſſen der Schweine. Man unterſcheidet das euro-
päiſche und chineſiſche Schwein, obgleich ſie nur Abarten des
Schweines ſind. Das Leztere iſt ſchwarz, klein, hat einen tiefen
Leib und ſehr kurze Beine. Das Erſtere iſt von verſchiedener Form
und Farbe, immer aber höher auf den Beinen und länger.
2) Zweck der Schweinezucht. Man zieht das Schwein
des Fleiſches und Fettes wegen, entweder zum eigenen Gebrauche
oder zum Verkaufe. Darum mäſtet man daſſelbe. Die Mäſtung
fällt zwiſchen das erſte halbe und die erſten 2 Jahre, beſſer als
ins dritte und vierte Jahr, weil es nicht darauf berechnet iſt, auf
einem Landgute überhaupt große Schweine zu mäſten. Die Schweine
werden darum in der Jugend kaſtrirt. Den Anfang der Mäſtung
machen Wurzeln und Knollen, das Ende aber Getreide, Schrot
und Mehl, im gekochten oder gegohrenen Zuſtande1).
3) Zucht der Schweine. Schon mit einem Alter von ¾
Jahren ſind die Schweine zur Paarung brauchbar. Man rechnet
auf 10 derſelben einen Eber. Das Mutterſchwein geht 16 Wochen
trächtig, und wirft jährlich in zwei Würfen 10–15 Jungen
(Ferkel). Zuchtferkel ſaugen bis zu 8 Wochen, Schlachtferkel
höchſtens 4 Wochen an der Mutter. Man füttert ſie mit Abfällen
von der Küche, von Brennereien, Brauereien, mit Getreide, Kar-
toffeln, Rüben, und ſchickt ſie auf die Weide, beſonders in Moor-
und Bruchweiden2).
4) Krankheiten der Schweine. Sie können größtentheils
durch Aufmerkſamkeit in der Pflege verhütet werden, und ſind:
die Bräune, die Finnen und der Grind3).
¹⁾ Man unterſcheidet auch eine halbe und ganze Mäſtung. Sehr intereſſante
Verſuche über Schweinemäſtung bei Young Annalen. I. 246. III. 167.
²⁾ Es erhält: Schwein größerer Raſſe täglich 1 Metze Kartoffeln und ¼ Sch.
Spreu, ein trächtiges oder ſäugendes Mutterſchwein Milch, Kleie, Schrot als Zu-
lage, und 4wöchige Ferkel 2½ Pfund Milch.
³⁾ S. über Schweinezucht beſonders: Gotthard, das Ganze der Schweine-
zucht. Altona 1798. Gaudich Schweinezucht. Leipzig 1802. Viborg, Anleitung
zur Erziehung des Schweins. Kopenh. 1806. Mäſtung und Zuzucht der Schweine.
Nordhauſen 1828. Dietrichs, Von der Zucht der Schweine. Leipzig 1832.
VI. Von der Federviehzucht.
§. 203.
Die Federviehzucht hängt ganz von der Oertlichkeit ab. Man
zieht gewöhnlich Enten, Gänſe, Hühner, Puter und Tauben.
[251/0273]
Anderes Geflügel dient meiſtens zum Vergnügen und zur Zierde.
Die Ente legt im Frühling 30–45 Eier, brütet im Durchſchnitte
8 Jungen aus, und man rechnet auf 10 Enten 1 Enterich. Die
Gans legt 24–30 Eier, brütet 8 Jungen aus, gibt 8 Loth, ein
Gänſerich 11 Loth Federn, und man rechnet auf 8 Gänſe 1 Gän-
ſerich. Die Puterhenne legt 25–30 Eier, brütet 18–20 Jun-
gen aus und man rechnet auf 8 Hühner einen Puter. Ihre Zucht
geht oft, z. B. in Weſtphalen, ganz ins Große. Das gewöhn-
liche Huhn legt 45–60 Eier, brütet 14 Jungen aus und man
hält auf 16 Hühner 1 Hahn. Ein Paar Tauben gibt jährlich
etwa 3 Paare Junge1).
¹⁾ Man kann an Futter folgendes rechnen: Täglich für 10 Enten 1 Scheffel
Gerſte oder 2 Metzen Kartoffeln im Winter; für 10 Gänſe 4 Metzen Kartoffeln,
für 10 Truthühner 4 Metzen Gerſte, für 10 gewöhnliche Hühner 1 Metze Gerſte
und für 18 Paar Tauben 1 Metze Gerſte. S. Schmalz Anleitung zur Veran-
ſchlagung ländl. Grundſtücke. §. 209. 216. Ueber die Federviehzucht ſ. m. Gott-
hard, das Ganze der Federviehzucht. Erfurt 1806. 2te Aufl. Rohlwes Feder-
viehzucht. Berlin 1821. Dietrichs, Von der Zucht des Federviehes. Leipz. 1832.
VII. Von der Bienenzucht.
§. 204.
Die Bienenzucht fordert ein ſtilles mildes Klima, eine pflanzen-
und blumenreiche Gegend, unausgeſetzt fleißige Pflege, Sicherung
der Stände vor Staub und Rauch, und kleine nahe Gewäſſer1).
Die Wohnungen der Bienen ſind entweder gewölbte Strohkörbe,
oder Bretterkäſten (Stöcke) oder Klotzbeuten (aus Baum-
klötzen gehauen)2). Der ganze Bienenſtaat beſteht aus einer
Mutterbiene (Weiſel, Königin), aus den männlichen Bienen
(Drohnen, zur Befruchtung der Königin) und aus den Arbeits-
bienen (welche geſchlechtslos ſein ſollen). Die Zellen ſind zum
Theile Wohnkammern der Bienen, zum Theile Vorrathskäſten für
den Honig. Die Trennung der jungen Brut von dem alten Stocke
geſchieht entweder durch das Schwärmen (d. h. inſtinktmäßige
Auswandern der Brut) mit ihrer jungen Königin, in welchem
Falle ſie aufgefangen (gefaßt) werden muß, oder durch Ableger
(d. h. das Ausſchneiden der Brutſcheiben und Einſetzen derſelben
in andere Käſten oder aber das Verwechſeln der Körbe ſelbſt).
Oft müſſen die Bienen, beſonders im Winter, ernährt werden,
und dies geſchieht am beſten durch Magazine, d. h. durch Unter-
ſätze mit Schiebern, in welche man das Honiggefäß hineinſetzt.
Dieſe Magazine können zugleich auch zur Trennung eines Theiles
der Bevölkerung vom anderen gebraucht werden3). Den Honig
[252/0274]
und das Wachs erhält man entweder durch Tödtung des Stockes
oder durch das Ausſchneiden der Honigwappen (Zeideln). Die
Feinde und Krankheiten der Bienen ſind ſehr ſchädlich. Zu jenen
gehören die Raubbienen und allerlei Inſekten u. ſ. w. Zu dieſen
aber die Faulbrut und der Durchfall.
¹⁾ Ueber Bienenzucht iſt die Literatur außerordentlich groß. Die wichtigſten
neueren Schriften darüber ſind folgende: Sickler Bienenzucht. Erfurt 1808–1809.
2 Bde. Knauff, Behandlung der Bienen. Jena 1819. 2te Aufl. Chriſt, An-
weiſung zur Bienenzucht. Leipzig 1819. 5te Aufl. von Pohl. Riem und
Werner, der praktiſche Bienenvater. Leipzig 1820. 4te Aufl. Lucas, Anweiſung
zur Ausübung der Bienenzucht. Prag 1820. 2 Bände. Dinkel, Anleitung zur
Bienenzucht. Heilbronn 1830. v. Ehrenfels, die Bienenzucht. Prag 1829. I. Thl.
Ritter, die Lehre von den Bienen. Leipzig 1832. Ramdohr, die einträglichſte
und einfachſte Art der Bienenzucht. Berlin 1833. André, Oekonom. Neuigkeiten.
1812. Nro. 26–29. 62. 1813. Nro. 1. 1814. Nro. 31. 1815. Nro. 44. 1817.
Nro. 30. vrgl. mit 68. 69. 56. und andere Zeitſchriften.
²⁾ Ueber pyramidiſche oder ſchottiſche Bienenſtöcke mit 3 Körben von Ducouedic
und Coligny ſ. m. André a. a. O. 1812. Nro. 36. Bailey Beſchreib. S. 122.
³⁾ Ein Magazin von Konrad iſt abgebildet bei André a. a. O. 1812.
Nro. 58, andere beſchrieben ebendaſelbſt 1814. Nro. 54. Eine Bienenſchwarmfalle
von Rudloff ebendaſelbſt. 1812. Nro. 10.
VIII. Von der Fiſchzucht oder Teichfiſcherei.
§. 205.
1) Arten der Fiſche. Man zieht in den Fiſchteichen vor
allen andern Fiſchen die Karpfen, Forellen und Hechte.
Allein man trifft dieſe Gattungen nicht blos für ſich allein in den
Teichen, ſondern auch untermengt mit Karauſchen, Barſchen,
Schleien, Schmerlen, Weißfiſchen u. ſ. w.
2) Zweck der Fiſchzucht. Die Fiſche werden hauptſächlich
wegen ihres Fleiſches gezogen. Aber in manchen Gegenden ge-
währt auch der Verkauf der Fiſchſchuppen, als Material zur Fer-
tigung der Glasperlen, ein beträchtliches Einkommen.
3) Zucht der Fiſche. Dieſelben werden in Teichen gezo-
gen, bei deren Anlage man die natürliche Lage und Beſchaffenheit
des Bodens, die Eigenſchaften, den Zu- und Abfluß des Waſſers
zu berückſichtigen und zur Sicherung gegen wilde Fluthen Dämme
und Waſſerabzüge zu bauen hat1). Beim ganz regelrechten Be-
triebe der Teichfiſcherei hat man folgende drei Teiche oder Zucht-
perioden, nämlich a) den Streich- oder Laichteich, in welchen
man die alten Fiſche in geringer Anzahl zum Laichen (Erzeugen
der Fiſchbrut) einſetzt; b) den Streck- oder Schulteich, in
welchen die jungen Fiſchlein zur weiteren Erziehung eingeſetzt
werden, bis ſie in c) den Satz- oder Hauptteich gebracht werden
können, in welchem man den ſchon erwachſenen Fiſch noch ſo lange
[253/0275]
ernährt, bis er entweder gemäſtet werden kann, verkauft oder
verzehrt wird, was oft ſchon darum geſchehen muß, damit es im
Hauptteiche für den Nachwuchs Platz gibt2).
4) Krankheiten und Feinde der Fiſche ſind: die Schwäm-
me, die aus Verwundungen entſtehen, die Blattern, — und die
Fiſchottern, Wildenten und -Gänſe, Raiger, Täucher,
Fiſchaare, Eidechſen, Fröſche, Fiſchkäfer und andere
Thiere3).
¹⁾ Schon der natürliche Standort der Hauptteichfiſche zeigt die verſchiedenen
Anforderungen, welche ſie an den Teich in dieſen Hinſichten machen. Die Forelle
will raſches, helles, hartes, friſches Waſſer auf Kieſelboden; der Karpfen aber
ein ſtilles, ſtetes, weiches, mäßig kaltes Waſſer auf fettem Lehmboden, und der
Hecht, ein höchſt unruhiger, freßluſtiger, nimmerſatter Raubfiſch, unverträglich
mit den beiden anderen, einen beſonderen Teich von den Eigenſchaften des Forellen-
teiches. Die Dämme — von Erde, Schutt oder Mauerwerk — müſſen ſtark und
hoch genug ſein, um den bekannten ſtärkſten Druck und höchſten Stand des Waſſers
der Gegend ſicher zu überſtehen. Durch die Waſſerabzüge muß man nicht blos
das überflüſſige, ſondern auch ſämmtliches Waſſer nach Bedarf abziehen können.
Für dieſe Fälle, beſonders für den lezteren, ſind dazu Gerinne angebracht, welche
man mit Gittern oder Rechen verſieht. Sehr zweckmäßig iſt die Anlage eines
Grabens (Keſſels, Bettes oder Stiches) im Teiche ſelbſt, damit ſich die Fiſche
bei großer Hitze oder Kälte zurückziehen können. Ueber den Fiſchteichbau ſ. m. die
Schriften von v. Cancrin (1791), Herrmann (1791) und Riemann (1798).
²⁾ Man rechnet auf 1 Morgen Laichteich 2 Milchner (männlich) und 4 Rogner
(weiblich), auf 1 Morgen Streckteich nach der Güte 300–700 Stück Brut,
70–200 Stück zweijährigen oder 45–120 Stück dreijährigen Satz, und auf
1 Morgen Hauptteich 90 Stück ein- oder zweijährigen Satz Die Karpfen ſetzt
man im April, die Forellen im Herbſte in den Laichteich, und verſetzt nach einem
Jahre die Brut in den Streckteich, wo die Fiſche zwei Jahre bleiben. Um den
Fiſchen Luft zu geben, wird die Eisdecke im Winter mit Löchern (Wuhnen,
Wacken) verſehen. Zum Behufe des Fiſchfanges wird das Waſſer abgelaſſen, und
die zu mäſtenden Fiſche kommen in Fiſchkäſten.
³⁾ Man ſ. über Fiſcherei: Du Hamel de Monceau, Von der Fiſcherei. Aus
dem Franzöſiſchen überſetzt von Schreber. Königsberg 1773. III Abthlgn. 4.
(der 11–13te Bd. des Schauplatzes der Künſte und Handwerker). Bieriſch An-
weiſung, die zahme und wilde Fiſcherei zu betreiben. Leipzig 1798. Jokiſch
Handbuch der Fiſcherei. Ronneburg 1802. II Bde. Riemann, Abriß des Fiſcherei-
weſens. Leipzig 1804. Tſcheiner, der wohlerfahrene Fiſchmeiſter. Peſth 1821.
Teichmann Teichfiſcherei. Leipzig 1832.
IX. Von der Seidenraupenzucht.
§. 206.
Die Seidenraupe (Phalaena bombyx Mori), welche ſich
von den Blättern des weißen Maulbeerbaumes (Morus alba)
nährt1), ſpinnt ſich in eine goldgelbe Hülle ein, welcher ſie ſpäter
als Schmetterling entſchlüpft. Die Hüllen (Galetten, Coccons,
Geſpinnſte) beſtehen aus dem feinſten Seidenfaden. Die Raupe
kommt nur in trockenem warmem Klima, oder in ſolcher Temperatur
fort, daher man ſie in Sälen auf Gerüſten zieht, und jene warm
[254/0276]
hält. Man zieht ſie aus Eiern, welche von einer Wärme von 18°
Reaum. oder 68° Fahrenh. ausgebrütet werden. Die jungen Rau-
pen werden mit ganz neu ausſchlagenden Blättern gefüttert. Sie
häuten ſich viermal, und erſt nach der erſten Häutung kommen ſie
auf die Gerüſte. Ihre Gefräßigkeit ſo wie die Abſcheidung von
Unrath wird immer ärger, weshalb die Sorge für gutes und vieles
Futter ſo wie für fortwährende Reinigung immer größer werden
muß. Nach der vierten Abhäutung ſpinnen ſie ſich ein, und werden
zu dieſem Behufe auf die Spinngerüſte von Reiſern verſetzt,
wenn ſie eine eigenthümliche Unruhe zeigen und zu freſſen auf-
hören. In 7–8 Tagen iſt die Einſpinnung geſchehen. Von den
Puppen werden nur die ſchönſten und dichteſten zur Fortpflanzung
genommen, die übrigen aber in einem geheitzten Backofen getödtet.
Die aus jenen ausgeſchlüpften Schmetterlinge begatten ſich und
das Weibchen muß die Eier auf Leinwand oder Papier legen.
Dieſe werden dann kühl aufbewahrt, die todten Puppen aber an
die Fabrikanten verkauft. Die Raupen ſelbſt leiden an Gelb-
und Weißſucht, Verſtopfung, Durchfall und Schwind-
ſucht, als den Folgen ſchlechten Futters, Lagers und Wetters.
¹⁾ Auch iſt ſchon der Löwenzahn (Leontodon taraxacum), Leindotter
(Myagrum sativum) und der Hartriegel (Cornus sanguinea), jedoch ohne guten
Erfolg, als Futter angewendet worden. Man ſ. aber über Seidenzucht aus der
neuen Literatur: Gotthard, Unterricht in Erziehung und Wartung der Seiden-
raupen. Erfurt 1804. Blaſchkowitz, Unterricht zur Seidenkultur. Wien 1820.
Henne, Erfahrungen über den Seidenbau. Erlangen 1832. Knoblauch, Be-
ſchreibung des Seidenbaues. Nürnberg 1832. 2te Ausg. (unverändert). Hout,
Aufmunterung zur Seidenzucht in Deutſchland. Mannheim 1832. Sterler,
Deutſchlands Seidenbau. München 1832.
Zweites Hauptſtück.
Landwirthſchaftliche Betriebslehre.
§. 206. a.
Die landwirthſchaftliche Betriebslehre, deren Begriff nur dem
Gegenſtande nach von jenem der bergmänniſchen verſchieden iſt
(§. 119.), iſt in den Handbüchern der Landwirthſchaftslehre ge-
wöhnlich Hauswirthſchafts- oder Haushaltlehre genannt.
Allein dieſe Benennung iſt unrichtig (§. 40. I. §. 41. §. 63.).
I. Von den allgemeinen Bedürfniſſen des landwirth-
ſchaftlichen Betriebes.
§. 207.
Zum Betriebe der Landwirthſchaft1) gehören folgende Gegen-
ſtände und Verhältniſſe:
[255/0277]
1) Naturmittel in möglichſt vollſtändigem Zuſtande. Es
gehört hierher a) der Boden, nach ſeiner Verſchiedenheit für die
eigenthümlichen Nutzungen in beſtimmter Flächenausdehnung. In
lezter Beziehung iſt die Frage, ob man viel oder wenig Grund
und Boden für vortheilhafter halten müſſe, leicht entſchieden.
Denn je größer der Beſitz an Boden von brauchbaren Eigenſchaf-
ten, um ſo großartiger kann der Betrieb werden, wenn dazu die
anderen Gewerbsmittel nicht fehlen. Jedenfalls iſt die Abrundung
oder das Zuſammenliegen der einzelnen Parzellen von großem Nutzen
und man unterſcheidet ſo das Landgut von dem Grundſtücke.
Unter jenem verſteht man den Inbegriff einer Zahl Grundſtücke,
welche im Zuſammenhange liegen, des darauf befindlichen Vieh-
ſtandes und des Kapitals nebſt allen dazu gehörigen Gerechtſamen,
Pflichtigkeiten und anderen gewerklichen Nutzungszweigen. b) Der
Viehſtand oder Dünger. Ohne dieſen kann die Landwirthſchaft
nicht betrieben werden, und je größer der Grundbeſitz iſt, um ſo
weniger iſt man im Stande, ihn käuflich zu erlangen. Darum iſt
ein beſtimmter Viehſtand erforderlich, ganz abgeſehen von den
Vortheilen, welche aus der Gegenſeitigkeit und Unterſtützung der
Viehzucht und des Landbaues entſpringen2). Welche Gattung von
Vieh man wählen ſoll, und unter dieſer, welche Raſſe die vortheil-
hafteſte ſei, das hängt von den localen Verhältniſſen des Gutes
und von den Verkehrsumſtänden ab.
¹⁾ Ueber die landwirthſchaftliche Betriebslehre ſ. m. Thaer Leitfaden zur
allgemeinen landwirthſch. Gewerbslehre. Berlin 1815. Deſſelben rat. Landw.
Bd. I. (vorzüglich). v. Crud Oekonomie der Landw. S. 1–162. Trautmann
Landw. L. II. 429. Burger Lehrbuch. II. 324. Koppe Unterricht. Bd. I.
(ſehr praktiſch). Block Mittheilungen. I. §. 287 folg. Geier Lehrbuch. §. 194.
v. Reider Landw. L. §. 294 folg. Schwerz Anleitung. Bd. III. (ausgezeichnet).
Putſche, Allgemeine Encyclopädie der geſammten Land- und Hauswirthſchaft der
Deutſchen. Leipzig 1825–1833. XII Bde. (Enthält auch die geſammte Landwirth-
ſchaftslehre u. ſ. w. und iſt eine Art Bibliothek.) Schnee, der angehende Pachter.
Halle 1829. 3te Aufl. André, Darſtellung der vorzügl. landw. Verhältniſſe ꝛc.
Prag 1831. 3te Aufl. von Rieger. — Koppe und Klebe Oekonomie oder die
Lehre von den Verhältniſſen der einzelnen Theile der Landwirthſchaft zu einander
und zum Ganzen. Leipzig 1831. 2 Thle. Nebbien, Einrichtungskunſt der Land-
güter auf fortwährendes Steigen der Bodenrente. Prag 1831. 3 Bde. vergl. mit
Rüder Landw. Zeitung. 1833. S. 153 (Auszüglich).
²⁾ Die Frage über die im Verhältniſſe zum Landbaue zu haltende Viehmenge
löst ſich in die zwei anderen auf, wie viele Arbeitsthiere und wie viel Dünger man
für die Wirthſchaft brauche. Erſteres findet man durch Veranſchlagung der jährlich
nöthigen thieriſchen Arbeit nach den bisher angegebenen Sätzen, mit ſteter Rückſicht
darauf, was man durch Ochſen, und was durch Pferde verrichten kann, denn die
Ochſen ſind unter übrigens gleichen Umſtänden wegen den geringeren Ankaufskoſten,
wegen des Düngers und Fleiſches (Mäſtung) vorzuziehen. Das Andere aber berech-
net man nach dem jährlichen Düngerbedarfe und nach dem Düngerertrage des
Viehes, der wieder von der Futtermenge abhängt, die man auf dem Landgute
ziehen kann. Richtet ſich zwar jener nach localen beſondern Umſtänden, ſo hat man
[256/0278]
²⁾ in Betreff des Lezteren allgemeine Erfahrungen (§. 148. Note 1.). Der Acker muß
für ſein geliefertes Stroh den Miſt bekommen, welcher aus 3 Theilen Stroh und
1 Theil Heu, oder beſſer aus 2 Theilen Stroh und 1 Theil Heu, oder 2 Theilen
Heu und 3 Theilen Stroh entſtanden iſt, wenn er in ſeinem gehörigen Zuſtande
bleiben ſoll (Thaer, Verſuch einer Ausmittelung des Reinertrags. S. 479. folg.).
Allein aus dem Streu- und Heuvorrathe kann man den Dünger noch nicht berech-
nen, das Gewicht des entſtehenden Düngers iſt größer. Die Erfahrung hat viel-
mehr Multiplicatoren angegeben, mit denen man den Streu- und Futtervorrath
multipliciren muß. Dieſe ſind 2 nach v. Flotow, 2,3 nach Thaer, 1,8 nach
Meyer, und 1,6 nach Schmalz, und haben ſich wirklich bei verſchiedenen Vieh-
raſſen und in verſchiedenen Gegenden erprobt. Eine ſolche Berechnung des zu
ziehenden Düngers iſt jedenfalls beſſer, als jene nach der Kopfzahl des Viehes,
weil dieſe im Mißverhältniſſe zur Wirthſchaft ſtehen kann. Allein auch durch die
Weide wird Miſt erzeugt, und man hat darüber Berechnungen angeſtellt. S. Thaer
ration. Landw. I. 233–285. Deſſelben Gewerbslehre. S. 121. v. Flotow,
Anleitung zur Verfertigung der Ertragsanſchläge. I. 68. Meyer, Ueber Gemein-
heitstheil. III. 69. Ueber Pachtanſchläge. S. 18. Schmalz, Veranſchlagung
ländlicher Grundſtücke. §. 24 folg. Burger Lehrbuch. II. 344. Thaer, Annalen
der niederſächſiſchen Landwirthſchaft. Jahrg. VI. Stück 4. S. 187 (Verhältniß
des Viehſtandes zum Ackerbau).
§. 208.
Fortſetzung.
2) Verkehrsmittel. Wenn der Grundbeſitz nicht ſo klein
iſt, daß man nur den Hausbedarf ziehen kann, und wenn auf dem
Landgute nicht andere techniſche Nutzungen in ſolcher Menge und
Ausdehnung ſind, daß in dieſen der Reſt an Producten nach Abzug
des eigenen Wirthſchaftsbedarfes verarbeitet wird; dann iſt der
Abſatz an landwirthſchaftlichen Producten und das Vorhandenſein
gehöriger Transportmittel und -Wege zur Fortſetzung des
landwirthſchaftlichen Betriebes unumgänglich nothwendig. Daher
iſt auch die Lage eines Gutes in Bezug auf die Bevölkerung des
Landes oder der Gegend, gegen den großen und kleinen Markt,
gegen gute Handelsſtraßen zu Land und zu Waſſer von eben ſo
großer Wichtigkeit, als es diejenigen Einrichtungen ſind, welche
den Unterſchied der Entfernungen von den Marktorten verringern,
z. B. Eiſenbahnen, Dampfwagen, herumziehende Getreide-,
Wolle-, Viehhändler u. dgl.1)
3) Tüchtige Arbeiter in zureichender Menge. Hier gilt,
was ſchon oben (§. 67 u. 68.) geſagt iſt2).
4) Hinreichendes Capital. Es ſind zum landwirthſchaft-
lichen Capitale zu rechnen: ſämmtliche landwirthſchaftliche Gebäu-
lichkeiten, das Saatkorn im weiteſten Sinne des Wortes, der
Dünger und die ſonſtigen Bodenverbeſſerungsmittel, die landwirth-
ſchaftlichen und Viehzuchtsgeräthſchaften aller Art nebſt den dazu
nöthigen periodiſchen Erhaltungs-, Reparatur- und ähnlichen
Koſten, das Nutzvieh, das Arbeitsvieh und ſein Geſchirre, nebſt
[257/0279]
Unterhaltungskoſten, das Hausgeräthe nebſt ſeinen Unterhaltungs-
auslagen, die Vorräthe an Producten der Feld-, Garten- und
Viehwirthſchaft, die ſonſtigen Natural- und Geldauslagen zum
Betriebe der Wirthſchaft, und die verſchiedenen zum Landgute ge-
hörigen Gerechtſamen, die den Ertrag erhöhen helfen. Bei der
Berechnung deſſelben muß man ſich ſehr hüten, etwas davon dop-
pelt zu rechnen.
5) Freiheit des Betriebes. Jede Beſchränkung dieſer Art
iſt gleich der Entziehung eines Theiles vom Capitale. Es gehören
hierher Leiſtungen in Geld und Naturalien (ſtändige und unſtändige
Gefälle, wie z. B. der Zehnte, die Gülten u. dgl. m.), perſönliche
Dienſtleiſtungen (Frohnden, Roboten oder Dienſte, die man rück-
ſichtlich des Maaßes in gemeſſene und ungemeſſene, aber rückſicht-
lich der Werkzeuge in Hand- und Spanndienſte eintheilt) und
verſchiedene Pflichtigkeiten (Weide- und Jagdpflichtigkeit), zu
welchen insgeſammt das Gut, ohne hinreichende wirthſchaftliche
Entſchädigung verpflichtet iſt.
¹⁾ Ueber den Ankauf von Landgütern bei Städten ſ. m. André Oekonomiſche
Neuigkeiten. 1812. Nro. 14–18.
²⁾ Ueber den Werth der Frohnddienſte ſ. m. Thaer Möglin. Annalen. I. 174.
Löhnung der Arbeiter in Naturalien. XIII. 438. Berechnung des wirthſchaftlichen
Tagelohns Thaer Annalen der niederſächſ. Landw. Jahrg. IV. Stück 2. S. 225.
Ueber Arbeitstheilung Schnee Landwirthſch. Zeitung. XIII. 107. 277. 289. 297.
Sinclair Grundgeſetze. S. 91.
II. Von der Organiſation des landwirthſchaftlichen
Betriebes.
§. 209.
Iſt der Staat der Eigenthümer des Landgutes, ſo heißt man
daſſelbe Domäne (Kammergut, Staatsdomäne u. dgl.), welchen
Namen man auch den fürſtlichen Privatlandgütern gibt. Gehöre
daſſelbe übrigens dem Staate, oder einer Gemeinde (in welchem
Falle man es Allmend, Gemeinheit u. dgl. nennt), oder einer
Stiftung, oder einer Korporation, oder endlich einem Privatmanne,
ſo kann es auf folgende Weiſe bewirthſchaftet werden: 1) durch
Selbſtverwaltung, indem nämlich der Eigenthümer ſelbſt oder
an deſſen Stelle ein beſoldeter Verwalter (Schaffner, Amtsver-
walter) mit mehreren untergebenen Beamten (Vögten) und Dienſt-
beten die Wirthſchaft betreibt. Man thut ſehr wohl daran, wenn
man dadurch, daß man die Beſoldung des Lezteren mit dem Guts-
ertrage ſteigen und fallen läßt, denſelben ſo in das Intereſſe mit
zu verflechten ſucht, daß er ſchon ſeines eigenen Vortheils willen
Baumſtark Encyclopädie. 17
[258/0280]
die Wirthſchaft ſorgfältig führt. Denn Nachläſſigkeit und Unter-
ſchlagung von Seiten derſelben iſt die ſchlimmſte Beziehung dieſer
Bewirthſchaftungsart1); 2) durch Verpachtung, d. h. indem
man daſſelbe einem Anderen gegen eine Vergütung (Pachtzins)
zur Nutzung überläßt. Geſchieht dies blos auf einige Jahre, dann
heißt ſie Zeitpacht, — auf die Lebenszeit des Pachters, dann
Vitalpacht, — endlich aber auf die Erben des Pachters, als-
dann Erbpacht2). Da ſich die Leztere mehr dem Eigenthume
nähert, ſo iſt ſie ſchon als Garantie für die ſichere Einnahme des
Zinſes (Kanons) ſehr vortheilhaft. Durch die Erſtere ſetzt ſich
der Eigenthümer aber einem Verderbniſſe des Gutes, weil der
Zeitpachter gerne nur ſeinen Vortheil und nicht den Schaden des
Eigenthümers berechnet, um ſo mehr aus, auf je kürzere Zeit der
Pachtcontrakt geſchloſſen iſt. Daher iſt auch die Vitalpacht, wenn
man in der Wahl des Pachters nicht ganz unglücklich iſt, der
Zeitpacht vorzuziehen. Uebrigens kommt es bei Allem vorzüglich
auf den ſorgfältigen Abſchluß des Pachtcontraktes und der ver-
ſchafften Garantien an3). 3) Durch Verleihung zu Lehen auf
beſtimmte Zeit, Erblehen und Schupflehen (bei welchen auch An-
dere als Erben ins Lehen eintreten können), oder in Erbbeſtand
gegen Dienſte, Natural- und Geldleiſtungen verſchiedener Art,
welche aber mehr zur Anerkenntniß der Oberherrlichkeit, denn als
Vergütung für die Nutzung erſcheinen. Wirthſchaftlich iſt dieſe
Methode für den Eigenthümer nicht, ſo edel und klug auch die
Gründe ihrer Einführung ſonſt ſein mögen.
¹⁾ Ueber den Charakter eines Wirthſchaftsbeamten: André Oekonom. Neuigk.
1811. Nro. 12. Beſoldung Nro. 52 Inſtruction 1815. Nro. 41 folg.
²⁾ Ueber Verpachtung ſ. m. Thaer ration. Landw. I. 80. André Oekonom.
Neuigkeiten. 1813. Nro. 53 folg. 1814. Nro. 13 folg. Schnee Landw. Zeitung.
IX. 361–393. XIV. 294. 489. 501. XV. 101., im Vergleiche mit der Verwal-
tung I. 369. II. 21. 253., Verpachtung an den Meiſtbietenden IV. 357. 582.
X. 289. Thaer Annalen des Ackerbaues. II. 670. Ueber Zeit- und Erbpacht
Thaer Möglin. Annalen. III. 449. Rüder Landw. Zeitung. 1833. S. 221.
Schnee Landw. Zeitung. I. 539. Thaer Annalen des Ackerbaues. VII. 452
³⁾ Die Fertigung der Pachtcontrakte iſt äußerſt ſchwierig, und meiſtens an
Localitäten hängend. Wichtige Punkte dabei ſind: die Länge der Pachtzeit, die
Größe des Pachtzinſes, die Termine ſeiner Zahlung, die Gewährleiſtung des Pach-
ters, die Veränderungen der Pachtſtücke, die Behandlung der Untergebenen, die
Ceſſion der Pacht, die Art der Uebernahme und die Unterhaltung des Kapitales,
die Art und Höhe der Caution, die Remiſſionen (totale und partiale), und die
Aufſtellung eines ſorgfältigen Inventariums über alle zum Gute gehörige und über-
nommene Realitäten. Es iſt daher die Controle beim Abzuge des alten Pachters
und die Abrechnung deſſelben mit dem aufziehenden neuen Pachter von äußerſter
Wichtigkeit, weil es ſich dabei um Schadenerſatz von Seiten des Erſteren an das
Gut, und um Entſchädigung von Seiten des Lezteren an den Erſteren handelt.
v. Thumb, Handbuch über Pacht- und Verpachtungs-Verträge. Wiesbaden 1822.
Stenger, Ueber das Verpachtungsgeſchäft. Berlin 1820. v. Ferber, Ueber
[259/0281]
³⁾ landwirthſchaftliche Contrakte. I. Thl. Kauf-, II. u. III. Thl. Pacht-Contrakte.
Schwerin und Roſtock 1801. 1804. 1817. v. Griesheim, Anleitung zum Han-
deln bei Kauf ... und Pacht ... ꝛc. Jena 1809. Meyer, Grundſätze zur Ver-
fertigung richtiger Pachtanſchläge. Hannover 1809.
III. Von der Leitung des landwirthſchaftlichen
Betriebes.
§. 210.
1) Verſuche. 2) Betriebsarten.
Sowohl von Seiten des Gutsverwalters als von Seiten des
Pachters iſt dies die wichtigſte Thätigkeit. Sie zerfällt in folgende
Hauptzweige:
1) Wahl und Betrieb der Verſuche. In allen Zweigen
der Feld- und Gartenwirthſchaft ſo wie der Viehzucht iſt in dieſer
Hinſicht noch außerordentlich viel zu thun, ſo daß die Wiſſenſchaft
ſelbſt bei größter Weitläufigkeit auch nicht einmal annäherungs-
weiſe erſchöpfend ſein kann. Beſonders haben die landwirthſchaft-
lichen Vereine mit ihren Feldern hierfür einen herrlichen Wir-
kungskreis, nicht blos um die Verſuche im Kleinen zu beginnen,
ſondern auch hauptſächlich um auf ihre Fonds die Capitalauslagen
für ſolche Verſuche zu nehmen, welche nur im Großen angeſtellt
werden können, und deshalb von Einzelnen vermieden werden.
Umſicht, Allſeitigkeit, Hervorhebung der verſchiedenartigſten Be-
ziehungen, durchgehende Combination, ſcharfſichtige Beobachtung,
und ſtrenge ſorgfältige Aufzeichnung der Reſultate jeder Art mit
Angabe ihrer wirklichen oder wahrſcheinlichen Urſachen ſind dabei
die erſten unerläßlichen Bedingungen1). Ein mißlungener Verſuch
iſt, wenn auch wirthſchaftlich nachtheilig, dennoch immer wichtig,
und darf von einer Wiederholung nicht in allen Fällen abſchrecken.
2) Wahl und Leitung der Betriebsarten. Der oberſte
Grundſatz hierbei iſt, daß man durch einen zweckmäßigen Zuſam-
menhang aller Theile des ganzen Betriebs dieſe im Ganzen und
Einzelnen ſo vollſtändig und vortheilhaft als möglich, ohne der
Wirthſchaft die Nachhaltigkeit zu rauben, benutze, um ſo mit der
geringſten Mühe und Auslage, nicht blos ohne Verderbniß des
Gutes, ſondern auch mit, wo möglich, ſteigender Verbeſſerung
deſſelben, den größten Reinertrag beziehen zu können. Das Erſte,
um dies zu erreichen, iſt daher eine zweckmäßige Vertheilung,
Verbindung und Folge der Arbeiten, welche nur die Erfahrung
lehren kann und feld- und gartenwirthſchaftliche Kalender an-
geben (§. 69.); das Zweite aber iſt eine ſyſtematiſche Anordnung
(Organiſation) und Zuſammenhaltung der Hauptnutzungszweige
17 *
[260/0282]
eines Landgutes. Es gibt mehrere Arten derſelben, und man
nennt ſie landwirthſchaftliche (Feldbau- oder Wirthſchafts-)
Syſteme2).
¹⁾ Es gehört dazu ein eigenthümliches Talent, und einzelne Beiſpiele ſind
darüber wohl belehrender als allgemeine Regeln. So hat z. B. Metzger neuer-
dings meiſterhafte, in ihrer Art einzige, Verſuche über die Kohlarten angeſtellt und
bekannt gemacht. S. §. 161. Note 4. a. E.
²⁾ Ueber die Felderſyſteme ſ. m. außer den im §. 207. Note 1. genannten
Schriften noch v. Seutter, Darſtellung der vorzügl. Hauptlandwirthſchaftsſyſteme.
Lübeck 1800. vergl. mit Thaer engl. Landw. I. 529. 605. II. 225. III. 135.
172. Koppe, Reviſion der Ackerbauſyſteme. Berlin 1818. Nachtrag 1819.
Kreyſſig, Oekonom. und phyſikaliſche Beleuchtung der wichtigſten Feldbau- oder
Wirthſchaftsſyſteme Europas. Leipzig 1833. André Oekonom. Neuigkeiten. 1811.
Nro. 6. 7. Thaer Mögliniſche Annalen. XX. 76 (v. Kreyſſig). XXII. 94.
Schnee Landw. Zeitung. IX. 65. XIV. 489. 501. 509. Thaer Annalen des
Ackerbaues. V. 275.
§. 211.
Landwirthſchaftliche Syſteme.
Sind die Fragen entſchieden, welche Productionen den ſicher-
ſten und lohnendſten Abſatz haben, welche davon dem Boden und
Klima eines Landgutes am meiſten entſpricht, welche Mittel am
zuverläſſigſten und wohlfeilſten zu ihrer Ausführung helfen, ſo
ſchreitet man zur Wahl des landwirthſchaftlichen Syſtemes. Es
muß nach dem im vorigen §. angegebenen Grundſatze dasjenige
Syſtem am vollkommſten ſein, welches das beſte Verhältniß der
Pflanzen- und Thierzucht herſtellt, die Bodenkraft, den Dünger
und den Standort für die Gewächſe am beſten anwendet, Zeit
und Koſten am beſten verwendet, und die Naturkräfte am beſten
zu Gute macht1). Da die Gewächſe den Boden in verſchiedenen
Graden ausſaugen2), eine Pflanzengattung fruchtbareren und die
andere einen weniger reichen Boden verlangt, und da das Feld,
wenn es in gehörigem Zuſtande erhalten werden ſoll, nicht blos
für das Arbeits-, ſondern auch für das Düngervieh das Futter
liefern muß, ſo iſt die Einführung einer Abwechſelung in dem
Anbaue des Gutes mit Früchten (d. h. eine zweckmäßige Frucht-
folge, Rotation, ein Turnus, Umlauf) von höchſter Wich-
tigkeit3), um in Zwiſchenzeiten den Acker zum Fruchttragen wieder
gehörig vorzubereiten. Man hat daher verſchiedene Syſteme zu
dieſem Zwecke erfunden, nämlich folgende:
1) Felderſyſteme. Ihr Charakteriſtiſches iſt, daß ein Theil
des Bodens abgeſondert beſtändig zu Grasland (Wieſen und Wei-
den), ein anderer zu Ackerland liegen gelaſſen und benutzt wird,
und blos auf Lezterem ein Turnus, aber auch nur mit Nichtfutter-
[261/0283]
gewächſen Statt findet. Dieſe Syſteme ſind wegen des gewöhn-
lichen Mangels an Grasland zum Unterhalte von ſo viel Vieh, als
zur Production der Düngermenge nothwendig gehalten werden
muß, wenn das Feld im tragbaren Zuſtande ſein ſoll, um ſo ver-
werflicher, als das Ackerland durch mehrjähriges Tragen ausſau-
gender Früchte unverhältnißmäßig dungbedürftiger iſt, denn anderes.
Nach Ablauf mehrerer Jahre des Anbaues tritt immer ein Jahr
der Ruhe ein, wo Brache gehalten und gedüngt wird. Um nun
jährlich bauen zu können, zertheilt man das Ackerfeld in mehrere
Theile (Felder), wovon jährlich Einer brach liegt. Begreiflich
wird die Brache um ſo häufiger kommen, je geringer die Anzahl
der Felder iſt. Es gibt bis jetzt ein Fünf-, Vier- und Drei-
felderſyſtem, bei welchem lezteren man wieder ein ein-, zwei-,
drei- und vierfältiges unterſcheidet, je nachdem es 3, 6, 9
oder 12 Felder zum Turnus hat4).
2) Wechſelſyſteme. Ihr Charakteriſtiſches iſt, daß ſie den
Gras- und ſonſtigen Futterbau mit in die Rotation aufnehmen,
und nicht auf abgeſonderten Feldern betreiben. Je nach der Be-
nutzungsart des Feldes in der Rotation unterſcheidet man hier
wieder:
a) Die Koppelwirthſchaften (Weide-Wechſelwirthſchaf-
ten), wobei das ganze Feld in 10–14 Koppeln oder Schläge,
von denen ein Theil jedes Jahr zur Weide niedergelegt, beſaamt
und benutzt iſt. In Deutſchland ſind die holſteiniſche, meklen-
burgiſche und märkiſche Koppelwirthſchaften die ausgezeich-
netſten5).
b) Die Freiwirthſchaften (Stallfütterungs-Wechſelwirth-
ſchaften, die Wechſelſyſteme im engen Sinne, die engliſchen Sy-
ſteme), wobei das Feld nach einem freien Plane, ohne Weide
abgeben zu müſſen, mit Nichtfutter- und Futterbau in beſtimmtem
Turnus ſo beſtellt wird, daß man Stallfütterung halten kann6).
¹⁾ Kreyſſig Wirthſchaftsſyſteme. §. 12–61.
²⁾ Ueber Ausſaugung der Bodenkraft durch Pflanzen ſ. m. Kreyſſig's Aufſatz
in Thaer's Möglin. Annalen. XVIII. 105. und Rüder Landw. Zeitung. 1833.
S. 190.
³⁾ Man ſ. Kreyſſig's Abhandlung darüber in Thaer Möglin. Annalen.
XI. 321.
⁴⁾ Koppe Unterricht I. 247. erwähnt auch eine Zweifelderwirthſchaft. Dieſes
Syſtem iſt um ſo ſchädlicher, je länger das Feld ohne Dünger zu tragen hat, alſo
iſt das Fünf- und Vierfelderſyſtem ſchädlicher als das Dreifelderſyſtem. Dieſes aber
iſt ein verbeſſertes, wenn beſommerte Brache dabei eingeführt iſt, wie bei den
zuſammengeſetzten Arten deſſelben. Kreyſſig Wirthſchaftsſyſteme. §. 62 folg.
André Oekonom. Neuigkeiten. 1811. Nro. 3. 46. 49. 50. 58. 1816. Nro. 25.
Schnee Landw. Zeitung. III. 133. IV. 157. 169. XII. 237. Thaer Annalen
des Ackerbaues. II. 15.
[262/0284]
⁵⁾ Die Holſteiniſche hat die Weidejahre, die Meklenburgiſche aber die Frucht-
und Brachſchläge vorherrſchend, und die Märkiſche hat den Bau der Hackfrüchte in
die Hauptſchläge aufgenommen. Man unterſcheidet in Meklenburg Haupt-, Außen-
und Nebenſchläge in Bezug auf die Lage, aber Weide-, Saat- und Brachſchläge in
Betreff ihres Zuſtandes. Kreyſſig Wirthſchaftsſyſteme. §. 127 folg. § 192 folg.
Thaer Annalen der niederſächſ. Landw. Jahrg. VI. Stück 2. S. 330. Thaer
Annalen des Ackerbaues. II. 259. 371. VII. 585. XII. 552 (Holſteiniſche). Auch
die Egarten wirthſchaft gehört hierher. Man. ſ. darüber Herrmann Beſchreib.
der Egartenwirthſchaft in Salzburg ꝛc. Stuttgart 1819.
⁶⁾ Man verzeihe den neuen Namen „Freiwirthſchaften!“ Er ließe ſich
vielleicht gründlich vertheidigen. Ueber dieſes Syſtem vrgl. man aber noch insbe-
ſondere Kreyſſig Wirthſchaftsſyſteme. §. 354–464. André Oekonom. Neuigk.
1811. Nro. 28. 1812. Nro. 8. 40. 1813. Nro. 14 folg. Thaer Annalen der
Fortſchritte der Landw. I 317. Deſſelben Annalen des Ackerbaues. I. 504.
III. 105. IV. 169. V. 180. VII. 395. Schnee Landw. Zeitung. V. 211. VI. 161.
381. VII. 157. 205 folg. IX. 133. 278. X. 53. 194. XII. 62. Karbe, Ein-
führung der engl. Wechſelwirthſchaft. Berlin 1805. = Thaer Annalen der nieder-
ſächſiſchen Landw. Jahrg. IV. Stück 3. S. 359. 403. Meyer, Vom Fruchtwechſel
und Futterbau. Berlin 1804. Friederich, Herzog zu Schleswig-Holſtein-Beck.
Ueber die Wechſelwirthſchaft. Leipzig 1803. = Thaer Annalen der niederſächſ.
Landw. Jahrg. V. Stück 3. S. 163. Fiſcher, Anleitung zur Wechſelwirthſch.
Prag 1817. v. Forſtner, Dreifelder- und Wechſelwirthſchaft. Ulm 1818. Pohl
Archiv der teutſchen Landwirthſchaft. 1817. May. Juni., beſonders abgedruckt
unter dem Titel: Schweitzer, die Wechſelwirthſchaft. Berlin 1817.
§. 212.
3) Grund- und Lagerbücher.
Je größer das Gut iſt, um ſo ſchwieriger iſt es, beſonders
beim engliſchen Wechſelſyſteme und bei der verbeſſerten Dreifelder-
wirthſchaft, ſeinen Beſtand zuſammen zu faſſen, ohne äußere Hilfs-
mittel. Ganz abgeſehen alſo von den Vortheilen, welche eine
Gutsbeſchreibung bei Anſchlägen, Verkäufen, Verpachtungen,
Erbverhältniſſen u. dgl. gewährt, ſo iſt ſie ſchon für den jährlichen
Betrieb vielfach unentbehrlich. Eine ſolche Beſchreibung gewährt
das Grund- und Lagerbuch mit ſeinen Beilagen, als da ſind:
eine vollſtändige Charte nebſt einzelnen Plänen, ein Vermeſſungs-
und Klaſſirungs- oder Bonitirungsregiſter, ein Gebäude-, Wehr-
und Brückenverzeichniß, ein Verzeichniß ſeiner ſämmtlichen Gerech-
tigkeiten, und ein ſolches ſeiner ſämmtlichen Pflichtigkeiten. Ohne
genaue Kenntniß der Angaben, welche dieſe Schriften gewähren,
darf und kann auch keine richtige Rotation eingeführt werden.
Nach ihnen bildet ſich der Director der Wirthſchaft den Nutzungs-
plan, der natürlich nach dem Felderſyſteme verſchieden iſt, und
periodiſch im Einzelnen wechſelt. Dieſe Veränderungen müſſen aber
beſonders bemerkt werden, damit man den ganzen Verlauf der
Rotation deutlich verfolgen und überſehen kann. Die Wichtigkeit
dieſer Einrichtung iſt klar, denn von ihr hängt zunächſt die Be-
ackerung, Bedüngung und Beſaamung des Feldes ab.
[263/0285]
IV. Von der landwirthſchaftlichen Betriebswirthſchaft.
§. 213.
1) Landwirthſchaftliche Betriebsausgaben.
Die Betriebswirthſchaft hat auch hier die Ausgaben zu be-
ſtreiten, die Einnahmen zu beziehen und über Beides Rechnung
zu führen (§. 126.). Die landwirthſchaftlichen Betriebsaus-
lagen, oder die Verwendungen des Betriebskapitals geſchehen:
a) Für die materielle Verbeſſerung oder Erhaltung
des Bodens durch Dünger, Reitzmittel, Mengemittel u. dergl.,
ganz gleichgiltig, ob man ſie in Natur vom eigenen Gute und
Hofe bezieht, oder aber von Anderen kaufen muß.
b) Für Anſchaffung und Unterhaltung des ſtehenden
Capitals, an Gebäulichkeiten, Geräthſchaften, Arbeits- und
Nutzvieh ſammt Geſchirre, Hausrath und Gerechtſamen, — und
des umlaufenden Capitals, an Saatkorn im weiteſten Sinne
des Wortes und an Productenvorräthen anderer Art, ſowohl in
Natur als Geld.
c) Für Beſoldung, Löhnung und Unterhaltung der
Beamten, Dienſtboten und Arbeiter, ſowohl in Natur als in Geld.
Alle dieſe Ausgaben laſſen Abtheilungen bis ins Allerkleinſte
zu und werden auch ſo in mancher Hinſicht nicht erſchöpfend ſein.
Was aber die Art ihrer Beſorgung anbelangt, ſo hat man
neuerdings vielfach angefangen, um Erſparniſſe zu machen, Stück-
oder Gedingarbeit, wo es immer thunlich iſt, anzuwenden.
Allein einem ſolchen Syſteme unbedingt anzuhängen, gehört un-
fehlbar zu den perſönlichen Liebhabereien und bringt der Wirth-
ſchaft ohne allen Zweifel Schaden. Aber mit Vorſicht am gehörigen
Orte angewendet, kann es große Vortheile gewähren (§. 68.).
§. 214.
2) Landwirthſchaftliche Betriebseinnahmen.
Das rohe Einkommen bei dem landwirthſchaftlichen Betriebe
beſteht aus:
a) Naturaleinnahmen an Feld-, Garten- und Thierpro-
ducten. Auch hier gibt es Haupt- und Nebenproducte, welche
ſämmtlich nach ihrer Eigenthümlichkeit aufbewahrt werden müſſen.
Die deshalb errichteten Anſtalten und erbauten Magazine ſammt
innerer Einrichtung ſind daher außerordentlich manchfaltig.
b) Geldeinnahmen aus dem Verkaufe roher Producte.
Derſelbe geſchieht auf die verſchiedenſte Weiſe an die Conſumenten
[264/0286]
ſelbſt oder an Händler. Es kommt auf den Ort und die Zeit des
Verkaufes an, ob man die richtigen, einem hohen Preiſe günſtigen,
Verhältniſſe trifft.
c) Oft finden ſich auf Landgütern auch techniſche (gewerkliche)
Nutzungszweige, wie Brennereien, Brauereien, Mühlen, Bleichen
u. dgl. Dieſe können nicht blos eine vortheilhafteſte Verwerthung
der Rohproducte für die eigentliche Landwirthſchaft, ſondern auch
für ſich ſelbſt große Einnahmen geben. Auch ihre Einnahmen in
Geld und Natur ſind mit zu berechnen. Doch aber haben ſie eine
beſondere Bewirthſchaftung.
Der Reinertrag iſt zu finden, wenn nach Abzug der Betriebs-
ausgaben von den Einnahmen ein Reſt der Lezteren übrig bleibt,
und wenn man von dieſem noch in Abzug bringt: 1) die Zinſen
des Betriebscapitals; 2) die Statt findenden Abgänge an Natural
und Geld; 3) etwaige Transportkoſten und damit verbundene Ab-
gaben; 4) Proviſionen, Gebühren u. dgl. mehr. Dieſe Abzüge
ſind von höchſter Bedeutung, aber ſehr verſchieden.
§. 215.
3) Landwirthſchaftliche Buchführung.
Auch bei dieſer Buchhaltung1) gelten die allgemeinen Grund-
ſätze jeder Buchführung (§. 79–82.). 1) Die gewöhnliche ein-
fache Buch- (Regiſter-) führung beſteht außer dem Jour-
nale und Manuale noch aus einem Geld-, einem Naturalien-
und einem Vieh-Rechnungsbuche. Allein ſie iſt mangelhaft,
da ſie z. B. ſchon kein beſonderes Arbeitsbuch führt. 2) Eine
andere iſt die Tabellarmethode, nach welcher man neben den
Hauptbüchern beſondere überſichtliche Tabellen für Ausſaat,
Ernte, Dünger, Arbeit u. ſ. w. führt, aus denen man die
Poſten in das Hauptbuch überträgt. Aber es iſt 3) die doppelte
Buchhaltung um ſo nöthiger, je complicirter der Betrieb und
ſchwerer die Controle iſt. Iſt ſie eingeführt, ſo liegt es auch in
ihrem Charakter, daß jeder Zweig der Wirthſchaft im Hauptbuche,
gleichſam als Perſon, ſeinen beſondern Conto hat, alſo z. B. in
einer Pachtwirthſchaft ein allgemeiner, und ein jährlicher Pacht-
conto, Getreidebau-, Schäferei-, Kuherei-, Schweine-, Garten-,
Wieſen-, Weide-, Gefäll-, Dienſt-, Brau-, Brenn-, Mühlen-
Conto u. dgl. m. vorkommt. Daneben aber werden ſo viele beſon-
dere Journale (Tagebücher) geführt, als Hauptwirthſchaftszweige
vorhanden ſind, als z. B. ein Caſſa-, Naturalien-, Arbeits-,
Viehzuchts-Journal, Journale für die Nebengewerbe, und ein-
[265/0287]
zelne Spezialrechnungen, wie z. B. über Ernte, Druſch, Saat,
Düngung u. dgl. m.
¹⁾ Gewöhnlich theilt man die Buchhaltung der Landwirthſchaft in eine ſte-
hende (§. 212.) und eine umlaufende oder jährliche ein, unter welcher
lezterer man die im §. oben ſkitzirte verſteht. Man ſ. über dieſelbe außer den in
§. 207. Note 1. erwähnten Werken noch Beckmann die landwirthſchaftliche dop-
pelte Buchhaltung. Cöslin 1829. Elze doppelte ökonomiſche Buchhaltung. Leipzig
1830. Kobatz Anweiſung zur doppelten Buchhaltung für die Landwirthſchaft.
Wien 1830. 2 Bde. Meißner Darſtellung einer leichten Methode, Landwirth-
ſchaftsrechnungen nach kaufmänniſcher Art zu führen Berlin 1807. Müller, das
landwirthſchaftliche Rechnungsweſen. Braunſchweig 1820. Thaer Annalen des
Ackerbaues IV. 123. 467. V. 553. 575. 609 folg. André Oekonom. Neuigkeiten.
1813. Nro. 41. u. A.
V. Von der Verfertigung landwirthſchaftlicher
Anſchläge.
§. 216.
Arten der Anſchläge.
Man muß bei den Landgütern die Ertragsanſchläge von
Gutsanſchlägen unterſcheiden. Jene ſind ſchon im Namen de-
finirt, dieſe aber ſind Schätzungen des wirklichen Capitalwerthes
von Landgütern. Als eine beſondere Art von Gutsanſchlägen
müßten eigentlich die Grundanſchläge erſcheinen, unter denen
man die Beſtimmung des Capitalwerthes der Bodenfläche des Gutes
mit dem Zugehörigen verſteht, wenn man nicht den lezteren Aus-
druck gewöhnlich mit jenem als gleichbedeutend gebrauchen würde.
Die Pachtanſchläge ſind eben ſo nur eine Modification der
Ertrags-, wie die Kaufanſchläge eine ſolche der Gutsanſchläge
ſind. Auch hier dienen Informationen und Auszüge als die
eigentlichen Mittel zum Auffinden derjenigen Thatſachen, welche
zur Fertigung eines Anſchlages unentbehrlich ſind (§. 129 u. 130.).
Man macht die Anſchläge entweder in Pauſch und Bogen oder auf
die Grundlage einer genauen Erörterung des Capitalwerthes und
Ertrages im Einzelnen. Die leztere Methode iſt die müheſamſte,
aber auch die ſicherſte. Auch kann man durch Capitaliſirung des
durch einen Ertragsanſchlag gefundenen Reinertrags den Capital-
werth eines Landgutes bei üblicher Betriebsart berechnen 1).
¹⁾ v. Jordan, Ueber Abſchätzung der Landgüter. Prag 1800. Nicolai,
Grundſätze der Verwaltung des Domänenweſens im preuß. Staate. Berlin 1802.
2 Thle., beſonders der II. Thl. Borowsky, Preuß. Finanz- und Cameralpraxis.
Berlin 1805. 2 Bde., beſonders der I. Bd. Sturm, Lehrb. der Cameralpraxis.
Jena 1810. Thaer, Ueber Werthſchätzung des Bodens. Berlin 1811. Deſſelb.
im §. 138. Note 1. angegebenen zwei Schriften. 1812 und 1813. v. Flotow,
Anleitung zur Verfertigung der Ertragsanſchläge. Leipzig 1820. 1822. 2 Bde.
v. Daum, Materialien zu einer verbeſſerten Abſchätzung des Acker-, Wieſen- und
[266/0288]
¹⁾ Weidebodens. Berlin 1828 (IIter Theil ſeiner citirten Beiträge). Schmalz,
Anleitung zur Veranſchlagung ländlicher Grundſtücke. Königsberg 1829. Linke,
Grundſätze zur Abſchätzung des Reinertrags ꝛc. Halle 1832. Krauſe, Ueber Ge-
meinheitstheilungen. III Hefte. Gotha 1833. Kretzschmer, Oeconomia forensis.
Berlin 1833. 2 Bde. 4. Beckmann, Ueber Taxen und Abſchätzungen ländlicher
Grundſtücke. Cöslin 1833. Außerdem ſ. m. §. 209. Note 3., praktiſche landwirth-
ſchaftliche Schriften jeder Art, und die offiziellen Taxationsprinzipien einzelner
Staaten.
§. 217.
Informationen, Auszüge und Beſichtigung.
Man beginnt am beſten mit Beſichtigung aller Realitäten
des Landgutes, um ſpäter durch dieſes Geſchäft nicht mehr auf-
gehalten zu ſein, und läßt ſich die Regiſtratur öffnen und die Wirth-
ſchaftsbücher ausliefern. Hierauf kann die Veranſchlagung der
Gefälle und Gerechtſame folgen. Nach ihr beginnt zuerſt die Ver-
anſchlagung des Feldbaues, dann des Gartenbaues, hierauf der
Viehzucht und endlich der gewerklichen Nutzungen des Landgutes.
Iſt die Klaſſirung (Bonitirung) des Bodens nicht ſchon früher
geſchehen, ſo wird ſie mit Anfang der Veranſchlagung des Feld-
baues vorgenommen. Allein bei allen Zweigen des Betriebes iſt
es gut, ſowohl die Informationen als auch die Auszüge
jedesmal, als Materialſammlungen, voraus vorzunehmen und zu
fertigen. Beim Feldbaue betreffen die Auszüge Saat, Ernte
und Druſch, den Heuerwachs, den Grünfutterwachs, die Ver-
zehrung des Hausgeſindes, deſſen Speiſeordnung, und hiernach
wird die Futter- und Streuberechnung, auf dieſe hin die Quan-
tität des füglich zu haltenden Viehes, dann die Einſaat, die abzu-
gebenden Zehnt- und Zinsfrüchte, der Dreſcherlohn, der Verbrauch
an Naturalien für Arbeitsvieh, Geſinde und Arbeiter berechnet,
worauf die Berechnung des Inventariums in Betreff der Abnutzung
und Unterhaltungskoſten folgt, um ſo den Roh- und Reinertrag
des Feldbaues zu beſtimmen und in eine Rechnung zu bringen.
Bei dem Gartenbaue und den einzelnen Theilen der Viehzucht und
der gewerklichen Nutzungen iſt die Veranſchlagung nicht ſo com-
plicirt im Rechnungs-, Informations- und Auszugsweſen. Unter
dem zu veranſchlagenden Gartenbaue begreift man blos die
Gemüſe- und Obſtgärten. Bei der Viehzucht folgt jedesmal bei
jedem Zweige auf die Ermittelung der Menge des zu haltenden
oder gehaltenen Viehes, die Berechnung des Rohertrages nach den
ſich von ſelbſt ergebenden Nutzungen, und alsdann jene des Rein-
ertrages durch Berechnung und Abzug der Koſten. Daſſelbe iſt
auch allgemeine Regel bei den Gewerksnutzungen des Landgutes.
Sind dergeſtalt alle Reinerträge der einzelnen Zweige des Land-
[267/0289]
gutes ermittelt, ſo ſtellt man ſie zuſammen in eine Rechnung.
Das Reſultat iſt aber noch nicht der eigentliche Gutsreinertrag
im Ganzen. Es müſſen vielmehr jetzt erſt noch alle Ausgaben,
Verluſte u. dgl. zuſammengeſtellt und abgezogen werden, welche das
ganze Landgut betreffen. Mit dieſen kommen auch, wenn es nicht
ſchon bei den einzelnen Rechnungen geſchehen iſt, die Zinſen des
Inventariums und jene des Betriebskapitals in Abzug. Der Reſt
iſt der Reinertrag.
§. 218.
Fertigung der Anſchlagsakten.
Von dieſer Arbeit gilt das bereits oben (§. 131.) Geſagte,
wobei man blos den Gegenſtand, um welchen es ſich handelt, zu
verändern braucht.
III. Buch.
Forſtwirthſchaftslehre.
Einleitung.
§. 219.
Die Forſtwirthſchaftslehre iſt die wiſſenſchaftliche Dar-
ſtellung der Grundſätze und Regeln, wonach die pflanzlichen und
thieriſchen Körper wilder Art mit Unterſtützung der menſchlichen
Kunſt erzeugt und erhalten werden (§. 42.). Die Wald- und
Hainpflanzen und das Wild ſind ihre Gegenſtände. Das wichtigſte
Wild lebt in den Wäldern und kann daſelbſt großen Schaden an-
richten, ſo wie auch leicht die Grenzen der Waldungen überſchrei-
ten. Darum muß das Waidwerk mit der Forſtwirthſchaft betrieben
werden. Die natürlichſte und erſte Ernährungsart der Menſchen,
ehe ſich das zeigt, was man Gewerbe nennt und erſt beim Beginne
der Landwirthſchaft bemerkt, iſt die Jagd. Weil aber in den
Urzeiten der Erdboden überall, wie noch in Amerika zu bemerken
iſt, mit Wäldern überſäet war, blieb der Gedanke an den Wald-
betrieb ſo lange ferne, als man nicht wegen Ueberhandnahme der
Bevölkerung einen Holzmangel befürchtete oder fühlte. So kam es
denn, daß in unſeren abendländiſchen Staaten ſelbſt jetzt noch
fühlbar iſt, daß früher die Forſtleute hauptſächlich Jäger waren,
denen man auch den Hieb der Waldungen überließ. Nebenbei war
das Forſtweſen zu einem Regale geworden und die Privaten
[268/0290]
beſaßen wenige oder gar keine Waldungen. Geſellt ſich endlich
noch der Umſtand hinzu, daß ſich über die Waldwirthſchaft nur in
einigen Jahrzehenten Verſuche und Erfahrungen genügender Art
machen laſſen, ſo iſt leicht einzuſehen, warum die Forſtwirthſchafts-
lehre erſt vor 120 Jahren in dem Bereiche der Möglichkeiten er-
ſchien, erſt eigentlich in der Mitte des vorigen Jahrhunderts
anfängt, dieſen Namen zu verdienen, und endlich im lezten Fünft-
theile deſſelben ſich wirklich in die Reihe der Wiſſenſchaften ſtellen
durfte1). Es hat ſich beſonders Beckmann (1756) nebſt ſeinen
Beurtheilern Büchting und Käpler, dann auch Moſer (1757),
Cramer (1766), Gleditſch (1774) um ihre Bearbeitung viele
Verdienſte erworben. Allein erſt v. Burgsdorf ſchrieb ein Syſtem
derſelben, und gründete ſo die Wiſſenſchaft, um deren Bearbeitung
und Förderung ſich neuerdings mehrere Theoretiker und Praktiker
in hohem Grade verdient gemacht haben2). Jedoch die Natur
dieſer Wiſſenſchaft und die Unordnung, mit welcher man in
früherer Zeit zum Theile in den Waldungen wirthſchaftete, zum
Theile Erfahrungen ſammelte, ſind die Gründe, warum eigentlich
bis auf den heutigen Tag noch mehr dunkle als aufgeklärte Plätze
im Gebiete der Forſtwiſſenſchaft ſind, trotz dem daß die beſon-
dere Forſtwirthſchaft einzelner Länder und Gegenden für die
allgemeine Forſtwiſſenſchaft viele Beobachtungen darbietet und
die Leztere die Naturgeſchichte, Mathematik, Phyſik und
Chemie durch beſondere Anwendung ihrer Lehrſätze als weſent-
liche Theile in ſich hineingezogen hat.
¹⁾ Ueber die Geſchichte der Forſtwirthſchaft und Forſtwiſſenſchaft ſ. m. Anton.
Geſchichte der teutſchen Landw. (ſ. §. 132 oben) Stiſſer, Forſt- und Jagd-
hiſtorie der Deutſchen. Jena 1737. Vermehrte Auflage von Franken. Leipz. 1754.
Moſer Forſtarchiv. Thl. XVI. S. 179–207. Walther, Grundlinien der Forſt-
geſchichte. Gießen 1816. Hazzi, Aechte Anſichten der Waldungen. München 1805.
2 Bde. I. S. 5–144. Beckmann, Oekonom. Bibliothek. Bd. III. XIV. u. XVII.
Außer Anton nichts Vollſtändiges, das Meiſte noch zerſtreut.
²⁾ Beckmann, Anweiſung zu einer pfleglichen Forſtwiſſenſchaft. Chemnitz
1759. 4te Aufl. 1785. Deſſelben Verſuche von der Holzſaat. Ebendaſ. 1756.
4te Auflage 1777. Deſſelben Beiträge zur Verbeſſerung der Forſtwiſſenſchaft.
Ebendaſ. 1763. 3te Aufl. 1777. 4. Neue Ausg. dieſer Schriften von Laurop.
Leipzig 1805. III Bde. Moſer, Grundſätze der Forſt- Oekonomie. Leipzig 1757.
II Bde. Cramer, Anleitung zum Forſtweſen. Braunſchweig 1766. Folio. Neue
Auflage 1797. 4. Gleditſch, Syſtematiſche Einleitung in die Forſtwiſſenſchaft.
Berlin 1774. 1775. II Bde. 8. v. Burgsdorf, Verſuch einer Geſchichte vorzüg-
licher Holzarten. Berlin 1783–1800. II Thle. in 3 Bänden. Deſſelben Forſt-
handbuch. I. Thl. Berlin 1788. 4te Auflage 1800. II. Thl. Berlin 1796. 3te
rechtmäßige Ausgabe Berlin 1805. Walther, Lehrbuch der Forſtwiſſenſchaft.
Gießen 1803. I. 2te Aufl. und II. 1809. Medicus Forſthandbuch. Tübing. 1802.
Meyer Forſtdirectionslehre (Würzburg 1810. in 4.). §. 173–558. S. 198–584.
Hartig, Lehrbuch für Förſter. Stuttgart 1828. III Bde. 7te Aufl. Deſſelben
Forſtwiſſenſchaft in gedrängter Kürze. Berlin 1831. Hundeshagen, Encyclopädie
der Forſtwiſſenſchaft. Tübingen 1828–1830. III Bde. 8. 2te Aufl. Klein Forſt-
[269/0291]
²⁾ handbuch. Frankfurt 1826. Cotta, der Waldbau. Dresden. 3te Auflage. 1821.
Pfeil, Neue Anleitung zur Behandlung der Forſten. Berlin 1829. 2te Ausg.
(I. Abthl. Literatur, II. Abthl. Holzerziehung, III. Abthl. Forſtſchutz, IV. Abthl.
Forſttechnologie, V. Abthl. Forſttaxation). Behlen und Reber, Handbuch der
Forſtwiſſenſchaft. München 1831–32. I. III. u. V. Band. Laurop, der Wald-
bau. Gotha 1822. Bechſtein, Forſt- und Jagdwiſſenſchaft nach allen ihren
Theilen. Erfurt 1818–1831. XV Thle. (eine ganze Forſtbibliothek). Heraus-
gegeben von Laurop. Außerdem die Zeitſchriften von Moſer (fortgeſetzt von
Gatterer), Hartig, Bechſtein, Laurop, Mayer, Behlen, Hundes-
hagen, Wedekind, — welche aber, das Moſer'ſche Archiv ausgenommen,
ſämmtlich nie die Bedeutung der landwirthſchaftlichen Zeitſchriften erhalten haben
und nie lange beſtanden. Ueber die Literatur ſ. m. Pfeils Repertorium, Gat-
terer's Repertorium. Ulm 1796–1802. Laurop's Handbuch der Forſt- und
Jagdliteratur. Erfurt 1831. und Weber's Handbuch der ökonomiſchen Literatur
(ſ. §. 132. Note 5.).
Erſtes Hauptſtück.
Forſtwirthſchaftliche Gewerbslehre.
§. 220.
Die forſtwirthſchaftliche Gewerbslehre iſt eine ſyſtematiſche
Erklärung der Grundſätze und Regeln, wonach, ohne Rückſicht auf
beſonderen zuſammenhängenden gewerblichen Betrieb, die Mittel
zum Waldbaue und zum Waidwerke am beſten beſtellt, die Wald-
pflanzen und das Wild am zweckmäßigſten behandelt, und ihre
Erträge am beſten eingezogen und aufbewahrt werden. Sie zerfällt
darum in die Waldbaulehre und Wildbahnlehre, wovon die
Erſtere ſich wieder in die Forſtbaulehre und Hainbaulehre
(Lehre von den Luſtgärten) theilt. Auch hier wird die Tren-
nung der Grundſätze in allgemeine und beſondere von der
Sache ſelbſt verlangt (§. 133.).
Erſter Abſatz.
Die Waldbaulehre.
Erſtes Stück.
Die Forſtbaulehre.
Erſte Unterabtheilung.
Allgemeine Forſtbaulehre.
§. 220. a.
Die allgemeine Forſtbaulehre zerfällt eben ſo wie die
allgemeine Feldbaulehre (§. 133. a.), nur mit beſonderem Bezuge
auf die Eigenthümlichkeiten der Forſte.
[270/0292]
I. Die Bodenkunde oder Agronomie.
§. 221.
Hier gilt daſſelbe, was ſchon oben in der Landwirthſchaftslehre
darüber (§. 134–138.) geſagt iſt1).
¹⁾ Laurop, die Hiebs- und Culturlehre der Waldungen. Karlsruhe 1816.
S. 19–40. v. Seutter, Handbuch der Forſtwirthſchaft (Ulm 1808. II Bde. 8).
S. 213 (welche Schrift im §. 219. nicht erwähnt iſt, weil ſie blos das natur-
wiſſenſchaftlich Vorbereitende enthält). Hartig Lehrbuch. I. Band. I. Theil.
3. Abſchn. 3. u. 4. Kap.
II. Die Bodenbearbeitungslehre oder Agriculturlehre.
§. 222.
1) Urbarmachen des Bodens.
Eine Haupteigenthümlichkeit des Waldbaues iſt, daß derſelbe
keinen Dünger bedarf, weil durch die Abfälle der Waldpflanzen
ſich der Humusgehalt des Bodens erneuert. Daher findet hier nur
eine mechaniſche Agricultur Statt. Auch zum Anbaue der Wald-
pflanzen iſt das Urbarmachen des Bodens nöthig. Da ſich aber
demſelben die nämlichen Hinderniſſe darbieten, wie dem Feldbaue,
ſo werden gegen dieſe auch dieſelben Mittel ergriffen. Nur er-
ſtrecken ſie ſich in der Regel auf größere Flächen, als beim Land-
baue (§. 139.). Man bebauet ſogar den zu Wald beſtimmten Boden
vor ſeiner Benutzung hierzu und nach ſeiner Urbarmachung, mit
Feldpflanzen, als Kartoffeln, Roggen, Hafer, Buchweitzen, wozu
man ihn ganz landwirthſchaftlich herrichtet, wenn man dem Boden
wegen ſeiner Lage mit den Ackergeräthen zukommen kann. Oefters
aber geht dies nicht an und fehlt das Saatkorn für ſo große
Flächen, wenn man auch vor Thier- und Wetterſchaden geſichert
wäre1).
¹⁾ Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 238–246. vrgl. mit §. 232. Ueber
natürliche Walddüngungsmittel ſ. m. André Oekonom. Neuigkeiten. 1814. Nro. 4.
50. 56. 57. 1815. Nro. 19. 44. 45. 63 folg. 1816. Nro. 1 folg. 1817. Nro. 34. 37.
§. 223.
2) Weitere Bearbeitung des Bodens.
Sei es nun, daß ein Boden ſchon urbar iſt, oder aber beur-
bart wurde, oder endlich ſo wenig verwildert liegt, daß die Urbar-
machung mit der Bearbeitung Hand in Hand gehen kann, ſo löſen
ſich ſämmtliche agricultoriſchen Geſchäfte in folgende auf: a) das
bloße oberflächliche Aufkratzen des Bodens vermittelſt der Hand-
[271/0293]
rechen und Straucheggen1). b) Das bloße oberflächliche Reinigen
des Bodens von Geſtrippe und Unkraut vermittelſt des Abhauens,
Abraufens, Abſchneidens und Abſengens2); c) das Abſchwülen
oder Abplaggen deſſelben, d. h. indem man ihn 1–1½ Zoll
tief abſchürft, die ſo entſtehenden Plaggen verdorren läßt, und
wenn dies geſchehen iſt, ausklopft und verbrennt3); d) das Hai-
nen, d. h. das 2 Zoll tiefe ſtreifenweiſe Abſchälen der Oberfläche
vermittelſt der Hainhacke4); e) das Pflügen des Bodens,
wenn er von Steinen und Wurzeln frei und für Saat- und
Baumſchulen beſtimmt iſt. Je nach der Beſchaffenheit des Bodens,
nach der Art, Größe und Stärke des Ueberzuges mit Geſtrippe,
Gebüſch, Moos und Gräſern wendet man dieſe verſchiedenen Ar-
beiten an, und zwar ſowohl einzeln als in wechſelſeitiger Verbin-
dung. Die Bearbeitung des Bodens dadurch iſt aber entweder
eine volle oder eine ſtreifenweiſe oder plaggenweiſe, je
nachdem es der Boden bedarf5).
¹⁾ Gewöhnliche Handrechen von Holz oder Eiſen, und gewöhnliche Eggen mit
Reiſig, beſonders Dornbüſchen.
²⁾ Bei der Anwendung des Feuers darf der Schutz der noch ſtehenden Bäume
nicht außer Augen gelaſſen werden.
³⁾ Man läßt die Plaggen über den Winter liegen, deshalb geſchieht dieſe
Arbeit ſchon im Sommer. Man hat dazu eine eigene Plaggenhacke.
⁴⁾ Die ſo erhaltenen Plaggen werden getrocknet, auf die Häufen des auf der
Fläche des Bodens geſammelten Reiſigs gedeckt und zuletzt das Ganze von der Wind-
ſeite angezündet. Dieſe Waldungen nennt man Brandhaine. Man wendet dieſe
Bearbeitung vor der Bebauung mit Feldgewächſen an und vertheilt deshalb erſt im
Sommer die entſtandene Aſche mit der Hainkratze, einer Art Rechen.
⁵⁾ Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 225–237. Deſſelben Beiträge
zur Forſtwiſſenſchaft. Bd. II. Heft 1–3. Pfeil Anleitung (Bd. II. des Hand-
buchs). S. 95. 341. Hartig, Lehrbuch für Förſter. II. Bd. 1. Thl. 2. Abſchn.
2. Abthl. 6. Kap. Beckmann Holzſaat (Ausgabe von Laurop). I. 15. Ueber
die Culturgeräthe ſ. m. Walther Beſchreibung und Abbildung der in der Forſt-
wirthſchaft vorkommenden Geräthe. Hadamar 1796. 1803. II Hefte. André
Abhandlungen aus dem Forſt- und Jagdweſen. III. Bd. 1. Hundeshagen Bei-
träge. II. 3. Hartig Archiv. Bd. VII. Wedekind Jahrbücher. Heft 1.
Pfeil kritiſche Blätter. V. 1.
III. Die Pflanzungslehre oder Holzculturlehre.
§. 224.
1) Das Einbringen der Holzpflanzen in die Erde.
a) Holzſaat.
Man überläßt entweder die Ausſaat der Natur, damit dieſe
von freien Stücken den Wald durch Saamenausfall und durch
Ausſchlagen der Holzſtöcke erhält und man blos ſpäter der Pflanzen
zu pflegen hat (natürliche Holzzucht) oder aber man ſäet die
[272/0294]
Waldfläche ein und pflegt alſo der Holzpflanzen künſtlich bis zur
Benutzung (künſtliche Holzzucht). Dieſe leztere Methode wird
aber auch öfters nöthig1). Man kennt auch hier nur zwei Haupt-
methoden der Fortpflanzung (§. 150.), nämlich jene:
a) Durch die Saat. Bei derſelben iſt hauptſächlich zu be-
rückſichtigen: 1) die Jahreszeit der Saat. Es finden hier
dieſelben Rückſichten Statt, deren bereits (§. 150.) erwähnt iſt.
Auch hier hat die Natur die Linien vorgezeichnet, denen man zu
folgen hat. Denn der natürliche Saamenausfall von den Bäumen,
der theils im Herbſte theils im Frühjahre Statt findet, gibt auch
die natürliche Saatzeit an. 2) Die Art und Beſchaffenheit
des Saamens. In Betreff der Wahl der Erſteren kommt es
auf klimatiſche und agronomiſche Verhältniſſe2), bei der Lezteren
aber darauf an, daß man reifen, nicht zu alten, keimfähigen, in
der Aufbewahrungszeit nicht verdorbenen Saamen nehme3). 3) Die
Menge des einzubringenden Saamens. Dieſelbe iſt bei den
einzelnen Holzpflanzen verſchieden, und richtet ſich aber nach der
Größe und Natur der Pflanzen, nach den klimatiſchen Verhält-
niſſen, nach der Beſchaffenheit und Bearbeitung des Bodens, nach
der Jahreszeit der Saat, nach der Art der Vertheilung und Unter-
bringung des Saamens, nach der Güte deſſelben und nach dem
Schutze, welchen man der Saat gegen äußere ſchädliche Einflüſſe
des Klima und der Thiere zu geben vermag4). 4) Die Art der
Vertheilung des Saamens. Man ſäet nur breitwürfig. Aber
man unterſcheidet die Voll- (Breit-) von der Streifen- und
Plaggenſaat, je nachdem man eine Waldfläche ganz oder nur
in Theilen beſäet, ein Umſtand, der ſchon bei der Bodenbearbeitung
(§. 223. a. E.) vorgeſehen war. Jedoch auch bei der Vollſaat
ſteckt man der Regelmäßigkeit halber den Säern Saatgänge
vor. 5) Das Unterbringen deſſelben. Dabei iſt die Art und die
Tiefe des Unterbringens zu berückſichtigen. Abgeſehen davon, daß
hier auch die Größe des Saamens entſcheidet, ſo werden beide
Rückſichten dadurch beobachtet, daß man je nach Erforderniß der
Saamenart entweder durch Schnee und Regen einſchlemmt, die
beſäete Fläche mit der Strauchegge oder Reiſigbüſcheln überfährt,
den Saamen durch Menſchen oder Thiere antreten läßt, mit dem
Rechen unterharkt, oder mit der Hand und Handgeräthen einhackt
und einſcharrt5).
¹⁾ Nämlich a) wenn es an Saamenbäumen bei der natürlichen Holzzucht fehlt;
b) wenn in einem natürlichen Waldbeſtande Blößen eingetreten ſind; c) wenn in
localen, phyſicaliſchen und klimatiſchen Verhältniſſen Hinderniſſe der natürlichen
Fortpflanzung liegen; d) wenn die Holzarten ganzer Waldbeſtände umgeändert werden
[273/0295]
¹⁾ ſollen. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 247. Pfeil Handbuch. II. 333.
Harrig Lehrbuch. II. Bd. I. Thl. 2. Abſchn. 2. Abthl. Beckmann Holzſaat.
I. S. 98. Meyer Forſtdirectionslehre. §. 198–201. Schmitt Anleitung zur
Erziehung der Waldungen. Wien 1821. Hartig wohlfeile Kultur der Waldblößen.
Berlin. Deſſelben Anweiſung zur Holzzucht. Marburg 1818. 7te Auflage.
Laurop, die Hiebs- und Culturlehre. IIr Thl. Karlsruhe 1817. Friedel Lehrb.
der natürlichen und künſtlichen Holzzucht. Ausgabe von v. Neuhof. Erlangen 1810.
Hundeshagen Beiträge. II. Bd. 1–3. Heft. Hartig Forſt- und Jagdarchiv.
Bd. VII. Moſer Archiv. XXI. 199.
²⁾ Bei dem Waldbaue iſt nicht blos das geographiſche (nach der Lage gegen
die Himmelsgegenden), ſondern auch das phyſiſche (nach der Erhebung des Bodens
über der Meeresfläche, und nach ſeiner Form, Lage und Bedeckung beſtimmte)
Klima von Wichtigkeit Man unterſcheidet daher das Seeklima (feucht und
regneriſch), das Klima der Freilagen (den Winden und der Sonne ausgeſetzt,
öſtlich trocken, weſtlich feucht, ſüdlich heiß, nördlich kalt), jenes der Hochebenen
(ſehr trocken), das Thalklima (geſchützt, aber im Sommer warm, im Herbſte
und Frühjahre in der Nacht kalt, ebenſo Morgens beim Sonnenaufgange), das
Waldklima (die Bedeckung gibt einen bedeutenden Schutz), das Sand- und das
Sumpfklima (jenes heiß, dieſes krank). Von dieſen klimatiſchen Eigenſchaften
einer Gegend hängt der Thau, Regen, Reif, Schnee, Wind und Froſt ab, welche
ſämmtlich in den Wäldern großen Schaden anrichten können. Pfeil Handbuch.
II. S. 7–24.
³⁾ Man muß daher ſchon bei dem Einſammeln und Aufbewahren des Saamens
— was erſt bei der Lehre von der Ernte gezeigt wird — ſehr behutſam ſein.
Wenn man bald nach dem Einſammeln deſſelben, das nur bei völliger Reife vor-
theilhaft iſt, ſäen kann, ſetzt man ſich den Gefahren längerer Aufbewahrung nicht
aus, und folgt in Betreff der Saatzeit den Spuren der Natur.
⁴⁾ Die erſteren Umſtände ſind zu ſpeziell, als daß ſich dafür allgemeine Regeln
von Bedeutung aufſtellen ließen. Schutz gewährt man aber dem eingebrachten
Saamen a) durch das Stehenlaſſen von Bäumen und Büſchen auf dem Saatplatze
ſelbſt; b) durch das Stehenlaſſen von Bäumen an der den Stürmen beſonders aus-
geſetzten Seite (Mantel); c) durch das Zudecken der Saat mit Reiſig; d) durch
die Unterſaat des Holzſaamens mit Getreide, was aber oft den Thierfraß vermehrt,
ohne in der Regel länger als im Vorſommer zu ſchützen und ohne auf großen
Flächen anwendbar zu ſein; e) durch die Unterſaat der zärteren Holzarten mit
kräftigeren und dauerhafteren, was aber nicht wirkſam iſt, wenn die Lezteren nicht
vor den Erſteren geſäet werden, weil dieſe ohnedies keinen Schutz in der erſten
Zeit haben, in der ſie deſſelben am meiſten bedürfen; und f) durch Umzäunung
und Anbringen von allerlei Scheuchen gegen ſchädliche Thiere. (Dieſe Maßregeln
heißt man Schonung.)
⁵⁾ Man ſäet, beſonders bei der lezteren Art des Unterbringens, auch in
Stecklöcher und Rinnen, Gräben u. dgl.
§. 225.
Fortſetzung. b) Holzpflanzung.
b) Durch die Pflanzung. Sie iſt zwar theurer als die
Saat, allein vortheilhafter angewendet: 1) wenn die ſo eben ge-
nannte Schonung nur kurze Zeit angewendet werden kann; 2) wenn
der Anflug (junge Keimpflänzchen) leicht erſticken könnte; 3) wenn
die Blößen zwiſchen altem Holze zu klein ſind, als daß man das
Aufziehen der Bäume aus Saamen mit Sicherheit erwarten
dürfte, und 4) wenn empfindliche Holzarten überhaupt oder auf
ungünſtige Lagen gepflanzt werden ſollen1). Man pflanzt aber:
Baumſtark Encyclopädie. 18
[274/0296]
1) Entweder Pflänzlinge, d. h. wirkliche, beſonders aus Saa-
men gezogene, bewurzelte junge Baumpflanzen. Sie werden in
Pflanzſchulen gezogen. Dazu muß eine paſſende Stelle gewählt
und eingefriedigt werden, in welcher man den Boden ſorgfältig
bearbeitet, und die Pflänzlinge mit Schonung und Reinlichkeit er-
zogen werden2). Iſt dies ſo weit geſchehen, daß ſie verpflanzt
werden können, was von der Größe derſelben abhängt, ſo iſt eine
beſondere Sorgfalt anzuwenden, in Betreff der Jahreszeit und Art
des Aushebens derſelben, des Fortſchaffens und Vertheilens der-
ſelben, ihres Beſchneidens, des Aufgrabens der Pflanzlöcher, des
Einſetzens der Pflänzlinge, ihrer gegenſeitigen Entfernung auf dem
Waldboden, der Befeſtigung derſelben im Boden, und ihrer näch-
ſten Wartung3). 2) Oder Stecklinge, d. h. größere oder klei-
nere Baumäſte, welche, in die Erde geſteckt, Wurzeln treiben,
wie z. B. von Weiden, Pappeln. Sie ſind entweder Setzſtangen
(größere Aeſte von 8–10 Zoll Länge und 2 Zoll Dicke) oder
Setzreiſer (eigentliche Stecklinge, d. h. kleinere Aeſte und Zweige
von drei Jahren und 15–30 Zoll lang)4). 3) Oder endlich
Ableger, wenn man nämlich Aeſte, ohne ſie vom Stamme zu
trennen, an einer Stelle ſo mit Erde umwickelt oder in den Boden
gräbt, daß ſie Wurzeln zu ſchlagen vermögen5).
¹⁾ Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 263. 282. 285. Pfeil Handbuch.
II. 392. Hartig Lehrbuch. II. Bd. I. Thl. 2r Abſchn. 3–5te Abthl. v. Burgs-
dorf Erziehung der Holzarten. I. Bd. Meyer Forſtdirectionslehre. §. 202 folg.
Walter Nicol, der praktiſche Pflanzer, überſetzt von Roeldechen. Berlin 1800.
Kaepler, die Holzkultur. Leipzig 1803. v. Seutter, Anleitung zur Anlage der
Saamen- und Baumſchulen. Ulm 1807. Hartig Journal. I. 1. 3. II. 3.
Deſſelben Archiv. V. 3. Laurop Annalen. V. Band. 2. Heft. Wedekind
Jahrbücher. Heft 5. Pfeil kritiſche Blätter. V. 1. André Oekonom. Neuigkeiten.
1829. Nro. 7.
²⁾ Ein tauglicher Pflänzling muß die Wurzeln, den Schaft und die Krone
recht ausgebildet haben, weil er ohne dies nicht fortkommen kann. Die Culturen
oder Baumſchulen wollen eine geſchützte Lage und einen klimatiſchen agronomiſchen
Standort, der ihrem ſpäteren entſpricht, ohne ſie zu verweichlichen oder verkümmern
zu laſſen. Man ſchonet ſolche Plätze durch Gräben, Stangenzäune, Geflechte, Palli-
ſaden und Planken. Die Saat geſchieht ſo, daß die Pflänzlinge 1–2½ Fuß
auseinander ſtehen, weßhalb ſie ſtreifen- und furchenweiſe beſſer als voll geſchieht.
Das entſtehende Unkraut wird am beſten durch frühzeitiges Ausraufen und Abſchnei-
den vor der Saamenbildung hinweggebracht.
³⁾ Das Verſetzen iſt entweder blos einfach (aus der Pflanzſchule ins Freie),
oder doppelt (vor der Pflanzung ins Freie noch einmal in der Schule ſelbſt). Es
muß hierauf ſchon bei der Saat Rückſicht genommen werden, weil die Pflänzlinge
im erſten Falle eines größeren Raumes bedürfen. Das erſte Verſetzen in der Pflanz-
ſchule findet ſchon im erſten Sommer oder in den folgenden zwei Frühlingen Statt.
Einen Platz zur Zucht kleiner Holzpflanzen aus Saamen, die vor dem Verſetzen ins
Freie noch einmal verpflanzt werden ſollen, nennt man Saatkamp; den Ort,
wohin ſie vorher verſetzt werden, aber Pflanzkamp (Pfeil Handbuch. II. 421.).
Das Verſetzen ins Freie darf aber erſt geſchehen, wenn die Stämme ſich bis zu
3 Zoll Durchmeſſer erweitert haben. Man wählt dazu immer die ſtärkſten, um den
[275/0297]
³⁾ ſchwachen mehr Raum zur Entwickelung zu geben. Weniger als 1 Fuß lang, alſo
jünger als höchſtens 3 Jahre alt, dürfen ſie nicht ſein. Zum Verpflanzen paßt die
Zeit zwiſchen dem Abfalle und Wiederausbruche des Laubes, obgleich man es auch
im Frühjahre und Herbſte thun kann. Man ſticht die Pflänzlinge ſammt einem
Erdballen aus, und zwar die kleinſten mit dem Pflanzenbohrer (d. h. einem,
auf der einen Seite noch etwas offenen zylinderförmigen, Hohlſpaten), die mittleren
mit einem blos halb-zylinderförmigen Hohlſpaten, mit welchem man von beiden
Seiten abſtechen muß, oder mit einem gewöhnlichen flachen Spaten, mit dem man
von allen vier Seiten abſticht, und endlich die größeren mit dem Stoßſpaten
(d. h. einem etwa 1 Fuß langen und oben ¾, aber unten ½ Fuß breiten Spa-
tenblatte, das an einem ſtarken Stiele ſitzt), mit dem man die Erde rings um den
Stamm in einer Entfernung von ¾ bis [FORMEL] Fuß ſchief gegen die Wurzel losſticht.
Beim Transporte auf Karren iſt die Reibung der Pflänzlinge zu verhüten. Vor
dem Verſetzen beſchneidet man ſowohl die Wurzeln als auch die Krone, und zwar
die Leztere in dem Verhältniſſe, als jene ſchon durch das Ausſtechen beſchnitten iſt.
Mit der Trockenheit und Sonnigkeit der Lage ſteht die Stärke der Beſchneidung der
Krone in geradem Verhältniſſe, und man will ſogar durch das gänzliche Abhauen
des Stammes bis 7 oder 9 Fuß über die Wurzel bedeutende Vortheile im Ausſchlage
erreicht haben (Hundeshagen. I. §. 275.). Man verſetzt ſie in 3–6, 6–12
und 12–24 Fuß Entfernung von einander, je nach der Größe der Pflänzlinge, in,
ſich ebenfalls nach dieſer und nach dem Erdballen richtende, Löcher, und zwar
entweder in geraden Reihen oder je 3 in der Form eines gleichſeitigen Dreieckes
(Dreiverband), oder 4 in der Form eines Rechtecks (Vierverband) oder in der
lezteren Form mit einem 5ten Pflänzlinge in der Mitte (Fünfverband). Eine
Tabelle darüber, wie viele Stämme nach den drei erſten Formen auf 1 preuß. Mor-
gen gehen, findet ſich bei Pfeil Handbuch. II. S. 402. Zum Lochmachen kann
man ſich bequem auch der Ausſtichgeräthe bedienen, da man die Pflänzlinge höch-
ſtens in ſehr lockerem trockenem Boden 1 bis 2 Zoll tiefer, ſonſt aber gleich tief
einſetzt, als ſie früher geſtanden haben, um denſelben die gleichen Bedingungen
des Wachsthums zu erfüllen. Der Pflänzling muß im neuen Loche noch feſtgedrückt
oder getreten werden. Die weitere Wartung ſolcher Pflanzſchläge beſteht im An-
binden an Pfähle u. dgl., und im Abſchneiden der am Stamme hervorſchlagenden
Sproſſen im Sommer während der erſten Zeit.
⁴⁾ Man legt die Setzreiſer ſchief bis auf 2–3 Zoll Spitze in 12 Zoll tiefe
Gräben in eine Entfernung von 1½ Fuß auseinander, und verſetzt ſie nach ge-
hörigem Ausſchlage.
⁵⁾ Um das Abbiegen zu erleichtern, darf man auch einen Einſchnitt in den
Aſt machen, den man ſammt ſeinen Reiſern in die Erde biegt und bis auf weniges
bedeckt. Nach drei Jahren haben ſich dann an den jungen Zweigen ſchon Wurzeln
und Triebe gebildet, ſo daß man ſie vom Aſte abſtechen und nach 1–2 Jahren
verſetzen kann.
§. 226.
2) Weitere Pflege der Holzpflanzen oder Holzzucht.
Die weitere Pflege der Holzpflanzen (§. 151.) hat zum Zwecke,
in der kürzeſten Zeit mit den geringſten Koſten, ohne die Wald-
wirthſchaft zu zerſtören, den größten Naturalertrag aus denſelben
zu beziehen und den Wald nachhaltig zu machen. Die verſchie-
denen Arten der Holzzucht hängen alſo außer von äußeren Um-
ſtänden noch von der Natur und Beſchaffenheit der Holzpflanzen
ab. Es muß alſo vor der Anwendung irgend einer Methode der-
ſelben folgendes berückſichtigt werden: a) Der Organismus
der Holzpflanzen. Dieſelben beſtehen aus Holz- und Rinden-
18 *
[276/0298]
körper. Zu dem Erſteren gehört das Mark (ein ſaftiges, nur
bei jungen Pflanzen vorhandenes, Zellengewebe), und das Holz
(ein harter, das Mark zunächſt umgebender, aus Zellen und
Spiralgefäßen beſtehender Körper), welches jährlich in concentri-
ſchen Ringen anſetzt, von denen der äußerſte jüngſte und weichſte
der Splint (Alburnum) heißt. Zu dem Anderen gehört der Baſt
(Liber), welcher ſich gerade außerhalb an den Splint anſchließt
und aus ſehr feinem ſchlauchförmigem Zellgewebe und ſo vielen
dünnen Häuten beſteht, als das Holz Jahre alt iſt, — die Rinde
(Cortex), welche die äußere Bekleidung des Stammes ausmacht,
— und die Oberhaut (Epidermis), welche bei jungen Bäumen
gefunden wird und zuletzt noch die Rinde umſchließt. b) Die
äußere Form der Holzpflanzen. In dieſer Hinſicht unter-
ſcheidet man die Bäume (mit einem Stamme), Sträuche (mit
oder ohne Hauptſtengel) und die Stauden (Halbſträuche). Die
Wurzeln ſind entweder Pfahl-, Seiten- oder Saugwurzeln. In
Betreff der Bekleidung der Zweige unterſcheidet man Laub- und
Nadelhölzer, deren weſentlicher innerer Unterſchied jedoch darin
beſteht, daß der Pflanzenſaft bei jenen wäſſerig, bei dieſen aber
harzig iſt, und daß jene ein beſſeres Reproductionsvermögen haben
als dieſe, welches ſich in der öfteren Erneuerung der Blätter und
darin zeigt, daß ſie nach dem Abhauen des Stammes aus dem
Stocke Schößlinge und Blätter treiben können1). Auf dieſen Ei-
genthümlichkeiten beruhet der Unterſchied und die Behandlung des
Hochwaldes, Niederwaldes, Mittelwaldes, Kopfholz-
waldes, der Hecken und der Uebergang von einem zum andern.
¹⁾ Dieſe Angaben ſind Reſultate der Botanik, beſonders der Forſtbotanik,
worüber auch die Forſthand- und Lehrbücher handeln, aber insbeſondere empfohlen
werden können: v. Seutter Forſtwirthſch. L. II. Bd. Bechſtein Forſtbotanik.
Gotha 1821. 4te Aufl. Reum Forſtbotanik. Dresden 1825. 2te Aufl.
§. 227.
a) Holzzucht. α) Hochwaldwirthſchaft1).
Das Charakteriſtiſche derſelben iſt, daß man die Hölzer ihr
volles Wachsthum und ein ſolches Alter erreichen läßt, daß ſie bei
der Abholzung durch den natürlichen Auswurf von Saamen ſich
wieder vollſtändig erneuern können. Daher muß der Raum der
Baumkronen über dem Waldbeſtande ſo vor einem dichten gewölb-
ten Schluſſe bewahrt werden, daß Licht und Feuchtigkeit, ſo viel
zum Aufkommen der jungen Pflänzchen nöthig iſt, auf den Boden
eindringen können. Daher müſſen Baumfällungen oder Hiebe Statt
finden, welche man Saamen- (oder dunkle) Schlagſtellung
[277/0299]
nennt, und es muß dabei das Aufkommen der Forſtunkräuter ver-
hütet werden. Man wählt zum Hiebe begreiflicher Weiſe die be-
ſchädigten tiefäſtigen und ſaamenarmen Bäume. Dieſe Lichtſtellung
geſchieht entweder ſogleich nach dem Saamenabfalle, oder auch
ſchon früher, einige Jahre vor dem zu vermuthenden Saamen-
abfalle. Wenn Lezterer erſt ſpät eintritt, ſo wächst anſtatt des
Anfluges das Unkraut, indem es den Saamenhieb benutzt; und doch
iſt man oft wegen Holzbedarf dazu genöthigt. Damit der Saamen
beſſer keimen kann, iſt es gut, die Decke von Moos und Laub auf
dem Boden vorher zu erhalten, oder den Boden mit Rechen ein
wenig zu verwunden. Je mehr der Anflug oder Aufſchlag wächst,
deſto nothwendiger wird ihm das Licht. Daher müſſen von den
Saamenbäumen nach und nach wieder periodiſch ſelbſt welche aus-
gehauen werden. Dieſe Operation heißt man Lichtſchlagbeſtel-
lung, und den Platz derſelben Lichtſchlag. Sie geſchieht im
Herbſte. Aber in dieſer Periode darf in dem Schlage weder Vieh-
hütung noch Streu- und Grasſchnitt Statt finden. Iſt endlich
das neue Holz über die Gefahren des Klima hinausgewachſen, ſo
wird die noch übrige Maſſe von Schutz- und Saamenbäumen vol-
lends ausgehauen, und dieſe Operation heißt Abtriebsſchlag.
Die unbeſaamt gebliebenen Plaggen werden dann künſtlich beſäet
(§. 224.). Je mehr das junge Holz raſch fortwächst, deſto dichter
wird es ein Ueberzug über den Boden. Man ſagt, es ſchließe
ſich, und nennt es junges Dickigt. Jedoch bald ſtechen die
Stämmchen hervor und unterdrücken anderen Nebenwuchs und
Nachbaren. Man ſagt, das Dickigt ſchneidle ſich aus und
nennt es Reidelholz. In dieſer Periode bildet ſich auch die
natürliche Bedüngung durch Abſterben und Verweſen der unter-
drückten Stöcke. Um aber den hervorſtechenden Stämmen mehr
nachzuhelfen, wird das abgegangene Holz ausgehauen, und dieſe
Operation heißt Durchforſten (dunkles Pläntern)2).
¹⁾ Ueber Waldwirthſchaften ſ. m. außer den angeführten Lehr- und Hand-
büchern noch Krünitz Oekonom. Encyclopädie. XXIV. S. 650. Laurop, der
Waldbau. Gotha 1822. S. 22. Meyer Forſtdirectionslehre. §. 183. 186.
Papius, die verſchiedenen Betriebsarten. Aſchaffenburg 1821. Hartig Archiv.
VI. Bd. Journal I. 2. Heft. Deſſelben Forſtbetriebseinrichtung. Kaſſel 1825.
Moſer Archiv. III. 1. Laurop Forſtwiſſ. Heft. 1tes Heft. Hundeshagen
Beiträge. Bd. I. u. II. Schmitt, Anl. z. Erziehung der Waldungen. Wien 1821.
Insbeſondere ſ. m. über Hochwaldwirthſchaft Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 94.
Pfeil Handbuch. II. S. 223 folg. Hartig Lehrbuch. II. Bd. I. Thl. 1r u. 3r
Abſchn. Laurop Hiebs- und Culturlehre. S. 93. 108. und Andere.
²⁾ Durchforſtungen dürfen erſt Statt finden, wenn das Holz über die Gefahren
von Schnee und Reif hinausgewachſen ſind. Die Zeit iſt aber ſonſt von der Natur
der Holzart abhängig, ſo wie von der Dichtigkeit des Standes und der Güte des
Bodens; denn davon hängt die Schnelligkeit des Höhetriebes ab, wie umgekehrt die
[278/0300]
²⁾ Verſtärkung des Stammes. Die Krone ſelbſt darf nicht ausgebrochen, ſondern blos
todtes und abſterbendes Holz herausgenommen werden; höchſtens iſt erlaubt, fremd-
artiges Holz herauszuhauen. Auch die Häufigkeit der Durchforſtungen hängt von
beſonderen äußeren Umſtänden ab, weil nicht blos die Wüchſigkeit des Holzes,
ſondern auch Verkehrsverhältniſſe darüber gebieten. Doch finden ſie in der Regel in
Zeiträumen von 10 bis 20 Jahren Statt, obſchon es auch früher ſein könnte.
Man ſ. über Durchforſtungen noch insbeſondere Pfeil Handbuch. II. 326. Späth,
Ueber periodiſche Durchforſtung. Nürnberg 1802. André Oekonom. Neuigkeiten.
1828. Nro. 4. 1829. Nro. 7. Wedekind Jahrbücher. 3s u. 6s Heft. Pfeil
Krit. Blätter. IV. 2s Heft. Hartig Archiv. V. Bd. Meyer Forſtdir. L. §. 196.
Hundeshagen Beiträge. I. u. II. Bd. Laurop Annalen. VI. Bd. 2s u. 4s Heft.
Laurop Hiebs- und Kulturlehre. S. 129.
§. 228.
Fortſetzung. β) Niederwaldwirthſchaft1).
Das Bezeichnende für dieſelbe iſt, daß man in gewiſſen Perioden
die herangewachſenen Waldbeſtände über der Wurzel abhaut, ſo
daß ſich der Stock durch Lohdentrieb aus den Wurzeln und durch
das Ausſchlagen des Stockes verjüngen kann. Wie oft nach jedes-
maligem Abhiebe ein Ausſchlag erfolgt, läßt ſich allgemeinhin nicht
beſtimmen. Der Leztere findet in der Zeit zwiſchen dem Ausbruche
des Laubes und der Mitte des Juli Statt. Geſchieht der Hieb
vor dem Laubausbruche unmittelbar, ſo entſteht das Bluten
(Saftrinnen) des Stockes, welches in ein Verbluten (oder Er-
ſticken im Safte) ausarten kann, wenn es an Sonne und Licht
mangelt2). Die Niederwaldwirthſchaft paßt auf mageren oder
nicht tiefen Boden, weil in ihr das Holz weder einen ſo tiefen
Stand, noch ſo viel Nahrung bedarf als im Hochwalde, und weil
der niedere Holzſtand eine beſſere Bodenbeſchattung bewirkt. Dieſe
Art Holzzucht kann alſo im Hochgebirge, aber auch in rauhem
Klima darum noch leicht Statt finden, weil die Hölzer nicht hoch
zu wachſen haben. Sträuche ſind aber überhaupt dazu ſehr brauch-
bar. Die beſte Zeit des Wiederausſchlages (des Umtriebes) iſt
jedoch nach der Natur der Holzgattung verſchieden. Allein je länger
der Umtrieb verſchoben werden kann, wenn das Holz recht im
Wachſen iſt, deſto vortheilhafter wird es an ſich ſein in Bezug auf
den Holzertrag. Die gewöhnlichen Umtriebsperioden ſind 10, 20,
30, 40 bis 45 Jahre. Man hat einen Saft- und einen Herbſt-
oder Winterhieb, je nachdem man kurz vor dem Laubausſchlage
oder kurz nach dem Laubabfalle fällt. Im Vorſommer den Hieb
anzuwenden verdirbt den Ausſchlag. Die andere Wahl hängt von
beſonderen Umſtänden ab. Bei der Ausführung des Abtriebes darf
der Stock, der bei jungem Beſtande tief, bei altem aber höher
geſchehen muß, nicht zerſplittert werden und der Hieb muß glatt
ſein. Reine Niederwaldwirthſchaft findet Statt, wenn man alles
[279/0301]
Holz auf der Wurzel haut und dieſe ganze Fläche einen neuen
Stockausſchlag (Unterholz) bildet. Man läßt aber oft einzelne
Stangen in gegenſeitiger Entfernung von 15–20 Schritten (ſo-
genannte Lasreidel) ſtehen, die man erſt beim nächſten Umtriebe
nimmt und durch andere vertauſcht.
¹⁾ Ueber Niederwaldwirthſchaft ſ. m. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 155.
Pfeil Handbuch. II. S. 292. Hartig Lehrbuch. II. Bd. I. Thl. 2. Abſchn.
1. Abthl. Ders. Ueber die beſte Hauzeit des Wurzelholzes. Leipzig 1807. Laurov
Hiebs- und Culturlehre. S. 104. 166. Käppler durch Erfahrung erprobte Holz-
cultur. Leipzig 1805. vergl. mit Schmitt Bemerkungen über den Käppler'ſchen
Safthieb. Gotha 1804. Meyer Forſtdir. Lehre. §. 183. 187. Hartig Journal.
I. Heft 3. Archiv. V. Heft 1. Pfeil krit. Blätter. IV. Heft 2. Laurop An-
nalen. IV. Heft 1. Auch ſoll Freſenius (Abhandlungen über forſtwiſſ. Gegen-
ſtände. Frankfurt a. M. 1811.) darüber handeln.
²⁾ Das Bluten kann geſtillt werden durch das Auftragen von Aetzkalk oder
Holzaſche auf die Schnittfläche. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 157. Note a.
§. 229.
Fortſetzung. γ) Mittelwaldwirthſchaft1).
Sie iſt ein Mittelding zwiſchen den beiden genannten (§. 227.
228.), indem man zwiſchen den Stöcken des Niederwaldes (Un-
terholz) zerſtreute Hochſtämme (Oberholz) ſtehen läßt, wie ſie
im Hochwalde vorkommen. Man verbindet dabei die Vortheile
jener beiden Wirthſchaftsarten, beſonders da das Oberholz dem
Unterholze Schutz und Schatten gewährt. Die Regeln der genann-
ten Wirthſchaftsmethoden kommen alſo hier vermiſcht vor. Man
liebt als Oberholz die ſchön und kräftig gebildeten, nicht zu
äſtigen, Holzſorten. Wenn man aber für jede Umtriebszeit auch
Oberholz zu ſchlagen haben will, ſo muß man auch Stämme von
verſchiedenen Altersklaſſen haben, die jedoch ſämmtlich dem Unter-
holze voraus ſind. Das Oberholz von einer Umtriebszeit heißt
man Lasreidel, von 2 und mehr Umtriebsperioden aber Ober-
ſtänder, und in der Folge, wie das Alter um eine Umtriebszeit
zunimmt, angehende Bäume, Hauptbäume, alte Bäume.
Es iſt leicht erſichtlich, daß die Anzahl der Stämme von dieſen
Altern je mit dem Alter ſelbſt im umgekehrten Verhältniſſe ſteht,
denn von den jüngern geht immer eine gewiſſe Zahl bis zum
vollen Alter zu Grunde und werden auch manche beim Hiebe früher
mitgenommen. Je mehr man, ohne Schaden des Unterholzes
durch die Dichtigkeit des Kronſchirmes, der keine oder wenig
Feuchtigkeit durchläßt, Oberholz bauen kann, um ſo vortheilhafter
iſt der Mittelwald2). Man hat alſo bei der Frage über die Stärke
der Beſetzung mit Oberholz zuerſt auszumitteln, wie viele Jahre
[280/0302]
eine Holzſorte zu einer beſtimmten Ausbildung brauche, wie groß
die Krone derſelben in beſtimmten Altern ſei, welche Fläche ſie
alſo beſchirmen werden (Schirmfläche), wie groß die Schirmfläche
ſämmtlicher Stämme einer Klaſſe ſein werde, wie viel auf der
Fläche des Schlages Schirm ſein darf, und wie viel man alſo
auf dieſelben Bäume jeder Klaſſe ſetzen darf. So entſtehen nun
die Bewirthſchaftungspläne für den Mittelwald unter Annahme
einer beſtimmten Periode und Fläche.
¹⁾ Ueber Mittelwaldwirthſchaft ſ. m. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 169.
Pfeil Handbuch. II. S. 303. Hartig Lehrbuch. II Bd. I. Thl. 2. Abſchn.
1. Abtheil. 5. Kapit. Pfeil, Behandlung des Mittelwaldes. Züllichau und
Deſſelben Krit. Blätter. I. 1. Heft. Krünitz Encyclopädie. XIV. 572. XXIV.
634. Laurop Jahrbücher. I. 3. Heft. Deſſelben Hiebs- und Kulturlehre.
S. 182.
²⁾ Hundeshagen (Encyclopädie. I. §. 172.) gibt folgenden allgemeinen
Maaßſtab an: a) daß, je beſſer der Boden und die Wachsthumskraft der Holzarten
ſei, das Unterholz um ſo weniger von der Beſchirmung leide; b) daß im entgegen
geſetzten Falle eine ſtarke Beſchirmung nachtheilig, aber eine mäßige gleiche Be-
ſchattung die Bodenfeuchtigkeit erhalte und die Blätterausdünſtung hemme, alſo für
den Ausſchlag förderlich ſey; c) daß folglich unter erſteren Verhältniſſen bei hohem
(30–40 jähr.) Betriebe der Oberholzſchirm über ¾ der Grundfläche betragen und
zum Theile aus 160–170 jährigen Stämmen beſtehen dürfe, ohne ſchädlich zu
werden, dagegen aber unter den anderen Umſtänden die Beſchirmung nur ½-[FORMEL]
der Bodenfläche treffen und höchſtens 60–90 jähr. Bäume enthalten dürfe.
§. 230.
Fortſetzung. δ) Kopfholzwirthſchaft1).
Dieſelbe beſteht darin, daß man durch periodiſches Abhauen
der Aeſte gegen dem Kopfe des Baumes das Wiederausſchlagen am
Stamme bewirken will. Man wird dieſe Methode auch dort alſo
anwenden können, wo man die Bodenfläche zu Viehweide verwen-
den will und das Holz nicht gegen Wildſchaden bewahren könnte,
wenn es niederſtehende Aeſte hätte. Dieſelbe iſt durchaus künſtlich,
indem man die Bäume auf die Fläche in ſolche Entfernungen ſetzt
daß zwiſchen ihren Kronen einige Fuße Zwiſchenraum bleibt. Die
Umtriebszeit iſt 5, 10, 15, 20–30 Jahre, welche beide Lezteren
ſchon zu den Seltenheiten gehören. Der Hieb findet, wann ſonſt
(§. 228.), auch Statt. Man haut entweder blos die Seitenäſte
der Krone ab (Schneideln), oder man nimmt die ganze Krone
bis auf 6–10 Fuße über der Erde2).
¹⁾ S. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 176. Pfeil Handb. II S. 321.
Hartig Lehrbuch. II. Bd. a. a. O. (ſ. §. 229.) 7s Kap. Hobbe Anweiſung zur
beſſeren Holzkultur. Münſter 1791. Laurop Hiebs- und Kulturlehre. S. 179.
Finger Abhandlung vom Köpfen der Bäume. Kaſſel 1794. Weiſe Anweiſung
zur Behandlung der Kopfweide. Rudolfſtadt 1804. Pfeil Krit. Blätter. V. 1.
Hartig Archiv. I. Heft 3.
[281/0303]
²⁾ Auch hier iſt die Gefahr des Erſtickens der Bäume im eigenen Safte vor-
handen. Daher bedarf es eines vorſichtigen Hiebes. Auch ſoll das Stehenlaſſen
eines Aſtes (Zugaſtes) auf dem Baume bis zum nächſten Jahre ein Mittel
dagegen ſein.
§. 231.
Fortſetzung. ε) Heckenwirthſchaft.
Die Zucht der Hecken, wozu man blos Geſträuche brauchen
kann, iſt in doppelter Hinſicht, nämlich als Mittel zur Einhegung
in Feld und Wald und als eine Art von Holzzucht, wichtig. Um
ſie recht betreiben zu können, muß man Holzarten wählen, welche
bei bedeutender Ausſchlagfähigkeit aus Wurzeln und Gerten einen
ſperrigen Wuchs haben und gut zu beſchneiden ſind. Hauptſache
bei der Pflanzung iſt aber, daß man dem Boden entſprechende
Geſträuche nimmt. Man erzieht die Stöcke entweder in Pflanz-
ſchulen oder man nimmt ſie aus Schonungen, um ſie zu verſetzen.
Zu dieſem Zwecke zieht man um den einzufriedigenden Platz zuerſt
einen Graben, und wirft den Ausſtich nach innen. Denn auf die-
ſen, wenn er hinlänglich eben gemacht iſt, ſetzt man die Pflanzen
1–2 Fuß auseinander, ſchlägt in der Entfernung von 1 Ruthe
jedesmal einen Pfahl ein und verbindet dieſe gegenſeitig immer
mit einer Querlatte in einer Höhe von 3–4 Fuß, zum Anheften
der Pflanzen. Alles Folgende beſteht nun noch im Beſchneiden,
Formen, Verflechten und Ergänzen der Hecken durch neue Ein-
pflanzungen1).
¹⁾ Pfeil Handbuch. II. S. 324. v. Burgsdorf Erziehung der Holzarten.
I. 91. Krünitz Encyclopädie. XXII. 619. Beckmann Oekonom. Bibliothek.
XV. 587 (Auszug aus der Schrift von Amoureux, sur les haies destinés sur la
cloiture etc. Paris 1787.). Walther Forſtwiſſenſchaft. §. 383. Moſer Archiv.
X. 192. Stahl Magazin. V. 63. Bei Hecken, die man nicht beſonders pflegen
und verdichten kann, ſucht man den Mangel an Dichtigkeit durch eine breite
Pflanzung (von 1 Ruthe und drüber) zu erſetzen.
§. 232.
Schluß. η) Uebergang von einer Wirthſchaft in die andere1).
Die Holzarten lieben ſelbſt oft einen Wechſel in der Beſteckung,
ſo daß die Natur ſelbſt eine Umwandlung vornimmt; und oft ſind
Umwandlungen die Folge von ſchlechter Waldwirthſchaft.
Von dieſen Arten der Umwandlung iſt hier nicht die Rede, ſon-
dern vielmehr von dem abſichtlichen und kunſtmäßigen Ueber-
gange aus einer Wirthſchaft in die andere. 1) Zum Ueber-
gange vom Hochwalde in Nieder- und Mittelwald muß
man zuerſt wiſſen, ob derſelbe noch das rechte Alter zum Stock-
ausſchlage hat oder nicht. Im erſten Falle treibt man den Wald
[282/0304]
bis auf die Stöcke ab (man ſetzt ihn auf die Wurzel), und läßt,
wenn es einen Mittelwald geben ſoll, ſo viel Lasreidel ſtehen, als
zur Beſchirmung nöthig ſind, nimmt aber, wenn es einen reinen
Niederwald geben ſoll, ſelbſt auch dieſe hinweg. Im zweiten Falle
muß durch Saamenſchlageinrichtung für den Nachwuchs geſorgt
und, um Mittelwald zu bilden, geſundes Baumholz ſtehen gelaſſen
werden. 2) Zum Uebergange vom Niederwalde in den
Hochwald muß zuerſt ausgemacht ſein, daß noch aus dem Unter-
holzbeſtande ein geſchloſſener Hochwaldbeſtand gebildet werden kann.
Man nimmt dann das zu Stammholz unbrauchbare Unterholz her-
aus, und füllt die ſo periodiſch entſtehenden Lücken durch Pflanzung
aus, wenn der umzuwandelnde Strich klein und für ſich beſtehend
iſt. Eine beſondere Aufmerkſamkeit verdient aber das Verhältniß
der Altersklaſſen der Bäume, wenn der umzuwandelnde Wald
ſpäter für ſich ein Ganzes in der Bewirthſchaftung bilden ſoll.
Dazu gelangt man am ſicherſten, wenn man den Niederwald in
regelmäßigen Parthien (Schlägen) nach und nach jährlich abtreibt
und in jedem ſolchen Schlage ſo viel Stämme oder Lasreidel
ſtehen läßt, als zu einer gehörigen Beſchirmung durch Schluß
nöthig ſind. Das Wichtigſte dabei iſt aber, daß man den Beſtand
in ſo viele Schläge theilt, daß nach dem Umtriebe die beim Ab-
triebe jedesmal gebliebenen Bäume Saamen zu tragen beginnen
können. 3) Zum Uebergange vom Mittelwalde in den
Hochwald iſt ein ſehr vielfach abweichendes Verfahren nöthig,
weil die Verhältniſſe der Mittelwaldbeſtände äußerſt verſchieden
ſind. Das Unterholz ſtirbt allmälig aus, wenn das Oberholz der
Menge und Beſchirmung nach überſchritten wird. Man hat ſo von
der Natur ſelbſt den Gang bei dieſer Umwandlung im Allgemeinen
vorgezeichnet. Es muß demnach das Unterholz abgetrieben und nur
derjenige Theil von Lasreideln ſtehen gelaſſen werden, der noch
zur Vervollſtändigung des Hochwaldſchluſſes dienen muß. Auch
kann man den Hochwald durch Beſaamung beginnen und wendet
jedenfalls auf Blößen die Pflanzung an. Sehr zweckmäßig ſind
beſonders bei Umwandlung großer Waldungen die Eintheilungen
der ganzen für den künftigen Hochwald einzuführenden Umtriebs-
zeit in mehrere Perioden, und die Wahl der Waldparthien, welche
in dieſen Perioden verjüngt werden ſollen. So entſtehen dann ſo
viele Altersklaſſen in den Beſtänden, als Perioden gemacht wurden.
Es iſt leicht wahrzunehmen, daß die Mittelwaldwirthſchaft noch in
den nächſten Perioden während der Umwandlung fortgeführt wird.
¹⁾ Hundeshagen Encyclop. I. §. 198. 212. Pfeil Handb. II. S. 314.
Hartig Journal. I. Bd. 2s Heft. Laurop Annalen. II. Bd. 4s Heft.
[283/0305]
§. 233.
b) Forſtſchutz.
Wenn die Holzzucht gedeihen ſoll, ſo müſſen nicht blos die
poſitiven Bedingungen des Wachsthumes der Bäume erfüllt, ſon-
dern auch möglichſt alle Gefahren, welche daſſelbe hindern oder
zerſtören könnten, abgehalten werden. Das iſt der Zweck des
Forſtſchutzes1), der wegen ſeiner großen Wichtigkeit in der
Forſtwiſſenſchaft eine ſehr bedeutende Stelle einnimmt. Die Thä-
tigkeiten und Maßregeln deſſelben richten ſich nach der Art der
Gefahren. Dieſe ſind folgende:
1) Gefahren von Seiten der Menſchen. Sie beziehen
ſich entweder auf das Eigenthum ſelbſt, oder auf die Nutzung des
Waldes, oder auf beide zugleich. Zum Schutze des Waldeigen-
thums dienen die verſchiedenartigen Grenzen, als Haupt-,
Beholzungs-, Weide-, Behutungs-, Jagdgrenzen u. dgl., welche
man durch äußere Zeichen andeutet. Die Nutzung wird gefähr-
det ſowohl durch Mißbrauch der Hauptnutzungen (z. B. ſchlechte
Waldwirthſchaft irgend einer Art) als auch durch Mißbrauch der
Nebennutzungen (Weide, Gras, Streu, Laub, Mäſtung, Rinden-
ſchälen, Saft- und Harzreißen, Jagd u. dgl.). Beides zugleich
iſt gefährdet durch Diebſtahl, andere Waldfrevel, Brand u. dgl.
Hier ſind gute Polizeigeſetze zum Schutze nöthig.
2) Gefahren von Seiten der Thiere. Der Schaden
entſteht zum Theile von vierfüßigen Thieren2), zum Theile von
Vögeln3), zum Theile von Inſekten4) und zum Theile von
Schmetterlings- und Blattweſpen-Raupen oder Larven5). Die
Mittel gegen dieſelben finden ſich zum Theile in der Natur ſelbſt,
indem dieſe durch Witterung und andere Thiere, welche jenen
Feind ſind, dagegen wirkt, zum Theile ſind ſie künſtlich, entweder
indem man die Feinde ſolcher Thiere hegt, oder indem man die
ſchädlichen Thiere zu entfernen und ihren Verheerungen vorzu-
beugen ſucht. Man hat dazu aber ſehr viele verſchiedene Wege.
3) Gefahren von Seiten der Natur im Allgemeinen.
Es gehören hierher vor Allem die Krankheiten der Bäume6), die
Schaden durch klimatiſche Veränderungen7) und durch Natur-
ereigniſſe8). Auch für dieſe Fälle ſind ſo viele Mittel angerathen,
daß ſie hier nicht erwähnt werden können.
¹⁾ Laurop Grundſätze des Forſtſchutzes. Heidelberg 1811. 2te Ausg. 1834.
Bechſtein Forſtbeſchützungslehre. Gotha 1813 (IV. der Forſt- und Jagdwiſſenſchaft).
Schilling, der Waldſchutz. Leipzig 1826. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 463.
u. III Bd. Hartig Lehrbuch. II. Bd. II. Thl. Pfeil Handbuch. III. Abthl.
[284/0306]
²⁾ Es gehört hierher das Hirſch- und Schweinwildpret, das Eichhörnchen,
der Maulwurf in Pflanzungen, der Haaſe und die Mäuſe, nämlich die große
Haſelmaus (Mus quercinus), die kleine Haſelmaus (M. avellanarius), die Wan-
derratte (M. decumanus), die große Feldmaus (M. sylvaticus), die Brandmaus
(M. agrarius), die kleine Feldmaus (M. arvalis), die große Reitmaus (M. amphi-
bius seu terrestris), und der Siebenſchläfer (M. glis), deren Hauptfeinde der Fuchs,
der Igel, die Wieſel, die wilde Katze und die Eule ſind.
³⁾ Man hat hierher den Auer- und Birkhahn, das Haſelhuhn, die Finken,
Kreutzſchnäbel, Ammern, die wilden Tauben und Heher zu zählen.
⁴⁾ Es gibt nicht weniger als 700 Inſekten, die in forſtlicher Hinſicht ſchädlich
ſind. Die vorzüglichſten ſind folgende: der Maikäfer (Melolontha majalis seu vul-
garis), der Juniuskäfer (Melolontha solstitialis), der Juliuskäfer (scarahaens
fullo), der Gartenlaubkäfer (sc. horticola), der Hirſchſchröter (Lucanus cervus),
der Balkenſchröter (L. parallelipipedus), der gemeine Borkenkäfer (Bostrichus s.
Dermestes typographicus), der Kiefernborkenkäfer (B. pinastri), der Fichtenborken-
käfer (B. piniperda), der Lerchenborkenkäfer (B. laricis), der Kupferſtecherborken-
käfer (B. Chalcographus), der Tannenborkenkäfer (B. micrographus), der Zeichner-
borkenkäfer (B. polygraphus), der Kolbenborkenkäfer (B. scolytus), der Pappeln,
Blattkäfer (Chrysomela populi), der Vierpunkt-Blattkäfer (Chrysomela quadri-
punctata), der Fichtenrüſſelkäfer (Curculio pini), der violette Rüſſelkäfer (C. viola-
ceus), der beſtäubte Rüſſelkäfer (C. incanus), der Aurora-Rüſſelkäfer (C. aurora),
der rothſüßige Rüſſelkäfer (C. rufipes), der Buchen-Blattminirkäfer (C. fagi), der
Erlenverderber (C. Lapathi), der ausſpähende Bockkäfer (Cerambyx inquisitor),
der ſeehundfarbige Bockkäfer (Cerambyx Carcharius), der finniſche Bockkäfer (C.
finnicus).
⁵⁾ Hierher: der Weidenſpinner (Phalaena Bombyx salicis), der Weißdorn-
ſpinner (Ph. B. chrysorhoea), die Nonne (Ph. B. monacha), die Kiefernſpinner
(Ph. B. pini), der Weißbuchenſpinner (Ph. B. neustria), der Fichtenſpinner (Ph.
B. pytyocampa), der Weidenholzſpinner (Ph. B. cossus), der Roßkaſtanienſpinner
(Ph. B. aesculi), die Pflaumeneule (Phalaena noctua quadra), die Kieferneule
(Ph. noctua piniperda), der Fichtenſpanner (Phal. geometra piniaria), der Frul-
bornſpanner (Phal. geometra trumata), der Kahneichenwickler (Phal. tortrix viri-
dana), der Fichtenwickler (Ph. tortrix hercyniara), der Kiehnſproſſenwickler (Ph.
tortrix resinana), der Tannenzapfenwickler (Ph. tortrix strobilona), der Nadel-
wickler (Ph.tortrix piocana), die Tangelmotte (Ph. tinea dodecella), die Kien-
motte (Ph. tinea turionella), die Eichrindengallweſpe (Cynips quercus corticis),
die dickſchenkelige Blattweſpe (Tenthredo femorata), die Rothtannen Blattweſpe
(T. abietis seu pini), die rothköpfige Blattweſpe (T. erythrocephala), die Fähren-
blattweſpe (T. pinastri).
⁶⁾ Die Krankheiten der Waldbäume ſind entweder örtlich (Wunden, Geſchwüre,
Auswüchſe) oder allgemein, und rühren im lezten Falle entweder von vermehrter
Lebenskraft her (Saftfülle, Rothfäule, Saftfluß, Bleich-Gelbſucht, Entzündung,
unreifer Splint) oder von verminderter Lebenskraft (Auszehrung, Trockniß, Gipſch
dürre, Fäulniß, Honig- und Mehlthau, Ausſatz).
⁷⁾ Solche Beſchädigungen entſtehen durch Sturmwinde, Fröſte, Schnee und
Rauhreif.
⁸⁾ Hierher gehören die Ueberſchwemmungen, Dürre, Flugſand u. ſ. w. Li-
teratur bei Pfeil Handbuch I. S. 141.
IV. Die Ernte- oder Hiebslehre1).
§. 234.
1) Hauptforſtnutzung. a) Der Hieb im Allgemeinen.
α) Haubarkeit.
Die ganze Forſtnutzung zerfällt in die Haupt- und in die
Nebennutzungen. Die Hauptnutzung iſt der Ertrag an Holz
[285/0307]
für den Landbau, Waſſerbau, Erd- und Grubenbau, Schiffsbau,
Maſchinenbau, Bloch- und Schnittbau, für Handwerkszwecke, Wirth-
ſchaft und Geſchirre. Es iſt durchaus nicht gleichgiltig, wann das
Holz geſchlagen wird. Denn der Ertrag iſt immer noch im Stei-
gen, ſo lange der Baum nicht ſeine Vollkommenheit erreicht hat,
und nimmt alsbald ſteigend ab, wenn er über dieſe Periode hinaus
ſtehen bleibt. Die Zeit der Haubarkeit, welche im einzelnen
Falle nicht blos nach der Natur der Holzarten, ſondern auch nach
der Art der Waldwirthſchaft (§. 227–232.) verſchieden iſt, rich-
tet ſich im Allgemeinen alſo nach natürlichen und nach wirthſchaft-
lichen Umſtänden. Daher unterſcheidet man die natürliche und
die wirthſchaftliche Haubarkeit. Jene tritt ein, ſobald das
Wachsthum der Bäume den höchſten Zuwachs erreicht hat, und iſt
äußerlich zu erkennen2). Dieſe aber tritt ein, wenn der Hieb
von den Regeln einer nachhaltigen Wirthſchaft geboten wird, folg-
lich wenn die größte Holzmenge erzielt werden kann, wenn der
größte Erlös zu erwarten iſt, und wenn die Reproduction dadurch
nicht vernichtet wird, weßwegen der Hieb nicht Statt finden ſoll
vor dem Tragen reifer Saamen oder ſo lange die Saamen- oder
Schößlingserzeugung dauert, je nachdem das Eine oder Andere
von der Art der Waldwirthſchaft verlangt wird.
¹⁾ Zur Literatur: Laurop, die Hiebs- und Kulturlehre. (Karlsruhe 1816.)
S. 55. Schmitt Forſtgehaubeſtimmung. Wien 1818. II Bde. v. Kropff Sy-
ſtem und Grundſätze. S. 113. Duhamel de Monccau, Von der Fällung der
Wälder. Aus dem Franzöſiſchen überſetzt von Oelhafen v. Schöllenbach.
Nürnberg 1766–1767. II Theile. Hundeshagen Encyclopädie. I §. 391.
Beckmann, Von der Holzſaat. I. 197. Moſer Archiv. XV. 29. Hartig
Archiv. V. 3. Laurop Annalen. IV. 1. Hartig Lehrbuch. III. Bd. IV. Thl.
²⁾ Laurop (Hiebslehre S. 57.), welcher auch noch gegen die Regeln der
Logik zu der natürlichen und wirthſchaftlichen Haubarkeit eine techniſche annimmt,
gibt (§. 38.) als ſicherſtes Merkmal der natürlichen Haubarkeit, neben mehreren
unſicheren, die unvollkommene (!) Ausbildung der äußeren Theile des Baumes und
das Abſterben der Gipfel deſſelben an.
§. 235.
Fortſetzung. β) Hauptregeln beim Hiebe.
Es iſt leicht einzuſehen, daß hier nicht von dem Hiebe, als
dem weſentlichen Theile einer Art von Waldwirthſchaft, ſondern
nur von Operationen und Rückſichten die Rede ſein kann, welche
bei der Fällung des Holzes Statt finden müſſen. Es leiten dabei
folgende Regeln: 1) In Betreff der Anordnung des Hiebes.
Man darf den Wald nicht auf einmal ganz abhauen, ſondern muß
jährlich oder periodiſch nur einen Theil des ganzen Waldbeſtandes
dem Hiebe unterwerfen, um nach gleichen Perioden gleichviel Holz
[286/0308]
zu gewinnen. Der Hieb darf nicht regellos geſchehen, ſondern es
muß dabei eine beſtimmte Ordnung gehalten werden. Iſt nun
eine regelmäßige Waldwirthſchaft eingeführt, ſo wird nach der
Regel gehauen, welche derſelben zu Grunde liegt. Iſt eine bis-
herige Waldwirthſchaft in eine andere zu verwandeln, ſo geſchieht
der Hieb nach den Uebergangsgrundſätzen. Iſt ein Gehölz oder
ein Forſt in Betreff des Alters, der Größe und Art des Holzes
ganz unregelmäßig bewachſen, ſo muß er für die Zukunft ſobald
als möglich in einen geregelten Beſtand verwandelt werden. In
dieſem Falle geſchieht der Hieb nach den Grundſätzen zur Anlage
der ſpäteren Wirthſchaftsart, und die Wahl der nächſten Wirth-
ſchaftsart hängt von dem jetzigen Beſtande des Waldes ab, welcher
auch nach allen Beziehungen ſo mangelhaft ſein kann, daß man
eben das Holz ſämmtlich abtreiben und einen ganz neuen Wald-
beſtand anfangen muß. 2) In Betreff der Bezeichnung der
Bäume, Sträuche oder Waldſchläge, welche gehauen werden ſollen.
Man nennt dieſes das Anweiſen, und hat dazu allerlei Zeichen,
z. B. auch das Anſchlagen mit der Axt. 3) In Betreff der
Jahreszeit des Hiebes. Dieſe liegt zwiſchen dem Abfallen des
Laubes und ſeinem Wiederausbruche. Geſchickter iſt dieſe Fällung
in ſoferne, als das im Winter gefällte Bauholz im Walde nicht
leicht ſtockig wird, das ſo gefällte Handwerksholz wegen des lang-
ſamen Austrocknens nicht leicht Riſſe bekommt, und das Brennholz
an Brennkraft gewinnt. Das Erſtere trocknet dagegen auch, wenn
es im Winter gefällt iſt, nicht ſo leicht aus, wie das im Sommer
gefällte; das Andere wirft ſich, im Safte gefällt, nicht ſo ſehr,
wenn es hinlänglich ausgetrocknet iſt; und das Leztere brennt
beſſer, wenn es im Sommer ſaftig gehauen und zur Trocknung
gut aufbewahrt iſt. 4) In Betreff der Führung des Hie-
bes. Durch die Fällung ſollen weder die gefällten Bäume ſelber,
noch das ſtehende Ober- und Unterholz beſchädigt werden. Man
muß ſuchen vom Stamme ſelbſt ſo viel als möglich zu benutzen.
Daher ſtrebt man darnach, die Bäume ſo tief als möglich, ſelbſt
ſammt den Wurzeln zu fällen. 5) In Betreff der Räumung
der Hiebsfläche. Zum Theile wegen der Erhaltung des gefällten
Holzes ſelbſt, zum Theile und hauptſächlich wegen des ungehin-
derten Fortwachſens und wegen der Verhütung von Beſchädigungen
in den Schlägen jeder Art iſt die ſchleunigſte Hinwegſchaffung der
Stämme, das baldige Ausroden der Wurzelſtöcke, Zuſammenſchla-
gen der Aeſte und Aufleſen der Holzſpähne eine Hauptregel. Sehr
gut iſt es, wenn man dazu im Walde recht gute Transportmittel
hat. Es muß aber ſchon bei der Führung des Hiebes, und ſelbſt
[287/0309]
ſchon bei der Eintheilung des Waldes in Schläge hierauf Rück-
ſicht genommen werden.
§. 236.
Fortſetzung. b) Das Sortiren und Aufarbeiten des Holzes.
Das Holz muß je nach ſeinen Zwecken ausgeſucht und zum
Gebrauche weiter hergeſtellt werden. Man beſtimmt die Güte deſ-
ſelben nach ſeiner Textur, Dichtigkeit, Feſtigkeit, Härte, Feder-
kraft, Trennungsfähigkeit, Zähigkeit, Farbe, Dauerhaftigkeit,
Waſſeranziehungskraft, chemiſchen Zuſammenſetzung, Brennkraft,
und ſonſtigen natürlichen Fehlern. Je nach denjenigen dieſer Ei-
genſchaften, welche ein Holz je nach den (§. 234.) genannten
Zwecken des Gebrauchs haben muß, wird es nun ausgeleſen, ſo
weit zugerichtet, daß es verkauft werden kann, um von den Ge-
werken verarbeitet zu werden1). Alsdann wird daſſelbe ordnungs-
mäßig aufgeſchichtet, und zum Theile im Freien, zum Theile aber
in Magazinen aufbewahrt. Lezteres geſchieht jedenfalls mit dem-
jenigen Holze, das zu gewerklichen Zwecken irgend einer Art
beſtimmt iſt. Daher findet man auch kurz daſſelbe nur in zwei
Sortimente (Nutz- und Brennholz) oder in vier Sortimente
(Bau-, Werk-, Geſchirr- und Brennholz) abgetheilt, und
man ſcheidet dann für dieſe Sortimente wieder die Stämme
(ganze Heiſter, ganze Stangen), die Klötze (Blöche, Abſchnitte),
und die Schnittſtücke (Kloben, Trummen, Schnittlinge), deren
einzelne Stücke man Scheiter oder Spälter nennt.
¹⁾ Es werden hierzu Kenntniſſe in den entſprechenden Gewerken vorausgeſetzt.
Man ſ. die Sortimente im Einzelnen bei Hundeshagen Encyclopädie. I. 377.
Pfeil Handbuch. IV. Abtheil. Hartig Lehrbuch. III. Bd. IV. Thl. 2r u. 3r
Abſchn. Meyer Forſtdirectionslehre. §. 214 folg. Jägerſchmidt, Handbuch für
Holztransport- und Floßweſen. (Karlsruhe 1827. 2 Bde.) I. 1–215. II. 525.
(Mit einem Atlas von Steindrücken in Querfolio.) Laurop Grundſätze der Forſt-
benutzung. Heidelberg 1834. Deſſelben Waldbenutzung. Erfurt 1821. Jeſter
Anleitung zur Kenntniß und Zugutmachung der Nutzhölzer. Königsberg 1816. Die
Literatur über das Einzelne dieſes Theiles der Forſtwiſſenſchaft iſt ſehr groß, beſon-
ders jene über die einzelnen Eigenſchaften des Holzes. Man ſ. darüber Pfeil
Repertorium (Handbuch I.). S. 157–165.
§. 237.
2) Nebenforſtnutzung.
Zu den Nebennutzungen der Forſte gehören a) die Rinden
der Hölzer. Sie dienen theils zum Gerben, zu Baſt, theils zum
Färben. Will man ſie gut benutzen, ſo muß das Holz geſchlagen
werden, wenn das Laub anfänglich hervorſticht. In 3–4 Fuß
Länge haut man dann die Rinde ringsum ab, und ſtößt ſie mit
[288/0310]
der Axt oder dem Loheiſen (meiſelförmig) ab. b) Die Säfte
der Bäume. Sie werden zur Bereitung von Terpentin, Harz,
Zucker und geiſtiger Getränke gebraucht, da der Saft entweder
Oel und Harz oder Zuckerſtoff führt (§. 226.). Um das Harz zu
gewinnen, ſchält man am Nadelholze im Frühling unten am
Stamme 3–4 Fuß lange ſchmale Streifen (Lachten) von der
Rinde ab. Der bald herausfließende Saft wird während des
Sommers ganz dick über den aufgeriſſenen Lachten, daß er mit
einem Harzeiſen (hackenförmig) in einen Beutel (Harzmeſte,
einen Korb) abgeriſſen werden kann. Dieſe Operation kann an
demſelben Baume bis zu 40 Jahren lang alle Frühjahre wieder
geſchehen, indem man neue Lachten macht, und die alten erweitert
(anzieht). Zur Gewinnung des Zuckerſaftes bohrt man die
Stämme bei warmem Wetter und bringt eine Rinne an, die den
Saft in ein Gefäß leitet. c) Die Früchte der Bäume. Sie
werden zum Theile eingeſammelt, zum Theile aber zur natürlichen
Beſaamung und zur Mäſtung des Viehes liegen gelaſſen. Man
ſammelt ſie zur Ausſaat oder zur Nahrung der Menſchen. Zum
Erſten dieſer Zwecke ſammelt man ſie am beſten vom Baume ſelbſt.
Darauf luftet man ſie an einem trocknen Orte ab. Es gibt auch
Saamen, welche in holzigen Zapfen ſtecken, aus denen man ſie
ziehen muß. Man hat dazu die Auskleng-Anſtalten, d. h.
Gebäude mit Darrſtuben, in welchen die Zapfen auf Horden von
Draht gedörrt werden, bis ſie ſich öffnen (ausklengen), wozu eine
Wärme von 18–20° Reaum. hinreichend iſt. Auch in der Sonnen-
hitze kann dieſe Operation geſchehen. Die Aufbewahrung der Holz-
ſaamen in der Zeit zwiſchen dem Herbſte und Frühling erfordert
ſehr viele Sorgfalt, weil die Keimkraft derſelben ſehr leicht zerſtört
werden kann, da ſie ſehr von Feuchtigkeit, Wärme und vom Sauer-
ſtoffe in der Atmosphäre leiden. d) Das Laub und e) das Wald-
gras1). Man bedient ſich derſelben theils zu Viehfütterung im
Stalle oder auf der Weide, theils zur Stallſtreu. Die Benutzung
von Beiden iſt nur mit großer Behutſamkeit zu geſtatten, weil je
nach der Art der Waldwirthſchaft dadurch große Schäden ange-
richtet werden können.
¹⁾ Die Gräſer des Waldes ſind keine andere als die gewöhnlichen Schädlich
ſind aber folgende: Der Windhalm (Agrostis), das Hirſegras (Milium), das
Haargras (Elymus), das Perlgras (Melica), die Schmiele (Aira), das Riſpen-
gras (Poa), die Quecke (Triticum repens), das Riedgras (Carex).
[289/0311]
Zweite Unterabtheilung.
Beſondere Forſtbaulehre.
§. 237. a.
Auch hier werden, entſprechend wie in der Feld- und Garten-
baulehre, die beſonderen Regeln von dem Anbaue und der Zucht
der einzelnen Waldbäume vorgetragen.
I. Von dem Laubholzbaue.
§. 238.
1) Anbau der Laubholzbäume. a) Der Buche. b) Der Eiche.
Die wichtigſten Laubholzbäume ſind für Deutſchland folgende:
a) Die Buche (Fagus sylvatica). Ihre gewöhnliche Dauer
iſt 120–150 Jahre, oft auch 300 Jahre, ihre Länge oder Höhe
140 Fuß. Sie wird mit dem 60ſten Jahre fruchtbar, und iſt
gegen ſtarke Hitze und Kälte ſehr empfindlich, obſchon ſie 6500
Fuß über der Meeresfläche noch fortkommt. Sie gibt beſonders
gutes Nutzholz, und ihres Holzes Brennkraft iſt = 100. Zu
Bauholz iſt ſie nur an ganz naſſen oder ganz trockenen Stellen zu
brauchen. Ihre Frucht, zu einem guten Oele brauchbar, iſt in
einer zweitheiligen Kapſel. Am beſten ſagt ihr ein friſcher Sand-
lehmboden zu. Sie iſt beſonders zu Hochwald, weniger zu Nieder-
wald, wohl aber auch zu Mittelwald gut1). Im Hochwalde zeigt
ſie einen Zuwachs von 20–50 Kub. Fuß, bei geſchloſſenen Be-
ſtänden, im Niederwalde nur 20–34. Kub. F., im Mittelwalde
den Durchſchnitt hiervon, und als Kopfholz weniger als im Nie-
derwalde. Der Werth der Buchenkohlen iſt = 84. Die Buche iſt
auch durch Pflänzlinge fortzupflanzen, und zwar ſchon bei einer
Dicke von 1½-2 Zoll. Sie leidet ſehr vom Wilde, beſonders
vom Haaſen.
b) Die Eiche (Stieleiche Quercus pedunculata, Trauben-
eiche Q. Robur). Ihr Wachsthum reicht bis zu 170–200 Jahren,
und ſie dauert 800 Jahre, wird 120–140 Fuß lang und 6–9
Fuß dick. Ihre Fruchtbarkeit tritt mit dem 90–100ſten Jahre
ein. Sie verlangt am liebſten Lage und Klima warm, und kommt
noch bei 4300–4500 Fuß über der Meeresfläche fort. Sie liebt
einen tiefen Flußboden, einen humoſen Lehmboden. Als Nutzholz
braucht man ſie mit dem 160–200ſten Jahre, als Landbauholz
mit dem 120–160ſten Jahre, und als Brennholz in Schlägen mit
20–40 Jahre. Sie paßt beſonders für Hochwald, für Nieder-
Baumſtark Encyclopädie. 19
[290/0312]
wald nur in kurzen Umtrieben2). In Erſterem zeigt ſie einen
Zuwachs von 30–80 Kub. Fuß. Ihre Brennkraft iſt = 76,
und der Werth der Eichkohle = 100. Man zieht ſie aus Saamen.
Sie leidet auch ſehr vom Wilde, beſonders von Inſekten.
¹⁾ Der Saame reift im September und fällt im Oktober. Man ſäet ihn in
Rillen 3–4½ Zoll tief unter, und man braucht pr. Morgen 2 Scheffel Bucheln.
Die Saat iſt dem Wild- und Mäuſefraße ſehr ausgeſetzt, und die Pflänzlinge ſind
empfindlich gegen Kälte und Licht. Daher ſind ihr geſchützte Lagen am zuträg-
lichſten. Im Hochwalde wird ſie nach folgenden Regeln erzogen. Die Saamen-
ſchlagbeſtellung bewirkt einen Schluß faſt bis zum Berühren der Blätter der Bäume,
doch auch bei ungünſtiger Lage, unpaſſendem und ſehr fettem Boden einen ſtärkeren.
Die jungen Schläge bedürfen des Schutzes vor dem Begehen und Behuten Der
Lichtſchlag kann bei gutem Boden bis auf die Hälfte bei einer Höhe der Pflänzchen
von 1 Fuß, bei weniger gutem trockenen Boden ſchon im zweiten Spätjahre nach
geſchehenem Aufſchlage, aber nicht ſo ſtark, vorgenommen werden. Im lezten Falle
hilft man ſpäter noch nach. Der Abtriebsſchlag findet, wenn der richtſchlag gehörig
vollendet iſt, bei einer Höhe des Aufſchlags von 2–4 Fuß Statt. Die Durch-
forſtungen können mit dem 25–50ten Jahre beginnen und alle 12–20 Jahre
wiederholt werden. Man kann die Buche im Hochwalde aber auch mit Ahorn,
Eſchen, Eiſchen, Fichten, Weißtannen pflanzen. Für den Betrieb des Nieder-
und Mittelwaldes der Buchen bedarf es hier keiner beſonderen Grundſätze.
Ueber Buchenwaldungen ſ. m. v. Seutter, Ueber Wachsthum, Bewirthſchaftung
und Behandlung der Buchenwaldungen. Ulm 1799. Saurauw, Beiträge zur
Bewirthſchaftung buchener Hochwaldungen. Göttingen 1801. v. Witzleben, Be-
handlung der Rothbuchen-Waldungen. Leipzig 1805. 2te Aufl. Hundeshagen
Encyclopädie. I. §. 27. §. 112. Pfeil Handbuch. II. 78. 244. 300. 408.
Hartig Lehrbuch II. Bd. I. Thl. 1r Abſchn. 1–3s Kap. — 2r Abſchn. 2s Kap.
(Ueber die Saat der einzelnen Waldbäume ſ. m. 2r Abſchn. 2te Abtheil. 7s Kap.)
Beckmann, Von der Holzſaat. I. 75–194 (von ſämmtlichen Holzarten vermiſcht
die Saatregeln). v. Kropff Syſtem und Grundſätze. I. S. 153 (Laubholzforſte).
Hartig Journal. I. 13. II. 4. III. 2. Heft. Laurop Annalen. IV. Jahr-
bücher. I. 1. Deſſelben Hiebs- und Kulturlehre. §. 74. 120. Moſer Archiv.
XXIV. Stahl Magazin. II. Hundeshagen Beiträge. II. 2.
²⁾ Die Eicheln ſammelt man im September, und bewahrt ſie mit trockenem
Sande vermengt an trockenen Plätzen, oder im Freien mit Laub untermiſcht auf.
Ihre Saatzeit iſt aber der Herbſt; länger als bis zum Frühjahre, wo man ſie auch
wegen der Sicherung gegen Waſſerfluthen, Thiere und Froſt erſt geſäet hat, halten
ſie ſich nicht keimfähig. Man ſäet ſie entweder in Rinnen, welche in lockerem
Boden 6–8, in raſigem aber 12–18 Zoll tief aufgelockert ſind und 1–1½
-2–3-4 Fuß auseinander liegen; oder in Platten, wobei man 10–12
Eicheln in 4–5 Fuß von einander entfernte 1½-2 Fuß tiefe Pflanzlöcher von
1–2 Quadratfuß ſteckt, nachdem der ausgeſtochene Raſen unten hin gelegt und die
untere Erde heraufgefüllt iſt; oder durch das Unterhacken, wobei man mit einer
Hacke die Erde hebt und 2 Eicheln 3–4 Zoll tief in dieſen Hackenſchlag wirft,
wenn der Boden gut und locker iſt; oder endlich durch das Stopfen, d. h. indem
man mit einer Hohlſchaufel ein ½ Fuß tiefes 2–2½ Zoll weites Loch bohrt,
zwei Eicheln hineinwirft und die Erde wieder zerkrümmelt hineinzettelt. Man
bedarf je nach der Art und Weite der Saat 1½-5 Scheffel Eicheln. Aber ſie
dürfen ſeichter als ½ Fuß nicht unter der Erde ſein. Die Saat leidet ſehr durch
Maikäferlarven, Mäuſe und Wild. Im Hochwalde, in welchem ſie ſich mit
Buchen, Tannen, Ahorn, Hainbuchen und Kiefern gemiſcht beſſer noch als allein
befindet, ſollen ſich im Beſaamungsſchlage die Bäume mit den Seitenäſten faſt
berühren, wenn der Umtrieb nicht hoch iſt und der Boden leicht Unkraut führt, ſonſt
aber dürfen ſie damit ſelbſt 15 Fuß auseinander ſtehen. Vor dem Saamenfalle,
der zur Beſaamung benutzt werden ſoll, läßt man zur Reinigung des Bodens von
Unkraut, Engerlingen u. dgl. und zur Auflockerung deſſelben Schweine in den
[291/0313]
²⁾ Schlag. Der Lichtſchlag geſchieht ſchon im Winter nach der Beſaamung oder
ſpäteſtens im zweiten Jahre. Der Abtriebſchlag kann ſchon im dritten
und
vierten Jahre Statt finden. Eine Hauptdurchforſtung kann ſchon im 40ſten
Jahre mit dem Stangenholze vorgenommen werden. Im Niederwalde dient die
Eiche zur Gewinnung der Rinde (Spiegelrinde). So bildet ſie die Schälwal-
dungen von 12–18 jähr. Umtriebe, welche auf gutem Boden pr. Morgen
24–27 Centner Rinde geben ſollen. Man ſ. über Eichenwaldungen Finger,
Anlegung von Eichengärten und Pflanzung der Eichen. Nürnberg 1802. 2te Aufl.
Saurauw, Ueber die Holz-, beſonders Eichelſaat. Kiel 1802. Fuchs Lehrbuch,
die Eiche zu erziehen. Wien 1824 Krünitz Oekonomiſche Encyclopädie. Bd. X.
Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 28. §. 120. Pfeil Handbuch. II. 68. 253.
299. 359. 407. Hartig Lehrbuch. II. Bd. I. Thl. 1r Abſchn. 5–9s Kap.
2r Abſchn. 1s Kap. Laurop Hiebs- und Kulturlehre. §. 94. 117. Deſſelben
Jahrbücher. II. 1. Stahl Magazin. III. 105. IX. 16. Hartig Archiv. III.
v. Kropff Syſtem und Grundſätze. I. 345. v. Sierſtorpff Inländ. Holzarten.
I. §. 205–438.
§. 239.
Fortſetzung. c) d. Birke; d) d. Erle; e) d. Pappel.
c) Die Weißbirke (Betula alba) erreicht ein Alter von
80–150 Jahren, eine Höhe von 60–80 Fuß und eine Dicke von
2 Fuß. Ihre Fruchtbarkeit beginnt mit dem 30–40ſten Jahre,
und ſie kommt in jedem kälteren Klima, 6000 Fuß über der Meeres-
fläche noch fort, aber verſchwindet gegen Süden immer mehr, und
liebt einen friſchen lehmigen Kiesboden. Sie eignet ſich zu Nieder-
wald in kurzen Umtrieben, auch zu Mittelwald, aber nicht zu
Kopfholz1), leidet ſehr von Inſekten, hat einen jährlichen Zu-
wachs von 20–30 Kub. Fuß, und iſt als Schlagholz ſchon mit
15–20 Jahre zu brauchen. Ihre Brennkraft iſt = 86.
d) Die Erle (Alnus glutinosa die ſchwarze, A. incana
die weiße) verhält ſich faſt ganz wie die Birke2). Ihre Frucht-
barkeit beginnt mit dem 40ſten Jahre, dieſelbe kommt noch bei
3500–4000 Fuß über der Meeresfläche fort, liebt einen feuchten
Boden, Wärme, feuchte Sommer, Niederungen, Thäler, Wieſen-
ränder, leidet von Spätfröſten, eignet ſich zu Schnittholz vor-
trefflich, und iſt als Bauholz bei ſteter Näſſe, z. B. zu Röhren,
Grundpfählen, ſehr brauchbar. Ihre Brennkraft iſt = 57.
e) Die Pappel (Populus nigra die ſchwarze, alba die Sil-
ber-, tremula die Zitter-Pappel) erreicht ſelten ein Alter von
80–90 Jahren, eine Höhe von 60–80 Fuß, eine Dicke von
1½-2 Fuß, und ihre Fruchtbarkeit im 30–40ſten Jahre. Als
Baumholz iſt ſie mit 50, als Schlagholz mit 20, als Buſchholz mit
8–10 Jahren zu brauchen, und verlangt einen humoſen feuchten
Sandboden, oder lockeren kräftigen Lehmboden, und ein kaltes
feuchtes Klima. Dieſelbe iſt als Waldbaum höchſt untergeordnet,
und iſt nur aus den Wurzeln ausſchlagsfähig, daher man auch
19 *
[292/0314]
über ihren Ertrag an Holzmaſſe nichts Beſtimmtes weiß, als daß
ſie mit dem 50–60ſten Jahre das Volumen einer 90–100 jähr.
Buche hat3).
¹⁾ Reifzeit des Saamens Ende Auguſts, Septembers, Anfang des Oktobers,
je nach warmer oder bergiger Lage ihres Standortes. Man ſammelt ihn, wenn
die Zäpfchen bräunlich zu werden anfangen. Man muß ihn luftig und dünn aus-
breiten und häufig umwenden. Er hält ſich höchſtens bis zum Frühling, weßhalb
man ihn im Herbſte, noch beſſer als im Winter auf den Schnee, ausſäet. Derſelbe
muß auf gut bearbeitetem Boden fallen; daher pflügt man dieſen öfters ſchon im
Sommer vor der Saat, wenn es lokal thunlich iſt. Der Saamen wird in weiten
Rinnen oder Platten geſäet und ¼-½ Zoll untergebracht. Man reicht mit
2 Scheffel Saamen pr. Morgen aus, und ſäet bei windſtillem Wetter. Im Hoch-
walde, wo ſie auch vorkommt, braucht nur alle 20–30 Schritte eine Saamen-
birke zu ſtehen; denn die Birke pflanzt ſich ſehr leicht fort, obſchon ſie eigentlich
faſt nie, ohne Unterbrechungen fortlaufende, große Beſtände bildet; da unter ihrem
Schluſſe Unkräuter wuchern und die Pflänzchen ſelbſt nur bei großem Humusgehalte
des Bodens kräftig aufſchießen. Im Niederwalde gehen auch die Stöcke ſehr
gerne ein, weßhalb man auf dem Morgen immer einige Saamenſtangen zur Bil-
dung neuer Stocke ſtehen läßt. Sie liefert ſo Beſenreiſig und Faßreife, wegen
deren Erziehung man die Beſtände recht ſchließt, damit die Stangen ſehr dünn
und hoch werden. S. v. Seckendorf Benutzung der Birke. Leipzig 1800.
Kropff Syſtem und Grundſätze. I. S. 176. Laurop, Vom Anbau der Birke.
Leipzig 1796. Gotthard, Cultur der Birke. Mannheim 1798. Pfeil Handbuch.
II. 111. 256. 300. 372. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 30. §. 259. 129.
Hartig Lehrbuch. II. Bd. I. Thl. 1r Abſchn. 10s Kap. 2r Abſchn. 3s Kap.
Moſer Archiv. IV. 264. Hartig Journal. I. 4. Stahl Magazin. I. 281.
Laurop Annalen. V. 3. Deſſelben Jahrbücher. I. 1.
²⁾ Der Erlenſaamen reift im Oktober, wird aber erſt im November geſam-
melt, weil der Nachtfroſt die Schuppen beſſer öffnet. Man ſammelt entweder den
abgefallenen Saamen, oder knickt ihn ſammt den Zweigen ab, an welchen er hängt.
Dieſe hängt man dann zuſammengebunden auf, damit ſie an der Luft trocknen, und
driſcht ſie aus. Der Saamen hält ſich dann 1 Jahr lang in Säcken. Man ſäet
ihn im Frühling auf nicht ſtark gelockertem Boden, weil er durch das Auffrieren
ſehr leidet. Da er in Brüchern von mäßiger Feuchtigkeit am beſten aufgeht, ſo
kommen einzeln ſtehende einſchaftige Bruchgräſer, nachdem ſie geſchnitten ſind, dem
Schutze der Erlenſaat ſehr zu Statten, und man bedarf für einen Morgen dann
nur 6–8 Pfund Saat. Iſt der Boden ſehr benarbt, dann ſchält man den Raſen
leicht ab, ehe man ſäet. Im Hochwalde iſt für ſie ein Saamen- und Lichtſchlag
nicht leicht vortheilhaft. Man ſchlägt den ganzen Beſtand daher ab, wenn in einem
guten Saamenjahre der Saamen auszufallen anfängt. Das dann zugleich auf-
wachſende Gras wird hierauf im Vorſommer ſorgſam abgeſichelt. Im Niederwalde
gibt die Erle bei 40 jähr. Umtriebe ein brauchbares Spälterholz. Drüber hinaus
kann der Umtrieb, ſelbſt bei einer 20 jährigen Durchforſtung bei dickem Schlage,
nicht ohne Mangel in der Erneuerung der Saamenſtöcke getrieben werden. Ueber-
haupt iſt ein kurzer Umtrieb im Holzertrage vortheilhafter, als ein langer. Die
Abfuhr des geſchlagenen Holzes iſt ſchwer wegen des unſicheren Bodens, und das
Aufſetzen im Bruche muß auf Unterlagen geſchehen. S. Gedanken über den Anbau
des Erlenholzes. Leipzig 1797. Bioern, Ueber die Erlen und deren Behandlung.
Danzig 1819. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 31. 259. 130. Pfeil Handb.
II. 118. 258. 301. 375. 410. v. Kropff Syſtem und Grundſätze. I. 192.
Stahl Magazin. V. 1. 4. XI. 88.
³⁾ Man pflanzt die Pappeln durch Stecklinge fort, braucht dazu 1–2 jährige
Zweige, und ſetzt ſie in der Regel in Alleen. Um dieſe Stecklinge vor dem Pap-
pelbohrer (Phal. Bombyx Terebrai) zu ſichern, der ſeine Eier an den Stamm legt,
ſoll man ſie mit einem dünnen Brei von Lehm beſtreichen. Pfeil Handbuch. II.
104. 413. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 284. §. 33.
[293/0315]
§. 240.
Fortſetzung. f) d. Hainbuche; g) d. Ahorn; h) d. Rüſter;
i) d. Eſche.
f) Die Hainbuche (Weißbuche, Carpinus Betulus) erreicht
ein Alter von 100–200 Jahren und drüber, eine Höhe von 40 bis
60 Fuß, eine Dicke von 1¼ Fuß, und ihre Fruchtbarkeit mit dem
40ſten Jahre. Dieſelbe liebt ein mäßiges feuchtes Klima, iſt em-
pfindlich gegen Hitze und Trockniß, erträgt aber die größte Kälte.
Im Gemiſche mit Buchen kommt ſie vor, beſonders im Nieder-
walde, und verlangt einen friſchen kühlen Boden. Die Ausſchlags-
fähigkeit derſelben iſt ſtark und dauert ſehr lange. Sie gibt mit
80 Jahre Baumholz, mit 30–35 J. Schlagholz und mit 10–12
J. Buſchholz. Ihr Volumenertrag ſteht etwas unter jenem der
Buchen, man zieht ſie aber am beſten als tiefen Stockausſchlag
und Wurzelbrut. Die Brennkraft ihres Holzes iſt = 107.
g) Der Ahorn (Maßholder, der gemeine, Acer pseudo-
platanus, der Spitzahorn, A. platanoides, der kleine Spitzahorn,
A. campestre) erreicht ein Alter von 150–200 J., eine Höhe
von 80 Fuß, eine Dicke von 2–3 Fuß, und ſeine Fruchtbarkeit
im 40–50ſten Jahre. Er kommt noch 5200 Fuß hoch über der
Meeresfläche fort, verlangt eine Lage gegen friſche Mitternacht-
ſeiten und einen humoſen, nicht bindigen Lehmboden, wächst im
Gemiſche mit Buchen, beſonders im Mittelwalde und auf Höhen
im Erlenbruche, und liefert ein beſonders hartes Nutzholz. Seine
Brennkraft iſt = 115.
h) Die Ulme (Rüſter, Ulmus campestris) wird 200 Jahre
alt, 100 Fuß hoch und 3 Fuß dick, und im 50ſten Jahre frucht-
bar. Sie kommt im ſüdlichen und weſtlichen Deutſchland, gewöhn-
lich aber nur eingeſprengt in den Laubholzwaldungen, vor; ver-
langt einen friſchen, tiefen, humusreichen, nicht zu feſten Boden,
ein mildes, beſonders See-Klima; und eignet ſich namentlich als
Oberholz in den Mittelwäldern mit Buchen, Hainbuchen, Ahorn,
Eſchen u. dgl. Ihre Ausſchlagsfähigkeit iſt reichlich und lange
dauernd am ganzen Stamme, doch aber paßt ſie nicht gut zum
Kopfholzbetriebe. Sie liefert Bau- und Brennholz von 87
Brennkraft.
i) Die Eſche (gemeine, Fraxinus excelsior) wird 100 J.
alt im Hochwalde, und 30 J. im Niederwalde, ſo hoch wie die
anderen Laubholzbäume, 2½-3 Fuß dick, und mit dem 20 bis
50ſten Jahre fruchtbar. Sie will eine geſchützte Lage und einen
feuchten, lockeren, humusreichen Sandboden, paßt hauptſächlich
[294/0316]
aber zu Mittel- und Hochwald, findet ſich im Gemiſche mit
Buchen, und liefert beſonders gutes Nutzholz. Die Brennkraft
iſt = 1011).
¹⁾ Keiner von dieſen Bäumen kommt für ſich als Waldbeſtand vor, ſondern
immer untermiſcht mit anderen. Daher iſt eine beſondere Behandlung derſelben
nicht zu erwähnen. Es reift der Saame des Ahorn am Ende des September,
der Ulme am Ende des Mai, der Eſche am Ende Oktobers, und der Hainbuche
eben dann. Man ſammelt ihn entweder durch Schütteln, Streifeln u. dgl. oder
durch Abzwicken der äußerſten Zweige, die man dann zuſammenbindet und trocknet.
Derſelbe muß luftig aufbewahrt, häufig umgeſtochen werden, und hält ſich kaum
ein Jahr. Beſonders leicht verderblich iſt der Ulmenſaamen. Es geſchieht die
Saat des Ahorn entweder ſogleich im Spätjahre oder im nächſten Frühjahre, jene
der Ulme im Juni noch, jene der Eſche noch im November oder nächſten Früh-
jahre, ebenſo wie jene der Hainbuche. Man bedeckt den Ahornſaamen ½ bis
1½ Zoll, den Eſchenſaamen 1 Zoll, den Hainbuchenſaamen ½-1 Zoll tief mit
Erde, den Ulmenſaamen vermengt man blos mit derſelben. Es ſind an Ahornſaat
12–18 Pfund, an Ulmenſaat 6–8 Pfund, an Eſchenſaat 30–40 Pfund, und
an Hainbuchenſaat 25–40 Pfund pr. Morgen erforderlich. Man ſ. darüber
Pfeil Handbuch. II. 367–372. 86–99. 125. Hundeshagen Encyclopädie.
I. §. 32. 34–37. v. Sponeck, Anbau der ſpitzblättrigen Ahorne. Mannheim
1800. Schmitt, Erziehung des Ahorn. Wien 1812. v. Werneck, Anleitung
zur Ahornzucht. Marburg 1815. Laurop Annalen. II. 2. III. 7. Hartig Jour-
nal. I. 1. III. 2 (Hainbuche). Spitz, Erziehung der Ulme. Erfurt 1796. Stahl
Magazin. VI. 207. XI. 73.
§. 241.
Fortſetzung. k) d. Linde; l) d. Weide; m) und anderen.
k) Die Linde (Tilia europaea, die Sommer-, T. cordala,
die Winterlinde) wird ſelbſt über 800 Jahre alt, ſo hoch und dick
wie die Eiche, und mit dem 30–60ſten Jahre fruchtbar. Sie
kommt in ganz Deutſchland vor, aber als Hochholz nur einge-
ſprengt in Wäldern, liebt einen feuchten Grund, und kommt auch
im ſandigen Lehmboden fort, aber nicht auf ſtrengem Thonboden und
eiſenhaltigem Moorgrunde. Sie eignet ſich vorzüglich zu Schlag-
holz, als welches ſie mit 20–25 Jahre, während ſie als Baum-
holz mit 60–80 Jahre genommen werden ſoll. Dieſelbe iſt bis
ins ſpäte Alter ausſchlagsfähig. Die Brennkraft des Lindenholzes
iſt zwar ſehr gering, aber ſie dient zu Schnittholz. Der Saame
reift im Oktober.
l) Die Weide, nämlich die Baumweide (salix alba die
Weiß-, sal. fragilis die Knack-, sal. pentandra Lorbeer-, sal.
amygdalina Mandel-, und sal. vitellina Gelb-Weide), unter
deren Arten die zwei Erſten am vortheilhafteſten ſind, kommt in
Deutſchland meiſtens in Niederungen von gemäßigtem Klima in
feuchtem und naſſem Boden vor. Sie ſind für den Forſtbau ei-
gentlich von keinem Werthe, obſchon ſie für die Landwirthſchaft
in holzarmen Gegenden weſentliche Vortheile geben, indem ſie als
[295/0317]
Kopfholz ſehr ſchnell auf Stellen wachſen, die man nicht leicht auf
andere Art benutzen kann. Als Niederwald, ſelbſt bei nur 12 bis
18 jährigem Umtriebe, hat ſie jene Vortheile nicht. Sie wird durch
2–3 jährige Stecklinge fortgepflanzt, die man, zum Schutze gegen
die Vertrocknung des oberen Bodens, ſehr tief, bis zu 2 Fuß und
drüber, eingräbt, weßhalb ſie bis 3 Fuß lang ſein müſſen. Die
Pflanzung zwiſchen dem Auguſt und Mai iſt nicht ſchädlich1).
m) Die anderen, für den Forſtbau aber höchſt unwichtigen,
Waldbäume ſind die Ebereſche (sorbus aucuparia gemeine, —
domestica zahme, und hybrida der Vogelbeerbaum), die Birne
(Pyrus Pyraster gemeiner Birnbaum, P. malus Apfelbaum,
P. aria Mehlbirnbaum, P. torminalis Elzbeerbaum), die Vogel-
kirſche (Prunus avium), die Traubenkirſche (P. padus).
¹⁾ Ueber die Weide ſ. m. v. Jeitter, Anbau und Erhaltung der Saatweide.
Stuttgart 1798. Weiſe, Behandlung der Kopfweide. Rudolfſtadt 1804.
Bioern, Behandlung und Benutzung der preußiſchen Weidenarten. Danzig 1804.
Moſer Archiv. V. 1. Stahl Magazin. III. 275. Wedekind Jahrbücher.
Heft 5.
§. 242.
2) Anbau der Laubholzſträucher.
Die wichtigeren Geſträuche dieſer Art ſind folgende: Der
Haſel (Corylus avellana), die Faulbeere (Rhamnus frangula),
der Schlehendorn (Prunus spinosa). der Weisdorn (Crataegus
oxyacantha), die Hülſe (Jlex aquifolium), der Hartriegel (Cor-
nus sanguinea), die Strauchweiden (salix helix Bach-, sal.
viminalis Korb-, s. aquatica Waſſer-, s. caprea Saal- Weide),
die Himbeere (Rubus idaeus), die Beſenpfrieme (spartium
scoparium), der Färberginſter (Genista tinctoria), die gemeine
Heide (Erica vulgaris), die Heidelbeere (Vaccinium myrtillus).
Das Charakteriſtiſche bei ihnen iſt, daß ſie ſich ſowohl durch
Sproſſen als auch durch Saamen fortpflanzen, nach Abnahme des
Stockes wieder friſch treiben, den Boden dicht überziehen und be-
ſchatten. Daher ſind ſie als Forſtunkräuter nur zu vertilgen, wo
ſie dem beſſeren Betriebe anderer Baumarten hinderlich ſind.
II. Von dem Nadelholzbaue.
§. 243.
1) Anbau der Nadelholzbäume. a) Der Kiefer; b) der Tanne;
c) Fichte; d) Lärche;
Die Nadelhölzer ſind von der größten Wichtigkeit wegen ihres
ſchnellen Wachsthumes, wegen ihrer Einwirkung auf Verbeſſerung
[296/0318]
des Bodens, wegen ihrer Tauglichkeit zum Anbaue von Blößen
und wegen ihres Gebrauches zu Bau-, Bretter- und Spaltholz.
Es gehört hierher:
a) Die Kiefer (Pinus sylvestris). Sie erreicht ein Alter
von 200 Jahre, eine Höhe von 120–130 Fuß, eine Dicke von
3–4 Fuß und ihre Fruchtbarkeit im 20ſten Jahre. Dieſelbe
kommt 6000 Fuß über der Meeresfläche noch fort, und in reinen
Beſtänden vor, verlangt einen feuchten, tiefen, humusreichen Bo-
den, und verträgt jedes Klima. Als Brennholz iſt ſie mit 60 bis
80 Jahren, als ſtarkes Bauholz mit 100–120 Jahren ſchon
brauchbar, und gibt einen jährlichen Holzzuwachs von 4–80,
aber im Durchſchnitte einen ſolchen von 20–60 Kub. Fuß1).
Die Brennkraft ihres Holzes iſt = 88.
b) Die Weißtanne (Tanne, Pinus abies). Sie kommt zu
einem Alter von 300–400 Jahre, einer Höhe von 180 Fuß, einer
Dicke bis 8 Fuß und zur Fruchtbarkeit mit 50–60 Jahren. Man
findet ſie noch 6000 Fuß über der Meeresfläche. Sie wächst in
reinen Beſtänden und im Gemiſche mit Rothbuchen und Roth-
tannen, verlangt einen lockeren friſchen nahrhaften Boden, ein
mehr feuchtes Klima, verträgt ſich aber nicht mit einer zu ſonnigen
Lage. Ihr Holz, zu Brett- und Bauholz ſehr tauglich, iſt ſehr
fein und zähe und hat eine Brennkraft = 70. Beſonders gut iſt
ſie als Stockholz2).
c) Die Rothtanne (Fichte, Pinus picea). Sie erreicht
ein Alter von 200–300 Jahren, eine Höhe von 180 Fuß, eine
Dicke bis zu 6 Fuß, ihre Fruchtbarkeit mit 50–60 Jahren und
kommt 5500–6000 Fuß über der Meeresfläche fort. Man findet
ſie in reinen Beſtänden und im Gemiſche mit Buchen und Weiß-
tannen, verlangt einen friſchen tiefen kräftigen Boden, geſchützte
Mitternachtſeiten zu ihrem Standorte und erträgt keine Hitze. Zu
Bau- und Brennholz, aber nicht für feine Holzarbeiten, iſt ſie
brauchbar3). Die Brennkraft ihres Holzes iſt = 78.
d) Die Lärche (Pinus larix). Sie wird bis 200 Jahre alt,
80–100 Fuß hoch, 2–3 Fuß dick, und ſchon mit dem 6–8ten
Jahre fruchtbar, und kommt im Norden am beſten 1200–2500
Fuß über der Meeresfläche fort. Sie verlangt einen tiefen friſchen
kräftigen Lehmboden und erreicht auch auf humoſem Sandboden
ein Alter von 60 Jahren4). Die Brennkraft des Lärchenholzes
iſt = 71.
¹⁾ Man ſammelt die Saamen zwiſchen dem November und März, und kann
ſie, im Schutze gegen Luft und Sonne, 1 Jahr lang aufbewahren. Sind ſie aber
ausgeklengt, ſo halten ſie ſich 3–4 Jahre lang. Man ſäet im Frühjahre, ent-
[297/0319]
¹⁾ weder in Zapfen oder ausgeklengt, entweder in die Pflugfurche oder in Hackenlöcher
und -Rinnen, oder in das ſchon etwas hervorgewachſene Getreide. Wenn die
Zapfen aufzuſpringen anfangen, ſo müſſen ſie gewendet werden. Dies geſchieht
zugleich durch das Kehren mit einem ſtumpfen Beſen, damit die Saamen ausfallen.
Dieſe aber werden höchſtens 1 Zoll hoch mit Erde bedeckt, und man bedarf für
1 Morgen höchſtens 6 Scheffel Zapfen oder 6 Pfund guten Saamen. Sie eignet
ſich blos zum Hochwalde. Im Saamenſchlage ſind die Mutterbäume 12–15 Fuß
auseinander zu ſtellen, um ⅓–⅓ der Fläche zu beſchirmen; denn freier Stand
iſt ihm nicht gefährlich. Der Lichtſchlag erfolgt ſehr ſtark nach geſchehenem Anfluge
ſogleich und der Abtriebsſchlag dann, wann die jungen Pflanzen 1 Fuß hoch ſind,
die Durchforſtung beginnt ſchon mit dem 20–25ſten Jahre. Man ſ. Hundes-
hagen Encyclopädie. I. §. 45–49 (Botanik der Nadelhölzer). §. 132–154
(Hochwalde derſelben). Pfeil Handbuch. II. 147. 258 (ebenſo). 378 (Saat).
Hartig Lehrbuch. II. Band. I. Theil. 1r Abſchn. 11–16s Kap. (ebenſo).
v. Sponeck, Ueber unſere Nadelhölzer, in Hinſicht auf Hiebsbeſtellungen. Marburg
1815. v. Kropff Syſtem und Grundſätze. I. 113. Lindenthal, Verſuch über
Kiefernſaaten. Frankfurt a. d. O. 1800. Kaepler, Anbau und Benutzung eines
Kiefernwaldes. Leipzig 1798. Hartig, Kultur der Waldblößen. Berlin 1827.
Moſer Archiv. IV. 244. XVI. 1. Hartig Journal. I. 2. Archiv I.-IV.
Pfeil Krit. Blätter. III. 2. Laurop Annalen IV. 4. Hundeshagen Bei-
träge. II. Bd. Laurop Hiebs- und Kulturlehre. §. 110.
²⁾ Der Saamen wird am Ende Septembers und Anfange Oktobers reif. Hat
man ihn geſammelt und ausgeklengt, ſo muß er noch durch das Sieb gereinigt
werden, ehe man ihn ſäet, was am beſten noch im Spätjahre geſchieht. Man
ſäet ihn nur auf hinlänglich geſchützte Waldblößen im Freien, ſonſt aber nur in
Pflanzgärten, weil ihr Aufkommen anders zu ſehr gefährdet iſt. Aus dieſen verſetzt
man ſie in entſprechende Miſchbeſtände. Man kann ſie aber auch in alte Beſtände
ſäen, wenn man die Unkräuter zu vernichten weiß. An den alten Bäumen haut
man in dieſem Falle die unteren Aeſte ab, hackt die Erde auf und bringt den
Saamen 1–1½ Zoll tief unter. Für den Morgen rechnet man 40 Pfd. Saamen,
weil die Weißtanne gerne dicht ſteht. Der Saamenſchlag iſt ungefähr wie bei
der Buche; der Lichtſchlag aber dichter, weil die Weißtanne den Schatten gut
erträgt; endlich iſt der Abtriebsſchlag ebenfalls wie bei der Buche zu machen.
Die Durchforſtung darf erſt mit dem 40ſten Jahre beginnen und nur alle 15 Jahre
wiederholt werden. S. Laurop Hiebs- und Kulturlehre. §. 103. Deſſelben
forſtwiſſ. Hefte. Nürnberg 1828. 2s Heft.
³⁾ Reife und Sammeln des Saamens wie bei der Kiefer. Man ſäet blos
ausgeklengten Saamen, und zwar im Frühjahre, wenn keine Fröſte mehr zu er-
warten ſind, und kein Vogelfraß mehr zu fürchten iſt. Die Plattenſaat iſt vor-
zuziehen, weil die Fichte dieſen Stand von Natur liebt, und man macht Platten
von 1 bis 3 Quadr. Fuß in Entfernungen, ſelbſt von ½ Ruthe, indem man den
Waſen vollſtändig ausreißt, und zum Schutze der Pflänzchen gegen Süden aufſetzt.
Man braucht je nach den äußeren Umſtänden 8–20 Pfund Saamen. Doch aber
iſt die Pflanzung auch bei der Fichte ſicherer als die Saat, weil dieſe ſehr durch
Ausfrieren und Thierfraß leidet. Alle Nadelhölzer, beſonders aber die Fichten,
leiden ſehr durch Windbruch. Daher ſucht man ſie nicht blos in der Lage des
Beſtandes, ſondern auch durch den Hieb davor zu ſchützen. Es gibt daher für ſie
folgende eigenthümliche Hiebsmethoden: a) Der Kahlſchlag, bei welchem man
die Schläge in der Richtung von Nordoſt nach Südweſt in Streifen anlegt, die
nicht länger als der höchſte Stamm des Schlages ſind, alsdann bei einem zu er-
wartenden Saamenjahre das Holz kahl abtreibt, und zur Erleichterung der
Beſaamung den Boden aufreißt; b) der Wechſelſchlag (Keſſel- oder Couliſſen-
hieb), der als ein Kahlſchlag erſcheint, bei welchem man immer zwiſchen zwei
gleichzeitigen parallelen Kahlſchlägen einen gleichen Streifen Baumholz ſtehen läßt,
und erſt abtreibt nach der Bildung des Anfluges, welches Leztere man ohne Schaden
thun kann, da auch die Couliſſen beſaamt ſind; c) der Beſaamungsſchlag in
dem Sinne wie bei den anderen Hölzern; bei ihm wird der Saamenſchlag ungefähr
wie bei den Buchen gehalten, der Lichtſchlag 2–3 Jahre nach geſchehenem Anfluge
[298/0320]
³⁾ vorgenommen und bis zur einfüßigen Höhe der Pflänzchen fortgeſetzt, worauf dann
der Abtriebsſchlag erfolgt. Die Durchforſtungen können ſchon mit dem 30ſten Jahre
beginnen. Man ſ. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 140–148. Deſſelben
Beiträge. I. 1. II. 1. Moſer Archiv. V. 62. 251. Hartig Journal. I. 1.
Archiv. III. 4. Laurop Annalen. VI. 4. Jahrbücher. I. 3. II. 1. u. 4. Pfeil
Krit. Blätter. III. 1. IV. 2. V. 1. Laurop Hiebs- und Kulturlehre. §. 105.
v. Sierstorpff Inländ. Holzarten II. Thl.
⁴⁾ Man ſammelt den Saamen am beſten im Februar und März, weil man
ihn dann am beſten ausklengen kann. Er hält ſich 2–3 Jahre lang. Die Erzie-
hung in Culturen iſt der Saat ins Freie vorzuziehen. Man ſäet ihn aber in
Platten, die 6–8 Fuß von einander abliegen, und baut dazwiſchen Fichten. Die
Saat geſchieht im Mai auf lockeren Boden ſeicht. Im folgenden Jahre darf man
den Erwachs ſchon verſetzen. Zur Saat in Rillen braucht man für die Culturen
pr. Morgen 8–10, im Freien nach obiger Methode blos 1–2 Pfund Saamen.
Ueber ihren Hochwaldbetrieb fehlt es an Erfahrungen. Man ſ. aber Hoeck Er-
ziehung des Lärchenbaums. Nürnberg 1797. Moſer Anbau der Lärchen. Hoff 1799.
Drais Abhandl. von Lärchenbäumen. Ulm bei Stettin 1801. Lemke, Ueber den
Lärchenbaum. Hannover 1828. Kaſthofer Bemerkungen auf einer Alpenreiſe.
S. 85. 111. 143. Deſſelben Bemerkungen über die Wälder der Berner Alpen.
S. 13 (weil die Lärche daſelbſt vorzüglich gebaut wird). Hartig Journal. I. 1.
Archiv. I. 4. Hundeshagen Beiträge. II. 2. Wedekind Jahrbücher. 6s Heft.
Pfeil Krit. Blätter. V. 1.
§. 244.
2) Anbau der Nadelholzſträucher.
Obſchon ſich dieſe weder durch Anzahl noch beſondere Eigen-
ſchaften, als durch die größere Reproductionskraft von den Nadel-
holzbäumen auszeichnen, ſo müſſen ſie hier doch genannt werden. Sie
ſind der Wachholder (Juniperus communis) und die gemeine
Eibe (Taxus baccata).
Zweites Stück.
Die Hain- oder Luſtgartenbaulehre.
§. 244. a.
Unter dem Luſtgartenbaue oder der Landſchaftsgärt-
nerei verſteht man die Anlage und Unterhaltung von ſolchen
Gärten, in welchen man blos des Vergnügens halber ganze Land-
ſchaften und einzelne Anſichten im Kleinen darſtellen will. Aus
dem Gebiete des Pflanzenreiches werden darin größtentheils euro-
päiſche und außereuropäiſche Waldgewächſe, obgleich auch mit
Blumen und Obſtbäumen untermiſcht, gepflanzt. Darum gehört
ſie in die Forſtwirthſchaft und nimmt in derſelben eben die Stel-
lung ein, welche auch die Blumen-, Küchen- und Obſtgärtnerei
in der Landwirthſchaft einnimmt. Dieſelbe iſt die Forſtwirthſchaft
in der höchſten Veredelung und Feinheit. Sie ſoll das Ohr durch
den Geſang der Vögel und das Auge durch plaſtiſche Darſtellung
[299/0321]
der Natur, im Ideale aufgefaßt, ebenſo ergötzen, als der Fantaſie
Nahrung und Schwung geben, dem Gemüthe in einer Stimmung
entſprechen oder eine neue hervorrufen. Es wetteifern in ihr die
Malerei, Bildnerei und die Baukunſt dermaßen, daß ſie mit Recht
in das Gebiet der bildenden Künſte gehört. Dieſe drei Künſte und
Gärtnerei ſind ihre Hilfswiſſenſchaften. Sie ſelbſt aber iſt als
Kunſt ſchon ſehr alt, denn ſchon die älteſten, uns bekannten,
Völker haben ſie in hohem Grade beſeſſen1).
¹⁾ Zur Literatur: Die Lehr- und Handbücher der Gärtnerei (§. 183.a.),
insbeſondere aber Loudon Encyclopädie des Gartenweſens. II. 1351. Noiſette
Handbuch der Gartenkunſt, überſetzt von Sigwart. I. Bd. 1. Thl. III. u. IV. Bd.
Metzger Gartenbuch. S. 336. Leibitzer, der Gartenbau. IV. Bdchn. 1832.
I. Allgemeine Grundſätze.
§. 245.
Die allgemeinen Grundſätze des Luſtgartenbaues ſind:
1) Jene der Land- und Forſtwirthſchaft, wie ſie bereits
oben angegeben ſind und hier nicht wiederholt zu werden brauchen.
Sie treten aber auch mit einer Eigenthümlichkeit hier auf, in ſo
ferne als man bei der erſten mechaniſchen Bearbeitung oder Geſtal-
tung des Bodens ſchon auf die beſonderen Anlagen Rückſicht neh-
men muß.
2) Jene der genannten Künſte, wie ſie das Schöne in
einen manchfaltigen Idealen nach dem allgemeinen Prinzipe der
Aeſthetik darzuſtellen ſuchen. Darin entſcheidet das Genie und der
gute Geſchmack, welche ſich über dasjenige ausbreiten, was als
Grundcharakter des Ideales einer Zeit ſich dargeſtellt hat. So
wie die Alten als Grundcharakter ihres Ideales die Ruhe (das
Tragiſche) erkannten, ſo ſcheint in der neueren Zeit derſelben in
der Bewegtheit (dem Romantiſchen) zu liegen. Aus Beiden iſt
die Steifheit und Verzerrung verbannt, oder ſollte es wenig-
ſtens ſein.
In der Geſchichte jeder Kunſt erſcheinen aber Abſchnitte, in
welchen man ſich im wahrhaft Unäſthetiſchen bewegte, und es iſt
zu bedauern, wenn ſich dieſes zu einem ſogenannten Style einge-
bürgert hat. Auch in der Luſtgartenkunſt iſt dies geſchehen, ſo daß
man jetzt den geometriſchen und den natürlichen Styl unter-
ſcheidet. Jener, auch altfranzöſiſcher Styl genannt, unterwirft
das Wellenförmige und unregelmäßige Manchfaltige in der Natur
der geometriſchen Conſtruktion, und den friſchen Wuchs des Baum-
ſchlages zu Dächern, Kronen, Gebüſchen u. ſ. w. der Gartenſcheere,
[300/0322]
gerade ſo wie man die natürliche Farbe und den ungezwungenen
Fall des Haupthaares dem Puder, Wachs und der Scheere des
Friſeurs unterwarf, und es entſtanden jene langweiligen, geiſter-
tödtend regelmäßigen, ebenen Gärten. Der andere Styl nimmt
ſich aber als Vorbild die Natur, und ſucht ihre Formen in mög-
lichſter Aehnlichkeit ohne Zwang im Ideale darzuſtellen. Er iſt
jetzt der Herrſchende.
II. Beſondere Grundſätze.
§. 246.
Auch die beſonderen Grundſätze und Regeln der Luſtgartenkunſt
zerfallen in zwei Hauptſtücke. Sie ſind folgende:
1) Die Pflanzung der Luſtgewächſe. Auch hier muß
jede Pflanze nach ihrer natürlichen und wirthſchaftlichen Eigen-
thümlichkeit behandelt werden. Auch hier leiten die an mehreren
Orten ſchon angegebenen Regeln. Allein es iſt unnöthig, ſie hier
zu wiederholen, und der Raum zu beſchränkt, um die Luſtgarten-
pflanzen hier anzugeben, noch viel mehr, um die Eigenthümlich-
keiten ihrer Behandlung zu lehren1).
2) Die kunſtgerechte Anlage des Bildes im Ganzen
und in den einzelnen Parthien. a) Das Erſte iſt, ſich eine
rechte Ueberſicht des für die Gartenanlage beſtimmten Feldes zu
verſchaffen; dies geſchieht durch Zeichnung oder Reviſion eines
Planes, unter Berückſichtigung der chemiſchen, mechaniſchen und
klimatiſchen Verhältniſſe der Bodenfläche. b) Das Zweite iſt die
Berückſichtigung des Zweckes der Anlage und der Proſa der auf-
zuwendenden Geldmittel. Zu den Privat-Luſtanlagen ſind die
Landgüter, Villen, Maiereien, Sommerhäuſer u. dgl. ſehr paſſend.
Zu öffentlichen Luſtanlagen gehören nicht blos die Parke für
Fußgänger oder Reiter, Boulewarde, öffentliche Plätze in den
Städten, ſondern auch botaniſche Gärten. c) Das Dritte iſt die
Verfertigung eines Planes, wonach die Projektirung, Nivellirung
u. dgl. vorgenommen wird. Dies iſt ſehr ſchwierig, weil hiervon
die ganze Anlage abhängt, und es darauf ankömmt, über die
Fläche ſo zu diſponiren, wie es ihre Natur mit ſich bringt. d).Das
Lezte iſt endlich die Ausführung deſſelben. Indem man alles Ent-
ſtellende entfernt, muß man zugleich darauf ſehen, die Gehölze
und Gebüſche, die Gebäude jeder Art, die Waſſerparthien, die
Teiche, Thäler und Hügel, und die Felſenparthien ſo anzulegen,
daß ſie als Bild nicht blos einen ſchönen gruppirten Anblick mit
Vor- und Hintergrund darſtellen, ſondern ſelbſt auch, wenn man
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auf ihnen verweilt, ſchöne Nah- und Fernſichten gewähren. Jede
ſpeziellere Regel iſt hierfür faſt unmöglich, und die Studien dazu
kann man nur an der Natur ſelbſt machen.
¹⁾ Man ſtellt ſich zum Behufe der leichteren Benutzung die verſchiedenen Ge-
ſträuche und Bäume vorher am beſten in Bezug auf Höhe, Farbe, Blüthe und
Ausdauer in Klaſſen (Catalogen, Regiſtern) zuſammen, um ſich ſo die Wahl zu
erleichtern. Solche Zuſammenſtellungen finden ſich z. B. bei Metzger Gartenbuch
S. 353–363, bei Loudon an verſchiedenen Orten, und bei Andern.
Zweiter Abſatz.
Die Wildbahn- oder Jagdlehre.
§. 246. a.
Unter dieſer verſteht man die Lehre von den Grundſätzen und
Regeln von der Haltung (Bahn), Pflege (Hegung) und dem
Fangen oder Erlegen (Jagd) der Wildthiere in Wald und Feld.
Sie iſt wichtig theils als eine ſehr einträgliche Benutzung des von
der Natur dargebotenen Wildes, theils als Schutz gegen die Be-
ſchädigung der Wälder, theils als Mittel gegen die Verheerungen
der Felder durch großes Wild. Die allgemeine Wildbahnlehre,
obige Lehren mit Bezug auf alle verſchiedenen Wildgattungen zuſam-
mengenommen vortragend, kann alſo auch nur obige drei Abſchnitte
erhalten, worauf dann die beſondere dieſelben je nach den ein-
zelnen Wildgattungen modificirt1).
¹⁾ Bechſtein, Handbuch der Forſt- und Jagdwiſſenſchaft. Ir Thl. in 3 Bde.
Nürnberg 1801–1806. Neue Ausgabe in V Bdn. (Zoologie, Technologie, Zucht,
Jagd und Anatomie) von Laurop. Erfurt 1818–1822. Orphals Jägerſchule.
Leipzig 1806 u. 1807. III Bde. Boſe, Wörterbuch der Forſt- u. Jagdwiſſenſchaft.
Herausgegeben von Leonhardi. Leipzig 1808. III Bde. (I. Forſtwiſſenſchaft, II.
in 2 Thle. Jagdwiſſenſch., und III. Fiſcherei, jeder wird auch beſonders verkauft).
Hartig Lehrbuch für Jäger Tübingen 1822. II Bde. 4te Auflage. Aus dem
Winkell, Handbuch für Jäger. Leipzig 1818–1822. 2te Auflage. III Bände.
Jeitter Jagdkatechismus. Ulm 1816.
Erſtes Stück.
Allgemeine Wildbahn- oder Jagdlehre.
I. Von den Wildbahnen im eigentlichen Sinne.
§. 247.
1) Freie Wildbahnen.
Man verſteht unter einer Wildbahn denjenigen Theil einer
Bodenfläche, auf welchem das Wild gehalten wird. Der Wild-
ſtand aber iſt die Menge von Wild, welches ſich auf einer Wild-
[302/0324]
bahn befindet oder das Verhältniß dieſer Menge zur Wildbahn.
Das ſich auf einer Wildbahn aufhaltende eßbare Wild heißt
Standwild. Je nach dem Umſtande, ob der Wildſtand im freien
Walde oder in geſchloſſenen Revieren gehalten wird, gibt es fol-
gende Wildbahnen:
1) Freie Wildbahnen (Wildbeſtände). Bei ihrer Anlage
hat man folgende Umſtände zu berückſichtigen: a) die Lage und
ſonſtigen, die Erhaltung des Wildſtandes betreffenden Eigenſchaften
des Waldreviers, wo ſie angelegt werden ſollen. Denn nicht überall
hält ſich jedes Wild gerne auf. Manches bleibt ſo ziemlich auf
einer Fläche beſtändig (Standwild); Manches trennt ſich nach
Jahreszeiten von dem vorigen Stande (Wechſelwild); Manches
durchzieht gewiſſe Gegenden nur auf den Wanderungen im Früh-
ling und Herbſte, (Strichwild); endlich hat Manches zur Winters-
zeit ſeine Unbeſtändigkeit im Stande (Zugwild). In Bezug auf
die Plätze, wo ſich das Wild auf dieſe Weiſe zeigt, unterſcheidet
man das Wald-, Feld-, Sumpf- und Waſſerwild. Das Klima,
die Nahrung (Aeſung) und die Feinde beſtimmen das Wild zur
Beibehaltung und Veränderung ſeines Standes. b) Die Schäd-
lichkeit der Wildſtände. Die Wildſtände dürfen nicht ſo an-
gelegt werden, daß der durch ſie in Feld und Wald angerichteten
Schaden den von ihnen gewährten Nutzen überſteigt, oder über-
haupt im einen oder anderen Betrachte erhebliche Nachtheile für
andere Eigenthümer entſtehen. Wildſtände von Zug- und Strich-
wild, von Raubwild, und von wenig oder gar nicht nutzbarem
Wilde ſind daher nicht zu halten. Bei den anderen Gattungen und
Arten kommt es auf Anzahl, Hegung und Jagd an. c) Das
Alter und Geſchlecht der zu hegenden Wildarten. Dieſer Um-
ſtand und das Verhältniß, in welchem Jung und Alt, Weibchen
und Männchen gegeneinander der Zahl nach geſtellt ſein müſſen,
iſt nach Gattung und Art des Wildes verſchieden. d) Die
Stärke des Wildſtandes im Ganzen nach der Bahn und im
Einzelnen nach den unter b. und c. angedeuteten Umſtänden. Die-
ſer Umſtand bezieht ſich eigentlich nur auf das Standwild, und
der anzurichtende Schaden iſt, wenn ſich das Wild vermehrt, die
Richtſchnur dafür, weil ſich dieſes nur dort und ſo weit vermehrt,
wo und als es Aeſung findet. Die Stärke des Wildſtandes wird
alſo nach der Oertlichkeit des Jagdrevieres, nach der Holzart,
nach der Bewirthſchaftungsweiſe des Waldes, nach den Wildarten,
die gehegt werden ſollen, nach dem Vorhandenſein einer künſtlichen
Aeſung, nach der Nähe des Feldes, nach der Art ſeines Anbaues.
[303/0325]
und nach den dem Landwirthe zu Gebote ſtehenden Abwehrmitteln
gegen das Wild, alſo auch nach den Jagdgeſetzen beſtimmt1).
¹⁾ S. Meyer Forſtdirectionslehre. §. 76. folg. u. A.
§. 248.
2) Geſchloſſene Wildbahnen.
2) Geſchloſſene Wildbahnen (Thier- oder Wildgärten).
In ihnen wird das Wild innerhalb eines eingezäunten oder um-
mauerten Revieres mit noch größerer Sorgfalt als im Freien
gezogen. Es müſſen in ihrer Anlage dieſelben Punkte, wie bei
geſchloſſenen Wildbahnen, berückſichtigt werden, aber nur mit
größerer Aufmerkſamkeit im Einzelnen. Man hat alſo darauf zu
ſehen: a) daß der Boden ſammt dem Graswuchſe, Holzzucht u. dgl.,
ſammt hinreichendem Waſſer der Natur und Menge des zu halten-
den Wildes entſpreche; b) daß man ſelbſt Grasplätze zur natürlichen
Aeſung im Sommer unterhalte, wodurch es möglich wird, im
Thiergarten mehr Wild zu halten, als im Freien auf demſelben
Reviere möglich wäre; c) daß man die gehörigen Vorrichtungen
zur Winterfütterung, als Scheunen, Magazine, Füttertröge,
Raufen, Sulze und Suhlen (Salzlecken und Plätze zum Abküh-
len) u. ſ. w., wie es eben der Wildart entſpricht, hinſtelle; d) daß
man Häuſer für die Inſpektoren darin erbaue, und die zur Jagd
gehörigen Gänge (Pürſchwege), Anſtände u. dgl. m. herrichte;
e) daß man durch Umhägungen, Umzäunungen, Ummauerungen
u. dgl. ſich vor dem Entſpringen des Wildes, dieſes vor dem
Raubwild, und die nahen Felder vor Beſchädigung ſichere; f) daß
man nur die paſſende Art von Wild, in Bezug auf Alter, Ge-
ſchlecht und Menge regulirt, auf dem gewählten Reviere zu er-
halten ſuche.
II. Von dem Hegen des Wildſtandes.
§. 249.
Unter dem Hegen (Schonen) verſteht man alle Thätigkeiten,
Aufmerkſamkeiten und Anſtalten, welche dazu dienen, einen freien
oder geſchloſſenen Wildſtand in ſeinem, den (im §. 247 u. 248.)
angegebenen Punkten entſprechenden, Normalverhältniſſe ſo zu er-
halten, daß die Jagd nachhaltig, d. h. ohne daß ſie mit dem
Wildſtande eingeht, betrieben und benutzt werden kann. Durch
das Hegen wird alſo nicht blos der Normalwildſtand erhalten,
ſondern auch ein verdorbener wieder hergeſtellt.
[304/0326]
1) Die Erhaltung eines guten Wildſtandes erfordern:
a) daß man dem Wilde weder das natürliche noch das künſtliche
Geäſe entzieht, und nöthigenfalls ſelbſt noch mit Aeſung unter-
ſtützt; b) daß man das Gehölze ſtets weder durch Auslichtungen
noch häufigen Hieb für das Wild unbewohnbar macht; c) daß man
überhaupt Alles entfernt hält, was im Gehölze Unruhe erregen
und das Wild verſcheuchen kann; d) daß man die Raubthiere ab-
hält oder ausrottet; e) daß man, wenn die geſchloſſenen Gehege
mit Wald umgeben ſind, die Einhägung mit Einſprüngen und
Fallthoren verſieht, durch welche von Außen das Wild herein,
aber von Innen nicht hinaus kommen kann; f) daß man der
Wilddieberei ſteuert; g) daß man nicht zu unrechter Zeit Jagden
veranſtaltet, nämlich bei zu dünnem Wildſtande, in der Brunſt-
und Sprungzeit, in der Setz- und Brutzeit, welche Perioden man
die Hegezeit heißt; h) daß man weder Weibchen noch vom anderen
Geſchlechte ſo viel ſchießt (pürſcht) oder fängt, daß der Nach-
wuchs, bei dem man auch auf Sterbeabgang rechnen muß, nicht
den Verluſt erſetzen kann.
2) Die Wiederherſtellung eines verdorbenen Wild-
ſtandes. Im ſpeziellen Falle kommt es auf die Gründe des
Ruines an. Dieſe müſſen beſeitigt werden. Sie können nur im
Mangel an den Bedingungen bei Anlage der Wildbahnen und bei
dem Hegen des Wildes liegen. Es iſt in dieſen Fällen nicht ſchwer,
die betreffenden Anordnungen zu treffen. Als feſtſtehende Regel
wird aber ſtets die Unterlaſſung des Jagens und Fangens, bis die
Wiederherſtellung weit genug gediehen iſt, erſcheinen.
III. Von der Jagd.
§. 250.
1) Unterſtützungsmittel zur Ausübung der Jagd.
Die Jagd kann ohne Hilfsmittel zum Suchen, Fangen und
Erlegen des Wildes nicht betrieben werden. Man wendet dazu an:
a) Thiere, nämlich Hunde, Vögel und Pferde1). b) Geräth-
ſchaften zum Erlegen2), zum Fangen3), für die Jagdzeichen
und zum Anlocken4), zum Transportiren der Geräthſchaften5)
und des Wildes6); c) Gebäude theils zum Aufenthalte der
Jäger, theils für die Jagdthiere und das Jagdzeug7).
¹⁾ Unter den Jagdhunden unterſcheidet man die Suchhunde und eigent-
lichen Jagdhunde. Jene ſind Leithunde (zum Suchen des Wildes nach ſeiner
Fährte oder Spur), Schweißhunde (zum Suchen nach ſeinem Blute) und
Hunde, welche nach dem Geruche eines Wildes auf oder unter der Erdoberfläche
[305/0327]
¹⁾ und in der Luft ſuchen (ſie werden nach dem Wild genannt, z. B. die Hühner-
hunde, Dachshunde, Saubeller und dergl.). Die Anderen ſind Hatzhunde (zum
Fangen, beſonders der Wildſchweine), Koppelhunde (Bracken, zum Verfolgen
des Wildes, bis es der Jäger erlegen kann), Windhunde (zum Einholen von
Haaſen, Füchſen und Rehen), Dachsfänger (zum nächtlichen Aufſuchen und
Anbellen der Dachſe, wenn ſie ihre Baue verlaſſen haben) und Parforcehunde
(zum ſo langen gemeinſchaftlichen Verfolgen des Wildes, bis es ermattet iſt). —
Die Jagdvögel heißt man Beitzvögel. Es gehören daher der Hühnerhabicht
(Falco Palumbarius), der Sperber (Falco Nisus), der Wanderfalke (F. peregri-
nus), der Baumfalke (Falco subbuter), der Thurmfalke (F. tinunculus), der
Geyerfalke (F. gyrfalco), und der Uhufalke (strix Bubo). — Die Pferde dienen
bei der Jagd theils als Renner, theils als Schießpferde, welches leztere zum ver-
bergen des Jägers dient.
²⁾ Nämlich die Pürſchbüchſe (leichte Kugelbüchſe), Jagdflinte (leichtes Schrot-
gewehr) und die Piſtolen, mit ihren Nebengeräthen und Materialien; und andere
Waffen.
³⁾ Es gibt ſolches Jagdzeug, das zum Einſperren des Wildes in einem be-
ſtimmten Waldrevier dient (Sperrzeug); ſolches, das zum Zurückſchrecken deſſel-
ben in einen ſolchen gebraucht wird (Blendzeug); und ſolches, das zum Fangen
angewendet wird (Fangzeug). Das Erſtere iſt entweder Dunkelzeug (aus
Tuch) oder Lichtzeug (aus Netz), wird aufgehängt, und muß daher von verſchie-
dener Höhe und Stärke ſein. Das Andere iſt entweder eine mit Tuchlappen
behängte ausgeſpannte Leine, oder ein eben ſolcher mit Raubvögelkielen verſehener
Bindfaden, welche man auf Stangen und Stäben, die mit Haken verſehen ſind,
zum Zurückſcheuchen ausſpannt (dockt). Das Dritte endlich iſt entweder ein
Garn, oder eine Schlinge, oder eine Falle, oder ein Fang, oder eine
Grube. Die Garne oder Netze ſind Fallgarne (für Haarwild), Klebgarne
(für Federwild), Deckgarne (zum Fange vermittelſt des Zudeckens von kleinem
Wild), Steckgarne (zum ſenkrechten Aufſtecken für Federwild), Sackgarne
(ſackförmige Netze), und Schlaggarne (zum plötzlichen Zuſammenziehen über dem
Wilde vermittelſt einer Zugleine). Die Schlingen oder Schleifen (von Meſ-
ſing, oder Eiſendraht, oder von Pferdehaaren) ſind Laufdohnen, wenn ſie mit
Stäben ſo über die Erde befeſtigt ſind, daß die Vögel mit den Köpfen hineinlaufen,
und Hängdohnen, wenn ſie an Rahmen oder Bügeln aufgehängt ſind. Die
Fallen ſind von Eiſen (Berlinereiſen oder Schwanenhälſe, Teller- oder Tritteiſen,
und Angeleiſen) oder von Holz (Klappfallen, Prügelfallen und Mordfallen). Die
Fänge ſind nach der Wildgattung verſchieden.
⁴⁾ Die Hörner und Inſtrumente zum Nachahmen der Wildſtimme, z. B. der
Hirſch- und Rehruf, die Haaſenquäcke, die Pfeifen für Haſel- und Feldhühner, und
jene für die Wachteln.
⁵⁾ Die Zeugwägen, Pürſchwägen u. dgl.
⁶⁾ Käſten und Säcke, Taſchen und Rantzen, Tragen und Bahren, für ver-
ſchiedenes Wild.
⁷⁾ Jagdhäuſer, Schießhütten, Schirme, Hundeſtälle, Zwinger u. dgl.
§. 251.
2) Ausübung der Jagd ſelbſt.
Die Jagd geſchieht entweder durch Erlegen oder durch Fangen.
Daher unterſcheidet man in dieſer Hinſicht:
1) Die Schußjagden, wobei das Wild durch Gewehre er-
legt wird. Sie ſind entweder Treibjagden, wenn nämlich das
Wild den Schützen durch Menſchen zugetrieben wird, oder Pürſch-
gänge, wenn man blos einzeln mit den Hunden zur Schußjagd
Baumſtark Encyclopädie. 20
[306/0328]
geht. Bei den Treibjagden iſt die Poſtirung der Schützen und die
Anordnung des Triebes das Wichtigſte und Schwerſte. Beim
Pürſchgange geht man entweder auf den Anſtand, wenn man das
Wild auf einem Standpunkte erwartet, z. B. bei Zug- und
Strichwild, oder auf die Suche (das Buſchiren), wenn man
das Wild ſelbſt mit Hunden aufſucht. Zum Buſchiren gehört alſo
auch das Kreißen (d. h. das Aufſuchen des Wildes nach ſeiner
Spur, z. B. auf friſchem Schnee), bei welchem man das Wild,
wenn ſein Schlupfwinkel gefunden iſt, entweder durch Ausſtöbern,
Aushauen, Ausgraben oder Ausräuchern aus ſeinem Aufenthalte
und ſeiner Höhle treibt.
2) Fangjagden, bei welchen man das Wild entweder durch
anhaltendes Verfolgen ermattet und fängt, oder durch die oben
(§. 250. Note 3.) erwähnten Fangvorrichtungen liſtiger Weiſe in
ſeine Gewalt bekommt. Jene Methode wird bei den Parforce-
oder Hatzjagden angewendet.
3) Zeug- oder eingerichtete Jagden, wobei das Wild
zuerſt gefangen oder geſperrt, dann losgelaſſen und geſchoſſen wird.
Man theilt dieſelben in kleine und große ein. Nach der Art,
wie ſie betrieben werden, unterſcheidet man die Lappenjagden,
wobei von einer Seite durch Tuch und Lappen den Schützen das
Wild zugeſcheucht wird, — die Keſſel- oder Contrajagden,
wobei man das Wild von allen Seiten einſchließt und dem Mittel-
punkte der Bahn zutreibt, auf welchem ſich die Schützen befinden,
— und Beſtätigungsjagden, wobei man den Stand der Hirſche
mit Dunkel- oder Lichtzeug umſtellt, nachdem man ihn vermittelſt
eines Leithundes ausfindig gemacht (beſtätigt) hat, und ſie dann
darin ſchießt1).
¹⁾ In Bezug auf das Terrain, wo die Jagden geſchehen, unterſcheidet man
die Land- (Wald- und Feld-) und Waſſerjagden.
Zweites Stück.
Beſondere Wildbahn- oder Jagdlehre.
I. Von dem Haarwilde.
§. 252.
1) Das Wildpret.
Man hat bei jeder Gattung von Wild (Haar-, Federwild und
Fiſchen) das eßbare (Wildpret) und das Raubwild zu unterſchei-
den. Zum Wildpret aus dem Haarwilde iſt zu rechnen:
[307/0329]
a) Der Hirſch (Edel- oder Rothwild, Cervus Elephas).
Der Hirſch hat ein Geweihe, das alle Frühjahr durch ein neues
erſetzt wird und bis zu ſeinem 16ten Jahre wächst. Das Thier
(Weib) hat kein ſolches. Die Brunſtzeit iſt der September und
Oktober. Das Thier geht 38–40 Wochen trächtig und wirft
(ſetzt) 1 Kalb, ſelten zwei1).
b) Der Damhirſch (Damwild, Cervus Doma). Dieſer iſt
kleiner als jener und trägt ein vielzackiges, oben ſchaufelförmiges
Geweihe. Die Brunſtzeit iſt der Oktober und November. Das
Thier iſt 30–32 Wochen trächtig (beſchlagen) und wirft ſo
viele Kälber als das Hirſchthier2).
c) Das Reh (Cervus Capreolus). Der Bock trägt ein
kleines Geweihe, das er im November abwirft, die Ricke aber auch
keines. Die Brunſtzeit iſt im December. Die ſchon im Auguſt
vorkommende Brunſt heißt der Waidmann Afterbrunſt. Die Ricke
iſt 21 Wochen mit 2 Kälbern (Kitzen) trächtig3).
d) Das Wildſchwein (Schwarzwild, sus ferus). Die
Brunſtzeit iſt im December und Januar und während derſelben
findet man die Keiler (männl.) bei den Bachen (weibl.). Dieſe
ſind 16 Wochen trächtig und werfen 4–10 Friſchlinge4).
e) Der Haaſe (Lepus timidus). Die Rammelzeit iſt vom
Anfange des Frühjahrs bis in den Herbſt. Das Rammeln geht
mehrmals vor und die Häſin wirft nach 4 Wochen 2–4 Häschen5).
¹⁾ Im Alter von ¾ Jahren heißt derſelbe Spießer, mit 2 Jahren Gabler,
im dritten Jahre Sechsender, wenn er männlichen Geſchlechts iſt; mit 1 Jahr
Schmalthier, mit der Mannbarkeit Göltthier, ſpäter Altthier, wenn ſie
weiblichen Geſchlechts ſind. Aufenthalt: große Laubholzwälder; Geäſe: Gras, junge
Holztriebe, Getreide, Kohl, Rüben, Klee, Kartoffeln, wildes Obſt, je nach der
Jahrszeit. Darnach richtet ſich die Wahl der Rothwildbahn oder des Rothwild-
gartens, wobei man auf Dickicht, Suhlen, fließendes Waſſer und eine 9 Fuß hohe
Umzäunung zu ſehen hat. Unter 20–30 Morgen darf ein ſolcher nicht wohl
betragen.
²⁾ Im erſten Jahre heißt der Bock Damſpieß (Damſchmalſpießer), im
folgenden Damhirſch, im nächſten Damſchaufler, und ſpäter bei ſchweren
Schaufeln Capitalſchaufler. Die weiblichen Hirſche nennt man, ehe ſie be-
ſchlagen ſind, Damſchmalthiere. Im Uebrigen kommen ſie den Edelhirſchen
faſt gleich.
³⁾ Nach dem erſten Jahre ungefähr heißen die Böcke Spießböcke, in der
Folge Gabelböcke, ſtarke Böcke, Capitalböcke mit zunehmendem Alter und
Körper. Das Reh iſt gerne in Gebirgswaldungen. Das Geäſe iſt wie bei den
Hirſchen, aber Waſſer müſſen ſie nothwendig haben. Laub- und beſonders Nieder-
wälder und Gehölze ſind zu Rehbahnen und Gärten zu wählen, wozu aber beſtimmt
10–15 Morgen Fläche und ein 7 Fuß hoher Zaun gehört.
⁴⁾ Bis zum beendigten erſten Jahre heißen ſie immer noch Friſchlinge, im
zweiten Jahre überlaufene Friſchlinge, im dritten Jahre Keuler und
Bachen, im folgenden angehende Schweine und dann Hauptſchweine. Der
Bruch (das Geäſe): Bucheln, Eicheln, Kaſtanien, Nüſſe, Wildobſt, Kartoffeln,
Bohnen, Rüben, Saudiſteln, Würmer, Schnecken, Inſekten, Mäuſe, Haaſen u. ſ. w.
20 *
[308/0330]
⁴⁾ Es liebt gemiſchte Laub- und Nadelholzwälder mit großen Suhlen, Brüchen, Fel-
dern und Wieſen. Dickicht iſt ihnen unentbehrlich. Ein Saugarten iſt mit einem
7 Fuß hohen Zaune zu umgeben.
⁵⁾ Noch nicht ganz ausgewachſene Haaſen nennt man Halbgewachſene
und Dreiläufer. Ihr Aufenthalt iſt Feld und Wald. Ihr Geäſe iſt bekannt.
Für Haaſengehege ſind weite Fruchtfelder, mit Buſchhecken, an Vorgehölzen ſehr
gut, aber von Raubwild müſſen ſie freigehalten werden.
§. 253.
2) Das Raubwild.
Zu den Raubthieren aus dem Haarwilde ſind in Deutſchland
zu rechnen:
a) Der Wolf (Canis lupus). Seine Ranzzeit iſt Januar
und Februar. Die Wölfin iſt 9–10 Wochen trächtig und wölft
4–8 blinde Junge.
b) Der Fuchs (Canis vulpes). Seine Ranzzeit iſt der
Januar und Februar. Die Füchſin iſt 9–10 Wochen trächtig und
wirft 3–6 blinde Junge.
c) Der Luchs (Felis lynx). Er ranzt im Januar und
Februar, und die Luchſin wirft nach 9 Wochen der Trächtigkeit
2–4 blinde Junge.
d) Die wilde Katze (Felis ferus). Sie ranzt oder rollt im
Februar. Die Katze iſt 9 Wochen trächtig und wirft 4–6 blinde
Junge.
e)Der Fiſchotter (Mustela lutra). Er ranzt im Februar,
und die Otterin wirft dann nach 9 Wochen 3–4 Junge.
f) Der Marder (Baum-M. Mustela Martes, der Stein-M.
Mustela Faina). Die Ranzzeit iſt der Januar und Februar.
Das Weibchen wirft dann nach 9 Wochen 3–5 Junge.
g) Der Iltiß (Mustela Putorius) und
h) Das Wieſel (Mustela Erimnia) ebenſo.
i) Das Eichhorn (sciurus vulgaris). Es ranzt im März
und April, das Weibchen geht 4 Wochen trächtig und wirft 2–4
blinde Junge.
k) Der Dachs (Ursus metes). Er ranzt im November, die
Dächſin trägt 9 Wochen und wirft 3–4 blinde Junge1).
¹⁾ Er hält ſich theils in Felſen-, theils in Erdbäuen auf, die aus dem
Keſſel (Hauptbau) und den Röhren (Nebengängen) beſtehen. Aus dieſen muß
er herausgezwungen oder gegraben werden.
[309/0331]
II. Von dem Federwilde.
§. 254.
1) Das Wildpret.
Man unterſcheidet bei dem eßbaren Federwilde folgende Ka-
tegorien:
a) Das Waldgeflügel. Es gehört hierher das Auerhuhn
(Tetrao Urogallus)1), das Birkhuhn (Tetrao totrix)2), das
Haſelhuhn (Tetrao bonasia)3), der Faſan (Phasianus colchi-
cus)4), die Waldſchnepfe (scolopax rusticola)5), die wilde
Taube (Columba), die Droſſel (Turdus).
b) Das Feldgeflügel. Es gehört hierher das Rebhuhn
(Perdix cinerea), die Wachtel (Perdix coturnix), die Lerche
(Alauda arvensis) und der Trappe (Otis tarda)6).
c) Das Sumpf- und Waſſergeflügel. Es gehört hierher
das Meerhuhn (Gallinula chloropus), der Schnaar (Wachtel-
könig, (Gallinula crex), die Schneegans (Anas Anser ferus),
die Wildente (Anas boscha, Stockente und andere)7).
¹⁾ Es liebt Buch- und Nadelholzwälder im Gebirge. Es lebt von Knoſpen,
Beeren, Saamen, Inſekten und Würmern. Seine Falz- oder Balzzeit iſt der
März und April.
²⁾ Es liebt Birkenwaldungen mit Oberholz, Büſchen und Heiden. Falzzeit:
April und Mai.
³⁾ Es liebt große einſame Nadelholz- und Laubholzwälder, Haſelbüſche im
Gebirge, und falzt zu Ende des März und im April.
⁴⁾ Er lebt in dicken Laub- und Buſchwaldungen mit friſchem Waſſer. Er
falzt im März und April. Er wird in eigenen Gärten, Faſanerien, gezogen,
welche mit 8 Fuß hohen Bretter-, Lehm- oder Mauerwänden umgeben ſind.
⁵⁾ Ein Strichvogel, der beim Einbruche rauher Witterung hinwegzieht, und
im März und April wieder kommt.
⁶⁾ Sie paaren ſich ſämmtlich im Frühjahre. Die Wachtel iſt ein Zugvogel,
der zwiſchen dem September und Mai ſtreicht. Der Trappe hält ſich in waſſerreichen
Gegenden auf, er falzt im März und April und iſt ein, wegen ſeiner Schüchtern-
heit, ſchwer zu jagender Vogel.
⁷⁾ Sie raihen im Frühjahre, halten ſich im Waſſer und an Sümpfen auf
und ſind ſehr ſcheue Vögel. Man hat zum Habhaftwerden der Enten beſondere
Entenfänge.
§. 255.
2) Das Raubwild.
Zu dem Raub-Federwilde gehört:
a) Das Geiergeſchlecht. Der gemeine (Vultur cinereus)
und der Haaſengeier (V. cristatus).
b) Das Adlergeſchlecht (Falco), wozu die eigentlichen
[310/0332]
Adler, die Weyhe, die Buſſarte, Habichte und Falken gehören
(§. 250. Note 1.)
c) Das Eulengeſchlecht. Der Uhu (strix bubo), die
Ohreule (st. otus), Nachteule (st. aluco), Baumeule (st.
stridula), Schleyereule (st. flammea), der große Kautz (st.
ulula) und der kleine Kautz (st. passerina).
d) Das Raben- und Krähengeſchlecht. Der Kolkrabe
(Corvus corax), der gemeine Rabe (C. corone), die Saatkrähe
(C. frugilegus), Nebelkrähe (C. cornix), Dohle (C. monedula)
und Elſter (C. pica).
e) Das Würgergeſchlecht. Der Neuntödter (Lanius ex-
cubitor), der graue, rothköpfige und der rothrückige Würger (L.
minor, pomeranus und spinitorquus).
III. Von den Fiſchen.
§. 256.
Hier iſt nicht von der Teichfiſcherei (§. 205.), ſondern von
der Wildfiſcherei die Sprache. Ihre ganze Thätigkeit iſt der Fiſch-
fang auf dem Meere, auf Seen, Strömen, Flüſſen, Bächen, der
Fang aller Schaalthiere des Waſſers, und jener der nutzbaren und
ſchädlichen Amphibien aller Art. Man bedient ſich zum Fange
derſelben folgender Mittel: a) Der Angeln, deren Geſtalt bekannt
iſt; b) der Garne und Netze, als Fiſch- und Streichwathe,
Treib- oder Keutelnetze, Wurf-, Senk- und Sackgarne, Rafflen,
Taupelgarne, Hahmen und Kötſcher1); c) der Reußen, d. h.
tiefer Weidenkörbe mit trichterförmig ſich verengender Oeffnung,
die bis hinein geht, wo ſich der Korb wieder erweitert, ſo daß die
Fiſche nicht mehr zurück herauskommen und doch darin leben kön-
nen; d) der Fiſchwehren oder -Zäune, d. h. in Flüſſen ange-
brachten, durch zuſammengefügte Pfähle verfertigten Trichter, die
mit dem weiten Ende gegen den Strom ſtehen, am ſpitzigen Ende
aber mit einem Garnſacke verſehen ſind, ſo daß die Fiſche hinein,
aber nicht mehr ſelbſt hinauskommen; e) der Eggen (3 oder
4 eckig) mit Holz- oder Eiſenzinken, die dann beſonders zum Fange
der Schaalthiere in der Ebbenzeit bei niederem Waſſerſtande von
Thieren durch den Sand gezogen werden, während man hinten-
nach Fiſche und Schaalthiere aufliest; f) der Gabeln, Hacken,
Harpunen, Pfeile, Spieße und Stecheiſen; g) der Vögel, die
zum Fiſchfange abgerichtet ſind, beſonders des Seeraben (Kor-
moran, Pelecanus Carbo) und der Tauchergans; h) der Pfeile
und Bogen, ſo wie der Schießgewehre zum Schießen der
[311/0333]
Fiſche; i) der bloßen Hände, wenn man es wegen Beſchaffenheit
des Waſſers und Gewäſſers kann. Man fiſcht entweder bei Tage,
wozu man nicht ſelten mit der Fiſchtrampe (einer Stange zum
Auftreiben der Fiſche) jagt2), oder bei Nacht, wobei man ent-
weder am Nachen angebrachte Laternen mit Lichtern, oder ſolche
Laternen, die im Waſſer ſelbſt ſtehen und ein Licht in ſich, gegen
Waſſer geſchützt, halten können, gebraucht, weil ſowohl Fiſche als
Krebſe dem Lichte nachziehen. Man fiſcht aber auch unter dem
Eiſe, indem man das dazu eigens eingerichtete Netz (Eisnetz)
durch eine große Wuhne einſenkt, und unter dem Eiſe durch einige
in einiger Entfernung von einander angebrachte kleine Wuhnen
forttreibt, bis es unter einer zweiten großen Wuhne angekommen
iſt, aus welcher man es dann herauszieht.
¹⁾ Nähere Beſchreibungen und Abbildungen dieſer Netzarten, anderen Vorrich-
tungen und Fiſchereigeräthe ſ. m. auch bei Boſe, Wörterbuch der Forſt- und
Jagdwiſſenſchaft nebſt Fiſcherei. IIIr Theil. Krünitz Oekonomiſche Encyclopädie.
XIII. 655. S. auch oben §. 205.
²⁾ Beſonderer Erwähnung ſind auch die Fiſchweiden, als eigenthümliche
Arten, viele Fiſche auf einen Platz zu locken, werth. Es ſind dies die Garenen,
d. h. quer über einander geſchichtete Reiſigbunde, die man in einen Fluß, Teich
u. dgl. legt und mit einem Pfahle befeſtigt, — und die Fiſchporte, d. h. in das
Waſſer geſenkte nicht große Steine, auf welche man breite und lange Bretter legt,
damit die Fiſche einen Schattenplatz bekommen. Dahinein ſammeln ſich die Fiſche
innerhalb 14 Tagen, worauf man ſie vorſichtig annähernd mit Garnen umſtellt, die
Fiſchweiden allmälig auflöst und aushebt, mit der Fiſchtrampe jagt und alsdann
das Netz zieht.
Zweites Hauptſtück.
Forſtwirthſchaftliche Betriebslehre.
§. 256. a.
Die forſtwirthſchaftliche Betriebslehre ſtellt die Grundſätze und
Regeln dar, wonach das ganze forſtwirthſchaftliche Gewerbe, als
ein Zuſammenhängendes eingerichtet, gehandhabt und geleitet wer-
den ſoll (§. 119.). Es müſſen alſo auch in ihr alle Hauptmomente
vorkommen, welche bisher bei den Betriebslehren anderer Art
(§. 206. a.) gefunden worden ſind.
I. Von den allgemeinen Bedürfniſſen des forſtwirth-
ſchaftlichen Betriebes.
§. 257.
1) Naturmittel.
Man muß zum Betriebe der Forſtwirthſchaft1) folgende kör-
perliche und körperloſe äußere Güter beſitzen:
[312/0334]
1) Naturmittel in möglichſt paſſendem Zuſtande. Es iſt
hierher zu rechnen: a) der Boden in derjenigen Beſchaffenheit,
welche den zu ziehenden Baumgattungen und der Wirthſchaftsart
entſpricht, in beſtimmter Flächenausdehnung. In Betreff der Be-
ſchaffenheit unterſcheidet man den abſoluten von dem relativen
Waldboden, und verſteht unter jenem einen Boden, der vermöge
innerer Eigenſchaften und ſeiner Lage eben nur zu Waldbau mit
Vortheil verwendet werden kann, unter dieſem aber einen ſolchen,
der auch nach dieſen Umſtänden zu Landwirthſchaft tauglich iſt,
aber zum Waldbaue benutzt werden ſoll, wenn man ihn zu jener
nicht bedarf oder durch Holzzucht überhaupt mit größerem Vor-
theile verwenden kann. Was aber die Flächenausdehnung anbe-
langt, ſo iſt man allgemein darüber einig, daß nach der Natur
der Forſtwirthſchaft ein vortheilhafter nachhaltiger Betrieb der-
ſelben nur auf einer ſehr großen Fläche geführt werden kann.
Dies verlangt der Schutz, den ſich der Wald ſelbſt geben muß, —
der periodiſche Verluſt, welcher in dem Waldbaue Statt findet, —
und die Wirthſchaftsmethode. Auch hat die Erfahrung zur Genüge
gezeigt, daß ſich kleine Waldparzellen nicht rentiren und bald in
einem ſolchen verſchlechterten Zuſtande ſind, daß ſie eingehen müſſen,
wenn man nicht des Vergnügens halber weder Koſten noch Mühe
ſcheut. b) Die Wildbahn. Dieſelbe ſteht zwar zur Forſtwirth-
ſchaft durchaus nicht in dem abſolut nothwendigen Verhältniſſe,
wie die Viehzucht zur Landwirthſchaft. Allein das Wild iſt eine
Zierde der Waldungen, ein einträglicher Nutzungszweig derſelben,
wenn die Jagd mit Sorgfalt und Umſicht gehandhabt wird, und
gibt viele Veranlaſſungen zum Beſuche der Waldungen, ſelbſt an
Plätzen, auf welche man der Beſichtigung halber ſonſt nicht wohl
kommen würde2).
¹⁾ Ueber die forſtwirthſchaftliche Betriebslehre ſ. m. Hundeshagen Encyclo-
pädie. II. Bd. v. Kropff Syſtem und Grundſätze. II. Bd., oder XIII. Kap. u. folg.
Schmitt Forſtgehaubeſtimmung (ſ. oben §. 234.). v. Burgsdorf Handbuch.
II. Bd. Hartig Grundſätze der Forſtdirection. Hadamar 1814. Laurop Staats-
forſtwirthſchaftslehre. Gießen 1818. Meyer Forſtdirectionslehre (ſchon mehrmals
citirt).
²⁾ Welches Verhältniß zwiſchen Wild und Wald Statt finden ſoll, das iſt
bereits bei der Lehre von den Wildbahnen und Gehegen allgemein angegeben. Die
ſpezielle Löſung der Frage hängt aber zugleich auch von der Art des Wildes ab.
§. 258.
Fortſetzung. 2) Verkehrsmittel.
2) Verkehrsmittel. Ohne Abſatz kann eine bedeutende
nachhaltige Forſtwirthſchaft nicht Statt haben. Deshalb ſind
[313/0335]
gehörige Transportmittel und -Wege1) ganz unentbehrlich.
Man transportirt:
A) Zu Land das Holz durch Tragen in Körben und Holz-
tragen, durch Fahren auf Karren, Wagen und Schlitten, durch
Walzen auf der bloßen Erde und Unterlagen, durch Schleifen
am Lotteiſen (Keil, der mit einer Zugkette verſehen iſt und in die
Blöche geſchlagen wird), das man allein oder mit dem Lottbaume
(einer Deichſel für zwei Menſchen oder Thiere), oder mit einem
halben Wagen anwendet, um die Zugkraft zu erleichtern und zu
verſtärken, und endlich durch Rutſchen entweder auf der bloßen
Erde oder in Rieſen (d. h. entweder in die Erde gegrabenen und
mit Holz befeſtigten oder durch Eiſen, Stangen, Blöche und
Bretter verfertigten künſtlichen Rinnen, — Erd-, Eiſen-, Stangen-
rieſen), oder auf Rutſchen (Holzwegen), oder an Seilen, indem
man das herabzulaſſende Holz entweder auf oder ohne Unterlagen
und Walzen an Seilen hält und allmälig gleiten läßt. Auf den
Heerſtraßen und andern Fahrwegen darf es nur mit Wagen trans-
portirt werden. Bevor es aber zu dieſen oder zu einer Waſſer-
ſtraße gelangt, wird es auf eigenen Holztransportwegen weiter
geſchafft. Dieſe aber ſind entweder Winter- (Schnee-) Wege
oder Sommer- (Schmier-) Wege, und bei Beiden unterſcheidet
man wieder die Schiffbau-, Langholz- (Bloch-) und Feuerholz-
wege. Die Winterwege ſind nur bei einer durch den Schnee her-
vorgebrachten natürlichen Glätte, die Sommerwege nur bei einer
durch Waſſer, Speck oder Talg hervorgebrachten künſtlichen Glätte
fahrbar. Sie ſind ſämmtlich mehr oder weniger mit Längen- oder
Querhölzern (Streichrippen) befeſtigte Wege, auf welchen die
Holzſchlitten und Holzarchen (eigene Gerüſte von Holz) mit Holz
beladen von Menſchen oder Thieren hingezogen werden. Da nun
in Gebirgen oft Unterbrechungen der Wege Statt finden oder auf
Sumpfboden kein Schlittenweg angelegt werden kann; ſo wird es
oft nöthig, die Wege auf Jöchern u. dgl. brückenartig anzulegen.
So entſtehen die Sumpfſchlittwege (über Sümpfen), die
beweglichen Schlittwege (über Klüften) und die Leiter-
wege (leiterförmig über Schluchten). Neben dieſen Schlittwegen
ſind in der Regel auch gewöhnliche (Weich-) Wege angelegt, auf
denen die Thiere und Menſchen zurückgehen2).
B) Zu Waſſer unmittelbar auf der Waſſerfläche (Flößerei)
oder mittelbar zu Floß als Oblaſt und zu Schiffe, wenn ein
ſolches Gewäſſer vorhanden iſt, auf welchem dies geſchehen kann
(das ſchiff- oder floßbar iſt). Wenn weder Waſſermangel noch
plötzliches und häufiges Anſchwellen der Flüſſe, niedriger Stand
[314/0336]
der Ufer, ihre Begangbarkeit, Felſen und Sandbänke in der Floß-
ſtraße, unzureichende Breite derſelben, zu ſeichtes und zu hohes
Gefälle des Fluſſes, zweckwidrige Richtung und Krümmungen
deſſelben, Mangel an Landplätzen, noch Waſſerbauten, bei denen
keine Schleußen angebracht ſind, der Flößerei entgegenſtehen, ſo
iſt ſie eine ſchnelle, bequeme und wohlfeile Transportmethode,
welche auf den guten Betrieb der Waldwirthſchaft vortheilhaft zu-
rückwirken muß3). Der Schifftransport des Holzes aber iſt
von den Bedingungen der Schifffahrt im Allgemeinen abhängig.
¹⁾ Ueber Holztransport und Floßweſen ſ. m. Jägerſchmid Handbuch für
Holztransport und Floßweſen. (Ganz ausgezeichnet gut, ſ. §. 236. Note.)
König, Beiträge zur praktiſchen Forſt- und Floßhandelswiſſenſchaft. Ulm 1790.
v. Sponeck, Handbuch des Floßweſens. Stuttgart 1825. Stahl Magazin. I.
VII. VIII. XI. Bd. Moſer Archiv. II. VII. XII. XIII. Bd. Du Hamel de
Monceau, Du transport, de la conservation du bois. Paris 1767. 4. Leroy,
Mémoire sur les travaux qui ont rapport à l'exploitation de la mâture dans les
Pyrenées. Paris 1776. 4. Ueberſetzt in Laurop Annalen. Bd. I. II. VI. von
Eggerer. Krünitz Oeconomiſche Encyclopädie. XIV. 288. Mehr Literatur in
Jägerſchmid's Handbuch. II. 26–28.
²⁾ Jägerſchmid Handbuch. I. 216 folg.
³⁾ Nachtheile der Flößerei ſind: die Verſchüttung der Flußbette, Beſchädigung
der Ufer, daran liegenden Grundſtücke, der Waſſerbauten, der Fiſcherei und Waſſer-
werke durch Stillſtand. Ueber dieſe ihre Vortheile und Hinderniſſe ſ. m. Jäger-
ſchmid Handbuch. II 38–69.
§. 259.
Fortſetzung. Flößerei insbeſondere.
Die Flößerei im eigentlichen Sinne transportirt das Holz,
welches verſendet werden ſoll, unmittelbar ſelbſt auf dem Waſſer;
die Flößerei als Oblaſt aber transportirt das zu flößende Holz
auf eigens aus Stämmen gefertigten Tragflößen aus Tannenholz,
oder, weil es wegen der Schwere nicht von ſelbſt ſchwimmt, in
Verbindung mit den leichteren Tannenholzſtämmen, oder endlich
aus demſelben Grunde auf waſſerdichten verpichten Tonnen. Was
a) die Art des Flößens anbelangt, ſo iſt ſie entweder ungebun-
dene oder gebundene (geſpannte, regelmäßige) Flößerei. Bei
jener ſchwimmt das Holz in einzelnen Stücken, bei dieſer aber in
Flößen einher, und zwar wird auf beide Methoden Brenn- und
Langholz geflößt. Bei der gebundenen Langholzflößerei unterſchei-
det man die Geſtörflöße, welche aus zuſammengeknüpften Abthei-
lungen (Geſtören) beſtehen, die aus einzelnen Floßhölzern zuſam-
mengefügt ſind, und Hauptflöße, welche nach allen Ausdehnungen
eine große ganze Maſſe bilden. Die Geſtörflößerei iſt auf kleinen
ſeichten Flüſſen, die Hauptflößerei auf breiten tiefen Strömen an-
wendbar. Bei jener gebraucht man die Flößſtange, bei dieſer die
[315/0337]
Ruder, und jene führt daher dieſer von Seitenflüſſen das Holz zu.
Der Platz, wo man die Flöße bindet, heißt Bindſtätte (Ein-
bindſchaft)1). Was aber b) die Floßſtraße anbelangt, ſo iſt
ſie entweder ein natürliches oder ein künſtlich gefaßtes
Flußbett. Zu dem Erſteren gehört das Selbſtwaſſer (der
Selbſtbach), wenn ſich das Waſſer dazu in gehöriger Menge von
Natur ſelbſt immer ſammelt; der Keuter, wenn man nämlich das
ſpärlich herzufließende Waſſer durch eine Querſperre im Fluſſe mit
Holz, Reiſig, Moos und Erde ſo lange hält, bis man es, mit
einer Holzmenge beladen, loslaſſen kann; die Waſſerſtube, wenn
man zu demſelben Zwecke, wozu die Keuter dienen, ganz regel-
mäßige und ſtarke Waſſerbauten mit Stellfallen und Gerinnen an-
legt; die gewöhnlichen Wehre und Deiche, welche dazu dienen,
der Floßſtraße das Waſſer zuzuführen, und bloße, verſchiedenartig
laufende, Dämme von Faſchinen, Holz oder Steinen ſind; und
endlich die Schwellungen (Klauſen), große, künſtlich zugerich-
tete, Waſſerſammelplätze aus Quellen, Bächen u. dgl., welche das
Waſſer ſo im Großen ſammeln ſollen, daß ſie, wenn man ſie los-
läßt, allen Waſſermangel auf der Floßſtraße zugleich decken, indem
ſie das Holz mit ſich fortreißen. Zu dem Anderen gehören aber
Waſſerbauten verſchiedener künſtlicher Art, je nach der Lang- und
Kurzflößerei. Sie ſind entweder blos Verwahrungen der Ufer oder
wirklich ganz künſtlich gefaßte Floßſtraßen, und beſtehen für beide
Zwecke aus Dämmen, Faſchinenbauten, Flechtwerk und
Holzeinwandungen, für die Kurzholzflößerei insbeſondere aber
aus Waſſerrieſen, d. h. rieſenartig gebauten Kanälen aus Stan-
gen, aus der Kähnereinrichtung, d. h. rinnenförmig zuſammen-
geſetzten ausgehöhlten Baumſtammhälften (Kähner), aus hölzernen
Floßkanälen, und aus gebruckten und gedammten Floß-
ßraßen, d. h. Rieſen-, Kähner- und Kanaleinrichtungen voriger
Art, welche man über Klüfte und Schluchten auf Geſtellen oder
Brücken leiten muß. Was endlich c) die äußeren Mittel zur
Flößerei in dieſen verſchiedenen natürlichen und künſtlichen Floß-
ſtraßen anbelangt, ſo gehören dahin die Einrichtungen ſowohl von
Landungsplätzen und Holzmagazinen (Holzgärten) als auch von
Holzfängen und Rechen2).
¹⁾ Die Geſtörflöße bindet man am beſten mit Zaum und Kegel, d. h.
mit Weiden an eingeſchlagenen hölzernen Keilen, die am ſtumpfen Theile hierzu mit
einem tiefen Einſchnitte verſehen ſind; in geſpannter Weide mit Wettſtangen
und Zweck, d. h. mit Weiden, welche man um geſägtes Holz, z. B. Bretter
(Bord), Latten, das auf kleine Häufen geſchichtet iſt, ſchlingt, und zur Verbin-
dung der Geſtöre mit einander um eine Querſtange windet, wo man ſie dann mit
Holzſtücken (Zwecken) feſtſpannt; in verbohrter Weide, d. h. indem man an
[316/0338]
¹⁾ beiden Enden der Holzſtücke zwei Löcher für die Mittelſtücke des Geſtöres, und nur
ein Loch für die Seitenſtücke bohrt, und die Weiden zum Verbande durch dieſe
Löcher zieht; oder endlich mit Zenkelſtangen, d. h. Querſtangen, an welche das
zu verflößende Holz durch lange Eiſennägel oder Zenkel angenagelt oder gezenkelt
wird. Die Hauptflöße werden auf nicht unähnliche Art geknüpft, nur muß die
Verbindung dort ſtärker, ein großer Vorrath von Floßgeräthen, eine Rudereinrich-
tung und ein Gerüſte zur Hemmung (ein Bietig) des Floßes vorhanden ſein.
²⁾ Nämlich: die Verfällung des Floßwegs durch Baumſtämme, indem
man Bäume mit gut ausgebildeter Krone in den Fluß legt und am Stammende auf
dem Ufer befeſtigt; die Flug- und Streichfänge, ebenfalls ähnliche Abwehren,
von verſchieden großem und ſchwerem Holze zuſammengebunden, theils um das
Flößholz; von den Ufern und von Gewerkskanälen abzuhalten; die ſchwimmenden
und ſteifen Hauptfänge, nämlich in größeren Flüſſen angebrachte, floßartig
verbundene, mit Balken, die in das Flußbett gerammt ſind, befeſtigte lange und
ſehr ſtarke Abwehren, um das Flößholz von ganzen Flußarmen abzuhalten; die
Nothfänge, gebaut wie die genannten Hauptfänge, aber blos dazu dienend, die
bei großem Waſſer unter den Hauptfängen durchgehenden Holzſcheiter aufzufangen;
die ſtehenden Holzfänge (Floßrechen)- zur Aufhaltung ungeheurer Holzmaſſen
verſchiedener Art, ungeheure rechenförmige, ſich um mehrere Morgen Fläche ziehende,
auf Steinpfeiler geſtützte, Abwehren oder Fänge, auf großen und mächtigen Flüſſen;
und die Floßrechen für Scheiterholz, welche kleiner und ſchwächer ſind als jene.
§. 260.
Fortſetzung. 3) Arbeiter; 4) Capital: 5) Freiheit.
3) Tüchtige Arbeiter in erforderlicher Anzahl. Was ſchon
oben geſagt (§. 208.) iſt, gilt auch hier, nicht blos bei der Boden-
bearbeitung und Saat, ſondern namentlich beim Hiebe und bei der
Aufbereitung des Holzes zu den verſchiedenen Sortimenten.
4) Hinreichendes Capital. Dieſes beſteht bei der Forſt-
wirthſchaft nicht aus jenen vielen Einzelheiten, wie bei der Land-
wirthſchaft. Es gehören die ſämmtlichen Forſt- und Jagdgebäu-
lichkeiten, die Holzſaat, der Holzerwachs1), die verſchiedenen
Wirthſchaftsgeräthe, das forſtliche Arbeitsvieh ſammt den Unter-
haltungsausgaben und etwaigen Geſchirrſtücken, die verſchiedenen
Holztransporteinrichtungen und dazu nöthigen jährlichen Unter-
haltungsausgaben, die jährlichen anderen Betriebsausgaben, wie
Arbeitslohn u. dgl., die Vorräthe von verſchiedenen Holzſortimenten
in den Magazinen, und die Waldgerechtſame verſchiedener Art,
deren der Forſt und deſſen Betrieb genießt.
5) Freiheit des Betriebes. Beſchränkungen derſelben,
welcher Art ſie auch ſein mögen, erſcheinen wie ein dem Eigen-
thümer entzogener Theil des Capitals. Gerade beim Waldbaue
ſind deren eine bedeutende Anzahl, als: das Recht eines Anderen,
aus dem Walde jährlich einen beſtimmten Theil des Holzertrages
unentgeltlich zu beziehen; die Verpflichtung, einem Anderen ein
gewiſſes Holzquantum unbeſtimmter Gattung aus dem Walde zu
verabfolgen; dieſelbe Verpflichtung zur Abgabe beſtimmter Holz-
[317/0339]
ſortimente; das Recht eines Andern, aus dem Forſte unentgeltlich
ſein ganzes unbegrenztes Holzbedürfniß zu befriedigen; jenes, ohne
Entgelt aus dem Forſte alles Aſt- und Reiſigholz (Zopfholz) zu
nehmen; die Verpflichtung des Waldeigenthümers, alle Weichhölzer
an einen Andern abzugeben; die Gerechtſame eines Dritten, im
Forſte das Raff- und Leſeholz zu ſammeln; und die Berechtigung
auf den Bezug aller abgeſtorbenen Bäume, Lagerhölzer, Stöcke
und Wurzelhölzer; die Waldweide- und Maſtungsgerechtigkeit mit
verſchiedenen Viehgattungen in beſtimmter oder unbeſtimmter An-
zahl, und das Recht zur Waldſtreunutzung. Alle dieſe Beſchränkungen
ſind nicht blos ſchädlich, in ſoferne ſie einen oft ſehr bedeutenden
Theil des Ertrages entziehen, ſondern auch in ſoferne, als ſie die
Einführung einer angemeſſeneren Betriebs- und Wirthſchafts-
methode verhindern und in einen bereits eingeführten den Fortgang
durch allerlei Beſchädigungen verhindern.
¹⁾ Der Holzerwachs, wenn er noch ſteht, gehört auch zum Capitale. Dieſer
Holzvorrath unterſcheidet ſich von demjenigen, der ſchon nach Sortimenten in den
Magazinen ſitzt, als Capital, beſonders auch dadurch, daß er in ſich ſelbſt und im
Boden das Prinzip ſeiner Vermehrung trägt, während dies beim todten Holze nicht
der Fall iſt. Der Wald erſcheint ſo ſelbſt gleichſam als ein rentirendes Magazin.
II. Von der Organiſation des forſtwirthſchaftlichen
Betriebes.
§. 261.
Das Eigenthum an Waldungen kann Jeder im Staate erlan-
gen. Daher finden ſich auch Privat-, Gemeinde-, Staats-,
Stiftungs- und Corporationswaldungen. Unter welchem Titel man
auch einen Forſt beſitze, ob durch Eigenthum, Pacht oder Ver-
leihung, ſo iſt es immer von der größten Wichtigkeit, daß er nur
nach wirthſchaftlichen Regeln verwaltet werde und daß ein Ver-
walter (Forſtmeiſter, Förſter) an der Spitze ſtehe, der ſich wiſſen-
ſchaftlich und praktiſch gehörig gebildet hat. Denn ohne das geht,
wie aus der Gewerbslehre zu erſehen iſt, der Wald weit ſicherer
dem Verderben und weit größerer Zerrüttung entgegen, als ein
Landgut oder Grundſtück, und der Schaden wird weit nachhaltiger
als bei dieſen, weil ein Forſtbau auf große Zeitperioden hinaus
angelegt wird. Was nun aber
1) Die wirthſchaftende Perſon, welche das Waldeigen-
thum haben ſoll, anbelangt, ſo ſteht die Forſtwirthſchaft unter
einem anderen Geſichtspunkte als die Landwirthſchaft, und zwar
a) weil ein Waldbetrieb ohne großes Waldeigenthum nicht wohl
mit Nachhalt und nach den nöthigen Kunſtregeln möglich iſt,
[318/0340]
folglich ein ſehr großes Forſtgrundeigenthum erfordert wird;
b) weil folglich ſchon zum Ankaufe eines ſolchen Forſtes ein großes
Capital aufgewendet werden muß und die Betriebsplane ſo weit
ausſehend ſein müſſen, daß ſich das ſtehende und das Betriebs-
capital nur erſt nach vielen Jahren rentirt und erſetzt; c) weil
der Zins, welchen das Forſtcapital gibt, ſehr wandelbar, von
äußern Natur- und Verkehrsumſtänden abhängig, iſt, abgeſehen
davon, daß man keine hinreichende Erfahrung über ſeinen Fuß
hat. Die Forſtwirthſchaft eignet ſich darum, mit Ausnahme jener
in kleinen Büſchen, welche nicht leicht regelrecht betrieben werden
kann, nur mehr für moraliſche Perſonen, deren Exiſtenz als
immerwährend angenommen wird und deren Capitalbeſitz groß genug
iſt, nämlich vorzüglich für den Staat, die Gemeinden, Stiftungen
und Geſellſchaften. Einzelnen Privaten iſt der Ankauf und Betrieb
von Forſten deshalb blos dann anzurathen, wenn ſie leicht ein
großes Capital weitausſehend anlegen können, und die Familien-
verhältniſſe ſo beſchaffen ſind, daß die Familie mehr als eine
moraliſche Perſon angeſehen werden kann, bei welcher eine Thei-
lung des Grundeigenthumes nicht zu erwarten iſt, entweder weil
das Majorat gilt, Fideicommißeinrichtungen beſtellt ſind oder die
Beſitzungen im Namen der einzelnen Erben als Geſammtmaſſe ver-
waltet werden müſſen. Was dagegen
2) Die Bewirthſchaftungsart anbelangt, ſo hat man
dieſelben dafür, welche auch ſchon oben (§. 209. —) erwähnt
ſind. Es gilt auch hier im Allgemeinen, was dort darüber geſagt
iſt. Jedoch ſind Zeitpachtungen der Natur der Sache nach
nicht zuläſſig, es ſei denn, daß man den Uebergang des Pachtes
auf die Erben des Pachters bis zum Ablaufe der Pachtzeit geſtat-
tet habe. Auf dieſe Art nimmt die Zeitpacht aber die Natur der
Vererbpachtung an, welche der Natur der Waldungen und
Forſtwirthſchaft am meiſten entſpricht, unter den Bedingungen,
welche an die Perſon nach obigen Grundſätzen gemacht werden,
die einen Wald nachhaltig bewirthſchaften will. Die Präcautionen
ſind hier im Ganzen dieſelben, wie bei der Verpachtung von
Landgütern1).
¹⁾ Nur muß dabei mehr noch auf die Einhaltung einer regelmäßigen Wirth-
ſchaftsmethode und eines eben ſolchen Hiebes geſehen werden als bei einem Landgute,
und dann aber folgt man bei Regulirung des Erbpachtzinſes (Kanons) eigen-
thümlichen Prinzipien. Es muß a) eine einmal begonnene Betriebsart ganz durch-
geführt werden, und erſt nach deren Vollendung iſt es dem Erbpachter erlaubt, eine
neue zu beginnen. Es muß b) der Erbpachtskanon nach demjenigen Holzbeſtande
beſtimmt werden, in welchem ſich der Forſt bei der Vererbpachtung befand, aber
nach den ſo regulirten Sätzen wird dann bei Beſtandsveränderungen derſelbe neu
regulirt, indem man den Geldwerth der in Natur beſtimmten Leiſtung als Regulativ
[319/0341]
¹⁾ annimmt. Z. B. das Klafter Eichenholz koſte 5 Thlr., und der feſtgeſetzte Kanon
in Natur ſei 30 Klafter = 150 Thlr., ſo dauert dieſer Kanon fort, ſo lange kein
anderer Holzbeſtand eingeführt iſt; folgt aber ein Nadelholzbeſtand, wovon das
Klafter 4 Thlr. koſtet, ſo muß die Naturalleiſtung um ¼ der früheren mehr be-
tragen, denn da ſich die Preiſe wie 4:5 verhalten, ſo muß die Naturalleiſtung
wie 5:4 ſtehen, und alſo im Nadelholze = 37½ Klafter ſein, welche ebenfalls
= 150 Thlr. ſind. Da nun aber hiermit der Eigenthümer weder vor Verluſten je
nach der Betriebsart noch vor ſolchen nach dem veränderten Geldwerthe geſichert iſt,
ſo behält er ſich c) eine Reviſion nach ſolchen Veränderungen bevor, ein Umſtand,
der auch für den Erbpachter wichtig iſt. Z. B. es ſinke der Preis des Eichenholzes
wegen Geldmangel u. ſ. w. auf 4¾ Thlr., und der Kanon ſei in Geld zu 150 Thlr.
beſtimmt, ſo würde der Erbpachter, wenn er dieſe Summe bezahlen müßte, offenbar
mehr leiſten, als urſprünglich beſtimmt iſt, weil die 4¾ Thlr. jetzt ſo viel Werth
haben als 5 Thlr., und es wird für ihn vortheilhaft ſein, nur 4¾x30 = 142½
Thlr. zu bezahlen, ohne daß der Eigenthümer Schaden leidet, da 142½ Thlr. dem
Werthe nach jetzt ſo viel ſind, als ehemals 150 Thlr. Stiege aber z. B. der Preis
auf 5⅓ Thlr. aus gerade entgegengeſetzten Urſachen, ſo daß jetzt 5⅓ Thlr. nicht
mehr Werth haben, als ehemals 5 Thlr., ſo liegt es im Intereſſe des Eigenthümers,
ohne daß er dem Pachter reellen Schaden zufügt, fortan 5⅓x30 = 160 Thlr.
zu verlangen. Aendert ſich aber der Holzbeſtand und mit ihm der Umtrieb bei
gleichbleibenden Preiſen, ſo iſt ebenfalls eine Veränderung nöthig. Z. B. bei einem
Kanon von 30 Klafter Buchenholz = 150 Thlr. von jedem 50 jährigen Umtriebe
erhält der Eigenthümer in 100 Jahren 300 Thlr.; tritt aber eine Veränderung des
Beſtandes in ein Nadelholz von 33 jährigem Umtriebe ein, und müſſen deshalb
37½ Klafter zu 4 Thlr. entrichtet werden, ſo erhält der Eigenthümer nicht 300,
ſondern 450 Thlr. Im umgekehrten Falle findet auch das Umgekehrte Statt. Bei
eingetretenen Veränderungen im Holzbeſtande, Umtriebe und Geldwerthe wird die
Regulirung darnach combinirt.
III. Von der Leitung des Betriebes der Forſtwirthſchaft.
§. 262.
1) Betriebsarten.
Da ſich im Forſtbaue nicht leicht beſondere Verſuche anſtellen
laſſen, weil ſie mit zu großem Aufwande verbunden ſind, und da
jeder etwaige Verſuch im Großen ſogleich die Natur einer wirk-
lichen Betriebsart annimmt, ſo bezieht ſich die Leitung des forſt-
wirthſchaftlichen Betriebes nur auf zwei Hauptgegenſtände. Sie
ſind:
1) Die Wahl und Leitung der Betriebsart1). Die
Wirthſchaft verlangt überhaupt Nachhaltigkeit verbunden mit dem
größten und ſicherſten Ertrage. Wenn daher die Forderung erfüllt
iſt, wonach man die den klimatiſchen und Bodenverhältniſſen am
meiſten entſprechende Holzgattung rein oder vermiſcht und die paſ-
ſendſte Wirthſchaftsmethode (§. 227–232.) wählen muß, ſo iſt
darauf zu ſehen, den Boden und deſſen Beſtand am zweckmäßigſten
und vortheilhafteſten zu benutzen, um auf immer eines Ertrages
in gewiſſen Perioden ſicher zu ſein. Dies aber hängt von der Be-
triebsart ab. Man hat folgende Betriebsarten:
[320/0342]
a) Den Ausſetzbetrieb (ausſetzenden, intermedirenden),
nach welchem jede Forſtabtheilung, insbeſondere aber eine kleine
Waldung, wenn ihre Umtriebszeit eingetreten iſt, regelmäßig ganz
abgeholzt und wieder erneuert wird.
b) Der Nachhaltsbetrieb, nach welchem man periodiſch
einen Theil der Waldfläche oder eine Forſtabtheilung abholzt und
wieder verjüngt, um ſo einen regelmäßig periodiſchen oder jähr-
lichen Ertrag zu ſichern, vom Boden den größten Nutzen zu ziehen,
und für die fortwährende Nutzung zu ſorgen2). Man kann die
hierher gehörenden verſchiedenen Betriebsweiſen folgendermaßen
zuſammenſtellen:
α) Rein forſtliche Nachhaltsbetriebsarten, d. h. ſolche,
bei welchen blos eine nachhaltige Bewirthſchaftung des Forſtes auf
Holz bezweckt, und die übrigen Nutzungen als Nebenſache betrachtet
werden. Es ſind dies folgende:
a) Der Fehmel- (Fimmel-, Schleich- oder Plänter-)
Betrieb, d. h. derjenige, bei welchem man forſtweiſe und einzeln
den Hieb anlegt und die Verjüngung bezweckt3).
b) Der Schlagwaldbetrieb, d. h. derjenige, bei welchem
man die ganze Waldfläche in mehrere gleiche regelmäßige Theile
(Schläge) eintheilt, von welchen man dann einen nach dem an-
dern beſaamt, um wieder in gleichen Perioden einen nach dem
andern abholzen und wieder verjüngen zu können u. ſ. f., wodurch
ein fortwährender regelmäßiger Umtrieb eintritt4).
β) Landwirthſchaftlich forſtliche Nachhaltsbetriebs-
arten, d. h. ſolche, bei welchen man dem Waldboden nicht blos
den größten nachhaltigen Forſtertrag, ſondern auch zugleich eine
erhebliche landwirthſchaftliche Nutzung abzugewinnen ſucht, folglich
die ſonſtige Nebennutzung an Futter, Streu und Getreide auch zu
Hauptnutzungen erhebt. Es gehören hierher:
a) Der Hackwaldbetrieb, d. h. derjenige, bei welchem man
in Niederwaldungen ſogleich nach dem Hiebe die Erde zwiſchen den
Stöcken beackert und beſäet, um daraus einige Getreideernten zu
beziehen5).
b) Der Baumfeldbetrieb, d. h. derjenige, bei welchem
man den Wald in Schläge eintheilt, von dieſen jährlich einen ab-
holzt, in dieſem die Stöcke ausrodet, den Boden für Feldbau zu-
richtet, einige Jahre als Feldboden landwirthſchaftlich benutzt,
dann eine entſprechende Holzart in Reihen der Ackerfurchen nach
anpflanzt, zwiſchen dieſen Reihen den Feldbau fortſetzt, bis dies
wegen der Größe der Bäume nicht mehr angeht, hierauf die Hälfte
der Bäume herausnimmt, ſobald ſich die Bäume durch ihre Größe
[321/0343]
im Wachsthume hindern, dieſe Durchholzung wiederholt, ſo oft
und ſo lange es nach der Natur der Bäume und nach dem Zwecke
der Baumzucht erforderlich iſt6), und ſo mit jedem Schlage es
nachmacht.
c) Der Waldfeldbetrieb, d. h. derjenige, bei welchem man
wo möglich noch im Herbſte nach der Abholzung und Räumung
jedes Schlages den Boden feldbaumäßig bearbeitet, die Holzüber-
bleibſel auf dem Boden verbrennt, die gewonnene Aſche ausſtreut,
den Boden ſo dem Winterfroſte Preis gibt, im nächſten Frühjahre
(manchmal bei gehöriger Lockerheit des Bodens ſogleich im Herbſte)
mit 4–7 jährigen Waldbäumen nach localen Umſtänden bepflanzt,
— zur rechten Zeit zwiſchen die Baumreihen Hackfrüchte (Kartof-
feln, Rüben, Mais) bauet, um ſo den Baumpflanzen den Boden
gehörig zu lockern und zu befruchten, — nach 2–4 Jahren dem
Fruchtbaue die Grasnutzung eben ſo lange folgen läßt, weil der
Boden für jenen zu beſchattet und zu entkräftet iſt, — und endlich
von dieſer Zeit an den Boden und Wald in Ruhe und Schonung
läßt7).
¹⁾ Man iſt bisher in der Unterſcheidung zwiſchen den Wirthſchaftsmethoden
und Betriebsarten ebenfalls gar nicht genau geweſen. Und doch ſind beide Begriffe
ſehr von einander verſchieden. Die Wirthſchaftsmethoden in der Forſtwirthſchaft,
nämlich Hoch-, Nieder-, Mittelwald- und Kopfholzwirthſchaft, ſind daſſelbe, was
die Pflug-, Drill- und Pferdehackenwirthſchaft im Feldbaue; die landwirth-
ſchaftlichen Betriebsarten, nämlich das Felder- und Wechſelſyſtem, ſind im Feld-
baue daſſelbe, was obige Betriebsarten in der Forſtwirthſchaft. Die Wirthſchafts-
methode iſt die Art der Bodenbearbeitung, Saat und Pflanzung der Gewächſe ohne
Rückſicht auf Zuſammenhang und Nachhaltigkeit des Betriebes. Die Betriebsart
iſt aber die Art des Zuſammenhaltens und der Folge der Wirthſchaft, um das
Gewerbe nachhaltig am beſten zu betreiben. Man ſ. über Betriebseinrichtung im
Allgemeinen Cotta Anweiſung zur Forſteinrichtung. I. 1820. Klipſtein Anweiſ.
zur Forſtbetriebsregulirung. Gießen 1823. Hartig Forſtbetriebseinrichtung. Kaſſel
1825. Laurop Staatsforſtwirthſch. L. S. 297. und Deſſelben Waldbau. S. 22.
Papius, die verſchiedenen Betriebsarten. Aſchaffenburg 1821. Hartig Anweiſung
zur Ausführung jährlicher Wirthſchaftsplane. Kaſſel 1826. Hundeshagen Ency-
clopädie. II. §. 604. 648.
²⁾ Während der Ausſetzbetrieb ſich auf kleinen Waldflächen und von geringen
Privatwaldbeſitzern betrieben findet, ſo iſt er doch unwirthſchaftlich, weil er den
regelloſen Betrieb begünſtigt, die Wälder auf dieſem Wege zu leicht ruinirt, übri-
gens bei regelrechter Durchführung Capital und Zinſen nur in ſehr großen Zeit-
räumen erſtattet und erträgt, und das Holz nebſt den Nebenproducten nicht ſo
liefert, daß der Waldwirth ſie bei der ſich einſtellenden guten Gelegenheit verwerthen
kann, ſondern vielmehr Hieb und Nutzung zu Zeiten erfolgen kann, wo dem Mangel
bereits abgeholfen oder wirklicher augenblicklicher Ueberfluß an Waldproducten iſt, —
die günſtige Zeit zu ihrer Verwerthung aber ſelten und dann nur zufällig getroffen
wird, wenn man den Hieb nicht anlegt in einem Zeitabſchnitte, wo es die Forſt-
wiſſenſchaft im Intereſſe des Materialertrages und der Nachhaltigkeit verbietet.
Dieſe Nachtheile finden beim Schlagwaldbetriebe nicht Statt. Hundeshagen
Encyclopädie II. §. 608.
³⁾ S. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 184. 595. Pfeil Handbuch. II.
S. 277. Hartig Lehrbuch für Förſter. II. Bd. I. Thl. 1r Abſchn. 19s Kapit.
Baumſtark Encyclopädie. 21
[322/0344]
³⁾ Pfeil kritiſche Blätter. II. 2. Daezel Anleitung zur Forſtwiſſenſchaft. I. 67.
Schmitt Anleitung zur Erziehung der Waldungen. S. 27. 126. Deſſelben
Forſtgehaubeſtimmung. II. 80. 149. Meyer Forſtdirectionslehre. §. 183. a. E.
Hundeshagen Beiträge. II 1. — Von einem Betriebe, nach welchem man ganz
regellos nach Laune und Willkühr im Walde um ſich haut, kann die Wiſſenſchaft
nicht ſprechen. Der wahre und verbeſſerte Fehmelbetrieb, ſowie er zwar an beſon-
deren Localitäten unumgänglich, aber doch nicht allgemein der Schlagwirthſchaft
vorzuziehen iſt, beſteht darin, daß man mit beſonderer Berückſichtigung der Umſtände,
welche ihn befehlen, auf ganzen Waldflächen entweder die ſtärkſten unter den Bäumen
einzeln herausnimmt, oder aber ganze Horſte völlig abholzt, um aber auf dem einen
oder anderen Wege die Beſaamung, Beſchattung und Lichtung, überhaupt die Ver-
jüngung des Beſtandes nach Bedürfniß und zum Behufe der Nachhaltigkeit gehörig
zu leiten. Localitäten, wo nur Fehmelbetrieb Statt finden kann, ſind rauhe ſtür-
miſche Höhen, kalte, ſtürmiſche, der Verſandung ausgeſetzte Seeküſten, hohe Ge-
birgswälder zur Sicherung gegen Lavinen, ſteile Felſen, die ſich ſpärlich ſelbſt
beſaamen, und Waldungen mit Bäumen (z. B. Weißtannen), welche eines langen
und ſorgfältigen Schutzes bedürfen. In allen dieſen Fällen darf eine Fläche nie
ganz entblößt werden. Soll aber ein Fehmelwald, wo man ſeiner nicht bedarf, in
einen Schlagwald umgetrieben werden, und iſt er regelmäßig genug geführt, ſo
wird blos mit der ſtellenweiſen Abforſtung der älteſten Forſtfläche begonnen und in
ihrer Umwandlung in Saamenſchläge fortgefahren; iſt der Fehmelbetrieb aber regel-
los, ſo kann man nur nach und nach durch eine Ausforſtung nach einigen, z. B.
drei, Hauptaltersklaſſen zur Umwandlung gelangen, weil das Holzalter zu verſchieden
iſt. Dabei machen aber die Nadelhölzer mehr Schwierigkeit als die Laubhölzer,
weil man durch kahlen Abtrieb dieſe Lezteren in verſchiedenem Alter zum Stock-
ausſchlage bringen und auf dieſe Art zu gleichem Alter zwingen kann. S. Pfeil
Handbuch. II. 286. Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 215–219.
⁴⁾ Bei der Schlagwirthſchaft iſt zu berückſichtigen: a) die Größe der
Schläge, welche ſich nach der Größe und Beſchaffenheit der Waldfläche, nach dem
Holzbedürfniſſe, alſo nach dem periodiſch zu ſchlagenden Holzquantum richten muß,
und nach der Wirthſchaftsmethode, weil auf gleichen Flächen nicht immer gleiches
und gleichviel Holz wächst; b) die Form der Schläge, welche man möglichst
regelmäßig, geradlinig zu machen ſucht und nicht zu breit ſtellt, um der völligen
Beſaamung kein Hinderniß in den Weg zu legen, da der Saamen, vom Winde
getrieben, auf beſtimmte Entfernungen fliegt; c) die Richtung der Schläge,
bei welcher man auf Begünſtigung des Nachwuchſes, auf Ertheilung von Schutz
gegen Sturm, Schnee u. ſ. w. und auf gehörige Beſchattung des Anfluges und
Nachwuchſes bedacht ſein muß; d) die Lage der Schläge, um durch ſie bei
Durchforſtungen und Hieben die Abfuhr des Holzes ſo unſchädlich als möglich zu
bewirken. S. Laurop Hiebs- und Kulturlehre. §. 50–54. Pfeil Handbuch.
II. S. 214. v. Kropff Syſtem und Grundſätze. I. 1–203. Meyer Forſt-
directionslehre. §. 37.
⁵⁾ Hundeshagen Encyclopädie. I. §. 189. Pfeil Handbuch. II. S. 204.
Medicus Forſthandbuch. S. 294. Hundeshagen, Ueber die Hackwaldwirth-
ſchaft. Tübingen 1821. Hartig Journal. I. 1. II. 1. III. 2. Archiv. II. 1.
Laurop Annalen. I. 2. 3. Wedekind Jahrbücher. 4s Heft.
⁶⁾ Pfeil Handbuch. II. 205. Cotta, die Baumfelderwirthſchaft. Dresden
1819–22. 4 Hefte (Erſter Begründer dieſes Syſtems). Krebs, Von der Be-
handlung der Erdrinde. Beitrag zur Cottaiſchen Baumfelderwirthſchaft. Dresden
1822. Hundeshagen, Prüfung der Cottaiſchen Baumfelderwirthſchaft. Tübingen
1821. v. Seutter, Ueber die Einführung der Hackwaldwirthſchaft (mit beſonderer
Beziehung auf Hundeshagens Prüfung ꝛc.). Stuttgart 1821. Liebich, der
aufmerkſame Forſtmann. I. II. u. III. Bd. Kaſthöfer, Bemerkungen auf einer
Alpenreiſe. S. 75. Deſſelben Lehrer im Walde. Bern 1829. II. 77. Laurop
Jahrbücher. II. 4. Annalen. VI. 2. Hartig Archiv. V. 2.
⁷⁾ Liebich, der Waldbau als die Mutter des Ackerbaues. Prag 1834 (Erſter
Begründer dieſes Syſtems). Das Weſentliche in dieſem neuen Vorſchlage Liebichs
iſt, daß er neben Getreide und Gras zugleich das Reiſig als Viehfutter benutzen
[323/0345]
⁷⁾ will, und daß er auf den einmal bearbeiteten Boden mit dem Holzſaamen Stauden-
korn und Hafer (oder ein anderes Sommergetreide) zugleich ausſäet, um im erſten
Jahre noch Lezteres, im zweiten das Staudenkorn ernten zu können, noch ehe man
an das Ausſetzen der Bäume geht. Es iſt nicht zu läugnen, daß dieſe Betriebs-
ſyſteme in unſerer Zeit bei zunehmender Bevölkerung alle drei einer großen Auf-
merkſamkeit ſehr werth ſind, beſonders da ihre Begründer ſelbſt zugeben, daß ſie
nicht gerade überall und in allen Waldungen, aber auf einem ſehr bedeutenden
Theile des jetzigen Waldbodens in Gebirgsländern anwendbar ſind.
§. 263.
2) Forſtbeſchreibung oder Forſtſtatiſtik.
Während bei der Landwirthſchaftslehre (§. 212.) dieſer Theil
der Betriebslehre ſich für die Einführung einer Wirthſchafts-
methode, für Verkauf und Verpachtung gleich nützlich zeigt, ſo
findet daſſelbe auch bei der Forſtwirthſchaft Statt, nur mit dem
Unterſchiede, daß er in dieſer die Natur der Statiſtik annimmt,
da es Jahrhunderte dauert, bis die Umtriebszeit vollendet iſt, und
da die Reſultate ſtets als ſolche eines Verſuches erſcheinen und
den Forſtwirth für die Einführung des nächſten Syſtemes beſtim-
men können. Die Forſtſtatiſtik, welche dieſen Namen um ſo
mehr verdient, wenn ſie ſich über alle Waldungen des Landes
erſtreckt, wird daher den Forſt in phyſikaliſcher (Grenze, Lage,
Boden, Klima, Vegetation) und in ökonomiſcher Hinſicht (Eigen-
thümer, Beſtand, Betriebsart, Wirthſchaftsmethode, Alter, Ma-
terialbeſtand, Zuwachs, Aufwand, Material- und Geldeinnahme,
Abſatz, Transportmittel, Gerechtigkeiten und Pflichtigkeiten) be-
ſchreiben, je nach den periodiſch vorgehenden Veränderungen. Es
iſt alſo nöthig, daß man Grenz-, Forſt- und Beſtandscharten
fertigt. Sind die Reſultate bekannt genug, um ſich für eine
Kulturmethode danach entſcheiden zu können, ſo verfertigt man
a) den Forſtkulturplan, nach welchem die Kulturgeſchäfte ge-
leitet werden, und in welchem nach näherer Angabe des Platzes,
ſeines Zuſtandes, des bezweckten Kulturvorſchlages, der Flächen-
raum, der zur Saat oder Pflanzung verwendet werden ſoll, beſtimmt
und ein Ueberſchlag des Kulturaufwandes für Arbeit, Saat,
Pflanzung u. dgl. gemacht wird. b) Den Forſtfällungsplan,
welcher aus der Wirthſchafts- und Betriebsmethode hervorgeht.
Derſelbe bezeichnet die Schläge, ihren Beſtand, die anzulegende
Wirthſchafts- und Betriebsmethode, den Hieb, die Größe der
Schläge, einen Ueberſchlag des Materialertrages, der Sortirung
und Verwendung des Holzes nebſt den wahrſcheinlichen Holzpreiſen,
alſo auch einen Geldüberſchlag.
21 *
[324/0346]
IV. Von der forſtwirthſchaftlichen Betriebswirthſchaft.
§. 264.
1) Forſtwirthſchaftliche Betriebsausgaben und -Einnahmen
oder forſtliche Statik.
Man verſteht unter der forſtlichen Statik die Erfahrungs-
wiſſenſchaft von den Urſachen (Kräften) der forſtwirthſchaftlichen
Ergebniſſe, von der Art und Stufenweiſe ihrer Wirkung, und von
dem Erfolge dieſer Wirkung ſelbſt in ihrem Zuſammenhange, nicht
als ſpezielle Notirung von irgend einem Forſte oder Forſtbezirke
(denn dieſe gibt die Statiſtik), ſondern als allgemeine aus der
Natur des Holzes, Bodens und der Vegetation überhaupt entnom-
mene Erfahrung. Es ſind alſo auch hier zu betrachten:
a) Die Betriebsausgaben. Sie beziehen ſich, da von
einer chemiſchen Agricultur im Forſtbaue nicht die Rede iſt, blos
auf Beſoldung, Löhnung und Unterhaltung der Beamten, Dienſt-
boten und Arbeiter, und auf die Anſchaffung und Unterhaltung
ſowohl des ſtehenden Capitals (Gebäulichkeiten für Wald und
Jagd, Holztransporteinrichtungen, Holzbeſtand, Geräthſchaften,
Wildſtand, Arbeitsvieh ſammt Geſchirre, und Gerechtſame) als
auch des umlaufenden (Saat, Pflänzlinge, magazinirte, überhaupt
ſchon gewonnene Productenvorräthe) in Natur und Geld (§. 213.)
b) Die Betriebseinnahmen. Es laſſen ſich dabei unter-
ſcheiden:
α) Die Naturaleinnahmen an Haupt- und Nebenproducten
von Wald und Jagd. Die Erſteren hängen unter übrigens gleichen
Umſtänden von dem jährlichen Holzzuwachſe ab, welcher bis zu
einem beſtimmten Alter Statt findet. Man unterſcheidet dabei das
Höhenwachsthum, das Dickenwachsthum und die Kronen-
ausbreitung für ſich, und die Maſſenzunahme im Ganzen
bei welcher lezteren man wieder den einzelnen Stamm im Freien
und die ganze Beſtandsfläche ihrem Schluſſe nach zu betrachten
hat, deren ſtufenweiſe Maſſenzunahme von der Anzahl der Stämme
von der Wirthſchaftsmethode und dem darin vorhandenen Längen
und Dickenwuchſe, und endlich von der Vollwüchſigkeit des Beſtan-
des abhängt1). Man bedient ſich zur Berechnung des cubiſchen
Inhaltes der Stämme eigener Inſtrumente, der Baummeſſer2).
β) Die Geldeinnahmen aus dem Verkaufe der rohen Pro-
ducte. Man verkauft das Holz entweder an den Meiſtbietenden oder
aus der Hand. Daſſelbe kann aber auf dieſe Methoden entweder
im Walde oder aus Magazinen abgeſetzt werden, in welchem erſteren
[325/0347]
Falle der Verkauf entweder noch auf dem Stocke (ſtehend) oder
nach geſchehener Fällung und Aufarbeitung vorgenommen werden
kann3).
γ) Oft finden in den Forſten für Verarbeitung der Haupt-
und Nebenproducte techniſche (gewerkliche) Nutzungszweige Statt,
wie Köhlereien, Schwelereien, Kalkbrennereien u. dgl. Was von
den landwirthſchaftlich techniſchen Nutzungszweigen dieſer Art
(§. 214. c.) geſagt iſt, gilt auch von dieſen.
Ueber die Berechnung des Reinertrags ſehe man am angeführ-
ten Orte nach.
¹⁾ Der Höhenwuchs richtet ſich nach der Tiefe und Güte des Bodens, und
nach dem Schutze gegen Winde, und iſt in der Jugend am größten; der Dicken-
wuchs aber nach der Dichtigkeit des Beſtandes unter übrigens gleichen Umſtänden;
mit dieſen Beiden wächst auch die Kronenausdehnung, aber doch ſteht die
Schirmfläche, verglichen mit dem unteren Stammdurchmeſſer, ſelbſt in umgekehrtem
Verhältniſſe zum Alter der Bäume. Die Maſſenzunahme einzelner freier Bäume
ſchreitet nur in der frühen Jugend wie die Quadrate der wachſenden Durchmeſſer
des Stammes vor, ſpäter wird ſie faſt eine gleichbleibende Größe; in geſchloſſenen
Beſtänden gilt dies Geſetz nicht, weil wegen der Lichthiebe, Durchforſtungen, des
Abſterbens u. dgl. die Stammzahl auf der Fläche immer abnimmt. Hundes-
hagen Encyclopädie. II. §. 562–576. Deſſelben Beiträge. II. 2. Laurop
Jahrbücher. II. 4. Liebich Aufmerkſamer Forſtmann. II. 1. Wachsthumſcalen
ſ. m. bei Hoßfeld Forſtabſchätzung. I. §. 25. Schmitt Forſtgehaubeſtimmung.
I. S. 95. Späth Handbuch der Forſtwiſſenſchaft. II. §. 133.
²⁾ Die Baumſchafte von der Wurzel bis zum Anfange der Aeſte (Zopfende)
können als Kegel, als paraboloidiſche Kegel und als abgekürzte Kegel betrachtet
werden. Darnach werden ſie auch ſtereometriſch verſchieden gemeſſen. Der Baum
wird entweder am Stocke oder wenn er ſchon gefällt iſt gemeſſen. Je nach dieſem
Umſtande, und weil, um den kubiſchen Inhalt zu finden, Durchmeſſer und Höhe
gekannt ſein müſſen, bedient man ſich eines Höhemeſſers (Dendrometers), des
Klaftermaaßes, des Gabelmaaßes (für die Dicke), der Meßſchnur oder
des Zollſtockes. Man hat nach allen dieſen Erfahrungen eigene Cubiktafeln berechnet.
Hundeshagen Encyclopädie. II. §. 620–628. Hoßfeld Lehrbuch der Forſt-
abſchätzung. I. Bd. (Hildburghauſen 1823.) König Anleitung zur Holztaxation.
Gotha 1813. Es finden ſich Tafeln jener Art auch bei Hundeshagen a. a. O.
S. 135. Beſonders herausgegebene ſind die v. Reimer (Hamburg 1782), Kra-
mer (Göttingen 1789), Krüger (Torgau 1790), Dinzer (Mannheim 1791),
Lutz (Frankfurt a. M. 1809), Adam (Marburg 1811), Dove (Hannover 1811),
Geyondat (Hamburg 1811, ſehr gut), Fabricius (Marburg 1813), Han-
ſtein (Göttingen 1814), Pfeil (Züllichau 1821), Däzel (München 1823),
Cotta (Dresden 1823), Rudorf (Dresden 1825), Sartorius (Eiſenach 1827),
Hartig (Berlin 1828), Jägerſchmid (Raſtatt 1829, — in Commiſſion zu
Frankfurt a. M.) für gefälltes Holz, — aber von König (Gotha 1813), Cotta
(Dresden 1821) und Hubert (München 1828) für ſtehendes Holz. Dendrometer
ſind beſchrieben von Krünitz (Oekonom. Encyclopädie. I. 171.), Braun (Celle
1805), v. Oppen (Kopenhagen 1788), Winckler (Wien 1812), Böckmann
(Gießen 1815), Laurop (Annalen. I. III.), Hartig (Archiv. III. 1., der
Diaſtimeter von Romershauſen; V. 2. Baummeſſer von Spangenberg).
Ein Inſtrument dazu von Roger iſt beſchrieben bei Dingler polytechn. Journal.
XVII. S. 283.
³⁾ Die Vorzüge der einen oder andern Methode im Allgemeinen ſind nicht
ſchwer zu beſtimmen. Die Anwendung im ſpeziellen Falle kann hier nicht gelehrt
werden. Hundeshagen Encyclopädie. II. §. 727. Laurop Staatsforſt-Wirth-
ſchaftslehre. S. 381.
[326/0348]
§. 265.
2) Forſtwirthſchaftliche Buchführung.
Die forſtwirthſchaftliche Buchhaltung bietet diejenigen Ver-
wickelungen nicht dar, welche bei der landwirthſchaftlichen (§. 215.)
vorherrſchen. Denn weder in den Nutzungszweigen noch in den
Ausgaben herrſcht eine ſolche Manchfaltigkeit vor. Die Einnahmen
und Ausgaben bei den (§. 264. γ.) genannten techniſchen Nutzun-
gen abgerechnet, welche bei hinreichender Ausdehnung eine eigene
und einfache Rechnungsführung haben, bleibt blos die Einnahme
und Ausgabe an Haupt- und Nebenproducten in Natur (Holz,
Wildpret; — Rinde, Harz, Saft, Laub, Saamen, Gras —) und
in Geld zu notiren und zu verrechnen. Die Folge, in welcher ſie
auf einander kommen, iſt ſchon zum Voraus durch die Kultur-
und Fällungspläne (§. 263.) beſtimmt. Außerordentliche Nutzungen
ſind gegen die Prinzipien einer geregelten Forſtwirthſchaft; da ſie
indeſſen doch vorkommen, ſo bilden ſie in der Forſtrechnung doch
keine Unregelmäßigkeit. Die ganze Buchführung zerfällt in zwei
Hauptzweige, nämlich in
a) Das Voranſchlags- oder Etatsweſen; indem nämlich
zur Erleichterung der Controle eine ungefähre Vorherbeſtimmung
der jährlichen rohen und reinen Natural- und Geldeinnahme ge-
macht wird, was immer nur mit Bezug auf den Kultur- und
Fällungsplan geſchehen kann. Daher entſtehen die forſtlichen Na-
tural- und Geldetats.
b) Das Rechnungsweſen ſelbſt, welches eine einfache Buch-
führung über Natural- und Geldausgabe und -Einnahme iſt, die
ſich in allen Poſten auf Quittungen, Atteſte und Belege anderer
Art bezieht. Bei kleinen Forſtverwaltungen wird Natural- und
Geldrechnung in Einem geführt. Bei großer Forſtverwaltung aber
iſt eine Trennung derſelben ein weſentliches Mittel zu Controle,
ebenſo wie für beide es auch die Etats ſind, in ſoferne nämlich
bedeutendere Abweichungen von denſelben genau motivirt werden
müſſen.
V. Von der Verfertigung forſtwirthſchaftlicher
Anſchläge.
§. 266.
Arten der Anſchläge. Mittel zu ihrer Verfertigung.
Was oben (§. 216.) von den Arten der Anſchläge geſagt iſt,
das gilt auch hier, nur von den Forſten. Aber die Arbeiten zur
[327/0349]
Verfertigung derſelben ſind weſentlich von den landwirthſchaftlichen
Taxationsgeſchäften (§. 217.) verſchieden1). Da ſich bei der Land-
wirthſchaft der Ertrag jedes Jahr erneuet, ſo iſt man dort auf
Informationen und Auszüge aus den Wirthſchaftsbüchern ange-
wieſen und muß annäherungsweiſe beſtimmen, was bei einem ge-
wiſſen Syſteme für ein Ertrag erfolgen mag. Bei der Forſtwirth-
ſchaft erſtreckt ſich ein Umtrieb auf viele Jahre, und man hat es
mit einem beſtimmten feſten Beſtande zu thun, deſſen Maſſe in der
Gegenwart und für die Zukunft berechnet werden muß2). Will
man daher den gegenwärtigen Beſtand abſchätzen (Maſſen-
aufnahme), ſo braucht man ſich blos auf das an Holz, Wildpret
und Gras Vorhandene zu beziehen. Soll aber der zukünftige
Beſtand ermittelt werden (Aufnahme des periodiſchen Ertrags),
ſo iſt vorerſt der jetzige zu berechnen, der periodiſche Zuwachs zu
beſtimmen und Alles dasjenige mit in Abzug zu bringen, was, aus
irgend was für Gründen, an Naturale und Geld in Abgang ge-
räth. Dazu können aber nur blos allgemeine Erfahrungen und
beſondere Verhältniſſe des abzuſchätzenden Forſtes und Jagdrevieres
die geeigneten Haltpunkte geben, und es läßt ſich leicht erklären,
warum das forſtliche Taxationsweſen noch unvollſtändiger als die
Forſtwiſſenſchaft im Ganzen iſt. Die Abſchätzung
A. Der Hauptnutzung zerfällt in jene der Jagd und des
Holzes. Erſtere kann nur nach den Jagdregiſtern, nach Infor-
mationen über den gegenwärtigen Wildſtand u. dgl., und nach
allgemeinen Regeln des Hegens ermittelt werden. Die Holznutzung
aber, ſei ſie vom gegenwärtigen Beſtande oder von dem zukünftigen
auszumitteln, ſetzt immer eine Abzählung und Meſſung der
Stämme voraus. Dieſe geſchieht nun a) entweder durch wirk-
liches Abzählen, Meſſen und Klaſſiren der Stämme des Beſtandes3),
b) oder durch Vornahme dieſes Geſchäftes auf Probeflächen von
⅛-1 Morgen, wovon man dann das Reſultat mit der Morgen-
zahl des ganzen Beſtandes multiplizirt; c) oder durch Vergleichs-
(Erfahrungs-, Ertrags-) Tafeln4) über den Holzmaſſegehalt von
Beſtänden verſchiedener Alter, Gattung und Wirthſchaftsmethode.
Mit dieſer Abzählung findet zugleich eine Sortirung des Holzes in
Brenn- und Nutzholz Statt, und nach dem berechnet man jeden
Stamm und jede Klaſſe einzeln durch Multiplication der Kreisfläche
mit der Höhe, oder aber ſo, daß man alle einzelnen Stammkreis-
flächen in Quadratfußen beſtimmt, dieſe einzelnen Reſultate in eine
Hauptſumme bringt, und dann den Kubikinhalt berechnet, indem
man jene Hauptſumme mit der Durchſchnittshöhe der Stämme des
Beſtandes multiplizirt. Das Reiſig und Buſchholz wird nach dem
[328/0350]
Augenmaaße oder nach Maaßgabe einer abgeholzten Fläche be-
rechnet. So gelangt man zur Kenntniß des gegenwärtigen Beſtandes.
Will man aber den zukünftigen Beſtand vorausbeſtimmen, ſo muß
auch der Zuwachs berechnet werden. Dies geſchieht nun a) ent-
weder nach Ertragstafeln (empiriſch), indem man die Maſſe eines
jüngern Holzbeſtandes von jener des älteren abzieht, wobei der
Reſt als Zuwachs für die ganze Periode, um welche der Leztere
älter iſt, erſcheint und der jährliche blos durch die Diviſion dieſes
Abſatzes mit der Zahl der Jahre gefunden wird, während der
allgemeine durchſchnittliche Zuwachs durch die Diviſion der Holz-
maſſe des ganzen Beſtandes mit der Zahl ſeiner Altersjahre ermit-
telt werden kann; b) oder durch Abzählen der Jahresringe von
der Peripherie gegen das Centrum an abgehauenen oder ſelbſt
mehrmals durchſchnittenen Stämmen, und hiernach (mathematiſch)
annäherungsweiſe die Berechnung des Zuwachſes5); c) oder endlich
bei richtiger Schlageintheilung, um den Zuwachs des ganzen Be-
ſtandes zu beſtimmen, dadurch, daß man dieſen Lezteren als eine
fallende Progreſſion anſieht, deren erſtes Glied dem einjährigen
Zuwachſe des ganzen Beſtandes, deren leztes aber dem Zuwachſe
des jährlich zu hauenden Beſtandtheiles, und wobei die Anzahl
der Glieder jener der Jahre des Abtriebes gleich iſt, — und hier-
auf dieſe Progreſſion ſummirt, wovon die Summe den ganzen
Zuwachs während der Abtriebszeit beträgt und nur zu der Total-
beſtandsmaſſe addirt zu werden braucht, um durch Diviſion mit den
Jahren der Umtriebszeit in die entſtehende Hauptſumme den jähr-
lichen Ertrag zu finden.
B. Der Nebennutzungen der verſchiedenen Art geſchieht
nach Informationen und Auszügen auf dieſelbe Weiſe wie man in
dem landwirthſchaftlichen Betriebe den Wieſen- und Weideerwachs,
Fruchtertrag u. ſ. w. veranſchlägt.
Hat man ſo den Naturalertrag berechnet, ſo verfertigt man
jedesmal, wenn es erforderlich iſt, nach Taxen oder Durchſchnitts-
preiſen den Geldanſchlag. Von dem ſo ermittelten Rohertrage
zieht man alsdann die verſchiedenen Ausgaben ab, welche zum
Theile mit dem Betriebe verbunden ſind, zum Theile aus Pflich-
tigkeiten herrühren, und in Geld oder Naturale beſtehen6).
¹⁾ Die Forſttaxation iſt außer in den bisher genannten Hand- und Lehrbüchern
beſonders abgehandelt von Däzel (München 1786), Wieſenhavern (Breslau
1794), Hennert (Berlin 1803), Hartig (Gießen 1819, 4te Aufl. — Sehr
gut. S. auch André Oekonom. Neuigkeiten. 1811. Nro. 2. 19. 21–23. 44.
1812. Nro. 12. 13. 41. 42. 1813. Nro. 23. 1815. Nro. 49. 1816. Nro. 4),
v. Cotta (Berlin 1803), König (Gotha 1813), Hoßfeld (Hildburghauſen 1823.
III Abthlgn.), von Schmitt (Forſtgehaubeſtimmung), von Hundeshagen (Tw-
[329/0351]
¹⁾ bingen 1826, ſ. Pfeil Kritiſche Blätter. IV. 1.), Reber (Bamberg 1827).
Hartig Journal. II. 1. 3. 4. Laurop Annalen. II. 4. V. 1. Jahrbücher. I. 2.
Moſer Archiv. XXI. 49. Pfeil Krit. Blätter. I. 2. Auch ſoll eine Abhandlung
dieſes Gegenſtandes von Huber ſich in den Jahrgängen 1824, 1825 und 1826 von
Behlen's Zeitſchrift für Baiern finden.
²⁾ Zum Behufe einer gehörigen Forſteinrichtung gehört auch eine Forſt-
abſchätzung. Und dieſe iſt alſo mit Bezug auf die Zukunft insbeſondere anzuſtellen.
Wird eine ſolche Abſchätzung auf einen voraus berechneten beſtimmten Wirthſchafts-
plan vorgenommen, dann heißt ſie mechaniſche Ertragsgleichſtellung oder Fach-
werksmethode. Geſchieht ſie aber blos auf ein arithmetiſch ausgemitteltes
Verhältniß zwiſchen dem Materialbeſtande und der möglichen jährlichen Nutzung,
dann wird ſie die mathematiſch-rationelle Methode genannt. Man ſ.
darüber z. B. Hundeshagen Encyclopädie. II. §. 617. 3. §. 648–675.
§. 676–691.
³⁾ Man mißt entweder die Stämme und bildet hiernach Klaſſen, oder man
macht dieſe Lezteren ſchon nach einer bloßen Beſichtigung des Waldes tabellariſch
und ſchreibt dann die abgemeſſenen Stämme hinein.
⁴⁾ Solche Erfahrungstafeln finden ſich z. B. bei Hundeshagen Encyclopädie.
II. S. 162. 257. 267., bei Pfeil Anleitung zur Ablöſung der Waldſervitute.
Berlin 1828 (v. Hartig), und Cotta Hilfstafeln für Forſttaxatoren. Dresd. 1821.
⁵⁾ Man zählt entweder einige Jahresringe auf dieſe Art blos an der Schnitt-
fläche, ſchließt von dieſer Zunahme des Stammes auch auf eine ſolche in den künf-
tigen Perioden und berechnet, nachdem dieſer muthmaßliche Zuwachs zur Kreisfläche
des Modellſtammes gezählt iſt, ſeinen Kubikinhalt darnach und zieht von dieſem den
wirklichen jetzigen Kubikinhalt deſſelben ab — oder man verſägt den Stamm in
Rundſtücke von 4–6 Fuß Länge und zählt auf der unteren Fläche eines jeden die
Jahresringe, wobei man den Vortheil hat, auch die den Altersperioden zukommen-
den Schafthöhen zu erkennen.
⁶⁾ Von der eigentlichen Forſtwerthsbeſtimmung handelt Hartig Anleitung zur
Berechnung des Geldwerthes eines Forſtes. Berlin 1812 (auch Anhang des in
Note 1 erwähnten Werkes). v. Seutter Werthsbeſtimmung der Waldungen.
Ulm 1814. Cotta Waldwerthberechnung. Dresden 1819. 2te Aufl. Hoßfeld
Werthsbeſtimmung der Wälder. Hildburghauſen 1825. Hundeshagen Forſt-
abſchätzung. 2te Abtheilung.
§. 267.
Fertigung der Anſchlagsakten.
Die bei der Forſtabſchätzung zu fertigenden Aktenſtücke ſind
aus dem Bisherigen im Allgemeinen leicht zu entnehmen. Außer
den Informationsprotokollen, Auszügen, Durchſchnittsberechnungen,
Charten, Beſichtigungs- und Vermeſſungsregiſter und dergleichen
mehr, iſt es auch räthlich, ein ganzes Geſchäftsprotokoll zu ent-
werfen. Doch richten ſich die einzelnen Rubriken nach beſonderen
Verhältniſſen, während in jedem Lande dazu beſtimmte Normen
und Formularien gegeben ſind.
[330/0352]
Zweite Abtheilung.
Kunſtgewerbslehre.
Einleitung.
§. 268.
Unter Kunſtgewerbslehre (Gewerkslehre, Technolo-
gie) verſteht man die ſyſtematiſche Darſtellung der Grundſätze und
Regeln, wonach die der Natur abgewonnenen Rohſtoffe durch Ver-
edelung und Verarbeitung ſo zugerichtet werden, daß ſie für die
Zwecke der Menſchen brauchbarer ſind, als im Urzuſtande. Es
gehört alſo in ihr Bereich nicht blos die eigentliche Verarbeitung
roher Stoffe zur Bildung neuer Producte, ſondern auch die Aus-
beſſerung und Wiederherſtellung derſelben. Es iſt nicht blos ihre
Aufgabe, die verſchiedenen Verfahrungsweiſen zu erzählen, ſondern
vielmehr auch alle die einzelnen Gewerkszweige durch Zurückführung
auf mathematiſche und naturwiſſenſchaftliche Prinzipien zu begrün-
den. In dieſer lezteren Art und mit dieſem lezteren Zwecke iſt ſie
erſt in der zweiten Hälfte des 18ten Jahrhunderts hervorgetreten,
und namentlich hat ſich Joh. Beckmann um ſie damals ſehr
große Verdienſte erworben. Dagegen beſtand ſie vor dieſer Zeit
mehr nur in den einzelnen kunſt- und gewerbsmäßig betriebenen
techniſchen Zweigen ohne eigentlichen inneren wiſſenſchaftlichen Zu-
ſammenhang und ſelbſt im Einzelnen ohne wiſſenſchaftlich tiefe
Begründung1). Ihr Gegenſtand iſt von ſolcher Ausdehnung und
Manchfaltigkeit, daß ſelbſt nur eine ſtrenge Ueberſicht deſſelben eine
bis jetzt unerreichbare Aufgabe war, und er wird ſich auch noch
immerfort erweitern, je mehr ſich die Hilfslehren der Technologie,
— nämlich die Mathematik, Mechanik, Phyſik, Chemie
und Naturgeſchichte, — und der Gewerbseifer mit dem Wohl-
ſtande der Völker ausdehnen. Es gehört ihr Alles an, was zwi-
ſchen der kunſtloſeſten Verarbeitungsthätigkeit und der höchſten
bildenden Kunſt ſeinen Platz findet. Als wiſſenſchaftlicher Erkennt-
nißzweig ſchließt ſie jedoch die Gewerke, zu deren Kenntniß keine
wiſſenſchaftliche Kenntniß nöthig iſt und blos Uebung gehört, aus
und beſchäftigt ſich dagegen nur mit den anderen. Obſchon ihre
Literatur, als umfaſſende Technologie, keineswegs übermäßig groß
iſt2), ſo ſind die Schriften und Belehrungen über die einzelnen
Gewerksthätigkeiten und Gewerkszweige von ganz ungeheurer Aus-
dehnung, ſo daß viele Erfindungen ganz unzugänglich wären, wenn
es nicht technologiſche Zeitſchriften3) gäbe, welche als die
[331/0353]
literariſchen Gemeinplätze für Alles dasjenige gelten, was für die
Kunſtgewerbslehre theoretiſches und praktiſches Intereſſe hat.
¹⁾ Poppe, Geſchichte der Technologie. Göttingen 1807–1810. II Bände.
Donndorff, Geſchichte der Erfindungen. Quedlinburg 1817–1820. VI Bände.
Buſch, Handbuch der Erfindungen. Eiſenach 1802–22. XII Bde. 4te Auflage.
Minola's Beiträge zu dieſem Werke. Ehrenbreitſtein 1806. Ir Bd. Beckmann,
Beiträge zur Geſchichte der Erfindungen. Leipzig 1784–1805. V Bde. Voll-
beding, Archiv nützlicher Erfindungen. Leipzig 1792 u. 1795. II Bde. v. Gülich,
Geſchichtliche Darſtellung des Handels, der Gewerbe und des Ackerbaues. Jena 1830.
II Bde. Fiſcher, Geſchichte des deutſchen Handels, der Schifffahrt, Erfindungen ꝛc.
Hannover 1795–97. II Bde.
²⁾ Beckmann, Anleitung zur Technologie. Göttingen 1776–1802. 1ſte bis
5te Aufl., 1809 die 6te Aufl. Broſenius Technologie. Leipzig 1806–7. III Thle.
in II Bdn. Deſſelben Lehrbuch der Technologie. Leipzig 1819. Poppe, Handb.
der Technologie. Frankfurt a. M. 1806–10. IV Abthlgn. in II Bdn. Deſ-
ſelben Lehrbuch der allgemeinen Technologie. Frankfurt 1809. Stuttgart 1821.
Deſſelben Lehrbuch der ſpeziellen Technologie. Tübingen 1819. Langsdorf,
Erläuterungen höchſt wichtiger Lehren der Technologie. Heidelberg 1807. II Bde.
Hermbſtädt, Grundriß der Technologie. Berlin 1814. II Bde. 1830 2te Aufl.
(die IIIte Abthlg. iſt ein bloßes Compendium zu Vorleſungen, welchem dieſe II Thle.
als Erläuterung dienen). Kölle, Syſtem der Technik. Berlin 1822 (auch Urge-
werbslehre enthaltend). Jacobſon, Technologiſches Wörterbuch. Herausgegeben
von Hartwig. Berlin 1781–1784 (als Supplement, und hiernach geordnet:
Roſenthal Literatur der Technologie. 1793–95). VIII Bde. Tiemann, artiſt.
technolog. Encyclopädie. Berlin 1806. Ir Bd. Poppe, Technologiſches Lexicon.
Tübingen 1815–20. V Bde. Schmidts Handbuch der mechaniſchen Technologie
(auch alphabetiſch). Züllichau 1819–21. III Bde. Dictionnaire technologique.
Paris 1822–32. XX Tomes, bis Thon. v. Keeß Darſtellung des Fabriks- und
Gewerbsweſens ꝛc. 2te Aufl. 1824. IV Bde. Fortgeſetzt von Keeß und Blu-
menbach: Syſtematiſche Darſtellung der neuen Fortſchritte in den Gewerben und
Manufacturen. Wien 1829–30. II Bde. Prechtl, Technologiſche Encyclopädie.
Stuttgart 1830–33. I-IVr Bd., bis Edelſteine (ganz vorzüglich).
³⁾ Außer den älteren Zeitſchriften von Gatterer, Hermbſtädt, Leuchs
u. A. insbeſondere die neueſten, nämlich: Dingler polytechniſches Journal. Wien
1820–33. L. Bde und Prechtl Jahrbücher des polytechniſchen Inſtituts zu Wien.
Wien 1819–33. XVI Bde., welche wegen ihrer reichhaltigen Mittheilungen die
ausländiſchen Journale, deren Zahl ungemein groß iſt, entbehrlich machen. Nur
wäre im Erſteren öfters eine größere Genauigkeit in den Angaben und Zeichnungen zu
wünſchen. Ueber technologiſche Literatur ſ. m. außer Roſenthal noch Hermb-
ſtädt Bibliothek der neueſten phyſiſchen, chemiſchen, metalliſchen, technologiſchen
und pharmaceutiſchen Literatur. Berlin 1788–89. II Bde. Krieger Handbuch
der Literatur der Gewerbskunde. Marburg 1822. II Bände. Weber Handbuch
(ſ. §. 132. oben). Leuchs polytechn. Bücherkunde. Nürnberg 1829.
Erſtes Hauptſtück.
Werkmänniſche Gewerbslehre.
Erſtes Stück.
Allgemeine Gewerkslehre.
§. 268. a.
Die werkmänniſche Gewerbslehre ſtellt diejenigen Grund-
ſätze und Regeln der Kunſtgewerbe dar, wonach, ohne Beziehung
[332/0354]
auf das Zuſammenhalten und Leiten des Gewerkes als eines aus-
ſchließlichen gewerblichen Betriebes, die veredelnde Verarbeitung
der Rohſtoffe vorgenommen wird, nachdem man dazu das gehörige
Material und die anderen Hilfsmittel herbeigeſchaft hat. Da alle
Gewerke in Betreff der Wahl des Materials, ſo verſchiedenartig
dies auch ſein mag, — in den zu brauchenden Geräthſchaften, und
in den Operationen ſelbſt, welche theils chemiſch theils mechaniſch
ſind, vieles Uebereinſtimmende haben, ſo läßt ſich dieſes ſehr zweck-
mäßig in die allgemeine Gewerkslehre zuſammenfaſſen, wäh-
rend man die Darſtellung des einem jeden Gewerke Eigenthümlichen
in die beſondere Gewerkslehre verweist. Jene hat daher im
Allgemeinen von den zu verarbeitenden Stoffen, von den zu brau-
chenden Maſchinentheilen, von den allgemeinen Gewerksoperationen,
und von den Erzeugniſſen ſelbſt zu handeln.
I. Werkmänniſche Stoffkunde oder techniſche
Materialienkunde.
§. 269.
Man braucht in jedem Gewerke Stoffe, welche die veredelnde
Veränderung erleiden ſollen (Verwandlungsſtoffe), und an-
dere, welche blos dazu dienen, jene Veränderung zu befördern
(Hilfsſtoffe)1). Beide ſind entweder noch ganz rohe Materien
oder aber ſchon bis zu einem gewiſſen Grade verarbeitet2). Dieſe
verſchiedenen Stoffe ſind es, welche zum Betriebe eines Gewerkes
gekannt ſein müſſen, in ſoferne ſie in daſſelbe gehören. Dieſe
Stoffkunde erſtreckt ſich daher:
1) Auf die Unterſuchung, welche Eigenſchaften und Beſtand-
theile die Stoffe überhaupt nach dem Zwecke ihrer Verwendung
haben müſſen, um gebraucht werden zu können2).
2) Auf die Frage, welche Art von Stoffen zu dieſer Verwen-
dung am beſten zu gebrauchen ſind3).
3) Auf die beſondere Kenntniß über die innerlichen und äußer-
lichen Eigenſchaften, ſo wie über die äußeren Verhältniſſe derſelben,
als da ſind a) die Orte ihres Entſtehens, und unter dieſen diejenigen,
wo ſie am beſten erzeugt werden und zu haben ſind; b) die eigen-
thümlichen äußeren Abzeichen zur Beglaubigung ihrer Aechtheit;
c) die Art ihrer Erzeugung an ſich und unterſchieden in Betreff
ihrer Vorzüglichkeit; d) die eigenthümlichen Ingredienzien oder
Stoffe, aus denen ſie verfertigt werden, in ſoweit nämlich kein
Gewerksgeheimniß darüber liegt, und wenn ſie keine bloßen Natur-
producte ſind; e) ihre beſte Einpackung und Verſendungsart, da
[333/0355]
hiervon ſehr oft ihre Güte abhängt; f) die Jahreszeit ihrer beſten
Production und Gewinnung, wovon ihre Brauchbarkeit, ihre Ver-
ſendungszeit und ihr Erſcheinen auf den entfernteren oder näheren
Märkten bedingt iſt; g) die Berechnung der Hervorbringungs- und
Verſendungskoſten, um hiernach den wahrſcheinlichen Preis der-
ſelben zu beſtimmen, oder, wenn dies nicht zu erörtern iſt, h) die
gewöhnlichen Preiſe, um welche ſie im Handel zu haben ſind, nebſt
den Urſachen, von welchen ihr Steigen und Fallen abhängt; i) die
beſte Methode ihrer Aufbewahrung, zum Behufe ihres Verbrauches
im Gewerke ſelbſt4).
¹⁾ Z. B. Gerſte, Hopfen und Waſſer zu Bier; das vom Erze gewonnene und
hämmerbare Eiſen für die Schmiede; der rohe Zucker zum Raffiniren; das gewalzte
Blech zu Ofenröhren; der Draht zu Ketten und Spiralen; die Rädchen und Stifte
für die Taſchenuhren. Dies ſind Verwandlungsſtoffe. Als Hilfsſtoffe erſcheinen z. B.
die Feuerungsmaterialien und Kühlapparate in chemiſchen Gewerken; das Oel und
Fett zum Schmieren der Maſchinen; die manchfachen Zuſätze zur Bewirkung von
Stoffauflöſungen und Verbindungen, ſo wie zur Einleitung von Gährungen u. ſ. w.
²⁾ Z. B. für die Gerberei iſt Gerbſtoff nöthig; der Gerber muß daher die
Eigenſchaften des Gerbſtoffes überhaupt kennen, um entſcheiden zu können, welche
Gegenſtände überhaupt dazu tauglich ſind, als wie Eichenrinde, Heidelbeerſträuche u. dgl.
³⁾ Z. B. ob Steinkohlenfeuer dem Holzfeuer vorzuziehen ſeie, ob Guß- oder
Hämmereiſen zu Dampfkeſſeln beſſer ſeie, welches Holz zur Theerſchwelerei taug-
licher ſeie, u. ſ. w.
⁴⁾ Es gehören alſo hierzu technologiſche, land- und forſtwirthſchaftliche, geo-
graphiſche, naturwiſſenſchaftliche, merkantiliſche Kenntniſſe u. ſ. w. v. Keeß (Dar-
ſtellung. Bd. I.) hat dieſen Theil der Technologie behandelt. Dieſe Stoffkunde,
auf möglichſt viele Artikel ausgedehnt, wird auch Waarenkunde genannt. Die
vorzüglichen Schriften darüber ſind: Nemnich, Waarenlexicon in 12 Sprachen.
Hamburg 1797. Schumann, Verſuch einer vollſtändigen Waarenkunde. Zwickau
1802–7. II Bände (unvollendet, blos von Waaren aus Haaren und Federn).
Schedel, Allgemeines Waarenlexicon. 4te Aufl. von Poppe. Offenbach 1814.
Neueſte Ausg. Leipzig 1828. II Thle. Supplement von 1830. Kaufmann, Diction-
nary of Merchandise and Nomenclature in all European Languages. London 1815.
Buſe, Handbuch der Waarenkunde. Erfurt 1806–17. IX Bde. (unvollendet).
Poppe, Gemeinnützige Waarenencyclopädie. Leipzig 1818. Euler Waarenlexicon
(deutſch, franzöſiſch und italieniſch). 3te Ausg. von Jacobi. Heilbronn 1829.
III Bde. Zenker, Mercantiliſche Waarenkunde, mit Kupfern. I. Bd. II. Bd.
1–3s Heft. Jena 1829–33. Thon Waarenlexicon. Ilmenau 1830. Ir Bd.
Bohn, Wörterbuch der Producten- und Waarenkunde. Hamburg 1832. II Bde.
II. Werkmänniſche Geräthskunde.
§. 270.
Vorbegriffe.
Es kommen in allen Gewerken gewiſſe allgemein gebrauchte
Geräthſchaften vor. Manche davon ſind zwar ganz einfach, aber
manche auch ſehr zuſammengeſetzt. Die Zuſammenſetzung iſt ver-
ſchiedenartig, obſchon man faſt allenthalben ähnliche und gleiche
Theile findet. Dies rührt daher, weil man darnach ſtrebt, in
[334/0356]
jedem Gewerke die Kraft, ſei ſie mechaniſch oder chemiſch, ſo gut
als möglich zu benutzen. Die Lehre von dieſen allgemein gebrauch-
ten Geräthſchaften iſt die werkmänniſche Geräthskunde.
A. Von den chemiſchen Geräthſchaften und Vor-
richtungen.
§. 271.
In den chemiſchen Gewerken, bei welchen Verbindungen und
Trennungen der Stoffe in mehr oder weniger naſſem und flüſſigem
Zuſtande vermittelſt verſchiedener Grade von Wärme und Kälte
veranlaßt werden, ſind verſchiedene Geräthe und Vorrichtungen
erforderlich, welche aber nach der Natur des Gewerkes weſentlich
oder unweſentlich von einander in der Form, Größe und im Ge-
brauche abweichen. Es gehören daher die Heerde, Oefen, Töpfe,
Röhren, Keſſel, Bottiche, Kübel, Tiegel, Retorten, Gläſer,
Filtern u. dgl. m., von verſchiedener Form und verſchiedenartiger
Einrichtung.
B. Von den mechaniſchen Geräthſchaften, Maſchinen-
theilen und Maſchinen.
§. 272.
A. Werkzeuge. B. Maſchinen.
Zu der Vollführung mechaniſcher Arbeiten, bei denen alſo die
Bewegung das lezte Prinzip iſt, bedient ſich der Werkmann:
1) Der Werkzeuge, d. h. einfacher mechaniſcher Geräthe,
welche ihm zur unmittelbaren Unterſtützung ſeines Körpers bei
mechaniſchen Veränderungen der Stoffe dienen. Dieſelbe haben
theils blos den Zweck ihn zu ſchützen, theils jenen, die Werk-
thätigkeit ſeiner Gliedmaßen zu verſtärken, zu erleichtern, zu rich-
ten u. dgl. Ihre Anzahl und Arten ſind ſehr verſchieden, und
auch im Allgemeinen bekannt genug1).
2) Der Maſchinen, d. h. zuſammengeſetzter mechaniſcher Ge-
räthe, bei welchen diejenigen Theile, deren Beſtimmung iſt, unmit-
telbar auf den Stoff zu wirken, durch verſchiedene Mittelglieder
mit denjenigen verbunden ſind, die die Wirkung der bewegenden
Kraft unmittelbar aufnehmen2).
¹⁾ Altmütter, Beſchreibung der Werkzeugſammlung des polytechniſchen In-
ſtituts Wien 1825.
²⁾ Die Lehre hiervon iſt die Maſchinenkunde. Die Mechanik entwickelt
die Grundſätze, worauf alle dieſe verſchiedenen Maſchinenvorrichtungen beruhen. Sie
iſt alſo hier Hilfswiſſenſchaft. Die Maſchinenkunde aber iſt ein integrirender Theil
[335/0357]
²⁾ der Technologie. Sie werden aber, praktiſch bearbeitet, immer mit einander ver-
bunden. S. Eytelwein, Handbuch der Mechanik. Berlin 1801. Poppe, Ency-
clopädie des Maſchinenweſens. Leipzig 1803–1818. VII Bde. Deſſelben Lehrb.
der Maſchinenkunde. Tübingen 1821. Baumgärtner, die Mechanik in ihrer
Anwendung auf Künſte und Gewerbe. Wien 1823. 2te Aufl. 1834. Karmarſch,
die Mechanik in ihrer Anwendung auf Gewerbe. Wien 1825. Mit 1 Kupferatlas.
v. Langsdorf, Syſtem der Maſchinenkunde. Heidelberg 1826. 4 Thle. in II Bdn.
4. Mit 4 Kupferatlanten. v. Gerſtner, Handbuch der Mechanik. Prag 1831–33.
Ir u. IIr Bd. 4. (Soll 3 Bde. ſtark werden, mit 100 Kupfertafeln). Borgnis,
Traité complet de mechanique appliquée aux arts. Paris 1818 sqq. VIII Tomes. 4.
Deſſelben Dictionnaire de mechanique appliquée aux arts. Paris 1821. 4.
Christian, Traité de mechanique industrielle. Paris 1823–25. III Tomes.
Mit 1 Kupferatlas.
§. 273.
Fortſetzung. 1) Maſchinentheile zur Aufnahme und Fort-
pflanzung der Kraft.
Die verſchiedenen Beſtandtheile der Maſchinen im Allgemeinen
ſind außerordentlich zahlreich; ſie laſſen ſich indeſſen doch unter
folgender logiſcher Eintheilung zuſammenfaſſen. Sie ſind:
a) solche, welche die Wirkung der bewegenden Kraft geradezu
aufnehmen (Empfänger, Récepteurs). Sie ſind nach der bewe-
genden Kraft verſchieden1). (§. 274.)
b) Solche, welche auf den zu bearbeitenden Stoff unmittelbar
die Wirkung ausüben (Bearbeiter, Opérateurs). Sie ſind je
nach der Art der beabſichtigten Wirkung in den einzelnen Gewerken
verſchieden2).
c) Solche, welche zwiſchen dieſen beiden Theilen die Vermitt-
ler oder Ueberträger ſpielen (Mittheiler, Communicateurs). Sie
ſind wieder von verſchiedener Art, aber auch mehr oder weniger
verbunden in den Maſchinen der einzelnen Gewerke3). Nämlich:
α) Entweder pflanzen ſie die Bewegung fort, indem ſie der-
ſelben eine beſtimmte Richtung geben (Directeurs)4).
β) Oder ſie pflanzen ſie fort, indem ſie dieſelbe erhöhen und
vermindern, um ſo das Verhältniß der beiden Faktoren abzuändern
(Modificateurs)5).
γ) Oder endlich ſie pflanzen ſie fort, indem ſie derſelben mehr
Gleichförmigkeit geben (Regulateurs)6).
¹⁾ Borgnis, Méchanique appliquée aux arts. I. (Composition des Machines)
§. 18 sqq.
²⁾ Borgnis, Méchanique appliquée aux arts. I. §. 912 sqq.
³⁾ Borgnis, Méchanique appliquée aux arts. I. §. 482 sqq. Prechtl Ency-
clopädie. II. 47–96.
⁴⁾ Es gehört hierher:
a) Der Wagbaum (Balancier), d. h. ein großer zweiarmiger Hebel, der
auf eine Unterlage gezapft und dazu beſtimmt iſt, eine geradlinige Bewegung
[336/0358]
⁴⁾ parallel fortzupflanzen, und gedreht werden kann. Da er aber bei dem Auf- und
Abgehen mit der Spitze einen Bogen, und keine ſenkrechte Linie beſchreibt, ſo
bringt man an derſelben oft folgende verbeſſernde Theile (Correcteurs) an: α) an
jeder Spitze deſſelben einen Kreisabſchnitt, an den ſich von oben herab eine Kette
anlegt, mit welcher erſt die Stange verbunden wird, die der Balancier aufziehen
und wieder ſinken laſſen ſoll; β) oder zwei ganze Kreiſe mit einer ſolchen Kette;
γ) ein verſchiebliches Parallelogramm, an das die Stange erſt befeſtigt wird.
Baumgärtner Mechanik (neue Ausg.). §. 350.
b) Das Kunſtkreutz, d. h. ein Kreutz von Balkenſtücken, das um einen
Zapfen in ſeinem Mittelpunkte drehbar iſt, um eine horizontale geradlinige Bewe-
gung in eine Winkelbewegung zu verwandeln, indem man die hin- und hergehende
Stange mit dem oberſten Kreutzbalken, eine ſenkrechte Stange aber mit dem queren
Kreutzbalken verbindet. Statt eines ganzen nimmt man auch nur ein ¾ oder ¼
Kreutz (einen Rechtwinkel). Prechtl Jahrbücher. II. 336.
c) Die Kurbel, d. h. eine zweimal rechtwinkelig gebogene Stange, wovon
ein Ende mit der bewegenden Kraft verbunden, das andere aber an einer Welle
oder an einem Rade im Centrum, im Halbmeſſer oder an der Peripherie der
Scheibe befeſtigt iſt. So entſteht aus der umdrehenden Bewegung eine geradlinige
oder umgekehrt. Weil aber der Bug (das Knie) wegen des Druckes oder Wider
ſtandes leicht bricht, ſo bringt man ſtatt der Kurbel eine kreisförmige Scheibe an,
an deren äußerer Seite ein Zapfen (eine Warze) ſteht, mit welcher dann die
ſenkrechte Kurbelſtange in Verbindung iſt. Baumgärtner Mechanik. §. 148. 198.
Prechtl Jahrbücher. III. 355. 41.
d) Die Daumwelle, d. h. eine Welle (Walze) mit hervorragenden Zapfen
(Daumen), welche unter einen eben ſolchen Zapfen an einer ſenkrechten Stange
greift, um ſie zu heben und wieder fallen zu laſſen. Nicht blos für jede Stange
einen, ſondern zwei, drei Daumen kann die Welle haben, um die Erſtere ein
oder mehrmals zu heben. Baumgärtner Mechanik. §. 266. 273. v. Langs-
dorf Maſchinenkunde. I. §. 384.
e) Die excentriſche Scheibe, d. h. eine kreisförmige oder anders runde
Scheibe, welche ſich nicht um ihr Centrum, ſondern um ein in einem ihrer Hand-
meſſer liegendes Punkt dreht, um einen an ſie andrückenden Körper beim Umdrehen
in verſchiedene Entfernungen zu ſchieben, ohne mit ihm außer Berührung zu kom-
men. Es gehört hierher die ovale, die kleeblatt- und die herzförmige Scheibe, bei
welchen zwei Lezteren aber das Drehpunkt in der Mitte liegt. Baumgärtner
Mechanik. §. 192. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I. §. 396.
f) Die gezahnte Stange, d. h. eine Stange mit Zähnen, welche durch ein
eingreifendes auch gezahntes Rad fortgeſchoben wird. Weil ſo die Stange bis ins
Unendliche fort nach einer Richtung geſchoben würde, ſo kann man, um das Zurück-
gehen derſelben zu bewirken, α) ein zur Hälfte gezahntes Rad anwenden, und die
Stange durch eine andere Kraft zurückbringen, wenn die Zähne des Rades vorüber
ſind; β) zwei ſolche halbgezahnte, aber nach entgegengeſetzten Richtungen umlaufende
Räder unter- oder nebeneinander anbringen; oder γ) ein halbgezahntes Rad in
einen an beiden Seiten nach Innen gezahnten Rahmen ſetzen. Baumgärtner
Mechanik. §. 186.
g) Die Ventile, d. h. Vorrichtungen, welche einer Flüſſigkeit den Durchgang
geſtatten, bis ſich dieſelbe den Rückweg ſelbſt verſperrt. Man unterſcheidet Klop-
pen-, Kugel-, Kegel- und Muſchel-Ventile. Baumgärtner Mechanik. §. 312.
Borgnis, Méchanique appliquée aux arts. I. §. 848 (Directeurs). §. 907
(Correcteurs).
⁵⁾ Es gehören hierher:
a) Das Rad an der Welle, d. h. eine Walze, um deren Peripherie ein
Rad befeſtigt iſt, ſo daß die Peripherie des Lezteren mit jener concentriſch iſt.
Baumgärtner §. 148. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I. §. 272.
b) Der Haſpel, d. h. eine Welle, von deren Peripherie aus, anſtatt ein
ſolches Rad, bloße Arme ausgehen, die als Fortſetzung einiger Halbmeſſer der
Scheibe der Walze erſcheinen. Baumgärtner §. 143.
[337/0359]
⁵⁾ c) Die verzahnten Räder, d. h. Räder, welche mit Zähnen verſehen ſind.
Sie ſind α) Stern-, Stirn- oder Zahnräder, wenn die Zähne bloße Fortſetzungen
der Durchmeſſer ſind; β) Kron- oder Kammräder, wenn die Zähne mit der Axe
parallel laufen; γ) koniſche oder Kegelräder, welche aus abgekürzten Kegeln beſtehen.
Kleine Stirnräder mit wenigen Zähnen heißt man Getriebe. Baumgartner
§. 168. 173. 177. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I. §. 360. 374. Prechtl
Jahrbücher. III. 317. V. 166 (Zahnform).
d) Die Trillinge, d. h. zwei durch cylindriſche Stäbe (Triebſtöcke) mit ein-
ander verbundene Scheiben. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I. §. 376.
e) Die Schnüre, welche um zwei Räder gezogen werden, und ſo die Bewe-
gung fortpflanzen, und zugleich durch die Reibung etwas hemmen. Kreuzt ſich die
Schnur, ehe ſie das andere Rad umgibt, dann haben die Räder entgegengeſetzte
Bewegung; aber eine gleiche, wenn ſie ſich nicht kreuzt. Baumgartner §. 185.
f) Die Schraube, d. h. ein Cylinder (Spindel), um den eine ſchiefe Ebene
gewunden iſt. Dieſe Schraube wird entweder in eine Höhlung mit Schrauben-
gängen, die den Namen Schraubenmutter führt, eingeſchraubt, um einen
Druck zu verurſachen oder eine Laſt zu heben, oder ſie geht an einem gezahnten
Rade auf und ab. Im lezteren Falle heißt ſie Schraubenrad oder Schraube
ohne Ende. Baumgartner §. 156–158. Prechtl Jahrbücher. IV. 363.
V. 204. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I. §. 335. 359. Borgnis Mechanique
appliquée aux arts. I. §. 782.
⁶⁾ Hier ſind zu nennen: a) das Schwungrad, d. h. ein ſchweres, metalle-
nes, oder mit Metall beſchwertes, ſehr großes Rad, an einer Welle, beſtimmt,
Ungleichförmigkeiten in der Bewegung auszugleichen und eine Kraft oder Bewegung
längere Zeit fortzuſetzen. b) Die Schwungkugeln, d. h. zwei Metallkugeln,
von bedeutendem Gewichte, welche durch Arme an einer drehbaren ſenkrechten
Stange befeſtigt ſind, ſo daß ſie ſich um ſo mehr von der Stange entfernen, je
ſchneller ſich dieſelbe dreht. Bringt man ſie mit einem an der Stange haltenden,
aber auch auf- und abwärts beweglichen, Ringe vermittelſt zweier Arme in Ver-
bindung, welche an die Kugelarme greifen, ſo kann man dadurch eine Bewegung
auf einen andern Maſchinentheil übertragen. Baumgartner Mechanik. §. 198. 202.
Prechtl Jahrbücher. III. 41. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I. §. 409. Borgnis
Mechanique appliquée aux arts. I. §. 780.
§. 274.
Fortſetzung. 2) Maſchinen zur Aufnahme und Fortpflanzung
der Kraft. a) Thiermaſchinen.
Die Maſchinen ſelbſt, welche, zuſammengeſetzt aus jenen ein-
zelnen Theilen (§. 273.), die Kraft aufnehmen und fortpflanzen,
ſind verſchieden im Allgemeinen nach der Art der Kraft. Dieſe iſt
entweder Thier-, oder Waſſer-, oder Luft-, oder Dampf-
kraft. Die hierher gehörenden Maſchinen zur Benutzung der
thieriſchen Kraft, wozu auch die körperliche des Menſchen ge-
hört, ſind folgende: 1) das Laufrad, d. h. ein großes wagrechtes
Well-Rad mit zwei Kränzen, in welchem unten auf der tiefſten
Stelle ein Menſch oder ein Thier durch Aufwärtsſteigen die Um-
drehung bewirkt1); 2) das Tretrad, d. h. ein Wellrad dieſer
Art, an welchem der Menſch oder das Thier außen auf die Quer-
bretter tritt, welche zwiſchen den beiden Kränzen angebracht ſind2);
3) das Spillenrad, d. h. ein haſpelförmiges Wellrad, an deſſen
Kranze auf beiden Seiten Stäbe angebracht ſind, auf die ein
Baumſtark Encyclopädie. 22
[338/0360]
Menſch mit Hand und Fuß zugleich außen wirken kann3); 4) die
Tretſcheibe, d. h. eine große hölzerne Scheibe, welche an einer
Welle höchſtens in einer ſchiefen Stellung gegen den Horizont von
20° umläuft und von Thieren bewegt wird, welche darauf fort-
gehen, indem ſie auf angenagelte Leiſten treten4); 5) der Haſpel,
die Winde und der Göpel. Die Winde iſt ſonſt nichts als ein
Haſpel, deſſen lange und dicke Welle ſenkrecht ſteht, um oben ein
Seil aufzunehmen, während Menſchen unten an den Armen drückend
umhergehen. Die Welle heißt Spindelbaum, die Arme aber
Schwungbäume. Der Göpel iſt ſonſt nichts als eine Winde
für die Pferdekraft, welche am Schwungbaume angebracht wird
und die Spindel herumdreht, während ſich das Seil am oberen
Ende um einen cylindriſchen oder koniſchen Trilling (Treibkorb)
windet5).
¹⁾ Baumgartner Mechanik. §. 245. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I.
§. 303.
²⁾ Baumgartner. §. 246. v. Langsdorf. I. §. 303.
³⁾ Baumgartner. §. 243. Es kann auch als Haſpel betrachtet werden.
⁴⁾ Baumgartner. §. 247. v. Langsdorf. I. §. 309.
⁵⁾ Baumgartner. §. 248. v. Langsdorf. I. §. 319.
§. 275.
Fortſetzung. b) Waſſermaſchinen.
Die in die Gewerkslehre gehörenden Maſchinen zur Benutzung
der Kraft des Waſſers ſind folgende: 1) die Waſſerſäulen-
maſchine, d. h. ein communicirendes Gefäß mit einem weiteren
und kürzeren Arme als der andere iſt, in deſſen weiterem Arme ein
Kolben, mit einer Kolbenſtange verſehen, ſitzt, und durch den
Druck des Waſſers in die Höhe getrieben, aber durch das Ablaufen
des Waſſers wieder ſinken gelaſſen wird. Durch den engeren län-
geren Arm ſtrömt das Waſſer von oben herein und dem weiteren
kürzeren zu, um in ihm den Druck auf den Kolben von unten zu
bewerkſtelligen. Wird nun, wenn der Leztere hoch genug ſteht,
der Waſſerzufluß aus dem engeren Arme gehindert, und der Abfluß
des Waſſers im weiteren Arme veranſtaltet, dann ſinkt der Kolben
wieder durch ſeine eigene Schwere allein oder noch gedrückt durch
von oben herab wirkendes Waſſer. Iſt er wieder unten, ſo fängt
das Spiel der Maſchine von Neuem an. Hebt das Waſſer den
Kolben blos, ſo daß er aus eigener Schwere zurückſinken muß, ſo
iſt die Maſchine einfach wirkend. Drückt aber das Waſſer den
Kolben auch noch herab, nachdem es ihn gehoben hat, dann heißt
ſie doppelt wirkend1). 2) Die Waſſerräder, d. h. große
[339/0361]
Räder von Holz, auf welche das Waſſer entweder durch den Stoß
oder durch ſeinen Fall wirkt. Man unterſcheidet die verticalen
und die horizontalen Waſſerräder. Bei jenen ſteht die Welle,
bei dieſen das Rad horizontal. Bei jenen fällt das Waſſer von
der Seite auf mehr oder weniger ſchiefe Schaufeln2). Bei dieſen
aber wirkt es von oben, oder auf die Mitte, oder unten. Im
erſten Falle heißen ſie oberſchlächtig, und beſtehen aus einer
Welle, ſtarken Armen und zwei Kränzen, welche immer durch einen
hölzernen Boden verbunden ſind, der durch Brettſtücke (Schaufeln)
in Zellen (Waſſerſäcke) abgetheilt wird, in welche das Waſſer
ſtürzt, um ſo das Rad zu bewegen3). Im zweiten Falle heißen
ſie mittelſchlächtig, weil das Waſſer, bei gleicher Conſtruktion
derſelben, erſt am Ende des horizontalen Durchmeſſers vom Rade
auf die Schaufel fällt, da nämlich ſeine Quantität für ein ober-
ſchlächtiges Rad zu gering iſt4). Im dritten Falle iſt das Rad
ein unterſchlächtiges, und einige ſeiner Schaufeln ſind beſtän-
dig, ſo lange es geht, im Waſſer5). 3) Die hydrauliſche
Preſſen. Man hat zwei, nämlich jene von Bramah und jene
von Real. Jene Erſtere beſteht aus zwei mit einander com-
municirenden Röhren, wovon jede einen Kolben hat. Die Eine
derſelben iſt weiter als die andere und heißt Stiefel oder Treib-
cylinder, der andere aber enger und heißt Druckcylinder. In bei-
den geht ein engſchließender Kolben auf und ab; nur endigt der
Druckkolben in eine Stange, welche durch einen Mechanismus ge-
hoben und geſenkt werden kann, und der Treibkolben in eine ebene
Platte, welche den Druck auf den zu preſſenden Körper ausübt6).
Die Real'ſche Preſſe beſteht aus einem hohlen zinnernen Cylinder,
welcher im Innern eine bewegliche ſiebartige Platte hat, unten
durch eine ſiebartige Platte geſchloſſen iſt und in einen Trichter
endigt, oben aber von einem Deckel verſchloſſen wird, auf welchen
ſelbſt eine lange dünne Röhre paßt, die ebenfalls in eine trichter-
förmige oder cylindrige weitere Oeffnung ausgeht. Man bedient
ſich derſelben, um Exſtrakte aus pulveriſirten Gegenſtänden zu
machen7).
¹⁾ Baumgartner Mechanik. §. 275–279. v. Langsdorf Maſchinen-
kunde. I. §. 603. Bei der einfachen Säulenmaſchine geſchieht der Abfluß des
gebrauchten und die Verſperrung des drückenden Waſſers entweder durch Hahnen
oder durch Kolben, und man unterſcheidet darnach die Hahnen- und die Kolben-
ſteurung. Die Erſtere hat einen doppelt gebohrten Hahn, die andere aber einen
Druckkolben zum Schließen und Oeffnen. Beide Vorrichtungen ſind aber mit der
Bewegung der Maſchine ſo verknüpft, daß ſie mit derſelben ihre Operation machen.
Bei der doppelten Säulenmaſchine, deren Conſtruction ohne Zeichnung nicht wohl
beſchrieben werden kann, iſt weſentlich, daß in dem Druckſtiefel eine Stange mit
drei Kolben geht, die das Waſſer abwechſelnd, je nachdem ſie ſteigen oder fallen,
22 *
[340/0362]
¹⁾ oberhalb und unterhalb den Treibkolben leiten, — daß derſelbe mit dem Treibſtiefel
an den beiden Enden des Leztern durch gleich dicke Röhren verbunden iſt, wovon
die Oberſte das Waſſer über, und die Unterſte daſſelbe unter den Treibkolben leitet;
daß der Druckſtiefel gerade oberhalb der oberſten und unterhalb der unterſten Ver-
bindungsröhre nach der entgegengeſetzten Seite ausgehende Röhren hat, in deren
Mitte ſich eine nach unten gekrümmte Abflußröhre befindet, die das Waſſer in einen
Behälter leitet, wenn es oberhalb des Treibkolbens wegen des Aufſteigens deſſelben
abfließen muß; und daß ſich über der oberſten dieſer lezten Röhren ein mit einem
Hahne verſehener kleiner Kanal befindet, welcher dasjenige Waſſer ableitet, was in
dem Druckſtiefel über dem oberſten Kolben ſteht und abfließen muß, wenn ſich die
Kolbenſtange zufolge des beiſtrömenden Waſſers hebt.
²⁾ Zwei Arten der horizontalen Waſſerräder gibt es, nämlich dasjenige, welches
bei ſehr großer Geſchwindigkeit des Waſſers in einem Behälter umläuft, in welchem
auf daſſelbe das Waſſer einſtürzt, und dann das Segner'ſche Rad, deſſen Weſent-
liches in Folgendem beſteht. Es iſt ein hohler Cylinder, an deſſen unterem Ende
nach beiden Seiten zwei rechtwinkelig abgehende gebogene kleine Röhren das Waſſer
ableiten, welches am oberſten Ende durch einen Trichter einfällt. Es entſteht ſo
eine umdrehende Bewegung des Cylinders, wobei ein oben angebrachtes Rad ſich
horizontal bewegt, während das Waſſer vertikal abläuft. Baumgartner Mecha-
nik. §. 289. 290.
³⁾ Zwei Stücke bilden in der Regel die Schaufel, nämlich ein äußerſtes (die
Setz- und Stoßſchaufel) und ein inneres (die Kropf- oder Riegelſchaufel). Prechtl
Jahrbücher. IV. 198. Baumgartner Mechanik. §. 280–282. v. Langsdorf
Maſchinenkunde. I. §. 492.
⁴⁾ Baumgartner Mechanik. §. 283. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I.
§. 520. Prechtl Jahrbücher. VI. 253.
⁵⁾ Bei großer Geſchwindigkeit des Waſſers und bei Mangel an ſolchem gibt
man dem Rade nur einen Kranz, und läßt die Schaufeln beiderſeits hervorſtehen
(Strauberrad); muß die Flaſche zum Stoßen groß ſein, ſo ſetzt man breite
Schaufeln zwiſchen zwei Kränze (Strauberrad); bei vielem aber ſehr langſamen
Waſſer und Nothwendigkeit großer Kraft gibt man dem Rade mehrere Kränze, und
alſo auch größere Schaufeln, welche noch unter ſich zuſammenhängen (Panſterrad).
Baumgartner Mechanik. §. 284–288. v. Langsdorf Maſchinenkunde. I.
§. 526. Prechtl Jahrbücher VI. 204.
⁶⁾ Der Druckcylinder geht in einem Waſſerbehälter. Wird nun der Druckkolben
in die Höhe gezogen, ſo ſtrömt das Waſſer durch ein Ventil herauf, bis dies durch
das Waſſer geſchloſſen iſt; drückt man nun den Druckkolben herab, dann ſtrömt das
Waſſer durch einen horizontalen Verbindungskanal in den Treibſtiefel durch die in
jenem angebrachte Ventile, vollführt dort den Druck und kann wegen des Ventils
nicht mehr zurück, wenn der Druckkolben wieder in die Höhe gehoben wird. Iſt
des Druckes durch den Treibkolben genug, ſo läßt man das Waſſer durch einen Hahn
auf der andern Seite ab. Baumgartner Mechanik. §. 84. v. Langsdorf
Maſchinenkunde. I. §. 358. *
⁷⁾ Den pulveriſirten Gegenſtand ſchüttet man nach einer kleinen Anfeuchtung
gerade auf die Siebplatte oberhalb des Trichters im Cylinder feſt auf, legt darauf
die obere bewegliche Siebplatte, und füllt den übrigen Theil des Cylinders mit der
entſprechenden Flüſſigkeit aus. Jetzt wird die Druckröhre darauf geſetzt, vermittelſt
eines Hahnes unten nahe über dem Cylinder geſchloſſen, und mit Flüſſigkeit angefüllt.
Hierauf öffnet man den Hahn, und es erfolgt die Extraction durch Druck, wobei
das aus dem Trichter fließende Extract aufgefangen werden muß. Baumgartner
Mechanik. §. 89.
§. 276.
Fortſetzung. c) Luftmaſchinen.
Von den Maſchinen, welche die Kraft und Zuſammen-
ſetzung der Luft benutzen, gehören hierher: 1) der Stechheber,
[341/0363]
d. h. ein Gefäß, welches nach unten in eine lange Röhre ausgeht,
nach oben aber in einen dünnen kurzen Hals mit einer Handhabe
endigt. Es dient zum Herausnehmen von Flüſſigkeit, indem man
es in dieſe einſteckt, mit dem Munde ſaugt, und dann den Hals
oben mit dem Daumen zuhält. So bringt man Etwas von der
Flüſſigkeit heraus, die ſo lange im Heber bleibt, bis man den
Daumen wieder hinweg thut1). 2) Der gekrümmte Heber,
d. h. eine zweimal, aber in ungleich lange Schenkel, gebogene
Röhre, welche man mit dem einen Schenkel in eine Flüſſigkeit
ſtellt, und durch Saugen am anderen Ende ſo weit der Luft be-
raubt, daß die Flüſſigkeit die Röhre bis in den äußeren Schenkel
füllt. Iſt dies geſchehen, dann ſtrömt, wenn man den Heber nicht
wegnimmt, die Flüſſigkeit ſo lange nach, als die innere Röhre
noch in ihr ſtehet2). 3) Die Pumpe, d. h. cylindrige Röhre
(Pumpenſtock), in welcher eine Stange mit einem Kolben (Kolben-
ſtange) auf- und abwärts bewegt wird, um eine Flüſſigkeit bis an
gewiſſe Ventile zu bringen. Man hat Saug- und Druckpum-
pen. Bei der Erſteren befindet ſich unter dem Pumpenſtocke,
aber luftdicht mit ihm verbunden, eine etwas engere, in die Flüſ-
ſigkeit reichende Röhre (Saugröhre), welche an ihrem oberen
Ende gegen den Pumpenſtock hin mit einem aufwärts gehenden
Ventile gedeckt iſt; ein eben ſolches Ventil iſt auch im Pumpen-
kolben ſelbſt angebracht, ſo daß, wenn man mit der Stange den
Kolben hinabdrückt, die Luft, welche zwiſchen dem Kolben und dem
Ventile der Saugröhre ſteht, dadurch nach oben entweicht, und ſo
möglich macht, daß die Flüſſigkeit aus der Saugröhre, das Ventil
hebend, nachſteigt, bis es endlich oben durch eine Seitenröhre ab-
fließt. Bei der Anderen, im einfachſten Zuſtande, iſt keine Saug-
röhre vorhanden. Doch aber findet man ſie wie bei der Saugpumpe.
Der Kolben hat kein Ventil, dagegen geht ſogleich oberhalb des
Ventils der Saugröhre ſeitwärts ein ſogenanntes Steigrohr in
die Höhe, welches mit einem aufwärts gehenden Ventil im Innern
geſchloſſen wird, das denſelben Dienſt thut, wie das Kolbenventil
bei der Saugpumpe, bis endlich die Säule der Flüſſigkeit ſo hoch
geſtiegen iſt, daß ſie oberhalb daſſelbe tritt und durch die Abfluß-
röhre hinwegfließt3). 4) Das Gebläſe, d. h. eine Vorrichtung
zum Einziehen und Ausſtoßen von Luft. Es gibt gewöhnliche
Blasbälge in verſchiedener Form, und ſogenannte Kaſten- oder
Cylindergebläſe. Man hat einfache und doppelte Cylinder-
gebläſe. Bei beiden kommt ein cylindriger oder prismatiſcher
Kaſten vor, in welchem ſich an einer Stange ein feſt anſchließender
Kolben auf- und abbewegt. Beim einfachen Gebläſe iſt der Kolben
[342/0364]
mit einem oder zwei Ventilen verſehen, welche beim Aufziehen die
Luft unter den Kolben ſtrömen laſſen und ſich ſchließen, wenn der
Kolben herabgeht, ſo daß die Luft unten am Kaſtenboden durch
ein auswärtsgehendes Ventil in einer Röhre hinausgetrieben wird,
das ſich aber ſchließt, ſobald der Kolben in die Höhe geht. Das
Doppelgebläſe ſoll die Luft, nicht bloß ſtoßweiſe unterbrochen wie
jenes, ſondern in einem anhaltenden Strome ausſtoßen. Daher
hat bei ihm der Kolben kein Ventil, während aber am Deckel und
am Boden des Kaſtens ein nach innen ſich öffnendes Ventil auf
der einen Seite der Kolbenſtange angebracht, dagegen auf der
anderen Seite ebenſo oben und unten aus Deckel und Boden zwei
Röhren durch auswärtsgehende Ventile die Luft in einen gemein-
ſchaftlichen Kaſten leiten, wovon ſie alsdann zum Gebrauche weiter
geht. Steigt der Kolben, dann ſchließt das Deckelventil und die
Luft ſtrömt durch die Deckelröhre in das gemeinſchaftliche Rohr,
während das Ventil an der Bodenröhre ſich ſchließt, und durch
das offene Bodenventil Luft ſo lange einſtrömt, bis der Kolben
ganz oben iſt, worauf dann beim Abgehen deſſelben ſich das Deckel-
ventil öffnet, das Bodenventil ſchließt, und die Luft durch die
Bodenröhre in das gemeinſchaftliche Rohr hinausſtrömt, deſſen
Ventil an der Deckelröhre geſchloſſen bleibt, bis der Kolben wieder
anfängt zurückzugehen u. ſ. w.4). 5) Die Windflügel, welche
zur Aufnahme des Windſtoßes dienen, in eine rotirende Bewegung
kommen, und ſo ein Rad an einer Welle umdrehen können. Es
gibt horizontale und vertikale. Sie müſſen nach jedem Winde ge-
dreht werden können, weßhalb ſich entweder das ganze Gebäude,
an dem ſie angebracht ſind, um eine vertikale Axe drehen läßt,
oder bloß der Dachſtuhl mit ſeinen Flügeln5).
¹⁾ u. ²⁾ Zum Abſchließen hat man auch öfters Hahnen, und zum Saugen
noch beſondere Nebenröhren mit kugelförmigen Erweiterungen, um die Flüſſigkeit
vom Munde fern zu halten u. dgl. m. Baumgartner Mechanik. §. 299–301.
³⁾ Baumgartner a. a. O. §. 302–314. Eine beſondere Art von Pum-
pen ſind die Drehpumpen von Ramelli u. A., die Centrifugalpumpen,
und die Spiralpumpen von Würz. Man ſ. darüber Baumgartner a. a. O.
§. 315. 316. 317.
⁴⁾ Baumgartner a. a. O. §. 321–324. v. Keeß Darſtellung. II. 110.
Anhang 82. Eine ſehr ſchöne Einrichtung, welche auch hierher gehört, da ſie
ebenfalls z. B. einem Feuer die gehörige Luft zuführt, iſt das hydroſtatiſche
Gebläſe von Baader. Man ſ. darüber Baumgartner a. a. O. §. 325.
Prechtl Jahrbücher. I. 206 (Blaſebalg von de la Forge).
⁵⁾ Baumgartner a. a. O. §. 327–330. v. Langsdorf Maſchinenkunde.
II. §. 56. Prechtl Jahrbücher. VII. 85.
[343/0365]
§. 277.
Fortſetzung. d) Dampfmaſchinen.
Die Maſchinen, in welchen das in Dampf verwandelte Waſſer,
d. h. der Waſſerdampf, die bewegende Kraft bildet, heißt man
Dampfmaſchinen1). Zur Dampfbildung iſt eine Siedhitze
nöthig. Die Ausdehnbarkeit der Waſſerdämpfe iſt jener der atmo-
ſphäriſchen Luft gleich, aber ihre Zuſammendrückbarkeit geht nur
auf einen gewiſſen Grad, in welchem ſie wieder tropfbar flüſſig
werden. Die Spannkraft des Dampfes nimmt mit der Wärme zu,
und mit der Erkaltung ab, ſo daß ſie ſich in jenem Falle immer
mehr ausdehnen, und in dieſem in tropfbare Flüſſigkeit verwandeln
können. Die Spannkraft deſſelben wird bemeſſen: a) nach der
Höhe der Queckſilberſäule, welcher der Dampf das Gleichgewicht
halten kann, b) nach dem Drucke, den er auf eine Fläche (z. B.
einen Quadratzoll) ausübt. Die Atmosphäre hält an den nieder-
ſten Punkten der Erde in luftleerem Raume einer Queckſilberſäule
von 28 par. Zoll das Gleichgewicht, und man ſagt daher, der
Dampf habe eine Kraft von ¼, ½, 1, 2, 3, 3½ Atmosphären
u. ſ. w., je nachdem er einer ¼, ½, 1, 2, 3, 3½ mal höheren
Queckſilberſäule u. ſ. w., als jene der Atmosphäre iſt, das Gleich-
gewicht hält. Die Queckſilberſäule von 28 Zoll Höhe, d. h. die
Atmosphäre, drückt auf 1 Q. Zoll mit 12½ Wiener Pfunden,
und es kann der Druck des Dampfes auf eine Fläche leicht berech-
net werden, wenn man ihre Ausdehnung und die Atmosphären der
Spannkraft des Dampfes kennt2). Der Druck des Dampfes wird
auf einen Kolben angewendet. Daher iſt es leicht einzuſehen, daß
das Weſentliche bei jeder Dampfmaſchine in folgenden Vorrich-
tungen beſteht: a) im Dampfkeſſel, worin die Dämpfe erzeugt
werden, indem unter ihm gefeuert wird3); b) in einem Dampf-
cylinder, in welchen der erzeugte Dampf geleitet wird4); c) in
einem Kolben, welcher in dem Cylinder, luftdicht ſchließend,
auf- und abgeht5); d) in einer Steuerung, d. h. einer Vor-
richtung von Ventilen u. dgl., wodurch der Dampf in den Cylinder
geleitet und von demſelben abgehalten wird6); und e) in einem
Verdichter oder Condenſator, d. h. einem Gefäße, das von
kaltem Waſſer umgeben iſt, und die einſtrömenden Dämpfe abkühlt
und verdichtet7). Außerdem kommen aber bei den Dampfmaſchinen
noch ſehr wichtige Nebenbeſtandtheile vor, von denen die ſelbſtſtändige
Wirkung derſelben ebenfalls abhängt8). Man unterſcheidet aber
verſchiedene Arten von Dampfmaſchinen:
a) Je nach der Richtung, welche die Dämpfe in den Cylin-
der nehmen. Wird der Kolben im Cylinder durch ihn blos herab-
[344/0366]
gedrückt, dann aber durch eine andere mechaniſche Kraft wieder
gehoben, dann heißt man ſie einfach wirkende; rührt aber das
Sinken und das nachherige Steigen des Kolbens vom Dampfe
her, in ſoferne er bald über bald unter denſelben im Cylinder
ſteigt, dann nennt man ſie doppelt wirkende.
b) Je nach den Mitteln, womit die Maſchinen die mechani-
ſche Wirkung hervorbringen. Wird der Mechanismus blos durch
die Spannkraft des Dampfes bewegt, dann werden ſie Hochdruck-
maſchinen genannt9); bewirken die Dämpfe aber einen luftleeren
Raum durch Verdichtung derſelben, und überlaſſen ſie dann dem
Drucke der Luft die Führung des Kolbens, dann heißen ſie
atmosphäriſche Dampfmaſchinen10), wirken aber beide Mit-
tel zur Bewegung des Kolbens, dann nennt man ſie nach ihrem
Erfinder Watt'ſche Dampfmaſchinen11); wird bei der Dampf-
maſchine beſonders von der Eigenſchaft des Dampfes, ſich ins
Unendliche auszudehnen, Gebrauch gemacht, und ſein Eintritt
unter den Kolben ſchon verhindert, ehe der Kolben ganz oben an-
gekommen iſt, damit ſich der Dampf unter ihm ausdehne, ſo haben
ſie den Namen Expanſionsmaſchinen12).
c) Je nach dem Vorhandenſein oder Nichtvorhanden-
ſein des Kolbens und was dazu gehört, um die geradlinige ſenk-
rechte Bewegung deſſelben in eine umdrehende zu verwandeln.
Wird nämlich durch die Dampfmaſchine ſelbſt, ohne Kolben, ſchon
eine kreisförmige Bewegung hervorgebracht, dann heißt ſie eine
rotirende Dampfmaſchine13). Jedoch ſind dieſe bis jetzt nur
von geringem Gebrauche14).
¹⁾ Den erſten Gedanken von der Benutzung des Dampfes als bewegende Kraft
hatte der Marquis v. Worceſter in der Schrift: A Century of the Names and
scantlings of such Inventions, as at present i can call to mind. Glasgow 1655.
Eine Maſchine conſtruirte zuerſt Moreland a. 1683 und Capitain Savary legte
eine eigene der königl. Societät in London a. 1699 vor (Philosophical Transactions
253. p. 228., an Engine for raising Water by the help of fire, by Thomas
savary). Eine Beſchreibung ſeiner von den jetzigen ſehr verſchiedene Dampfmaſchine
findet ſich in ſeiner Schrift: The Miners Friend. Lond. 1699, in den Actis Eru-
ditorum 1700 p. 29, bei Leupold Theatr. machin. generale Tabul. LII. und
Weidler Tract. de machinis hydraulicis p. 84. Tab. V. Aber der Marburg'ſche
Profeſſor Dionys Papin hatte gegen das Ende des 17ten Jahrhunderts noch
größere Verſuche und Wirkungen des Waſſerdampfes bekannt gemacht, und dieſes
ſoll erſt Worceſter auf jenen Einfall gebracht haben. Auch bekennt Papin ſelbſt
(in ſeiner Schrift: Ars nova ad aquam ignis adminiculo efficacissime elevandam
1707.), daß er a. 1698 auf den Befehl des Landgrafen eine Feuermaſchine zum
Heben des kalten Waſſers vollendet habe. Erſt a. 1705 erfanden Newcomen und
Cawley die Dampfmaſchine mit Keſſel, Cylinder und Kolben, an dieſem den
Balancier, und das Mittel der Condenſirung oder Verdichtung der Dämpfe, und
jener errichtete die erſte Dampfmaſchine dieſer Art a. 1712. Es erfolgten bald
mehrere Verbeſſerungen derſelben durch dieſe Beiden, durch Potter, durch einen
Töpfersjungen v. Humphry und durch Beyothon. Aber es war endlich Boul-
[345/0367]
¹⁾ ton (a. 1768) und Watt (a. 1768) überlaſſen, die Dampfmaſchinen mit Hilfe
der Chemiker Black und Roebuck zu unterſuchen, und neue derartig verbeſſerte zu
bauen, daß ſie allen ſpäteren verbeſſerten Maſchinen bis auf den heutigen Tag zu
Grunde liegen. Man ſ. das Geſchichtliche der Dampfmaſchinen bei Buſch Handb.
der Erfindungen. III. Thl. 2te Abthlg. S. 20. Green Journal der Phyſik. I. Bd.
1s Heft. S. 63. Ueber Dampfmaſchinen überhaupt beſonders: Marestier Mémoire
sur les bateaux à vapeur. Paris. 1824. 4. Mit 1 Kupferatlas Bernoulli, die
Dampfmaſchinenlehre. Stuttgart 1824. Beuth, Abhandlungen der königl. techn.
Deputation für Gewerbe. Berlin 1826. Fol. I. Thl. S. 1–360. Mit 1 großen
und 1 kleinen Kupferatlas. v. Langsdorf Maſchinenkunde. II. §. 1. §. 15.
Baumgartner Mechanik. §. 331 folg. Prechtl Encyclopädie. III. 493. 525.
574. 586. v. Keeß Darſtellung. II. 495. Anhang S. 109. Tredgold, The
steam-Engine. Lond. 1827. Farey, Treatise on the steam-Engine. Lond. 1827.
Birkbeck and Adcock, The steam-Engine. London 1827.
²⁾ Tabellen finden ſich darüber z. B. bei v. Langsdorf Maſchinenkunde. II. Bd.
1. Abthl. S. 10–19. u. II. Bd. 2. Abthl. die Tabelle. Prechtl Encyclop. III. 497,
dieſelben bei Baumgartner S. 307., ebenſo auch bei Bernoulli, Mareſtier,
Beuth und bei Anderen. Einen verbeſſerten Druckmeſſer für ſehr ſtark zuſammen-
gedrückte Dämpfe ꝛc., von Seaward und Ruſell bei Dingler polytechniſches
Journal. XII. 153.; über mechaniſche Kraft des Dampfes XXI. 480.; XXVII.
358., von Dufour; XXVIII. 49.; XXXIX. 367., von Flauti; über ſeine
elaſtiſche Kraft bei verſchiedener Temperatur, von Ivory XXIV. 381., über das
mathematiſche Geſetz von der Zunahme der Elaſticität des Dampfes nach der Tem-
peratur, von Roche XXXII. 329. Prechtl Jahrbücher. I. 144. Man bemißt
die mechaniſche Kraft der Dampfmaſchinen nach Pferdekräften. Prechtl
(III. 230.) gibt als allgemeine Annahme an, daß ein mittleres Pferd in 1 Sekunde
400 Pfunde einen Fuß hoch heben könne, ſo viel als 6⅔ Menſchen; das ſind alſo
in 1 Minute 24,000 Pfunde. Watt gibt jenes Bewegungsmoment auf 540 Pfd.
an, und rechnet alſo eine Pferdekraft = 32,460 Pfd. in der Minute. Es iſt be-
greiflich, daß nach dem Pferdebeſchlage eines Landes auch die Pferdekraft verſchieden
berechnet werden kann. Ueberhaupt verſteht man aber unter 1 Pferdekraft jenes
mechaniſche Moment. S. Dingler polytechn. Journal. XXII. 373 (Beſtimmung
nach Watt). XXV. 457. 458.
³⁾ Der Dampfkeſſel, gleichſam der Magen des großen Thieres „Dampfmaſchine“,
iſt meiſtens cylindrig oder länglich rechteckig, wird von ſtarkem Kupfer oder Eiſen-
blech gemacht, aber nicht von Gußeiſen, weil dies nicht gleichförmig genug iſt, zu
häufig Fehler hat, ſich bei der Zunahme der Hitze nicht gleichmäßig ausdehnt, leicht
riſſig wird und beim Zerſpringen in Stücken auseinander fährt (daſſelbe zu gebrauchen
iſt ſogar geſetzlich verboten, wie z. B. in Frankreich). Die wichtigſten Momente
bei demſelben ſind: a) das Vernageln (Nieten) der Blechtafeln, nach welchem man
die Fugen erſt noch mit einem Kitte, z. B. aus 16 Thln. Eiſenfeile, 2 Thln.
Salmiak und 1 Thl. Schwefel verkittet; b) die Größe deſſelben, die für jede
Pferdekraft 10–15 Kub. Fuß beträgt; c) die Heitzung deſſelben, von einem
eiſernen Roſte aus, mit Holz oder Steinkohlen, wobei aber zu bemerken iſt, daß
die ausgediente heiße Luft, bevor ſie ausgelaſſen wird, noch in einem gemauerten
Kanale um den Keſſel herum geleitet wird, damit ſie die Wärme der äußeren Wand
deſſelben annimmt; d) die Nachfüllung des Waſſers in denſelben (Speiſung), welche
von der Maſchine ſelbſt nach dem Bedürfniſſe an Waſſer beſorgt wird, indem auf
dem Waſſer im Keſſel eine Kugel oder ſonſt Etwas ſchwimmt (Schwimmer,
flotteur), das ſchwer genug iſt eine Pumpe zu ziehen, um durch eine Röhre
(Speiſeröhre) Waſſer einzugießen, ſobald jenes im Keſſel ſo tief geſunken iſt, daß
der auf ihm liegende Schwimmer die Pumpenſtange, an der er hängt, herabzieht;
e) die Regulirung des Feuers durch Zulaſſen und Abhalten der Luft, welche durch
eine ſchließbare Schubthüre geſchieht; ſie wird auch durch die Maſchine ſelbſt bewirkt,
indem nämlich die Schubthüre durch eine Kette über Rollen mit einem Gleichgewichte
in Verbindung ſteht, welches in der Speiſeröhre hängt, und den Schieber ganz offen
hält, wenn es in der Speiſeröhre nicht mit Waſſer umgeben iſt, denſelben aber
verhältnißmäßig zuſinken läßt, wie der entſtehende Dampf auf die Waſſerfläche im
Keſſel drückt, mehr Waſſer in die unten etwas gebogene Speiſeröhre eintritt, das
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³⁾ Gewicht umgibt, und ſo erleichtert, daß es mit der Zunahme des Dampfes immer
mehr an Gewicht verliert, und vom Schieber in die Höhe gezogen wird, bis jener
die Thüre ganz ſchließt, — und umgekehrt; f) die Sicherung gegen das Berſten
des Keſſels zufolge des zu großen Dampfdruckes, welche man zu Stande bringt,
entweder durch Zapfen von einer Metallcompoſition, welche bei einer Wärme des
Dampfes ſchon ſchmilzt, die gefahrdrohend iſt, oder durch ein nach Außen ſich
öffnendes Ventil (Sicherheitsventil), welches man mit einem Gewichte von
Außen beſchwert, das aber nicht hinreicht, derjenigen Druckkraft des Dampfes zu
widerſtehen, welche Gefahr bringen könnte, dagegen aber von der ſchadloſen Span-
nung des Dampfes auch nicht gehoben werden kann, — oder durch ein mit
Queckſilber gefülltes Rohr, das mit dem Dampfraume des Keſſels in Verbindung
ſteht; g) die Oeffnung (Einfahrt, Mannsloch) am Deckel des Keſſels, um den
Leztern dadurch putzen zu können; dieſelbe iſt mit einem Deckel zugeſchraubt, aber
wegen des im Keſſel ſich bildenden Anſatzes (Pfannſteines) nöthig, und trägt auch
das Sicherheitsventil. Ueber die verſchiedenen Verbeſſerungen der Dampfkeſſel ſelbſt
ſ. m. Dingler polytechn. Journal. XXII. 17 (Statik der Dampfkeſſel). 300 (Ver-
beſſerung nach Clark). XIII. 76. XVI 26 (Ofenbau nach Perkins). 193. 437.
XX. 122. XXI. 408. XXII. 192. XXIV. 387. XXV. 24. XXVI. 289. 292.
XXVIII. 249. XXIX. 180. XXX. 337. XXXI. 163. 241. XXXV. 169. XXXVII.
81. 161. XXXIX. 241. 329. XLI. 401. XLII. 313. 314. XLIII. 241. XLIV.
247. 249. 461. XLV. 167. 321. Ueber die Verbeſſerungen der Speiſung XVII.
158. XIX. 132. XXIII. 304. XXIX. 321. XXXVII. 325. XL. 35. XLIV. 161.
Ueber die Urſachen des Berſtens XXIV. 295. XXV. 279. 353. (von Taylor).
XXIV. 484 (v. Perkins). XXVI. 394. (v. Hazard). XXXI. 257. (v. Mare-
ſtier). XXXII. 396. (v. Alban). XXXIX. 88 (v. Hebert). XLIII. 242 (von
Earle). Ueber Sicherheitsklappen XXI. 490 (v. Socke). XXIII. 502 (v. Hick).
XXIV. 303. XXVI. 457. (v. Gaultier de Glaubry). 92 (v. Perkins) vrgl.
mit XXVIII. 43 (v. Davy). XXXI. 254 (v. Singler). XXXIX. 161 (von
Hebert). XLIII. 180 (v. Cochaux)und XLV. 84 (v. Dunbar). Eine Vor-
richtung gegen Verunreinigung des Keſſels v. Scott XXXI. 101. Vergleichung
der Dampfkeſſel mit hohem und niederem Drucke XIX. 516.
⁴⁾ Der Dampfcylinder erhält den Dampf durch eine Röhre, welche ihn mit
dem ſogleich neben ihm ſtehenden Keſſel verbindet. Er iſt aus Gußeiſen, unten
und oben mit einem angeſchraubten Deckel verſehen, wovon der obere an der Stelle,
durch welche die Kolbenſtange ein- und ausgeht, mit einer ſogenannten Stopfbüchſe
verſehen iſt, welche mit Werg und Fett gefüllt iſt. Man ſ. auch Dingler poly-
techniſches Journal. XXXVII. 325.
⁵⁾ Der Kolben geht im Dampfcylinder auf und ab. Durch ihn wird die Kraft
des Dampfes vermittelſt verſchiedener Hilfsſtücke dahin geleitet, wo ſie wirken ſoll.
Er iſt aus zwei aneinander gefügten Metallplatten gemacht, und muß ohne Reibung
luftdicht ſchließend ſpielen. Darum iſt der zwiſchen dem Kolben und der Cylinder-
wand liegende Zwiſchenraum entweder mit Leder (Liederung im eigentlichen
Sinne) oder Hanf (Hanf-Liederung) oder Metall (ſogenannten Metall-Liederung)
ausgefüllt. S. Dingler polytechn. Journal. XII. 155 (Methode den Stempel
der Maſchine zu leiten, von Saulnier). XXI. 245 (von Dingler). XXXII.
153 (Metall-Liederung, nach Alban).
⁶⁾ Dieſelbe beſteht aus verſchiedenartig conſtruirten und an verſchiedenen
Punkten angebrachten Ventilen, welche den Dampfſtrom aus dem Keſſel unter und
über den Kolben im Cylinder, von da entweder nach Außen oder in den Conden-
ſator führen und abhalten, je nachdem der Dampf an Ort und Stelle ſeine Wirkung
gethan hat und nach dem Auf- und Abgehen des Kolbens zugelaſſen oder hinweg-
gedrängt wird. Man bedient ſich dazu entweder eines vierröhrigen Hahnes (Vier-
weghahnes) oder T förmiger Klappen, oder zapfenförmiger in eine Kapſel
einpaſſender Schieber (Schubventile), oder zweier kreisrunder gut aufeinander
paſſender Metallſcheiben, wovon ſich die obere (Drehſcheibe) dreht, während die
untere (Bodenſcheibe) feſtſteht und an verſchiedenen Stellen röhrenartig durchbohrt
iſt, um ſo, je nachdem jene mit ihrer einzigen Bohrung auf die Bohrung der
anderen zu ſtehen kommt oder nicht, den Dampf nach einer Richtung abzuſchließen
[347/0369]
⁶⁾ und nach der anderen zu leiten. Dieſe Ventile werden ſämmtlich von dem Kolben,
oder vom Schwungrade u. dgl. aus, womit ſie in Verbindung ſind, geöffnet und
geſchloſſen, da ſie blos nach dem Gange des Kolben zu operiren haben.
⁷⁾ Geht der ausgediente Dampf ins Freie, dann bedarf es des Condenſators
nicht. Im entgegengeſetzten Falle aber iſt unter dem Cylinder ein Behälter (Con-
denſator) angebracht, in welchem der über oder unter dem Kolben geweſene Dampf
anlangt und wieder zu Waſſer verdichtet (condenſirt) wird, indem aus einer Seiten-
röhre kaltes Waſſer einſpritzt. Dieſes kalte Waſſer wird durch eine Pumpe (Kalt-
waſſer-Pumpe) herbeigeſchafft, und das Product der Condenſirung, nämlich
warmes Waſſer und Luft, durch eine andere (Warmwaſſer- und Luftpumpe)
hinweggeſogen. Da ſich auch dieſe Vorgänge nach dem Kolbenſpiele richten müſſen,
ſo ſind die Stangen dieſer beiden Pumpen ebenfalls mit dem Kolben in Verbindung
geſetzt. Ueber Bower's Erſatz der Luftpumpe ſ. m. Dingler polytechn. Journal.
XXI. 488. Ueber Apparate, das Condenſionswaſſer in den Keſſel zu ſchaffen XLI. 161.
⁸⁾ Zunächſt mit der Stange des Kolbens oben ſteht ein gußeiſerner Balancier
(§. 273. (4).) mit dem einen Ende in Verbindung, der in der Mitte ſeinen Stützpunkt
hat und an ſeinen beiden Armen die Stangen aller bereits genannten abwechſelnd
mit dem Sinken und Steigen des Kolbens auf- und abwärts gehenden Pumpen-
ſtangen führt, und mit dem entgegengeſetzten Ende eine vertikale Stange trägt,
die mittelſt eines Zapfens an ein Schwungrad befeſtigt iſt (§. 273.(5).). Die
Welle dieſes Schwungrades ſteht in der Regel durch eine Schnur ohne Ende mit
einer Welle in Verbindung, mit welcher ſich der Stab dreht, an welchem die
Schwungkugeln (§. 273. (6).) ſich herumfliegend um ſo ſchneller bewegen, je
ſchneller die Bewegung der Maſchine iſt. (Auch iſt dieſer Regulator oft auf andere
Weiſe mit dieſer Bewegung verbunden.) So wie der zunehmende Schwung die
Kugeln immer weiter auseinander treibt, ſo ſteigt die Büchſe, an der die Kugel-
armen befeſtigt ſind, immer weiter in die Höhe. Dieſe Büchſe ſteht aber durch
Hebelgeſtänge mit der Axe einer Scheibe (Droſſelventil) in Verbindung, welche
in der Röhre ſitzt, durch die der Dampf vom Keſſel in den Cylinder geht. Iſt der
Dampfſtrom zu ſtark, ſo geht die Maſchine ſchneller; dem zufolge drehen ſich auch
die Schwungkugeln ſchneller, und die ſteigende Büchſe dreht die Axe des Droſſel-
ventils, welches dann die Dampfröhre ſo lange mehr ſchließt, bis die Bewegung
der Maſchine wieder langſamer iſt, die Kugeln langſamer gehen und mit der Büchſe
ſinken. S. Dingler polytechn. Journal. XIII. 309 (Regulator von Preuß).
⁹⁾ Man ſ. Dingler polytechn. Journal. VI. 137 (v. Baillet). XI. 466
(Vergleichung der Maſchinen mit einfachem, mittlerem und hohem Drucke). XII.
129. 133. XIII. 302. XV. 448. XIX. 5. XXVI. 89. 378. XXVII. 346. 347.
XXVIII. 329. XXIX. 177 (v. Perkins). XIII. 159 (v. Evans). XIX. 513
(über Dampfmaſchinen mit hohem Drucke, von Prideaux). XXVII. 410 (von
Gilman). XXVIII. 81 (das Prinzip der Hochdruckmaſchinen, vertheidigt von
Alban). XXXII. 1. 86 (von Alban). XL 323 (von Chriſtie).
¹⁰⁾ S. z. B. Prechtl Encyclopädie. III. 617. Baumgartner §. 336. u. A.
¹¹⁾ S. z. B. Prechtl a. a. O. III. 621. Baumgartner §. 336. u. A.
Es gibt Watt'ſche Maſchinen von einfacher und doppelter Wirkung.
¹²⁾ Sie ſind eigentlich nur Watt'ſche Maſchinen, denn ſchon Watt ſchloß
die Dampfröhre früher, als der Kolben ſeinen höchſten Stand erreicht hatte, um
den Dampf ſich ausdehnen (expandiren) und dadurch auch wirken zu laſſen. Aber
der Apparat mit zwei Cylindern, die mit einander durch Röhren verbunden ſind,
von Hornblower und Woolf, iſt hier ſehr bemerkenswerth. S. Prechtl
Encyclopädie. III. 627. Baumgartner §. 345. Ueber Edwards Dampf-
maſchinen ſ. m. Dingler polytechn. Journal. I. 129.
¹³⁾ Man ſ. über die rotirenden Dampfmaſchinen Dingler polytechn. Journal.
II. 129 (v. Morey). XII. 307 (v. Thayer). XVI. 18 (v. Browne). XX. 125.
XXI. 487. — XXII. 17 (v. Eve). 377. — XXIII. 201 (eine von White be-
ſchriebene). XXVIII. 334 (von de Combio). XXIX. 338 (von Pecqueur).
XXXV. 416 (v. Bakewell). Prechtl Encyclopädie. III. 671 (jene v. Stiles).
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¹³⁾ 674 folg. (Ueber die kolbenloſen Dampfmaſchinen von Savary, Keir, Nan-
carrow, Congreve, Maſterman und Bernhard, welche leztere auch bei
Dingler polytechn. Journal XXXIV. 415. beſchrieben iſt.)
¹⁴⁾ Die Dampfmaſchinen haben erſtaunlich viele Modificationen und Ver-
beſſerungen erfahren. Unter dieſen ſind folgende hier noch nachzutragen mit Angabe
der Stelle im Dingleriſchen Journal, nämlich jene von Brunel (XI. 70.),
Brunton (XI. 267.), Eggell (XIII. 162.), Stephenſon (XIII. 307.),
Wigſton (XVI. 20.), Hall (XVII. 132. XIX. 130.), Alban (XIX. 494. XX.
332.), Taylor (XX. 11.), Vaughan (XX. 124.), Foreman und Moore
(XX. 334. 335.), Wright (XXII. 193.), Howard (XXIV. 3.), Teiſſier
(XXVI. 194.), Poole (XXVI. 294.), Coſtigin (XXVII. 401. XXIX. 10.),
Saulnier (XXVIII 169.), Gurnay (XXIX. 1.), Cavé (XXIX. 12.),
Clegg (XXXI. 161.), Banks (XXXVII. 248.), Evsdan (XXXVIII. 161.),
Haycraft (XLI. 321.), Morgan (XLII. 250.), Broderip (XLIV. 1.),
Seguier (XLIV. 5.).
III. Werkmänniſche Operations- und Prozeßkunde.
§. 278.
Es kommen bei den chemiſchen Prozeſſen und mechaniſchen
Verrichtungen aller Gewerke gewiſſe allgemeine Verrichtungen vor,
deren Beſchreibung und nähere Betrachtung zwar nur mit dem
Formellen der einzelnen Gewerkszweige ohne Rückſicht auf das zu
liefernde Objekt derſelben und mit den Hilfsmitteln und -Wegen,
um dazu zu gelangen, bekannt macht, — auch das Ineinander-
greifen der Gewerksverrichtungen eben ſo wenig lehrt, als den
Grund ihrer Aufeinanderfolge, — deren Zuſammenſtellung und
Analyſe doch den wichtigen Vortheil gewährt, daß man an und in
ihnen Verbeſſerungen eher einſieht, anwendet und unter ihnen neue
Verbindungen bewerkſtelligen lernt. Alle dieſe einzelnen Arbeiten
ſind aber praktiſcher Natur; darum können ſie auch hier nur über-
ſichtlich genannt werden. Sie ſind mechaniſch und chemiſch und
dienen:
1) Zur Geſtaltung der Stoffe und ſind: das Formen,
Schneiden, Hauen, Dehnen, Stempeln, Bohren, Biegen, Drehen,
Schleifen und Glätten; das Kryſtalliſiren, Aetzen, Färben und
Drucken u. dgl.
2) Zur Zerkleinerung der Stoffe, nämlich durch Zerreißen,
Ziehen, Zupfen, Spalten, Schneiden, Sägen, Zerreiben, Zer-
ſchlagen, Zerdrücken, Zerſtampfen, Auspreſſen und Sieben; Extra-
hiren auf flüſſigem Wege, durch Wärme und Kälte u. dgl.
3) Zur Verminderung der Cohäſion der Stoffe durch
Trennung auf trockenem und naſſem Wege, durch Schütteln und
durch Zwiſchenmittel; durch Schmelzen, Geſchmeidigmachen u. ſ. w.
4) Zur Verdichtung der Stoffe durch Schlagen, Stampfen,
Drücken; Leimen, Adſtringiren, Gerben u. dgl.
[349/0371]
5) Zur Vereinigung der Stoffe durch Mengen, Heften,
Stecken, Drehen, Flechten und Schlingen; durch Miſchen und an-
dere chemiſche Verbindung1).
¹⁾ Man ſ. Poppe's oben citirte allgemeine Technologie, und, was die kurze
Zuſammenſtellung anbelangt, Rau's Grundriß der Kameralwiſſenſchaft §. 157–160,
der übrigens auch ganz Poppe gefolgt iſt.
IV. Werkmänniſche Productenkunde.
§. 279.
So wie bei den bisherigen Gewerben, ſo gibt es auch in den
Kunſtgewerben einen Moment, in welchem das Product vollendet
iſt und von dem Gewerksmanne in Empfang genommen wird. Zur
Gewerkskenntniß gehört es alſo zu wiſſen: 1) wann und ob das
Product vollendet iſt; 2) ob es die gehörigen Eigenſchaften eines
vollendeten Productes hat; 3) wie man die bekommenen Erzeug-
niſſe ſortirt, und 4) wie man ſie zu ihrer Erhaltung am beſten
aufbewahrt.
Zweites Stück.
Beſondere Gewerkslehre.
§. 279. a.
Die beſondere Gewerkslehre ſtellt die jedem einzelnen Ge-
werke gehörenden, in einem gewiſſen Zuſammenhange zur Erzielung
des Productes erfolgenden, Gewerksverrichtungen dar. Die Menge
der einzelnen Gewerke iſt zu groß, als daß hier mehr als von jeder
Gattung ein und das andere Beiſpiel angeführt werden könnte;
und ſelbſt dieſe können nur andeutungsweiſe dargeſtellt werden,
weil eine auch nur einigermaßen genügende Darſtellung von jedem
Einzelnen mehrere Bogen ausfüllen würde. Wegen der Anordnung
des Stoffes ſehe man oben (§. 42.).
Erſte Unterabtheilung.
Von der Verarbeitung mineraliſcher Producte.
I. Das Hüttenweſen.
§. 279. b.
Das Hüttenweſen iſt der Inbegriff aller derjenigen Anſtalten
und Prozeſſe, welche dazu dienen, die bergmänniſch geförderten
mineraliſchen oder halbmineraliſchen Körper ſo weit zu veredeln
[350/0372]
und rein darzuſtellen, daß ſie weiter verarbeitet oder ſchon ſo ver-
arbeitet unmittelbar gebraucht werden können. Die Lehre davon
iſt die Hüttenkunde, welche nach der Art der gewonnenen, noch
zu verändernden, Producte in metallurgiſche Hüttenkunde
(eigentliche Hüttenkunde) und Salzwerkskunde zerfällt, da nur
die verſchiedenen Erze und die Salzſoolen einer weiteren chemiſchen
Behandlung bedürfen. Hier aber iſt das Hüttenweſen blos in ſei-
nem beſonderen eigentlichen Sinne genommen1).
¹⁾ Zur Literatur: Cancrin, Erſte Gründe der Berg- und Salzwerkskunde.
Bd. VIII. und IX. (4 Bde.) Scopoli, Anfangsgründe der Metallurgie Mann-
heim 1789. Gmelin, Grundſätze der Probir- und Schmelzkunſt. Halle 1786.
Göttling, Anfangsgründe der Probirkunſt. Leipzig 1794. Fiedler, Handbuch
der Metallurgie. Kaſſel 1797. Bauquelin Probirkunſt. Aus dem Franzöſiſchen
überſetzt von Wolf. Königsberg 1800. Garney, Abhandlung vom Baue und
Betriebe der Hochöfen in Schweden. Aus dem Schwediſchen überſetzt von Blum-
hof. Freiberg 1800–1801. Sonnenſchmidt, Beſchreibung der ſpaniſchen
Amalgamation. Gotha 1810. Deſſelben Commentar einer Beſchreibung der
ſpaniſchen Amalgamation. Leipzig 1811–13. Klinghammer, Grundſätze des
Schmelzweſens. Leipzig 1811. Lampadius, Handbuch der allgemeinen Hüttenkunde.
Göttingen 1801–1818. II Theile in V Bdn. und II Suppl. Deſſelben
Grundriß der allgemeinen Hüttenkunde. Ebendaſ. 1828. Karſten, Grundriß der
Metallurgie und metallurgiſchen Hüttenkunde. Breslau 1818. Lempe Magazin.
Bd. XI. u. XII., ſo wie auch die in der Bergbaulehre erwähnten und citirten an-
deren berg- und hüttenmänniſchen Zeitſchriften.
§. 280.
1) Das Vorkommen der Erze und Aufbereitungskunſt1).
Die Erze ſind entweder derb, d. h. ganz rein, oder ſie ſind
eingeſprengt. Im lezteren Falle müſſen ſie mechaniſch getrennt
und ſo weit als möglich verkleinert (aufbereitet) werden. Die
Trennung derſelben von den tauben Bergen (das Aushalten)
iſt noch Sache des Grubenarbeiters. Die Scheidung der Erze
geſchieht aber entweder durch Handarbeit oder durch Maſchinen
oder auch durch das Abliegen an der Atmosphäre und Umlegen.
Die beiden erſteren Methoden ſind die wichtigſten und folgen in der
Regel auf einander. Die Scheidung durch Handarbeit beſteht
im Ausſchlagen, im Handſcheiden, im Läutern und im
Klauben2). Die Scheidung durch Maſchinen folgt auf jene,
und beſtehet im Pochen und Mehlführen. Auf dem Wege des
Pochens wird alles derbe Erz und dasjenige zerkleinert (gepocht),
was von dem gewonnenen Erze, weil es zu fein eingeſprengt iſt,
auf jene Methode nicht geſchieden werden kann. Nicht alles Erz
wird gepocht. Kommt das derbe Erz ſogleich aus der Grube in
die Schmelzhütte, dann heißt es Stufferz. Kommt es von dem
Waſchwerke ſogleich auf die Hütte, dann nennt man es Waſcherz.
[351/0373]
Die gepochten Erze aber heißt man Pocherz oder Pochgänge.
Zum Behufe des Pochens kommt das Pocherz entweder auf die
Pochhämmer oder auf die Pochwerke oder auf die Walz-
(Quetſch-) Werke3). Die Poch- oder Quetſcharbeit iſt ent-
weder trocken oder naß, jenes, wenn das Erz ganz derb, dieſes,
wenn es noch eingeſprengt iſt. In dieſem Falle geht in den Poch-
trog Waſſer und leitet das Pochmehl durch Gerinne in Sümpfe4).
So werden die ſchwereren von den leichteren Erztheilen ſchon vorn-
weg getrennt, und die Sümpfe ſpäter ausgeſchlagen, um das darin
befindliche Erz (Haufwerk) zu gewinnen, welches röſch und
zähe genannt wird, je nach der Grobheit und Feinheit des Korns.
Das Haufwerk kommt alsdann unter die Waſcharbeit. Dieſe
hat den Zweck, das Erz von der Gebirgsart oder auch ſelbſt von
einem mit eingeſprengten Erze zu trennen. Zu dieſem Behufe wird
das Haufwerk auf den Waſchheerden5) durch Sieb- oder
Setzarbeit und Schlämmgräben von einander gebracht6).
Man muß überhaupt ſuchen, die Trennung des Haufwerkes, beſon-
ders des röſchen, von den Pochwerktrüben, d. h. erdigen Be-
miſchungen im Pochwaſſer (Schlamm), ſo vollſtändig als möglich
zu bewirken. Das auf die Weiſe aufbereitete Erz heißt man
Schlieg (Schliech), wenn es ganz fein iſt, und Graupen, bei
einer Erbſengröße des Kornes. Jener iſt entweder ein röſcher oder
ein zäher (Schlamm-) Schlieg, je nachdem er gröber oder feiner
(todt) gepocht worden iſt. Die Schliege ſind ohne Erzverluſt
nicht ganz rein darzuſtellen, und der Grad der Reinheit, d. h. der
Gehalt derſelben, hängt von der Gebirgsart und der Aufberei-
tungsarbeit ab7).
¹⁾ Karſten Grundriß. §. 57–64. Schroll, Beiträge zur Kunſt und Wirth-
ſchaft der Aufbereitung der Erze. Salzburg 1812. Stifft, Anleitung zur Auf-
bereitung der Erze. Nürnberg 1818. Lampadius Handbuch. II. Thl. I. Bd.
S. 78. Cancrin, Berg- und Salzwerkskunde. VIII.
²⁾ Beim Ausſchlagen werden die aus der Grube geförderten großen Gang-
ſtücke, welche auch unhaltbares Gemenge haben, in fauſtgroße Stücke zerſchlagen,
und man unterſcheidet dann ganz unhaltige Stücke (Berge), Pochgänge (viel Berge
und wenig Gänge) und Scheidegänge (viel Gänge und wenig Berge). Die Hand-
ſcheidung zerkleinert die Scheidegänge weiter in nuß- und erbſengroße Stücke in
der Scheideſtube und auf der Scheidebank. Man gewinnt dabei ganz reines Erz,
Setzerz (klein und gemengt), Pocherz und Berge. Das Läutern und Klauben
geht Hand in Hand. Man bringt dabei das ganz zerkrümmelte Erz (Erzklein)
in die Läuterwäſche, d. h. treppenförmig unter einander ſtehende Drahtſiebe von
immer größerer Feinheit, bei deren jedem eine wagrechte Holztafel (Klaubbühne)
angebracht iſt. Das von oben herein aufſchlagende Waſſer ſchwämmt das ins oberſte
Sieb geworfene Erzklein durch u. ſ. w., bis alles Erdige hinweggebracht und in
jedem Siebe das ſeiner Feinheit entſprechende Erz geblieben iſt, worauf es auf die
Klaubbühnen genommen und von den Bergen gereinigt wird. Das mit dem Waſſer
durchgehende Feinſte läuft durch ein Gerinne in einen Sumpf und ſetzt ſich darin
ab. — Dies iſt die im ſächſiſchen Erzgebirge übliche Methode. Ueber die Aufbereitung
[352/0374]
²⁾ auf den Frankenſcharrner Hütten bei Clausthal ſ. m. Lampadius Handbuch.
II. Thl. II. Bd. S. 11.
³⁾ Die Quetſchwerke ſind nichts anderes als wagrechte neben einander lie-
gende Gußwalzen, alſo eigentliche Walzwerke. Die Pochwerke ſind Pochſtem-
pel, welche ſenkrecht in einem Pochtroge auf die Pochſohle (deſſen gußeiſerne
Unterlage) fallen. Man unterſcheidet den Unterſchur-, den Mittel- und den
Austrageſtempel, drei Stempel machen einen Satz, und ſoviel Sätze ein Poch-
werk hat, ſoviel hübig iſt es zu nennen. Um das Pochwaſſer mit dem Poch-
mehle abzuleiten, hat man entweder ein blechernes Sieb, oder ein Drahtgitter,
oder eine Cylinderröhre, oder ein offenes Loch, oder einen Spalt, und man ſagt,
das Pochen und Austragen gehe über das Blech, über das Gitter, über's Auge,
über den Spund oder durch den Spalt. S. über das Pochen Cancrin a. a. O.
§. 39–64. Lampadius. II. Thl. I. Bd. S. 83. Karſten Grundriß. §. 60.
⁴⁾ Durch ein Gerinne (Austragsgerinne) geht das Pochmehl und -Waſſer in
Behälter (Mehlführungen), wovon der Erſte das Gefälle heißt; dieſes enthält
das Gröbſte und die beiden folgenden Mehlführungen immer Feineres. Doch unter-
ſcheidet man zwei Sortimente im Gefälle und in den mittleren Mehlführungen,
nennt ſie dort Röſch- und Zäh-Häuptel, hier Röſch- und Zäh-Setzſchlamm,
in den lezten Mehlführungen Sumpfſchlamm und dasjenige, was mit den
Pochwerkstrüben noch aus dieſen hinweggeht, das Schwänzel. Ueber das Röſten
ſ. auch v. Marcher Beiträge zur Eiſenhüttenkunde. V. 31–150.
⁵⁾ Es gibt überhaupt folgende Waſchheerde: liegende (wenn ſie unweglich
ſind), Stoßheerde (wenn ſie durch Stoß beweglich ſind); Planheerde (wenn ſie mit
großen Tüchern bedeckt werden müſſen), Schlammheerde, Kehrheerde und Glauch-
heerde, welche lezteren drei ſich durch ihre innere Conſtruction unterſcheiden und
insgeſammt keine Plane haben. Alle dieſe Heerde ſind mehr oder weniger abhängig
ſtehende glatte bodenartige Holzgerüſte, über welche das Waſſer bequem hinrieſelt
und die leichten nicht metalliſchen Theile mit ſich hinwegſchwemmt. Beim liegenden
Heerde ſchiebt man mit einer hölzernen Krücke (Küſte) die Erztheile dem Waſſer
entgegen; bei den Stoßheerden, welche an vier Punkten hängen, geſchieht dies
durch den Stoß. S. auch Cancrin Berg- und Salzwerkskunde. VIII. §. 76–93.
v. Marcher. V. 24.
⁶⁾ Die Sieb- und Setzarbeit beſteht darin, daß man ein mit Erzklein oder
Setzerz gefülltes eiſernes Drahtſieb in ein mit Waſſer gefülltes Waſſer- (Satz-) Faß
ſchnell eintaucht, und das Waſſer wieder zurücklaufen läßt, wobei ſich das Erzklein
hebt und der Schwere nach niederſinkt, ſo daß man das Unhaltbare mit der Abhebe-
ſchaufel oder Abſetzküſte abheben kann. Der Rückſtand im Siebe heißt Aftern.
(Lampadius II. Thl. I. Bd. S. 82. Cancrin a. a. O. §. 24–36.) Man
hat aber dazu auch complicirtere Maſchinen, nämlich die Räder- und die Setz-
maſchine und die Kralwaſche. (M. ſ. darüber Cancrin a. a. O. §. 31. 32. u. 33.)
Bei der Schlämmarbeit iſt als Werkzeug die Schlämmküſte und der
Schlämmgraben gebraucht, unter welchem man einen langen gerinneförmigen
Holzkaſten verſteht, in welchem man eine unten gekerbte Krücke anbringt, unter der
das Waſſer durchläuft, und ſammt dem Schlamme in einen Sumpf geleitet wird.
Man ſetzt in der Regel drei zuſammen, und davon heißt der Erſte Schußgerinn-
graben, der Andere Mittelgraben, und der Dritte Reinmachsgraben. In
dieſen Gräben wird nur geſchlämmt. Man ſ. darüber auch Cancrin a. a. O.
§. 67–75.
⁷⁾ Um dem Mehle die höchſte Feinheit zu geben, hat man auch Mahlwerke.
S. Karſten Grundriß. §. 63.
§. 281.
2) Das Röſten, das Deſtilliren und das Verwittern
der Erze.
Weil die auf die bisher beſchriebene Weiſe aufbereiteten Derb-
erze und Schlieche in ihrem damaligen Zuſtande nicht immer zur
[353/0375]
Hüttenbehandlung zugelaſſen werden können, ſo macht man ſie
durch einen Prozeß im Feuer oder an der Luft dazu tauglich. So
entſtehen folgende Behandlungsweiſen der Erze:
a) Das Röſten (Calciniren, Brennen, Zubrennen), d. h. ein
Verdampfen der in den Erzen enthaltenen flüchtigen oder dem wei-
teren Hüttenprozeſſe ſchädlichen Subſtanzen, ohne die Abſicht, das
Verflüchtigte aufzufangen1). Man röſtet entweder in Haufen2)
(mit oder ohne Bedachung), oder in Roſtſtätten3) (unter freiem
Himmel, unter Schuppen, mit Zügen), oder in Gruben4), oder
endlich in Oefen5) (Röſt-, Reverberir-, Brennöfen). Die lezte
Methode iſt die beſte und zweckmäßigſte, und man röſtet auf die-
ſelbe die Gold- und Silbererze, die Rohſteine und Schwefelkieſe,
die Kupfererze und Steine, die Bleierze und Steine, die Eiſen-
ſteine, Zinnerze, Kobalterze, die Alaun- und Vitriolerze.
b) Das Deſtilliren und Sublimiren, d. h. eine Ver-
dampfung der flüchtigen Subſtanz im Erze, in der Abſicht die
Dämpfe in einem kalten Raume aufzufangen, damit ſie ſich dort
tropfenweiſe verdichten (abtröpfeln, deſtilliren) oder ſogleich aus den
Dämpfen ſich als ein trockener Körper niederſchlagen (ſublimiren).
Entweder benutzt man das Deſtillat allein oder auch zugleich den
Rückſtand6). Die Deſtillation und Sublimation wird vorgenom-
men, um das Queckſilber aus ſeinen Erzen zu trennen, den Schwe-
fel aufzufangen und zu reinigen, Arſenik zu bereiten, und um den
Zink aufzufangen.
c) Das Verwittern, d. h. das Ausſetzen der Erze an die
freie Luft (Wetter), um ſie den Einflüſſen der Beſtandtheile der
Lezteren Preis zu geben7). Ber Zweck iſt die Oxydation, und
bei dieſem Prozeſſe kommt das Effloresziren oder Beſchlagen,
d. h. das Anſetzen eines Salzanfluges auf der Oberfläche vor. Die
Verwitterung kommt bei dem Alaun-, Vitriol- und Kobalterze,
und bei den Eiſenſteinen vor.
¹⁾ Lampadius Handbuch. I. Thl. §. 223. Karſten Grundriß. §. 64.
Cancrin Berg- und Salzwerkskunde. IX. Thl. I. Abthl. §. 46. Man röſtet
a) um vorzüglich Schwefel, Arſenik, Waſſer und Kohlenſäure zu verflüchtigen;
b) die Erze zu oxydiren; c) um härteres Erz zur Pocharbeit vorzubereiten; d) um
gewiſſe Zuſätze (Zuſchläge) auf die Erze wirkſam, und e) um Erze ſchmelzbar zu
machen. Beim bloßen Verflüchtigen muß der Prozeß der Luft möglichſt abgeſchloſſen
ſein; beim Oxydiren aber iſt Luftzutritt Bedingung; wegen der Zuſchläge iſt es
nöthig, ſowohl dieſe als die Erze gehörig zu zerkleinern; die Vorbereitung des
Erzes zum Schmelzen liegt darin, daß es trockener, mürber und vom Feuer durch-
dringlicher wird.
²⁾ Im freien Haufen röſtet man am beſten Erze mit vielem Schwefel-, aber
wenig Metallgehalte, oder aber auch erdharziges Erz. Die Haufen ſind 4ſeitig
pyramidenförmig, oder haben die Form eines Kugelſegments. Die Röſtung kann
mit jedem, nicht viele Erdtheile hinterlaſſenden Brennmateriale geſchehen. Das
Baumſtark Encyclopädie. 23
[354/0376]
²⁾ gröbſte Erz kommt zu unterſt auf die erſte Holzſchicht, auf die zweite feineres u. ſ. w.
zu liegen. Zum Anzünden macht man von oben hinein einen Kanal von Holz-
ſcheitern, den man mit Holzbränden und Kohlen füllt, oder auch einen oder mehrere
von unten, wenn nämlich das Erz ſchwer entzündlich iſt. Unter'm Schuppen
(d. h. unter einem auf Mauerpfeilern ruhenden Dache, röſtet man reichhaltigere
und ſchwer brennbare oder auch ſchon im Freien geröſtete Erze. Die Haufen ſind
darunter kleiner und die Schuppen mit Läden oder Klappen verſehen, um den Wind
zu leiten. Cancrin IX Tab. X.
³⁾ Röſtſtätten ſind trockene mit Mauerung umgebene Plätze zum Röſten; ſie
ſind viereckig, rund oder oval; die Sohle wird mit Schlacken verſtürzt und darauf
mit Steinen in Lehm ausgepflaſtert; die ¾ bis höchſtens 3 Ellen hohe Mauer hat
Zuglöcher, die nach Belieben geöffnet und geſchloſſen werden können; auch hier
bildet das Brennmaterial eine erſte Schicht und wechſelt ſo ſchichtenweiſe immer mit
Erz ab; vom Eingange hin wird der Zündkanal angelegt. Cancrin IX. Tab. LII.
⁴⁾ Die Gruben macht man in feſtem Grunde, 16–20 Fuß im Quadrat,
und 3–8 Fuß hoch. Der Kanal, ausgemauert und mit einer Thüre verſehen,
durch deren Oeffnen und Schließen man den Luftzug dirigirt, führt von Außen auf
den tiefſten Platz der Grube, die entweder in Stein gehauen oder ausgemauert iſt.
⁵⁾ Das Charakteriſtiſche hierbei iſt die Trennung des Feuers vom Erze. Die
weſentlichen Theile des Röſtofens ſind: a) der Feuerheerd nebſt Aſchenfall; b) der
Röſtheerd (Röſtraum) von niedrigem Gewölbe nebſt dem Trockenheerde; c) die
Fluggeſtübekammern, in welchen ſich Erzſtaub niederſetzt; und d) der Auszugskanal
oder die Eſſe, zur Ableitung des Rauches. Man unterſcheidet Röſtöfen mit dem
Fuchs (wo der Feuerheerd unter dem Röſtheerde iſt und die Flamme durch einen
Seitenkanal heraufſteigt), doppelte Brennöfen (wobei der Feuerheerd zwiſchen
zwei Röſtgewölben in der Mitte liegt und die Flamme nach beiden Seiten geht)
und die ungariſchen Brennöfen, deren nähere Beſchreibung Lampadius
Handbuch I. Thl. §. 239. Tab. B. gibt. Zuerſt wird auf dem Trockenraume das
Erz durch leiſe Wärme abgetrocknet; dann wird es in ein lebhaftes Feuer geſetzt;
hierauf brennt das Erz von ſelbſt fort (ſchwefelt, liegt im Schwefeln); nach Abgang
des Schwefels und Arſeniks wird es wieder kalt; dann zündet man daſſelbe noch
einmal tüchtig an, um die lezten Säuren noch hinwegzubringen.
⁶⁾ Die Deſtillationsarbeiten ſind: a) ſolche, wobei das Brennmaterial mit
dem Erze ſelbſt in Verbindung gebracht, und b) ſolche, wo das Erz von der Luft
und dem Brennmateriale nicht berührt wird. Auf jene Methode geht zugleich eine
Oxydation von Statten, man braucht weniger Brennmaterial und verliert an
Deſtillat; bei der zweiten iſt das Gegentheil der Fall. Für die erſte Methode hat
man entweder Röſthaufen oder Schachtöfen mit Condenſatoren (ſ. den folg. §.);
für die andere Methode aber zur Deſtillation des Schwefels den Schwefeltreib-
oder Röhrenofen, und den Schwefelläuterofen, — zum Vitriolölbrennen
den Galeerenofen, — zum Abtreiben des Queckſilbers den Cylinderofen, —
zum Reinigen des Giftmehles den Sublimirofen, und zur Gewinnung des Zinkes
die Zinköfen. Beſchreibungen und Abbildungen ſolcher finden ſich bei Lampadius
Handbuch. I. Thl. §. 258. Tab. O (nicht C., wie fehlgedruckt iſt). §. 262. Tab. F
(Deſtillir- und Ausglüheofen). Cancrin Berg- und Salzwerkskunde. IX. §. 50.
55. 58. 59 (Röſt- und Calciniröfen). Scopoli Metallurgie. Tab. X. u. XVII
(Arſenik- und Queckſilberöfen). Abbildungen von Schwefeltreib- und Läuteröfen
finden ſich bei Schlüter Unterricht von Hüttenwerken. Braunſchweig 1738. Tab.
XV. XVI. u. XVIII.
⁷⁾ Es geſchieht das Verwittern auf Haufen, Halden oder Bühnen im Freien
oder unter'm Schuppen. Die Sohle der Haufen härtet man mit Lehm oder Thon
aus, und legt oft darauf noch Bretter oder Eſtrich. Die Halden ſind rund, lang
oder pyramidenförmig. Auch dienen zur Beförderung der Oxydation Röhren, welche
man ſchichtenweiſe in den Halden anlegt. Lampadius Handbuch. I. Thl. §. 271.
Cancrin IX. §. 43.
[355/0377]
§. 282.
3) Das Zugutmachen oder Ausbringen der Erze.
a) Das Schmelzen.
Das ſo vorbereitete Erz wird nun zum Ofen gebracht, um
durch Schmelzung vollends zugutgemacht werden zu können. Die
Prozeſſe, welche hier mit demſelben vorgehen, laſſen ſich am beſten
nach den Arten der Schmelzöfen1) darlegen, in welchen es be-
handelt wird. Sie ſind folgende:
1) Die Schachtöfen mit Gebläſe, welche ihren Namen
von ihrem Haupttheile, nämlich von einem ſenkrecht in die Höhe
ſtehenden Kanale (Schacht), haben und in welchen das Erz
ſchichtenweiſe mit Holzkohlen eingeſchüttet, das Feuer durch ein
Gebläſe lebhaft gemacht und das Erz geſchmolzen und reducirt,
d. h. zugleich der Sauerſtoff entnommen wird. Die Schachtöfen
haben folgende Theile: a) den Aufgebungsraum (Gicht), auf
welchen man die Beſchickung (d. h. Füllung) des Ofens vornimmt
und welcher entweder ganz frei oder mit einem kreisrunden Kranze
oder viereckigen Aufſetzmäuerchen umgeben iſt; b) den Röſtungs-
raum, zwiſchen der Gicht und dem Roſte, auf welchem die
Schmelzung vor ſich geht; c) den Schmelzraum, vom Roſte an
bis unter die Form (d. h. den Windkanal), durch welchen die
geſchmolzene Maſſe tröpfelt und in welchem ſich alſo an der Rück-
ſeite das Formgewölbe und an der Vorderſeite die Vorwand
befindet, die nach dem Zumachen jedesmal eingeſetzt wird; d) den
Sammlungsraum (Heerd, Tiegel, Spur, Geſtell, Schmelz-
heerd), in welchen ſich die Schmelzmaſſen anſammeln. Weil dieſer
Raum erſt hingeſtellt wird, wenn der obere Ofen ſchon ſtehet, ſo
heißt jenes Geſchäft das Zumachen oder Zuſtellen des Ofens2).
Dieſer Raum hat vier Seiten, nämlich die Formſeite, die
Windſeite (jener gegenüber), die Tümpelſeite (die vordere,
den Ofen verſchließende) und die Rückſeite (jener gegenüber).
Es iſt begreiflich, daß dieſe Seiten verſchieden heftiger Wirkung
des Gebläſes ausgeſetzt und alſo auch verſchieden zu mauern ſind3).
Im Allgemeinen gibt es verſchiedene Arten von Schachtöfen, je
nach der Höhe und der daher rührenden Art der Beſchickung,
nämlich a) Hochöfen, von mehr als 16 Fuß Höhe; b) Halb-
hochöfen, von 8–16 Fuß Höhe, bei welchen beiden die Be-
ſchickung ſeitwärts auf einer Treppe oder Brücke hergebracht
(aufgelaufen) wird, und c) Krummöfen, niedriger als jene4).
2) Die Reverberirſchmelzöfen mit oder ohne Gebläſe,
welche ihren Namen von der charakteriſtiſchen Eigenſchaft haben,
23 *
[356/0378]
daß die Schmelzmaſſe vom Brennmateriale nicht unmittelbar berührt
wird, und in welchen man entweder mit dem Schmelzen zugleich
reduciren, oder ſeigern (d. h. einen ſtrengflüſſigen von einem leicht-
flüſſigen Körper ſondern), oder verkalken (oxydiren, der Schmelz-
maſſe Sauerſtoff zuführen) will. Für den erſten Zweck gebraucht
man das Gebläſe nicht, wohl aber für den lezten. a) Die Luft
wird durch den Aſchenfall und durch den Roſt eingeleitet, durch
den Rauchfang gehen aber die Dämpfe und die von der Schmelz-
maſſe ſich entwickelnde Luft ab. Je lebhafter das Feuer ſein ſoll,
um ſo mehr Luft muß zugeführt, alſo um ſo höher der Aſchenheerd
und Rauchfang werden. Soll desoxydirt (reducirt) werden, dann
darf der Luftzutritt nicht ſtark ſein; ſoll aber oxydirt werden, ſo
muß noch Luft durch ein Gebläſe eingebracht werden. b) Der
Schmelzraum iſt von jenem der Schachtöfen verſchieden. Die
Beſchickung ſchmilzt auf einer ſchiefen Fläche, und ſammelt ſich in
einer Vertiefung, aus welcher ſie, wenn die Schlacke abgezogen
iſt, ausgeſchöpft oder durch einen Stich in einen Stichheerd ge-
leitet wird5). Als ſolche Reverberirſchmelzöfen iſt der engliſche
oder Cupuloofen, der Villacher Bleiofen, der Treibeheerd,
der Garheerd, der Darrofen, der Seigerofen mit Flammen-
feuer und der ſibiriſche Ofen zu betrachten6).
3) Die Schmelzheerde mit oder ohne Gebläſe, deren
Eigenthümlichkeit es iſt, die Schmelzmaſſe zwiſchen dem Brenn-
materiale ohne Schacht zu ſchmelzen. Sie werden meiſtens nur
zum Reinigen der Erze gebraucht. Sie ſind bloße Vertiefungen,
und von der Leitung des Windes hängt es ab, ob in ihnen reducirt
oder verkalkt wird, je nachdem man die Luft aus der Form blos
über die Beſchickung ſtreichen läßt oder auf ſie leitet. Man rechnet
hierher den kleinen Garheerd (zum Reinigen des Kupfers),
den Seigerheerd (zum Scheiden des Bleies von Kupfer), den
Bleiſeigerheerd (zum Reinigen des Bleies), den Zinnfloß-
heerd, den ſteyeriſchen Eiſenbratofen und den Eiſenfriſch-
heerd7).
4) Die Tiegelöfen mit oder ohne Gebläſe, d. h. Schacht-
oder Reverberiröfen, in denen man die Beſchickung in Tiegeln
ſchmelzt. Sie verhüten die Verkalkung am vollſtändigſten, da ſie
die Luft von der Schmelzmaſſe ganz abhalten. Sie dienen beſon-
ders zur Schmelzung ſehr reichhaltiger Erze. Die Tiegel ſind von
Thon, oder von Thon und Kieſel, oder von Thon und Graphit
(Ipſer Tiegel). Die Schmelzung geſchieht entweder in Wind-
öfen unter Kohlenfeuer, oder in Flammenöfen auf Heerden
(Bänken), oder in Schachtöfen mit Gebläſefeuer. Unter die
[357/0379]
Tiegelöfen gehört der Meſſingofen, Blaufarbenofen,
Schmelzofen für Gold und Silber, der Spießglanzſeiger-
ofen von Scopoli, der engliſche Eiſenfriſchofen und der
Wismuthſeigerofen8) 9).
¹⁾ Man ſetzt ſie auf trockenen Grund, und um dieſen befeuchten oder abkühlen
zu können, legt man in ihm Anzüchten (d. h. Kanäle) an. Sie werden aber
entweder aus feuerfeſten Steinen und Ziegeln, oder aus künſtlichen Heerdmaſſen,
aus Lehm und Kohlen, gebaut, welche entweder zugleich desoxydirend auf die Schmelz-
maſſe wirken (Geſtübe) oder nicht. Im erſten Falle hat man Geſtübeheerde, im
lezteren aber Lehm-, Thon-, Quarz-, Treibeheerde und Geſtellmaſſen aus Kieſel
und Thon. Muß dem Schmelzofen Luft zugeführt werden, ſo geſchieht es durch
das Gebläſe, und man hat Windtrommelgebläſe, prismatiſche Blasbälge, Wind-
kaſten-, Cylinder-, Kaſten-, Baader'ſche (Cylinderwaſſer-) Gebläſe und ein ſolches,
das man Aeolipila nennt. (Lampadius Handbuch. I. §. 286–93. §. 294–309.
Karſten Grundriß. §. 128–142. Deſſelben Eiſenhüttenkunde. I. 477–583.
Cancrin Berg- und Salzwerkskunde. Bd. IX. Abthl. I. §. 142 folg.) Die Luft
geht durch eine eiſerne, kupferne, thonene oder ſteinerne Röhre (Form genannt)
in den Ofen. Sie ſteht in einem Gewölbe (Formſtall), und verengert ſich gegen
den Ofen hin, weßhalb man an ihr den Rüſſel oder die Düſe oder Tieſe
(d. h. die Mündung), den Bauch (die nächſte Erweiterung) und die Platte
(den unterſten platten Theil) unterſcheidet. (Lampadius. I. §. 308–317.
Karſten Grundriß. §. 129.) Man ſagt, es werde ein-, zwei-, dreidüſig
geblaſen, wenn ſoviele Düſen die Luft in den Ofen führen; man bläst aber
parallel oder über's Kreutz, wenn die Luftſtröme nebeneinander oder kreutz-
weiſe aufeinander gehen, ſo daß ſie in einem Punkte zuſammen kommen.
²⁾ Man ſ. darüber Lampadius Handbuch. I. §. 328–332.
³⁾ Man ſchmilzt a) übers Auge, wenn die geſchmolzene Maſſe auf einer
ſchüſſigen (horizontalen) Sohle durch eine Oeffnung (Auge) in der Vorwand
heraus in einen Vorheerd oder eine Vertiefung (Augentiegel) läuft; b) über
das Spur, wenn dieſelbe bis zu einer gewiſſen Höhe im Ofen bleibt, bis ſie
über den Heerd wegläuft. Das ganze Schmelzgeſchäft iſt folgendes: Zuerſt wird
der Ofen zur Befreiung von Feuchtigkeit angefeuert (angewärmt), anfänglich
mit Holz, dann aber mit Kohlen, von einem kleinen bis allmälig zum ſtärkſten
Feuer, worauf das Gebläſe anfängt; dann wird die Beſchickung in Gichten (Schich-
ten) von Kohlen und Erz aufgegeben; hierauf iſt die Hauptaufmerkſamkeit auf
das Gebläſe und des Regirung gerichtet; dieſes bläst entweder über die Naſe
(d. h. einen Schlackenanſatz unter dem Formrüſſel) oder mit lichter Form
(ohne eine ſolche Naſe); die Schlacken (verglaste Materien) laufen, wenn ſie
leichtflüſſig ſind, von ſelbſt ab, oder müſſen, wenn ſie ſtrengflüſſig ſind, abgehoben
werden und ſammeln ſich dann in einem beſonderen Raume in der Hütte (in der
Schlackentrift) an; iſt die Maſſe gar, ſo wird ſie durch die Vorwand, die bisher
geſchloſſen war, abgelaſſen, indem mit einem glühenden Eiſen (Stecheiſen) ein
bisher verſchloſſen geweſenes Loch (Stich) in derſelben geöffnet und der drinnen
ſtehende Tiegel am tiefſten Punkte mit einer Oeffnung verſehen wird, damit die
geſchmolzene Maſſe herausſtröme und ſich in einer Vertiefung auf der Hüttenſohle
(Stichheerd) ſammle; will man aber der Schmelzmaſſe eine beſtimmte Form
geben, dann wird ſie nicht ausgeſtochen, ſondern ausgeſchöpft. Hierauf wird der
Ofen gereinigt und ausgeblaſen (d. h. durch das Gebläſe abgekühlt).
⁴⁾ Zu den Hochöfen gehören auch noch die hohen Floßöfen in der Steier-
mark; zu den Halbhochöfen auch die Blauöfen zum Schmelzen des Eiſenſteins,
und die Schüröfen; endlich zu den Krummöfen auch die Stücköfen, welche man
früher in der Steiermark gebrauchte, und einige Friſchöfen. Beſchreibungen und
Abbildungen von Hochöfen finden ſich bei Garney Abhandlung vom Baue und
Betriebe der Hochöfen. Tab. VI. VII. VIII. Cancrin Berg- u. Salzwerkskunde.
Bd. IX. Abthl. I. §. 195. Tab. XXXII-XXXIX. v. Marcher Beiträge zur
Eiſenhüttenkunde. Bd. IV. und Andern; ſolche von Krummöfen bei Schlüter
[358/0380]
⁴⁾ Unterricht von Hüttenwerken. Tab. XXVII. Cancrin a. a. O. Bd. IX. Abthl. I.
§. 135. §. 190. folg. Tab. XXI-XXVIII.; ſolche von Halbhochöfen bei Can-
crin a. a. O. §. 194. Schlüter a. a. O. Tab. XXXVII-XLI.; von Floß-
öfen bei Scopoli Metallurgie. Tab. VII. XIV.; von Schüröfen bei demſelben
Tab. XIII.; von Blauöfen bei Cancrin a. a. O. §. 369. Tab. LXVIII-LXX.;
von einem Friſchofen bei Lampadius Handbuch. I. §. 347. Tab. H., der
übrigens §. 339–346. alle dieſe Ofenarten kurz beſchreibt. Ueber Schachtöfen und
deren Prozeß überhaupt ſ. m. auch Karſten Grundriß. §. 94–129.
⁵⁾ Das Schmelzverfahren iſt im Allgemeinen daſſelbe, wie bei den Schachtöfen.
Da man aber hier zugleich verkalken oder reduciren will, ſo läßt man für den
erſteren Zweck, ſobald die Schmelzmaſſe eingeſchmolzen iſt, das Gebläſe ſpielen und
zieht beſtändig die Schlacken ab, während man für den anderen Zweck verſchiedene
Zuſchläge (Zuſätze) und Kohlenklein auf die Maſſe deckt. Auch hier erkennt man
den Gang des Ofens aus den Schlacken, — aus der Flamme, welche durch eine
Queeröffnung an der Vorwand (offnen Bruſt) erſichtlich iſt, — in Fällen, wo
keine Flamme zum Vorſchein kommen darf (wo mit dunkler Gicht geſchmolzen
wird), an den ſich zeigenden kleinen tanzenden blauen Flämmchen, und, wo die
Flamme zum Vorſcheine kommen muß (wo mit heller Gicht geſchmolzen wird),
nach dem Erſcheinen der Gichtflamme, — aus Schöpfproben, Probeſpänen, dem
Fluſſe mit heller Oberfläche (hellem Blicke) u. dgl., und es muß hiernach
geholfen werden. Karſten Grundriß. §. 110 folg. §. 142 folg. Lampadius
Handbuch. I. §. 351.
⁶⁾ Dieſe Oefen ſind beſchrieben ſammt dem Schmelzverfahren bei Lampadius
I. §. 352–375. Schlüter a. a. O. Tab. XLII-LII. Cancrin a. a. O.
IX. Bd. I. Abthl. §. 226–230. §. 279–281. Tab. XLIV-LIII-LXIV.
IX. Bd. II. Abthl. §. 441. Tab. I-XIII. Ein Cupuloofen bei Cancrin
a. a. O. IX. Bd. I. Abthl. Anhang mit 8 Tafeln und in ſeiner Schrift: Abbildung
und Beſchreibung eines neuen Spleiß- und Treibeofens. Halle 1800.
⁷⁾ Lampadius Handbuch. I. §. 376–382. beſchreibt die meiſten davon
genauer. Auch finden ſich Abbildungen bei Schlüter Unterricht. Tab. LI. Sco-
poli Metallurgie. Tab. XIII. folg. und bei Cancrin a. d. angeführten Stellen.
⁸⁾ Karſten Grundriß. §. 156 folg. Lampadius I. §. 383. Dieſer Leztere
beſchreibt ſolche Oefen. Auch findet man Beſchreibungen und Abbildungen bei
Scopoli a. a. O. Tab. X. XXIII. XX. Cancrin a. a. O. IX. II. 507.
Tab. XV-XXII-XLIII.
⁹⁾ Da überhaupt dies die Prozeſſe ſind, welche mit den meiſten Metallerzen
vorgenommen werden, ſo wird man die beſonderen Verfahrungsarten und Oefen in
denjenigen Schriften zu ſuchen haben, welche über die beſondere Hüttenkunde dog-
matiſch, hiſtoriſch oder ſtatiſtiſch handeln. Es gehören hierher die Schriften über
das Hüttenweſen überhaupt, worunter Lampadius Handbuch das allervorzüglichſte
iſt, aber die älteren Schriften wegen der Kupfer nicht entbehrt werden können.
Da nun aber Lampadius Keinem, der ſich im allgemeinen und beſonderen Hüt-
tenweſen orientiren will, fehlen darf, ſo iſt es überflüſſig, hier die Literatur zu
häufen, weil er ſie (Thl. II. Bd. II. S. 240. Bd. III. S. 402. Bd. IV. S. 340.)
mit großer Vollſtändigkeit angegeben hat. Daſſelbe hat übrigens auch Karſten in
ſeinem Grundriſſe gethan.
§. 283.
b) Die Amalgamation oder das Anquicken.
Mit der im vorigen §. betrachteten Art der Zugutmachung der
Erze ſind alle Behandlungsweiſen derſelben noch nicht erſchöpft.
Da ſich die Metalle unter Zutritt von Wärme in Queckſilber auf-
löſen und, durch daſſelbe kryſtalliſirt, aus der Auflöſung wieder
gewonnen werden können, ſo hat man, namentlich bei Gold und
[359/0381]
Silber, die Verbindung dieſer Metalle auf mechaniſch-chemiſchem
Wege (die Amalgamirung, das Anquicken) benutzt, um ſie auszu-
bringen. Das mechaniſch anhängende Queckſilber kann durch mecha-
niſche Mittel, — das chemiſch als Kryſtalliſationsqueckſilber mit
demſelben verbundene aber nur durch Deſtillation von demſelben
getrennt werden. Auf dieſen Umſtänden beruhen die Vorgänge bei
der Amalgamation, von welcher es ältere1) und neue Methoden
gibt, unter welchen lezteren beſonders die ſächſiſche2) die meiſten
Vorzüge hat. Ihre Hauptvorgänge ſind folgende. Man unterſchei-
det 1) die Vorarbeiten: Nachdem die Silbererze gepocht und
gewaſchen ſind, werden ſie geröſtet, und da nur das gediegene
Silber im Erze ſich geradezu in Queckſilber auflöst, ſo muß durch
einen Zuſchlag das vererzte Silber möglichſt rein gemacht werden,
und dies geſchieht durch Röſten mit 10% Kochſalz3). Hierauf
wird das geröſtete Silbererz in einer eigenen Siebmaſchine ge-
ſiebt, theils um die zuſammenhängenden Erz-, Salz- und Ziegel-
maſſen herauszubekommen, damit man ſie zerſchlagen und noch
einmal mit 3% Kochſalz vermiſcht röſten könne, theils um die Sorten
des Erzes nach der Feinheit (Siebgrobes, -Mittleres und
-Feines) zu unterſcheiden4). Das nach dem Sieben übrig blei-
bende Allergröbſte heißt man Röſtgröbe. Nach dem wird das
Sieberz gemahlen, weil die Vollkommenheit des Anquickens von
der Feinheit deſſelben abhängt. Man hat dazu eigene Mühlen5).
2) Das Anquicken ſelbſt, welches in wagerechten, um ihre Axe
ſich drehenden Fäſſern geſchieht, in denen man zuerſt Erz mit
Waſſer zu einem Brei vermengt, dann das Queckſilber nachgießt
und dazu noch neue geſchmiedete Eiſenplatten gibt. Dabei entſteht
eine Wärme bis zu 30–35° Reaum.6). 3) Die Nacharbeiten,
welche darin beſtehen, daß man zuerſt das amalgamhaltige Queck-
ſilber abläßt, in zwillichene Preßſäcke bringt, um das als Lauge
dabei befindliche Queckſilber wegzupreſſen und den Amalgamrückſtand
bis zur Deſtillation aufzubewahren, und dann die Rückſtände in
den Fäſſern verdünnt und zum Verwaſchen in eigene Waſchbottiche
bringt, in denen das Waſchen durch Mechanismus geſchieht7).
Hat man ſo alles Amalgam erhalten, ſo wird es deſtillirt und
zwar nach unten, wobei ſich das Queckſilber vom Silber trennt
und in ein mit Waſſer gefülltes Gefäß tröpfelt. Das ſo gewonnene
Silber iſt ungleich haltbar, und um es zu proben, nimmt man
mit ihm das Eiſenſchmelzen vor, indem man es in Fluß bringt
und davon eine Probe nimmt. Die noch folgenden Prozeſſe ſind
Schmelprozeſſe.
[360/0382]
¹⁾ Dieſe ſind beſchrieben bei Lampadius Handbuch. I. §. 393–401. Kar-
ſten Grundriß. §. 884–889. Man weiß, daß ſchon a. 1571 Velasco in Amerika
die Amalgamation anwendete, daß dieſe durch Alonſo Barba a. 1640 weſentlich
verbeſſert wurde, und daß die Amalgamation der Alten oder Amerikaner ohne
Waſſer, oder mit Waſſer ohne künſtliche Wärme, oder mit Waſſer durch künſtliche
Wärme geſchah.
²⁾ Die neue oder europäiſche Amalgamation iſt entweder warm in kupfernen
Keſſeln, oder kalt in ſtehenden Holzcylindern, oder kalt in beweglichen Fäſſern,
welche leztere Art die beſte, übliche und in Freiberg angewendete iſt. Lampadius
Handbuch. I. Thl. §. 402 folg. II. Thl. I. Bd. S. 116–355. Karſten Grund-
riß. §. 890. Winkler, die europäiſche Amalgamazion der Silbererze. Freiberg
1833. Prechtl Encyclopädie. I. S. 248.
³⁾ Da man nur Silbererze in Gangarten (dürre Silbererze) und in Schwefel-
kies (kieſige Silbererze) daſelbſt anquickt, ſo will man hiermit den Schwefel in den
Kieſen oxydiren, damit ſich Schwefelſäure bilde, welche das Kochſalz zerlegt, wobei
ſalzige Säure frei wird, wovon ein Theil an den Silberkalk übergeht, der durch
die Röſtung aus den Erzen befreit wurde. Die Hauptproducte der Röſtung ſind ſo
Glauberſalz und Hornſilber.
⁴⁾ Bei Lampadius Handbuch I. Thl. §. 407. Tab. C. iſt eine ſolche Maſchine
beſchrieben und abgebildet.
⁵⁾ Eine ſolche Mühle iſt abgebildet und beſchrieben bei Lampadius a. a. O.
§. 408. Tab. D
⁶⁾ Das Eiſen, die ſalzige Säure des Hornſilbers an ſich ziehend, verhindert
die Auflöſung des Queckſilbers Die Beſchreibung und Abbildung eines Anquickſaales
mit allem Zugehör findet man bei Lampadius a. a. O. §. 409. Tab. E.
⁷⁾ Auch dieſe Einrichtung iſt dargeſtellt von Lampadius a. a. O. §. 410.
Tab. G.
II. Das Siedwerksweſen.
§. 284.
1) Die Alaunſiederei.
Die Siedwerke haben das Eigenthümliche, daß ſie eine Kry-
ſtallbildung aus einer Flüſſigkeit bezwecken, in welcher auf künſt-
lichem oder auf natürlichem Wege irgend ein Salz aufgelöst ent-
halten iſt. Die Flüſſigkeit nennt man in jenem Falle Lauge, in
dieſem aber Soole. Es gehört hierher die Alaun-, Vitriol-,
Salpeter- und Salzſiederei.
Der Alaun kommt in den Alaunerzen, nämlich als natür-
licher Alaun, Alaunſtein, Alaunſchiefer und Alaunerde vor. In
Italien wird derſelbe (römiſcher Alaun) aus Alaunſtein, ſonſt
aber aus dem Alaunſchiefer und der Alaunerde bereitet1). Das
gewonnene Alaunerz wird geröſtet (§. 281.) und verwittert,
und es bildet ſich ſo durch Einfluß von Luft, Waſſer und Wärme
ſchwefelſaures Eiſen (Eiſenvitriol) und ſchwefelſaure Thonerde2).
Nach dieſer Operation wird das ſo veränderte Erz ausgelaugt,
d. h. in Waſſer aufgelöst. Dieſes Auslaugen geſchieht entweder
auf Halden (Haufen) oder in Sümpfen (in die Erde befeſtigten
[361/0383]
Laugkäſten) oder in Laugbottichen3). Die Lauge zieht man
hierauf ab und bewahrt ſie in ſogenannten Rohlaugenſümpfen
(Käſten obiger Art) bedeckt auf, bis ſie ſich aufgeklärt hat.
Iſt ſie aber, wie man ſich durch Aräometer überzeugen kann, zu
ſchwach, dann läßt man ſie vorher noch länger unter Fortſetzung
des Umrührens mit Stangen auf dem Erze ſtehen, oder gießt ſie
noch einmal auf eine zweite Erzmaſſe (Verdoppeln der Lauge).
Dieſe Lauge heißt nun ſchwach, weil ſie nur etwa 8% Salztheile
hat, und muß, um gar zu werden, verſotten werden, bis ſie
33% Salztheile gelöst enthält. Dieſes geſchieht in metallenen Pfan-
nen (meiſtens von gegoſſenem oder geſchlagenem Blei), welche ent-
weder von unten und ſeitwärts, oder von oben, indem die Flamme
über ſie hinſtreicht, oder ſo geheitzt werden, daß ein Ofen ſich in
dem inneren Raume der Pfanne befindet4). Die ſo weit abge-
dampfte Lauge muß geklärt werden, und dies geſchieht durch das
Sedimentiren auf den Sedimentir- oder Schlammkäſten
(von Holz, länglichviereckig, und unter den Pfannen angebracht),
indem ſich in dieſen der Schlamm niederſetzt. Die klare Lauge
wird nun abgezogen und in die Präcipitir- (Rüttel-) Käſten
gebracht, um daſelbſt mit Kali oder Ammoniak präcipitirt zu wer-
den5). So wird das Alaunmehl niedergeſchlagen, und nachdem
die darüber ſtehende Mutterlauge abgezogen iſt, herausgenom-
men, um verwaſchen (§. 280.) zu werden, wobei ſich das reine Mehl
niederſetzt, und ſeine frühere graugrüne Farbe mit der weißen,
den Vitriolgeſchmack mit dem alaunartigen vertauſcht6). Dieſes
Alaunmehl kommt jetzt in eine Pfanne (Wachspfanne) mit 40%
ſeines Gewichtes Waſſer, wird unter Siedhitze aufgelöst und als
Auflöſung in die Wachsfäſſer gegoſſen, wo ſich der Alaun in
ſchwarzen und weißen Kryſtallen anſetzt. Dieſe Lezteren werden in
Stücke zerſchlagen, noch einmal verwaſchen, dann getrocknet und
verpackt7).
¹⁾ Lampadius Handbuch. I. §. 416. II. Thl. III. Bd. S. 338 folg.
Hermbſtädt Technologie. II. §. 605. Poppe, Handbuch der Technologie. IV. 198.
Monnet, Traité de la vitriolisation et de l'alunation. Amsterdam et Paris 1769. 12.
Ries, praktiſche Abhandlung von der Zubereitung des Alauns. Marburg 1785.
Prechtl Encyclopädie. I. 195–216. Gmelin techniſche Chemie. I. 154.
Cancrin IX. III. §. 609.
²⁾ Denn der darin enthaltene Schwefel geht eine ſtärkere Verbindung mit
dem Eiſen ein und bildet ſo einfach geſchwefeltes Eiſen, welches den Sauerſtoff des
Waſſers an ſich zieht und zu ſchwefelſaurem Eiſenoxydul (Eiſenvitriol) wird, wäh-
rend der Waſſerſtoff als Gas entſteigt. Dieſes ſchwefelſaure Eiſenoxydul, längere
Zeit der Verwitterung ausgeſetzt, zieht noch mehr Sauerſtoff aus der Luft an, und
wird ſo zu rothem Eiſenoxyd umgewandelt; dieſes aber läßt einen Theil ſeiner
Säure fahren, und die ſo frei gewordene Schwefelſäure verbindet ſich mit der
[362/0384]
²⁾ Thonerde zu ſchwefelſaurer Thonerde. Die Effloreszenz beim Vermittern iſt ſchwe-
felſaure Thonerde (Alaunblüthe).
³⁾ Beſchreibung davon bei Lampadius a. a. O. §. 418 u. 419.
⁴⁾ Lampadius. I. §. 422 folg.
⁵⁾ Als ſolche Zuſätze gebraucht man Holzaſchenlauge, oder gefaulten menſchlichen
Urin, oder in Waſſer gelöstes ſalzſaures Kali (Chlorkali), oder ſo gelöstes ſchwefel-
ſaures Kali. Das ſalzſaure Kali zerſetzt das mit der ſchwefelſauren Thonerde ge-
mengte ſchwefelſaure Eiſen. Die frei werdende Schwefelſäure geht zum Kali und es
entſteht ſchwefelſaures Kali, das Chlor (die Salzſäure) verbindet ſich mit dem
Eiſenoxyd zu Chloreiſen, und dieſes bleibt gelöst zurück. Da aber der Alaun nur
in 18 Theilen Waſſer bei mittlerer Temperatur ſich auflöst, ſo kann er in der
concentrirten Lauge nicht mehr gelöst bleiben, ſondern ſcheidet ſich vom Chloreiſen.
⁶⁾ Das in das Geſümpfe ablaufende Waſſer, welches neben Unreinigkeit auch
noch Alauntheile enthält, wird dann ſpäter mit neuer Lauge wieder verſotten.
⁷⁾ Künſtlich bereitet man auch den Alaun, indem man Thonerde, Schwefel-
ſäure und Kali mit einander verbindet. Dieſe Erfindung haben Chaptal und
Curaudau gemacht. Man ſ. darüber Bergmann, De Confectione aluminis, in
seinen Opuscul. phys. chem. I. 279. Lampadius, Sammlung chem. Abhandl.
III. 95. Robinson, Process of making Alum, in Repertory of Arts and Manu-
factures IV. 364. Chaptal, Observations sur l'alun, in den Annales de Chymie
III. 46 Chaptal, Ueber die Bildung des kryſtall. Alauns, in ſeinen Anfangs-
gründen der Chemie, überſetzt von Wolf. Königsberg 1792. II. 70. Curaudau
in den Annales de Chymie. XLVI. 218. Gehlen Journal der Chemie. III. 435.
§. 285.
2) Die Vitriolſiederei.
Vitriol im beſonderen Sinne nennt man diejenigen Salze,
welche aus einer Verbindung von Schwefelſäure und Eiſen-,
Kupfer- oder Zinkoxyd hervorgegangen ſind und hiernach Eiſen-,
Kupfer- oder Zinkvitriol genannt werden. Jener iſt von hellgrü-
ner, der Andere von blauer, und der Lezte von gelblich weißer
Farbe. Den Erſten bereitet man, obſchon er auch natürlich gedie-
gen angetroffen wird, aus Eiſenkies; den Zweiten aus Kupferkies
und den Dritten aus Zinkerz. Das Verfahren bei ihrer Bereitung
hat nicht blos unter ſich keine weſentliche Abweichung, ſondern
ſtimmt auch mit der Alaunſiederei ſehr überein1). Man entzieht
den Erzen zuerſt durch Röſtung einen Theil ihres Schwefels2).
Um dieſelben zu vitrioliſiren, verwittert man ſie in Halden, unter
Einſprengung von Waſſer, an der Luft, bis ein Salz effloreszirt.
Die verwitterten Kieſe werden, wie die Alaunkieſe, ausgelaugt,
und zwar in der Regel in Laugekäſten oder Bottichen (Trekbütten,
von dem niederſächſiſchen Worte austreken = ausziehen),
welche treppenförmig übereinander liegen oder ſtehen. Alle werden
mit Kies gefüllt, der Kies im oberſten mit Waſſer begoſſen, die
unter Umrühren gebildete Lauge auf den Kies im zweiten, dritten
Kaſten oder Bottich u. ſ. w. abgelaſſen, bis ſie geſättigt iſt. Hier-
auf wird die Lauge geläutert oder geklärt, alsdann verſotten3)
[363/0385]
und darnach zum Kryſtalliſiren in Wachskäſten gebracht, welche
mit Holzſtäben durchſtochen ſind. Nach geſchehener Kryſtalliſation
wird die Mutterlauge (Salzlauge) hinweggenommen, der Kry-
ſtall abgeſchlagen, zum Trocknen auf Horden gelegt, und wenn
jenes geſchehen iſt, verpackt.
¹⁾ Monnet Traité (ſ. §. 284. Note 1.). Schlüter, Unterricht von Hütten-
werken. S. 597. Cancrin, Berg- u. Salzwerkskunde. Bd. IX. Abthl. III. §. 582.
Beckmann, Beiträge zur Oekonomie und Technologie. IV. und V. Ferber,
Beiträge zur Mineralgeſchichte verſchiedener Länder. I. Band (Mitau 1788).
Beckmann, Von der Verfertigung des Kupfervitriols bei Lyon, in ſeinen Bei-
trägen. Bd. VI Demachy Laboratorium im Großen. Bd. II. S. 207 (Leipzig
1784). Lampadius Handbuch. I. §. 416. II. Thl. III. Bd. S. 297. Deſſel-
ben Sammlungen chem. Abhandl. Bd. I., Bergmänniſches Journal. 6r Jahrg.
II. Bd. 290. I. Bd. 560. Tromsdorff, Journal der Pharmacie. I. Band.
2s Stück. S. 117.
²⁾ Entweder im Schwefeltreibofen, in welchem Röhren von gebranntem Thone
oder von Gußeiſen nebeneinander liegen, von der einen Seite, wo ſie mit den
Kieſen gefüllt werden, mit Stöpſeln verſchloſſen ſind, und an der anderen ſich ver-
engern und den verflüchtigenden Schwefel in eine Vorlage führen, — oder auf dem
Röſtheerde, wo die Kieſe pyramidaliſch aufgeſchichtet, mit Lehm umgeben und oben
mit einer Decke von Geſtübe (§. 282. N. 1.) zugemacht ſind, welche mit halbkugel-
förmigen Vertiefungen verſehen wird, in denen ſich der verflüchtigende Schwefel
ſammeln muß, wenn der Haufen von unten angezündet iſt. Hermbſtädt Techno-
logie. II. §. 629. Poppe Handbuch der Technologie. II. S. 218.
³⁾ Man verhindert die Trennung des Eiſenoxyds und erhöht den Gewinn des
reinen (kupferfreien) Vitriols, indem man die Lauge in Eiſenpfannen verſiedet und
altes oder neues Eiſen in die Lauge bringt. So wird nämlich Kupfer ausgeſchieden.
§. 286.
3) Die Salzſiederei oder das Salinenweſen.
Nicht die bergmänniſche Gewinnung, ſondern blos die Berei-
tung des Kochſalzes aus der Soole iſt Gegenſtand dieſes Zweiges
der Gewerkslehre1). Das Kochſalz iſt im Seewaſſer und in den
eigentlichen Salzſoolen enthalten, und aus dieſen muß es gewon-
nen werden. Man gewinnt das Seeſalz entweder durch Ab-
dampfen des Meerwaſſers an der Sonnenwärme in heißem Klima
in flachen Vertiefungen, am beſten im Thonboden, und mit Mauern
umgeben2), oder durch Abdampfen deſſelben am Feuer in länglichen
2–4 Fuß tiefen ſchmiedeeiſernen Pfannen3). Die Gewinnung
des Soolenſalzes aber, welche in Deutſchland ſchon am längſten
geübt und am paſſendſten iſt, erheiſcht einen anderen Prozeß und
andere künſtlichere Einrichtungen. Die Soole iſt, ſo wie ſie ge-
fördert wird, von verſchiedenem Salzgehalte4), aber ſie enthält
mehr oder weniger Kohlen-, Schwefel-, Hydriod- und Hydro-
bromſäure, Kali, Kalk, Bitter-, Alaun- und Kieſelerde, Eiſen-
oxyd, Eiſenoxydul, erdharzige Subſtanzen, organiſche Materie u. dgl.
mehr. Aber alle dieſe Theile ſind neutraliſirt, nämlich ſchwefelſaures
[364/0386]
Natron, Kalk und Bittererde, kohlenſaurer Kalk und Bittererde,
ſalzſaurer Kalk, Bitter-, Alaunerde und Eiſen, obſchon alle dieſe
Salze nicht zugleich darin vorkommen können, da ſich manche da-
von zerſetzen5). Man prüft die Soole auf ihren Gehalt vermittelſt
mancher Reagentien, und behandelt ſie, wenn ſie gereinigt iſt, auf
Salz. Iſt ſie nämlich ſchon concentrirt genug, ſo daß ſie mit
Vortheil verſotten werden kann, ſo kommt ſie ſogleich zum Ver-
ſieden. Iſt ſie aber noch zu ſchwach dazu, ſo hat man zwei Mittel,
ſie zu concentriren, nämlich man löst entweder bis zu ihrer Sät-
tigung in ihr noch Steinſalz auf oder man wendet die Gradirung
an, d. h. die Concentrirung durch freie ſich ſelbſt überlaſſene Ver-
dünſtung und Gefrieren. Bei freiem Luftzutritte verdampft die
Soole noch mehr als das Waſſer durch bloße Verdünſtung unter
dem Siedpunkte. Daher geſchieht dieſes Verdünſten entweder in
der gewöhnlichen Luft oder in der Kälte oder in der Son-
nenwärme6). Die Luftgradirung iſt die gewöhnliche und man
hat davon zwei Hauptarten, nämlich die Dorngradirung und
Pritſchen- oder Dach- oder Tafelgradirung7). Bei jener
läuft die Soole über Wände von Reiſig, und bei dieſer über ver-
ſchieden große ſchiefe dachförmige Ebenen von Brettern. Das
Wichtigſte iſt dabei, der Luft eine möglichſt große Oberfläche dar-
zubieten. Daher geht die Soole bei der lezteren Gradirmethode
von einer ſchiefen Ebene auf die andere, und bei der erſteren, die
hier beſchrieben werden ſoll, von einer Dornenwand auf die andere.
Die Dornengradirhäuſer ſind ſtockwerks- oder pyramidenförmig auf
einander errichtete, möglichſt dem Windzuge dargebotene, aus
Reiſig verfertigte, etwa 14–24 Fuß hohe Wände, auf welche
ſtufenweiſe, zuerſt auf die oberſte, von dieſer auf die zweite u. ſ. w.,
die Soole herabrieſelt, nachdem ſie durch irgend eine Waſſerkunſt
ſo hoch gehoben iſt8). Unter dem Dache des Gradirhauſes iſt ein
Soolenbehälter (Tropfkaſten) angebracht, aus dem ſie durch
Hahnen in Rinnen, welche ſie auf die Wände leiten, läuft, bis
ſich dieſelbe endlich in einem allgemeinen Sammelkaſten befindet,
den man Baſſin, Hälter oder Sumpf nennt9). Man wieder-
holt die Gradirung, bis die Soole concentrirt genug iſt, um ver-
ſotten zu werden, aber nicht bis zur völligen Concentrirung, weil
in dieſem Falle zu viel durch mechaniſches Fortreißen vermittelſt
des Windes und durch Angefrieren an das Reiſig verloren gehen
würde10). Die gradirte Soole iſt ſiedwürdig, wenn ſie 24löthig
(in 100 Thln. Soole 24 Thle. Salz haltend) oder auch ſchon,
wenn ſie 16pfündig (d. h. im Kubikfuße Soole 16 ℔ trockenes
Salz haltend) iſt.
[365/0387]
¹⁾ Zur Literatur: K. C. Langsdorf, Vollſtändige Anleitung zur Salzwerks-
kunde. Altenburg 1784–1796. V Thle. in 4. Deſſelben neue leichtfaßliche
Anleitung zur Salzwerkskunde. Heidelberg 1824. (Lezteres Werk iſt hauptſächlich in
halurgiſch-geognoſtiſcher und bergmänniſcher, das Erſtere vorzüglich wegen des
eigentlichen Salinenweſens bemerkenswerth.) J. W. Langsdorf, Einleitung zur
Kenntniß in Salzwerksſachen. Frankfurt a. M. 1771. Deſſelben Ausführliche
Abhandlung von Salzwerken. Gießen 1781. J. W. und K. C. Langsdorf, Samm-
lung praktiſcher Bemerkungen und Abhandlungen für Freunde der Salzwerkskunde.
Altenburg 1785–96. III Thle. Hermbſtädt Technologie. II. §. 642. Poppe,
Handbuch der Technologie. II. Abthlg. S. 326. Cancrin, Berg- und Salzwerks-
kunde. Bd. X. Brownring Kunſt, Küchenſalz zu bereiten, v. Heun. Leipz. 1776.
²⁾ Das Meerſalz heißt auch Bay- oder Boyſalz. Auf dieſe in Frankreich
und Spanien übliche Weiſe wird das Waſſer concentrirt und hierauf in große flache
Kaſten gepumpt, wo es ſich kryſtalliſirt, und die, ſchwefelſaure Bittererde haltende,
Mutterlauge zurückläßt. Solches Salz iſt aber immer noch wegen ſalzſaurer Bitter-
erde unrein. Auch laugt man in Frankreich den ſalzigen Meerſand aus und verſiedet
die Lauge in Bleipfannen.
³⁾ Dieſe Methode iſt in England und Holland gebräuchlich. Die Pfannen ſind
55 Fuße lang, 35 Fuße breit und 2–4 Fuße tief. Dies Verfahren iſt im Ganzen
daſſelbe, welches im folgenden §. beſchrieben wird.
⁴⁾ Die kürzeſte Methode, den Gehalt (die Löthigkeit) zu prüfen, iſt a) die
hydroſtatiſche Abwägung und der Gebrauch des Aräometers (der Salzwaage, Salz-
ſpindel). b) Sicherer iſt das Abdampfen einer gewiſſen Quantität der Soole bis
zur völligen Trockenheit, das darauf folgende Digeriren des Rückſtandes mit dem
ſechsfachen Gewichte von Alcohol, um die zerfließlichen Salze hinwegzubringen, und
endlich das Auflöſen des dermaligen Rückſtandes mit Waſſer, wornach blos der
Gips ungelöst zurückbleibt. Nach geſchehener Kryſtalliſirung hat man aber das Salz
nicht immer rein, ſondern öfters noch mit Glauberſalz und ſchwefelſaurer Talgerde
vermiſcht, falls dieſe in der Soole waren. Daher thut man beſſer c) wenn man
die Quantität der Soole mit einer Auflöſung von eſſigſaurem Baryt fällt, wodurch
alle ſchwefelſauren Salze, die darin ſind, niedergeſchlagen werden, — dann die
Flüſſigkeit über dem Niederſchlage hinwegnimmt, abdampft, den trockenen Rückſtand
mit Alcohol digerirt, der das eſſigſaure Natron, den eſſigſauren Kalk, die ſich durch
den früheren Prozeß gebildet hatten, auflöst, und das reine Kochſalz, blos mit
Erdetheilen gemengt, zurückläßt, — und endlich dieſen Salzrückſtand, um ihn von
den Erden zu trennen, auflöst, und dieſe Salzauflöſung wieder abdampft. — Ueber
den Gehalt der Soole haben wir Tabellen von Lambert (Lambert in der
Histoire de l'Académie des sciences de Berlin. Tom. XVIII. Anno 1762. pag. 27.
Bild Beiträge zur Salzkunde. Winterthur 1784. Langsdorf Vollſtändige An-
leitung. V. S. 37. I. 47. Hermbſtädt Technologie. II. §. 647.), von Dommes
(Hermbſtädt Technologie. II. §. 649.), von Watſon (Philosophical Transactions.
Vol. LX. pag. 325. Langsdorf Vollſtänd. Anleitung. V. 48. I. 48. Deſſen
Leichtfaßliche Anleitung. S. 15. Beckmann Technologie. S. 343.), von Wild
(in ſeiner oben angeführten Schrift, — bei Langsdorf Vollſtändige Anleitung.
V. S. 38), von Biſchoff (Gilbert Annalen der Phyſik. XXXV. 1810. S. 311.
Langsdorf Leichtfaßliche Anleitung. S. 13. Karſten Archiv für Bergbau und
Hüttenweſen. XI. S. 211.) und von Langsdorf (a. a. O.), welcher die älteren
verbeſſert und neu berechnet hat. Allein auf den Salinen ſelbſt hat man verſchie-
dene Gradirungen, z. B. jene zu Reichenhall (Langsdorf Leichtfaßliche Anleitung.
S. 14.), eine andere zu Montiers im Tarentkreiſe (Dingler polytechn. Journal.
XXXIV. 70.) u. dgl.
⁵⁾ Z. B. das ſchwefelſaure Natron und der ſalzſaure Kalk. S. auch Langs-
dorf Leichtfaßliche Anleitung. S. 22 folg. Deſſelben Vollſtänd. Anleit. S. 57.
⁶⁾ Die Eisgradirung bezweckt, der Soole durch das Gefrieren von ihrer
Wäſſerigkeit etwas zu entziehen. Die Sonnengradirung wird in ſüdlichen Ländern,
wie ſchon geſagt, auch bis zur völligen Salzbildung fortgeſetzt. Auch in Deutſch-
land iſt ſie ſchon angewendet worden. Senf Verſuche über den Erfolg verſchiedener
[366/0388]
⁶⁾ Ausdünſtungsarten des Waſſers aus Salzſoole in Gren's Journal der Phyſik.
VIII. 84. 351. und Hermbſtädt in den Mémoires de l'Académie des sciences
de Berlin, an. 1803. pag. 91. Langsdorf Vollſtändige Anleitung. I. 99. 111.
Nacherinnerung S. VII. und Thl. V. S. 137. Deſſelben Leichtfaßliche Anleit.
S. 542. 545.
⁷⁾ Langsdorf Leichtfaßliche Anleitung. S. 547. Vollſtändige Anleitung. I.
125. IV. 80. V. 140. Die Dornengradirung heißt man auch Tröpfelgradirung
und Leckwerke.
⁸⁾ Man ſ. über die angewendeten Waſſerkünſte Langsdorf Vollſtänd. Anleit.
I. 229–372. V. 178. Leichtfaßl. Anleit. S. 568.
⁹⁾ Die Wände ſind auf Gerüſte geſtellt, indem das Reiſig um jene herum
geflochten wird, nachdem es mit einer eigenen Schneidmaſchine dazu hergeſchnitten
iſt. Auf dieſelben fließt das Waſſer durch Einſchnitte aus den Gerinnen. Man
muß ſuchen, ſie nach dem Winde zu richten, wenn die Gradirung regelmäßig fort-
gehen ſoll. Dazu hat man eine Vorrichtung, Geſchwindſtellung genannt,
wodurch, wenn ſich der Wind dreht, die Soole auf die andere Seite der Wände
geleitet wird. Dieſelbe beſteht entweder aus einem Geſtänge, das die Rinnen
bewegt und beliebig unter die Hähne leitet, oder aus einem Haupthahne, durch
deſſen Oeffnung allen kleineren (Tropfhähnen) die Soole zugeführt wird.
¹⁰⁾ Bei großer Kälte und ſtarkem Winde iſt darum dieſe Tröpfelgradirung
nicht ſehr vortheilhaft, weil leicht ein Verluſt von ⅙-⅓ durch jene Umſtände
bewirkt wird. Am Reiſig ſetzt ſich immer ein unreines Salz (Leckſalz, Leck-
oder Dornſtein), beſtehend aus ſchwefelſaurem und kohlenſaurem Kalke mit Koch-
ſalz und kohlenſaurer Bittererde vermiſcht, an. In den Sümpfen aber ſetzt ſich ein
Schlamm (Zunder, eigentlich aber Sinter) an, der aus denſelben Beſtandtheilen
und Eiſenoxyd beſteht.
§. 287.
Fortſetzung.
So weit zugerichtet kommt die ſiedwürdige Soole in die
Siedhäuſer (Salzkothen), um dort in Pfannen verſotten zu
werden. Die Siedpfannen ſind von Eiſenblech, und die Böden
daran ſtärker als die Wände, dabei aber von verſchiedener Größe1).
Entweder hängen ſie an Ringen in großen Hacken oder ſie ſind
eingemauert, und zwar in einer ſchiefen Lage nach der Vorderſeite
des Heerdes. Sie werden von verſchiedenen Brennmaterialien ge-
heitzt, und hiernach richtet ſich auch der Bau des Heerdes2).
Ueber ihnen ſteht aber ein pyramidiſcher Fang (Schwaden-,
Dunſt- oder Brodenfang) zur Abführung der beim Verſieden
aufſteigenden Waſſerdämpfe. Beim Verſieden ſelbſt haben die
Salzwirker (Haloren) drei Hauptgeſchäfte, wofür man nicht
ſelten auch drei verſchiedene Pfannen hat, obſchon man mit zweien
auch ſchon ausreicht. Zuerſt wird die Soole in der Wärme-
pfanne, die ganz angefüllt wird, erwärmt, und, wenn das Ge-
ſchäft beginnt, auch zugleich die darunter angebrachte Sied- oder
Störpfanne geſpeist. Die Heitzung beginnt unter der Lezteren,
weil die hier ſchon benutzte Hitze noch hinreicht, der Wärmepfanne
die gehörige Temperatur zu geben. Das Verdampfen geht in der
[367/0389]
Siedpfanne vor ſich, und in demſelben Verhältniſſe wird aus der
Wärmepfanne nachgegoſſen, bis endlich zufolge des Siedens ſich
eine Salzhaut auf der Oberfläche der Soole in der Siedpfanne
bildet3). Jetzt ſagt man, die Soole ſei gar, und ſchreitet zum
Soggen (Soogen, Soken) derſelben. Dies geſchieht entweder
in der dritten (Soggenpfanne) oder in der Siedpfanne, und
beſteht in dem allmäligen Abdunſten der Soole bei mildem Wärme-
grade, ſo daß ſie nie zum Sieden kommt. Die erſte Haut fällt
kryſtalliniſch zu Boden, es folgt ihr eine andere, eine dritte,
vierte u. ſ. w.; bis dies aufhört, wird das Feuer noch unterhalten
und dann entfernt4). Dieſes geſoggte Salz nimmt (wirkt) man
mit ſchaufelförmigen Inſtrumenten (Soggenſtiel) aus der Pfanne.
Man füllt es in Weidenkörbe und läßt es oberhalb der Pfanne
darin abtropfen, bis es trocken genug iſt, um in die ſogenannte
Trockenkammer zum völligen Abtrocknen gebracht werden zu
können, wo mit warmer Luft geheitzt wird5).
¹⁾ Länger als 72 Fuße rhein. ſollen ſie nach Langsdorf nicht ſein und ſchon
11 Fuße ſind eine bedeutende Länge, ebenſo ſoll auch ihre Breite nicht über 20
rheinl. Fuße betragen. Die gewöhnlichen Siedpfannen ſollen aber nicht über 20
Zolle rheinl. tief ſein. Die Pfannen zum Kryſtalliſiren ſollen 16–20 Fuße lang,
6–12 Fuße breit, aber an der tiefſten Stelle 30 Zolle tief ſein. Als eine zum
Sieden und Kryſtalliſiren brauchbare empfiehlt Langsdorf eine ſolche von 20 Fußen
Länge, 17 Fußen Breite und 14 Zollen Tiefe für 24löthige Soole; die Größe einer
ſolchen Pfanne ſoll überhaupt mit der Löthigkeit der Soole in umgekehrtem Ver-
hältniſſe ſtehen. (Langsdorf Vollſtändige Anleitung. III. 375. 582. V. 231 folg.
Leichtfaßliche Anleitung. S. 619.) Hermbſtädt (Technologie. II. §. 655.) will
als beſte Dimenſion 28 Fuße Länge, 26 Fuße Breite und 16 Zolle Tiefe, oder
16 Fuße Länge, 12 Fuße Breite und 14 Zolle Tiefe erprobt haben. Ueber Ver-
beſſerung der Pfannen ſ. m. auch Dingler polytechn. Journal. XXX. 63.
²⁾ Man verſieht, wenn auch mit Steinkohlen, Braunkohlen und Torf geheitzt
werden ſoll, denſelben mit einem Roſte, Luftzuge und Aſchenheerde. Ueber die
Wahl des Brennmaterials ſ. m. Langsdorf Vollſtändige Anleitung. I. 438.
Deſſelben Leichtfaßliche Anleitung. S. 599.
³⁾ Man ſetzt hier auch oft Ochſenblut, Eiweiß, oder Milchſchleim bei, um die
durch Unreinigkeit entſtehende Trübung der Soole als Schaum wegzuziehen. Das
hier ſchon gebildete feine Salz nennt man auch Treibſalz; um es in größeren
Kryſtallen zu bilden, muß man die Soole in größerer Ruhe bei gelinderer Wärme
abdampfen. Eine verbeſſerte Methode des Abdampfens von Furnival iſt beſchrie-
ben bei Dingler polytechn. Journal XLIII. 26. Eine ſolche von Johnſon
ebendaſelbſt. XXXI. 36., eine andere von Braithwaite und Ericſſon daſelbſt.
XLI. 233. In der Siedpfanne ſetzt ſich auf dem Boden eine ſteinige Maſſe von
ſchwefelſaurem Kalke, Glauberſalz und Kochſalz feſt, welche man Pfannenſtein
nennt; der darüber liegende Ueberzug von Salz wird Branntſalz genannt, und
die rückſtändige nicht mehr kryſtalliſirbare Flüſſigkeit heißt Mutterlauge.
⁴⁾ Dieſes ſo gebildete Salz iſt größer als das andere und heißt Soggſalz.
Man ſ. über die Siedarbeiten Langsdorf Vollſtändige Anleitung. I. 424. IV. 59.
Deſſelben Leichtfaßliche Anleitung. S. 653.
⁵⁾ Ueber Anlage der Trockenkammern ſ. Langsdorf Vollſtändige Anleitung.
I. 391. 455. V. 253. Deſſelben Leichtfaßliche Anleitung. S. 665.
[368/0390]
III. Die Metallverarbeitung.
§. 288.
1) Die Meſſingbereitung.
Das Meſſing wird aus Zink und Kupfer bereitet. Der Zink
kommt nämlich in der Natur entweder in Verbindung mit Sauer-
ſtoff, als Galmey und Zinkſpath, oder metalliſch geſchwefelt, als
Blende, vor. Der Beiſatz von Zink zu Kupfer macht das Leztere
gelb, geſchmeidig und vom Sauerſtoffe der Luft weniger affizirbar1).
Eine Metallcompoſition dieſer Art iſt das bekannte Meſſing, deſ-
ſen Verfertigung der Gegenſtand ſehr bedeutender Gewerke iſt2).
Man reinigt nämlich den Galmey auf mechaniſchem Wege (Hand-
ſcheiden, Pochen, Verwaſchen, §. 280.) von allem Fremdartigen,
und bringt ihn dann, um das in ihm enthaltene Waſſer und die
Kohlenſäure aus demſelben zu entfernen, in einen Röſtofen, glüht
ihn und macht ihn unzuſammenhängend. Er verliert an Gewicht
dadurch 10–12% und ſein Volumen ſteigt dagegen um 33%.
Hierauf pocht oder mahlt man ihn fein und läßt ihn durch das
Sieb gehen. Je reiner das Kupfer iſt, deſto beſſer wird das
Meſſing, man nimmt daher vom reinſten Garkupfer und zerkleinert
daſſelbe, entweder indem man die Kupferſcheiben mit Scheer-
maſchinen verſchneidet, oder aber indem man daſſelbe in Tiegeln
ſchmilzt und granulirt, d. h. körnt. Die Kohle, welche zur Ver-
wandlung des Kupfers in Meſſing und zur Desoxydirung des Zink-
kalkes nöthig iſt, wird ebenfalls gepocht oder gemahlen und geſiebt.
Dieſe drei Ingredienzien bringt man in thonenen Tiegeln in einen
Windofen3); nachdem man die Kohle angefeuchtet und mit dem
Galmey vermengt hat, füllt man mit dieſem Gemenge und Kupfer
ſchichtenweiſe die Tiegel auf und gibt obenauf noch eine Decke
von Kohle4). Die Tiegel müſſen gleichviel gleiches Material und
gleiche Größe haben. Man ſtellt in der Regel ſechs gefüllte und
in der Mitte derſelben einen leeren in einen Kreis um den Roſt.
Dann füllt man den Ofen mit Kohlen, ſo daß die Tiegel 3–4
Zolle hoch bedeckt ſind, wirft glühende Kohlen darauf, wartet bis
die Kohlen entzündet ſind, füllt hierauf den Ofen ganz mit Kohlen
aus und ſchließt die obere Oeffnung deſſelben. So bleibt der Ofen,
bis das Abgebranntſein der Kohlen einen neuen Zuſchub an Lez-
teren nöthig macht, wobei oben wieder geöffnet werden muß. Iſt
auch dieſe zweite Zulage abgebrannt, dann iſt auch das Meſſing
gebildet, und ſeine fernere Behandlung hängt davon ab, ob daſſelbe
Guß- oder Stückmeſſing geben ſoll. Im erſten Falle hebt man
[369/0391]
den mittleren leeren Tiegel aus dem Ofen und ſetzt ihn ſogleich
neben der Oeffnung des Ofenſchachtes in eine lange, breite, tiefe,
viereckige Grube. Jetzt nimmt man auch die vollen Tiegel Einen
nach dem Anderen heraus, und gießt ſie in dieſen leeren aus, auf
welchem dann die Schlacke abgehoben und der reine Reſt der Be-
ſchickung zwiſchen glatten ſteinernen Platten in Tafelform aus-
gegoſſen wird. Um Stückmeſſing zu bilden, hat man keinen leeren
Tiegel in den Ofen zu ſetzen, ſondern man gießt die Beſchickung
aus den Tiegeln nur in die Grube aus, wovon das Meſſing als-
dann, wenn es conſiſtent, aber noch glühend iſt, weggenommen und
in Stücke zerſchlagen wird. Der Abfall, welcher aus Kohle und
Meſſingkörnern beſteht, und im einen wie im andern Falle ſich
bildet, wird hüttenmänniſch verwaſchen, um das bei der nächſten
Schmelzung beizuſetzende Meſſing rein zu erhalten.
¹⁾ Es bildet ſich ſogar ſchon Meſſing, wenn man blos die Zinkdämpfe auf glü-
hendes Kupferblech ſtreichen läßt oder wenn man das Kupfer mit Kohle und Galmey
in verſchloſſenen Gefäßen glüht, d. h. cementirt. (Lampadius Handbuch der
Hüttenkunde. Thl. I. §. 438.) Dieſe Bereitungsweiſe findet in den Fabriken des
unächten oder leoneſiſchen Goldes Statt. Lampadius a. a. O. II. Thl. III. Bd.
S. 175.
²⁾ Zur Literatur: Lampadius a. a. O. Thl. II. Bd. III. S. 174–206.
Gallon Kunſt, Meſſing zu machen. Ueberſetzt von Schreber. Leipzig 1766.
Beckmann Technologie (5te Aufl.). S. 598. Schauplatz der Künſte. Bd. V. S. 14.
Hermbſtädt Technologie. II. §. 817.
³⁾ Die Tiegel ſollen 3–3½ Fuß hoch, oben 2 Fuß weit ſein und ſich nach
unten zu verengern. Unten im Ofen ſollen 6–7 Tiegel Platz haben, ohne ſich zu
berühren, und erſt ſoll in der Mitte noch Einer geſetzt werden können. Einige
Zolle oberhalb der Tiegel verengt ſich der Ofen plötzlich zu einer 3 Fuß hohen
immer enger werdenden runden Oeffnung, ſo daß man mit einer Zange die Tiegel
aus- und einheben kann. Dieſelbe iſt durch einen eiſernen Deckel ſchließbar, in
welchem ſich ein kleines rundes Loch zum Entweichen der Kohlenſäure befindet. Ein
unterirdiſcher Kanal leitet den Oefen Luft zu.
⁴⁾ Die engliſche Beſchickung iſt = 70 Pfd. Kupfer, 19 Pfd. Zink (granulirt)
50 Pfd. Kohlenſtaub. Lampadius räth folgende Beſchickung:
No. I. = 33⅓% Kupfer, 66⅔% Galmey.
No. II. = 30 " " 36 " " und 34% alt. Meſſing.
No. III. = 40 " " 60 " "
No. IV. = 38 " " 62 " "
Bei der Meſſingfabrication zur Ocker am Unterharze hat man folgende:
Zu Mengepreſſe (beſtes Meſſing) = 60 Pfd. Lauterberger Garkupfer, 80
Pfd. Galmey, 20 Pfd. Kohlenſtaub.
Zu Tafelmeſſing (ordinair. Meſſing) = 35 Pfund Mengepreſſe, 40 Pfund
Lauterberger oder Mansfelder Garkupfer, 27 Pfd. Abfallmeſſing, 60 Pfd.
Galmey und 25 Pfd. Kohlenſtaub.
Zu Stückmeſſing (ſchlechteſtes) = 40 Pfd. Gekrätzkupfer von Fr. Marien-
Seigerhütte, 100 Pfd. Gekrätz von Meſſingmachern, 50 Pfd. Galmey,
10 Pfd. altes Meſſing, 15 Pfd. Kohle.
Lampadius a. a. O. II. Thl. III. Bd. S. 175. 178. 187–191.
Baumſtark Encyclopädie. 24
[370/0392]
§. 289.
2) Die Drahtzieherei.
Unter Draht1) verſteht man Metallfäden, welche entſtehen,
indem man Metallſtangen durch beſtimmt geformte Löcher mit Ge-
walt durchzwängt, ſo daß ihr Durchmeſſer den des Loches annimmt,
durch das ſie gezwängt wurden, und ihre Länge ſich auf Koſten
der Dicke vergrößert. Man macht ſolchen aus Eiſen, Stahl, Kupfer,
Meſſing, Silber und Gold, auch aus Platina und Zink. Der
Draht erhält dem Querſchnitte nach entweder eine kreisrunde,
oder irgend eine andere, ovale, eckige, halbmondförmige, ſtern-
förmige, roſenförmige u. ſ. w. Geſtalt. Allen nicht runden Draht
nennt man gaufrirt oder façonirt, und es gibt verſchiedene
Dicken des Drahtes, deren Darſtellung aber darum nicht thunlich
iſt, weil jede Fabrik ihre eigenen Dimenſionen und Bezeichnungen
hat2). Die Drahtzieherei beruht alſo auf der Streckung oder
Verlängerung der Metallſtange und man hat dazu zwei Hauptein-
richtungen, nämlich a) Drahtwalzwerke, welche jedoch weniger
als die folgenden in Anwendung ſind. Sie beſtehen aus drei neben
einander ſtehenden Gerüſten von Gußeiſen, in welchen gußeiſerne
Walzen von 8 Zoll Durchmeſſer feſt aufeinander liegen, ohne we-
niger oder ſtärker geſpannt werden zu können. Die Walzen ſind
außen herum mit Gerinnen verſehen, welche, wenn zwei derſelben
gerade aufeinander paſſen, eine Oeffnung machen, welche den
Querdurchſchnitt hat, die dem Drahte gegeben werden ſoll. Wenn
die Walzen nun gegeneinander umlaufen, ſo ziehen ſie die hinge-
haltene Eiſenſtange durch dieſe immer beſtehende Oeffnung zwiſchen
ſich hinein und auf der anderen Seite heraus. Das erſte Walzen-
gerüſte hat drei Walzen mit viereckigen Rinnen über einander, um
den Draht, wenn er ein Walzenpaar paſſirt iſt, auf der andern
Seite ſogleich durch das andere Paar hindurch zurückgehen zu laſſen.
Das zweite Gerüſte, nur aus zwei Walzen beſtehend, hat ovale
Löcher, um einen Uebergang zum dritten Gerüſte zu machen, das
kreisrunde Oeffnungen hat, und den Draht nicht mehr ſtreckt,
ſondern nur formt. Die Walzen werden durch irgend eine bewe-
gende Kraft vermittelſt verſchiedener Maſchinerie in Bewegung
geſetzt3). b) Drahtziehwerke, von denen auch das Geſchäft
ſeinen Namen hat. Das allgemeine Charakteriſtiſche derſelben iſt,
daß die Metallſtange nicht durch Walzen gezwängt, ſondern durch
harte Platten (Drahtzieheiſen), welche mit Löchern verſehen
ſind, gewaltſam durchgezogen werden. Dieſe Zieheiſen haben trich-
terförmige Löcher, um die Verdünnung allmälig zu bewirken, —
[371/0393]
dieſe Löcher müſſen ganz glatt und ſchartenfrei ſein, aber mit ihrer
Größe ſteht auch jene des Eiſens in geradem, mit der Größe des
Eiſens aber die Anzahl der Löcher in umgekehrtem Verhältniſſe4).
Das Durchziehen geſchieht nur im Kleinen mit der Hand, im
Großen aber durch Maſchinen, wegen des größeren Bedarfes an
Kraft und wegen der größeren Geſchwindigkeit. Der weſentlichſte
Theil der durch irgend eine bewegende Kraft getriebenen Zieh-
maſchine beſteht in derjenigen Vorrichtung, welche den Draht faßt
und hinwegzieht. Man hat dazu entweder Zangen oder Walzen
(Scheiben), welche in der Maſchine ſelbſt ihr bewegendes Mo-
ment finden. Eine Art von Zangen faßt den Draht ſogleich am
Zieheiſen, zieht ihn ſo weit fort als ſie reichen kann, läßt ihn
dann los, kehrt zum Zieheiſen zurück, faßt ihn von Neuem und
zieht ihn wieder ſo weit heraus u. ſ. w. Dieſe heißt man wegen
ihrer Bewegung Stoßzangen, und die ganze Gewerkseinrichtung
Drahtmühle5). Eine andere Art von Zangen faſſen den Draht
nur einmal, ziehen ihn auch in einem Zuge durch, und kehren
nur zurück, um einen andern zu holen. Man heißt ſie auch wegen
ihrer Bewegung Schleppzangen, und die ganze Gewerksvorrich-
tung Ziehbank6). Das Ziehen durch Walzen geſchieht, indem
der auf die Walze geſteckte Draht, indem dieſe umläuft, ſich auf-
wickelt und angezogen wird. Die Gewerkseinrichtung nennt man
Scheiben- oder Walzenzug7).
Ehe nun der Mechanismus in Thätigkeit geſetzt wird, muß
ſchon das Metall zugerichtet ſein, und dies geſchieht, indem man
daſſelbe zu Stäben der erforderlichen Dicke formt. Dieſe Geſtalt
gibt man den Stäben entweder durch Schmieden, Gießen, dieſes
und jenes aufeinander, durch Walzen, oder durch Zerſchneiden
von Blech oder Platten, ſei dies durch große Scheeren, ſei es
durch Schneidewalzen, welche durch beſonderen Mechanismus in
Bewegung geſetzt werden8). Ehe aber ein ſolcher Drahtſtab zum
Zuge kommt, wird er etwas geſpitzt, um ſo beſſer in die Oeffnung
der Walzen oder Zieheiſen zu paſſen. Das Durchziehen geſchieht
immer ohne abſichtliche Erhitzung des Metalls, und man ſchmiert
den Draht mit Fett, Oel, Talg oder Wachs, um ihn beſſer
rutſchen zu machen. Allein das Metall wird durch das Ziehen
hart und ſpröde, und dagegen muß man operiren, je größer die
Verdünnung des Metalls iſt und je mehr das Metall die Glühhitze
aushalten kann, aber dieſes Gegenwirken iſt um ſo weniger nöthig,
je dünner der Draht ſchon iſt, weil die Hitze beim Ziehen ſelbſt
ſein Hartwerden um ſo leichter verhindert. Zu dieſem Zwecke hat
man einen Glühofen oder Glühheerd in Bereitſchaft, worin oder
24 *
[372/0394]
worauf man durch Glühen des Drahtes ihn wieder weicher und
dehnbarer macht9). Auf dieſe Art im Allgemeinen, jedoch mit
Abweichungen in der Zubereitung des Metalles, wird aller Draht
fabricirt10).
¹⁾ Prechtl Encyclopädie. IV. S. 141. Poppe Handbuch der Technologie. I.
S. 254. Altmütter Beſchreibung der Werkzeugſammlung. S. 176. (Werkzeuge
zum Drahtziehen). Karmarſch Mechanik in ihrer Anwendung auf Gewerbe. I.
228. II. 49.
²⁾ Prechtl a. a. O. IV. S. 143. Man hat zur Meſſung eigene Draht-
maaße (Drahtklinken, Drahtlehren), welche aus einem Stücke Metall
beſtehen, das mit Einſchnitten oder Löchern verſchiedener Größe und Nummer ver-
ſehen iſt, die den verſchiedenen Drahtdurchmeſſern entſprechen; oder ſie beſtehen aus
einzelnen am Ende gekrümmten und mit einer Oeffnung oder Spalte verſehenen
Drahtſtäbchen, und heißen Meß- oder Probering, haben aber jedes für ſich ihre
Nummern; oder ſie beſtehen, beſonders zur Meſſung des engliſchen Stahldrahtes,
aus einem mit mehreren Löchern verſehenen Stahlbleche. Eine ſinnreiche Erfindung
des Engländers Robiſon, womit man den Drahtdurchmeſſer in Hunderttheilen eines
Zolls beſtimmen kann, ſo wie noch ein anderes Meßinſtrument iſt auch bei Prechtl
S. 151. u. 152. beſchrieben.
³⁾ Die Walzenpaare ſind ſämmtlich aneinander gekuppelt, damit ſie ſich wech-
ſelſeitig ihre Bewegung mittheilen. Bei einem Walzwerke, deſſen Walzen 8 Zolle
Durchmeſſer haben, kommen in einer Sekunde 8 Fuße 4½ Zolle Wiener Maaß
Draht aus dem Lezteren hervor; die Walzen machen 240 Umläufe in der Minute
und die Kraft der Maſchine iſt der von 8–10 Pferden gleich.
⁴⁾ Die kleinſten Zieheiſen ſind 5–6 Zolle lang und enthalten bis 400 Löcher.
Die größten haben eine Länge von 18–24, eine Breite von 3–6 und eine Dicke
von 1 Zoll. Ueber die Fertigung ſolcher Zieheiſen ſ. m. Prechtl a. a. O. IV.
158–164. Aber an die Stelle der Zieheiſen nimmt man neuerdings auch gebohrte
Edelſteine, als Diamante, Rubine, Saphire, Chryſolithe u. dgl. „Durch ein
Rubinloch von 0,0033 Zoll Durchmeſſer hat man einen, 170 Deutſche Meilen lan-
gen Silberdraht gezogen, deſſen beide Enden noch keinen meßbaren Unterſchied in
der Dicke zeigten. Ein gewöhnliches, in weichem Stahl gebohrtes Ziehloch wird
von dem Durchgange eines, nur 1400 Klafter langen Drahtes ſchon ſo ſehr erwei-
tert, daß es wieder kleiner gemacht werden muß.“ Prechtl a. a. O. S. 165.
⁵⁾ Nähere Beſchreibung eines ſolchen Werkes bei Prechtl a. a. O. IV. 176.
In der Regel beſteht eine ſolche Drahtmühle aus 2 Stockwerken, wovon das untere
die bewegende Maſchinerie, das obere aber die Ziehbänke hat. Dieſe Stoßzangen
paſſen nur für größeren Draht, da ſie den dünneren zu ſehr beſchädigen würden,
denn ſchon der Druck derſelben auf einen ſtarken Draht in verſchiedenen Abſtänden
verändert deſſen regelmäßige Geſtalt und gibt ihm eine unregelmäßige Dichtigkeit.
⁶⁾ Genaue Darſtellung eines Werkes dieſer Art auch bei Prechtl a. a. O.
181. Die Schleppzangen haben einen Zug von 5–30 Fuß Länge und dienen be-
ſonders zu feinem Silber- und Golddrahte.
⁷⁾ Dieſe Einrichtungen nennt man Rollen, Scheiben oder Leiern, und man
unterſcheidet, je nachdem ſie das Waſſer oder die Menſchenhand bewegt, die Waſ-
ſer- und Handleiern. Der ſogenannte Abführtiſch iſt nur eine ſtark gebaute
Handleier für ſtärkere Silber- und Golddrähte. Die Ziehſcheibe aber iſt ein für
die Fabrikation des feinſten Drahtes beſtimmte, vom Arbeiter ſelbſt bewegte Leier
von eigenthümlicher Form und Zuſammenſetzung. Prechtl a. a. O. IV. 188.
⁸⁾ Eine Beſchreibung eines ſolchen Mechanismus bei Prechtl a. a. O.
195 folg.
⁹⁾ Prechtl a. a. O. IV. S. 201.
¹⁰⁾ Darüber und von den Drahtverarbeitungen handelt auch Prechtl's Ency-
clopädie. IV. 204. 233. 256.
[373/0395]
§. 290.
3) Das Münzweſen.
Unter einer Münze verſteht man ein mit den Abzeichen, welche
Gepräge genannt wird, verſehenes Metallſtück von der Form ei-
nes kreisrunden niederen Cylinders. Die Münzen werden zu ver-
ſchiedenen Zwecken geſchlagen, entweder zum Gebrauche im Ver-
kehre als Tauſchmittel (Geldmünzen) oder zur Erinnerung an
wichtige Perſonen und Ereigniſſe (Denk- und Schaumünzen)
oder zur Auszeichnung für preiswürdige Thaten (Preis-, Ehren-
münzen oder Medaillen) oder zum Spiele als bloße Marken
(Spielmark-Münzen). Die Kunſt, ſolche Münzen zu fertigen,
heißt Münzkunſt und reicht in die bildenden Künſte erſten Ranges
hinauf, da es ſich oft um kunſtreiche Entwürfe handelt, welche
auf denſelben dargeſtellt werden ſollen. Man nimmt zu den Münzen
allerlei Metall und Metallcompoſitionen, aber zu den Geldmünzen
Platina, Gold, Silber und Kupfer, wovon die beiden mittleren
auch zu den feinſten Münzen anderer Art gebraucht werden. Die
Münzung1) zerfällt in folgende Operationen: a) Die Beſchickung,
worunter man urſprünglich die Füllung des Tiegels mit der zu
ſchmelzenden Metallmaſſe, dann aber jetzt beſonders die Miſchung
derjenigen Metalle verſteht, welche zur Münze zuſammengeſchmolzen
werden2). Der Schmelzer glüht und ſchmilzt die ihm vom Münz-
meiſter übergebenen Metalle in einem Tiegel im Windofen. Der
Münzwardein nimmt aus demſelben eine Probe (Tiegelprobe) zur
Unterſuchung der Feinheit der Maſſe. b) Der Guß der Stan-
gen oder Zainen. Hat die Tiegelprobe ihre Richtigkeit, ſo wird
die ganze Beſchickung in ein feuchtes Gemenge von Sand, Thon
und Kohlengeſtübe, oder in den Planenbogen (d. h. ein naſſes
zuſammengelegtes Zwillichſtück), oder in eiſerne Formen gegoſſen.
c) Das Strecken der Stangen oder Zainen. In dem bis-
herigen Zuſtande ſind die Zainen (Bleche oder Stangen) noch
nicht zu gebrauchen, ſie müſſen vom Streckmeiſter platt und
glatt gewalzt (geſtreckt) werden und kommen deshalb unter ein
Walz- (Streck-) Werk, nachdem ſie in einem Glühofen oder
in einer Glühpfanne durchgeglüht ſind3). d) Die Ausſtückelung
der Zainen (Münzſchienen). Haben die Zainen die gehörige
Gleichförmigkeit und Dicke der zu fabrizirenden Münzen, ſo ſchlägt
man (der Durchſchneider) aus ihnen die runden Münzſcheiben
(Platten) von der erforderlichen Größe. Dies geſchieht auf einer
Druckmaſchine, welche man Durchſchnitt nennt und deren unmit-
telbar auf die Zaine wirkender Theil ein ſenkrechter Stempel
[374/0396]
iſt4). e) Die Adjuſtirung der Platten. Da dieſe einzelnen
Platten dem Gewichte nach einander nicht gleich ſind, ſo müſſen
ſie einzeln gewogen, gefeilt und die zu leichten zurückgelegt werden.
Dies heißt man Adjuſtiren und thut der Juſtirer5). f) Das
Sieden der Platten. Die Platten, welche das gehörige Gewicht
haben, ſind nun äußerlich noch roh und unanſehnlich, deßhalb
erhält ſie der Sieder, welcher ſie in einer Flüſſigkeit ſiedet, die
denſelben ein ſchönes Anſehen gibt6). g) Das Prägen der
Platten zu Münzen. In dem jetzigen Zuſtande fehlt der Platte,
um eine Münze zu ſein, nur das Gepräge. Das Prägen geſchieht
jetzt allgemein durch das Präge- (Stoß-, Druck-) Werk oder
den Anwurf. Daſſelbe gibt der Platte den Avers (Bruſtbild-
ſeite) und den Revers (Wappenſeite) auf einmal, und ſein wich-
tigſter oder operirender Theil iſt eine verticale Schraube an einer
Preſſe, welche den Prägeſtempel, der den Avers führt, auf die
Platte drückt, die auf dem Prägklotze (dem unteren Stempel)
liegt, welcher den Revers führt7). Dieſes Geſchäft thut der
Präger. Die lezte Arbeit iſt aber h) das Rändeln der Münzen.
Um die Münzen vor dem Beſchneiden zu bewahren, gibt man ihrem
Rande noch gewiſſe Einſchnitte, wozu auch der daran oft befindliche
Wahlſpruch gehort (Rändelung oder Kräuſelung und Rand-
ſchrift). Man gibt denſelben dieſen Rand, indem man jede
Münze einzeln zwiſchen zwei Walzen oder Stangen von paralleler
Bewegung, die die Form der Rändelung und Randſchrift haben,
zwängt (Rändel- oder Kräuſelwerk). So iſt die Münze fertig.
Aber die Art der bewegenden Kraft in einer Münzſtätte iſt ſehr
verſchieden8). Auch gehört das Probiren der circulirenden Münzen
zu den Geſchäften des Münzers9).
¹⁾ Poppe, Handbuch der Technologie. I. 269. Hermbſtädt Technologie. II.
§. 824. Beckmann, Anleitung zur Technologie. S. 641. v. Praun, gründliche
Nachricht von dem Münzweſen. Leipzig 1784. 3te Aufl. von Klotzſch. Buſſe,
Kenntniſſe und Betrachtungen des neueren Münzweſens. Leipzig 1795 und 1796.
II Bde. Flörke, Münzkunſt und Münzwiſſenſchaft. 1805 (97r Bd. der Oekonom.
Encyclopädie von Krünitz). Dieze, Geſchichtliche Darſtellung des alten und
neuen deutſchen Münzweſens. Weimar 1817. Weilmeyer, allgemeines Münz-
wörterbuch. Salzburg 1817. II Thle. Prechtl Jahrbücher. VII. 75.
²⁾ Zum Behufe der Legirung oder Beſchickung iſt eine Gewichtseinheit
nothwendig, nach der dieſelbe vorgenommen wird. Dieſe iſt in Deutſchland die
kölniſche Mark = 8 Unzen = 16 Loth = 64 Quentchen = 256 Pfennig-
gewichten = 4352 Etzchen = 65,536 Nichtpfenniggewichtchen = ½ Pfd. preuß.
= 13,36 Loth bairiſch = 14,89 Badenſch = 0,23 Kilogramm franzöſ. = 4864
holländ. Aen, für Silber; aber dieſelbe kölniſche Mark = 24 Karat = 288 Gran,
für Gold; — in Frankreich für beides 1 Kilogramm = 10 Hectogrammen
= 100 Decagr. = 1000 Grammen = 10,000 Decigrammen zu 2 holländ. Aen
Gewicht, alſo = 20,8128 holländ. Aen; — und in Großbrittannien das
Pound Troy (Troypfund) = 12 Ounces (Unzen) = 240 penny weights (dwts
[375/0397]
²⁾ = Pfenniggewichten) = 5760 Crains = 7766 holländ. Aen = 25,5234 preuß.
Loth. für Silber, und ein ſolches = 24 Carats = 96 grains = 384 quarters für
Gold. Die Legirung mit Kupfer heißt die rothe, jene mit Silber die weiße,
und jene mit beiden zugleich die gemiſchte. Die unlegirte Mark heißt fein,
die legirte aber rauh. Der Gehalt einer Goldmünze an Gold, und einer Silber-
münze an Silber heißt Feingehalt, jener an Beſchickung aber Legirung, das
ganze Gewicht einer Münze jedoch das Schrot, und das Verhältniß des Fein-
gehaltes zu dieſem Korn. Dieſes iſt alſo der in einem Bruche ausgedrückte Fein-
gehalt, und wird beim Silber auf 16 Lothe, beim Golde auf 24 Karate berechnet,
welches beides den höchſten Grad der Feinheit bezeichnet. Daher ſagt man, eine
Silber-Münze halte z. B. 347[FORMEL] holländ. Aſſe fein, habe ein Schrot von 463 holl.
Aſſen, ſie ſei 12 löthig, womit man das Korn bezeichnet, oder eine Goldmünze
habe eine Schrot von 72 holländ. Aſſen, einen Feingehalt von 71,43 holl. Aſſen,
und ein Korn von 23 Karat. 7,1 Gran oder ſei 23[FORMEL] karätig. Was als Münz-
koſten oder Gewinn für das Prägen von dem Münzmetalle genommen wird, heißt
Schlag- oder Prägeſchatz.
³⁾ Nach dem Strecken wird auch öfters noch eine Verdünnung auf der Ad-
juſtirbank (auf dem Adjuſtirwerke) vorgenommen. Ein verzahnter Balken von
Eiſen wird an zwei Kurben auf derſelben hin und her bewegt, und eine an ihm
ſitzende Zange zieht die Zainen dann zwiſchen zwei ſtarken Tafeln von Stahl
(Backen), die man zuſammen Durchlaß nennt, hindurch. Karmarſch Mecha-
nik. II. 52.
⁴⁾ Der Stempel hat einen verſtählten ſcharfen Rand, paßt gerade auf eine
verſtählte eben ſo ſcharfe Oeffnung in einer Unterlage, und ſchneidet im Herabgehen
aus den Zainen die gewünſchten Platten aus, die dann in eine Lade fallen. Man
kann denſelben durch die Hand, durch den Fuß oder auf andere Art bewegen.
Früher wurde die Münze mehr aus der Hand gearbeitet. Karmarſch a. a. O. II. 71.
⁵⁾ Es iſt, weil man es darin eben ſo wenig zu einer mathematiſchen Gleich-
heit bringen kann, als in der chemiſchen Vertheilung der Legirung bis ins Unend-
liche, dem Adjuſtirer eine arithmetiſche Gränze geſetzt, wie weit der Gehalt der
Münze vom eigentlich geſetzlichen abweichen kann. Dieſes Mehr oder Weniger heißt
Remedium. Ueber Gengembre's Maſchine dazu ſ. m. Karmarſch. II. 74.
⁶⁾ Zum Weißſieden des Silbers nimmt man Kochſalz und Weinſtein, aber
kein verdünntes Scheidenwaſſer, und nach dem Sieden ſcheuert man ſie in Kohlen-
geſtübe in Tonnen oder in Zwillichſäcken, und trocknet ſie dann in Siedeſchaalen auf
dem Weißſiedeofen. Die Goldplatten ſiedet man in einer Auflöſung von weißem
Vitriol, Salmiak und Spangrün.
⁷⁾ Man bewegt die Schraube durch einen, an beiden Enden mit Metallkugeln
verſehenen Schlüſſel, indem man dieſen durch Seile, welche an den Kugeln feſt-
gemacht ſind, hin und her ſchwenkt. Den Stempel hebt man aber in die Höhe
durch die Wippe, d. h. einen in einer Gabel hängenden Hebel, der an einem
Ende beſchwert iſt. Die Prägeeinrichtungen ſind übrigens im Einzelnen abweichend.
Früher prägte man mit dem Hammer, welchen der Zuſchläger auf die Platte
richtete, die auf dem Prägeſtocke lag. Für kleine Münzen iſt dieſe Methode noch
angewendet, indem aber blos ſtatt der Schraube ein Hammer wirkt. Man nennt
dieſes das Klip- oder Schlagwerk. Auch durch Walzwerke prägt man
Münzen, indem die eine Walze den Avers, die andere den Revers führt, und die
Platte zwiſchen beiden durchgeht. S. Karmarſch a. a. O. II. 75. 79.
⁸⁾ Menſchenkraft, Waſſer, Dampf. Jedenfalls iſt durch die lezte Kraft am
meiſten zu leiſten. Von dieſer Art iſt das bewunderungswürdige, mit Hilfe von
wenigen Menſchenhänden operirende, ja ſogar die Zahl der in gewiſſer Zeit gepräg-
ten Münzen ganz ſelbſt anzeigende Boulton'ſche Münzwerk in Birmingham
eingerichtet, in welchem 1 Druckwerk 8 Maſchinen in Bewegung ſetzt, welche
zuſammen ſtündlich 30–40,000 Geldſtücke liefern. Nemnich, Neueſte Reiſe durch
England, Schottland und Irland. Tübingen 1807. S. 327. Klüber, das Münz-
weſen in Deutſchland. Stuttgart und Tübingen 1828. S. 100–101. Nach
Lezterem liefert die Pariſer Münze in einer Stunde 2500 Goldſtücke von 40–20 frs.,
2000 Silberſtücke von 5 frs., 2500 ſolche von 2 und 1 frs. und 3000 ſolche von
[376/0398]
⁸⁾ ½ frs. Ueber die königl. Münze in England Dingler polytechniſches Journal.
XVI. 401. XVII. 74. XXXII. 72. 151. XXXIV. 234. XX. 409.
⁹⁾ Man ſ. darüber Poppe I. 290. Hermbſtädt II. §. 834 und 835.
Le Sage Kunſt, Gold und Silber zu probiren. Leipzig 1782. 8. Stratingh,
Chemiſches Handbuch für Gold- und Silberarbeiter. Aus dem Holländiſchen überſetzt
von Schultes. Augsburg 1829. Ueberhaupt die Schriften über techniſche Chemie.
IV. Die Erde-, Stein- und Brenzeverarbeitung.
§. 291.
1) Gipsabgießerei.
Ein Abguß iſt die Nachbildung eines Originals vermittelſt
des Gießens entweder in Feuer zum Fluſſe gebrachter und beim
Erkalten wieder erhärtender Materien (z. B. Schwefel, Metalle)
oder durch Flüſſigkeit erweichter und nach der Erweichung ſchnell
hart werdender Stoffe (z. B. Gips, Hauſenblaſe). Ganz vorzüg-
lich eignet ſich der Gips durch ſeine Eigenſchaften zu dieſem Ge-
brauche1). Es iſt begreiflich, daß man vor allen Abgußarbeiten
in der Wahl des Originals ſehr behutſam ſei, und, wenn es ſich
um eine kunſtgerechte treue Nachbildung von Werth handelt, nie-
mals eine Copie nehme, weil die Copien immer dem Originale
nicht gleich, ſondern blos ähnlich ſind, ſich nie die ſcharfen Züge
des Originals zueignen und ſich von der genauen Aehnlichkeit
immer mehr entfernen, in je entfernterem Grade die Copie vom
Originale abſtammt2). Hat man ein gewünſchtes Original, ſo
iſt die erſte Arbeit die Bildung des Gußmodels und die zweite der
Abguß ſelbſt. Die Manipulationen ſind aber dabei nach der Geſtalt
des Originals und Models verſchieden, und man hat hiernach fol-
gende Gußformen: 1) Der Guß in eintheiligen offenen
Formen, z. B. von Münzen, Medaillen, Platten nach hiſtoriſchen
Gemälden, Portraiten u. dgl. mit halberhabener Arbeit. Sie ha-
ben nur eine oder auch zwei zu gießende Seiten, aber die Mani-
pulation iſt im Grunde dieſelbe3). Um das Model zu bilden,
befeſtigt man, je nach der Größe des zu gießenden Bildes, um
den Rand des Originals auf irgend eine Weiſe, z. B. mit einer
Nadel, mit Wachs, Leim, Kleiſter, ein Stück Papier, Pappe,
Schindeln, Lehm u. dgl. (Zarge genannt) ſo, daß es um daſſelbe
hervorragend einen Cylinder von entſprechender Höhe und derjenigen
Form bildet, welche die Flächenbegränzung des Originals angibt.
Jetzt trägt man zuerſt mit einem feinen Pinſel den flüſſigen Gips
ganz fein und ſorgfältig auf das Original und gießt dann darauf
ſchnell noch Gips nach, bis der ganze hohle Cylinder ausgefüllt
iſt. Iſt die Maſſe erhärtet, dann hat man die Form, und auf
[377/0399]
dieſe blos zu gießen, um Abgüſſe zu erlangen4). 2) Der Guß
allſeitiger geſchloſſener und hohler Formen, z. B. von
Büſten, Statuen, Figuren u. dgl. Will man ganz einfache
Figuren, wie z. B. Kugeln, Eier, Obſt, Cylinder gießen, ſo
verfährt man anders, als beim Guſſe von zuſammengeſetztern,
manchfaltige Form habenden, Geſtalten. Die Bildung des Models
und deſſen Zuſammenſetzung iſt das Weſentliche und Schwierigſte.
Zur Modellirung jener einfachen Dinge legt man um den weiteſten
Umfang eine Zarge, wie ſie oben beſchrieben iſt, und gießt dann
ſo lange Gipsmaſſe darein, bis der Gegenſtand ganz bedeckt iſt.
Iſt die Gipsumhüllung ganz hart, ſo nimmt man ſie ab, ſchneidet
ſie eben an der Fläche, mit der ſie auf der Zarge aufſaß, und
macht in dieſelbe einige halbrunde Einſchnitte (Marken genannt).
Wenn ſie bis zum Klingen getrocknet iſt, ſo ſchmiert man ſie mit
Oel oder tränkt ſie mit Terpentinfirniß, legt den Gegenſtand wie-
der in dieſen Theil des Models, verſieht dies gegen die andere
Seite mit einer Zarge, gießt Gipsmaſſe auf und ſo bildet ſich der
andere Theil, es entſteht das Model fürs Ganze, und die zwei
Theile haben eine feſte Haltung auf einander, indem durch den
Guß am anderen Theile Zäpfchen entſtehen, welche gerade in die
Marken des unteren paſſen. Jetzt ſchneidet man nur von Außen
trichterförmig das Gießloch (den Einguß) in einen Theil der
Form und das Model kann zum Guſſe gebraucht werden. Es iſt
aber immer beſſer, wenn man mehr als zwei Theile aus einem
Modelle macht, und dies iſt unfehlbar nöthig bei der anderen zu-
ſammengeſetzteren Art von Formen. Zur Bildung der Modelle für
dieſe Güſſe hat man drei Methoden. Nämlich a) man fertigt zu
einem Originale mehrere Formen, und läßt jede in einigen Stücken
beſtehen, die, ein jedes für ſich, nur einen Theil des Abguſſes
bilden5); oder b) man überzieht das ganze Original mit einer
1–3 Zolle dicken Gipskruſte, theilt nach ihrer Härtung die Ober-
fläche deſſelben in paſſende Felder ein, wie man die Kruſte ſtück-
weiſe am beſten abnehmen kann, ohne die Verbindungsnahten über
rein und fein auszuarbeitende Theile des Abguſſes zu führen,
ſchneidet entweder mit der Säge oder arbeitet mit dem Meißel
dieſen Felderlinien nach den Gipsüberzug durch, jedoch nicht bis
auf's Original, ſondern ſo weit, daß derſelbe noch Zuſammenhalt
hat, und ſprengt endlich dieſe Felder ſorgſam los, wobei auch das
noch Zuſammenhängende zerbricht. Dieſe Theile fügt man dann
auf irgend eine Art zum Modelle zuſammen und hat ſo die hohle
Gußform, in welcher man den Guß vollführt6). Oder endlich
c) man zeichnet ſich auf dem Originale ſelbſt die Formfelder vor,
[378/0400]
begrenzt ſogleich Eines derſelben mit einer Zarge von Thon oder
Lehm u. dgl., trägt auf daſſelbe den Gips auf, nimmt das ſo
entſtandene Modelſtück ab, beſchneidet es an den Seiten keilförmig,
ſchneidet die erforderlichen Marken ein, legt das ſo geſtaltete
Modellſtück wieder auf ſein Feld, umzargt das nächſtliegende Feld,
verfährt mit demſelben ebenſo wie mit dem vorherigen, und ſo
fort, damit nach und nach das ganze Model entſteht, an welchem
die einzelnen Stücke durch Marken und Zäpfchen einen guten Zu-
ſammenhalt haben7). Will man nun nach dieſen Modellen voll
gießen, ſo wird die Gipsmaſſe eben eingegoſſen. Allein man gießt
die Copien leichter, wohlfeiler und gefahrloſer für die Modelle
hohl, indem man zuerſt einen dünnen Gipsbrei in das Model gießt,
und durch gehöriges ſorgfältiges Bewegen deſſelben das Ueberziehen
des Innern davon mit einer Gipskruſte bewirkt, hierauf aber,
noch ehe die Gipsmaſſe erhärtet iſt, unter derſelben Arbeit wieder
eine neue Quantität des Breies nachgießt8).
¹⁾ Prechtl Encyclopädie. I. 68. Deſſelben Jahrbücher. XI. S. 1. Wenn
der Gips, gebrannt und fein gemahlen, mit Waſſer zu einem Breie erweicht wird,
ſo erhärtet er äußerſt ſchnell ſehr ſtark, und es entſteht in der Maſſe, wenn man
ſie blos mit der Hand berührt, eine Erwärmung und eine Vergrößerung des Um-
fanges. Man muß aber durch Praxis erfahren, wie lange und wie ſtark der Gips
geröſtet und wie viel Waſſer zum Behufe ſeiner entſprechenden Erhärtung beigeſetzt
werden muß. Wenn derſelbe vor dem Anrühren erwärmt wird, verhärtet er ſich
beſſer. Das Anrühren des Breies muß aber unter beſtändigem ſchnellem Umrühren
geſchehen, um Blaſen zu verhüten, und mit ſoviel Waſſer, daß ſich die Maſſe nicht
ſo ſchnell verhärtet. Andere Beimiſchungen von erdigen Theilen verbeſſern die Maſſe
nicht, ſondern benehmen ihr ihre Verhärtbarkeit.
²⁾ Bei der Benutzung derſelben hat man wegen Beſchädigungen ſehr behutſam
zu ſein, beſonders z. B. bei Antiken u dgl. Man kann aber nicht blos von todten,
ſondern auch von Händen, Füßen und Geſichtern lebender Menſchen Modelle nehmen.
Es wird das Geſicht z. B., wenn die Perſon auf dem Rücken liegt, mit Oel über-
ſtrichen, das Haar in demſelben mit einem Mehlkleiſter fein bedeckt, in jedes
Naſenloch zum Athmen entweder ein Röhrchen oder ein Papierdütchen geſteckt, eine
Zarge von Tuch gemacht und ein ſehr ſchnell verhärtender Gipsbrei aufgegoſſen.
³⁾ Um der Gefahr nicht ausgeſetzt zu ſein, daß man das Model und Original
oder den Guß und das Model nicht mehr von einander trennen könnte, ſo ſchmiert
man das Leztere von Beiden entweder mit reinem Baumöle oder mit einer Salbe
aus Baumöl und in Waſſer aufgelöster Seife. Lezteres iſt beſſer, weil das Oel
allein, wenn man nur wenig nimmt, ſich in das Original hineinzieht, und dann
ein noch feſteres Ankleben des Models verurſacht, und weil, wenn man viel Oel
nimmt, daſſelbe die Vertiefungen des Originals ausfüllt und das Model ſtumpf
macht, aber auch den Gips nicht hart werden läßt.
⁴⁾ Eine auf beiden Seiten abzugießende Münze, Medaille u. dgl., wird mit
einer Zarge nach beiden Seiten umgeben, und auf beide Seiten Gipsbrei gegoſſen,
um für den Revers und Avers das Gußmodel zu haben. Für ſehr wenige Copien
kann man ſich von Münzen u. dgl. auch Modelle von Stanniol machen, welche
ſehr ſcharfe Abgüſſe liefern. Man umwickelt die abzumodellirende Fläche mit einem
Stanniolblättchen und ſchlägt mit einer ſteifen Bürſte ſo lange darauf, bis ſich das
Gepräge ganz ſcharf heraushebt, und nimmt davon den Stanniol ſorgſam ab, der
dann als Model dient.
[379/0401]
⁵⁾ Man umgibt den abzumodellirenden Theil mit einer Zarge von Thon und
pinſelt oder gießt, je nach Thunlichkeit, den Gipsbrei auf. Dieſe ſo erhaltenen
einzelnen Theile werden durch Eiſendraht und Gipsbrei möglichſt unmerklich mit
einander zu einem Ganzen verbunden, und dies als Model gebraucht. Es iſt leicht
begreiflich, daß dieſe Methode kein ſicheres Reſultat liefert.
⁶⁾ Man bedient ſich zur Verbindung dieſer Theile der Schnüre. Um aber das
Original vor Beſchädigung beim Sprengen zu bewahren, überſtreicht man es zuerſt
mit einer ½-1 Zoll dicken Gipsdecke, der man einen ſchwarzen Anſtrich gibt, ehe
man den übrigen Gipsbrei noch aufträgt. Die ſchwarze Decke dient als Grenze für
das Eindringen des Meiſels beim Sprengen. Auf dieſe Art kann man nur wenige
brauchbare Abgüſſe machen, weil ſich die gezackten Ränder der Modeltheile leicht
abreiben und bald ſehr ſtarke Gußnähte verurſachen.
⁷⁾ Man firnißt dieſe Formſtücke oder tränkt ſie mit Fett. Um aber denſelben
als einem Ganzen mehr Zuſammenhalt zu geben, modellirt man über dieſes noch
ein zweites, aus drei Theilen beſtehendes, Model, was leicht thunlich iſt, weil das
Aeußere jenes Models gar nicht ſcharf gerandet iſt. Das neue Model bildet ſo die
Schaale des Erſteren, das nach Nummern ſtückweiſe eingeſetzt wird, und ſogar,
wenn es nöthig wird, auch mit Drähten an die Schaale befeſtigt werden kann; nur
muß man zu dieſem Behufe Drahtöhre eingießen.
⁸⁾ Dieſe Abgüſſe können gefärbt und polirt werden. Erſteres, wenn man dem
Abgußbreie ein Pigment, z. B. Zinnober, Mennige, Bergblau, Beinſchwarz, als
Pulver beimiſcht oder den Gips mit gefärbtem Waſſer anmacht. Das Poliren be-
wirkt man durch Anſtreichen mit Seifenwaſſer und Abreiben mit feiner Leinwand;
oder durch Ueberſtäuben und Abreiben mit Federweiß; oder durch Tränken mit
einer Flüſſigkeit aus 3 Theilen Leinölfirniſſes und 1 Theil weißen Wachſes. Das
Bronziren, Mahlen u. dgl. iſt für gute Abgüſſe ſchädlich, weil es die Züge undeut-
licher macht.
§. 292.
2) Die Glasbereitung.
Glas nennt man eine aus Alkalien und Kieſelerde in heftigem
Feuer entſtandene reine, gleichförmige, durchſichtige, in Waſſer
unauflösliche, blos von Flußſpathſäure affizirbare, ſehr ſpröde
Schmelzmaſſe. Seine Fabrikation und Formung1) iſt einer der
wichtigſten Gewerkszweige. Man unterſcheidet in Bezug auf die
Farbe gewöhnlich, obſchon etwas unlogiſch, grünes, weißes,
halbweißes und farbiges Glas, — in Bezug auf ſeine Form
Hohl- und Tafelglas, — in Bezug auf beſondere Beſtandtheile
deſſelben Kryſtall- (wozu auch das Flintglas gehört), Kreide-,
Glauberſalz- und bleihaltiges Glas, — in Bezug auf den
Gebrauchszweck Bouteillen-, Fenſter-, Spiegel- und opti-
ſches Glas. — Es gehören aber auch die künſtlichen Edel-
ſteine, Emaille und Glasflüſſe anderer Art hierher. Die we-
ſentlichen Beſtandtheile der Glasmaſſe ſind die Kieſelerde und
Alkalien2). Dieſe werden in einem gewiſſen Miſchungsverhältniſſe
vermengt, um geſchmolzen zu werden, und heißen zuſammen Glas-
ſatz (Fritte). Die Vermengung und Schmelzung geſchieht in
abgeſtumpft pyramiden- oder kegelförmigen Tiegeln (Glashäfen),
welche auf der Glashütte ſelbſt (in der Glasfabrike) aus feuer-
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beſtändigem eiſenfreien Thone und gebranntem Thone oder Scherben
von alten Glashäfen gefertigt werden. Dies Schmelzen in Tiegeln
und überhaupt die ganze Glasbereitung geſchieht, bis auf die
Arbeiten des Glasblaſens, in Oefen. Man hat aber verſchiedene
Oefen auf der Glashütte, nämlich a) den Calcinir- oder Fritt-
ofen, in welchem die Fritte zuerſt nur roh zuſammengeſchmolzen
wird; b) den Glas-, Schmelz- oder Werkofen, in welchem
die Fritte noch vollends klar oder blank geſchmolzen wird, um das
Glas daraus blaſen zu können; c) den Kühlofen, welcher mit
dem Werkofen in Verbindung ſteht, durch deſſen Hitze zum Theile
erwärmt wird und dazu dient, das geblaſene Glas allmälig abzu-
kühlen; d) den Streckofen, ganz wie der Kühlofen geſtaltet,
und auch nur ein Kühlofen, in welchem das zu Tafeln beſtimmte
Glas die Flächengeſtalt erhält3). Der Glasſatz wird in den Tie-
geln des Frittofens unter Umrühren geglühet, bis er anfängt
zuſammen zu ſchmelzen. Hierauf wird derſelbe löffelweiſe ausge-
ſchöpft, und in die Tiegel des Werkofens, welche vorher ſchon
weißglühend heiß gemacht ſein müſſen, ſo portionenweiſe gegoſſen,
daß erſt, wenn die vorherige ganz geſchmolzen iſt, die neue hinzu-
kommt. Bei dem erſten Schmelzen wird die Kohlenſäure ausge-
trieben und dann ſteigt eine Schichte von verſchiedenen Salzen
oben auf, die man Glasgalle nennt und abſchöpft. Die 12 bis
30 Stunden dauernde Schmelzung iſt beendigt, wenn kein unauf-
gelöstes Körnchen mehr in der Fritte iſt, die trüben Streifen ver-
ſchwunden ſind, kein Schaum und keine Luftblaſen mehr erſcheinen.
Jetzt beginnt die mechaniſche Arbeit des Glasblaſers, der mit
der Pfeife (d. h. einem 3–5 Fuße langen ſchmiedeiſernen, am
Ende mit einem kleinen hohlen Knöpfchen verſehenen, oben mit
einem hölzernen Griffe zum Anfaſſen beſetzten Blaſerohre) ein
bißchen Fritte aus dem Hafen nimmt, durch Blaſen und Schwenken
einen hohlen Cylinder daraus bildet, und dieſen Cylinder auf einer
neben ihm liegenden Marmor- oder Kupferplatte rollt, um ihn
eben zu machen. Dieſe Arbeiten, welche man ſehen muß, um eine
klare Vorſtellung davon zu bekommen, geſchehen nicht ununter-
brochen fort, ſondern die ſo im Hüttenraume bearbeitete Fritte
muß immer von Zeit zu Zeit wieder in den Ofen geſteckt werden,
damit ſie ſich weich erhalte und leicht ausdehne. Die verſchiedenen
Formen erhält das Glas durch Eindrücken mit einem Eiſen und in
vorhandene Modelle. Soll aber Tafelglas gemacht werden, ſo wird
auf obige Weiſe ein Cylinder von verſchiedener Größe geblaſen,
geebnet, und dann mit einem Diamanten nach der Länge aufge-
ſchnitten. Von der Pfeife bringt man dann die Gläſer durch einen
[381/0403]
Schnitt mit der Scheere ab. Das Hohlglas kommt hierauf in den
Kühl-, das Tafesglas in den Streckofen, beides um durch all-
mäliges Abkühlen vor Sprödigkeit bewahrt, und Lezteres um in
die Tafelform vollends umgebildet zu werden4).
¹⁾ v. Keeß Darſtellung. II. 840–906. Loyſel, Verſuch einer Anleitung
zur Glasmacherkunſt. Aus dem Franzöſiſchen. Frankfurt a. M. 1802. Mit Kupfer-
tafeln. Hermbſtädt Technologie. II. §. 798. Poppe, Handb. der Technologie.
III. 598. Prechtl Jahrbücher. II. 136.
²⁾ Je reiner die Kieſelerde, deſto ſchöner das Glas. Man nimmt daher
am beſten Bergkriſtall, Quarz, Quarzſand oder Feuerſtein. Unreine Kieſelarten
müſſen zuerſt gereinigt werden. Vom eiſenhaltigen Thone, den ſie gar nicht haben
dürfen, werden ſie durch Verwaſchen oder Schlämmen befreit. Iſt dies aber nicht
genügſam, ſo ſoll man 50 Pfund Quarzſand in Waſſer legen, in welchem 1 Pfund
Salzſäure gemiſcht iſt. Um Quarzſtücke zu benutzen, müſſen ſie gepulvert werden,
und das geſchieht durch Röſten in heftigem Feuer und plötzliches Werfen in kaltes
Waſſer nach der Röſtung. Dies verurſacht Riſſe. — Von den Alkalien nimmt
man Natron, Kali oder Kalk. Erſtes iſt am zweckmäßigſten, und das kohlen-
ſaure Natron am reinſten, wenn es vom Kryſtalliſationswaſſer frei und getrocknet
iſt; ebenſo auch Glauberſalz; das Kochſalz gebraucht man dazu beſonders in
Verbindung mit Kali; boraxſaures Natron nimmt man wegen ſeiner Koſtbar-
keit in der Regel nur zu feinſten Glasarbeiten. Das Natronglas iſt das härteſte.
Vom Kali nimmt man in der Regel nur das kohlenſaure, nämlich Pottaſche,
von welcher ſich die Kohlenſäure gewiß trennt, da ſich die Kieſelerde leichter mit
Kali verbindet, als die Kohlenſäure, und ſo kieſelſaures Kali bildet. Das Kaliglas
wird glänzender als das Natronglas, daher man es zu Spiegeln und Leuchtern
nimmt. Der Kalk als Alkalizuſatz iſt für ſich unzureichend, weßhalb ihm noch
Natron oder Kali zugeſetzt werden muß. In der Regel nimmt man Kalkhydrat,
auch Kreide, auch Flußſpath (Fluorcalcium). Viel Kalkgehalt macht das
Glas von Waſſer und Säuren angreifbar. — Von dieſen beiden Ingredienzien
nimmt man am beſten ziemlich gleichviel. Ueberſchuß an Kieſelerde erſchwert das
Schmelzen, verurſacht Körner und daher Sprünge im Glaſe. Ueberſchuß an Alkali
erleichtert das Schmelzen und verhütet die Trübung des Glaſes durch die ſogenannte
Glasgalle, aber beim Erhitzen werden die Gläſer dadurch matt. Außer dieſen Zu-
ſätzen gibt man auch noch oxydirende und ſolche, um die Gläſer zu färben. — Das
Anführen von Glasrecepten würde hier unnöthigerweiſe viel Raum wegnehmen; es
finden ſich ſolche in obigen Schriften in außerordentlicher Anzahl; auch bei
Schweigger Journal der Chemie. XV. S. 90. Man macht auch Glas ohne
Pott- und Holzaſche (Le Guay in den Annales de l'Industrie nationale etc. Août
1822. Prechtl Jahrbücher. IX. 423.). Ueber Metallzuſätze zum weißen Glaſe
ſ. m. Dingler polytechn. Journal. IX. 233, und, wie Hermbſtädt angibt, im
New London Mechanics Register. N. 14. p. 313 (nach Cooper). Ueber Verfer-
tigung des rothen Glaſes ſ. m. Dingler polytechn. Journal. XXVIII. 299 (nach
Engelhardt), und über jene des blauen Glaſes ebendaſelbſt XXX. 412. und
Verhandlungen des Gewerbsvereins in Preußen. Jahrg. 1829. S. 180 (auch nach
Engelhardt). Man gibt dem Glaſe eine blaue Farbe durch Kobaltoxyd
(m. ſ. eine vortreffliche Darſtellung der Schmaltebereitung bei Lampadius Handb.
der Hüttenkunde. II. Thl. III. Bd. S. 86–142.); die grüne durch Kupfer-,
Eiſen- oder Chromoxyd; die rothe durch Eiſenoxyd oder durch Goldpurpur; die
violette durch Manganoxyd oder Braunſtein; die gelbe durch einen grünen
Birkenzweig, mit welchem man die Fritte umrührt, oder durch eine Beimiſchung
von Spießglanz- und Uranoxyd oder Silberchlorid (ſalzſaures Silber). Schwarzes
Glas wird durch Zuſatz von Eiſen, Braunſtein und Kobalt, grünes aber auch
noch durch Zuſatz von Kobalt- und Spießglanzoxyd mit Silberchlorid bereitet. —
Das Flintglas (Kieſelglas) iſt ein vorzüglich reines helles Glas; das Crown-
glas (Kronglas) aber ein ſehr dickes helles reines Tafelglas. Beide, Erfindungen
der Engländer, werden zu optiſchen Inſtrumenten gebraucht. v. Keeß a. a. O.
[382/0404]
²⁾ II. 886. 888., wo auch S. 889 verſchiedene Recepte für künſtliche Edelſteine aller
Art angegeben ſind; ebenſo Poppe Handbuch. III. S. 618. Hermbſtädt. II.
§. 808.
³⁾ Der Werkofen bedarf einer beſondern Beſchreibung. Er iſt einem Back-
ofen nicht unähnlich. Unten an ihm befindet ſich das Aſchenloch; oberhalb dieſes
das Schürloch; über dieſem die Oeffnung zum Einſetzen der Glashäfen, die,
wenn dieſe darin ſind, geſchloſſen wird; die Glashäfen ſtehen darin auf einem her-
vorſpringenden Mauerwerk (Bank genannt) im Schmelzraume entweder im
Kreiſe oder an den vier Seiten, je nach der Geſtalt des Ofens; vor jedem Hafen
iſt ein Arbeitsloch (Fenſter), das zu den Arbeiten des Glasblaſers dient und
durch gebrannte Thonröhren (Hufeiſen) verengert werden kann; unter dem
Schmelzraume iſt der Feuerheerd und unter dieſem der Aſchenheerd angebracht.
⁴⁾ Die übrigen Verarbeitungen des Glaſes zu Spiegeln, Moſaik, Pokalen
u. dgl. ſind Gegenſtand anderer Gewerkszweige, finden ſich aber auch in obigen
technologiſchen Schriften beſchrieben.
§. 293.
3) Die Bleiſtiftverfertigung.
Die Bleiſtifte ſind kleine Stäbchen von Graphit, dieſer
aber iſt eines der brenzlichen Mineralien (Brenze). Man hat
natürliche und künſtliche Graphitſtifte. Jene ſind aus dem bis
jetzt nur in England gefundenen reinen dichten Graphit auch nur
in England gefertigt und daher zu beziehen. Dort verſägt man
die großen Graphitſtücke in Platten, glättet dieſe auf wagerechten
Scheiben aus und zerſägt ſie in Stifte von beliebiger Dicke, die
man dann entweder unmittelbar in die bekannten ſilbernen oder
überhaupt metallenen Hülſen bringt, oder auch in Holz faßt und
verkauft. Den Mangel an hinreichend wohlfeilen Bleiſtiften dieſer
erſten Klaſſe ſucht man durch künſtliche zu erſetzen, indem man
den, hauptſächlich in Böhmen und Baiern gefundenen, blättrigen,
erdigen und ſtaubartigen Graphit nimmt, mit andern bindenden
Materien miſcht, und entweder in große Maſſen formt, aus denen
man die einzelnen Stifte ſchneidet, oder aber noch im weichen
Zuſtande die Stifte bereitet1). Die früheren Bindemittel, als
Gummi, Leim, Tragalith, Hauſenblaſe, Schwefel, Kolophonium,
Schellack und roher Spießglanz ſind jetzt als mehr oder weniger
unbrauchbar von dem Thone verdrängt worden, denn dieſer macht
die Maſſe leicht formbar und bis zu jedem beliebigen Grade härtbar,
wenn er fett, zähe und frei von Kalk und Eiſenoxyd iſt. Thon
und Graphit wird im Stößer oder auf kleinen Handmühlen pul-
veriſirt, dann geſiebt, und hierauf (beſonders Erſterer) verwaſchen
oder geſchlämmt, bis alles Fremdartige, Grobe davon hinweg iſt.
Darauf werden dieſelben ſehr ſorgfältig nach den einmal durch
Erfahrung bewährten Verhältniſſen gemiſcht, welche ſich zwiſchen
4–8 Thln. Thon auf 5 Thle. Graphit herumbewegen, wenn die
[383/0405]
Stifte gut werden ſollen. Die Miſchung geſchieht in eigens dazu
gebauten Mühlen, die von Menſchen oder auf eine andere Art
bewegt werden2). So iſt der Teig ſchon zähe, aber noch nicht
im gehörigen Grade, weßhalb er erſt noch recht durchgearbeitet
wird, um ihn luftfrei und dicht zu machen. Zu dieſem Behufe
ſchneidet man mit einem, die Sehne eines Bogens bildenden,
Eiſendrahte von der Maſſe Blätter ab und knetet ſie, bis obiger
Zweck erreicht iſt. So wird der Teig ballenweiſe aufbewahrt bis
zur Bearbeitung. Um aber die Reißbleiſtifte zu bilden, hat man
folgende zwei Werkzeuge: a) Entweder Bretter mit parallelen
Rinnen (oder Nuthen) von der Dicke des zu bildenden Bleiſtiftes,
in welche mit der Hand oder durch eine Preſſe der Teig eingedrückt
wird. b) Oder kupferne, auch meſſingene Platten von der Dicke
des zu bildenden Stiftes, in welche ſolche parallele Einſchnitte
gemacht ſind, in die man auf die ſo eben angegebene Weiſe den
Teig eintreibt3); c) Oder, wenn man runde und vierkantige
Stifte machen will, ein Inſtrument, das aus einem Cylinder
(einer Büchſe) beſteht, in welcher ein Holz- oder Metallſtempel
durch eine Schraubenpreſſe hinabgedrückt werden kann, damit er
die in denſelben eingefüllte Reißbleimaſſe durch Löcher hinauspreßt,
welche, in der Weite des zu bildenden Stiftes, auf dem Boden
deſſelben angebracht ſind4). Die auf eine dieſer Methoden berei-
teten Stifte werden, um ihnen die gehörige Feſtigkeit zu geben,
in einer ſchwachen Rothglühhitze gebrannt, indem man ſie in Tie-
gel ſtellt, ganz in demſelben mit Kohlenſtaub umgibt und noch
einige Zolle hoch bedeckt, die Tiegel mit einem Deckel zukittet und
in den Windofen ſetzt, oder indem man ſie horizontal in feuerfeſten
Kapſeln mit Kohlenſtaub ſchichtet und dieſe bedeckt in den Ofen
legt5). So weit muß der Stift bereitet ſein, ehe er in metallene
Hülſen gefaßt, oder in Holz oder Schilfrohr eingeſetzt werden
kann. Zu dieſem Behufe ſchneidet man das zu gebrauchende Holz
auf Furnier-Schneidemühlen in dünne Brettchen, und dieſe wieder
in kürzere, bleiſtiftlange Stücke. Auf der gehobelten Fläche wer-
den mittelſt eigens dazu eingerichteter Hobel parallele Rinnen oder
Nuthen, von der Dicke eines einzulegenden Stiftes oder ſchmälere
abwechſelnd eingeſtoßen. Die weiteren Nuthen müſſen den Stift
aufnehmen, die engeren aber dienen zum leichteren Zerſchneiden
der Brettchen in Stäbchen6). Nachdem dieſe Stäbchen fertig
ſind, werden die Stifte mit Leim beſtrichen und in die Nuthen
eingelegt. Iſt der Stift ſo dick, daß auf der offenen Fläche des
Stäbchens ein dünnes Stäbchen eingeſchoben werden kann, ſo
wird ein ſolches eingeleimt. Iſt aber die Nuthe davon ganz aus-
[384/0406]
gefüllt, ſo wird auf die ganzen Fläche des Stäbchens, wo der
Stift frei iſt, ein Holzplättchen aufgeleimt. Dieſe eckigen Stifte
werden auf dem Werktiſche in halbrunde Rinnen geſpannt, ſo daß
jedesmal eine Kante nach oben kommt, und dann mit einem Kehl-
hobel von konkaver Schneide rund gehobelt.
So weit fertig werden die Bleiſtifte, mehrere in einer Reihe,
vermittelſt zweier Querleiſten, wovon die Eine je nach der erfor-
derlichen Länge der Bleiſtifte am Werktiſche geſtellt werden kann,
um den Bleiſtiften als Widerhalt zu dienen, die andere aber zum
Feſthalten von oben herab dient, abgemeſſen und angeſchraubt, um
ſie mit einer Säge gleich abſägen zu können. Das Glattſchneiden
der Enden derſelben geſchieht aus freier Hand mit einem beſondern
Meſſer, und das Poliren mit Schafthen, aber das Aufdrücken des
Fabrikzeichens durch eine Preſſe, und in England durch ein Walzwerk.
¹⁾ Prechtl Encyclopädie. II. 437. v. Keeß Darſtellung. II. 936. Die
meiſten Erfindungen in dieſem Gewerke ſind von Herrn Conté. Nach ſeiner Me-
thode iſt es auch beſchrieben.
²⁾ Das Weſentliche dieſer Miſchmühlen, wenn man jene mit bloßen Sand-
ſteinen nicht rechnet, iſt ein gußeiſerner Cylinder, in dem ſich ein gußeiſerner Läufer
umdreht, der den Boden und die Wandung nicht berührt, hohl und zu einem
Trichter ausgefüttert iſt, und an ſeinem Boden Löcher hat, durch welche, wenn er
ſich um ſeine ſenkrechte Axe kraft des Räderwerkes dreht, die naſſe Reißbleimaſſe,
nachdem ſie in den Trichter eingegoſſen iſt, auf den Boden des Cylinders heraus-
geht, kraft der Centrifugalkraft im Cylinder in die Höhe ſteigt und ſelbſt wieder
in den Trichter geht, bis die Operation eingeſtellt wird. So wird die Miſchung
ſehr vollſtändig bewirkt.
³⁾ Die Stifte werden durch gelinde Wärme allmälig getrocknet. Um aber
dieſelben vor dem Verziehen zu bewahren, werden ſie, noch in der Nuthe befindlich
und naß, mit einem Brette zugedeckt. Zum Herausbringen derſelben aus den
Nuthen bedient man ſich eines Werkzeugs, das aus kleinen Schienen an Querſtangen
beſteht, die gerade in die Einſchnitte der Platten paſſen.
⁴⁾ So kommen aus der Oeffnung an dem Boden Stängchen heraus, welche
man mit einem glatten Brette regelmäßig auffaßt, nach einigem Trocknen nach
Seitenleiſten gerade dicht neben einander legt, mit einem leichten Brette zudeckt
und ſo zum Trocknen in die Wärme bringt. Ehe ſie ganz trocken ſind, werden ſie
zu der Länge der Bleiſtifte zerſchnitten.
⁵⁾ Einen eigenthümlichen Ofen hierfür, auch von Conté erfunden, beſchreibt
auch Prechtls Encyclopädie. II. 444.
⁶⁾ Auch hierfür hat man Maſchinen, wodurch große Hobel oder Circularſägen
oder Schneideräder mehrere Nuthen auf einmal einſchneiden. Prechtl a. a. O.
II. 447.
Zweite Unterabtheilung.
Verarbeitung pflanzlicher Stoffe.
I. Verarbeitung mehlhaltiger Stoffe.
§. 294.
Das Getreide-Mühlenweſen1).
Das Mahlen des Getreides geſchieht durch zwei übereinander
liegende Mühlſteine, wovon der untere (Bodenſtein) feſtliegt
[385/0407]
und der obere (Läufer) ſich auf einer eiſernen Stange (Mühl-
eiſen) bewegt3). Dieſes Mühleiſen trägt den Läufer vermittelſt
einer ſtarken eiſernen Platte (Haue oder Haube), welche von
unten in denſelben gelegt iſt und das pyramidiſche obere Ende des
Mühleiſens aufnimmt, ſo daß der Läufer auf der Haube und dieſer
auf dem Mühleiſen ruht. Daſſelbe geht aber mitten durch den
Bodenſtein und durch den Boden des Mühlgerüſtes, auf dem jener
liegt, hindurch, führt unten einen Trilling, dem es als Axe dient,
und ruht dann als ſolche auf einer Unterlage (dem Stege), der
ſeinerſeits auf einem Balken (Tragbank) liegt, der auf irgend
eine Art auf einer Seite unterſtützt iſt, auf der anderen, nämlich
vorderen Seite oder am vorderen Ende, eine ſenkrechte Eiſenſtange
aufnimmt, welche bis hinauf zum Boden des Mühlengerüſtes reicht,
wo auf das ſchraubenförmige obere Ende eine Schraubenmutter
eingeſchraubt iſt, vermittelſt welcher die Tragbank, alſo der Steg,
Drilling und Läufer höher hinaufgezogen und herabgelaſſen werden
kann, je nachdem der Leztere dem Bodenſteine ferner oder näher
ſein ſoll. Dieſe Vorrichtung heißt die Stellſchraube, und die
Benutzung derſelben das Stellen der Mühle. Der Trilling (und
folglich mit ihm der Läufer) wird durch ein Kammrad umgedreht,
das im Innern der Mühle an derſelben Welle ſitzt, an welcher
außerhalb der Mühlwand, durch die ſie geht, dasjenige Rad,
überhaupt diejenige Vorrichtung iſt, welche die bewegende Kraft
aufnimmt3). So iſt alſo der einmal geſtellte Läufer in Bewegung
geſetzt, und wir verfolgen jetzt die Frucht vom Einſchütten bis
zum Mehle. Die Frucht ſchüttet man in einen oberhalb des Läu-
fers angebrachten umgekehrt pyramidiſchen Trichter von Holz
(Rumpf), welcher unbeweglich iſt, aber unten gerade über dem
Läufer dieſelbe in einen kleineren hölzernen Trichter (Schuh)
führt, der durch Schnüre von den Seiten her ſchwebend gehalten
wird. Dieſer Schuh iſt mit einem abwärts gehenden elaſtiſchen
Stabe verſehen, den man Rührnagel nennt. Dieſer Rührnagel
langt gerade bis in den oberen Theil der im Mittelpunkte des Läu-
fers durchgehenden runden cylindriſchen Oeffnung (Läuferauge
genannt), in welche ein Eiſenring (Staffelring) eingetrieben
iſt, der oben einige Zacken (Staffeln) hat, auf die der Rühr-
nagel eingreift, um dem Schuhe eine rüttelnde Bewegung zu geben,
wenn der Läufer herumgetrieben wird. So gelangt die Frucht
durch das Läuferauge auf den Bodenſtein, die Körner werden da-
ſelbſt zermalmt, können aber durch das Loch des Bodenſteines nicht
durchfallen, weil daſſelbe mit Holz ſo weit ausgebuchst iſt, daß
nur das Mühleiſen darin gehen kann. Es ſuchen daher die zer-
Baumſtark Encyclopädie. 25
[386/0408]
malmten Theilchen vermöge der Centrifugalkraft nach dem Rande
der Steine hin zu entweichen, aber dort können ſie auch nicht ent-
kommen, denn die Steine ſind mit einem hölzernen Gehäuſe (Lauf,
Zarge) umgeben; ſondern ſie müſſen in eine in den Bodenſtein
gehauene Rinne fallen, aus der ſie in ein Kanälchen geführt wer-
den, das außerhalb des Laufes ſchief abwärts geht, und dieſelben
in den darunter ſtehenden hölzernen Mehlkaſten leitet, worin die
Siebvorrichtung iſt. Dieſe beſteht darin, daß ſogleich am Ende
des Kanälchens ein weites Gewebe in Form eines Schlauches (ein
Beutel, von ſogenanntem Beuteltuche) befeſtigt iſt, welches bis
zur entgegengeſetzten ſenkrechten Wand des Mehlkaſtens geht, und
dort ebenfalls an einer Oeffnung befeſtigt iſt, welche äußerlich nach
Belieben durch einen Schieber geſchloſſen werden kann. Bringt
man nun eine Vorrichtung an, wodurch der Beutel gerüttelt wird,
ſo fällt das Mehl durch den Beutel auf den Boden des Kaſtens,
die gröberen Theile laufen aber durch die Schieberöffnung heraus.
Jenes Rütteln wird bewirkt durch das ſogenannte Beutelgeſchirr,
indem unten am Trillinge Zapfen ſchräg gegen Außen abwärts
gehen (Anſchlagzapfen), welche mit dem Umgehen deſſelben an
eine horizontale Latte (Vorſchlag, Anſchlag) anſchlagen, die
an einem Brette (Beutelzunge, Rädeſchiene) befeſtigt iſt,
das ſchief aufwärts geht, und am oberen Ende in einen hölzernen
Arm (Beutelſcheere) eingezapft iſt, welcher von ihm ſeitwärts
abgeht und mit ſeinem anderen Ende in einem kleinen Wellchen
(Beutelwelle) ſteckt, das zwei aufwärtsgehende Aerme hat,
zwiſchen denen der Beutel angeheftet iſt, alſo beſtändig in einer
rüttelnden Bewegung bleibt. Um nun aber die rüttelnde Bewegung
verſtärken und ſchwächen zu können, hat man auch außerhalb des
Kaſtens eine kleine Welle angebracht, und um dieſe eine Schnur
gewunden, deren anderes Ende an dem Vorſchlage befeſtigt iſt,
damit man durch Anziehen oder Nachlaſſen das Zurückfahren des-
ſelben und der Beutelzunge abkürzen oder verlängern kann4).
Was nun vorne durch den Schieber des Mehlkaſtens geht, das
läuft in den Kleienkaſten und wird Kleie genannt. Zuerſt wird
die Mühle (d. h. der Läufer) hoch geſtellt, und es gibt wenig,
aber das feinſte Mehl (Vorſchuß, Vormehl), und das Meiſte
geht in den Kleienkaſten. Dieſes wird aber, wenn die Mühle
jedesmal niederer geſtellt iſt, zum 2ten, 3ten, 4ten und 5ten Male
herausgenommen und aufgeſchüttet, und gibt jedoch jedesmal grö-
beres Mehl5).
¹⁾ Ueber Mühlenbau ſ. m. Ernſt, Anweiſung zum praktiſchen Mühlenbau.
Leipzig 1804–6. III Thle. Neumann, der Waſſermühlenbau. Berlin 1810.
Lindt, Schauplatz der verbeſſ. Mühlenbaukunſt. München 1818. II Bde. 8. Mit 2
[387/0409]
¹⁾ gr. Kupferatlanten. Leuchs, Beſchr. der verbeſſ. amerikan. Mahlmühlen. Nürnberg
1828. Kuhnert, Lehrbuch der Mühlenbaukunſt. Quedlinburg 1833. IIIte Aufl.
Poppe, der Mühlenbau. Tübingen 1831. Langsdorf, Erläuterungen höchſt
wichtiger Lehren der Technologie. I. S. 1 folg. Deſſelben Syſtem der Maſchinen-
kunde. II. §. 243. 246. Poppe, Handbuch der Technologie. I. S. 41. Außerdem
gibt es auch noch ältere Werke darüber von Beyer (1767), Füllmann (1778),
Behrens (1789), Hahn (1790), Clauſſen (1792) und Meltzer (1793.
III Thle.), welche Poppe angeführt hat.
²⁾ Nicht alle Steine ſind zu Mühlſteinen zu gebrauchen. Sie müſſen hart und
poröſe ſein, damit ſie das Korn nicht ſowohl zerquetſchen als vielmehr zerſchneiden,
und ſich durch das Abnutzen ſelbſt gleichſam immer wieder ſchärfen. Die beſten
gibt es zu Wendelſtein bei Nürnberg und Crawinkel in Sachſen Gotha.
Allein man fertigt auch künſtliche durch Zuſammenſetzen einer Maſſe vermittelſt eines
Kittes und eiſerner Bänder, oder durch Compoſition einer gebrannten porzellanharten
Maſſe. Ein Britte, Pratt, hat eine ſehr taugliche Maſſe dieſer Art erfunden.
Der Müller bekommt die Steine roh, folglich müſſen ſie noch behauen werden,
d. h. ſie müſſen die gehörige Ründung bekommen, der Läufer muß mit einem run-
den Loche (Auge) und mit dem Lager für eine Eiſenplatte (die Haube) verſehen
werden, und die einander zugekehrten Flächen beider Steine müſſen mit Rinnen
(Hauſchlägen) behauen werden, welche vom Centrum aus ſpiralförmig nach der
Peripherie hin laufen, jedoch auf beiden Steinen ſo entgegengeſetzt, daß ſie ſich
ebenſo wie die Rämmel (d. h. die zwiſchenliegenden Erhöhungen) kreutzen. Zu-
dem aber wird der Läufer auf der unteren Fläche nicht eben gelaſſen, ſondern
hyberboliſch oder gegen das Centrum ſchief gehauen, ſo daß er im Centrum gar
nicht, aber gegen die Peripherie hinaus immer ſtärker auf dem Bodenſteine liegt.
³⁾ Man unterſcheidet darnach Dampf-, Waſſer-, Wind- und Roßmühlen,
wenn man von den Handmühlen abſehen will. Die Lehren vom Baue dieſer Vor-
richtungen ſind aber eigentlich Gegenſtände der allgemeinen Technologie, der Bau-
kunſt, Maſchinenlehre und Mechanik. Ihre Darſtellung würde hier alſo zum Theile
nicht am Platze ſein, zum Theile zu weit führen.
⁴⁾ Dieſe bisher beſchriebene Einrichtung nennt man einen Mühlengang
(Mahlgang). Man hat Mühlen mit mehreren Gängen, und kann leicht zwei
davon durch eine Welle und Rad in Bewegung ſetzen. Dieſe Einrichtung und die
Lehre von den ſämmtlichen Dimenſionen aller Theile eines Ganges kann in obigen
Schriften nachgeleſen werden.
⁵⁾ Unter Schrot iſt gemahlenes aber ungebeuteltes, daher ſogleich vom Laufe weg
in Empfang genommenes Getreide, worin Mehl und Kleie vermengt iſt, zu verſtehen.
Hieraus weiß man ſogleich, was eine Schrotmühle iſt. Unter Grütze verſteht man
ſonſt nichts, als Gerſte (oder Buchweitzen), welche durch eine Stampfeinrichtung
(§. 273. N. 4. d.) von der Hülſe befreit, hierauf geſiebt und zulezt geſchroten, d. h.
auf obige Art zerriſſen iſt. Dies geſchieht in der Grützmühle, in welcher alſo
ein Stampfwerk und eine Schrotmühle ſein muß. Die Graupen ſind nicht bloßes
Gerſtenſchrot, ſonder hülſen- und mehlfreie regelmäßige runde Körner von ver-
ſchiedener Feinheit, wovon die feinſte Sorte Perlgraupen heißt. Sie unter-
ſcheiden ſich von den Mahlmühlen weſentlich blos dadurch, daß ſie nur einen
Stein haben, der jedoch auch mit einem Laufe verſehen iſt, um das Getreide zwi-
ſchen dem Rande des Steines und der inneren Wand des Laufes ſo lange herum-
treiben zu können, bis die Hülſen hinweg und die Körner abgerundet ſind. Die
Außenſeite dieſes Graupenſteines iſt rauh, und die Laufwand mit einem, reibeiſen-
artig durchlöcherten und geſchärften, Eiſenbleche beſchlagen. Sind die Graupen ſo
gebildet, dann kommen ſie auf das Siebwerk, in welchem drei Siebe mit immer
feineren Löchern unter einander ſtehen. Die Graupen gießt man durch einen Rumpf
ein, und ſie fallen auf, und nach ihrer Feinheit durch die drei Siebe, ſo daß unter
das lezte Sieb blos das Mehl fällt und in einem Tuche aufgefangen wird. Die
Siebe aber werden hin und her bewegt, indem ein, an der Welle des Mühlſtein-
getriebes ſitzendes Kammrad in einem wagerechten Trilling eingreift, und dieſer
vermittelſt einer Kurbel und eines Geſtänges (Schiebwerk) die ſchief ſtehenden
Siebe hin und her zieht. Um aber die Graupen ganz mehlfrei zu machen, bringt
man drei Windflügelräder an, welche durch ihren Wind das Mehl hinwegwehen.
25 *
[388/0410]
II. Verarbeitung ölhaltiger Stoffe.
§. 295.
1) Das Oehlmühlenweſen.
Das Oel iſt eine flüſſige Materie, welche mit Waſſer nicht
zu vermiſchen, im Weingeiſte unauflöslich, im reinen Zuſtande ohne
ſtarken Geruch und Geſchmack, ſpezifiſch leichter als das Waſſer
und erſt bei 600° Fahrenh. zum Sieden zu bringen iſt. Von ſo
manchfachem Gebrauche es iſt, von ſo vielerlei Pflanzenſtoffen wird
es auch künſtlich bereitet. Man gewinnt es vorzüglich aus drei
oben (§. 170–171. §. 168.) angegebenen Geſämen und Früchten,
als da ſind die Olive (Frucht des Oelbaumes), die Mandeln, die
Bucheln, die Wall- und Haſelnüſſe, die Lindenſaamen, der ge-
meine Hartriegel, der Rübenreps, der Kohlreps, der chineſiſche
Oelrettigſaamen, der weiße Senf, der Lein- und Hanfſaamen,
der Mohn, die Sonnenblumenſaamen, die Kürbiskernen, Salat-
ſaamen, Traubenkernen, Erdmandeln u. ſ. w. Um gutes Oel zu
erhalten, muß man recht reifen, völlig getrockneten, von allem
Fremdartigen völlig gereinigten Oelſaamen nehmen, denſelben von
Schaalen und Hülſen befreien, die nackten Saamen einigemal in
ſiedendem Waſſer umrühren und abtrocknen laſſen, und erſt dann
zur Oelbereitung geben, um das Oel möglichſt rein von Schleim,
Harz u. dgl. Theilen zu befreien. Das Gebäude ſammt Einrich-
tung, wo das Oel bereitet (geſchlagen) wird, heißt Oelmühle1).
Die auf jene Weiſe zubereiteten Geſäme werden in der Oelmühle
vor Allem zerdrückt, und dies geſchieht entweder durch Stampfen
oder durch Quetſchen, wonach man auch die Stampf- und
Quetſch-Oelmühlen unterſcheidet. 1) Stampf-Oelmühlen
zerdrücken den Oelſaamen durch Stempel (Stampfen), welche von
einer Daumwelle (§. 273. N. 4. d.), deren Umdrehung durch Pferde,
Waſſer, Wind oder Dampf bewirkt wird, gehoben und wieder fal-
len gelaſſen werden. Die Saamen liegen in einzelnen, den Stem-
peln entſprechenden, Löchern (Grubenlöchern), welche in einen
Eichenklotz oder -Stamm (Grubenſtock) eingehauen ſind, und
eben ſo viel ſein müſſen, als Stempel vorhanden ſind, wenn es
eine holländiſche Stampfmühle geben ſoll, während eine ſolche,
worin in jedes Grubenloch zwei Stempel fallen, eine deutſche ge-
nannt wird. Leztere Art iſt vorzuziehen und man nennt ſie nach
der Anzahl der Stempelpaare ein-, zwei- und mehrpaarig,
dagegen aber ein-, zwei- bis vierhübig, wenn die Welle einen
bis vier Daumen hat. 2) Quetſchmühlen gibt es von verſchie-
dener Art, nämlich Kegel-, Walz-, Läufer- und Roll-
[389/0411]
quetſchmühlen. Bei den Kegelmühlen liegen die Saamen
auf einem großen runden Bodenſteine offen da. Durch die Mitte
derſelben geht ſenkrecht ein großer Wellbaum, der entweder durch
Pferde als ein Göpel, durch Waſſer, Wind oder Dampf unter
Vermittelung verſchiedener Mechanismen umgetrieben wird. Durch
den Wellbaum iſt ein dünnerer wagrechter Baum geſteckt und bil-
det an demſelben zwei Arme, an welchen zwei koniſche Laufſteine
eingekeilt ſind, die mit dem Wellbaume einen Kreis auf dem
Bodenſteine beſchreiben und ſo das Geſäme zerquetſchen. Bei der
Walzmühle liegen aber zwei große ſteinerne Walzen neben ein-
ander auf einer Fläche und ſind ſo dicht an einander gelegt, daß
ſie die zwiſchen ſie hineingeſchütteten Saamen zerquetſchen und auf
der entgegengeſetzten Seite wieder herausbringen, da ſie gegen
einander gewälzt werden. Auch die Bewegung dieſer Walzen kann
auf verſchiedene Arten bewerkſtelligt werden2). Bei den Läufer-
mühlen geſchieht das Quetſchen durch einen Läufer (§. 294.),
der gerade ſo wie bei den Getreidemühlen auf einem Mühleiſen
herum geht, und ebenſo wie bei den Graupenmühlen (§. 294.
Note 5.) keinen Bodenſtein unter ſich hat. Man kann ſich eine
Vorſtellung vom Läufer machen, wenn man ſich einen Mühlſtein
denkt, der nach den beiden Enden ſeiner Axe, in deren Mittel-
punkte ſein weiteſter Durchmeſſer iſt, gleiche abgekürzte Kegel ge-
bildet habe, von denen der untere bis auf die Hälfte oder ein
Dritttheil abgeſchnitten worden ſei, ſo daß die Tiefe des unteren
Kegels nur halb oder ein Dritttheil ſo groß, als die Höhe des
obern, oder deſſen unterſter Durchmeſſer noch einmal oder noch
zweimal ſo groß als der oberſte iſt. Denkt man ſich nun noch an-
ſtatt eines Bodenſteines einen eiſernen, an ſeiner inneren Wand
geſtreiften, ringförmigen Lauf, innerhalb deſſen ſich der untere
Kegel des Steines ſo herum bewegt, daß die Körner zerquetſcht
werden, welche man in die kleine Spalte zwiſchen dem Läufer und
Laufe hineingeſchüttet hat, ſo hat man auch eine Vorſtellung von
der Operation. Unterhalb des Läufers iſt noch ein hölzerner Kaſten
zur Aufnahme der durchfallenden Geſämtheilchen angebracht3).
Die Rollmühle, nicht von beſonderer Bedeutung, hat das Eigen-
thümliche, daß die Zerquetſchung der Saamen durch einen Laufſtein
am horizontalen Arme eines lothrechten Wellbaumes geſchieht, in-
dem jener in einem gekrümmten Holzgerinne oder -Kanale hin und
her geht. Die auf die eine oder andere dieſer Methoden zerdrück-
ten Oelfrüchte werden nun, um aus ihnen das feinſte oder Jungfern-
Oel zu gewinnen, im kalten Zuſtande unter Stampfen oder Häm-
mer gebracht und nicht vollgewaltig ausgepreßt, da nur das in
[390/0412]
ihnen frei ſtehende Oel dadurch gewonnen werden ſoll. Sonſt und
wenn dies geſchehen iſt, wird die Quetſchmaſſe auf einer Kupfer-
platte erwärmt4), und dann vollends ausgepreßt. Das Leztere
geſchieht entweder durch eine Schraubenpreſſe oder durch eine
Keilpreſſe. Bei der Erſteren5) iſt das Weſentliche, daß die
Preßkraft von einer Schraube kommt, welche ſenkrecht abwärts
geht. Bei der Anderen6) wird die Preßkraft durch eingetriebene
Keile auf die Quetſchmaſſe geleitet. Dieſe aber liegt in einem
langen und dicken eichenen Stamme (Preß- oder Oellade),
welche horizontal auf Tragbäumen liegt, und eine oder mehrere
Oeffnungen (Kammern) hat, in die man die Quetſchmaſſe, mit
Haartuch umwickelt, auf verſchiedene Weiſe7) einſetzt. Die Kam-
mern ſind auf dem Boden mit Rinnen und Kanälchen verſehen,
um das ausgepreßte Oel hinwegzuleiten, worauf daſſelbe außerhalb
in Gefäßen aufgefangen wird.
¹⁾ Zur Literatur: Rozier, Observations sur la physique. VIII, 417 (Paris
1776), wo die Oliven- oder Baumölmühlen, — und X. 417 (Paris 1777), wo
die holländiſchen Oelmühlen beſchrieben ſind. v. Cancrin praktiſche Abhandlung
von dem Baue der Oelmühlen. Frankfurt und Leipzig 1799. Langsdorf Erläu-
terungen. I. S. 191. Deſſelben Syſtem der Maſchinenkunde. II. §. 292.
Poppe Handbuch der Technologie. I. S. 89. v. Keeß Darſtellung. II. 359.
Hermbſtädt Technologie. II. §. 486. Jacobſon Technolog. Wörterb. III. 165.
v. Keyſerling in Hermſtädts Bülletin des Neueſten und Wiſſenswürdigſten.
XIV. Heft 4. Albrecht, die vortheilhafteſte Gewinnung des Oels. Quedlinburg.
Fontenelle, Handbuch der Oelbereitung und Reinigung. Ueberſ. von Haumann.
Ilmenau 1828. Matthiä, Beſchreibung und Abbildung der neueſten Erfindungen
in Betreff der Oelfabrikation. Quedlinburg 1828. Karmarſch Mechanik in ihrer
Anwendung auf Gewerbe. II. 349. 351.
²⁾ v. Cancrin, welchem wir die drei lezten Quetſchmühlen verdanken, gibt
z. B. folgenden Mechanismus an, um die Walzen umzutreiben. Eine Welle wird
durch ein Waſſerrad herumgetrieben; am entgegenſetzten Ende derſelben ſteht ein
Stirnrad, das durch einen über ihm liegenden Drilling, in den es greift, eine
zweite Welle umtreibt, an der nicht blos die eine Walze in gerader Linie ſteht und
bewegt wird, ſondern auch ein (kleineres) Stirnrad (als das vorherige), welches
einen unter ihm liegenden Trilling bewegt, der an derjenigen Welle ſitzt, welche die
zweite Walze bewegt. Beide Walzen müſſen ſo gegeneinander gehen.
³⁾ Langsdorf hat an dieſer Einrichtung Verbeſſerungen angebracht, unter
andern auch eine Vorrichtung zum Schälen der Saamen. S. Deſſen Erläu-
terungen. I. S. 219.
⁴⁾ Langsdorf räth an, die Erwärmung mit Dampf zu machen, und gibt
daher einen Ofen mit Aſchen- und Feuerheerd an, in welchen ein kupferner Dampf-
keſſel gehängt oder eingeſetzt wird, und umgibt die Ofenmauer nach einem kleineren
rings um denſelben gehenden Luftraume mit einer zweiten (einer Art von Mantel),
in welche, über den Keſſel, die Kupferplatte eingeſetzt wird. Zugleich verſieht er
dieſe mit einem Röhrchen zum Speiſen des Keſſels, das durch ein Klappenventil
geſchloſſen iſt, welches durch den Druck des Dampfes hinweggedrückt wird, ſobald
ſeine Spannung zu groß iſt.
⁵⁾ Ein Trilling, von einer Handkurbel an ſeiner Welle bewegt, greift in ein
Kammrad ein, das an einem vorne ſtehenden Wellbaume ſitzt und alſo dieſen bewegt,
damit der an ſeinem oberen Ende angebrachte Trilling das Stirnrad eines zweiten
Wellbaumes bewege, um den eine Kette geſchlungen iſt, welche horizontal hinüber
[391/0413]
⁵⁾ geht, und ſich um ein Rad legt, deſſen ſenkrechte Welle nach oben in eine Schrau-
benſpindel endet, die in einer Schraubenmutter hängt. Unter dieſer Spindel liegt
die Preßlade, in deren Aushöhlung das Geſäme, in ein Haartuch eingeſchlagen,
gelegt und mit einer Metallplatte zugedeckt wird. Auf die Metallplatte kommen
noch hölzerne Pfannen zu liegen, auf welche die herabgehende Spindel wirkt, ſobald
die Handkurbel gedreht wird. — Dieſe Preſſe iſt von Francesco de Grandi.
S. Langsdorf Erläuterungen. I. S. 233.
⁶⁾ Es wird ein viereckiges Holzſtück mit einer cylindriſchen Oeffnung (die
Form) in die Kammer der Preßlade geſchoben, in dieſe cylindriſche Oeffnung ein
metallener auf Wänden und Boden durchlöcherter Napf gelegt, in die Oeffnung des
Napfes die Quetſchmaſſe eingelegt, und oben darauf der Kern geſetzt, d. h. ein
viereckiges Holz, das auf der einen Seite einen cylinderförmigen Vorſprung hat,
der gerade (gleichſam als Stöpſel) in die Oeffnung der Form paßt, und, wenn
ein Druck auf ihn geſchieht, die Quetſchmaſſe preßt. Dieſer Druck geſchieht, indem
man in den noch leeren Theil der länglichen Kammer zwei Keile einſchlägt, welche
in ihrer Mitte ein anderes Holzſtück (das Kreutz) haben. Der eine Keil heißt
Rück- oder Löſekeil, weil er zurückgeſchlagen wird, wenn das Preſſen beendigt
iſt; der andere aber Steck- oder Preßkeil, weil auf ihn der Preßſchlag mit dem
Hammer geſchieht. Um den Schlag zu machen, hat man folgenden einfachen
Mechanismus. Eine Daumwelle drückt mit ihrem Daumen eine vertikale Stange
abwärts, welche mit einer kleinen höher liegenden Walze durch einen im Winkel
abſtehenden Arm ſo verbunden iſt, daß ſie durch ihr Herabgehen dieſe Walze bis zu
einem gewiſſen Grade umdreht. An dem entgegengeſetzten Ende dieſer Walze iſt
aber eine ſenkrechte Stange mit einem Schlägel angebracht, welche, ſo wie ſich jene
dreht, eine mehr horizontale Stellung einnimmt, und mit dem Schlägel auf den
Preßkeil zurückfällt, ſobald der Daumen an der Daumwelle über den Schuh der
erſten Stange hinabgegleitet iſt.
⁷⁾ Statt der Form und des Kernes hat man auch Metallplatten, und dieſe
ſind namentlich auch angewendet, wenn die Keile nicht horizontal (wie in Note 6),
ſondern vertikal durch ein Rammelwerk eingeſchlagen werden, das aus bloßen
Stampfen beſteht. Uebrigens bringt man die Quetſchmaſſe auch in Säcke und
Leder. — Verſchiedene neuere Verbeſſerungen der Oelmühlen, welche bei Karmarſch,
der nur bis a. 1825 reicht, nicht beſchrieben ſind, finden ſich bei Dingler polytechn.
Journal. XXVIII. 280; XXXIII. 64 (von W. Benecke); XXX. 178 (von
Alban); XXXII. 177 (von Cazalis und Cordier); XXXIII. 86 (von Köch-
lin); XLII. 110 (von Maudsley); XLIII. 52 (von Blundell); im neuen
baieriſchen Kunſt- und Gewerbeblatte. Jahrg. 1824. S. 73 (von Arndts),
Jahrg. 1828. S. 476 (von Bienbar), Jahrg. 1829. S. 440 (von Marx);
in L'Industrie Journal. Vol. V. pag. 193 (von Dubrunfaut); Hermbſtädt
Bülletin. XIV. 102 (Wuttich's Beſchreibung der in Bucharien zu Samarkant
gebräuchlichen Oelpreſſe).
§. 296.
2) Die Theer-, Pech- und Kienrußſchwelerei1).
1) Unter Theer verſteht man eine dickflüſſige harzige brenz-
liche Oelmaſſe, welche durch das Ausröſten des Holzes, beſonders
des Nadelholzes, und namentlich der Wurzeln des Lezteren gewon-
nen wird2). Dieſe Operation heißt Theerſchwelen, und
geſchieht, abgeſehen von der in Schweden und Rußland üblichen
Methode, in Gruben zu ſchwelen, am beſten in einem beſonderen
Theerofen. Derſelbe iſt walzenförmig aus Steinen gebaut, hat
oben eine gewölbte Kappe mit Luftlöchern und iſt mit einer
Vormauer (einem Mantel) umgeben, welche ein Paar Schür-
[392/0414]
und Zuglöcher hat. Er hat zwei Löcher, nämlich das Setzloch,
dicht über dem Mantel, aber unter der Kappe, wodurch von oben,
— und das Kohlenloch, am Fuße des Ofens, wodurch von unten
das Holz eingelegt wird, weßhalb auch der Mantel daſelbſt eine
Oeffnung hat. Nach der Füllung des Ofens mit den Holzſtücken
(dem Stubbenholze) werden alle Oeffnungen deſſelben ver-
ſchloſſen und das Feuer unter dem Mantel entzündet. Die flüſſigen
Producte kommen unten heraus in einem in die Erde gegrabenen
und mit einer Hütte überbauten, oder mit einer Vorwand (Bruſt-
wand) verſehenen Behälter — und zwar zuerſt die Holzſäure
(Sauerwaſſer, Theergalle, Schweiß), d. h. eine brenzlich-ölige
Eſſigſäure, und dann erſt der mehr oder weniger dicke, verſchieden
dunkle Wagen-, Rad- und Schiffstheer. Die zurückbleiben-
den glänzenden Kohlen (Pechgriefen) können zu Kienruß benutzt
werden.
2) Die feſten harzigen Theile, welche beſonders im feineren
Theere mit dem Oele untermiſcht ſind, heißt man Pech oder
Harz, und man unterſcheidet nach den abnehmenden Graden der
Feinheit und Reinheit das weiße oder burgundiſche Harz, das
Geigenharz (Kolophonium), das gemeine Harz (Pichpech)
und das gemeine Pech (Schiffspech). Nimmt man das von den
Nadelholzbäumen gewonnene Harz (§. 237.) zum Schmelzen in
einen Kupferkeſſel und gießt es, geſchmolzen, durch Werg, ſo ver-
härtet ein reines gelbes Harz oder Pech. Behandelt man jene
Flüſſigkeit aber mit etwas Waſſer oder Eſſig zuſammen, ſo wird
daraus das weiße Harz. Schmilzt man dieſes noch einmal, bis
alles Waſſer verſchwunden und die Maſſe durchſcheinend iſt, dann
hat man das Kolophonium. Das gemeine Pech wird aber aus
dem Theere bereitet, indem man ihn in kupfernen oder eiſernen
Deſtillirblaſen mit Waſſer deſtillirt, damit das ätheriſche Oel (Kien-,
Krummholz- oder Templinöl) in die Vorlage entweicht und
das Harz in der Blaſe reſidirt, welches man in einem Keſſel
ſchmilzt und ſieden läßt, bis alles Waſſer verdünſtet iſt, und als-
dann in die bekannten Pechfäſſer gießt, und als Pichpech verkauft,
wenn es aus gelbem und braunem Theere verfertigt iſt, aber als
Schiffspech abſetzt, wenn es aus allen Theerarten zuſammen be-
reitet wurde.
3) Bei der Verbrennung von Kienöl, Harz und Nadelholz
verdichtet ſich der entweichende Rauch in der Kälte zu dem ſoge-
nannten Kienruße. Man fängt denſelben daher in einem langen
liegenden Rauchfange auf, der in eine luftdichte Bretterkammer führt,
an deren Decke ein mit einem kegelförmigen Siebe verſehenes Loch
[393/0415]
angebracht iſt. Daß der Luftzug dabei abgehalten werden muß,
bedarf kaum einer Erinnerung, weil das Verbrennen allmälig ge-
ſchehen, und der Rauch nicht zu Aſche verbrennen ſoll. Der feinſte
(oder Pfund-) Ruß ſetzt ſich im Siebe an3).
¹⁾ Beckmann Technologie. S. 451. Hermbſtädt Technologie. II. §. 767.
Krünitz Oekonom. Encyclopädie. Bd. CVIII. Art. Pech. Hundeshagen Ency-
clopädie der Forſtwiſſenſchaft. I. §. 456–462. und die anderen forſtwiſſenſchaftlichen
Schriften. Meyer Forſtdirectionslehre. §. 303. Wieſenhavern, Ueber das
Theerſchwelen oder Pechbrennen. Breslau 1793. Dichaeus Beſchreibung, welcher
Geſtalt Theer- und Kohlenöfen einzurichten ſind. Aus dem Schwediſchen. Lüneburg
1780. Bescrifning om Tilwerknings sätten of Harts Terpentin, Terpentin-Olja
och Kimröck. stockholm 1774. Du Hamel, Von Bäumen, Stauden, Sträu-
chern. II. 111. Schreber, Sammlung verſchiedener in die Kameralwiſſenſchaft
einſchlagender Abhandlungen. IV. Thl. 760 (v. Funck, Beſchreibung von Theer-
und Kohlenöfen). Leipziger Sammlungen. IX. 178 (vom Theerſieden). Riem,
Auserleſene Sammlung ökonom. Schriften. II. Jahrg. 2te Lief. S. 30 (Ueber das
Auffangen des Sauerwaſſers, von Karſten). Bulletin de la société d'Encourage-
ment. Année XXVII Jul. 1828. p. 187 (Fleury, Procédés d'extraction de la
térébenthin des matières résinéces qui la contiennent). Abhandlung der königl.
ſchwed. Akademie der Wiſſenſchaften. XVI. und Schreber a. a. O. (Kienrußbren-
nen, von v. Funck). Dingler polytechn. Journal. XVI. 244 (verbeſſerte Berei-
tung des Peches und Theeres von Hancoch).
²⁾ Beſonders eignet ſich die Kiefer, Weißtanne und die Krummholzfichte (Pi-
nus Pumilio) dazu. S. §. 243. oben. Auch aus Birken bereitet man Birkenöl.
S. Hermbſtädt Archiv der Agriculturchemie. VII. Bd.
³⁾ Auch aus Steinkohlen macht man in Frankreich, England und Oberſchleſien
einen Ruß, der den Kienruß erſetzt. S. Hermbſtädt Bülletin des Neueſten u. ſ. w.
XIV. 367. Neuenhahn, Ueber ein neues Product, das ſtatt des Kienruſſes
dienen kann. Erfurt 1795.
III. Verarbeitung des Holzes.
§. 297.
1) Das Schneide- oder Sägemühlweſen.
Das Holz bedarf, wenn es zu Baulichkeiten verwendet werden
ſoll, noch vielfältiger Zurichtung in verſchiedenen Formen, als
Dielen (Planken), Bretter (Halbdielen), Latten, Schwellen, Rah-
men, Riegel u. ſ. w. Man ſchneidet ſie aus den Baumſtämmen
(Sägeblöcken), welche man deßhalb friſch auf die Sägemühle1)
bringt, weil ſie beſſer zu ſchneiden ſind, und friſch geſchnittene,
aber im Schatten allmälig getrocknete Dielen nicht ſo leicht riſſig
werden, wie andere. Das Sägen geſchieht durch eine, in der
Regel von Waſſer bewegte, Maſchine. Es wird eine große Welle
von einem Waſſerrade herumgetrieben, und bewegt vermittelſt eines
an ihr ſitzenden Stirnrades neben ſich eine kleine Welle, indem es
in deren Trilling eingreift. Dieſe kleine Welle trägt am vorderen
Ende eine Kurbel2), mit welcher eine ſenkrechte Stange (der
Lenker) verbunden iſt, welcher alſo mit ihrem Walzen auf und
[394/0416]
abgeht. An dieſem Lenker oben iſt ein viereckiger Rahmen (das
Sägegatter) befeſtigt, in welchem die große Säge eingeſpannt
iſt3) und alſo mit ihm durch den Lenker auf- und abwärts bewegt
wird. Dieſer ſenkrechten Bewegung des Sägegatters4) muß nun
der Sägeblock horizontal entgegenkommen. Darum ſitzt auf dem
oberſten Queerbalken (Riegel) des Gatters ein durchlochtes Eiſen
oder Brett, in das eine mäßig ſchief aufſtehende Stange geſteckt
iſt, ſo daß ſie mit ſeiner lothrechten Bewegung unter einem Winkel
horizontal hin- und hergeſchoben wird, folglich eine am anderen
Ende mit ihr verknüpfte kleine Welle rotirend hinüber und herüber-
bewegt. An dieſer Welle iſt ein Arm, in einem ſtumpfen Winkel
gegen jene Stange abwärts, befeſtigt, in deſſen Backen eine andere
längere Stange feſtgebolzt iſt, welche die Beſtimmung hat, ein
ſchief gezacktes Stirnrad (das Sperrrad) von Eiſen, mit ihrem
eiſernen Anſatze (Geisfuße) durch die Stöße, nach der entgegen-
geſetzten Seite umzudrehen, welche durch die Bewegung der kleinen
Welle vermittelſt des Armes hervorgebracht werden5). Das Sperr-
rad ſitzt an einer kurzen Welle, welche einen Trilling hat, der das
Stirnrad einer tiefer liegenden großen Welle, folglich auch dieſe
umdreht. Dieſe große leztere Welle hat zwei Trillinge und liegt
vor dem Ende zweier durch das ganze Mühlhaus hinlaufenden
Balken (Straßenbäume) dergeſtalt queer herüber, daß dicht
innerhalb eines jeden Balkens Einer der Trillinge ſich wälzt. Auf
jedem dieſer Trillinge aber liegt ein verzahnter Balken (Zahn-
baum) nach der Länge des zu ihm gehörenden Straßenbaumes.
Dreht ſich die Welle mit ihren Trillingen, ſo ſchiebt ſie die Zahn-
bäume horizontal zwiſchen den Straßenbäumen hin. Auf den
Straßenbäumen der Länge nach liegend, und auf Rollen gehend,
ſind ebenſo zwei Balken durch Eiſenbänder feſt mit den Zahnbäu-
men parallel neben einander verbunden und werden folglich mit
dieſen durch die Trillinge auf ihren Rollen, welche auf den
Straßenbäumen in Rinnen (Nuthen) gehen, hingeſchoben. Ver-
bindet man nun dieſe gezahnten und gerollten Längenbäume nahe
an ihrem Ende noch durch Queerbalken, ſo hat man eine Vorſtel-
lung vom ſogenannten Blockwagen, auf welchem der Sägeblock
liegend durch die vorher beſchriebene Einrichtung zum Schieben
(Schiebzeug) dem Sägegatter entgegengeſchoben wird. Auf den
Wagen werden parallel mit den Queerbalken zwei Lagerhölzer
(Schemmel) gelegt und dieſe tragen den durch Klammern befe-
ſtigten Sägeklotz. Der Eine davon iſt unverrückbar (Ruhe-
ſchemmel), der andere (Richtſchemmel) dagegen beweglich und
geht in Nuthen, welche die Wagenbalken haben. Iſt der Block
[395/0417]
der Länge nach durchgeſägt, ſo muß die Maſchine ſtille ſtehen,
und dies wird bewirkt, wenn man, bei der Waſſermühle, das
Waſſer vor dem Rade durch eine Schließe abſchließen kann. Dieſe
Schließe hängt an der einen Seite eines, in der Mitte unter-
ſtützten, Wagebalkens, deſſen anderes Ende mittelſt eines Seiles
und Bolzens in einer Säule des Sägegatters ſo abwärts gehalten
wird, daß die Schleuße offen iſt. Der Sägeblock aber ſtößt mit
einem an ſeinem Ende eingeſchlagenen Zapfen den Bolzen hinaus
und die Schließe fällt. Iſt das Werk im Stillſtande, ſo braucht
ein Knabe blos vermittelſt einer Kurbel die kleine Sperrradswelle
rückwärts zu drehen, dann läuft der leere Wagen zurück6).
¹⁾ Zur Literatur: Langsdorf Erläuterungen. I. 126. Deſſelben Syſtem
der Maſchinenkunde. II. §. 333. Krünitz Oekonom. Encyclopädie. VI. u. CXXX.
Beckmann Oekonomiſche Bibliothek. XIII. Meyer Forſtdirektionslehre. §. 269.
Stahl Forſtmagazin. IX. Karmarſch Mechanik in ihrer Anwendung auf Ge-
werbe. I. §. 92. 101. 102. 118. II. §. 108, bei welchem die verſchiedenſten Con-
ſtruktionen beſchrieben ſind, bis a. 1825.
²⁾ Will man mehrere Sägen zugleich in Gang ſetzen, ſo braucht man der
Kurbel nur mehrere Windungen zu geben und jeder Windung einen Lenker nebſt
Sägegatter anzupaſſen.
³⁾ Außer den zwei Queerbalken des Gatters, welche unbeweglich ſind und
Riegel heißen, liegt in der Mitte noch ein dritter beweglicher. In dieſem und
im unterſten unbeweglichen Riegel iſt die Säge mit ihren beiden Enden eingezogen;
der bewegliche aber liegt näher am oberſten unbeweglichen Riegel und wird mit
dieſem durch zwei Schraubenſpindeln, in welche oben über dem Lezteren zwei
Schraubenmuttern einpaſſen, verbunden, ſo daß durch ein Anziehen der Schrauben
die Säge ſtärker geſpannt werden kann. Das Sägegatter ſelbſt geht aber in den
ſenkrechten Falzen zweier ſenkrechten Bäume (der Gatterſäulen) auf und ab,
und wird durch hölzerne Spannklammern vor dem Herausfallen geſichert, welche,
auf der Außenſeite der Säulen eingeſteckt, mit ihrem einſeitig queer gehenden
Kopfe über die Gatterrahmen hinreichen.
⁴⁾ Hat man eine Circularſäge, ſo geht das Sägen ohne Unterlaß fort, wäh-
rend bei der anderen der Schnitt eigentlich nur beim Hinabgehen geſchieht. Man ſ.
Dingler polytechn. Journal. XX 33 (Säge der Gebrüder Bauwens). XIII. 13
(die Säge von Galloway), ebenſo Chriſtian Traité de mechanique. III. 360
(Brunel's Sägemühle).
⁵⁾ Das Sperrrad braucht nicht ganz von Eiſen, ſondern kann eine hölzerne
Scheibe ſein, die blos mit einem gezahnten eiſernen Ringe verſehen iſt. Damit es
aber, wenn es vom Geißfuße vorgeſtoßen iſt, nicht wieder zurücklaufe, während er
zurückgeht, ſo ſind an der Seite zwei Eiſen (Sperr- oder Klinkeiſen) ange-
bracht, welche ſich um ein Gewerbe drehen, und in die Zacken des Rades greifen,
ſobald es der Geißfuß verlaſſen hat.
⁶⁾ Verbeſſerte Sägemühlen ſind angegeben bei Dingler polytechn. Journal.
XX. 155 (von Shuttleworth, eine Handſägemühle); XXII. 468 (von Calla);
XXVI. 468 (eine andere); XXVIII. 34 (von Nicéville); XLII. 340 (ein
acentriſches Rad für Sägemühlen, von Bertin) und XLIV. 316 (franzöſiſche
Sägemühlen).
§. 298.
2) Die Kohlenbrennerei1) und Gewinnung der
Holzeſſigſäure.
Zur Verkohlung im Großen ſind, mit Ausnahme des Reiſigs,
alle Gattungen von Holz tauglich. Zu dieſem Zwecke wird das
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Holz ſortirt, in lange Stücke verſägt und geſpalten. Die Ver-
kohlung geſchieht auf folgende verſchiedene Methoden: a) In
ſtehenden Meilern. Dabei wird das Holz in halbkugelförmige
Haufen (Meiler) aufrecht und dicht zuſammengeſtellt und hernach
mit einer den Luftzug hemmenden Decke von Laub und Erde über-
ſchüttet. Hierauf zündet man den Meiler von innen an und unter-
hält das Feuer ſo, daß die Theile des Holzes, welche verdampfen
ſollen, ſich nicht entflammen, ſondern kraft der Hitze im Meiler
als Dämpfe durch die Decke entweichen2). b) In liegenden
Meilern. Dieſe Methode iſt von der Erſten blos dadurch ver-
ſchieden, daß hier die Holzſtücke wagerecht zu Meilern aufgeſchichtet
werden3). c) In Oefen oder Retorten. Zu dieſem Behufe
baut man Gewölbe, von 6000–10000 Kubikfußen inneren Rau-
mes, aus gebrannten Steinen. Hier hinein ſetzt man das Holz
auf, und verſtopft alle Zuglöcher. Das Anzünden geſchieht durch
Heitzkanäle, dergeſtalt, daß das Holz ebenfalls nur verdampft. Die
dabei ſich entwickelnden Dämpfe werden durch Eiſenkanäle zur Ab-
kühlung unter der Erde fortgeleitet, damit ſie ſich als Waſſer,
Holzſäure und Theer niederſchlagen, und in der Gewinnung dieſer
Producte liegt ein Hauptvortheil dieſer Verkohlungsmethode4).
d) In Gruben. Man gräbt in trockene Erde offene Gruben,
wirft Reiſigbündeln darein, zündet ſie an, und wirft, wenn das
darin Liegende zu flammen beginnen will, unter ſtarkem Aufdrücken
immer wieder neue Lagen darauf, bis die Grube ganz ausgefüllt
iſt. So verhütet man das Verbrennen, es entſteht blos ein ſtarker
Dampf, bei deſſen allmäligem Ausbleiben die Grube mit Erde be-
deckt wird, um die Kohlen auszulöſchen. Dieſe Methode iſt nur
wenig und blos bei Reiſig anwendbar, das ohnedies keine gute
Kohlen gibt.
¹⁾ Zur Literatur: Hermbſtädt Technologie. II. §. 760. Du Hamel de
Monceau, die Kunſt des Kohlenbrennens. Berlin 1762. Späth, Anweiſung
über das Verkohlen des Holzes. Nürnberg 1800. Scopoli Kunſt des Kohlenbren-
nens. Bern 1800. Beſchreibung der ital. Kohlungsmethode. Wien 1813. Af-Uhr
Anleitung zur zweckmäßigen Verkohlung des Holzes in ſtehenden und liegenden
Meilern. Aus dem Schwediſchen überſetzt von Blumhof. Gießen 1820. v. Berg
Anleitung zur Verkohlung des Holzes. Darmſtadt 1830. Krünitz Oekonomiſche
Encyclopädie. XLIII. u. LXXVIII Bd. Stahl Forſtmagazin. Bd. IV. Hartig
Forſtarchiv. Jahrg. 1818. Heft 1. Moſer Forſtarchiv. II. u. VII. Bd. Außerdem
die Hand- und Lehrbücher der Forſtwirthſchaft. Hundeshagen Encyclopädie der
Forſtwiſſenſchaft. I. 510. v. M. Handbuch für Förſter. Berlin 1805. v. Werneck
Gemeinnützige Entdeckungen und Beobachtungen ꝛc. Karlsruhe 1811. II Bände.
(Ir Band.) Abhandlungen der ſchwed. Akademie der Wiſſenſchaften. XX. 195 (von
v. Palmſtierna). Freytag, Von der vortheilhafteſten Verkohlung des Holzes
in Meilern. Quedlinburg 1831.
²⁾ Man wählt eine von ſtarkem Luftzuge geſchützte Kohlungſtätte auf trockenem
Grunde. Am liebſten nimmt man jedesmal wieder die alten Stätten. Die beſte
[397/0419]
²⁾ Verkohlungszeit iſt vom Juni bis zum September einſchließlich, und man fällt das
Holz dazu vor dem Laubausbruche. Ein Meiler hat gewöhnlich für mäßig trockenes
Holz 1800–2400, und für friſches 1200–1500 Kubikfuße Raum. Die Feuer-
leitung geſchieht durch Verſtärkung und Verminderung der Meilerdecke, und alſo
umgekehrt des Luftzuges, und durch Einſtoßen von Löchern, was den Zweck hat,
das Feuer an einzelne Stellen zu leiten. In Meilern der erſteren Art verbrennen
ſo in 24–38 Stunden 100 Kubikfuße Holz. Man gewinnt je nach der Verſchie-
denheit des Holzes von 100 Pfd. Holz 12–21 Pfd. Kohle, und von 100 Pfd. ganz
trockenem Holze, das keine Zwiſchenräume hat, 25–32 Pfd. trockene Kohle ohne
Zwiſchenräume. Die Güte der Kohle hängt unter Vorausſetzung der gleichen Güte
der gebrauchten Hölzer von ihrer Dichtigkeit und Reichhaltigkeit an Brennſtoff ab,
und dieſe richten ſich nach der geringen Menge atmosphäriſcher Luft, welche bei der
Verkohlung Zutritt hat.
³⁾ Dieſe Methode hat ſich hauptſächlich in Schweden und Schleſien als vor-
theilhaft gezeigt.
⁴⁾ Ein ſolcher Ofen iſt beſchrieben von v. Schwarz bei Prechtl Jahrbücher.
VIII 167. Man ſ. über dieſe Methode insbeſondere aber auch noch Pfeil Krit.
Blätter. V. 1. Hermbſtädt Bülletin des Neueſten. VIII. 165. Bair. Kunſt-
und Gewerbsblatt. VIr Jahrg. 1820 (von Henkel). Verhandl. des Vereins zur
Beförderung des Gewerbsfleißes in Preußen. VIr Jahrg. 1827 (von Anckasvaad
und Af-Uhr). Dingler polytechn. Journal. VII. 264 (von de la Chabeaussiere).
Auch ſoll ſich darüber Schätzenswerthes bei Behlen Neue Zeitſchrift für Baiern
Bd. VI. (Jahrg. 1828.) Heft 2. u. 3. finden. Hat ſich der Theer von der Eſſigſäure
abgeſondert, ſo nimmt man dieſe ſorgfältig ab und filtrirt ſie durch Holzkohlenpulver,
bringt ſie dann in eine Deſtillirblaſe mit zinnernem Helme und Kühlrohre und de-
ſtillirt ſie. Das Ergebniß iſt eine hellweingelbe wenig riechende Flüſſigkeit, aber
noch nicht die reine Eſſigſäure, welche man erſt erhält, wenn man jene mit ge-
löſchtem Kalke (Kalkmilch) neutraliſirt. Es entſteht eſſigſaurer Kalk, den man
zerſetzt, wenn man eine Auflöſung von Glauberſalz (ſchwefelſaurem Natron) dazu
bringt, wodurch ſich ſchwefelſaurer Kalk (Gips) bildet und niederfällt, aber eſſig-
ſaures Natron aufgelöst in der Flüſſigkeit bleibt. Man dampft dieſe Flüſſigkeit bis
zum Vertrocknen ab, und bringt den trockenen Salzrückſtand in einem Eiſenkeſſel
gelinde zum Schmelzen, wobei ſich brenzliche Dämpfe entwickeln. Bemerkt man
dieſe nicht mehr, ſo läßt man den Rückſtand erkalten, löst ihn in Waſſer auf und
hat ſo das reine eſſigſaure Natron, zu welchem man blos Schwefelſäure zu ſetzen
und dann das Gemiſche zu deſtilliren hat, um in der Vorlage die reine Eſſigſäure,
als Rückſtand aber wieder ſchwefelſaures Natron (Glauberſalz) zu bekommen. S.
Hermbſtädt Technologie. II. §. 766. und das Dictionnaire technologique. I. 61.
Leng, Darſtellung der verſchiedenen in Deutſchland, Frankreich und England ge-
bräuchlichen Methoden der Gewinnung des Holzeſſigs. Ilmenau 1829.
IV. Verarbeitung des Zuckerſtoffes.
§. 299.
1) Die Bierbrauerei.
Das Bier iſt eine flüſſige, in die Weingährung übergegan-
gene, Extraktion von Gerſte, Weitzen, Hafer oder Mais. Das
Getreidekorn beſteht aus Waſſer, Eiweißſtoff, Zuckerſtoff, Schleim
(Gummi), Kleber, Stärkmehl und Holzfaſern. Durch die Brau-
operationen1) ſoll die Verzuckerung des Stärkmehles einer Ge-
treideart bewirkt, und der Zucker in eine Weingährung gebracht
und zerſetzt werden. Unter ſämmtlichen Getreiden iſt die Gerſte
zum Bierbrauen am tauglichſten, und insbeſondere diejenige, welche
[398/0420]
auf ſandigem magerem Boden gewachſen und nicht durchnäßt iſt2).
Der Kleber iſt entweder gekeimt oder nicht gekeimt, und nur der
Erſtere iſt vermöge höherer Temperatur im Stande, im Keime des
Pflänzchens das Stärkmehl in Zucker zu verwandeln. Man will
zuerſt einen möglichſt reichen zuckerhaltigen Extrakt (eine Würze)
bereiten, und weil der Zucker und Schleim in dem Getreide nur
den kleineren Beſtandtheil ausmacht, ſo ſucht man das Stärkmehl,
welches den größten Beſtandtheil bildet, in Zucker zu verwandeln.
Dies geſchieht durch das Malzen3), durch welches man bezweckt,
die Getreidekörner zum Keimen zu bringen. Die gekeimten Körner
heißt man alsdann Malz; allein dieſes iſt noch nicht ganz fertig.
Daſſelbe muß eines Theils noch getrocknet werden, um ſeine Keim-
kraft zu unterdrücken, andern Theils aber ſoll dadurch, da das
Stärkmehl etwa zur Hälfte blos in Zucker verwandelt iſt, der Reſt
auch noch ſo viel möglich zur Verzuckerung gebracht werden, nicht
blos indem unter einem höheren Grade von Temperatur der Kleber
auf die noch feuchte Stärke wirkt, ſondern auch indem das Stärk-
mehl durch das Röſten gummiartig wird. Das Trocknen geſchieht
entweder an luftigen Orten (Luftmalz) oder in eigenen Darr-
kammern (Darrmalz), welche leztere Methode4) aus leicht ein-
zuſehenden Gründen vorgezogen wird, da das Darrmalz mehr
Zucker und Schleim enthält. Die vorher ſchon gebildet geweſenen
Wurzeln fallen jetzt entweder von ſelbſt ab, oder ſie werden durch
Treten und Schwingen entfernt, und das Malz wird durch Sieben
von demſelben befreit. So weit bereitet iſt das Malz tauglich,
um die Zucker- und Gummitheile aus ihm zu extrahiren. Dies
kann natürlicher Weiſe leichter geſchehen, wenn das Malz geſchro-
ten oder gequetſcht iſt, und darum kommt es vor einer weiteren
Behandlung auf eine gewöhnliche Schrotmühle, auf ein Quetſch-
werk oder auf eine eigene Malzſchrotmühle5). Jetzt läßt man das
Malzſchrot noch etwas an einem feuchten Orte der Luft ausgeſetzt
liegen, damit ſich daſſelbe mit Feuchtigkeit aus der Atmosphäre
ſchwängere. Hierauf folgt die Auflöſung des Zucker- und Schleim-
ſtoffes durch Behandeln des Malzes mit warmem Waſſer, welcher
Prozeß das Maiſchen heißt6). Das Produkt dieſes Auflöſungs-
prozeſſes iſt eine dicke Flüſſigkeit, welche man Würze nennt.
Dieſe bringt man in einen Keſſel (den Braukeſſel)7) und kocht
ſie einige Zeit. Während dieſes Kochens wird der Hopfen auch
zugeſetzt und mitgekocht. Derſelbe iſt wirkſam hauptſächlich durch
ſein eigenthümliches ätheriſches Oel, ſeinen Bitterſtoff und Harz,
aber auch dadurch, daß er die Gährung der Maſſe mäßigt und die
ſaure Gährung hindert8). Die ſo gekochte Flüſſigkeit muß jetzt
[399/0421]
gereinigt und abgekühlt werden, und dies geſchieht, indem man ſie
auf irgend eine Art aus dem Braukeſſel in einen Seiher (die
Seiherbutte, den Hopfenkorb oder Hopfenſeiher), und durch
dieſen hindurch in einen großen flachen offenen Behälter (das
Kühlſchiff, den Kühlſtock) ſchafft9), wo ſie bis zu 10–14°
Reaum. abkühlt. Endlich fehlt nur noch die Einleitung der Gäh-
rung. Zu dieſem Behufe kommt die Würze jetzt in den ſogenannten
Stellbottich, der von verſchiedener Größe ſein kann, aber für
die Gährung um ſo beſſer, je größer er iſt. Man verſetzt ſie zu
dieſem Behufe mit Hefe10), und es zeigen ſich dabei die gewöhn-
lichen Erſcheinungen wie bei der Weingährung. Die Nachgäh-
rung wird bewirkt, wenn man das Bier jetzt in Flaſchen oder
Krüge einſperrt; ſie findet ſogar noch in verpichten Fäſſern Statt,
weßhalb man dieſe nicht feſt verſchließen darf. Nach vollendeter
Gährung läßt man aber das Bier ab, und hebt es in Lagerfäſſern
einige Zeit auf. Es gibt verſchiedene Arten von Bier11); aber
ein Nebenprodukt der Bierbrauerei iſt die Bierhefe, welche man
an einem kühlen Orte aufbewahrt, und, um ſie zu erhalten, täg-
lich mit friſchem Waſſer begießt, nachdem man das alte abge-
laſſen hat.
¹⁾ Zur Literatur: Prechtl Encyclopädie. II. 96. Poppe Handbuch. II. 362.
Beckmann Anleitung zur Technologie. S. 178. v. Keeß Darſtellung. II. 315.
Hermbſtädt Technologie. II. §. 529. Außer den beſondern älteren Werken dar-
über von Simon (Dresden 1771), Heun (Leipzig 1777), Richardſon (aus
dem Engliſchen überſetzt von Crell. Berlin 1788), Waeſer (Berlin 1793),
Jordan (Hannover 1799), ſind folgende neuere Werke darüber beſonders zu
bemerken: Schaal, Beſchreibung der Bierbrauerei. München 1814. Hermbſtädt,
Chemiſche Grundſätze der Kunſt Bier zu brauen. Berlin 1826. 3te Aufl. II Abthlgn.
Muntz, das Bierbrauen in allen ſeinen Zweigen. Neuſtadt a. d. Orla 1827.
Meyer, die bairiſche Bierbrauerei. Ansbach 1830. IIte Auflage 1832. Accum,
Abhandl. über die Kunſt zu brauen. Hannover 1831. Kögel, Anweiſung zum
Bierbrauen. Quedlinburg 1831. Leuchs, Vollſtändige Braukunde. Nürnberg 1831.
Auch führt Hermbſtädt folgende zwei engliſche Werke an: On the Preparation,
Perservation and Restauration of Malt-Liquors. London 1773. A. Morrice, A
Treatise on Brewing ........ London-portir, Brown-stout, Reading-beer,
Amber, Hock, London-Ale, souwy Grasi-Ale, Table-beer and shipping-beer.
London 1802. S. auch: Der Porterbrauer oder Anweiſung ꝛc. Berlin 1829.
IIIte Auflage.
²⁾ Sie hat in 1000 Theilen Mehl 100 Theile Waſſer, 12,3 Theile Eiweißſtoff,
56 Theile Zucker, 50 Thle. Schleim, 37,6 Thle. Kleber, 720 Thle. Stärkmehl,
2,5 Thle. phosphorſauren Kalk. Prechtl. II. 97.
³⁾ Daſſelbe zerfällt in zwei Operationen: a) Das Einweichen in Waſſer im
ſogenannten Quellbottiche von Holz oder in einer ausgemauerten Erdgrube, ſo
daß das Waſſer noch eine Spanne hoch darüber ſteht. Durch das Umrühren kom-
men die leichten tauben Körner oben auf und werden mit einem Siebe abgeſchöpft.
Man thut gut, das Waſſer jeden Tag durch friſches zu erſetzen. Während dieſes
Prozeſſes, welcher 2 Tage und darüber dauert, quillt die Mehlſubſtanz auf und wird
zum Keimen gebracht. Daher darf das Einweichen auch nicht zu lange dauern,
weil ſonſt die Keimkraft erſtickt oder weil zu viel Zucker auf die Keimung verwendet
[400/0422]
³⁾ wird. Spalten ſich die Körner an den Spitzen leicht durch einen Druck mit den
Fingern, dann iſt das Quellmalz gut. Hierauf läßt man die Maſſe noch 6–8
Stunden ſtehen, und dann folgt die zweite Operation, nämlich b) das Aufſchüt-
ten der Körner auf die Malztenne in 1–1½ Fuß hohe Haufen und das Liegen-
laſſen derſelben bis nach 24 Stunden, um ſo eine gleichförmige Keimung zu ver-
anlaſſen, wobei ſich die Oberfläche der Haufen abtrocknen, im Innern aber eine
Erwärmung Statt findet. Es zeigen ſich Würzelchen, und die Haufen werden,
ſobald ſich die Erwärmung und das Schwitzen zeigt, auseinander gezogen, um die
zu weite Keimung zu verhindern, aber wieder zu halb ſo hohen Haufen als die
vorigen waren zuſammengezogen. Man ſchaufelt dieſe täglich wieder einigemal um,
und macht ſie wieder niederer, der Keimprozeß wird aber als beendigt angeſehen,
wenn die Würzelchen ein wenig länger ſind als das Korn ſelbſt, und ſich die
Körner dadurch aneinander hängen, und die Haufen werden zum lezten Male in
1–2 Zoll hohe Haufen geſchaufelt. Nachdem ſie getrocknet ſind, kommen ſie auf
die Darre.
⁴⁾ Die Darrkammer iſt eine Stube, von 4 Mauern, auf welchen horizontal
die Darre, d. h. ein durchlöchertes Kupfer- oder Eiſenblech, oder ein Drahtſieb,
liegt, auf welches man die Körner 3–4 Zolle hoch aufſchichtet, dann durch
Heitzung vermittelſt eines Ofens allmälig bis 50° Reaum. und darüber erhitzt und
öfters umwendet, bis es eine gelbliche, gelbe oder braune Farbe hat, worauf man
dann das Feuer ausgehen und das Malz abkühlen läßt. Das Malzdarren dauert
2 Tage. Jene Farben hängen vom Grade der Temperatur ab. Dörrt man aber
das Malz an der Luft, ſo wird es auf den ſogenannten Welkboden ausgebreitet
und heißt auch Welkmalz, wie überhaupt alles ſchwach gedörrte Malz von einer
blaſſen Farbe. Daſſelbe wird in der Regel zu Weißbier genommen. Gutes Malz
hat einen ſüßen Geſchmack, einen angenehmen Geruch, wenn man es nicht kaut,
und iſt ſo voll weichen Mehles, daß man damit auf harten Gegenſtänden ſchrei-
ben kann.
⁵⁾ Eine ſolche Malzſchrotmühle beſchreibt Prechtl Encyclopädie. II. 148.
S. auch Dingler polytechn. Journal. XXII. 330. Karmarſch Mechanik in ihrer
Anwendung auf Gewerbe. II. 360.
⁶⁾ Man will durch das Maiſchen den Zucker und Schleim auflöſen, und vom
Reſte an Stärkmehl noch ſo viel als möglich verzuckern, indem man daſſelbe unter
Beigießen von heißem Waſſer mit Kleber vermiſchen und ſo in Zucker verwandeln
will. Das Waſſer wird daher im Braukeſſel bis wenigſtens 50°, höchſtens 60°
Reaum. erhitzt, das Malz aber kommt vorher in den Maiſchbottich, d. h. ein
unter dem Braukeſſel ſtehendes Gefäß mit zwei Boden, wovon der obere durchlöchert
iſt. Nun läßt man von jenem heißen Waſſer eine Quantität auf das Malz laufen,
und rührt immer mit Krücken um. Nach einiger Zeit läßt man von dem indeſſen
bis zu 75° erhitzten Waſſer abermals etwa ¾ der früheren Menge darauf und ſetzt
das Umrühren fort. Iſt die Maſſe eine gleichförmige Flüſſigkeit geworden, dann
läßt man ſie bedeckt im Maiſchbottich 1–1½ Stunden ruhen, und zieht die
gebildete Würze durch den Hahn, in ein noch tiefer ſtehendes Gefäß (Unterſtock)
ab. Sie muß klar ſein. Iſt ſie es nicht, ſo kommt ſie noch einmal in den Maiſch-
bottich. Dieſe Operation wird mit derſelben Maiſche dreimal wiederholt. Man
mißt den Gehalt der Würze durch eine Spindel, welche man Saccharometer
nennt. Gießt man über die bereits ausgewürzte Maiſche ſpäter noch einmal Waſſer,
ſo gibt der Extrakt die Würze für das ſogenannte Nachbier (den Kovent).
Eine verbeſſerte Vorrichtung zum Maiſchen ſchlägt Prechtl (a. a. O. II. S. 119)
vor, ſie dient zum Maiſchen, indem man zugleich den Waſſerdampf dazu benutzt.
Auch iſt zur Verfertigung der Würze ſchon die Real'ſche Preſſe vorgeſchlagen
worden.
⁷⁾ Der Braukeſſel iſt von Kupfer, und liegt auf eiſernen Stangen oder un-
zweckmäßiger auf Mauerpfeilern, mit ſeinem Boden auf. Zur Benutzung der von
dieſem Hauptkeſſel abgehenden Hitze iſt es ſehr zweckdienlich, noch einen zweiten
kleineren Keſſel anzubringen, der zugleich die Brauoperationen ſehr beſchleunigt.
Mit Vortheil kann man die Keſſel auch durch einen Deckel verſchließen, der in eine
[401/0423]
⁷⁾ Röhre zur Ableitung der Dämpfe ausgeht. Dieſe engliſche Einrichtung beſchreibt
auch Prechtl a. a. O. II 149–152.
⁵⁾ Durch das Kochen wird die Würze concentrirt. Der Hopfen enthält nach
Wimmer 0,12 Hopfenöl, 2,26 Gerbſtoff, 7,69 Extraktivſtoff, 4,91 Harz, 7,09
Gummi und 72,94 Faſerſtoff. Während des Kochens wird noch die Verzuckerung
eines Theiles von dem Reſte an Stärkemehl bewirkt, und beſonders durch den
Hopfenbeiſatz nicht blos veranlaßt, daß der Eiweißſtoff der Würze in Flocken
geronnen niederfällt, ſondern auch, daß der nicht verzuckerte lezte Reſt vom Stärk-
mehle ſich mit dem Gerbſtoffe des Hopfens verbindet und ſo ſpäter beim Abkühlen
des Bieres leichter ausgeſchieden wird. Braunbier muß länger kochen als Weißbier,
und die Würze iſt überhaupt genug gekocht, wenn ſich die Eiweißflocken zeigen und
niederſchlagen. Der Hopfen kann 2–6 Stunden lang darin gekocht werden, und
wird nachher noch zum Nachbiere gebraucht. Man weicht ihn vor ſeinem Einbringen
entweder in heiße Würze ein und gießt ihn dann ſammt dieſer in die Würze, oder
man macht auf chemiſchem Wege aus ihm einen Extrakt und gießt dieſen in den
Braukeſſel, oder aber man ſchüttet ihn ohne Vorbereitung auf die Oberfläche der
Würze, um ihn durch die Dämpfe zu erweichen und zu öffnen, und drückt ihn erſt
dann in die Würze. Für ſtärkeren engliſchen Ale und Porter rechnet man 1½ Pfd.
Hopfen auf 1 öſterreich. Metze Malz oder ungefähr eben ſo viel auf 1 preuß. Scheffel.
⁹⁾ Das Gebräue ſoll darin nicht höher als zwei Zolle ſtehen, und hat eine
Temperatur von 75–78° Reaum., welche allmälig bis auf 14–10° abnimmt.
Im Kühlſchiffe ſteht das Gebräue ganz ruhig, und es iſt erklärlich, daß die Luft
nach ihrer jeweiligen Beſchaffenheit darauf von großem Einfluſſe iſt. Die Abkühlung
erfordert 6–15 Stunden Zeit. Das Kühlſchiff ſteht entweder im Freien oder unter
einem leichten Dache, welches, wenn die Braueinrichtung recht vollkommen ſein
ſoll, beweglich ſein muß. Man kann die Abkühlung auch durch künſtliche Erkälter
(Refrigeratoren) beſchleunigen, wenn man das Gebräude vom Kühlſchiffe durch
Röhren in ein Gefäß leitet, das mit kaltem Waſſer umgeben iſt, auf ähnliche
Weiſe wie bei der Branntweinbrennerei. Prechtl a. a. O. II. 127. vrgl. mit
I. 29. u. III. 35. Ueber verbeſſerte Kühlmethoden ſ. m. auch Dingler polytechn.
Journal. XVI. 432 (Burdy's Anti-Evaporations-Abkühler). XXIV. 39. und
XXVIII. 279 (nach Deurbroucy). Bairiſches Kunſt- und Gewerbsblatt. XVI.
Jahrg. (1828). Bd. II. S. 171. Prechtl Jahrb. II. 256 (engl. Bierbrauerei).
¹⁰⁾ Mit obiger geringeren Temperatur wird die Gährung am beſten einge-
leitet, wenn die Luft 10° hat. Veränderungen in der Wärme der Atmosphäre
machen das Bier leicht ſauer. Daher muß hierbei große Sorgfalt angewendet wer-
den, und im Winter muß die Würze jedenfalls 2–4 Grade wärmer ſein als im
Sommer. Man rechnet 1 Thl. Hefe auf 100 Thle. Würze, und die Gährung
dauert 6–8 Tage. Es bildet ſich auf der Oberfläche des Gebraues ein Schaum,
und aus dieſem die Oberhefe, welche man mit einem Siebe abnimmt, wenn die
Gährung vollendet iſt. Das Bier wird dann ſchnell abgezogen, damit der Bodenſatz
(Unterhefe) daſſelbe nicht hefenbitter mache. In den Fäſſern kommt die Nach-
gährung, wobei die Oberhefe zum Spundenloche herausfließt, die Unterhefe ſich
aber ſetzt. Hört jenes auf, dann wird das Faß verſpundet. — Bei der erſten
Gährung finden auch die anderen Zuſätze Statt, zum Theile unſchädliche (Lakritzen-
ſaft, Süßholzwurzel), zum Theile den Magen ſtärkende (Kümmel, Anies, Kori-
anther, Ingwer, Zitronenſchaalen u. dgl.), zum Theile ſchädliche (Rosmarin,
Opium, Cocoli indici, Nießwurz, ſpan. Pfeffer). Man hängt dieſe Subſtanzen in
den Stellbottich. — Ueber die Methode, das Bier zu klären ſ. m. XVI 434
(nach Dikinſon); daſſelbe aufzubewahren XXXIX. 61 (nach Aitken); daſſelbe
vor dem Sauerwerden zu ſchützen XLI. 257 (von Mallett).
¹¹⁾ Außer den Verſchiedenheiten und verſchiedenen Namen des Bieres nach der
Localität, welche leztere zum Theile höchſt wunderliche, derbe und lächerliche Aus-
drücke des Volkswitzes und von Hermbſtädt großentheils angeführt ſind, unter-
ſcheidet man nach Materiale und Stärke leichtes, mittelſtarkes, ſtarkes
(Doppel-) Bier, von welchem leztern das engliſche Ale das ſtärkſte iſt, — nach
der Farbe deſſelben, die von jener des Malzes und von der Länge des Kochens herrührt,
Weiß-, Gelb- und Braunbier; — und nach der Vollendung der Gährung
März- und Lagerbier, oder Jung- und Altbier. Dict. technologique. III. 61.
Baumſtark Encyclopädie. 26
[402/0424]
§. 300.
2) Die Branntweinbrennerei1).
Der Branntwein iſt ein zum Genuſſe für Menſchen taugliches
Gemiſche von Weingeiſt und Waſſer2). Zur Bereitung deſſelben
ſind alle Stoffe tauglich, welche Zucker und Gummi, Stärkmehl
und Kleber genug enthalten, um zur Bereitung eines Extrakts zu
dienen, der durch die Weingährung Alcohol bildet, welcher mit
Waſſer vermiſcht iſt, aber durch Deſtillation mit verſchiedener
Menge Waſſers verbunden, gewonnen werden kann. Man kann zu
Branntwein aus der Klaſſe der zuckerhaltigen Pflanzentheile
das Zuckerrohr (zu Rhum), die bei der Zuckerbereitung abfallende
Melaſſe, den Syrup, Rohzucker, Ahorn- und Birkenſaft, Palmen
(zu Arrak) u. ſ. w., Weinträbern, Aepfel und Birnen, Zwetſchen,
Kirſchen, Maul-, Heidel-, Erd- und Himbeeren, Wachholder-
beeren, die Früchte des Erdbeerbaumes und der Ebereſche, und
die Runkelrübe benutzen. Er wird aber auch aus ſtärkehaltigen
Pflanzenſtoffen, als: Getreide und Kartoffeln gemacht. Enthält
Einer von dieſen lezten Stoffen nicht Kleber genug, um das Stärk-
mehl in Zucker zu verwandeln, ſo muß noch eine andere ſtärke-
haltige Subſtanz dazu gemengt werden (§. 299.). Das erſte Ge-
ſchäft der Branntweinbrennerei iſt, wie bei der Bierbrauerei, die
Gewinnung eines zuckerhaltigen Extraktes aus jenen Stoffen und
die Einleitung einer Weingährung in demſelben. Die Darſtellung
jenes Extraktes iſt nach den zu löſenden Gegenſtänden verſchie-
den3), aber die Gährung wird ebenfalls durch Zuſatz eines Fer-
mentes, z. B. der Hefe bewirkt. Man nennt auch das Reſultat
dieſer Operationen Maiſche oder Würze. Auf dieſe wird die
Deſtillation angewendet, und man hat zwei Hauptmethoden der-
ſelben. Nämlich man deſtillirt entweder zuerſt aus der Maiſche
ein ſehr waſſerhaltiges Deſtillat und erſt in einer zweiten Deſtilla-
tion dieſes zu Branntwein, oder man bewirkt beide Deſtillationen
in einer Operation. Jene ältere ſo wie dieſe neuere Methode iſt
gebräuchlich und jede erheiſcht ihre beſonderen Apparate. A. Ael-
tere, auch manchfach verbeſſerte, Methode. Die Würze
kommt in die Deſtillir- oder Maiſchblaſe4), einen Keſſel, den
man mit derſelben, nachdem man ſie ſtark umgerührt hat, anfüllt,
jedoch nicht bis an den Rand, damit ſich die Maſſe ohne auszu-
laufen heben kann. Zur Beſchleunigung des Deſtillationsprozeſſes
thut man ſehr gut, wenn man die Würze vorher ſchon bis etwa
auf 60° Reaum. erwärmt5). Unter einer ſtarken Feuerung ſteigt
die Hitze der Maiſche bald bis an den Siedpunkt. Ehe ſie dieſen
[403/0425]
erreicht, dämpft man das Feuer und ſetzt auf die Maiſchblaſe den
ſogenannten Helm oder Hut6), ein oben geſchloſſenes gewölbtes
Gefäß von Kupfer, in welches die Dämpfe ſteigen, um von da
aus durch den Helmſchnabel, eine von oben zu hinabwärts-
gehende Röhre, zu entweichen, welche man mit einer anderen
(der Kühlröhre) verbindet, die ihr aus einem Apparate ent-
gegenkommt, der Kühlapparat (Refrigerator, Erkälter) heißt,
und dazu dient, die Dämpfe zu einer tropfbaren Flüſſigkeit nieder-
zuſchlagen7). Aus dem Refrigerator kommt die Kühlröhre auf
der anderen Seite hervor und es tröpfelt aus ihr ein ſehr waſſer-
reicher Branntwein (Läuter, Lutter) von nur 10–20° Tralles.
Dieſer Läuter muß alsbald, damit ſein Gehalt an Eſſigſäure keine
ſaure Gährung bewirkte, zum Behufe der zweiten Deſtillation
(Rectification) in eine zweite Deſtillir- oder in die Wein-
blaſe (von Weinen, wie man dieſe Deſtillation auch nennt)
gebracht und wie auf die erſte Art deſtillirt und abgekühlt werden.
Was zuerſt durch die Kühlröhre hervorkommt (der Vorlauf), iſt
weit ſtärker, als was nachkommt (der Nachlauf). Man leitet
beides durch einen Filter von Filz, der einem Hanswurſthute ſehr
ähnlich iſt, in ein Gefäß, nimmt den Vorlauf, ſobald man den
Nachlauf bemerkt, hinweg, fängt auch dieſen auf und bringt ihn
mit dem nächſten Lutter wieder in die Weinblaſe. Dieſe Brenn-
methode hat viele Verbeſſerungen erlebt, deren vollſtändige Auf-
führung8) hier nicht thunlich iſt. Eine der Weſentlichen iſt die
Einführung des Dampfbrennapparates9). B. Neuere, auch
manchfach verbeſſerte, Methode. Wie ſchon erwähnt iſt, ſo
beſteht das Charakteriſtiſche derſelben darin, daß man den Brannt-
wein in ſehr concentrirtem Zuſtande ſchon gewinnt, indem das
Deſtillat nur einmal durch den Brennapparat geht. Das Verfahren
iſt in jeder Beziehung abgekürzt und materiell vortheilhafter; allein
die Apparate dazu ſind zuſammengeſetzter und koſtſpieliger. Man
verfährt dabei nach zwei Prinzipien. Nach dem erſten Prinzipe
ſucht man eine mehrfache Deſtillation zu bewirken, um den Gehalt
des Branntweines ſtufenweiſe mit jeder neuen Deſtillation zu er-
höhen, indem die Siedhitze in den Gefäßen, die er durchwandern
muß, ſtufenweiſe abnimmt und derſelbe aus der Blaſe mit dem
niedrigſten Siedpunkte in den Kühlapparat geht10). Nach dem
zweiten Prinzipe ſucht man den Branntwein nicht durch wieder-
holte Deſtillation, ſondern vielmehr durch wiederholte ſtufenweiſe
Condenſirung oder Abkühlung verſchiedenen Grades zu concentriren.
Daher leitet man die weingeiſtigen Dämpfe aus der höheren Tem-
peratur in eine Röhre (Condenſator, Rectificator) von einer
26 *
[404/0426]
geringeren Temperatur; in dieſer verdichtet ſich ein Theil ſchon zu
einer reichen alcoholhaltigen Flüſſigkeit und es bleiben noch Dämpfe
unverdichtet; man ſucht deshalb die ſtarke weingeiſtige Flüſſigkeit
abzuziehen und leitet blos die noch übrigen Dämpfe in den Refri-
gerator, wo ſich ein ſehr concentrirter Branntwein niederſchlägt;
die zuerſt durch Verdichtung gewonnene weingeiſtige Flüſſigkeit lei-
tet man dagegen ſchnell, um ſie nicht erkalten zu laſſen, in die
Maiſchblaſe zurück, damit der darin enthaltene Weingeiſt dort von
ihr geſondert werde11). Der auf eine dieſer verſchiedenen Metho-
den gewonnene Branntwein riecht immer noch nach dem Stoffe,
aus dem er bereitet iſt, und namentlich hat der Kartoffel- und
der Getreidebranntwein einen ſogenannten Fuſelgeruch, durch
das in den Kartoffeln und im Getreide enthaltene Fuſelöl. Man
hat verſchiedene Mittel, ihm davon zu befreien12), und man be-
nutzt die verſchiedenen aus weniger edeln Stoffen gemachten
Branntweine auch zur Bereitung edler Arten13).
¹⁾ Zur Literatur: Prechtl Encyclopädie. III. S. 1–72. Hermbſtädt
Technologie. II. §. 542. Poppe Handbuch der Technologie. II. 380. Als eigene
Schriften über Brennerei ſind außer den von Poppe angeführten älteren Werke
von Grotjan (Nordhauſen 1754. Neue Aufl. 1761), von Simon (Dresden 1765.
Neue Aufl. 1795), von Chriſt (Frankfurt a. M. 1785), von Neuenhahn
(Erfurt. IIte Ausgabe 1791. IIIte Ausg. Leipzig 1804 in II Bdn.), von We-
ſtrumb (Hannover. IIte Ausg. 1796) und Weiß (Leipzig 1801 in II Thln.)
beſonders folgende wichtig: Piſtorius, praktiſche Anleitung zum Branntwein-
brennen. Berlin 1821. Neue Aufl. 1829. Hermbſtädt, chemiſche Grundſätze der
Kunſt Branntwein zu brennen. Berlin 1823. II Thle. Bachwell, die Brannt-
weinbrennerei nach einer verbeſſerten Gährungsart. Dresden 1828. Roſenthal,
die Nordhäuſiſche Branntweinbrennerei. Nordhauſen 1828. IIte Auflage 1832.
J. Weſtrumb, Materialien für Branntweinbrenner, herausgegeben von A. We-
ſtrumb. Hannover 1828. Siemens, Beſchreibung eines neuen Betriebs des
Kartoffelbrennens. Hamburg 1829. IIIte Aufl. Praktiſche Anweiſung zum Brannt-
weindeſtilliren. Nordhauſen 1830. Schmidt, die verbeſſerte Kartoffelbranntwein-
brennerei. Berlin 1830. Koelle, die Branntweinbrennerei vermittelſt Waſſer-
dämpfen. Berlin 1830. (Leuchs) Sammlung der ſeit 30 Jahren in der Brannt-
weinbrennerei gemachten Beobachtungen. Nürnberg 1831. Gall, die Branntwein-
brennerei, von A. Koelle geprüft. Trier 1830. Muntz, Anleitung zum Schnell-
brennen des Branntweines. Neuſtadt 1830. Gall, Beſchreibung ſeines neuen
Dampfbrennapparats. Trier 1831. Richter, die Kartoffelbranntweinbrennerei durch
Dampf. Berlin 1832. Gall, der Gall'ſche oder rheinländiſche Brennapparat. Trier
1834. v. Keeß Darſtellung. II. 328. Duportal, Anleitung zur Kenntniß der
Branntweinbrennerei in Frankreich. Ueberſezt und mit Zuſätzen begleitet von
Hermbſtädt. Berlin 1812. Dingler polytechn. Journal. XX. 41. 52. XXX.
339 (Maiſchung nach More). XXXIV. 286 (Brennerei nach Stein). XXXV.
52 (Kartoffelbranntwein nach Pabſt). Dict. technologique I. 265. VII. 30.
279.
²⁾ Er hat höchſtens 22° Baumé oder 0,925 ſpezif. Gewicht. Sehr ſtarker
Branntwein heißt Aquavit Noch mehr deſtillirter Aquavit von 0,900 ſpezif.
Gewicht oder 25–26° Baumé iſt rectifizirter Weingeiſt; wird dieſer aber-
mals deſtillirt bis auf ⅔, ſo heißt das andere ⅓ höchſt rectifizirter Wein-
geiſt und hat 0,833 ſpez. Gewicht oder 38° Baumé. Durch ferneres Deſtilliren
des Lezteren bis zu 40° Baumé oder 0,825 ſpezif. Gewicht erhält man den
[405/0427]
²⁾ Alcohol, der aber immer noch 11% Waſſer hat. Wird er ganz waſſerfrei
gemacht, ſo heißt er abſoluter Alcohol, hat bei 12° Reaumur 0,7947 ſpez.
Gewicht und beſteht aus 52,66 Kohlenſtoff, 12,90 Waſſerſtoff und 34,44 Sauerſtoff.
Prechtl Encyclopädie. I. S. 222 folg.
³⁾ Der Saft des Zuckerrohres, wie der Wein ohne Hefezuſatz gährungs-
fähig, hat friſch 12–16% Rohzucker. Syrup muß aber mit dem 20 fachen an
Waſſer verdünnt werden, ſich dann auf 20° Reaum. abkühlen, mit 8% ſeines
Gewichtes an Hefe verſetzt werden, um zu gähren und wird dann deſtillirt. Das
Abwaſchwaſſer vom Zuckerraffiniren braucht nur mit Hefe verſetzt, gekühlt und
deſtillirt zu werden. Der Rohzucker wird mit 10 fachem Gewichte Waſſer gelöst
und 10% Hefe verſetzt. Ein Pfd. Zucker liefert ½ Pfd. Alcohol. Weinträbern
rührt man blos mit Waſſer an und ſie gähren in einer Temperatur von 15–20°
Reaum. ohne Hefezuſatz. Aepfel und Birnen werden gequetſcht, dann mit dem
doppelten Volumen an heißem Waſſer zu einem Breie angerührt, und nach dieſem
noch verdünnt und der eigenen Gährung überlaſſen. Zwetſchen werden auch mit
Waſſer umgerührt und in wohlverſchloſſenen Gefäßen einige Monate im Keller ſtehen
gelaſſen und dann deſtillirt. Bei den Kirſchen zerquetſcht man aber zugleich die
Kernen mit dem Fleiſche, ehe man ſie ſo behandelt. Der Saft von Runkelrüben
hat 8% Zucker. Man kocht ſie, wenn ſie recht gereinigt ſind, mit Waſſerdämpfen
weich, zerquetſcht oder ſtampft ſie zu Brei, miſcht ſie mit [FORMEL] des Gewichtes ſieden-
dem Waſſer ein, ſeihet ſie durch ein Sieb, gibt noch halb ſoviel Waſſer dazu und
verſetzt die Maiſche nach ihrer Abkühlung bis auf 20° Reaum. mit 16 pr. Mille
des erſten Gewichtes der Runkelrüben an Hefe zur Gährung. Man muß aber der
erſten Maiſche 32 pr. Mille Gerſtenmalzſchrot zuſetzen, um den gehörigen Kleber-
gehalt in die Maiſche zu bringen. Es geben 100 Pfd. Runkelrüben 10–12 Pfd.
Branntwein von 45° Tralles. Das Getreide gibt ſehr guten und vielen Brannt-
wein. Man rechnet auf 100 Pfd. Weitzen 40–45 Pfd. Branntwein obiger
Stärke, auf 100 Pfd. Gerſte, Buchweitzen oder Mais 40 Pfd., auf 100 Pfd.
Roggen 36–42 Pfd. und auf 100 Pfd. Hafer 36 Pfd. Branntwein. Das Mai-
ſchen des Getreides ſammt den Vorarbeiten iſt weſentlich von dem Maiſchen bei der
Bierbrauerei nicht verſchieden und ſogar zu wünſchen, daß man dabei ebenſo ver-
fahren möchte. Nur braucht die Maiſche nicht klar zu ſein, und wird mit 4%
friſcher Oberhefe oder 8% Unterhefe an Gewicht verſetzt und in Gährung gebracht,
ehe ſie zur Deſtillirung kommt. Ehe man die Hefe beigießt, miſcht man ſie mit
etwas warmer Maiſche. Es entſteht beim Gähren keine Oberhefe, und es kann
ſogar etwas ſäuerlich werden. Nach 2½ bis 3 Tagen kann die Maiſche oder Würze
zur Deſtillation kommen. Die Kartoffeln, welche ſich zu Branntwein vortrefflich
eignen, werden gereinigt. Man hat dazu auch eigene Maſchinen (§. 197. Note 2)
und Prechtl a. a. O. III. S. 18. beſchreibt auch eine ſolche. Wenn hierauf die
Kartoffeln in Dampf gekocht ſind, wozu man auch eigenthümliche Bottiche hat, ſo
werden ſie zerquetſcht oder zerrieben. Dies geſchieht durch Walzen von Holz, wie
in Deutſchland, oder durch Walzen, welche mit einem Siebe aus Eiſendraht über-
zogen ſind, damit der Brei in den Cylinder fallen und auf einer ſchiefen Ebene aus
demſelben herausgleiten kann, wie in Frankreich üblich iſt. Um aber eine Abküh-
lung der Kartoffeln beim Quetſchen zu verhüten, bringt Siemens die Quetſchung
im Kochbottiche ſelbſt an (ſ. außer ſeiner Schrift auch Prechtl a. a. O. III. 19
bis 23.). Entweder in dieſem Siemens'ſchen Maiſchapparate ſelbſt, oder auf andere
Art miſcht man den Kartoffelbrei mit heißem Waſſer und zum Behufe der Auflöſung
des geronnenen Eiweißſtoffes und der Neutraliſation der Weinſteinſäure mit einer
Aetzlauge von 1 Pfd. in heißem Waſſer aufgelöster calcinirter Pottaſche und 1 Pfd.
gelöſchtem Kalke. Hierauf wird ihm, nachdem er durch ein Sieb gelaufen und von
den Träbern gereinigt iſt, ungefähr ⅙ bis ⅒ des Gewichts der Kartoffeln an
Malzſchrot zugeſetzt, nachdem daſſelbe mit dem halben Gewichte der Kartoffeln an
kaltem Waſſer vermiſcht iſt. Man wiederholt nach ein Paar Stunden denſelben
Waſſerzuſatz und läßt die Wärme ſo bis 20° Reaum. abkühlen. Alsdann ſetzt man
3–4% des Kartoffelgewichtes Hefe bei, worauf die Gährung mit einer ſehr
brauchbaren Oberhefe beginnt. Iſt ſie vollendet, ſo kommt die Maiſche in die
Deſtillirblaſe, und liefert 18–20% Branntwein von 45° Tralles. — Der Reſt
[406/0428]
³⁾ nach dem Deſtilliren dieſer Materien heißt Spülicht oder Schlempe, Hermb-
ſtädt Bülletin. V. 118. VII. 251.
⁴⁾ Der Keſſel iſt von Kupfer, aber von verſchiedener Größe und Form. Die
mehr cylindriſche Form mit gewölbtem Deckel und Boden iſt die beſte. Auf jenem
iſt die Oeffnung zum Einſetzen des Helmes, welche ⅓-½ des Keſſeldurchmeſſers
beträgt. Am Boden des Keſſels iſt ein Rohr zum Abziehen des Spülichts anzu-
bringen, ſo das der Helm blos zum Putzen des Apparates abgenommen zu werden
braucht.
⁵⁾ Man wärmt im Vorwärmer die Maiſche zuerſt bis auf etwa 60° Reaum.
Die Deſtillation geht dann ſchneller, weil die Maiſche alsdann, ſo wie ſie in die
Blaſe kommt, anfängt zu deſtilliren. Man erſpart auch an Brennmateriale. Auch
er iſt von Kupfer, mit einem Deckel geſchloſſen, und muß die Maiſche für eine
Deſtillation halten. Man bringt ihn unter dem Schornſteine hinter dem Feuer-
heerde des Keſſels an.
⁶⁾ Der Helm, auch von Kupfer, ſitzt auf der Blase als ein umgeſtürzter, nach
dem oberen Theile ſich erweiternder gewölbter Cylinder. Die Wölbung ſchließt ein
gewölbter Deckel, in deſſen Mitte ſich eine verſpundete Oeffnung zum Nachfüllen der
Maiſche befindet. An der Seitenwand iſt der Schnabel oder das Helmrohr ange-
bracht, welches die Dämpfe in den Abkühler führt, und ſich gegen das Ende vom
Keſſel an gerechnet bis auf die Hälfte des Anfangs verengert. Auf dem Helme iſt
mit Vortheil ein Ring angelöthet, damit er ein Gefäß bildet, dem die Wölbung
des Helmes als Boden dient. Man kann dies mit Waſſer füllen.
⁷⁾ Im Refrigerator ſollen die Dämpfe ſich condenſiren und das Product
der Condenſirung abkühlen. Das Weſentliche deſſelben iſt ein mit kaltem Waſſer
gefülltes Gefäß, durch welches die Dämpfe in Röhren hindurchgeleitet werden.
Dieſe Röhren ſind entweder gerade (alte Form), oder ſchlangenförmig oder
zickzackig. Leztere ſind vorzuziehen, weil ſie dem Kühlwaſſer die größte Fläche
darbieten, ein Kühlfaß von geringerem Umfange verlangen, als jene, — doch die
Abkühlung ſehr vollſtändig und beſſer als jene bewirken und leicht zu reinigen ſind.
Es gibt aber noch andere Refrigeratoren, z. B. der von Gedda, welcher aus zwei
ineinander ſtehenden abgeſtutzten kegelförmigen Cylindern beſteht, und der Köll'ſche,
welcher gabelförmig iſt (Prechtl a. a. O. III. S. 35–43.).
⁸⁾ Die Hauptmängel der alten Methode ſind großer Zeitaufwand durch die
zweite Deſtillation-Unvollkommenheit dieſer Leztern, Verluſt an Product durch das
Erkalten des erſten Deſtillats, große Arbeit und bedeutender Aufwand an Brenn-
materiale. Eine Verbeſſerung deſſelben ſchlägt unter Anderen auch Prechtl
(a. a. O. III. 45.) vor, indem er zwiſchen die Blaſe und das Kühlfaß einen
Rectifizir- oder Läuterkeſſel ſtellen will, aus dem die Dämpfe zum zweitenmale durch
den Helm entweichen und erſt dann in das Kühlfaß gelangen.
⁹⁾ Ein erſt neuerdings wieder empfohlener Apparat dieſer Art iſt der Gall'ſche.
Man will die Maiſche bei dieſer Art von Apparaten durch Dampf von hoher Hitze
und Spannung deſtilliren, indem man ihn in die Maiſche ſelbſt einleitet. Man
hat daher, dem Weſentlichen nach, einen Dampfkeſſel, aus welchem die Dämpfe
vermittelſt einer Röhre in das Maiſchgefäß oder die Blaſe treten. Dieſe Methode
hat Vorzüge, nämlich die, daß die Maiſche nie anbrennen kann, und mit einem
Dampfkeſſel mehrere Deſtillirapparate geſpeist werden können und die Temperatur
bei der Deſtillation ſich gleich bleibt. Aber der gelieferte Läuter iſt ſchwächer als
bei den anderen Methoden. Jedoch hat man dieſem Uebelſtande durch Veränderungen
abgeholfen. Prechtl a. a. O. III. 47–53. Hermbſtädt Bülletin. VI. 214. 332.
VIII. 112. IX. 39. X. 218.
¹⁰⁾ Das Weſentliche dieſer, ohne Zeichnung nicht zu beſchreibenden, Apparate
iſt, daß man außer der eigentlichen Brennblaſe noch mehrere, mit der Zunahme
der Entfernung von dieſem immer kleiner werdende, Gefäße mit Maiſche füllt,
durch welche ſämmtlich die weingeiſtigen Dämpfe des Brennkeſſels ſteigen, bis ſie in
den Refrigerator gelangen. Die im Brennkeſſel gebildeten Dämpfe erhitzen die
Flüſſigkeit im nächſten Gefäße, — die in dieſem gebildeten Dämpfe jene des fol-
genden u. ſ. w., ſo daß die Stärke des Weingeiſts zu- und die Wärme abnimmt,
[407/0429]
¹⁰⁾ je näher derſelbe und das Gefäß dem Refrigerator ſteht. Es gehören hierher z. B.
die Apparate von Edw. Adam und Andern. Prechtl a. a. O. III. 53–56.
¹¹⁾ Aus dieſer Darſtellung geht das Weſentliche dieſer Einrichtung hervor.
Es gehören hierher die Apparate von Curaudeau und von Derosne, ſo wie
von mehreren Anderen. Prechtl a. a. O. III. 56 folg.
¹²⁾ Dieſer Fuſelgeruch nimmt ab, je mehr der Weingeiſt rectificirt wird, und
je weniger man die Hitze übertreibt. Die beſprochene Aetzlauge als Beiſatz zur
Maiſche verhindert auch den Fuſelgeruch, beſonders mit gleichem Zuſatze von Eiſen-
oder Zinkvitriol, als wie an Pottaſche, weil ſich das Metalloxyd mit dem Fuſelöle
zu einer unzerſetzlichen Subſtanz verbindet. Auch Zuſätze von Eichenlohe zur Maiſche,
und von gereinigtem Baumöle, Wachs, Mandelöl u. dgl. zum Läuter verbinden ſich
als ein Ueberzug der Oberfläche mit dem Fuſelöle. Auch iſt von Erfolg, den
Branntwein über Mandelkleie abzuziehen. Am beſten hat ſich der Beiſatz von Koh-
lenſtaub, mit 1 Thl. Kohle auf 4 oder 6 Thle. Lutter dem Volumen nach, zur
Reinigung des Branntweins vom Fuſelöle bewährt. Doch ſoll die Kohle noch glü-
hend geſtoßen werden, um die Aſchebeimiſchung zu verhüten. Im Großen iſt das
bloße Filtriren des Branntweins durch Kohle ein gutes Mittel zur Reinigung.
Ueber den Apparat hierzu von Lenormand ſ. m. Prechtl a. a. O. III. 69.
S. auch Hermbſtädt Bülletin. II. 44. VIII. 193.
¹³⁾ Ueber die Bereitung der feinen Branntweine, Liqueurs u. dgl. aus dieſen
rectifizirten ſ. m. obige Schriften.
Dritte Unterabtheilung.
Von der Verarbeitung thieriſcher Stoffe.
I. Haut- und Darmverarbeitung.
§. 301.
1) Die Gerberei.
Unter der Gerberei1) verſteht man jene Zubereitung der
Thierhäute, daß dieſelben, ihrer gewöhnlichen Zerſetz- und Faul-
barkeit als thieriſche Producte beraubt, zu einem harten, zähen,
dehnbaren, im Waſſer unauflöslichen und von demſelben mehr oder
weniger undurchdringlichen Producte umgewandelt werden, das
man allgemeinhin Leder heißt2). Man unterſcheidet im Ganzen
folgende drei Hauptmethoden der Gerberei, welche auch verſchiedene
lederartige Producte liefern. A. Die Lohe- oder Rothgerberei,
d. h. das Gerben durch Zuſatz von gerbſtoffhaltigen Pflanzen-
theilen3). Die Behandlungsweiſe der rohen (grünen) Häute iſt
verſchieden nach der Art des zu gewinnenden Leders. Die beiden
wichtigſten Lederarten, welche ſo bereitet werden, ſind das Sohl-
(Pfund-) und das Schmal- (Fahl-) Leder4). Zur Berei-
tung des Sohlleders nimmt man blos Ochſen- und Rindshäute.
Man legt ſie einige Tage in friſches Waſſer (wäſſert ſie, weicht
ſie ein) und ſchabt ſie von Zeit zu Zeit, um ſie von allen Fett-
theilen zu reinigen, an der Fleiſchſeite auf den Schabebaum
(einem halbrunden hölzernen Stamme, der mit dem einen Ende
[408/0430]
auf der Erde, mit dem andern aber auf einem Fuße liegt) mit
dem Schabeeiſen (einem Meſſer von ſtumpfer Schneide und zwei
hölzernen Griffen). Hierauf werden ſie mit Kochſalz eingerieben
und in der Schwitzſtube von einer Temperatur von 40° Reaum.
zum Schwitzen in Haufen übereinander gelegt. Es entwickelt ſich
dabei ein Faulgeruch und die Haare löſen ſich mit den Wurzeln
los. Nachdem ſie da herausgenommen ſind, werden ſie mechaniſch
vermittelſt des Putzmeſſers von den Haaren befreit (abgepälet
oder abgeböhlet), und in Waſſer abgeſchwenkt (ausgewäſſert).
Jetzt folgt das Treiben oder Schwellen der Häute, um ſie
locker und von Flüſſigkeit durchdringlich zu machen. Zu dieſem
Behufe werden ſie in die ſogenannte Treibfarbe eingeſenkt5).
Dieſelben ſchwellen darin auf und werden dick und heben ſich. Zeigt
ſich dies, ſo werden ſie lohegar gemacht, d. h. in der Lohegrube
mit dem Gerbeſtoffe eingebeitzt. Dies dauert 7–9-12 Monate6).
Nachdem es herausgenommen iſt, wird das Leder rein gebürſtet,
ausgebreitet, mit Brettern bedeckt und Gewichten beſchwert, noch
einmal mit trockener Lohe abgerieben, zum völligen Trocknen über
Stangen gehängt und mit einem geribbten Horne geſtrichen oder
mit Schlägeln geklopft, um es dichter zu machen. Zur Bereitung
des Fahlleders aber werden die Häute nach der Wäſſerung wegen
des Enthaarens in den Kalkäſcher7) und nach der erfolgten
Reinigung vom Kalke erſt zum Schwellen in eine ſchwächere Farbe
geſetzt, wozu man ſich wegen der Bewirkung einer ſauren Gährung
auch des Getreidemehls bedient. Endlich kommen ſie nur auf kurze
Zeit (3–4 Monate) in die Lohgrube. Feineres Fahlleder kommt
zuweilen gar nicht einmal in dieſelbe. Nach der geſchehenen Ger-
bung wird das Fahlleder mit Thran und Talg eingeſchmiert, ge-
trocknet, noch einmal eingefeuchtet und auf dem Falzbocke mit
dem Falzeiſen gefalzt, d. h. auf der Fleiſchſeite durch Schaben
verdünnt und gleichförmig dick gemacht8). B. Die Weißger-
berei, d. h. das Gerben mit einem Gemiſche von Alaun und
Kochſalz. Es iſt dabei bis zum Kalkäſcher einſchließlich Alles ſo
wie beim Gerben des Fahlleders. Nach dem Enthaaren werden
die Endſtücke abgenommen (was man Vergleichen heißt), die
Häute durch Einweichen und Streichen gereinigt, dann in einem
ſaubern Gefäße mit Holzkeulen unter Waſſerzuguß geſtoßen und
gewalkt, hierauf nach geſchehener Abſpülung mit lauwarmem Waſ-
ſer mit dem Streicheiſen auf der Fleiſch- und Narbenſeite ge-
ſtrichen, hernach noch zweimal in lauwarmem Waſſer gewalkt, und
endlich in einer Beitze, beſtehend aus lauwarmem Waſſer, Koch-
ſalz, Sauerteig und Weitzenkleie zur Gährung gefördert und dann
[409/0431]
ausgewunden9). Hierauf kommen ſie in die Alaunbrühe, d. h.
ein Gemiſche von Alaun und Kochſalz, zum Behufe der eigentlichen
Gerbung10). Nach der Herausnahme aus derſelben und nach ge-
ſchehener Trockenung werden ſie befeuchtet, geſtollt (d. h. über
die ſtumpfe Schneide einer halbrunden Eiſenſcheibe, die Stolle
genannt, hinweggezogen), um ſie auszudehnen und zu entfalten,
und auf dem Streichſchragen (Streichrahmen) geſtrichen, wozu
ſich der Gerber auch eines der Stolle ähnlichen Streicheiſens be-
dient, das aber eine ſchärfere Schneide hat11). C. Die Sämiſch-
gerberei, d. h. das Gerben mit Fett, womit die Häute gewalkt
werden. Nach der Behandlung der Häute im Kalkäſcher werden
die Haare mit einem ſtumpfen Meſſer (Abſtoßmeſſer) auf dem
Schabebaume geputzt, um das Eindringen des Oels zu fördern
und das Leder biegſamer zu machen. Die Häute kommen hierauf
neuerdings in den Kalkäſcher, werden dann auf der Fleiſchſeite
geſchabt, nachdem ſie öfters zum drittenmale im Kalkäſcher geſetzt
waren, in die Kleienbeitze gethan, darin mit der Keule geſtoßen,
dann ausgewunden und auf die Walkmühle gebracht, wo ſie mit
Thran eingeſchmiert unter den Walkſtock gebracht und öfters aus-
gebreitet werden. Nach dem Walken legt man ſie zur Gährung
über einander, damit ſie dadurch gelb werden. Man nennt dies
das Färben in der Braut. Um ſie endlich ganz vom Thrane
zu befreien (zu entfetten), wäſcht man dieſelben in Alkalilauge
(Pottaſchenauflöſung) aus und richtet ſie dann vollends mit dem
Stoll- und Streicheiſen zu12).
¹⁾ Zur Literatur: v. Keeß Darſtellung. II. Thl. I. Bd. S. 11. und Supple-
mentband I. S. 35. Hermbſtädt Technologie. II. §. 436. Poppe Handbuch
der Technologie. III. 395. Schauplatz der Künſte und Handwerke. IV. 85 V. 313.
VI. 17. Bautſch, Beſchreibung der Lohgerberei. Dresden 1793. Kaſteleyn,
der Gerber, Loh-, Weiß- und Sämiſchgerber Aus dem Holländ. Leipzig 1797.
v. Meidinger, Abhandl. über die Lohgerberei. Leipzig 1802. Hermbſtädt,
Grundſätze der Ledergerberei. Berlin 1805. II Thle. Leuchs, Zuſammenſtellung
der in den lezten 30 Jahren in der Gerberei gemachten Verbeſſerungen. Nürnberg
1833. IIe Ausg. Kummer, Hand-Encyclopädie der neueſten Erfindungen im Gerben ꝛc.
Berlin 1830. Verbeſſerungen in der Gerberei ſind auch beſchrieben bei Dingler
polytechn. Journal. XIII. 342 (von Spilsbury); XV. 310 (von Fletſcher);
XVI 356 (von Burridge); XVIII. 346 (von Aikin); XXV. 245, XXIX. 275
(von Knowly und Duesbury); XLII. 126 (von Jacquemart); XLV. 260
(von Cogswell); 377 (von Drake). Dict. technologique. XX. 254. 259. Weber,
Beiträge zur Gewerbs- u. Handelskunde (Berlin 1825–27). I. 436. II. 259. III. 306.
²⁾ Man nimmt dazu alle Arten von Häuten und Fellen haariger Thiere.
Auch die Häute des Geflügels, z. B. der Strauße, Enten, Kapaunen, werden dazu
verwendet.
³⁾ Als ſolche Stoffe braucht man die Rinde und Blätter der Eichen und
Rinden, die Epheuranken, Fichtenrinden, Galläpfel, Knoppern, den myrthenför-
migen Gerberſtrauch (Coriaria myrtifolia), die Pfrieme (spartium scoparium),
die Rinde der Sandweide (salix arenaria), die Borke der Sahlweide (salix caprea)
u. ſ. w. S. Poppe a. a. O. S. 401. Dingler polytechn. Journal. IV. 78
[410/0432]
³⁾ (Lärchenrinde); XVI. 211 (Eichenlaub, nach Swayne); XVII. 238 (Mimoſa-
Rinde, nach Kent); XX. 168 (Beſtimmungsmittel für die Gerbekraft, nach
Bell-Stephens); XXVI 130 (Gerbeſtoff der Galläpfel, Eichen- und China-
rinde, des Catachu und Kino, von Berzelius); XXX. 62 (Ausziehen des Gerb-
ſtoffes aus Lohe, nach Giles); XXXIII. 463 (Erſatzmittel der Eichenrinde). —
Die Eichenrinde wird gemahlen oder zerſtampft, und man hat dazu die Lohmüh-
len, welche entweder Stampf- oder faſt ganz gewöhnliche Mahlmühlen ſind.
⁴⁾ Man hat aber auch noch Juſten-, Corduan-, Safian- oder Maroquin-
und däniſch Leder. Man ſ. über das Eigenthümliche ihrer Bereitung die obigen
Schriften. Hier kann nur von jenen Hauptlederarten die Sprache ſein.
⁵⁾ Sie iſt eine ſaure adſtringirende Beitze aus der Lohegrube, manchmal mit
Sauerteig verſtärkt, welche in unterirdiſchen Holzgruben aufgehalten wird. Man
kann überhaupt ſaure und alkaliſche Farben unterſcheiden. Zu der vorher erwähnten
Reinigung der Häute vom Haare bedient man ſich auch der Maſchinen. Man ſ.
darüber Leuchs a. a. O. Dingler polytechn. Journal. XLII. 184 (Maſchine
von Bell). Bei jenem findet ſich auch eine Beſchreibung der Maſchine zum Rei-
nigen und Glätten der Häute von Royer. Auch ſollen nach Hermbſtädt's Angaben
die Annals of Arts IX. 271 eine Beſchreibung der ähnlichen Maſchine von
Bagnall geben. S. Karmarſch Mechanik. II. 126.
⁶⁾ Der Gerbeſtoff vereinigt ſich mit der Gallerte und dem Faſerſtoffe zu einer
Verbindung, die in Waſſer nicht auflöslich iſt. Eine ſolche Lohgrube wird mit
80–150 Häuten ſchichtenweiſe mit Lohmehl angefüllt. Das Uebergießen mit Waſſer
und das Beſchweren iſt nothwendig, um dem Leder Ebenheit zu geben. Es gibt
drei Verſetzungen mit Lohe, indem man zuerſt nach 2, dann wieder nach 3–4
Monaten die Grube öffnet, die Häute umkehrt, wieder mit Lohe ſchichtet, und
dann nach dem zweimaligen Vornehmen dieſes Geſchäftes noch 4–6 Monate lie-
gen läßt.
⁷⁾ Die Kalkäſcher ſind in die Erde gegrabene Fäſſer, angefüllt mit Kalkwaſſer.
⁸⁾ Soll daſſelbe Narben haben, ſo wird es gekriſpelt, d. h. mit einem ge-
kerbten Holze überfahren, und zwar zweimal auf der Narben- und einmal auf der
Fleiſchſeite. Jenes Holz heißt Kriſpelholz. Soll das Leder aber glatt ſein,
dann wird es pantoffelt, d. h. mit einem auf einer Seite mit Korkholz ver-
ſehenen Holze (Pantoffelholz) überſtrichen. Hierauf wird es geſchlichtet,
d. h. in einen Rahmen (Schlichtrahmen) geſpannt und mit der Schlichtzange ge-
zogen, um ſo mit dem Schlichtmonde (einer runden verſtählten ſcharfen Scheibe)
das überflüſſige Leder auf der Fleiſchſeite wegſchneiden zu können. Auch kann man
die Glättung mit der Plattſtoßkugel bewirken, indem man ſie an den Hand-
haben faßt und die vierkantige Platte derſelben auf das ausgebreitete Leder ſtößt. —
Eine eigene Methode der Schnellgerberei iſt die von Seguin. S. Annales de
Chimie. XX. 15. Hermſtädt Journal für Lederfabrikanten. I. 187. Hilde-
brandt, Chemiſche Betrachtungen der Lohgerberei. Erlangen 1795. Gall, die
Schnellgerberei in Nordamerika. Trier 1824.
⁹⁾ Beim Streichen werden etwa ein Dutzend Häute auf einander auf den
Schabebaum gelegt und jede davon auf beiden Seiten geſtrichen, wobei man vor
Verletzungen der Häute behutſam ſein muß. Nach dem Streichen walkt man ſie
noch zweimal. — Die genannte Beitze wird aber tüchtig durchgerührt. Dann zieht
man jede Haut zweimal durch, damit ſie ganz weich wird (die Beitze fängt),
und gießt erſt dann in einem beſonderen Gefäße die Kleienbeitze, warm, über ſie.
Schon in einem Tage beginnt die Gährung und die Häute bleiben blos 72 Stun-
den in der Beitze, und werden dann in ihr gewalkt. Man nimmt ſie dann auf
eine Stange heraus und drückt ſie zuſammen, damit der Reſt von Kleienbeitze noch
herausfließt. Dazu bedient man ſich des Windeiſens (eines knieförmig gebo-
genen Eiſens).
¹⁰⁾ Nach Hermbſtädt beſteht ſie für 10 Stücke (oder ein Decher) Häute
aus 1½ Pfd. Alaun, ½ Pfd. Küchenſalz und 12½ Pfd. Waſſer, die man zuſam-
men in einem kupfernen Keſſel wärmt bis zur völligen Auflöſung der Salze. Auch
hier werden die Häute zuerſt durch die Brühe gezogen, ehe ſie verſetzt werden, was
[411/0433]
¹⁰⁾ ſo geſchieht, daß man dieſe durchweichten Häute abtröpfeln läßt, zuſammenklatſcht
und in das Kleienfaß legt, um ſie gar werden zu laſſen, was auch in 1–3 Tagen
geſchehen iſt.
¹¹⁾ Außer dieſer gewöhnlichen gibt es auch noch eine ungariſche Weißgerberei,
die das Alaunleder liefert, und eine franzöſiſche, welche das Erlanger-Leder bereitet.
Man ſ. obige Schriften, beſonders Hermbſtädt und Leuchs.
¹²⁾ Das beim Entfetten (Degraſiren) abfallende Waſſer wird durch Säure
von ſeinem Gehalte an Alkali befreit und die Fettigkeit wird, wenn ſie ſich am
Feuer nach Oben gezogen hat, abgeſchöpft. Dieſes Fett heißt Degras oder
Degrat, und dient dann zum Einſchmieren des lohegaren Leders.
§. 302.
2) Die Darmſaitenſpinnerei.
Die Verfertigung der Jedermann bekannten Darmſaiten bildet
dem Producte nach einen hübſchen Gegenſatz zur Drahtzieherei
(§. 289.). Zur Verfertigung der Darmſaiten werden die Därme
(Saitlinge) von Lämmern, Ziegen, Schaafen, Gemſen, Rehen
und Katzen gebraucht. Sogar auch von den Därmen des Seiden-
wurmes werden ſolche verfertigt1). Man verliest die Därme nach
ihrer Dicke und Dünne, weil die dicken zu groben und die dünnen
zu feinen Saiten verwendet werden. Dieſelben werden dann in
reinem Waſſer ſo rein als möglich gewaſchen. Um aber Fett und
Schleim noch vollends zu entfernen, werden ſie aufgeſchnitten und
auf den Schabebaum geſpannt, damit man ſie mit einem ſtumpfen
Schabemeſſer ſchaben kann. Wenn die Saiten nicht beſonders fein
werden ſollen, ſo werden ſie jetzt nur noch einmal mit Waſſer ge-
waſchen; im entgegengeſetzten Falle aber müſſen ſie noch beſonders
chemiſch behandelt werden2). Bei dem Schaben fallen Faſern ab,
welche dann zum Zuſammennähen der gereinigten Därme dienen.
Je nach der Feinheit der Saite nimmt man mehr oder weniger
Därme für Eine3). Denn ſie werden geſponnen, indem man ein
Ende des zu ſpinnenden Darmes an einen Pflock knüpft, das
andere aber an den Haken eines Seilerrades (Darmhaſpel)
bindet, und nun je nach der erforderlichen Dünne der Saiten eine
beſtimmte Anzahl von Drehungen macht4). Man dreht ſie in drei
Abſätzen und überreibt ſie nach dem erſten Male mit Schaftheu,
nach den beiden andern Drehungen aber mit einem Holze (Reib-
holze). Nach dem Spinnen werden die gemeinen Saiten zum
Trocknen aufgeſpannt und dann in Ringe gewunden und verkauft.
Die feinen Saiten aber werden in einen durchlöcherten Rahmen
geſpannt und, wenn ſie noch naß ſind, während der Spannung
mit Schnüren aus Pferdehaaren gerieben. Hierauf werden ſie
ſammt dem Rahmen in einen Schwefelkaſten gebracht, in dem ſie
während einigen Tagen von den Schwefeldämpfen gebleicht werden5).
[412/0434]
Sind ſie ſo weit fertig und trocken, dann glättet man ſie mit
Bimsſtein, und fettet ſie mit Baum- oder Mandelöl ein, ehe ſie
in Ringe gewunden werden. Dieſe Saiten werden wegen des
Gebrauches bei muſikaliſchen Inſtrumenten noch oft mit Metalldraht
umſponnen und man hat zu dieſem Geſchäfte eigene Maſchinen6).
¹⁾ v. Keeß Darſtellung. II. Thl. II. Bd. S. 411. Aus den Därmen des
Seidenwurms werden die dünnen Darmfäden bereitet, welche man zu den Fiſch-
angeln braucht. Vor dem Einſpinnen werden die Würmer in Eſſig gebeitzt. Dann
werden ſie nach geſchehener Reinigung der Länge nach aufgeſchnitten und der Gedärme
entledigt, welche man dann weiter behandelt, wie die anderen Saitlinge.
²⁾ Dieſe Behandlung beſteht in einer Beitzung mit allmälig ſtärkerer Alkalk-
lauge (Pottaſchenlauge), nach welcher man die Därme jedesmal mit einer ſtumpfen
Meſſingklinge (dem ſogenannten Eiſen) ſchabt, um die Schleimtheile gänzlich zu
entfernen. Nach der gänzlichen Entfernung des Schleimes werden die Saitlinge in
eine noch einmal ſo ſtarke Lauge gebracht, worauf ſie zum Spinnen tauglich ſind.
³⁾ Nach v. Keeß kommen auf das C des Contrabaſſes 120–130, auf das
C des Violoncell's 80, auf das D deſſelben 40, auf die lezte weiße Saite der
Harfe 22, auf das D der Violine 6 oder 7, auf das A derſelben 4 oder 5, auf
das E derſelben 3, auf die feinen Saiten der Harfen und Mandolinen nur 2 Därme,
und auf die feinſten Harfenſaiten nur 1 Darm. Jeder Darm wird aber beſonders
geſponnen und die einzelnen Fäden werden erſt ſpäter zuſammengedreht. Jede zu
drehende Saite muß für gewöhnliche Gebrauchszwecke 6, die feineren Saiten aber
müſſen zum Drehen 5½ Elle W. lang ſein. Für dieſe Leztere muß jede Saite
doppelt ſein, aber es liefert auch jeder Darm 2 einfache Saiten. Fehlt es dem
Darme an der Länge, ſo ſetzt man ein Stück an.
⁴⁾ Nach v. Keeß gehören zur Violin-D-Saite 40, zur A-Saite 60, zur
E- und G-Saite 80 Drehungen.
⁵⁾ Bekanntlich werden für Inſtrumente mit vielen unmittelbar mit der Hand
zu ſpielenden Saiten die Octavſaiten gefärbt. Roth färbt man ſie in einem Dekokte
von Fernambukholz mit Waſſer und Alaun, aber blau in einer Auflöſung von
Lakmus in Waſſer mit Pottaſche oder auch mit Indigo.
⁶⁾ Karmarſch Mechanik. II. S. 186. Das gewöhnliche Spinnrad hierzu
beſteht aus einer durch eine Kurbel zu drehenden wagrechten Welle, welche an ihren
Enden zwei verzahnte Räder hat, wovon jedes einen Trilling mit einem an der
Axe befindlichen Haken umdreht. Beide Haken ſtehen einander gegenüber, und jeder
von ihnen nimmt ein Ende der Saite auf. So muß ſich die Saite um ſich ſelbſt
drehen, während deſſen der Spinner den leoneſiſchen oder ächten Silberdraht mit
der Hand auf denſelben leitet. Der Engländer Saddington hat aber die Spinn-
maſchine verbeſſert. Seine ältere Maſchine verrichtet die Arbeit, indem die Saite
von einer Spule ab durch ein hohles ſich drehendes Rohr geht, welches am einen
Ende mit einer Circularſcheibe verſehen iſt, auf deren Fläche ſich von einer Spule
der Draht um die Saite herum abwickelt, da dieſe aus dem Rohre gerade heraus-
geht. Seine neue Maſchine umſpinnt zu gleicher Zeit 6 Saiten, welche, parallel
neben einander wagrecht ausgeſpannt, durch ein Schnurrad ſchnell um ihre Axe
gedreht werden und den Draht von einem Rahmen bekommen, in welchem die
Drahtſpulen angebracht ſind. S. auch Dict. technologique. II. 432.
II. Verarbeitung des Fettes.
§. 303.
1) Die Lichtzieherei und Lichtgießerei.
Bekanntlich ſind die Lichter entweder aus Wachs, aus Talg,
aus Wallrath oder aus einer Miſchung dieſer Subſtanzen. Die
[413/0435]
üblichſten ſind die Wachs- und die Talglichter1). Die Verferti-
gung der Dochte aus Baumwollefäden allein oder in Verbindung
mit Leinfäden iſt das erſte Geſchäft. Man hat dazu ein eigenes
Tiſchgeräthe, entweder einen Dochtſchneider oder eine Docht-
bank, worauf man die Fäden in beliebiger Länge zuſammen-
ſchneidet2). Sind die Dochte ſo weit fertig, ſo werden ſie in
glühender Aſche ausgetrocknet, und können ſo zum Lichtermachen
verwendet werden. Die Lichter werden entweder gegoſſen oder ge-
zogen. A. Die Lichtgießerei iſt aber bei den Talglichtern an-
ders als bei den Wachslichtern. Zum Gießen der Talglichter
nimmt man Rindnierentalg und Hammelstalg, ſchmelzt ihn in
einem verzinnten Eiſenkeſſel, bis er ganz klar iſt, mit einem kleinen
Waſſerzuſatze, und gießt ihn dann zur Abkühlung in einen Kaſten.
Man hat Lichterformen von Glas, Zinn, verzinntem Kupfer- oder
Eiſenblech von der erforderlichen Größe, welche nach unten ſich
trichterförmig zuſpitzen. In dieſe Formen wird der Docht geſteckt,
unten nämlich mit einem Stöpfel in der kleinen Oeffnung befeſtigt,
oben aber über einen Draht an dem Rande der Form geſpannt,
ſo daß er genau die Axe der Form bildet, und dann der abgekühlte
Talg mit einer Kanne eingegoſſen. So ſind dieſe Lichter, nach
dem Erſtarren des Talges zum Gebrauche fertig. Aber das Gießen
der Wachslichter iſt umſtändlicher. Das Wachs wird mit einem
Zuſatze von Terpentin oder weißem Talge in einem eben ſolchen
Keſſel geſchmolzen, der aber ringsum mit einem hölzernen Getäfel
verſehen iſt. Auf dem Boden der Werkſtätte iſt ein Wageſtock be-
feſtigt, auf welchem ein mittelſt einer Kette auf- und abwärts zu
richtender Balken liegt und über den Schmelzkeſſel hinreicht. An
dieſem Ende des Balkens hängt vermittelſt einer ſenkrechten dreh-
baren Eiſenſtange gehalten eine alſo auch drehbare Holzſcheibe,
an derem äußeren Rande in einiger Entfernung von einander
Nägel wagerecht eingeſchlagen ſind, um die Dochte daran aufhän-
gen zu können. Wenn der Wagebalken ruhig ſteht, ſo deckt die
eine Hälfte der Scheibe auch die Hälfte des Keſſels. Um denſelben
aber ſtellen zu können, wird das eine oder andere Ende deſſelben
zwiſchen die Zinken einer lothrecht neben dem Keſſel in die Höhe
ſtehenden Gabel geſteckt. Da nun die Scheibe doch beweglich iſt,
ſo dreht man ſie leiſe um und begießt die herabhängenden Dochte
von den Nägeln an einen nach dem andern mit Wachs, und fährt
ſo fort bis die Lichter die halbe Dicke haben. Dies iſt der Vor-
guß. Um aber die Lichter auch an den Spitzen ſo dick wie ſonſt
zu machen, wird die Scheibe ſchnell gedreht, ſo daß die Kerzen
ſich ſtark abfliegend im Kreiſe drehen, während deſſen man die
[414/0436]
Spitzen leicht mit Wachs verdicken kann. Dies heißt das Trö-
deln. Jetzt wickelt man die abgenommenen Lichter in Leinwand
ein und legt ſie in ein Federbett, um ſie vor dem ſchnellen Erkalten
zu bewahren, und rollt ſie dann auf einem glatten Holz- oder
Steintiſche mit einem naſſen Rollholze. So geglättet müſſen ſie
gebleicht werden, um die während der Verfertigung angenommene
gelbe Farbe zu vertreiben, und dann folgt der vollſtändige oder
Nachguß nebſt Trödeln, Rollen und Bleichen. Nachdem dieſelben
fertig ſind, werden ſie durch Schneiden aus der Hand von den
Unebenheiten befreit, nach einem Längenmaaße gleich geſchnitten
und an der Schnittfläche durch Hinrollen an einer Metallplatte
geglättet3). B. Die Lichterzieherei iſt anderer Natur. Um
Talglichter zu ziehen, werden die Dochte an dünnen langen
Stäben (Docht- oder Lichtſpießen) nebeneinander eingeſchoben,
oder auch durch die Löcher eines Brettes (Lichtbrettes) gezo-
gen und oben durch Querbolzen gehalten, damit man viele auf
einmal machen kann. Der Arbeiter faßt Spieß oder Brett an den
Handhaben und taucht die Dochte zuerſt in heißen und dann, wenn
ſie abgekühlt ſind, ſo oft in abgekühlten Talg, bis ſie ihre gehörige
Dicke haben, und nach der Erſtarrung des Talges ſind ſie fertig.
In Wachs werden blos die bekannten dünnen und verſchieden ge-
färbten Wachsſtöcke gezogen. Die Verfertigung der Dochte dazu
vorausgeſetzt4), geſchieht dies auf folgende Art, welche einiger-
maßen an die Drahtzieherei erinnert. Auf dem aus Latten gebauten
Werktiſche befindet ſich in der Mitte ein Platz für eine Pfanne
mit glühenden Kohlen, und auf der oberen Seite in einem Loche
ein ovales verzinntes Blechbecken eingehängt, an deſſen beiden
Seiten durch Gabeln die Ziehſcheiben befeſtigt ſind, d. h. Meſ-
ſingſcheiben mit mehreren nach der Peripherie hin weiter werdenden
concentriſch ſtehenden Löchern von reiner Kreis- oder façonnirte
Form. Auf dem Becken liegt ein Queerholz (der Steg), in
welches durch ein Loch ein hölzerner Schieber ſenkrecht geſteckt
wird, der mit einem Einſchnitte ſo verſehen iſt, daß der Docht,
indem er durch den Einſchnitt geht, zugleich durch das Wachs
gezogen wird. Auf jeder Seite des Werktiſches ſteht eine durch
eine Kurbel zu drehende Walze (die Trommel). Auf die Eine
davon wird der Docht gewickelt und, nachdem das Becken mit
Wachs, das auf der Pfanne geſchmolzen war, gefüllt iſt, unter
dem Stege durch den Einſchnitt durchgeſteckt, auch durch das
größte Loch der Ziehſcheibe gezogen und dann auf die andere
Trommel gewunden. Iſt der Wachsſtock abgetrocknet, ſo ſetzt man
die Ziehſcheibe auf die andere Seite des Beckens und leitet ſo den
[415/0437]
Wachsſtock zurück durch das Becken und ein engeres Loch der
Scheibe auf die andere Trommel und fährt ſo fort, bis der Wachs-
ſtock die gehörige Dicke, Gleichförmigkeit und Glätte hat. So
fertig geworden, wird er gekühlt, gebleicht5), gefärbt und in
Formen gewickelt.
¹⁾ Zur Literatur: Hermbſtädt Technologie. II. §. 512. Poppe Handbuch.
IV. 294. Schauplatz der Künſte und Handwerke. Ir u. IIr Thl. v. Keeß Dar-
ſtellung. IIr Thl IIr Bd. S. 389. 428. Jacobſon technolog. Wörterb. IVr Thl.
Krünitz Encyclopädie. Bd. 78. Sprengel, Handwerke und Künſte in Tabellen,
fortgeſetzt von Hartwig. Berlin 1768–95. XVII Bde. Neue Auflage 1781.
Bd. XIII. 406. Karmarſch Mechanik. II. 355. Dict. technologique. IV. 401.
Neuer Schauplatz der Künſte und Handwerke. XLr Bd. Ilmenau 1829. Anweiſung
zum Seifenſieden und Lichtziehen. Berlin 1790. IIte Aufl. Die Kunſt des Seife-
ſiedens und Lichtziehens. Ilmenau 1822. S. auch Note 1. des §. 304.
²⁾ Der Dochtſchneider iſt ein zweitheiliger Tiſch, in deſſen Fuge (zwiſchen
den beiden Theilen) ein verſchiebbarer Zapfen durch eine unter der Tiſchtafel ange-
legte Schraube nach Belieben geſtellt werden kann. Ein ebenfalls bewegliches Stück,
jenem Zapfen gegenüber, kann durch eine an der Vorderſeite des Tiſches angebrachte
Schraube geſtellt werden. Am Ende des beweglichen Theiles ſteht eine dünne Eiſen-
ſtange, und auf der entgegengeſetzten Seite eine verſchiebliche Meſſerklinge. Die
Entfernung der feſten Stange und beweglichen Meſſerklinge von einander gibt die
Größe des Dochtes an. Die Dochtbank iſt eine Holzbank, an deren beiden langen
Seiten ſich in gerader Linie Dochtſtange und Dochtmeſſer befinden, lezteres ebenfalls
verſchieblich Nachdem das Dochtmeſſer geſtellt iſt, nimmt der Arbeiter die gehörige
Anzahl Fäden, legt ſie um die Dochtſtange, zieht die Dochte bis ans Meſſer und
ſchneidet ſie dort ab. An der Dochtbank können zwei Perſonen zugleich arbeiten.
³⁾ Eine Maſchine zum Walzen und Rollen der Wachskerzen ſ. bei Dingler
polytechn. Journal. XXX. 408 (von Heilberg). Die Altarkerzen gießt man nicht,
ſondern man bedeckt die Dochte blos mit Wachs, das in heißem Waſſer erweicht
iſt, rollt und glättet die Kerzen dann. Eine Beſchreibung des Apparats zum
Gießen der Talglichter von Olaine ſ. m. bei Karmarſch a. a. O. II. 356.
⁴⁾ Die Fäden werden hier um eine Trommel gelegt, und nach der beſtimmten
Anzahl von Umdrehungen dieſer Leztern, wonach ſie die gehörige Länge haben, ab-
geſchnitten. Man hat auch andere Methoden.
⁵⁾ Das Bleichen des Wachſes, noch ehe es verarbeitet wird, geſchieht an
der Luft und Sonne durch die Einwirkung des Sauerſtoffs auf die Pflanzentheile,
welche das gelbfarbige Pigment im Wachſe ſind. Das Wachs muß daher möglichſt
dünn auf die Bleiche gebracht werden. Deßhalb ſchmilzt man es in einem verzinnten
Eiſen- oder Kupferkeſſel, und leitet es daraus in eine nahe ſtehende Wanne, und
von dieſer durch einen Hahn in einen viereckigen Kaſten von Zinn mit durchlöchertem
Boden, der aber in einem dreiſeitig prismatiſchen Kaſten ſteht, welcher auf beiden
Seiten einer Kante eine Reihe von Löchern hat. Unter dieſer Kante her ſteht ein
langer mit kaltem Waſſer gefüllter Trog, in welchem ſich unmittelbar unter der
Kante jenes Kaſtens eine durch eine Kurbel drehbare hölzerne dünne Walze befindet.
Auf dieſe Walze läuft das Wachs aus jenen Löchern, die Walze dreht ſich indeſſen
um, und ſo entſtehen durch die Abkühlung im Waſſer und die Walzenbewegung
viele Bänder von Wachs, welche von der Walze abgehen und aus dem Waſſer
gefiſcht werden. Dieſes Geſchäft heißt man Bändern, auch Körnen, und die
Maſchine wird Bänder- oder Körnmaſchine genannt. Die Wachsbänder kom-
men hierauf auf die Tafeln, Plane oder Carré's, d. h. Holzgerüſte auf einem
windſtillen, rauch- und ſtaubfreien Grasplatze, welche mit lang-viereckigen Lein-
wandſtücken überſpannt und am Rande eingefaßt ſind. Hier werden ſie von der
Sonne gebleicht, und nur an heißen Sommertagen zur Verhütung des Schmelzens
mit Waſſer begoſſen, aber mehrmals gewendet, bis ſie ganz weiß ſind, worauf ſie
umgeſchmolzen, abermals gebändert und gebleicht werden, da auch die inneren
[416/0438]
⁵⁾ Theile weiß ſein müſſen. Sind ſie wieder weiß, ſo ſchmilzt man ſie zuſammen in
beſtimmte Form und bewahrt das Wachs ſo auf. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß
die halbfertigen Lichter, wegen des Bleichens, alſo nicht gebändert zu werden
brauchen. Man ſ. über dieſe, über die franzöſiſche und über neuere vorgeſchlagene
künſtliche Bleichmethoden Hermbſtädt Technologie. II. §. 505 folg. Beckmann
Anleitung zur Technologie. S. 272. Dingler polytechn. Journal. XXIII. 523
(nach David) und XXIV. 279. Hermbſtädt Bülletin. II. 281. Lefepvre,
Neues chemiſches Verfahren, Talg auszulaſſen, zu bleichen u. ſ. w. Aus dem
Franzöſiſchen. Gotha 1830.
§. 304.
2) Die Seifenſiederei.
Die allgemein bekannte Seife iſt ein Erzeugniß aus irgend
einem Fette und aus Kali oder Natron, und löst ſich in Waſſer
und in Weingeiſt auf. Je nach den Materialien, welche zu ihrer
Bereitung genommen werden, hat ſie auch verſchiedene Namen,
und nach dieſem wird auch die Siederei1) genannt. Man unter-
ſcheidet hauptſächlich ſo die feſte (Weiß- oder Talgſeife), die
weiche (Schwarz-, Grün- oder Oelſeife) und die franzö-
ſiſche oder venetianiſche Oelſeife in Bezug auf das Fett,
aber Natron- und Sodaſeife in Betreff des Kalizuſatzes.
Außerdem hat die Seife noch ſpeziellere Namen, je nach der Art
des Fettes, Oeles und anderer wohlriechender Beiſätze2). Das
erſte Geſchäft des Seifenſieders iſt die Bereitung der Seifen-
ſiederlauge durch das Auslaugen eines Gemenges von Alkali
(Holzaſche, Pottaſche oder Soda), gebranntem Kalke und Waſſer3).
Je nach dem Gehalte derſelben, den man durch die Seifenſieder-
ſpindel (Laugenprober, ein Aräometer) prüft, unterſcheidet
man die Feuer- oder tragende oder Meiſterlauge (von 18
bis 25% Kaligehalt), die Abrichtelauge (von 5–17% Kali)
und die ſchwache Lauge (von 1–4% Kaligehalt). Die fol-
genden Geſchäfte ſind nach der Art der zu bereitenden Seife ver-
ſchieden. Zur A. Weißſeifenſiederei füllt man den Sied-
keſſel4) mit Feuerlauge und ſetzt dann Talg zu. Dieſes
Gemiſche wird einige Stunden unter periodiſchem Umrühren und
Zugießen von Feuerlauge ſo lange geſotten, bis es leimartig
(Seifenleim) wird und beim Erkalten eine dichte Gallerte bil-
den kann. Bildet ſich dieſer Seifenleim lange nicht, ſo gießt man
noch während des Siedens Abrichtlauge ein5). Iſt jener Leim
gebildet, ſo wird er mit Kochſalz vermiſcht (ausgeſalzen), unter
beſtändigem Rühren geſotten, bis ſich eine helle Flüſſigkeit davon
auszieht, und wenn ſich dies gezeigt hat, ohne Rühren noch fort-
geſotten, endlich aber das Feuer gelöſcht. Nun gießt man dieſes
Gemiſche durch ein Drahtſieb oder eine Filter von grober Leinwand
[417/0439]
zum Behufe der Reinigung in den Seihbottig, in welchem es
verbleibt, bis ſich Lauge und Seife von einander abgeſondert
haben. Die Lauge nimmt man unter der Seife hinweg, die Lez-
tere aber ſchöpft man in den Siedkeſſel, der vorher geputzt ſein
muß, und ſiedet ſie dort mit einem Quantum Abrichtlauge unter
ſtetem Umrühren einige Stunden, und gießt noch weit mehr
Abrichtlauge nach, bis die Seife wieder gallertig wird. Jetzt
wird ſie das zweitemal ausgeſalzen und fortgeſotten, bis der Sutt
Feſtigkeit und eine weiße Farbe zeigt, worauf das Garſieden, d. h.
das Sieden bis zur Bildung zäher Blaſen und einer Seife von
blättrigem Gefüge ohne Feuchtigkeit beginnt. Man nimmt nun
das Feuer hinweg, läßt die Maſſe ſich abkühlen und gießt ſie dann
in eine leicht zerlegbare Form. Iſt die Seife darin erſtarrt, dann
zerlegt man die Form, zerſchneidet die Seife in die bekannten
länglichen Stücke und läßt ſie an der Luft noch austrocknen. Zur
B. Oelſeifenſiederei miſcht man ein Gemiſche von ⅔ Lein-
oder Rüböl und ⅓ Hanföl mit ſchwacher Lauge, und ſiedet daſſelbe
unter ſtetem Umrühren, bis ſich das Oel mit der Lauge vereinigt
hat und der Sutt zu ſteigen anfängt, worauf man erſt allmälig die
Feuerlauge eingießt. Von der Milchfarbe, welche jetzt die Flüſſig-
keit hat, geht ſie allmälig mit der Vermehrung des Feuerlauge-
zuſatzes ins Braune über. Das Sieden wird fortgeſetzt, bis eine
Probe auf einem Glaſe weißſtrahlend und durchſichtig iſt, und das
Zugießen von Lauge hört auf, während man aber das Feuer ver-
ſtärkt und die Maſſe beim Steigen peitſcht, um ſie zurückzuhalten.
In kurzer Zeit iſt die Seife gar, und man hat nur das Kochen
noch fortzuſetzen, um den Rückſtand von Waſſer noch ganz zu ver-
dampfen, bis dieſelbe das Durchſcheinen der weichen Seife zeigt6),
worauf ſie in Tonnen gefüllt wird7).
¹⁾ Zur Literatur: v. Keeß Darſtellung. IIr Thl IIr Bd. S. 422. Poppe,
Handbuch der Technologie. IV. S. 283. Hermbſtädt Technologie. II. §. 492.
Du Hamel du Monceau, L'Art du savonnier. Paris 1774. fol. Anweiſung zum
Seifenſieden, Lichtziehen ꝛc. Berlin 1790. Darcet, Lélièvre und Pellétier Ent-
deckung über das Seifenſieden. Leipzig 1800. Kögel, Anweiſung zum Seifenſieden.
Quedlinburg 1800. Hermbſtädt Grundſ. der Kunſt Seife zu ſieden. Berlin 1824.
IIte Auflage. Die Kunſt des Seifenſieders und Lichtziehers. Nordhauſen 1822.
Tancre, Handbuch der Schwarzſeifenſiederei. Stettin 1830. Gütle, Mittheilun-
gen für Seifen- und Lichterfabrikanten. Leipzig 1830. IIte Ausg. Greve, Anlei-
tung zur Fabrikation der Seife, — auch der Talglichter. Hamburg 1833. Krü-
nitz, Oekonom. Encyclopädie. CLIIr Bd. (a. 1831). Dingler polytechn. Journal.
XI. 423 (nach Chevreul). 436 u. 441 (nach Collin). XXII. 498. Diction-
naire technologique. XIX. 106.
²⁾ Die Sodaſeife iſt zum gewöhnlichen Zwecke am beſten. Man unterſcheidet
noch mediziniſche, Mandel-, Mohn-, Nuß-, Buchel-, Hanf-, Lein- u. dgl.
Oelſeifen, Schweineſchmalzſeife, Büttenſeife, Wachs-, Thran-, Harz-, Fiſchſeife,
Kakaoſeife u. dgl. Die wohlriechenden Seifen bekommen ihren Geruch durch den
Baumſtark Encyclopädie. 27
[418/0440]
²⁾ Zuſatz ätheriſcher Oele. Um die Seife marmorirt zu machen, miſcht man Eiſen-
vitriol unter eine Portion Abrichtlauge mit Seife, und arbeitet dieſes Gemiſch mit
der ganzen Seifenmaſſe um.
³⁾ Soda muß immer mit gleicher Menge von Holzaſche vermengt ſein. Auch
kann man die Holzaſche, mit ½ oder ⅓ Pottaſche gemengt, brauchen, aber es
kommt dann auf 1 Thl. Pottaſche 1¼ Thl. gebrannter Kalk. Nimmt man Soda,
ſo rechnet man 1½ Thl. Kalk auf 2 Thle. Soda. Die Holzaſche von Laubhölzern
iſt am brauchbarſten nach der Soda. Man beſpritzt den Aſchenhaufen bis zum
Zuſammenballen mit Waſſer und ſchaufelt ihn um. In deſſen Mitte wird eine
Vertiefung gemacht, der Kalk hineingeſchüttet und mit Waſſer gelöſcht, während
deſſen man ihn mit Aſche bedeckt. Nach dem Durchſchaufeln der ganzen Maſſe iſt
die Laugmaſſe fertig und wird in den Aeſcher gedrückt, d. h. in ein abgeſtutzt
kegelförmiges hölzernes oder gußeiſernes Gefäß mit einem durchlöcherten und einem
ganzen Boden. Man gießt nun Waſſer auf, bis der Aeſcher nicht mehr einſaugt,
und öffnet dann den zwiſchen dem durchlöcherten und ganzen Boden angebrachten
Hahn, damit die Lauge in ein tiefer liegendes Faß (den Sumpf) ſtröme, in dem
ſie aufgehalten wird.
⁴⁾ Ein runder nach unten ſich verengender kupferner oder gußeiſerner Keſſel,
mit einem breiten Rande, auf welchem zur Verhütung des Ueberſteigens der Seife
ein abgekürzt kegelförmiges Faß ohne Boden geſtürzt, und durch einen Kitt aus
Gips und Hammerſchlag an den Keſſel gekittet wird. Daſſelbe heißt man den
Sturz.
⁵⁾ Der gebrannte Kalk verbindet ſich mit der Kohlenſäure des kohlenſauren
Kali, wodurch ätzendes Kali entſteht. Dieſes zerlegt den Talg in Talgſäure und
Oelſäure, und verbindet ſich mit denſelben zu einer weichen ſchmierigen Kaliſeife.
Um aber dieſe feſt zu machen, ſetzt man Kochſalz bei, deſſen Chlor ſich mit dem
Kali zu Chlorkali, und deſſen Natrium ſich mit dem Sauerſtoff des Aetzkali zu
Natron verbindet, welches Leztere ſich aber mit den Fettſäuren zu einer feſten
Natronſeife vereinigt, ſo daß blos eine Unterlauge von, in Waſſer gelöstem,
Chlorkalium zurückbleibt.
⁶⁾ Man macht dieſe Seife bunt durch Zuſatz von Würfeln weißer Seife,
Talgwürfeln oder Stärkekleiſter, oder auch Hammeltalg.
⁷⁾ Die franzöſiſche, marſeiller oder venetianiſche Oelſeife iſt eine
feſte Seife. Man hat davon weiße und marmorirte (Note 2.). Sie wird aus
ätzender Natronlauge und Baumöl gefertigt, und iſt alſo inſoweit eine Oelſeife, bis ſie
durch einen geringen Zuſatz von Küchenſalz feſt gemacht wird.
Vierte Unterabtheilung.
Von der Verarbeitung pflanzlicher und thieriſcher
Stoffe zuſammen.
I. Schaafwolleſpinn- und Weberei.
§. 305.
Die Tuchweberei1).
Die Arbeiten dieſes Gewerkes ſind folgende und geſchehen in
folgender Ordnung auf einander. Zuerſt wird die Wolle ſortirt in
kurze (Fettwolle) und lange (Waſchwolle), denn jene dient
blos zum Einſchießen in das Gewebe und wird deßhalb mit Fett
getränkt, dieſe aber dient zum wirklichen Garne und Hauptgewebe,
und wird vor dem Gebrauche gewaſchen2). Nach dem Waſchen
[419/0441]
wird ſie zum Behufe der Auflockerung gezaust, früher durch
Menſchenhand, jetzt durch die Zauſemaſchine3). Iſt ſie ſo
locker gemacht, ſo wird ſie geflackt, d. h. auf Horden gepeitſcht,
oder durch eine Maſchine (Wolf) maſchinirt (gewolft)4). Als-
dann wird dieſelbe geſchmalzt (eingefettet), d. h. durch Tränken
mit Butter (oder einem nicht austrocknenden, z. B. Baumöle)
geſchmeidig gemacht. Auf das Einfetten folgt das Kratzen
(Schrubbeln, Krempeln, Kardätſchen) mit der Hand oder
durch Maſchinen, d. h. Auseinanderziehen, um die kurzen Fäden
von den langen zu trennen, und dieſe untereinander zu bringen,
um ſie zum Verſpinnen tauglicher zu machen5). Die geſchrubbelte
Wolle wird jetzt entweder mit dem Spinnrade oder auf Spinn-
maſchinen (Spinnmühlen) geſponnen, d. h. in Fäden zuſammen-
gedrehet6). Das ſo entſtandene Garn wird alsdann gehaſpelt,
d. h. auf einen Haſpel gewunden, und dort in Strehnen und
Gebinde abgetheilt7). Von dieſen Strehnen kommt es auf eine
Winde und von daher auf Spulen (Bobinen), von welchen es
auf dem Spulrade doublirt oder driplirt, und dann gezwirnet,
d. h. zu zwei und drei Fäden zuſammengedrehet wird8). Das-
jenige Garn, welches zur Kette (Zettel, Werft, Aufzug, Schee-
rung), d. h. dazu dient, um auf dem Webſtuhle nach der Länge
und Breite des zu fertigenden Tuches oder Zeuges ausgeſpannt zu
werden, heißt Kettgarn. Dasjenige aber, welches dazu dient,
um zwiſchen die Fäden der Kette eingeſchoben oder -geſchloſſen zu
werden, das Einſchußgarn. Das Kettgarn wird vor ſeiner
Aufſpannung durch Leimwaſſer gezogen (geſchlichtet, geleimt),
um es ſteifer und feſter zu machen9). Nun kommt das Scheeren
(Schieren) der Kette, d. h. das Ordnen und Abtheilen der Ket-
tengarnfäden, damit es als Kette in den Webſtuhl geſpannt werden
kann10). Dieſes Aufſpannen auf den Webſtuhl11) heißt man das
Aufſcheeren der Kette, und iſt eine Arbeit, wozu ſehr viel Sorg-
falt erforderlich iſt12). Iſt die Kette aufgeſcheert, ſo wird das
Einſchußgarn, auf den Spülchen, auf welche es vorher ſchon ge-
ſpult wurde, in das Schiffchen gethan und das Tuch gewebt13).
Iſt das Tuch fertig, ſo wird es genoppt, d. h. von den nicht
dazu gehörenden eingewebten Theilen befreit, was entweder mittelſt
des Noppeiſens (einer Zange) aus der Hand oder durch die
Noppmaſchine14) geſchieht. Das genoppte Tuch wird hierauf
gewalkt, um es von ſeinen Unreinigkeiten zu befreien und filzig
zu machen. Dies geſchieht auf der Walkmühle unter verſchiedenen
reinigenden Zuſätzen15). Da durch das Walken das Tuch filzig
geworden iſt, ſo müſſen ſeine Haare jetzt wieder aufgelockert werden,
27 *
[420/0442]
damit man das Tuch ſcheeren kann. Dieſe Arbeit heißt man das
Rauhen und geſchieht auch entweder aus der Hand oder durch
die Rauhmaſchine16). Vor dem Scheeren muß das Tuch noch
einmal gereinigt werden und den Strich der Haare erhalten.
Dies geſchieht durch das Bürſten des Tuches mit der Bürſten-
maſchine17). Hierauf erſt wird daſſelbe geſchoren und man hat
dazu ebenfalls entweder Handtuchſcheeren oder Scheermaſchinen
(Scheermühlen), welche jetzt allgemein im Gebrauche ſind18).
Das zweimal geſchorene Tuch wird geſtreckt (gereckt), d. h. in
einen Rahmen geſpannt und auseinander gezogen, damit es die
Falten verliert und fadengleich wird, d. h. überall gleiche Breite
hat, hierauf aber zum leztenmal ausgeſchoren, d. h. noch einmal
aus der Hand genoppt, durch Stopfen ausgebeſſert, geſtrichen und
gepreßt. Lezteres geſchieht unter einer Schraubenpreſſe, zwiſchen
Preßſpänen (von Pappe, aus Papiermühlen), Preßbrettern und
warmen Preßplatten von Kupfer oder Eiſen19). Die Farbe wird
den Tüchern ſchon vorher gegeben20).
¹⁾ Die Darſtellung des Spinn- und Webereiweſens hat ſchon, wenn ſie aus-
führlich ſein ſoll, die größten Schwierigkeiten. Bei einer encyclopädiſchen Erörterung
dieſer Gewerbe iſt es unmöglich, mehr als Ueberſichten und Andeutungen zu geben.
Zur Literatur der Wollenweberei ſ. m. Schauplatz der Künſte und Handwerke. V.
125. VI. 1. VII. 1. XVII. 3. Jacobſon, Schauplatz der Zeugmanufacturen.
Berlin 1773–76. IV Bde. 8. Weber, Beiträge zur Gewerbskunde. I. 155. II.
163. III. 183. v. Keeß Darſtellung. II. Thl. I. Bd. S. 111. 227. I. Supplem.
S. 182. 375. Dictionnaire technologique. XII. 1. IX. 10. Poppe Handbuch.
I. S. 102. Hermbſtädt Technologie. I. §. 55. May, Anleitung zur rationellen
Webekunſt. Berlin 1811. Scheibler Anweiſung, wollene Tücher zu fabriciren.
Breslau 1806. Klinghorn, Beſchreibung und Abbildung der neueſten verbeſſerten
Web-, Spinn-, Scheer-, Doublir-, Zwirn-, Cattun- und Callicodruck-, ſo wie
ähnlicher Maſchinen ꝛc. Quedlinburg 1829. Mit 137 Abbildgn. Bonnet, der
Tuchfabrikant in größter Vollkommenheit. Aus dem Franzöſ. Ulm 1829. Borgnis,
Mécanique appliquée aux Arts. VII. (Machines, qui servent à confectionner les
Etofses.). Paris 1820. 4.
²⁾ Man waſcht ſie mit Seife, mit gefaultem Menſchenharne und Waſſer.
Auch anderer Materien bedient man ſich dazu. Borgnis l. c. pag. 10 et 11.
³⁾ Sie iſt bei Hermbſtädt und den Anderen beſchrieben.
⁴⁾ Der Wolf iſt beſchrieben bei Hermbſtädt und in folgenden Schriften:
Borgnis I. c. p. 33. Christian, Mécanique industrielle. III. 219. 405 Planche
49. Karmarſch Mechanik. II. 139 (Klopfmaſchine von Walmsley, Thomas,
Bowden, Connop und Vautiers). S. 142 (der Wolf und deſſen Verbeſſerun-
gen, Maſchine von Douglas, Faux u. Georges, von Hughes u. Collier).
⁵⁾ Die Handwerkzeuge (Kratzen, Krempeln oder Kardätſchen) ſind eine Art
von Hecheln, und man unterſcheidet die Reiß- oder Brechkämme (von 40–50
Zähnen), Kratzen oder Krempeln (von 50–60 Z.) und Knieſtreichen,
Schrobbeln oder Kardätſchen (von 70–80 Z.). Durch die Schrobbeln erhält die
Wolle eine Verarbeitung zu viereckigen Blättern, und durch die Knieſtreichen
eine ſolche zu ſpindelförmigen Flieden, die man dann zu Locken oder
Flocken zuſammenrollt. Die Krempelmaſchine iſt von dem Barbierer Richard
Arkwright a. 1770 erfunden. Sie iſt unter Andern beſchrieben bei Hermb-
ſtädt. Man ſ. aber auch Borgnis I. c. p. 48. Christian I. et p. citt. et p. 406.
[421/0443]
⁵⁾ Weber, Beiträge zur Gewerbs- und Handelskunde. I. (1825) S. 173. II. 169.
Heß, Beſchreibung von den Kamm- und Spinnmaſchinen auf Wolle und Baumwolle
eingerichtet (Zürich 1806). S. 7. Karmarſch Mechanik. II. S. 146 (Krempel-
maſchine von Oberländer, gemeine Krempelmaſchine, jene von Sarrazin und
von Joubert). S. 148 (Wollkämm-Maſchine von Cartwright, von Wright
und Hawksley). Dingler polytechn. Journal. XIV. 29 (Kardätſchenwalze von
Woollams); XV. 303 (eine ſolche von Crighton); XVI. 450 (von Burn);
XXIII. 427 (Apparat zum Kämmen und Strecken der Wolle von Roß); XXV.
298 (eine ſolche von Anderton); XXV. 380 (eine ſolche von Brooke und
Hargrave); XXVIII. 117 (von Edmonds); XXXIII. 310 (von Don Marco
Bacon), S. 425 (eine ſolche v. Whitacker); XXXVIII. 163 (v. Buchanan);
XLII. 357 (Kämm-Maſchine von Platt); XLV. 258 (von Ford).
⁶⁾ Das gewöhnliche Spinnrad iſt von einem Steinmetzen Jürgens zu
Vatenbüttel im Herzogthum Braunſchweig a. 1530 erfunden und ſpäter vielfach
verbeſſert, ſo daß man jetzt doppelte hat, welche anfangen recht ſtark in Gebrauch
zu kommen. Die Spinnmaſchine hat ein engl. Zimmermann, James Har-
graves, erfunden, ſie wurde Jenny genannt und iſt jetzt ſo weit verbeſſert, daß
ein Mädchen 80–120 Spulen damit verſorgen kann. Die Haupterfindung daran,
nämlich, daß man nicht blos Einſchuß- ſondern auch Kettengarn darauf ſpinnen
kann, verdankt man ſeit 1771 dem bereits genannten Rich. Arkwright.
Weber Beiträge. I. 177. III. 184. Sprengel's Handwerke und Künſte. III.
Taf. IV. Fig. 4–7. Roland de la Platiére, L'Art du fabricant d'Etofses en laine.
Paris 1780. fol. Ueberſ. Nürnberg 1781 Hermbſtädt Bülletin. I. 309. Borgnis
l. c. p. 75 (Spinnräder) und p. 91 (verſchiedene Spinnmaſchinen). Christian I.
c. III. 258. 416. Glanche 50 et 51. Karmarſch Mechanik. II. 156 (Spinn-
räder) und 167 (Spinnmaſchinen). Dingler polytechn. Journal. II. 289 (verb.
Spinnen von Hadden); XV. 46 (von Liſter); XVI. 445 (von Taylor),
S. 446 (von Green); XVII. 422 (von Leach); XXL. 8 (von Chell), S. 395
(von Price); XXII. 325 (von Hirſt), S. 326 (von Bodmer); XXIV. 511
(von Andrew, Tarlton und Shapley); XXV. 39 (Verbeſſ. von Davis z.
Spinnen eines Fadens, an dem keine Haare mehr hervorſtehen); XXVI. 317 (von
Kay); XXVIII. 402 (von Goulding); XXXI. 212 (von Church); XXXII.
240. 323 (über den Regulator beim Spinnen, von Rayner), S. 313 (Spinn-
maſchine von Dexter); XXXV. 226 (Spinnmaſchine von Lee); XLII. (von
Sands); XLIV. 83 (von Molineur und Bundy); XLV. 374 (von Jelli-
corſe). Bulletin de la société d'Encouragement Année 1823 (Spinnmaſchine
von Belanger für Streichgarn). Heß Beſchreib. S. 11 folg.
⁷⁾ Hier wird das Garn auch nach den Sorten numerirt. S. Karmarſch in
Prechtl's Jahrbüchern. XIII. 131. und Hachette in Dingler's polytechniſches
Journal. XVIII. 414. Eine Beſchreibung des Haſpels (der Weiſe) bei Kar-
marſch Mechanik. II. 189. Borgnis I. c. p. 137 (mehrere Haſpel). Christian
III. p. 415. Planche 51.
⁸⁾ Ueber Spulräder ſ. m. Karmarſch Mechanik. II. S. 189. Ueber Spul-
maſchinen ſ. ebendaſelbſt. II. S. 190 (von Rouſſeau, Crager, Joubert und
Pride). Christian III. 417. Planche 51 et 52. Borgnis I. c. Ueber beides ſ.
m. auch die Abbildungen und Beſchreibungen bei Hermbſtädt. Ueber das Zwir-
nen und die dazu erforderlichen Maſchinen ſ. m. Borgnis I. c. p. 152. Christian
III. 288. Karmarſch Mechanik. II. 173. Jacobſon, technolog. Wörterb. IV.
240. 734. Dingler polytechn. Journal. XVII. 422 (Zwirnmaſchine von Leach);
XVIII. 344 (Zwirn- und Doublirmaſchine von Foſter Gimſon). S. auch We-
ber Beiträge. II. 213.
⁹⁾ S. Prechtl Jahrbücher. IX. 395 (Schlichtmaſchine von Stansfield).
Dingler polytechn. Journal. XVII. 420 (Schlichtmaſchine von Well); XL. 408
(Apparat zum Reinigen und Zubereiten des Wollengarns, von Harris). Christian
III. 420. Planche 52. Ueber Brierly's und Rhodes's Vorrichtung z. Trocknen
des geſchlichteten Garns ſ. m. Dingler's polytechn. Journal. I. 420. IV. 63.
Prechtl Jahrbücher. II. 400. III. 472. Karmarſch Mechanik. II. 195. We-
ber Beiträge. I. 131.
[422/0444]
¹⁰⁾ Ueber das Scheeren und Scheermaſchinen ſ. m. auch Borgnis I. c. p. 178.
Christian III. 297. 419. Planche 52. Ueber die Scheerrahmen auch Karmarſch
Mechanik. II. 194. Ueber eine Scheerlatte auf ſchiefer Ebene Dingler polytechn.
Journal. XX. 528.
¹¹⁾ Beſchreibungen von Webſtühlen finden ſich bei Hermbſtädt, May und
den Andern. Borgnis I. c. p. 186 sqq. Christian III. 292. 422. Planche 53.
Karmarſch Mechanik. II. 196. 226 (Hand- und ſelbſtwebende Webſtühle). Die
Webſtühle haben viele Verbeſſerungen erfahren. Man ſ. darüber Dingler poly-
techn. Journal. XIII. 24 (von Goodman); XIV. 229 (Patentwebmaſchine von
Sconedall d' Arimond), S. 403 (von Biard); XV. 40 (von Buchanan);
XVIII. 67. und XX. 113 (von Stansfield, Briggs, Pritchard und Bar-
raclough); XIX. 19 (von Goſſet), S. 149 (Daniells Webmethode); XX.
247 (doppelter Webſtuhl v. Alchorne), S. 513 (Kunſtwebſtuhl v. Debergue);
XXI. 195 (von Tetlow), S. 385 (von Stansfield); XXII. 321 (von
Wilſon), S. 405 (Handwebſtuhl von Grant Smith); XXIV. 413 (von
Hanchett und Delvalle, Webſtuhl für Tücher von allen Breiten); XXV. 206
(Kunſtwebſtuhl von Daniell); XXVI. 109 (von Sadler), S. 205 (verbeſſertes
Webgeſchirr von Rothwell); XXVII. 1 (von Frank und May, ſ. auch die
Abhandlungen der techniſchen Deputation für Gewerbe. I. 379.), S 81 (von
Hurſt und Bradley), S. 82 (von Stansfield, Pritchard und Wilkin-
ſon); XXXIV. 213. und XXXV. 39 (verbeſſertes Webgeſchirr von Pownall).
XXXVI. 215 (von Heilmann); XXXVII. 105 (Parr und Bluett's Web-
ſtühle); XXXIX. 50 (verbeſſ. Tuchmanufactur von Hirſt); XLII. 185 (Webſtuhl
von Robert); XLIII. 17 (Kunſtwebſtuhl von White); XLIV. 455 (von Goul-
ding). Weber Beiträge. I. 182. II. 170.
¹²⁾ Es ſind in der Kette immer zwei Faden, nämlich die oberen (Ober-
ſprung) und die unteren (Unterſprung) nöthig, welche ſich durchkreutzen müſſen,
ſo daß ſich queer durch alle Kreutze das Einſchußgarn legt, wenn das Schiffchen
(Schütze) durchfährt. Man ſ. auch Borgnis I c. p. 187. Ueber eine Vorrichtung
und eine Maſchine zum Aufziehen und Spannen der Kette auf den Webſtuhl ſ. m.
Dingler polytechn. Journal. XVII. u. XXI.
¹³⁾ Das Weben geſchieht, indem durch den Mechanismus wechſelweiſe der
Ober- und Unterſprung in Kreutzform geſtellt und das Schiffchen zwiſchen Beiden
durchgejagt wird, um das Einſchußgarn queer durchzulegen, damit daſſelbe bei dem
nächſten zu bildenden Kreutze eingeſchloſſen und feſt angeſchlagen werden kann.
¹⁴⁾ Die Noppmaſchine iſt von den Gebrüdern Weſtermann zu Paris.
Hermbſtädt Technologie. I. §. 121. Weber, Beiträge zur Gewerbs- und Han-
delskunde. II. 172.
¹⁵⁾ Man walkt mit gefaultem Urin, grüner und weicher Seife, und mit
Walkerde. Ueber Walkmühlen ſ. man v. Langsdorf Erläuterungen. I. 238.
v. Laugsdorf Maſchinenkunde. II. §. 337. Schauplatz der Künſte und Hand-
werke. V. 222. u. A. Verbeſſerungen an Walkmühlen ſind beſchrieben bei Ding-
ler polytechn. Journal. II. 298 (von Lewis); XXI. 141 (von Hurſt und
Wood); XXIII. 311 (von Bernon); XXVII. 103 (von Willan u. Ogle).
Hermbſtädt Technologie. I. §. 122. Beuth, in den Verhandl. des Vereins zur
Beförderung des Gewerbsfleißes in Preußen. Jahrg. VII. 1829. S. 132. Prechtl
Jahrbücher. VI. 529. Borgnis I. c. p. 277. Christian III. 442. Planche 57.
Karmarſch Mechanik. II. 251. Weber Beiträge. I. 185. II. 173. III. 186.
¹⁶⁾ Hier wird die Weberkardendiſtel gebraucht (§. 176.). Man hat auch ſchon
metallene Karden angewendet. S. Prechtl Jahrbücher. IX. 394. Dingler
polytechn. Journal. XXIV. 514 (Verbeſſerungen beim Streichen der Tücher, von
Shappard und Flint). Ueber Rauhmaſchinen ſ. man Borgnis I. c. p. 311.
Christian III. 438. Pl. 57. Karmarſch Mechanik. II. 263. Abhandlungen der
techn. Deputation für Gewerbe. I. S. 383. Weber Beiträge. I. 198. II. 180.
III. 190. Dingler a. a. O. III. 53 (eine Drahtrauhmühle von J. Lewis);
IV. 423 (Rauhmaſchine von Collier), S. 269 (eine ſolche von J. u. W. Lewis
[423/0445]
¹⁶⁾ und W. Davis); XX. 350 (von Lord, Robinſon und Forſter); XXI. 391
(von Hurſt, Wood und Rogerſon); XXIV. 514 (v. Sheppard und Flint);
XXXII. 318. XXXV. 296 (von Sevill); XLII. 359 (von Papps), S. 401
(von Charlesworth). Weber Beiträge. I. 198. II. 180.
¹⁷⁾ Weber Beiträge. I. 226. II. 183. III. 193. Die Bürſtmaſchine iſt von
den Gebrüdern Cockerill erfunden.
¹⁸⁾ Ueber die Scheermaſchine ſ. man Borgnis I. c. p. 313. Christian III.
p. 306. 443. Planche 58. 59. Karmarſch Mechanik. II. 267. 277. Abhandl.
der techniſch. Deputation für Gewerbe. I. 385. Dingler polytechn. Journal. II.
257. III. 276 (Scheermaſchine von J. Lewis); VI. 64. XVII. 300 (von W.
Davis); XI. 166 (von Collier); XIII. 184 (von Hobſon); XIV. 407 (von
Miles); XV. 43 (von Bainbridge); XIX. 25 (Maſchine zum Schleifen oder
Schneiden der Oberfläche der Tücher, von Slater); XX. 458 (Scheermaſchine
von Gardner und Herbert); XXV. 373 (von Sitlington); XXXI. 181
(von Marſhall); XXXVII. 433. XL. 98 (von Clatterbuck); XLIII. 233
(von Hooper); XLV. 253 (von Oldland). Ueber Swift's amerikaniſche
Tuchſcheere ſ. die Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbsfleißes
in Preußen. Jahrg. 1829. S. 231. Weber Beiträge. I. 209. II. 181. III. 193.
¹⁹⁾ M. ſ. Dingler polytechn. Journal. I. 420 (Streckrahmen v. Brierly);
III. 257 (ein ſolcher von W. Lewis); X. 393. XXXI. 43 (Zurichten der Tücher,
nach Daniell); XVI. 44 (ein ſolches nach Sevill); XIX. 498 (Methode, beim
Zurichten den Wollewaaren Glanz zu geben, nach Fuſell); XXIII. 51 (Zuricht-
maſchine von Haycock), S. 429 (eine ſolche von Smith); XXV. 33 (Walz-
maſchine, um den Tüchern Glanz zu geben, von Leroy); XXXV. 292 (Zuricht-
maſchine von Haden); XXXVIII. 135 (verbeſſerte Methode des Zurichtens, von
Gether); XXXIX. 33 (von Allen); XLIV. 99 (Zurichtmaſchine von Jones).
Karmarſch Mechanik. II. 291–293. Weber Beiträge. I. 222 folg. 227 folg.
II. 187. III. 194.
²⁰⁾ Die Tücher von der ächteſten Farbe ſind aus, bereits vor dem Spinnen
gefärbter, Wolle gewebt. Sonſt färbt man ſie erſt, wenn ſie gewebt und gereinigt
ſind. Tücher, welche ganz weiß ſein ſollen, werden, ehe man ſie zurichtet, ge-
ſchwefelt und gebläuet. — Das Decatiren der Tücher vor ihrer Verarbeitung iſt
ein Preſſen derſelben unter Wärme und Feuchtigkeit. Man benutzt dazu eigene
Maſchinen, wie z. B. auch die in der vorigen Note genannten von Haycock und
Jones. Man ſ. Hermbſtädt Technologie. I. §. 148. Verhandlungen des Ver-
eins zur Beförderung des Gewerbsfleißes in Preußen. IV. Jahrg. 1825. S. 134.
Jahrg. VI. 1827. S. 149. Weber, Zeitblatt für Gewerbtreibende. I. 440 (Ber-
lin 1828). — Ueber noch andere Zubereitungen der Wollenzeuge ſ. m. Borgnis
I. c. p. 286. Christian III. 441. 301. 112. 383. Hermbſtädt I. §. 150.
II. Baumwollſpinn- und Weberei.
§. 306.
Die Baumwollenzeug-Weberei1).
Die Baumwolle iſt eine wollige Pflanzenfaſer, durch welche
die Saamen der Baumwollenpflanze (Gossypium) in der Saamen-
kapſel umwickelt ſind. Man hat zwar verſchiedene Baumwollen-
pflanzen, aber der Farbe nach doch nur weiße und gelbe Baumwolle.
Sie wächst in Oſt- und Weſtindien, China, Aegypten, Kleinaſien,
auf den griechiſchen Inſeln im Archipelagus, und im ſüdlichen
Europa2). Die Baumwolle, wie ſie zu uns kommt, hat ſchon
[424/0446]
die Erntearbeiten3) erduldet und iſt in feſten Päcken zuſammen-
gepreßt4). Die Baumwolle wird daher vor der Verarbeitung
aufgelockert und zwar durch Klopfen aus freier Hand oder Klopf-
maſchinen5), oder durch den Wolf (Teufel)6), oder endlich
durch die Flaggmaſchinen7). Dadurch iſt die Baumwolle auf-
gelockert und zugleich in wattähnliche flache Stücke geſchlagen,
aber die Faſern ſind noch nicht ganz rein und haben noch keine
regelmäßige Lage. Dieſe Zwecke werden durch die Kratz- (Krem-
pel-, Flint- oder Streich-) Maſchinen8) erreicht, durch welche
ſie jetzt bearbeitet wird. So in Bänder geformt, kommt ſie nun
auf die Streckmaſchinen9), um dadurch die Fäden noch genauer
parallel zu legen (ſtrecken), was, damit die Bänder nicht reißen,
ſo geſchieht, daß man mehrere ſolche Bänder auf einander legt
und durch die Maſchine gehen läßt (doublirt). So iſt ſie zu
Spinnen vorbereitet, aber dieſes geſchieht in mehreren Operationen.
Das erſte Spinnen auf der Flaſchenmaſchine (Kammmaſchine,
Laternenbank) oder auf der Grobſpindelbank10) bewirkt blos
eine leiſe Drehung der Bänder zu fingerdicken Fäden. Das zweite
oder Vorſpinnen auf der Vorſpinnmaſchine (Grobſtuhl
genannt) oder auf der Spindelbank (Feinſpindelbank)11)
liefert aus jenen Fäden einen ſolchen von der Dicke eines Bind-
fadens. Dieſer Faden muß nun ebenfalls geſponnen werden und
dies iſt das dritte oder Feinſpinnen, welches durch die Water-
(Droſſel-), Jenny- und Mulemaſchinen12) geſchieht. Das
ſo gewonnene Baumwollgarn wird nun gehaſpelt und ſortirt13)
und, wenn es erforderlich iſt, gezwirnt (§. 305. N. 8.). Man
unterſcheidet auch, wie bei der Wollweberei, das Ketten- und
das Einſchußgarn, welches Erſtere feiner und feſter ſein muß
als das Leztere, weßhalb man jenes auf den Water- und Mule-
maſchinen, dieſes aber nur auf Lezteren ſpinnt. Das zum Ver-
weben beſtimmte Baumwollenkettengarn wird hierauf geleimt
(§. 305. N. 9.), und, wenn es wieder getrocknet iſt, geſpult,
d. h. durch das Spulrad oder die Spulmaſchine auf Spulen
gewunden, damit man es hiervon leichter zur Kette ſcheeren
kann (§. 305. N. 9. und 10.). Die Kette wird alsdann auf den
Webſtuhl14) geſpannt, geſchlichtet (wenn dies nämlich nicht
ſchon vor dem Aufſpannen oder Aufkämmen geſchehen iſt), und
das Baumwollenzeug verfertigt, wovon es außerordentlich viele
Arten gibt. Die fertigen Zeuge, beſonders alle glatten, werden
dann durch Sengen oder Brennen15) von den hervorſtehenden
Härchen befreit, dann in reinem Waſſer eingeweicht, gewaſchen
oder auf Walkmühlen und Prätſchmaſchinen16) gereinigt.
[425/0447]
So gereinigt, werden ſie gebleicht17), dreſſirt oder friſirt,
d. h. der haarigen Oberfläche eine beſtimmte Form gegeben18) und
dann finiſſirt, d. h. mit Glanz verſehen und geglättet19). Das
darauf erfolgende Färben und Drucken iſt ein anderes Geſchäft.
¹⁾ Zur Literatur: Note 1. des §. 305. Prechtl Encyclopädie. I. 472–614.
Le Blanc, Nouveau système complet de filature de Coton usité en Angleterre etc.
Paris et Bruxelles 1828. Bernoulli, theoret. prakt. Darſtellung der geſammten
mechan. Baumwollſpinnerei. Baſel 1830 (Hauptwerke). Martin, die engl.
Baumwollen- und Wollenzeugmanufactur. Aus dem Engl. überſetzt von Poppe.
Peſth 1819. Hermbſtädt Technologie. I. §. 176. Poppe Handbuch. I. 137.
v. Keeß Darſtellung. II. Thl. I. Bd. S. 81. 179. Supplem. I. S. 120. 300.
Weber Beiträge. I. 271. II. 202. III. 222. Dictionn. technol. VI. 110. IX. 10.
²⁾ Ueber die verſchiedenen Sorten und Eigenſchaften der Baumwolle ſ. m.
auch Prechtl Encyclopädie. I. S. 472. 483. außer Hermbſtädt, Poppe, Ber-
noulli u. ſ. w. S. auch Borgnis I. c. p. 8.
³⁾ Man hat die ſogenannten Egrenirmaſchinen zum Trennen der Saamen
von der Baumwolle. Sie ſind ausführlich beſchrieben z. B. bei Prechtl a. a. O.
I. S. 473; auch bei Hermbſtädt u. a. Prechtl Jahrbücher. VII. 293. Kar-
marſch Mechanik. II. 138.
⁴⁾ Eine Beſchreibung der Packpreſſen findet ſich auch bei Prechtl a. a. O.
S. 477 S. auch Borgnis I. c. p. 9.
⁵⁾ Prechtl a. a. O. I. S. 490. Borgnis I. c. p. 10. Christian III. 271.
405. Planche 49. Dingler polytechn. Journal. XVI. 1. XXIII. 97 (Schlag-
maſchine von Piyet); V. 135 (Schwingmaſchine von N. Smith). Karmarſch
II. 139.
⁶⁾ Karmarſch II. 141. Prechtl a. a. O. I. 491. S. auch §. 305.
Note 4, denn die in jenen Schriften beſchriebenen Maſchinen werden auch hier
angewendet.
⁷⁾ Prechtl a. a. O. I. 499. Dingler polytechn. Journal. VI. 182 (Flagg-
maſchine von Bernoulli). Man unterſcheidet die Putz- und die Watten-
maſchine; jene reinigt und dieſe ſchlägt die Baumwolle in eine wattförmige Fläche.
⁸⁾ Christian III. 237–257. 406. Pl. 49. Karmarſch II 145. Prechtl
a. a. O. I. S. 513. S. auch §. 305. Note 5. Man unterſcheidet die Vor- oder
Grobkratze und Feinkratze oder Auskarde; auch einfache und Doppel-
Karden. S. auch Hermbſtädt Technologie. I. §. 182. Die Auskarde formt
Bänder aus der Baumwolle. Um die Bänder in breite Watten zu vereinigen, hat
man die ſogenannten Lappingmaſchinen. S. Prechtl a. a. O. I. 522.
Dingler polytechn. Journal. XXVIII. 97.
⁹⁾ Karmarſch II. 152. Borgnis I. c. p. 92. 115. Christian III. 258. 407.
Planche 50. Prechtl a. a. O. I. S. 534.
¹⁰⁾ S. §. 305. Note 6. Prechtl a. a. O. I. 541. Dingler polytechn.
Journal. XXXIII. 1. (Lat. Spulmaſchine von Heilmann). Karmarſch II. 153.
Christian III. 409. Planche 50. Es gibt auch zugleich krempelnde Spinnmaſchinen.
S. Karmarſch II. 166. Borgnis I. c. p. 121. Ueber Drehung des Baumwolle-
garns, von Köchlin bei Dingler polytechn. Journal. XXXIII. 387.
¹¹⁾ Prechtl a. a. O. I. 562. Karmarſch II. 161. Dingler polytechn.
Journal. XXVI. 204 (Vorſpinnmaſchine von Fr. Smith); XXIX. 385. XXXV.
439 (von Bayliffe); XXX. 89 (Spulmaſchine für Vorgeſpinnſte von Houds-
worth); XLIII. 429 (Selden's Maſchine zur Bewirkung der gehörigen Conſi-
ſtenz des Vorgeſpinnſtes).
¹²⁾ Prechtl a. a. O. I. S. 567. Karmarſch II. 163. Borgnis I. c.
p. 105 sqq. Dingler polytechn. Journal. VIII. 1. X. 388 (Spinnmaſchine von
[426/0448]
¹²⁾ Main); XII. 457 (von Tollenare); XXVII. 7. XXX. 211 (Verbeſſerungen an
den Mules, Jennies und Slabbers, von de Jongh); XXXI. 12 (Spinnmaſchine
von Heiſch); XLII. 13 (Spinnmaſchine von Hutchiſon); XLIII. 229 (Droſſel-
ſpindel von Lambert); XLIV. 353 (Verbeſſerungen an der Jennies, Mules ꝛc.,
von Roberts). S. §. 305. Note 6.
¹³⁾ S. §. 305. Note 7. Prechtl a. a. O. I. 594. 595.
¹⁴⁾ Man unterſcheidet die Hand- und Maſchinenwebſtühle. S. Note 11. des
vorigen §. Sie ſind ſehr abweichend gebaut, weil verſchieden façonnirte Zeuge ge-
webt werden. S. Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbsfleißes
in Preußen. Jahrg. III. 1824. S. 194. Jahrg. VII. S. 129. Horrocks's Web-
ſtuhl bei Dingler polytechn. Journal. XI. 203.
¹⁵⁾ Ueber ſolche Sengmaſchinen ſ. m. Karmarſch II. 277. Christian III.
437. Planche 55. Prechtl Jahrbücher. VII. 298. Weber Beiträge. I. 302. II.
216. III. 246. Borgnis I. c. p. 306. Dingler polytechn. Journal. XVI. 450
(Burn's Sengmaſchine).
¹⁶⁾ S. §. 305. Note 15. Ueber die Prätſchmaſchinen (Pretſch M.)
ſ. m. Karmarſch II. 254. Borgnis I. c. p. 271. Dingler polytechn. Journal.
III. 4 (Reinigungsmaſchine von Dingler); V. 432 (eine andere). Ueber Waſch-
maſchinen auch Karmarſch II. 256. Dingler a. a. O. V. 424. 428–30
(engliſche); XII. 328 (von Smith); XV. 48 (von Flint). Prechtl Jahrb.
V. 363 (von Waroup), S. 364 (von Baylis), S. 459 (von Smith).
Ueber Maſchinen zum Auspreſſen der naſſen Zeuge ſ. Karmarſch II. S. 261.
Dingler polytechn. Journal. III. 6 (von Dingler), S. 10 (zum Auswinden).
Den Apparat von Southworth zum Trocknen beſchreibt auch Karmarſch II.
262., und Dingler a. a. O. XVI. 474.
¹⁷⁾ S. Dingler polytechn. Journal. III. 1 (Maſchine zum Bäuchen der
Kattune von Dingler); XIV. 433 (Bleichen nach Turner und Angell);
XX. 471 (nach Turner); XXXIII. 447 (nach Penot). Prechtl Encyclopädie.
II. 420. v. Keeß Darſtellung. II. Thl. I. Bd. S. 95. 190. Supplem. I. 160. 330.
¹⁸⁾ M. ſ. Borgnis I. c. p. 286 sqq. Karmarſch II. 293.
¹⁹⁾ Dieſe Maſchinen kennt man unter dem Namen Mangen und Kalander.
Man ſ. Karmarſch II. 280. 286–89. Dingler polytechn. Journal. III. 12
(eine Appretirmaſchine v. Dingler); VI. 82 (Schlichten der Zeuge nach Dubuc);
X. 487 (Kalander von Smith); XII. 332 (Zurichtmaſchine von Wickham);
XXI. 17 (Appretirmaſchine von Bathgate); XXXIX. 49 (verbeſſ. Zurichtung
nach Smith): XLII. 194 (Zurichtmaſchine von Ferraboe). Vergl. §. 305.
Note 19. Beſchreibung der Mangen und Kalandermaſchinen. Nürnberg 1829.
III. Seidenſpinn- und Weberei.
§. 307.
Die Seidenweberei1).
Die Coccons der Seidenraupe (§. 206.) liefern die Seide,
von deren Bearbeitung hier die Rede iſt. Das Aeußere der Coc-
cons iſt ein etwas rauher Faſerſtoff (die Floretſeide); unter
dieſer liegt die feine eigentliche Seide, auf welche wieder ein grö-
berer faſeriger Ueberzug folgt, und endlich der Balg der Larve
kommt. Die Coccons werden auf einige Minuten in einen Keſſel
voll heißen Waſſers zum Auflöſen der Fäden gethan2) und dann
wird von ihnen die Seide auf einen eigenen Seidenhaſpel3)
[427/0449]
abgewunden. Die ſo gewonnene rohe Seide wird nach ihrer
Feinheit und Grobheit ſortirt, denn beim Haſpeln zieht man
mehrere Fäden zuſammen. Dieſelbe wird hierauf doublirt und
gezwirnt, was an der Stelle des Spinnens angewendet wird.
Man hat dazu die Doublir- oder Zwirnmaſchinen4) und
unterſcheidet nach dem Grade des Zwirnens die Tramſeide
(Einſchußſeide, ein Draht aus zwei oder mehr rohen Seidenfäden)
und die Organſinſeide (Kettenſeide, Draht aus mehreren be-
reits gedrehten Seidenfäden). Soll die Rohſeide gefärbt werden,
ſo muß ſie, wenn die Farben hell werden ſollen, entweder, was
ſeltener iſt, von Natur weiß oder gebleicht ſein5). Sie hat
aber eine ſteife und rauhe äußere Beſchaffenheit, welche ihr, wenn
ſie nicht zu ſteifen Geweben, wie z. B. Gaze, Flor, beſtimmt iſt,
genommen werden muß. Dies geſchieht durch das Degummiren
(Entſchälen), d. h. das Kochen derſelben mit Seife oder ſchwacher
Alcalilauge6). Die zubereitete, nämlich Tram- und Organſin-
ſeide, iſt zum Verweben geſchickt und wird nun auf den Web-
ſtühlen7), die man in einfache und zuſammengeſetzte unterſchei-
det, zu den manchfaltigen Geweben verarbeitet, welche man jetzt hat.
Vom Webſtuhle genommen, werden die Seidenzeuge noch vollends
appretirt, nämlich durch die Pflückmaſchine von den Faſern und
Unebenheiten, die nicht vorhanden ſein ſollen, befreit und dann
auf manchen, chemiſchen und mechaniſchen, geheimen Wegen noch
zugerichtet8).
¹⁾ Zur Literatur: Dictionnaire technologique. XIX. 374. XI. 330. v. Keeß
Darſtellung. II. Thl. I. Bd. S. 132. 283. Supplem. I. 222. 437. Hermbſtädt
Technologie. I. §. 239. Poppe Handbuch. I. 179. Weber Beiträge zur Ge-
werbskunde. I. 416. II. 273. III. 279. S. auch §. 305. Note 1. Dingler
polytechn. Journal. XXX. 126. XXXI. 126. XXXII. 66. XXXIV. 46. 143 (über
Seide und Seidefabriken von Ozonam).
²⁾ S. auch Dingler polytechn. Journal. XVII. 110 (Methode, die Coccons
aus kaltem Waſſer zu haſpeln, von Don Antono Regas); XXXVII. 251
(Dampfſibatorum zum Abwinden der Coccons, von Richardſon).
³⁾ S. Borgnis I. c. p. 14. 16. 141. Karmarſch II. 174 (verſchiedene
Haſpel). Jakobſon Schauplatz. III. 80. Dingler polytechn. Journal. XVIII.
96 (Abwinden der Seide in Italien, von Nouailles); XXIII. 44 (verbeſſerte
Methode deſſelben von Heathcoat); XXIV. 398 (verbeſſerte Methode im Abwinden,
Doubliren, Zwirnen und Spinnen der Seide, von Badnall); XXVIII. 256 (ver-
beſſerter Seidenhaſpel von Fanſhaw). Der älteſte bekannte Haſpel wurde von
einem Bologneſer Berghaſano a. 1272 erfunden. S. auch Verhandlungen des
Vereins zur Beförderung ꝛc. VII. Jahrg. 1828. S. 79. Weber Beiträge. II. 281
(Haſpel von Jefferies und Drakefort); III. 294 (von Barbier, Scott,
Badnall u. ſ. w.). v. Türk, Anleitung zur Behandlung des Seidenbaues und
des Haſpelns der Seide. Potsdam 1829. III Thle.
⁴⁾ S. Borgnis I. c. p. 17. 160. Karmarſch II. 176. Jacobſon Schau-
platz. III. 101. Weber Beiträge. II. 284 (Tramſeidemaſchine von Shenton).
Dingler polytechn. Journal. XIII. 320 (Verbeſſ. im Spinnen und Zwirnen der
[428/0450]
⁴⁾ Seide, von Badnall); XVI. 338 (Spinnmaſchine von Shenton); XVIII. 186
(neue Methode, Seide zu ſpinnen und zu zwirnen, von Bradbury); XX. 31
(Hammersley's Eiſenhaſpel für Seidenmühlen); XXVI. 107 (verbeſſerter Zwirn-
und Spinnapparat, von Fanſhaw), S. 203 (verbeſſerte Putz- und Spinnmaſchine
für Seide, von Noyle); XXX. 57 (über Seidenſpinnerei); XLII. 262 (verbeſſerte
Spinn-, Doublir- und Zwirnmaſchine für Seide, von Needham). Ueber Seiden-
wickel- oder Spulmaſchinen ſ. m. Karmarſch II. 192. Borgnis I. c. pag. 172.
Jacobſon Schauplatz. III. 130. Weber Beiträge. II. 285 (von Belly).
⁵⁾ S. Dingler polytechn. Journal. XX. 348 (verbeſſerte Zubereitung der
Seide zum Weben, von Heathcoat). Hermbſtädt Magazin für Färber. I.
104 (Bleichmethode von Baumé); V. 122 (von Giobert). v. Keeß Darſtel-
lung. II. Thl. II. Bd. Anhang S. 33.
⁶⁾ Prechtl Encyclopädie. II. 433. Borgnis I. c. p. 18.
⁷⁾ Dingler polytechn. Journal. XVII. 429 (Methode zur Vorbereitung,
Reinigung, Zurichtung und Aufkämmung der Kette für Seidenzeuge, von Harwood
Horrock). Auch bei Weber Beiträge. II. 281. Der Webſtuhl von Jacquard
iſt jetzt der berühmteſte. Man ſ. Hermbſtädt Technologie. I. §. 259. Dingler
polytechn. Journal. VII. 52. XXVI. 410. Dict. technolog. XI. 330. Weber,
der vaterländiſche Gewerbsfreund (Berlin 1819). I. 151. Weber Beiträge. III.
305 (deſſen Verbeſſerung durch Jourdan), S. 301 (Webſtuhl von Covont);
II. 293 (neuer Lyoner Webſtuhl). S. §. 306. Note 14. und Dingler polytechn.
Journal. XIV. 33 (Wilſon's Webſtuhl für figurirte Zeuge), S 41 (für glatte
und figurirte von Robert); XV. 402 (Verbeſſerung an Maſchinen zum Weben
und Abhaſpeln); XIX. 546 (für figurirte Zeuge, von Potter); XXI. 389
(Wilſon's Sammetſtuhl).
⁸⁾ Hermbſtädt Technologie. I. §. 286.
IV. Lein- und Hanfſpinn- und Weberei.
§. 308.
Leinwandweberei1).
Nach der oben (§. 169.) angegebenen Gewinnungsart der Fa-
ſern von Flachs und Hanf, zu welcher man eine bedeutende Anzahl
von Maſchinen2) erfunden hat, werden ſie, namentlich die Hanf-
büſchel, wenn der Baſt breit iſt, auf die Reibmühle3) gebracht
und dort gerieben (nach dem ſüddeutſchen Ausdrucke geblault),
damit ſie geſchmeidiger werden. So für die Hechel vorbereitet,
bearbeitet ſie der Hechler mit der Leztern4), indem er ſie durch
dieſelben zieht. Das Product iſt eigentlicher Hanf oder Flachs
(die lange Faſer) und das Wergg (die kurze Faſer). Will man
denſelben vor der weiteren Bearbeitung noch verbeſſern, ſo brühet
man ihn mit heißem Waſſer mit oder ohne ätzende Zuſätze5) an,
um die beſonders die Bleiche erſchwerenden Stoffe zu extrahiren.
Nach dem völligen Trocknen wird er geſponnen, und zwar ent-
weder auf dem Handſpinnrade oder auf der Flachsſpinn-
maſchine6), zu verſchiedener Feinheit des Garnes je nach der
Feinheit und Grobheit der Leinwand. Hierauf folgt das Haſpeln,
dann das Spulen, von den Spulen ab das Scheeren, dann
[429/0451]
das Aufkämmen der Kette auf dem Leinenwebſtuhl7), das
Schlichten und das Weben. Die fertige Leinwand wird durch
Entſchlichten, Bäuchen und Bleichen8), Stärken, Mangen und
Glätten9) noch vollends appretirt und kommt ſo in den Handel.
Es gibt verſchiedene Arten von Flachs- und Hanfleinwand, nicht
blos nach der Feinheit, ſondern auch nach der Glätte und Figu-
rirtheit der Oberfläche.
¹⁾ Zur Literatur: Dictionnaire technologique. IV. 427. XII. 303. v. Keeß
Darſtellung. II. Thl. I. Bd. S. 50. 152. Supplem. I. 94. 262. Weber, Beiträge
zur Gewerbskunde. I. 334. II. 238. III. 260. Hermbſtädt Technologie. I. §. 205.
Poppe Handbuch. I. S. 160. S. auch §. 305. Note 1. und §. 167. Note 1.
Dingler polytechn. Journal. XV. 426 (Roxborough, über die Eigenſchaften
des Hauſes).
²⁾ Ueber das Röſten ſ. m. auch Borgnis I. c. p. 21., wo auch die Kunſtröſte
von Bralle und von d' Hondt d' Arey beſchrieben iſt. Ueber Flachszubereitung
ohne Röſten ſ. m. Prechtl Jahrbücher. II. 320. Ueber Flachs- und Hanfbrech-
maſchinen ſ. m. Karmarſch II. 129. Borgnis I. c. p. 28. Ueber Maſchinen zur
Reinigung des Flachſes oder Hanfes von den Annen, und Schwingmaſchinen ſ. m.
Karmarſch II. 136., ebenſo auch bei Weber a. a. O. und Dingler polytechn.
Journal. II. 290. XV. 307. (Bundy's Brechmaſchine); V. 168 (eine ſolche von
Lee); XVII. 234. (eine ſolche von La Foreſt); XXVIII. 33 (eine ſolche von de
la Guarde); XXXIV. 43 (Zurichtmaſchine für Hanf, von Lawſon u. Walker).
³⁾ Sie ſind entweder Stampf- oder Quetſchwerke. S. Karmarſch II. 128.
Dingler polytechn. Journal. XVI. 41 (Methode, dem auf der Chriſtian'ſchen
Brechmaſchine bereiteten Flachſe und Hanfe die gehörige Weichheit zu geben, von
Delisle).
⁴⁾ Christian III. 227. Borgnis I. c. p. 65., wo auch die Hechelmaſchine von
Porthouſe beſchrieben iſt. Ueber dieſe, die Murray'ſche und gemeine Walzen-
hechelmaſchine ſ. m. Karmarſch II. 137. Die gemeine Hechel iſt bekannt.
Dingler polytechn. Journal. XXV. 473. XXXV. 311 (Hechelmaſchine von Ro-
binſon); XXXII. 316 (eine ſolche von Busk und Weſtly); XXXIII. 81 (von
Taylor).
⁵⁾ Z. B. von Pottaſche und Seife, Kartoffelbrühe und Hefe (nach Delisle),
mit Thonbrey und Kochſalz (nach Stahl) u. dergl. mehr. Weber Beiträge. I.
376–79. II. 247. Dingler polytechn. Journal. XVI. 459 (Einweichen nach
Inglis), S. 466 (Zubereitung ohne Gährung, nach Salisbury); XXIV. 228
Zubereiten und Bleichen, nach Emmett), S. 428 (Zubereiten und Bleichen,
nach Gill); XXVIII. 429 (Maſchine zum Zurichten, Ausziehen, Spinnen ꝛc. des
Flachſes u. ſ. w., von Lamb und Sutill); XXIX. 113 (Zurichten der Faſer-
ſtoffe, nach Wood); XXXIII. 461 (Zubereitung des Hanfes, nach Smedes).
⁶⁾ Man ſ. §. 305. Note 6. Dingler polytechn. Journal. I. 423 (Herr-
mann's Flachsſpinntiſch); XVI. 39 (Chell's verbeſſerte Hanfſpinnmaſchine);
XXIV. 403 (Maſchine zum Spinnen und Zwirnen des Flachſes, von Molineux);
XXVIII. 441 (Flachs- und Hanfſpinnerei, von Schlumberger); XXXV. 339
(Hanfſpinnmaſchine von Debezieux). Prechtl Jahrbücher. III. 394 (ein ſer-
biſches Spinnrad). Karmarſch II. 170 (mehrere Spinnmaſchinen), S. 153
(Flachsbandmaſchinen, welche den Flachs ſo, wie die Baumwolle, für die Spinn-
maſchine vorbereiten). Weber Beiträge. I. 346. II. 245. III. 246 (mehrere
Spinnmaſchinen). Hermbſtädt, Bülletin des Neueſten u. ſ. w. VIII. 78. XII. 15.
⁷⁾ Er iſt der einfachſte Webſtuhl. S. §. 305. Note 11.
⁸⁾ Das Bäuchen iſt das Reinigen von der Schlichte u. dgl. Man ſ. darüber
ſo wie über das Bleichen u. dgl. bei Weber Beiträge. I. 352 folg. II 247. 249 flg.
[430/0452]
⁸⁾ III. 266. Prechtl Encyclopädie. II. 398. Hermbſtädt Technologie. I. §. 384.
folg. v. Keeß Darſtellung. II. Thl. I. Bd. S. 68. 161. Supplem. I. 103. 267.
⁹⁾ Man hat dazu die bereits §. 306. Note 19. erwähnten Geräthe und
Maſchinen.
V. Papiermacherei.
§. 309.
Fabrikation des gewöhnlichen Papiers1).
Zur Papiermacherei hat man thieriſche und pflanzliche Faſern
nöthig, die man in ihre kleinſten Theile, Urfaſern, auflöſen muß.
Lumpen (Hadern), Makulatur, Stroh, Maisblätter u. ſ. w. wer-
den als rohes Material gebraucht. Nehmen wir beiſpielsweiſe die
Erſteren dazu, ſo müſſen ſie mit Meſſer und Scheere ſortirt wer-
den2). Die brauchbaren Hadern werden durch Waſchen von ihren
Unreinigkeiten befreit und, wenn das Papier fein und weiß werden
ſoll, gebleicht3). So vorbereitet, werden ſie nun vom Lum-
penſchneider4) ganz klein zerſchnitten und nachher, um ſie ganz
vom Staube zu befreien, geſiebt, oder in einem Hammerwerke zur
völligen Entſtäubung geklopft5). So heißen ſie Zeug. Dieſes
wird in einem Gefäße mit Waſſer zum Behufe des Faulens ein-
gemacht6). Entweder hierauf oder auch ſchon nach der Entſtäu-
bung wird es auf das Geſchirr (eine Stampfmühle, in welche
die mit Eiſen beſchlagenen Stampfen auf die Lumpen in den
Löchern eines Löcherbaumes fallen und dieſelben verkleinern7).
Da beſtändig Waſſer in die Löcher geleitet wird, ſo entſteht ein
grober Brei, Halbzeug genannt. Aus dieſen wird es in ein
Eichenfaß (Leerfaß) geſchöpft, und in der Zeugſtube, nachdem
es mit der Zeugpritſche (einem Brette mit einer Handhabe) durch
Holzrahmen geſchlagen iſt, auf Haufen getrocknet. Um das trockene
Halbzeug in Ganzzeug zu verwandeln, d. h. zu einem feinen
Breie zu bearbeiten, wird es in dem Holländer8), einer
Schneidemaſchine, unter Waſſerzufluß zerkleinert. Von da aus
wird es durch Rinnen in die Werkſtube in den Ganzzeugkaſten ge-
leitet. Man nimmt daraus einen Theil in die Schöpfbütte,
d. h. eine Tonne, die oben mit einem breiten Rande (Traufe,
Leiſte) verſehen iſt und zwei von einer Seite zur andern laufende
Bretter (den großen und kleinen Steg) trägt. Während be-
ſtändigen Umrührens9) und fortwährender Warmhaltung10) ſchöpft
der Büttgeſelle die Papierbogen mit der Papierform11) aus
der Bütte und ein anderer Arbeiter (Gautſcher) ſchichtet ſie
zwiſchen Filz auf, d. h. auf viereckige ſchwach gewalkte Tuch-
ſtücke, die etwas größer ſind als die Papierbogen. Es bilden
[431/0453]
181 Bogen einen Pauſcht (Bauſch). Dieſer wird zur Entfer-
nung des noch übrigen Waſſers gepreßt12), damit das Papier
gehörig feſt werde. Nach der Vollendung des Preſſen wird das
Papier auf dem Trockenboden13) getrocknet, und kann alsdann
als Löſch- und Druckpapier in Bücher und Rieße gefalzt werden.
Um aber Schreibpapier zu machen, läßt man die Bogen noch einige
Zeit nach dem Trocknen loſe über einander liegen, und leimt
dieſelben, d. h. man zieht ſie durch einen Leim14), trocknet dieſelben
und zieht ſie noch einmal durch. Nach dem abermaligen Trocknen
bringt man das Papier bei friſcher und feuchter Luft, z. B. des
Morgens, nochmals 24 Stunden unter die Preſſe, und theilt es
ſchon unter dieſer in Bücher, Rieße und Ballen ein. Um aber
dem Papier den höchſten Grad von Glätte zu geben, wird daſſelbe
außerdem noch einmal beſonders geſtampft und geglättet15).
¹⁾ Zur Literatur: Schauplatz der Künſte und Handwerke. I. 295. III. 369.
Dictionnaire technologique. XV. 194. v. Keeß Darſtellung. II. Thl. I. Bd. S. 572.
Supplem. I. 580. Weber Beiträge. I. 384. II. 257. III. 268. (Keferſtein)
Unterricht eines Papiermachers an ſeine Söhne. Leipzig 1766. Demareſt, die
Papiermacherkunſt. Aus dem Franzöſ. überſetzt von Seebas. Leipzig 1803. 4.
Leuchs, Darſtellung der neueſten Verbeſſerung in der Verfertigung des Papieres.
Nürnberg 1821. Piette, Handbuch der Papierfabrikation. Aus dem Franzöſ. bear-
beitet, von Hartmann. Quedlinburg 1833. Hermbſtädt Technologie. II. §. 392.
Poppe Handbuch. I. 295. Krünitz Encyclopädie. Bd. 106 u. 107.
²⁾ Grobe Lumpen geben grobes Papier. Wollene und leinene Lumpen ſortirt
man ſchon dem Stoffe nach, — dann auch nach den Farben, unter denen die blaue
vor allen herausgeſucht wird. Man rechnet zu 1 Ries Poſtpapier 15 Pfund, zu
1 Ries Kanzleipapier 18 Pfd., zu 1 Ries Conceptpapier 20, und zu ſo viel Pack-
und Löſchpapier 25 Pfd. Lumpen. Die feinſten Leinwandlumpen ſind die beſten,
und überhaupt die abgetragenen tauglicher zu Papier als die neuen; ſeidene und
wollene geben nur ſchlechtes Papier. Dingler polytechn. Journal. XLII. 265
(Hotſon's verbeſſerte Methode, Klümpchen aus dem Zeuge zu ſchaffen, aus dem
das Papier bereitet wird). Piette Handbuch. S. 10.
³⁾ Eine Lumpenwaſchmaſchine iſt von Wehr beſchrieben im Journal für
Fabriken, Manufakturen, Handel u. ſ. w. IX. (1795) S. 81. Zum Bleichen wen-
det man entweder die natürliche (Raſenbleiche) oder die künſtliche, nämlich Chlor-
bleiche an. v. Keeß und Blumenbach Darſtellung. I. 583. 587. Weber Bei-
träge. I. 394. Piette Handbuch. S. 14. 110.
⁴⁾ Derſelbe iſt verſchiedenartig conſtruirt. Das Weſentliche des gemeinen
Lumpenſchneiders aber iſt, daß ein Meſſer horizontal, mit der Schneide aufwärts,
unbeweglich liegt, während ein anderes durch eine Kurbel ſcheerenartig auf dieſes
bewegt wird, und die Hadern zerſchneidet, welche aus einem ſchiefen Kaſten durch
eine gekerbte Walze den Meſſern entgegen gezogen werden. Man ſ. Piette Handb.
S. 14. Karmarſch Mechanik. II. 296. Langsdorf Erläuterungen. I. 400.
Sprengel Künſte und Handwerke. XII. 445.
⁵⁾ Oft iſt das Sieb ſo beim Schneider angebracht, daß die Hadern ſogleich
auf daſſelbe fallen. Beſondere Siebmaſchinen ſind beſchrieben bei Karmarſch II.
295. (die gemeine und die Langsdorf'ſche Siebmaſchine).
⁶⁾ Dieſes Maceriren hat den Zweck, die Hadern gleichmäßiger und zum Zer-
kleinern tauglicher zu machen. Statt deſſelben bearbeitet man ſie zuweilen auch
länger im Geſchirre. Hermbſtädt empfiehlt anſtatt des Faulens das Maceriren
durch verdünnte Schwefel- oder Salzſäure. Piette Handbuch. S. 15.
[432/0454]
⁷⁾ Ueber dieſe Papiermühlen, ſo wie über die in Note 4. und 5. erwähnten
Maſchinen ſ. man v. Langsdorf Syſtem der Maſchinenkunde. II. §. 323.
Ueber Papiermühlen verſchiedener Art Karmarſch Mechanik. II. 297. Es gibt
auch Hammer- und Stampfgeſchirre. Piette Handbuch. S. 25.
⁸⁾ Karmarſch II. 298. v. Langsdorf Erläuterungen. I. 419. Spren-
gel Künſte und Handwerke. XII. 446. Journal für Fabriken ꝛc. VIII. 37 (von
Keferſtein); IX. 81 (von Wehr). Piette Handbuch. S. 27. Der Hollän-
der iſt ein Holzcylinder, der mit vielen Eiſenmeſſern (Schienen) verſehen iſt
und ſich in einer eichenen Kufe dreht, deren Boden auch mit einer Eiſenplatte
beſetzt iſt, die ſolche Meſſer trägt. Er dreht ſich, vermittelſt der am ganzen
Mechanismus der Papiermühle wirkenden bewegenden Kraft ſehr ſchnell um. Zuerſt
kommt das Zeug in den gröberen oder Halbzeugholländer. In ihm werden
die Hadern zermalmt. Nach etwa 6–8 Stunden iſt das Halbzeug bereitet, und
man nennt dies die Vorarbeit. Die eigentliche Vollendung bekommt aber das
Ganzzeug in dem feinen oder Ganzzeugholländer, in welchem das Halbzeug
noch unter beſtändigem Waſſerzufluſſe ſo lange herumgejagt wird, bis ſich das Waſſer
klärt, d. h. auf der andern Seite ganz rein von Schmutz herausläuft. Nun wird
dieſer Holländer geſtellt, d. h. aller Waſſerzu- und Abfluß gehindert. So wird
das Ganzzeug vollendet. — Anſtatt des Holländers und auch neben ihm wird noch
die Hammer- oder Stampfmühle gebraucht. Jener wird dann holländiſches,
und dieſe deutſches Geſchirr genannt.
⁹⁾ Es geſchieht, damit ſich das Ganzzeug gleichförmig erhalte, und zwar ent-
weder aus der Hand mit der Schöpfkrücke oder durch den ſogenannten faulen
Büttgeſellen, d. h. ein Paar durchlöcherte Schieber, die an Stäben befeſtigt
ſind und in horizontaler Lage durch das Maſchinenwerk auf- und abwärts bewegt
werden. Man ſ. über die Papierbereitung Piette Handbuch. S. 37 folg.
¹⁰⁾ Man ſucht dieſe durch Röhrenleitung, heiße Waſſerdämpfe oder durch
kupferne in die Bütte poſtirte Blaſen oder Pfannen zu bewirken.
¹¹⁾ Man ſ. Karmarſch II. S. 300. Borgnis, Mécanique appliquée aux
arts. Tome: Machines employées dans diverses fabrications. Paris 1819. p. 203
(Papierfabrikationsmaſchinen). Weber Beiträge. I. 387. II. 257. III. 268. Man
unterſcheidet die Maſchinen zur Verfertigung der gewöhnlichen Papierbogen (z. B.
von Déſétable, Bramah und Leiſtenſchneider) und jene zur Verfertigung
des Papiers ohne Ende, d. h. von beliebiger Länge (z. B. von Bramah, Kefer-
ſtein. Dickinſon, Robert, Fourdrineer). (S. auch Piette Handbuch.
S. 134) Es ſind a) die Bogenformen, Geflechte von Meſſingdraht, eingefaßt
in einen viereckigen Holzrahmen und gerade in einen andern Holzrahmen paſſend.
Die gröberen (gerippten) Formen, auf welchen das Waſſer ſchnell abläuft
und das Papier-Linien erhält, haben den feinen oder Velinformen, bei
welchen das Waſſer tropfenweiſe abläuft, aber das Papier glatt bleibt, in der
Anwendung Platz gemacht. In dieſen Formen werden die manchfachen Fabrikzeichen
mit Draht, etwas erhöht, eingeflochten. Man hat neuerdings auch Formen, womit
zwei Bogen zugleich geſchöpft werden können, und Maſchinen erfunden, welche das
Schöpfen ſelbſt verrichten. Um die Erfindung b) der Maſchinen zur Fertigung des
Papieres ohne Ende ſtreiten ſich ein Deutſcher, Keferſtein, der Engländer
Bramah und der Franzoſe Didot Saint-Leger. Sie ſind jetzt allgemein
verbreitet. Ihr Weſentliches iſt entweder, daß eine Drahtwalze das Zeug aus
der Bütte ſchöpft (oder aus einer Rinne aufnimmt), das Waſſer abläßt und das
Papier auf eine mit Tuch (oder Filz) überzogene Walze führt, oder daß das Zeug
aus der Bütte vermittelſt eines Schaufelrades auf eine ſchiefe Ebene geſchöpft wird
und von dieſer auf die Form (ein Gewebe) abfließt. In beiden Fällen geht das
Papier zum Preſſen und Trocknen zwiſchen anderen Walzen hindurch und wickelt
ſich zuletzt um eine andere. S. auch Prechtl Jahrbücher. V. 333 folg. Dingler
polytechniſches Journal. XXIII. 45 (Denniſon's und Harris'ens Maſchine);
XXX. 356 (Maſchine von Dickinſon); XXXVIII. 126 und XLI. 253 (verbeſſ.
Verfertigung des Tapetenpapiers); XXXVIII. 237 (Maſchine zum Schneiden des
[433/0455]
¹¹⁾ Papieres, von Crompton und Taylor); XLIII. 436 (Turner's Papier-
fabrikations-Maſchinen; XLIV. 64 (Cowper's Papierſchneidmaſchine), S. 180
(Newton's Methode und Maſchine zur Tapetenpapierfabrikation), S. 353
(Jaquier's Maſchine). Karmarſch Mechanik. II. 305 (Dickinſon's Papier-
Schneidmaſchine). Leuchs Darſtellung. S. 62 folg.
¹²⁾ Ueber die verſchiedenen Arten der Preſſen ſ. m. Karmarſch II. 303.
Hermbſtädt, Bülletin des Neueſten ꝛc. IX. 367 (Bramah's Papierpreſſe).
S. auch Piette Handbuch. S. 54.
¹³⁾ Unter dem Dache eines Trockenhauſes, wo 3–6 Bogen durch hölzerne
Kreutze auf Schnüre geheftet werden, welche aus Pferdehaaren, Palmblättern oder
Kokosnußfaſern bereitet ſind, und auch manchmal durch ſpan. Röhre erſetzt werden.
Man wendet zum Trocknen auch künſtliche Wärme an. Hermbſtädt Bülletin.
IX. 370 (Bramah's Trockenhaus). Piette Handbuch. S. 56.
¹⁴⁾ Man hat in den Papierfabriken verſchiedene Leime; ſie beſtehen aber vor-
züglich aus Alaun und Leim, welcher Leztere der abweichende Zuſatz iſt. Der beſte
Leim iſt aus Pergamentſchnitzeln bereitet. Der gewöhnliche beſteht aus einem
Dekokte von Schaafsfüßen, Leimleder und Tiſchlerleim mit Alaun. Ueber Leim aus
Knochen ſ. m. Weber Beiträge. I. 404–406. Ueber das Leimen des Papieres
in der Bütte ſ. m. Weber III. 270 (nach Braconnot) und Dingler polytechn.
Journal. XXV. 382. 385. XXVI. 216. XXVIII. 20 (nach Merimée und
d'Arcet). S. auch Piette Handbuch. S. 70. 89. Anhang S. 48.
¹⁵⁾ Ueber das Glätten und Stampfen des Papiers und dazu dienende Maſchi-
nen ſ. m. Karmarſch II. 305. 308. Piette Handbuch. S. 50. A. 38. Dingler
polytechniſches Journal. XLII. 350 (Glätten, nach Gilpin). Ueber die anderen
Fabrikate aus Papier handeln die angeführten Werke ebenfalls. Nachträglich merke
man ſich aber noch: Dingler polytechn. Journal. XVI. 67 (Maroquin-Papier,
nach Böhn), S. 70 (Papier-Maché nach W. Lewis); XVII. 346 (Lambert's
Strohpapier); XXXII. 130 (über engl. Papierſorten, von Baddeley); XLII.
348 (Papierfabrikation, nach Thomas und Woodcock); XLIV. 67 (chineſiſches
Papier, nach Delapierre); XXII. 140 (eben ſolches); XXVII. (ſolches, nach
Metzger). Prechtl Jahrbücher. VII 151. XI. 94 (Papierfabrikation in China).
Fünfte Unterabtheilung.
Von der Verarbeitung der Producte aller drei
Naturreiche
oder:
Von der Baukunſt.
§. 310.
Dieſe hier darzuſtellen, iſt wegen der Ausgebreitetheit des
Stoffes durchaus unthunlich. Eine Ueberſicht des Gegenſtandes
ſetzt dies ganz außer allen Zweifel, ſelbſt wenn man vergeſſen
wollte, daß die Baukunſt die mächtigſte der bildenden Künſte iſt.
Man theilt ſie in der Regel in Landbau- und Waſſerbaukunſt
ein, wovon jene alle zu Lande zu errichtenden, dieſe aber die auf
und in dem Waſſer zu machenden Baulichkeiten zum Gegenſtande
hat. In Beiden kann man wieder diejenigen Bauten unterſcheiden,
welche den Menſchen zum Aufenthalte dienen und diejenigen, welche
Baumſtark Encyclopädie. 28
[434/0456]
ihre gegenſeitige Annäherung vermitteln. Zu jener Klaſſe ge-
hören einerſeits alle gewöhnlichen Aufenthaltsorte, als
Privathäuſer (Wohn-, Gartenhäuſer u. dgl.), Wohlthätigkeitshäuſer
(Armen-, Krankenhäuſer u. dgl.), die Zwangsaufenthaltsorte (Ge-
fängniſſe, Beſſerungs-, Strafhäuſer u. dgl.), die Häuſer für obrig-
keitliche Beſchäftigungen (Amts-, Rath-, Stadthäuſer u. dgl.),
Gebäude für Verſammlungen und Sammlungen zum Behufe des
Unterrichts und der Belehrung (Schulhäuſer, Akademien, Muſeen,
Univerſitäten, polytechniſche Schulen u. dgl.), Gebäude zur gemein-
ſchaftlichen Religionsübung (Kapellen, Kirchen, Klöſter, Synagogen
u. ſ. w.) und Häuſer für geſellige Unterhaltung (unter verſchiedenen
Benennungen, wovon aber der Name Muſeum der unpaſſendſte iſt)
— anderſeits aber die Gewerbsbaulichkeiten für Bergbau,
Land- und Forſtwirthſchaft, Gewerke, Schifffahrt und Handel,
und perſönliche Dienſtgewerbe, wovon bereits im Bisherigen ein
bedeutender Theil erwähnt iſt und im Folgenden noch vorkommen
wird. Zu der anderen Klaſſe dagegen gehören alle Land- und
Waſſerſtraßen, inſoweit Leztere gebaut werden können, nebſt allen
Baulichkeiten, welche ihre Benutzung befördern und leiten.
Zweites Hauptſtück.
Werkmänniſche Betriebslehre.
§. 310. a.
Die werkmänniſche Betriebslehre hat die Aufgabe, welche auch
die bisher ſchon erwähnten Betriebslehren haben (§. 256. a.). Nur
ſind die Gegenſtände weit manchfaltiger und ihre Darſtellung in
der Encyclopädie wird daher auch allgemeiner ausfallen, als bei
den andern.
I. Von allgemeinen Bedürfniſſen des werkmänniſchen
Betriebes.
§. 311.
1) Naturmittel.
Die Erforderniſſe zu dem Betriebe der Gewerke1) ſind in
qualitativer und quantitativer Hinſicht nach der Natur der Lezteren
ſehr verſchieden. Sie laſſen ſich aber unter folgenden allgemeinen
Rubriken aufführen:
1) Naturmittel. Zu dieſen gehört a) Grund und Boden,
zwar nicht zu den Zwecken, wie in den bisher betrachteten Gewer-
[435/0457]
ben, aber doch als feſte Stelle, auf welcher das Gewerk betrieben
werden kann. Es gibt Gewerke, welche mehr als andere an Grund
und Boden gebunden ſind, zum Theile, weil die größere Ausdeh-
nung der Gewerksanſtalten es verlangt, zum Theile, weil er an
ſich in manchen Gewerken unumgänglich nothwendig iſt2). Es
iſt daher leicht begreiflich, daß ſeine Eigenſchaften nicht blos für
die zu errichtenden Bauten, ſondern auch zur Unterſtützung des
Betriebes von größter Wichtigkeit ſind, und zwar ſowohl in Betreff
ſeiner phyſiſchen Beſchaffenheit als auch ſeiner klimatiſchen Lage.
Dies Lezte zeigt ſich ſchon in dem zweiten hierher gehörenden
Naturmittel, nämlich in der b) Luft, von welcher einerſeits der
Geſundheitszuſtand der beſchäftigten Arbeiter um ſo mehr abhängt,
in je größerer Anzahl ſie zugegen und bei einander ſind, — von
welcher aber anderſeits der Gewerbsbetrieb weſentlich inſoweit
unterſtützt wird, als das Gewerk ihrer zur Bewegung der Maſchi-
nerie (mechaniſch) und zu chemiſchen Stoffveränderungen bedarf3).
In lezteren beiden Eigenſchaften wird ſie daher dort entbehrlich
ſein, wo die Bewegung auf andere Weiſe bewirkt und chemiſche
Stoffveränderung durch künſtliche Mittel hervorgebracht wird oder
aber in dem Gewerke gar nicht vorkommt4). Als bewegende Kraft
iſt ſie entbehrlich, wo man das dritte Naturmittel, nämlich c) das
Waſſer in hinreichender Menge, gehöriger Lage und erforderlichem
Gefälle hat. Aber die Gewerke, welche der größten mechaniſchen
Kraft bedürfen, ſind in einem, früher nicht geahnten, Stand der
Ungebundenheit durch die Erfindung der Dampfmaſchinen geſetzt
worden. Iſt durch dieſe übrigens auch Luft und Waſſer an ſich
als bewegendes Moment entbehrlich geworden, ſo bedürfen dennoch
viele Gewerke des Lezteren zu chemiſchen Zwecken, und es iſt durch-
aus in dieſer Hinſicht nicht gleichgiltig, welche Eigenſchaften das
Waſſer beſitzt5). Bei der Anlage eines Gewerkes iſt alſo, je nach
ſeiner chemiſchen oder mechaniſchen Natur, die Unterſuchung der
Gegend nach dieſen Punkten vorauszuſchicken.
¹⁾ Zur Literatur: Geyer, über den Haushalt in der Technik. Würzburg
1820. Ch. Babbage, On the Economy of Machinery and Manufactures. London
1832. IIIte Aufl. 1833. Ueberſetzung nach der IIten und IIIten vermehrten Auf-
lage, unter dem Titel: Ueber Maſchinen- und Fabrikenweſen von Ch. Babbage,
aus dem Engl. überſetzt von Dr. G. Friedenberg. Berlin 1833.
²⁾ Zu einem Fabriksgebäude, zum Hüttenweſen, zu einer Sägemühle u. dgl.
hat man einen größeren Platz nöthig, als zu dem Geſchäfte eines Schuſters, Schnei-
ders einer Näherin, Putzmacherin u. dgl. Zu einer Bleiche iſt ein ſonniger
Gartenplatz unentbehrlich, der Gerber bedarf eines Hofraumes zur Anlage der
Lohgruben, u. dgl.
³⁾ Windmühlen können ohne Wind nicht mahlen, walken, ſtampfen u. ſ. w.
Die Raſenbleiche iſt ohne ſonnige Luft nicht möglich.
28 *
[436/0458]
⁴⁾ Die Luft, welche der Schmied, die Meſſingfabrik, der Schmelzofen u. dgl.
zur Erhaltung des Feuers bedarf, wirkt blos chemiſch und kann in der dazu erfor-
derlichen Menge allenthalben benutzt werden. Die Feuerdarre des Malzes hat die
Luftdarre entbehrlich gemacht, und die Chlorbleiche bedarf weder des Platzes noch
der Luft, welche die Raſenbleiche verlangt.
⁵⁾ Nicht jedes Waſſer iſt zum Waſchen zu gebrauchen, weil ſich die Seife nicht
in jedem gut auflöst. Waſſer von vielem Eiſengehalte iſt auch nicht in jedem Gewerke
zu gebrauchen.
§. 312.
Fortſetzung. 2) Verkehrsmittel; 3) Arbeiter; 4) Capital;
5) Gewerbsfreiheit.
2) Verkehrsmittel. Da die Gewerke mehr als jedes andere
der bisher betrachteten Gewerbe auf die Nachfrage hin produciren,
welche nach dem Erzeugniſſe von den Gebrauchern geſchieht und
Statt finden kann, ſo gilt von ihnen, was die Verkehrsmittel
anbelangt, in noch höherem Grade, was ſchon oben (§. 120. 208.)
darüber geſagt iſt1).
3) Tüchtige und ſachverſtändige Arbeiter, in hinreichen-
der Anzahl (§. 67 u. 68.) Da zu den Gewerksarbeiten weit mehr
Geſchicklichkeit als zu den andern gehört, ſo ſind die geſchickten
Arbeiter auch ſeltener. In den ſämmtlichen Gewerken erfordern
aber einige Arbeiten wieder mehr Kenntniſſe und Fertigkeit als
andere; deßhalb wird man auch eine Rangordnung unter den
Arbeitern finden, welche auf den zu bezahlenden Lohn und auf die
Behandlung derſelben wirkt. Es wird alſo hierdurch eine Theilung
der Arbeiten ſchon von ſelbſt nöthig, aber ſie muß auch darum in
Gewerken, worin mit einem Gegenſtande viele Operationen vor-
genommen werden, eingeführt werden, weil die Arbeit dadurch
raſcher vor ſich geht, und die Producte nicht blos leichter nach
ihrer Güte controlirt werden können, ſondern auch wirklich beſſer
ausfallen müſſen, wenn Einer durch anhaltende Beſchäftigung mit
einer Verarbeitung darin eine größere Geſchicklichkeit bekommt,
als wenn er in derſelben Zeit verſchiedene Verrichtungen zu vol-
lenden hat2).
4) Zureichendes Capital. Zu dem werkmänniſchen Capi-
tale ſind zu rechnen: a) die Rohſtoffe (das rohe Material),
worunter man die Verwandlungsſtoffe (§. 269.) verſteht, ſelbſt
wenn ſie ſchon vorher zu einem gewiſſen Grade verarbeitet ſind3).
Von ihrer Güte, Wohlfeilheit und ihrem Vorrathe hängt der vor-
theilhafte Betrieb des Gewerkes auch ab, wenn in dem zu ver-
langenden Preiſe die Fabricationskoſten jene des rohen Materials
weit überſteigen. b) Die Hilfsſtoffe, von welchen daſſelbe gilt;
[437/0459]
c) die werkmänniſchen Geräthe (§. 270–277.) der verſchie-
denſten Art4); d) die bereits gefertigten Producte, welche
bis zu ihrem Abſatze aufbewahrt werden (§. 279.); e) das etwa
angewendete Arbeitsvieh bei Maſchinen, für Karren, Wagen
u. ſ. w.; f) die Werkgebäude und Magazine für die Ver-
wandlungsſtoffe, Hilfsſtoffe und fertigen Erzeugniſſe; g) die Re-
paraturkoſten der Geräthe, Viehgeſchirre und Bauten; h) der
Arbeitslohn und die übrigen Gewerksauslagen in Natur und
Geld; i) die manchfachen Gerechtſame des Gewerkes, welche
den Ertrag erhöhen.
5) Freiheit des Betriebes. Außer mancherlei Beſchrän-
kungen grund- und leibherrlicher, oder politiſcher Natur iſt das
Zunftweſen die wichtigſte, d. h. das Beſtehen und die Eigen-
thümlichkeiten der Geſellſchaften, die, ſich unter einem gemeinſamen
Statute haltend, jedes Nichtmitglied von der Ausübung des be-
ſtimmten Gewerkes innerhalb der Grenzen ihres Aufenthaltes ab-
halten. Dieſe Vereine nennt man Zünfte, Innungen, Gülden,
und ihre ordentlichen Mitglieder Meiſter, deren Anzahl man in
dem Orte der Zunft auf ein Beſtimmtes beſchränkte, um den
vorhandenen den Abſatz zu ſichern. Man nennt ſolche Zünfte ge-
ſchloſſene, und diejenigen, welche dieſe Beſchränkung nicht haben,
freie. Ehe man Meiſter werden kann, muß man, wenn die ehe-
liche Geburt und das erforderliche Alter nachgewieſen iſt, gewiſſe
Jahre in der Lehre (Lehrjunge) geweſen, dann förmlich ledig
geſprochen (als Geſelle entlaſſen), und als ſolcher die beſtimmte
Jahresanzahl auf der Wanderſchaft (an fremden Orten, im
Auslande) geweſen ſein. Hat man dieſe Forderungen auch zur
Genüge erfüllt, ſo iſt man noch einer Menge von Plackereien und
Perſönlichkeiten ausgeſetzt, ehe man wirklich das Meiſterrecht
erhält, wenn nämlich in geſchloſſenen Zünften eine Meiſterſtelle
frei, das Meiſterſtück gemacht (eine eigene Probearbeit geliefert)
und die Gelder zur Abhaltung der dabei ſtatthaften Zunftfeſtlich-
keiten bereitgeſtellt ſind. Wer das Gewerk ohne erlangtes Meiſter-
recht übt (der Pfuſcher, Pön- oder Böhnhaſe), der wird
verfolgt. Dies alles zeigt, daß, wer ſich gewerklich irgendwo nie-
derlaſſen will, viele Beſchränkungen durch den Zunftzwang leidet,
aber nach ſeinem Eintritte in die Zunft durch denſelben um ſo
mehr Gewerbsvortheile empfängt, je ausgedehnter er ſich die
Kundſchaft macht.
¹⁾ Abſatz, und folglich Leichtigkeit und Wohlfeilheit des Transportes ſind in
dieſer Hinſicht die wichtigſten Punkte, nach denen man ſich umſehen muß, ehe man
einen Gewerksbetrieb anlegt, pachtet oder ankauft. Allein es darf nicht vergeſſen
[438/0460]
¹⁾ werden: a) daß durch die Errichtung von Gewerksanſtalten, ſelbſt wenn bisher in
der Gegend keines jener Erforderniſſe im gehörigen Maaße vorhanden war, ſich der
Abſatz dahin ziehen und eine Verbeſſerung der Transportmittel um die andere er-
folgen kann, und zwar um ſo mehr, je mehr es Andere für angemeſſen halten,
ſich auch daſelbſt niederzulaſſen oder mit dem rohen Materiale zum Verkaufe einzu-
finden. Kann nun dergeſtalt ein heilſamer Zuſammenfluß von Händlern und Ge-
werksleuten entſtehen, ſo iſt aber ferner immer zu bedenken: b) daß auch eine
Ueberfüllung des Marktes (engl. Overtrading) Statt finden kann, entweder mit
rohem Materiale oder mit fertigen Producten. Im erſten Falle können die Ge-
werksunternehmer durch den ſinkenden Preis gewinnen, im zweiten aber verlieren.
In beiden Fällen werden die Händler mit dem rohen Materiale in Nachtheil kom-
men, weil ſie im Erſteren an ſich einen niedrigen Preis erhalten, im Zweiten aber
der Gefahr ausgeſetzt ſind, zufolge der Einſchränkungen, welche die Gewerksunter-
nehmer im Betriebe eintreten laſſen, wenig oder nichts abzuſetzen. Beides iſt hier
der Erwähnung werth, weil manches rohe Material für ein Gewerk ſchon das
Product eines andern iſt. Für beide Theile ſind aber Commiſſionshändler,
die die Mittelsmänner machen, von Wichtigkeit, indem ſie eine Ausgleichung be-
wirken. England und Amerika geben einem Jeden zur Beſtätigung dieſer Sätze
viele Beiſpiele. Babbage, über Maſchinenweſen S. 232. 239. oder 23tes und
24tes Kapitel.
²⁾ Das Verhältniß zwiſchen den Arbeitern und Gewerksunternehmern iſt, wie
die neueſten Erfahrungen an den Arbeiterunruhen zeigen, außerordentlich wichtig.
Die Meinung der Unternehmer, daß ihr Vortheil ſich nicht mit jenem der Arbeiter
vertrage, und die Anſicht der Lezteren, daß jeder Vortheil des Herrn ſie beeinträch-
tige, ſind beide gleich unrichtig. Denn das natürliche Verhältniß zwiſchen beiden
iſt, daß der Arbeiter im Verhältniſſe ſeiner Arbeit an dem Vortheile, den das
fertige Product gewährt, ſeinen verhältnißmäßigen Antheil anzuſprechen hat. Allein
in der Wirklichkeit erſieht man bald a) daß der dem Arbeiter zukommende ſelbſt
verhältnißmäßige Vortheil (Arbeitslohn) nicht hinreicht, ihn zu erhalten; b) daß
die Herrn den Arbeitern nicht den wirklichen verdienten verhältnißmäßigen Lohn
bezahlen; c) daß die Arbeiter ihrerſeits auch von den Brodherrn mehr verlangen,
als dieſe ihnen ſchuldig ſind oder ohne Nachtheil zu bezahlen vermögen. Der erſte
Fall findet ſeinen Grund in dem geringen Gewinnſte, welchen das Gewerk abwirft
und welcher, da er ein Mißverhältniß zwiſchen Einnahmen und Ausgaben iſt,
ſowohl vom zu geringen Abſatze und Preiſe der Producte (Note 1.), als auch von
dem zu hohen Preiſe des rohen Materials und andern Koſten herrühren kann. Es
erfolgt dann in der Regel die Entlaſſung einer Anzahl von Arbeitern durch gegen-
ſeitige Aufkündigung, oder auch nicht ſelten zufolge anhaltenden Nachſinnens der
Gewerksunternehmer eine techniſche Verbeſſerung, welche eine beſtimmte Anzahl von
Arbeitern entbehrlich macht. Der zweite Fall iſt entweder die Folge einer zu
großen Concurrenz der Arbeiter, die den Arbeitslohn herabdrückt oder anderer
äußerer Zwangsumſtände, welche der Brodherr oft unedlerweiſe benutzt, um den
Lohn zu verringern, in der Vorausſicht, daß die Arbeiter ſich nicht anders zu helfen
wiſſen, als indem ſie den niedern Lohn ſich gefallen laſſen. Beſonders entſtehen
öfters gegenſeitige Verbindungen der Unternehmer zu ſolchen menſchen-
feindlichen Abſichten. Möchten ſie doch von einem ſo unſittlichen und ungerechten
Beginnen abſtehen, weil daſſelbe an ſich verwerflich und aber auch noch unklug iſt,
da der durch die Entrüſtung der Arbeiter möglicherweiſe entſtehende Schaden leicht
alle unrechtlich errungenen früheren Vortheile vernichten kann! Der dritte Fall
hat ſeine Urſache in dem Mißtrauen der niederen Klaſſe gegen Höhere und Reichere,
in der Noth, welche die armen Arbeiterfamilien oft ſchrecklich drückt, in dem Stre-
ben, derſelben baldigſt und reichlichſt abzuhelfen, in dem böſen Beiſpiele, das ſie
an anderen Gewerksunternehmern und Arbeitern ſehen, und in der Unſittlichkeit,
Laſterhaftigkeit, Einſichtsloſigkeit und im Starrſinne einzelner Arbeiter ſelbſt, welche
häufig noch durch ſchändliche politiſche Partheien, unter Vorſpiegelung der ſchönſten
Zukunft, angereizt werden. So entſtehen auch gegenſeitige Verbrüderungen
unter den Arbeitern, welche oft den Brodherrn, noch öfters aber den Arbeitern
ſelbſt ſchaden (ſ. II. Abſchnitt dieſes Theils). Eine gehörige rechtmäßige duldſame
[439/0461]
²⁾ wohlwollende Behandlung der Arbeiter iſt daher hier nöthiger als in jedem anderen
Gewerbe, und der Vertrag mit ihnen wird um ſo vollkommener, je mehr er bewirkt,
daß der Gewinn des Arbeiters von ſelbſt mit demjenigen, welchen das Geſchäft
abwirft, ſteigt und fällt. Denn der dadurch geſteigerte Eifer derſelben kommt dem
Unternehmer nicht weniger als ihnen zu Gute. — Muſterhaft iſt in dieſer Hinſicht
der Betrieb der königl. preuß. Gewehrfabrik zu Saarn an der Ruhr unter dem
jetzigen Beſitzer derſelben, Herrn Trenelle, organiſirt, wie ſich der Verf. durch
mehrmöchentlichen Aufenthalt daſelbſt hinreichend durch eigene Beobachtung in dem
gefährlichen Spätjahre 1830 überzeugt hat. Vorſchläge und überhaupt vieles Prak-
tiſche über dieſen Gegenſtand enthält Babbage a. a. O. S. 236. 249. 260. oder
26tes Kapitel.
³⁾ Babbage a. a. O. S. 164.
⁴⁾ Die Erfahrung zeigt: a) daß gerade die Einführung von Maſchinen mit
um ſo mehr Gefahr für den Unternehmer verbunden iſt, je größer die Anzahl der
dadurch brodlos gewordenen Arbeiter und je bitterer das Schickſal derſelben iſt, es
iſt daher bei dieſer verbeſſernden Maßregel eine große Behutſamkeit nothwendig;
b) daß zwar die Anzahl der Erfindungen und Verbeſſerungen in dieſer Hinſicht als
erſtaunlich groß erſcheint, aber die Summe der wirklich brauchbaren und wichtigen
äußerſt gering iſt: deßhalb muß man bei der Wahl oder bei eigenen Entwürfen
ſehr ſorgfältig und umſichtig zu Werke gehen; c) daß freilich die Maſchinen für
ſich eine erhebliche Erleichterung in der Arbeit gewähren, dagegen anderſeits aus
ihrer Anwendung leicht Schaden für den Unternehmer entſtehen kann, wenn die
Abſatzverhältniſſe nicht günſtig ſind, oder einer Veränderung entgegengehen und wenn
überhaupt die Koſten der Maſchine und die Unkoſten bei ihrer Operation unver-
hältnißmäßig groß ſind: darum muß man vor ihrer Einführung alle jene Combi-
nationen und Berechnungen anſtellen, und namentlich bei der Anſchaffung neu
erfundener und conſtruirter Maſchinerien nicht zu voreilig ſein, da die zuerſt erbauten
immer theurer und unvollkommener als die folgenden ſind; d) daß es Fälle gibt,
wo die Anſchaffung von Maſchinen ſchon nach der Natur der Sache keine Vortheile
gewähren wird und ſich dieſelben blos für ſolche Arbeiten eigentlich empfehlen, durch
welche eine ſehr große Menge ganz vollkommen gleicher Producte geliefert oder aber
auch nur eine ganz geringe Anzahl, jedoch dieſe in höchſter mathemathiſcher Ge-
nauigkeit geſchaffen werden ſoll: man muß folglich den ergriffenen Productionszweig
nach dieſen Eigenheiten unterſuchen, ehe man eine Maſchine anſchafft; e) daß die
Maſchinen von verſchiedener Dauer ſind, welche mit berechnet werden muß, ehe
jene eingeführt werden: Da ſie nun von der uranfänglichen Conſtruction, von der
Sorgfalt bei ihrer Benutzung und von der geringen Maſſe, dem Stoffe und der
regelmäßigen geordneten Geſchwindigkeit derjenigen Theile abhängt, welche die Kraft
empfangen, fortbewegen und auf den Gegenſtand äußern, ſo ſind es auch dieſe
Momente, welche dabei einer beſonderen Beachtung bedürfen. S. Babbage a. a. O.
S. 273. 283. 300. oder 27–29tes Kapitel
II. Von der Organiſation des werkmänniſchen Betriebes.
§. 313.
Man hat auch hier die bereits oben (§. 209. 129.) erwähnten
Arten der Bewirthſchaftung, nämlich die Selbſtverwaltung,
Verpachtung und Verleihung, und ihre Vor- und Nachtheile
ſtehen im Allgemeinen auch unter denſelben Geſichtspunkten. Es
iſt aber leicht einzuſehen, daß die beiden lezteren Arten derſelben
nur bei ſolchen Gewerkseinrichtungen Statt finden können, wo in
Gebäuden und Maſchinerien ein bedeutendes Capital vorhanden
und nöthig iſt, während ſie bei ſolchen nicht wohl thunlich ſind,
[440/0462]
wo die Production von körperlicher Fertigkeit, überhaupt perſön-
licher Geſchicklichkeit, die nur von einfachen Werkzeugen unterſtützt
wird, abhängt. Wer aber den Betrieb, unter was auch immer
für einem Rechtstitel, übernommen hat, der wird um ſo weniger
das Geſchäft ohne Verwalter, Werkmeiſter, Factoren u. dgl.
führen können, je ausgedehnter und zuſammengeſetzter daſſelbe iſt.
III. Von der Leitung des werkmänniſchen Betriebes.
§. 314.
1) Verſuche. 2) Betriebsarten. 3) Inventarium.
Auch hierbei bezieht ſich die Sorgfalt, von welcher der gute
Gang des Gewerkes abhängt, auf folgende Momente:
1) Wahl und Betrieb der Verſuche. Das Feld für dieſe
iſt bei den Gewerken unbegrenzt, aber auch bei jedem beſonderen
Zweige ſo eigenthümlich und manchfach, daß überhaupt, und am
meiſten nach dem Zwecke der encyclopädiſchen Darſtellung, blos
allgemeine Andeutungen thunlich ſind, da man ſelbſt im Einzelnen
nur Aphorismen geben kann1). Man ſieht dies bei der Bemerkung
ſogleich ein, daß ſich die Verſuche auf folgende Punkte beziehen
können: a) auf die Etablirung einer beſtimmten Art von Gewer-
ken2), und, wenn dieſe Wahl getroffen iſt und das Gewerk be-
trieben wird, b) auf die Wahl des zu verarbeitenden rohen Ma-
terials (§. 269.), c) auf jene des einzuſchlagenden mechaniſchen
und chemiſchen Verfahrens, d) auf die Wahl und Verbeſſerung
der Werkzeuge, Maſchinen und chemiſchen Geräthe, e) auf die
Appretur und zweckdienlichſte Aufbewahrung der fertigen Producte.
Je ſubtiler die Verſuchsoperationen ſind, um ſo mehr Sorgfalt in
der Anſtellung und um ſo ſchärfere Beobachtung wird erfordert;
je größer aber der Aufwand dafür iſt und folglich der Verluſt ſein
kann, deſto nothwendiger iſt die Vorausberechnung auf möglichſt
ſichere Angaben und Erfahrungen3).
2) Wahl und Leitung der Betriebsart. Die oben
(§. 210. 2) angegebene allgemeine Regel iſt auch hier, nur bei
Veränderung der Sache, von der größten, noch größerer Wichtig-
keit, als dort, weil, namentlich in großen Etabliſſements, die
Operationen weit manchfacher ſind und darum die Arbeitstheilung
weit nothwendiger iſt. Es liegt aber in der Natur der Sache,
daß der Grad jener Wichtigkeit und dieſer Nothwendigkeit von der
Betriebsart beſtimmt wird. Man unterſcheidet nämlich die Hand-
werke einerſeits und die Fabriken und Manufakturen ander-
ſeits. Das Charakteriſtiſche der Erſteren iſt das Verfertigen,
[441/0463]
d. h. das veredelnde Verarbeiten des rohen Materials zu Gewerks-
producten im Kleinen, mit Werkzeugen einfacher Conſtruktion,
durch den Gewerksunternehmer ſelbſt im Vereine mit einigen Ge-
hilfen ohne Arbeitstheilung. Das Eigenthümliche der beiden
Lezteren iſt das Fabriziren, d. h. ein ſolches Verarbeiten jener
Rohſtoffe im Großen, unter Anwendung von Werkzeugen und
Maſchinen, durch Arbeiter verſchiedener Klaſſen und Grade bei
einer Arbeitstheilung im Einzelnen unter Direction des Unter-
nehmers, Werkmeiſters, Faktors u. dgl., welche aber nicht ſelbſt
mitarbeiten. Die Natur des Gewerkes und der Abſatz iſt es, was
zur Wahl der einen oder andern Betriebsart beſtimmt, wenn die
erforderlichen Hilfsmittel und Arbeiter vorhanden ſind4). Kann
eine Manufactur oder Fabrik nach Erwägung dieſer Umſtände er-
richtet werden, ſo wird der Unternehmer beſonders darum vor dem
Handwerker Vortheile voraus haben: a) weil er Arbeitstheilung
einführen kann (§. 312. 3), b) weil ihm die Einführung von
Maſchinen möglich iſt, und c) weil die Ausdehnung und der Ge-
winn ſeines Gewerkes ihm theils gebietet, theils erlaubt, ſich
wiſſenſchaftliche Bildung zu verſchaffen und die neuen Erfindungen,
ſeien ſie von ihm oder von Anderen, in ſeinem Gewerke anzuwenden.
3) Inventarium. Weder die Verſuche, noch der Betrieb
vermögen ihren gehörigen Gang zu gehen, wenn der Unternehmer
nicht einen vollſtändigen Ueberblick über ſeine materiellen Hilfs-
mittel hat (§. 311. u. 312.). Dieſen gewährt das Inventarium,
d. h. die ſchriftliche Aufzählung und Beſchreibung des an materi-
ellen Hilfsmitteln zum Betriebe Vorfindlichen (invenire). Eine
Vergleichung des Inventariums mit dem zum ferneren Betriebe
Erforderlichen wird zeigen, ob und was zu viel oder zu wenig
vorhanden und was im lezten Falle noch anzuſchaffen iſt (Super-
inventarium).
¹⁾ Sehr vieles enthält auf dieſe Weiſe die angef. Schrift von Babbage.
²⁾ Die Wahrſcheinlichkeit des Verbrauchs der zu liefernden Producte und des
darnach ſich richtenden Abſatzes im Vergleiche mit dem Vorhandenſein der zum
Gewerksbetriebe ſonſt noch nöthigen Bedürfniſſe (§. 311.), die aber bei jeder Ge-
werksart wieder anders ſind, gibt die Entſcheidung. Babbage a. a. O. S. 251.
oder 25tes Kapitel.
³⁾ Z. B. bei der Einführung von Maſchinen iſt die Berechnung der Hinderniſſe
ihres Ganges, welche in den Stoffen liegen, aus denen ſie verfertigt werden, —
jene der Hemmung, die die Maſchinen durch die Verbindungstheile, z. B. Seile,
Räderwerk, erleiden, — die Fertigung von Zeichnungen davon mit größter Ge-
nauigkeit, — die Ermittelung der wahrſcheinlichen Dauer der Maſchinen, der
Reparaturen, der vorauszuſehenden Verbeſſerungen u. dgl. von äußerſter Wichtigkeit.
S. Babbage a. a. O. S. 272. 300. oder 27s u. 29s Kap.
⁴⁾ S. auch Babbage a. a. O. S. 116. oder 13tes Kap. Rau politiſche
Oeconomie. I. §. 399.
[442/0464]
IV. Von der werkmänniſchen Betriebswirthſchaft.
§. 315.
1) Werkmänniſche Betriebsausgaben.
Die Gewerksausgaben ſind blos Entäußerungen des Betriebs-
kapitals und beziehen ſich auf folgende Punkte:
a) Auf etwaige vom Gewerke geforderte Verbeſſerungen
des Bodens und die Faſſung des Waſſers, wenn es als wir-
kende mechaniſche Kraft benutzt wird1). Die Luft kann hier nicht
erwähnt werden, weil ihre Wirkung auf die Maſchinen oder bei
chemiſchen Zwecken ohne Faſſung unmittelbar wirkt.
b) Auf Unterhaltung und Anſchaffung des ſtehenden Capi-
tals an Gewerksgebäuden, Geräthſchaften, Arbeitsthieren ſammt
Geſchirr, Gerechtſamen und Hausrath, inſoweit er für die Ge-
werksleute gebraucht wird, — und des umlaufenden Capitals
an Verwandlungs- und Hilfsſtoffen, fertigen Productenvorräthen
und Geld.
c) Für Beſoldung, Löhnung und Unterhaltung der
Verwalter, Werkmeiſter, Faktoren und Arbeiter. Dieſe iſt von
Bedeutung und die Wahl des Syſtems iſt namentlich bei Lezteren,
ſowohl was den Vortheil, die Sicherheit vor den Ausbrüchen ihrer
Wuth, als die Humanität anbelangt, einer der wichtigſten Punkte.
Die oben (§. 68.) hierfür angegebenen Syſteme ſind nicht, ein
jedes für ſich, überall anwendbar. Die Verbindung der Natural-
pflegung mit dem Geldlohne iſt bei den Handwerken anwendbar.
In großen Fabriken aber iſt ſie unausführbar, da die Menge der
Arbeiter zu groß iſt und dieſe öfters Familie haben. Man hat
daher hier nur das Geldſyſtem und aber auch als ein ſchauer-
liches Beiſpiel des Fabrikanteneigennutzes das Tauſchſyſtem,
d. h. die Löhnung der Arbeiter mit Artikeln, die ſie verbrauchen2).
Da kein Zweifel darüber ſein kann, daß die Löhnung im Gelde
dieſem lezteren Syſteme weit vorzuziehen iſt, ſo entſteht nur die
Frage, ob der Tage- und Wochenlohn dem Stücklohne, oder
dieſer jenem vorzuziehen ſei. Es iſt jedoch nach den im angeführten
Paragraphen gegebenen Prinzipien leicht einzuſehen, daß in einer
großen Fabrik bei gehöriger Arbeitstheilung der Stücklohn das
Räthlichſte iſt. Denn es kann und muß ſogar eine Commiſſion zur
Prüfung und Stempelung der gelieferten Producte jedes Arbeiters
vorhanden ſein und es hängt in dieſem Falle von dem Fleiße und
der Kunſt des Arbeiters ab, wie viel er verdient3). Uebrigens
[443/0465]
müſſen ſowohl wegen dieſes Umſtandes als auch wegen des ganzen
Betriebes die Koſten jedes Prozeſſes berechnet ſein4).
¹⁾ Z. B. die Gerinne bei ober- und unterſchlächtigen Rädern. Sie könnten
zwar auch als Theile der Gewerksbäulichkeiten angeſehen werden: allein ſie ſind, da
ſie blos die Richtung des Waſſers verbeſſern und ſeinen Seitendruck unſchädlich
machen ſollen, doch anders zu betrachten, als z. B. die Windflügel oder das Waſſer-
rad ſelbſt, das zur Maſchine gehört, und als die Gewerksgebäude, die entweder
Werkſtätten oder Magazine ſind.
²⁾ Babbage a. a. O. S. 325 im 30ten Kapitel. Die Arbeiter bekommen
von ihren Herren, die öfters deßhalb einen kleinen Kramladen halten, um auch ſo
noch den Arbeitern ihren ſchwer verdienten Lohn zu entziehen, anſtatt ihnen dadurch
Erleichterung zu gewähren, ſchlechte Waare, z. B. ſchlechten Thee, Zucker u. dgl.,
anſtatt Geld, die ihnen für gute gerechnet wird, ſo daß ſie in ſolchen Gegenden ein
erbärmliches Leben führen und, was ſie anderes als ſolche Producte genießen wollen
oder haben müſſen, ſeien dies Sachen oder Dienſte, blos auf dem Wege des Tauſches
ſich erwerben können, wobei ſie natürlicherweiſe gezwungen ſind, ihre Verbrauchs-
artikel unter ihrem Werthe hinzugeben. Der engl. Parlamentsausſchuß hat Beiſpiele
ermittelt, daß ſolche Arbeiterfamilien blos Zucker hatten, um die Arznei in der
Apotheke zu bezahlen, — daß ½ Pfd. Zehnpfennigzucker und 1 Pfennig für das
Ausziehen eines Zahnes, und Thee für den Sarg und das Grab eines verſtorbenen
Kindes gegeben wurde.
³⁾ So iſt es in der angeführten Gewehrfabrik in Saarn (§. 312. Note 2),
wo der Arbeiter das Materiale oder noch weiter zu verarbeitende Product eines
andern Arbeiters empfängt, ſich im Buche als Schuld aufſchreiben läßt und, was
er dann abliefert, als Forderung eingeſchrieben und nach den ausgemachten Preiſen,
wenn es geprüft und geſtempelt iſt, bezahlt erhält.
⁴⁾ Babbage a. a. O. S. 208 oder 21tes Kap.
§. 316.
2) Werkmänniſche Betriebseinnahmen.
Das rohe werkmänniſche Einkommen beſteht aus:
a) Naturaleinnahmen an fertigen Producten und Neben-
erzeugniſſen. Erſtere werden bis zu ihrem Verkaufe zweckmäßig
aufbewahrt, ebenſo auch Leztere, wenn nicht, was von großem
Nutzen und bei großen Fabriken ſehr wohl anwendbar iſt, noch
mit dem Gewerke andere Nutzungszweige verbunden ſind, in denen
ſie einträglich angewendet werden können1).
b) Geldeinnahmen aus dem Abſatze der Producte. Hier
trifft es ſich, daß mit der Ausdehnung des Geſchäftes alle kauf-
männiſchen Hilfsmittel ergriffen werden, um denſelben ſo vortheil-
haft als möglich zu machen, und daß ein Fabrikhaus in die Kate-
gorie der Handelshäuſer geſetzt wird, und ſo wie dieſe eine Firma,
d. h. einen Geſchäftsnamen annimmt2).
c) Einnahmen aus der Verwerthung der Haupt- und Neben-
producte in anderen mitverbundenen Gewerben.
Um den Reinertrag zu finden, werden auch die, oben (§. 314.)
erwähnten, Abzüge vom Rohertrage nothwendig.
[444/0466]
¹⁾ Z. B. die Abfälle der Brauereien und Brennereien, der Mühlen ꝛc. auf
Landgütern zum Behufe der Mäſtung, — der Abfälle in Eiſenfabriken zur Bereitung
eines ſtahlartigen Schmiedeeiſens u. ſ. w.
²⁾ Daher ſind dieſe Fabriken z. B. in der preußiſchen Geſetzgebung auch als
Handelshäuſer betrachtet.
§. 317.
3) Werkmänniſche Buchhaltung.
Bei einfachem Handwerksbetriebe genügt die einfache Buch-
haltung, bei zuſammengeſetztem und beim Fabriksbetriebe aber iſt
die doppelte nothwendig. Dieſelbe wird wie im Handelsweſen ge-
führt; jede Perſon, die mit dem Geſchäfte in Verbindung ſteht,
vom Arbeiter bis zum auswärtigen Lieferanten und Commiſſionär,
und jeder Theil des Geſchäfts bis zur Kaſſe, hat ihren beſondern
Conto (§. 79–82.). Je mehr eine Fabrik einem Handelsgeſchäfte
gleicht, deſto übereinſtimmender ſind die Haupt- und Nebenbücher
mit jenen des Lezteren, von welchen ſpäter die Rede ſein wird.
V. Von der Verfertigung werkmänniſcher Anſchläge.
§. 318.
Was für Anleitung hierüber bei andern Gewerken gegeben iſt
(§. 216. 129.), das gilt im Allgemeinen auch hier. Jedoch hat
jedes Gewerke ſein Eigenthümliches, ein Umſtand, der hier eine
nähere Erörterung unthunlich macht. Sehr erleichtert iſt das
Anſchlagsgeſchäft durch die Buchführung und durch die Erleich-
terung der Informationen nach den Ausſagen der Verwalter,
Werkmeiſter, Faktoren und Arbeiter, ſowohl über den Umfang
des Geſchäfts als auch über den Rohertrag und die Auslagen1).
¹⁾ Eine Veranſchlagung des Ertrags eines Gewerkes iſt aber mit einer Unmaſſe
von Schwierigkeiten verbunden, welche mit der Menge der einzelnen, ſämmtlich zu
erörternden, Prozeſſe, Werkzeuge, Maſchine u. ſ. w. immer noch ſteigen. Eine
kleine Anleitung, wie man Fabriken beobachten ſoll, gibt unter Andern auch
Babbage a. a. O. S. 110 oder 12tes Kap.
Dritte Abtheilung.
Umſatzgewerbs-Lehre.
Einleitung.
§. 319.
Mit Umſatzgewerbs-Lehre bezeichnet man die ſyſtematiſche
Darſtellung der Grundſätze und Regeln, wonach die Rohſtoffe und
[445/0467]
Fabrikate manchfacher Art gegen eine Vergütung zum Eigenthume
oder zur Nutzung abgetreten oder übergeben werden, um denjenigen
einen Gewinn zu verſchaffen, die zum Betriebe dieſer Geſchäfte
Güter (Capitalien) aufbewahren. Obſchon ſich ſo dieſe Wiſſenſchaft
in zwei Haupttheile, nämlich in Tauſch- und Leihgewerbslehre,
theilt (§. 42.), ſo hat dennoch die Leztere keine beſondere Literatur
erlangt, ſondern geht mit jener Hand in Hand, da die Kenntniſſe,
welche dieſelbe vorausſetzt, größtentheils weſentliche Theile der
Erſteren oder Handelslehre ſind und das Leihgeſchäft ſelbſt mit dem
Handelsgeſchäfte in Verbindung getrieben werden kann. Man kann
ſich daher füglich hier blos auf den Handel und die Handelslehre
beziehen.
Der Handel, mit Recht für die eigenthümlichſte Erſcheinung
im Leben und Treiben der Menſchen und für das Hauptmittel zur
gegenſeitigen Bildung der Völker erklärt, zeigt ſich ſchon in der
Wiege des Menſchengeſchlechtes im gegenſeitigen Austauſche, der
Beſitzthümer und bezeichnet das im Menſchen liegende Streben nach
allſeitiger Vervollkommnung. So weit die Geſchichte reicht, finden
ſich ſeine Spuren1). Die Phönizier und Karthager erregen
ſchon, nach den wenigen auf uns gekommenen Nachrichten, wegen
ihrer Schifffahrt und ihres Handels unſere Aufmerkſamkeit. Die
Griechen ſind uns als eine Nation bekannt, deren Handels- und
Schifffahrtseinrichtungen den wichtigeren Theil ihrer inneren und
äußeren Staatsverwaltung ausmachten2). Die Römer, welche,
wenn wir ihren Schriftſtellern, die auf uns gekommen ſind, trauen
dürfen3), den Handel im Kleinen ebenſo wie die Griechen für
verächtlich hielten, ſtanden aber doch mit den fernſten Gegenden der
damaligen Welt in ausgedehnter Handelsverbindung im Großen
und es iſt, wenn man nicht hohle Kriegs- und Eroberungsſucht
annehmen will, das Bedürfniß an den Producten der damaligen
Welt wohl eine Haupturſache ihrer Unterjochung der fernſten
Nationen. Jedoch abgeſehen davon, ſo bezeugen die Zolleinkünfte
des römiſchen Staates und die in entfernten Gegenden ſich auf-
haltenden römiſchen Kaufleute4) zur Genüge, daß ſeine Handels-
verbindungen ſehr ausgebreitet waren. Im Mittelalter veran-
laßten die Veränderungen in der Ländereiverfaſſung, der Zuſtand
der Landwirthſchaft, das Kirchen-, Kriegs- und das Ritterweſen
(dieſer charakteriſtiſche Beweis der eigenthümlichen Neigung der
abendländiſchen Völker nach Abentheuern), die Kreutzzüge, die
Geiſtlichkeit und der ſpätere allgemeine Wohlſtand des Bürgers im
ganzen germaniſchen Europa die örtlichen Anfänge und raſche
Ausbildung des Groß- und Kleinhandels mit ſeinen manchfachen
[446/0468]
Inſtituten, als da ſind die Börſen- und Waarenhallen, Märkte,
Meſſen, Wechſel u. dgl., welche ſchon durch ihre Exiſtenz die enge
Handelsverbindung zwiſchen den Hauptgebieten von Europa be-
zeugen5). Und die Entdeckung des Gebrauchs der Magnetnadel,
die Entdeckung von Amerika und des Weges um das Vorgebirg
der guten Hoffnung ſind der Beweiſe genug von dem Aufſchwunge
des Handels am Ende des Mittelalters, ſo daß man in die Einzel-
geſchichte des Handels der italieniſchen Freiſtaaten, Portugals,
Spaniens und Hollands hier nicht einmal näher einzugehen braucht.
Wie ſich dann England vom 16ten und beſonders 17ten Jahrhunderte
an bis auf unſere Zeit die Herrſchaft über die Meere angeeignet
hat, und ſeit der franzöſiſchen Revolution die Concurrenz der an-
dern europäiſchen Hauptſtaaten und Amerika's erregte, davon haben
wir die Beweiſe vor Augen.
Aber trotz dieſer reißenden Fortſchritte des Handels, welche
veranlaßten, daß derſelbe vom 16ten Jahrhunderte an das Prinzip
der äußeren Politik angab und ſich ein eigenes ſtaatswirthſchaft-
liches Syſtem nach den Grundſätzen des Handelsbetriebes6) bildete,
iſt doch die Handelslehre, als Wiſſenſchaft, erſt am Ende des 17ten
Jahrhunderts hervorgetreten und verdankt ihre wiſſenſchaftliche
Darſtellung erſt der neueren Zeit, nachdem A. Smith (§. 31.)
und ſeine Schüler in der Lehre vom Reichthume und vom Verkehre
der Völker die Bahn gebrochen haben7). Ihre Hilfswiſſenſchaften
ſind die Naturwiſſenſchaften, Kenntniß neuerer Sprachen,
Mathematik, Geographie, Handels-, Wechſel- und
Seerecht.
¹⁾ Zur Literatur der Geſchichte des Handels: Anderſon, Geſchichte des
Handels. Aus dem Engl. überſetzt von Bamberger. Riga 1773–79. VII Bde. 8.
S. auch §. 208. N. 1. Berghaus, Geſchichte der Schifffahrtskunde der Völker
des Alterthums. 1792. III Bde. 8. Nowack, Grundriß der Handelsgeſchichte.
Wien 1799. v. Schlötzer, Verſuch einer Geſchichte des Handels ꝛc. der Alten.
Roſtock 1761. (v. Struenſee) Beſchreibung der Handlung der europ. Nationen.
Liegnitz 1778–82. II Bde. Raynal, Histoire des Etablissements et du Commerce
des Européens dans les deux Indes. X. Tom. Haye 1780. (Im Auszuge mit den
neueren Beobachtungen der Reiſenden verglichen von la Roche. Straßburg 1788.
2te Aufl. II Bde.) A. Martini, Degli Errori di Raynal, autore della storia degli
stabilinenti e del commercio degli Europei nelle due Indie, confutati. Breseia
1788–90. II Tom. Sam. Ricard, Handbuch der Kaufleute. Aus dem Franzöſ.
I. II. Bd. von Gadebuſch, III. Bd. von Wichmann überſetzt. Leipzig 1791 bis
1801. III Bde. S. auch Briganti, Esame Economico del sistema civile. Lib. II.
Cap. III. = Economisti Classici Italiani, Parte moderna XXVIII. pag. 273.
XXIX. p. 7–218. D'Arco, Dell' Influenza del Commercio sopra i talenti e
costumi = Economisti. P. m. Tom. XXXI. v. Mylius, der Handel, in ſeinem
Einfluſſe auf die Kultur. Köln 1829. Murhard, Theorie (I.) und Politik (II)
des Handels. Theorie S. 56. v. Brederlow, Geſchichte des Handels der Oſtſee,
reiche bis zum Schluſſe des 18ten Jahrhunderts. Berlin 1820. Sartorius, Ge-
ſchichte des Urſprungs der deutſchen Hanſe. Hamburg 1830. II Bde. 4. Heeren,
[447/0469]
¹⁾ Ideen über die Politik, den Verkehr und Handel der Völker der alten Welt. Göt-
tingen 1815. IIIte Aufl. III Bde. S. auch §. 132. Note 1. Sartorius, Geſch.
des hanſeat. Bundes. Göttingen 1802–1808. III Bde.
²⁾ Bökh, Staatshaushalt der Athener. I. 50. 336.
³⁾ Cicero de Officiis. lib. I. cap. 42. Aristoteles Politic. lib. I. cap. 8–11.
⁴⁾ Die nach sallustius Bellum Jugurthinum cap. 26, als von Jugurtha in
Cirta gefangen gehaltenen Leute ſcheinen blos Kaufleute geweſen zu ſein. Julius
Caesar Comment. de Bello gall. lib. VII. cap. 3. erzählt die Ermordung römiſcher
Kaufleute zu Gennabum (Orleans) bei einem Volksauflaufe. Cicero pro lege Ma-
niliae cap. 7. gibt als Hauptgrund des Feldzuges gegen Mithridates die Schutz-
loſigkeit der Kaufleute in Kleinaſien an. S. Hegewiſch Verſ. über die römiſchen
Finanzen. S. 100. Eine von den Friedensbedingungen zwiſchen dem perſiſchen
Könige Narſes und dem römiſchen Kaiſer Galerius war, die Stadt Niſibis zum
Stapelplatze zu machen. S. Gibbon, History of the fall and decline of the Romae
Empire. Chap. XIII. (London 1820.) II 152. Ueberſetzt von Schreiter. Bd. II.
S. 426. Mengotti, Del Commercio de' Romani = Economisti class. Ital., Parte
mod. XXXVI. p. 7–249.
⁵⁾ Hüllmann, Städteweſen im Mittelalter. Bd. I. v. Raumer, Geſch
der Hohenſtaufen. V. 337.
⁶⁾ Das Handelsſyſtem, wovon Näheres in der Volkswirthſchafts-Lehre.
⁷⁾ Zur Literatur der Handelslehre: Jacques savary, Le parfait Negociant etc.
1675. 6te Aufl. Lyon 1712. II voll. 4. Neueſte Aufl. Genève 1752. 4. Jacques
savary, fils, Dictionnaire universel de Commerce, continué par son frère Louis
savary. Paris et Genève 1742. III Tom. fol. (Erſchien auch zu Kopenhagen und
Amſterdam.) Ludovici, Eröffnete Akademie der Kaufleute Leipzig 1752–1756.
V Bde. 8. Neue Ausgabe von Schedel. 1797–1801 (nach jener bearbeitet).
Th. Morlimer, Dictionary of trade and Commerce. London 1766. II Voll. fol.
Schumann, compendiöſes Handbuch für Kaufleute ꝛc. Leipzig 1795–1796. III
Bände. 8. Beckmann, Anleitung zur Handelswiſſenſchaft. 1798. May, Verſuch
einer Einleitung in die Handlungswiſſenſchaften. Gera 1799. II Bände. Jung,
Lehrbuch der Handlungswiſſenſchaft. Leipzig 1799 Boucher, La science des Négo-
cians et teneurs de Livres. Paris 1803. II Tom. 4. II. 40me Edit. (I. p. 1–322
Buchhaltung; p. 223–369 Commentar über die Handelsordnung, vom März 1763;
u. 396 sqq. Dictionnaire de Commerce. II. p. 1–20 Erklärung der üblichen
Handelsausdrücke; p. 21 Münzkunde; das folgende bis p. 460 ſind praktiſche Münz-,
Maaß-, Gewicht- und Wechſelberechnungen). Meißner, Grundriß der Privat-
und Staatshandelswiſſenſchaft. Breslau 1804. II Bände. Buſe, das Ganze der
Handlung. Erfurt 1798–1817. XVI Bde. 8. Büſch, Darſtellung der Handlung.
Hamburg 1798. IIIte Ausgabe von Normann. Hamburg 1808. II Bände. 8.
Deſſelben ſämmtliche Schriften über die Handlung, von Normann. Hamburg
1824. V Bde. 8. Deſſelben ſämmtliche Schriften. Wien 1813 folg. XVI Bde. 8.
(Immer noch ſehr gut.) Leuchs, Syſtem des Handels. Nürnberg 1823. III Bde.
8. (der IIIte Band enthält die Literatur). Bleibtreu, Lehrbuch der Handels-
wiſſenſchaft. Carlsruhe 1830. (S. Meine Recenſion über dieſes Werk in der
Leipziger Lit. Zeit. 1831. Februar. Nro. 39–43.) Murhard, Theorie und
Politik des Handels. Gottingen 1831. II Bde. 8. (Mehr nationalökonomiſch, aber
ſehr zu empfehlen.) Mac-Culloch, Ueber Handel und Handelsfreiheit. Aus dem
Engliſchen überſetzt von Gambihler. Nürnberg 1834. 8. Mac-Culloch, Dictio-
nary of Commerce and Commercial Navigation. Nach dem Engliſchen bearbeitet
von Richter. Stuttgart und Tübingen 1833. Bis jetzt Ite Lieferung von S. 1
bis 320, es ſollen noch III Lieferungen kommen und dann wird das Werk II Bde.
ſtark ſein (ausgezeichnet gut). S. auch Belloni, sopra il Commercia. (Bologna
1750.) = Economisti class. Ital., P. mod. Tom II. Deutſch von Schumann.
Leipzig 1752.
[448/0470]
Erſtes Hauptſtück.
Umſatz-Gewerbslehre.
§. 319. a.
Die Umſatz-Gewerbslehre iſt derjenige Theil der Umſatz-
gewerbs-Lehre, welcher die Grundſätze und Regeln darſtellt, wo-
nach man bei den einzelnen Geſchäften des Handels und Leihweſens
zu verfahren hat, ohne an das Zuſammenhalten derſelben in einem
gewinnbringenden Gewerbe zu denken. Sie zerfällt (§. 319.) in
die Tauſchgewerbs- oder Handels- und in die Leihgewerbs-
lehre; wovon eine Jede aus den mehrmals angegebenen Gründen
ſich in einen allgemeinen und beſonderen Theil zertheilt.
Erſter Abſatz.
Die Handelslehre.
Erſtes Stück.
Allgemeine Handelslehre.
§. 320.
Die Handelslehre iſt die Wiſſenſchaft vom Handel, d. h.
von dem des Gewinnes wegen betriebenen Gewerbe der eigenthüm-
lichen Güterübertragung zwiſchen den Hervorbringern und Ge-
brauchern1). Da die allgemeine Handelslehre diejenigen Grund-
ſätze und Regeln entwickelt, welche allen verſchiedenen Handels-
zweigen zugleich angehören, ſo iſt es ſehr natürlich, daß ſie von
den verſchiedenen Gegenſtänden des Handels und ihren Verhältniſſen
handeln muß. Es hat aber bei jedem Handelsgeſchäfte ein Tauſch
Statt, und muß folglich dabei eine Gabe und eine Gegengabe
vorkommen, welche den Gegenſtand des Handels bilden.
¹⁾ Der Begriff von Handel iſt mehr unrichtig als richtig aufgefaßt worden.
Leuchs (Syſtem. I. §. 1–6.) begnügt ſich, nachdem er den Standpunkt der
Handelsleute in der bürgerlichen Geſellſchaft weit bezeichnet hat, ihn für den Umſatz
der Waaren im Allgemeinen zu erklären; Murhard (Theorie. S. 3–7.) ſucht
das Weſen deſſelben im Werthumtauſche, unterſcheidet dann den Handel im weiteren
und engeren Sinne, und findet als Charakteriſtiſches des Lezteren den durch das
Tauſchgeſchäft bezweckten Gewinnſt. Was Jener Handel und Dieſer Handel im
weiteren Sinne nennt, iſt blos der Verkehr mit äußeren ſachlichen Gütern (§. 37.)
und beide Benennungen ſind vom Sprachgebrauche nicht gebilligt, welcher für alle
ähnliche Begriffe Wörter hat. Unter Tauſch verſteht man blos die des erwünſchten
Beſitzes willen vorgenommene gegenſeitige Abtretung von äußeren ſachlichen Gütern,
wie ſie in Völkern unter den Einzelnen vorkommt, wo ſich die Gewerbsſtände noch
keineswegs geſchieden zu haben brauchen. Dieſe Art des Verkehres heißt Tauſch-
verkehr. Beim Begriffe von Handel iſt aber das Merkmal weſentlich: a) daß
zufolge der Scheidung der Arbeit oder Gewerbe der Tauſchverkehr von einer beſtimmten
[449/0471]
¹⁾ Gewerbsklaſſe betrieben wird; b) daß alſo dieſe die ſachlichen Güter eintauſcht, um
ſie wieder zu vertauſchen; c) und daß dieſes Tauſchgeſchäft ein für ſich beſtehendes
Gewerbe (§. 45) iſt, das der Gewerbsmann des Gewinnes willen betreibt.
Daher iſt Murhard's Handel im engeren Sinne der eigentliche Handel. (S. auch
Büſch Darſtellung [Ausgabe von Norrmann]. I. S. 3. Meine Recenſion von
Bleibtreu. S. 308.) Man hat jedoch auch das Weſen des Handels ſchon im
Gebrauche des Geldes geſucht; allein mit eben ſo viel Unrecht, weil das Geld
auch nur ein ſachliches Tauſchgut iſt, und in vielen Fällen des Handels gar nicht
wirklich ausbezahlt wird, indem man blos barattirt, d. h. Gut gegen Gut aus-
tauſcht und blos eine Vergleichung des Geldwerthes derſelben vornimmt (Büſch
Darſtellung. I. 185.). Das Hinzukommen des Geldes zum Tauſche bildet blos den
neuen Begriff des Kaufes, deſſen Hauptbeziehungen der Ein- und Verkauf ſind,
ebenſo wie man beim Tauſche den Ein- und Austauſch unterſcheidet. Eine
Handlung iſt ein gewerbsmäßig betriebenes Handelsgeſchäft.
Erſte Unterabtheilung.
Die Lehre von der Gabe im Handel.
§. 320. a.
Jedes bewegliche ſachliche Gut wird, ſobald es in den Handel
tritt, eine Waare genannt. Es muß alſo ſo vielerlei Waaren
geben, als es in den Handel tretende Güter jener Art gibt. Sie
laſſen ſich unter drei Hauptmaſſen zuſammenfaſſen; die Waaren
ſind entweder Erzeugniſſe des Gewerbsfleißes jeder Art (Waaren
im engeren Sinne) oder Geld, oder ſchriftliche Urkunden, welche
das Verſprechen einer Schuldigkeit oder Zahlung an Geld enthalten.
I. Von den Waaren.
A. Waarenlehre.
§. 321.
Unter Waarenlehre1) verſteht man die Lehre von den allge-
meinen Eigenſchaften und Erforderniſſen, welche ein Erzeugniß des
Gewerbsfleißes haben muß, wenn es überhaupt Waare werden
ſoll, und von denjenigen Beziehungen, welche ſich im Allgemeinen
beim Handel an jede Waare knüpfen laſſen. Der Gegenſtand der-
ſelben ſind alſo die qualitativen und quantitativen Verhältniſſe der
Waaren im Allgemeinen.
¹⁾ Büſch Darſtellung. I. 121. Murhard Theorie. S. 21.
§. 322.
1) Die Handelswürdigkeit.
Die qualitativen Eigenſchaften eines Gewerbserzeugniſſes, um
Waare werden zu können, laſſen ſich am beſten in einem Worte
Baumſtark Encyclopädie. 29
[450/0472]
mit Handelswürdigkeit bezeichnen. Damit ein Gut handels-
würdig ſei, iſt erforderlich: a) daß daſſelbe überhaupt zu irgend
einem Zwecke dienlich ſei1); b) daß ein Hinderniß vorhanden ſei,
weßwegen es ſich nicht in Jedermanns Beſitze befindet oder nicht
von Jedermann ohne Mühe und Koſten erlangt werden kann;
c) daß es einen gewiſſen Grad von Dauerhaftigkeit habe; d) daß
es verſendet werden könne2). Denn ohne dieſe Verhältniſſe wird
es ganz unnöthig ſein und keinen Gewinn bringen, dieſe Güter
zu kaufen, um ſie wieder zu verkaufen.
¹⁾ D. h. einen Gebrauchswerth habe (§. 39–57.), weil es entweder ein
wirkliches oder nur vermeintliches Bedürfniß befriedigt (§. 46–49.). Der Werth
iſt alſo eine Urſache der Handelswürdigkeit (ſ. Meine Verſuche über Staatskredit.
S. 467.). In dieſer beſteht der Werth einer Waare für den Handelsmann.
Murhard (Theorie. S. 25–27.) unterſcheidet in dieſer Hinſicht, wie es Storch
(Cours d'Economie politique, überſetzt von Rau. I. 27.) vor ihm ſchon gethan
hat, einen unmittelbaren und mittelbaren Werth, je nachdem ein Gut an
ſich oder, indem es andere Güter zu ſchaffen im Stande iſt, Zwecke erfüllt. Allein,
wie er ſelbſt zugibt, läßt ſich dieſe Unterſcheidung weder objectiv noch ſubjectiv
durchführen, weil beide in einem Gute vorhanden ſind, ſobald es in den Handel
kommt. Es gibt aber eine unmittelbare und eine mittelbare Nutzung (§. 39.).
²⁾ Daher können einzelne Erd- und Felsarten, niemals aber Grundſtücke,
Felsparthien und Gebäude Waaren werden; und Rau (polit. Oekonomie. I.
§. 99.) dürfte den Begriff des Handels mit Unrecht zu weit ausgedehnt haben, da
er auch Grundſtücke als deſſen Gegenſtände bezeichnet. Unbewegliche Gegenſtände
können Gegenſtände des Tauſches, Kaufes und Verkaufes ſein, aber nicht eigentliche
Waaren, obſchon man Beiſpiele von Domänenkauf auf Speculation hat.
§. 323.
2) Maaß und Gewicht. a) Maaße.
Die quantitativen Beziehungen der Waaren ſind von großer
Wichtigkeit im Handel, und zeigen ſich entweder in der Ausdeh-
nung der Waaren im Raume (Maaß) oder in der Ausfüllung des
Raumes nach der Maſſe (Gewicht). Jene iſt die extenſive,
dieſe die intenſive Seite der Quantitätsbeſtimmung1). Die
hierzu nöthigen Maaße und Gewichte waren früher nicht blos ſehr
ungleich, ſondern auch veränderlich, ohne daß man ein Urmaaß
und Urgewicht gehabt hatte, welches man genau wieder aus irgend
einer Quelle berichtigen könnte. Mit dem Beſitze eines unver-
änderlichen Maaßes für eine Länge mußte man, da nach demſelben
ein Urgewichtsgefäß gefertigt werden könnte, auch eine Gewichts-
einheit erlangt haben. Zur Auffindung eines Urmaaßes wurden
daher am Ende des vorigen Jahrhunderts mehrere Vorſchläge ge-
macht, worunter folgende die bemerkenswertheſten ſind: a) den
Quadranten (¼ Theil) eines Meridiangrades zu meſſen, und
davon [FORMEL] = 443,441952 par. Linien = 3 Fußen 11[FORMEL]
[451/0473]
Linien als Urmaaß anzunehmen; b) ein Pendel, welches alle Se-
kunden eine Schwingung macht, d. h. ein Sekundenpendel ſeiner
Länge nach zur Maaßeinheit zu nehmen, welches nach Condamine
= 440,57, und nach Borda = 440,56 par. Linien iſt; c) dieſe
beiden Vorſchläge mit einander zu verbinden, entweder indem man
das Pendel für das Urmaaß, aber nicht für die Maaßeinheit zu
nehmen anrieth, oder vorſchlug, nach Auffindung des Urmaaßes
und der Maaßeinheit auf die erſte Methode dieſes als Pendel zu
gebrauchen und ſeine Schwingungen zu unterſuchen. Der Erſte
dieſer Vorſchläge ging in Frankreich durch, wo man das Metre
als Maaßeinheit = 443,441952 par. Linien annahm. Nach Annahme
einer Maaßeinheit kann es keine Schwierigkeiten mehr haben, das
Längen-, Flächen- (Quadrat-) und Körper- (Cubik-)
Maaß zu reguliren, und nach dem Decimal- oder Duodecimal-
ſyſteme einzutheilen2).
¹⁾ Büſch Darſtellung. I. 155. Murhard Theorie. S. 256. Wild, Ueber
allgemeines Maaß und Gewicht. Freiburg 1809. II Bde. Dictionn. technologique.
XIII. 271. Krünitz, Oekonom. Encyclopädie. Bd. 85. S. 262. Rees, Cyclo-
pedia of Arts, science and Literature. Tom. XXIII. art. Measures. Mac-Cul-
loch, Handel und Handelsfreiheit. S. 34.
²⁾ Man ſuchte aber im Handel das unangenehme und ſehr ſchwierige Geſchäft
des Meſſens auf andere Weiſe zu erſetzen, nämlich a) bei tropfbar flüſſigen
Gegenſtänden durch kubiſche und cylindriſche Viſir- (Roie-) Stäbe oder
durch Annahme beſtimmter Behälter von bis auf Weniges gleichem Gehalte, worin
beſtimmte Waaren verkauft und verſendet werden, z. B. in Hamburg 1 Orhoft Wein
= 60 Hamburger Stübchen; b) bei Körnern, deren Meſſung ganz von der Will-
kühr des Meſſers abhängt, durch die Verbindung einer Wage mit dem Maaße oder
durch eine Vorrichtung, nach welcher die Körner mit gleicher Gewalt aus einem
Behälter in das Maaß fallen. Vorſchläge lezterer Art gibt Büſch Darſtellung. I.
158. II. 242–247. Mit einer Zeichnung. Ein Vorſchlag von Henneky in
London, der ihn auch in ſeiner Anſtalt angewendet hat, dient dazu, ſelbſt das
Viſiren zu erſetzen. Er iſt beſchrieben bei Vabbage, Ueber Maſchinenweſen.
§. 49. u. 50. oder 8tes Kap
§. 324.
Fortſetzung. b) Gewichte.
Zur Beſtimmung des Gewichtes der Waaren bedient man ſich
der Gewichtsſtöcke (Gewichte) und der Wagen. Die Gewichts-
ſtöcke müſſen ebenfalls von einer Einheit ausgehen und abgetheilt
oder zuſammengeſetzt werden. Die Gewichtseinheit findet man,
wenn man die Maaßeinheit benutzt, um darnach ein cubiſches Ge-
fäß zu fertigen, das man, am beſten mit deſtillirtem Waſſer ange-
füllt, ſeinem Gewichte nach annimmt, und in Frankreich hat man
dazu den Cubus eines [FORMEL] Meter als Gewichtseinheit angenommen
und Gramme genannt. Auch zur Gewichtseintheilung wählt man
Eines der genannten Zahlenſyſteme. Um nun aber das Gewicht
29 *
[452/0474]
der Körper beſtimmen zu können, hat man die Wagen1). Man
unterſcheidet das abſolute Gewicht, d. h. den ſenkrechten Druck
der Körper ohne Bedacht auf einen gewiſſen Raum, ſondern der
jedesmal gegebenen Maſſe nach, und das ſpeziviſche Gewicht,
d. h. jenen Druck derſelben unter Vorausſetzung eines beſtimmten
Raumes der Körper und hiernach verglichen mit einem als Einheit
angenommenen anderen Körper, nämlich mit dem Waſſer2).
Begreiflicher Weiſe hat man dazu verſchieden conſtruirte Wagen.
A. Wagen zur Beſtimmung des abſoluten Gewichtes
der Waaren. Ihre Conſtruction und Wirkung beruht auf den
Geſetzen des Hebels3). Es gibt nach den Arten des zweiarmigen
Hebels auch zwei Hauptarten von ſolchen Wagen, nämlich
α) Gleicharmige Wagen, welche der allgemeinen Anſicht nach
aus einem Wagebalken beſtehen, der in ſeinem Mittelpunkte ent-
weder aufgehängt oder von einem Wageſtocke unterſtützt iſt, ſo
daß er ſich nach beiden Seiten bewegen kann, und an deſſen beiden
Enden Wageſchaalen zur Aufnahme des Gewichtes und der
Waaren an Ketten oder Schnüren aufgehängt ſind4). β) Un-
gleicharmige Wagen5), welche von jenen dadurch verſchieden
ſind, daß der Theil des Wagebalkens, an welchem die Waare ge-
hängt wird, viel kürzer iſt als der andere, welcher das Gewicht
hält, und daß man dazu nur ein Gewicht nöthig hat, während
bei jener ganze Gewichtsſtöcke gebraucht werden6). Man hat in-
deſſen, beſonders zur Meſſung thieriſcher Kräfte, noch andere
Inſtrumente, welche man auch Wagen nennt7).
B. Wagen zur Beſtimmung des ſpeziviſchen Gewich-
tes der Waaren. Sie dienen zum Wägen ſolcher Körper, deren
Güte zugleich von dem ſpeziviſchen Gewichte abhängt8). Man hat
wieder zu unterſcheiden: α) hydroſtatiſche Wagen, d. h. ſehr
empfindliche Wagen obiger Conſtruktion, deren Wageſchaalen unten
mit Häckchen zum Einhängen der feſten Körper verſehen ſind, und
deren Wagebalken durch irgend eine Vorrichtung nach dem her-
geſtellten Gleichgewichte zwiſchen Körper und Gewicht geſenkt wer-
den kann9); β) Aräometer oder Senkwagen10), d. h. ſchwim-
mende Körper von Blech oder Glas, nach deren größerem oder
geringerem Einſinken von einer Flüſſigkeit das ſpeziviſche Gewicht
beſtimmt werden kann. Man unterſcheidet zwei Arten von Aräo-
metern, nämlich die Spindeln11), d. h. Senkwagen mit Skalen
zur gradweiſen Erkennung des Einſinkens, und Hydrometer12),
d. h. Senkwagen, mit veränderlichem Gewichte und ohne Skale.
¹⁾ Krünitz, Oekonom. Encyclopädie. Bd. 18. S. 169. Rees, Cyclopaedia
of Arts etc. Vol. 38. Art. Weighing-Machine. Weights. Dict. technolog. XVI. 350.
[453/0475]
¹⁾ v. Langsdorf, Syſtem der Maſchinenkunde. I. §. 260 b. v Gerſtner, Handb.
der Mechanik. I. §. 164 folg. Baumgartner Mechanik. S. 136. Schmidt,
Samml. phyſ. mathem. Abhandlungen. Gießen 1793. I. Bd. 1. Abh. Poppe,
Encyclopädie des geſammten Maſchinenweſens. V. 265. Lambert, Theoria state-
rarum, ex principiis mechanices universalius exposita, in den Actis Helveticis
physico-math.-anatom.-botanico-medicis. III. 13. Euler, de bilancibus Comm.
Petrop. X. 3.
²⁾ Z. B. man ſagt, ein Wiener Kubikfuß Waſſer wiegt 56,3 Pfd., ein Kubik-
fuß Stahl 433,5 Pfd., Glas 140,8 Pfd., Buchenholz 47,9 Pfd., Bier 57,4 Pfd.,
und dies iſt abſolutes Gewicht. Man ſagt aber, das Waſſer = 1,000 geſetzt, ſo
iſt das Gewicht des Stahls = 7,70, des Glaſes = 2,50, des Buchenholzes
= 0,85, und des Biers = 1,02, und dies iſt das ſpeziviſche Gewicht.
³⁾ v. Langsdorf Syſtem. I. §. 57 v. Gerſtner, Handbuch der Mechanik.
I. §. 52. Baumgartner Mechanik. S. 134. Karmarſch Mechanik. I. §. 30.
Borgnis, Théorie de la Mécanique usuelle. Paris 1821. 4. p. 41. Borgnis, Traité
semplet de Mécanique. Composition des Machines. Paris 1818. p. 285. Christian,
Mécanique industrielle. II. 402. Man verſteht unter Hebel im rein mathematiſchen
Sinne (mathemat. Hebel) eine unbiegſame Linie, welche um ein in ihr liegendes
Punkt drehbar iſt. Er wird ein phyſiſcher genannt, wenn er in der Wirklichkeit
z. B. durch eine Stange, durch den Wagebalken dargeſtellt iſt. Man unterſcheidet
den einarmigen Hebel, wenn das Dreh- oder Unterſtützungspunkt am Ende der
Linie liegt, und den zweiarmigen Hebel, wenn das Stützpunkt in der Linie
liegt. Der Leztere kann nun gleicharmig und ungleicharmig ſein, und das
Hauptgeſetz iſt, daß der Hebel im Gleichgewichte ſteht, wenn das Product der Kraft
in einen Arme mit der Entfernung derſelben vom Stützpunkte dem Producte der
Kraft am andern Arme mit ihrer Entfernung vom Stützpunkte gleich iſt.
⁴⁾ Sie heißt auch Krämer- oder Schaalenwage. Beſondere, aber ſehr
wichtige Theile dieſer Wagen ſind: a) die Zunge, d. h. ein kleiner gerade auf dem
Stützpunkte ſenkrecht in die Höhe gehender ſpitzer Metallſtab, zur Beſtimmung des
Standes der Wage; anſtatt derſelben iſt auch an einem Ende des Wagebalkens ein
Kreisbogen angebracht; b) die Scheere, d. h. ein unbewegliches Gehäuſe, das
und beiden Seiten der Wagearme offen iſt, und zwiſchen deſſen beiden Wangen
die Zunge ſpielt, ſo daß ſie mit einer Vermehrung der Laſt oder Gewichte eine
Seitenabweichung (den Ausſchlag) macht. Je größer der Ausſchlag bei einer
kleinen Zulage iſt, deſto empfindlicher, je kleiner er iſt, deſto fauler wird die
Wage genannt. Ueber die Eigenſchaften einer guten Wage ſ. m. außer obigen
Schriften auch Ramsden bei Rozier, Observations sur la physique. XXXIII. 144.
und Tralles in Gilbert's Annalen. XXIX. 442.
⁵⁾ Sie heißen auch Schnell- oder römiſche Wagen; und dienen zum
ſchnellen Wägen großer Laſten.
⁶⁾ Es gibt davon hauptſächlich 3 Arten: a) die gewöhnliche Schnell-
wage, wie ſie oben beſchrieben iſt; b) die Brückenwage, bei Lagerhäuſern u. dgl.
angewendet, wobei das Gewicht im Hauſe iſt, aber die Laſt, z. B. ein ganzer
Wagen, außen auf eine Brücke oder Pritſche gewälzt oder geſchoben wird; (ſ. außer
obigen Schriften auch Leupold, Schauplatz der Gewichte und Wagen. Leipzig 1774.
Deſſelben Beſchreibung einer großen Schnell- oder Heuwage. Leipzig 1718. 4.);
und c) die Zeigerwage, eine kleine Wage dieſer Gattung, wobei der große zei-
gerförmige Arm an einem Gradbogen die Gewichte anzeigt. Große Wägemaſchinen
ſind auch beſchrieben bei Dingler polytechn. Journal. I. 414 (von Siebe);
III. 273 (von Beckway); eine Wage dieſer Gattung von Herapath ebendaſelbſt
VI. 317; hydrauliſche Wagen zum Wägen großer Laſten ebendaſelbſt XXV. 218
(von Medhurſt); XXXI. 170.
⁷⁾ S. Roſenthal, Beſchreibung einer gemeinnützigen Stahlfederwage. Erfurt
1735. 4. Transactions for the Encouragement of Arts and Manufactures. London
1791. Vol. X. 151 (Federwage, von Hanius). Geißler, Beſchreibung der
neueſten und vorzüglichſten Inſtrumente ꝛc. Zittau 1793. II. 122 (Federwage,
[454/0476]
⁷⁾ von Praſſe). Obige Werke über Mechanik und Dingler polytechn. Journal.
XXV. 356 (Kraftmeßwage von Freſez); XXIX. 410 (über dynamometriſche Wa-
gen, von Hachette).
⁸⁾ Z. B. Bier, Branntwein, Lauge der Seifenſieder, Salzſoole, Salpeter-
auflöſung, Pottaſchenlauge, Zuckerauflöſung, Milch, Moſt, Wein ꝛc. (Bierſpindel,
Alcoholometer, Laugenprobe, Salzwage, Salpeterſpindeln, Pottaſchenwagen, Sac-
charometer, Lactometer oder Milchmeſſer, Gleukometer oder Moſtmeſſer, Oenometer
oder Weinwagen) Die Namen Aräometer, Hydrometer und Spindel,
welche hier unterſchieden ſind, kommen als gleichbedeutend allgemein vor. Sie be-
ruhen ſämmtlich auf dem Satze, daß ein feſter Körper, in eine Flüſſigkeit geſenkt,
ſein Volumen von dieſer Flüſſigkeit aus dem Gefäße verdrängt und in derſelben von
ſeinem Gewichte an Wirkung im Verhältniſſe, als ihn die Flüſſigkeit zu heben
ſucht, verliert.
⁹⁾ Wenn das Gleichgewicht hergeſtellt iſt, ſo wird der feſte Cubikzoll in die
zu wägende Flüſſigkeit eingeſenkt, worin er einen Gewichtsverluſt erleidet. Um
dieſen zu finden, legt man entweder auf die Schaale des Cubikzolls noch Gewicht
oder man nimmt aus der Gewichtsſchaale ſo viel heraus, bis das Gleichgewicht
wieder hergeſtellt iſt. Dieſer Gewichtsverluſt verhält ſich dann zum abſoluten Ge-
wichte des Cubikzolls, wie das ſpeziviſche Gewicht der Flüſſigkeit zu jenem des
Cubikzolls. Oder man findet, da das Waſſer als Einheit angenommen wird, das
ſpez. Gewicht der zu wägenden Flüſſigkeit, wenn man das abſolute Gewicht des
Cubikzolls mit ſeinem Gewichtsverluſte dividirt. Dieſe Verſuche bedürfen aber
unendlich vieler Vorſicht. S. Brander Beſchreibung einer hydroſtatiſchen Wage.
Augsburg 1771. Mendelſohn in Gilbert's Annalen. XXIX. 153. Man hat
aber nicht blos Schaalen-, ſondern auch Schnellwagen dazu, z. B. Dingler poly-
techn. Journal. IV. 502. und VI. 190 (hydroſtatiſche Schnellwage von Coates),
und VI. 188 (eine ſolche von Lukens); XLII. 285 (hydroſtatiſche Ausmittelung
des Bleigehaltes in Zinngeräthen, nach dem Dict. technolog. XVII 338.).
¹⁰⁾ Prechtl Encyclopädie. I. 314. v. Gerſtner, Handbuch der Mechanik.
II. §. 28. Dictionnaire technologique. I. 105. Rees Cyclopaedia. II. Areometer.
XVIII. Hydrometer. Poppe, Encyclopädie des Maſchinenweſens. II. 169. Geh-
ler, phyſikaliſches Wörterbuch. I. 115. V. 50. Encyclopèdie Méthodique. Art.
Chimie. II. 356.
¹¹⁾ Sie beſtehen aus einer Glas- oder Blechröhre mit Gradeſkalen und einem
Gefäßchen, das ein beſtändiges Gewicht trägt, z. B. von Queckſilber gefüllt iſt. Je
tiefer ſie einmal in die Flüſſigkeit ſinken, deſto ſpez. leichter iſt ſie. Man unter-
ſcheidet allgemeine (eigentliche Aräometer) und beſondere (eigentliche
Spindeln), und dieſe Lezteren dienen blos für beſtimmte Flüſſigkeiten (Note 8.).
Nach den Skalen, welches das Unterſcheidende iſt, hat man unter den allgemei-
nen Aräometern wieder zwei Arten zu unterſcheiden, nämlich ſolche, an deren
Skale mit ungleicher Eintheilung die Grade ſogleich geleſen werden können, und
ſolche, deren Skale gleiche Abtheilungen hat und folglich noch die Zuhilfnahme von
Tabellen nöthig macht. Von lezter Art ſind die Aräometer von Baumé, Cartier
und Beck. (Ueber Baumé'ſche Aräometer ſ. m. auch Dingler polytechniſches
Journal. XXVII. 63. XXXVII. 447. XXXVIII. 393.) — Die beſondern Aräo-
meter oder die Spindeln beſtimmen eigentlich den Gehalt der zu wägenden Flüſſig-
keit an aufgelösten Stoffen nach Procenten. S. Dubrunfaut, Ueber die Vorſicht
bei der Aräometrie in Dinglers angef. Journal. XXXVIII. 383. 448.
¹²⁾ Man hat zwei Hauptarten, nämlich jenes von Fahrenheit und ein
anderes von Nicholſon. Jenes, blos zum Wägen von Flüſſigkeiten brauchbar,
iſt wie ein Aräometer (Note 11) geformt, und hat am oberen Ende ein Gewichts-
ſchälchen, aber an der Röhre nur ein Zeichen, bis zu welchem nach dem Queckſilber-
gewichte im unteren Gefäßchen das Hydrometer im Regenwaſſer einſinken muß.
Bis zu dem ſo weiten Unterſinken in einer andern Flüſſigkeit muß jedesmal noch
ein Gewicht in das Schälchen gelegt werden, und es verhält ſich das ſpez. Gewicht
des Waſſers (= 1,000 angenommen) zu jenem der anderen Flüſſigkeit, wie das
[455/0477]
¹²⁾ abſolute Gewicht des Hydrometers (zum Voraus bekannt) nebſt dem Gewichtszuſatze,
um es in Waſſer bis an den Punkt einzuſenken, zu dem abſoluten Gewichte deſſelben
nebſt dem ganzen Gewichtszuſatze, um es in der andern Flüſſigkeit ſo weit einzu-
ſenken. Das andere Hydrometer, von Nicholſon, auch zum ſpez. Wägen feſter
Körper beſtimmt, iſt ein unten und oben koniſcher hohler Blechcylinder, aus deſſen
oberen Spitze ein Stänglein das Schälchen emporhält, während an der unteren
Spitze ein Eimerchen angehängt iſt. Der Gebrauch deſſelben beruht auf den bisher
erwähnten Prinzipien. Daſſelbe iſt manchfach verbeſſert worden.
B. Waarenkunde.
§. 325.
Die Waarenkunde iſt die Kenntniß von den verſchiedenen
Waaren ſelbſt nach allen Beziehungen, welche für den Handels-
mann von Wichtigkeit und Intereſſe ſind. Sie betrifft entweder
die qualitativen Verhältniſſe der Waaren und wird dann eigentlich
Waarenkunde genannt (§. 269.), oder die Maaße und Gewichte
der verſchiedenen Länder, und heißt dann Maaß- und Gewichts-
kunde1).
¹⁾ Man findet ſie bald allein abgehandelt, bald in Verbindung mit der Münz-
kunde. Man ſ. unter der bedeutenden Anzahl von Schriften hierüber Nelcken-
brecher, Allgemeines Taſchenbuch der Münz-, Maaß- und Gewichtskunde. Berlin
1829. 14te Auflage. Crüger Comtoriſt. Hamburg 1831. Rau, Münz-, Maaß-
und Gewichtstafeln. Heidelberg 1829. II Tafeln. gr. Fol.
II. Von dem Gelde.
A. Geldlehre.
§. 326.
1) Vorbegriffe.
Das Geld (von gelten) iſt ein äußeres körperliches Gut,
welches im Verkehre (§. 37.) als allgemeiner Gleich- und Gegen-
werth für Güter und Leiſtungen angenommen und gegeben wird,
alſo umläuft. Die Geldlehre iſt die Wiſſenſchaft von den qualita-
tiven und quantitativen Verhältniſſen des Geldes im Allgemeinen1).
¹⁾ Zur Literatur: S. §. 200. Note 1. und außerdem noch: Mac- Culloch,
Handel und Handelsfreiheit. S. 28. Büſch, Grundſätze der Münzpolitik. Hamburg
1779. Derſelbe Ueber Banken und Münzweſen. Hamburg 1801. (Auch in den
Ausgaben ſeiner ſämmtl. Schriften.) Buſe, Handb. der Geldkunde. III Bde. 8.
Erfurt 1803 (IIr Thl. von deſſen Ganzen der Handlung). (Cleynmann) Apho-
rismen aus dem Fache der Münzgeſetzgebung. Frankfurt a. M. 1817. (Deſſelben)
Materialien für Münzgeſetzgebung. Ebendaſelbſt 1822. Murhard, Theorie des
Geldes und der Münzen. Altenburg 1817. Deſſelben Theorie des Handels.
S. 260. Klüber, das Münzweſen in Deutſchland. Stuttgart und Tübingen 1828.
Meine Verſuche über Staatskredit ꝛc. S. 71–198. Büſch Darſtellung. I. 7.
J. P. smith, The science of Money. London 1813. Wheatley, An Essay on
the Theory of Money. London 1807. 4. (blos I Vol.) Folgende italieniſche
Schriften, welche unter den Economisti classici Italiani in den eingeklammerten
[456/0478]
¹⁾ Bänden zu finden ſind: serra, Breve Trattato delle cause, che possono far
abbondare li Regni d'oro e d'argento (Parte antica I.); Turbulo, sulle Monete
del Regno di Napoli (I. 181.); Davanzati, Lezione delle Monete (II.); scaruffi,
Discorso sopra le Monete (II. 69.); Montanari, Trattato Mercantile della Mo-
neta (III.), und Breve Trattato del Valore delle Monete in tutti gli stati (III.
287.); Broggia, Trattato delle Monete (IV. 301. e V.); Neri, Osservazioni
sopra il prezzo legale delle Monete (VI. und die Documenti dazu VII.); Pagnini,
saggio sopro il giusto preggio delle cose, la giusta Valuta della Moneta etc.
(Parte moderna II. 155.); Galiani, Della Moneta (III. e IV.); Carli, Dell'
Origine e del Commercio della Moneta (XII. e XIII.): Vasco, saggio politico
della Moneta (XXXIII.); Corniani, Riflessioni sulle Monete (XXXIX.).
§. 327.
2) Der Geldſtoff.
Aus dem Zwecke und Gebrauche des Geldes geht hervor, daß
es durchaus nicht gleichgiltig iſt, aus was für einem Stoffe das-
ſelbe beſteht. Die extenſiven, d. h. dem Geldkörper als ſolchem
angehörenden Eigenſchaften, nämlich wirkliche Sachlichkeit, Dauer-
haftigkeit, leichte Theil- und Vereinbarkeit, und die intenſiven,
d. h. dem Geldgute nach ſeinem Range unter den ſachlichen Gü-
tern, nach ſeinem Verhältniſſe zum Menſchen und Verkehre zukom-
menden Eigenſchaften, nämlich wirklicher hoher Werth, allgemeines
Anerkanntſein deſſelben, Handelswürdigkeit und Gleichförmigkeit
im Preiſe, ſind es, warum alle civiliſirten Völker die Metalle
als Geldſtoff brauchen1). Da man aber außerdem in manchen
Ländern auch noch Papier zu Geld genommen hat, ſo unterſchei-
det man das Metallgeld vom Papiergelde.
¹⁾ Galiani, Della Moneta. I. 123. 114. (Plinius hist. natur. XXX. cap. 3.
§. 19.) Die Makute der Neger in Congo iſt ein blos fingirtes Tauſchmittel.
Dagegen fand man auf den engl. weſtind. Colonien Zucker, bei den nordamerikani-
ſchen Wilden rohe und gegerbte Häute und Biberfelle, bei den Aethiopiern Stein-
ſalz, in Neufundland Stockfiſche, in Virginien Taback, in Braſilien Cacaokörner,
in Indien und Africa die Cauris, d. h. eine Art von Muſcheln, die man auf den
Maldiven findet, als Geld gebraucht. Ein lebhafter Verkehr kann ſich jedoch mit
ſolchen Geldmitteln nicht mehr begnügen, und führt, wie die Geſchichte zeigt, nach
und nach das Metallgeld ein.
§. 328.
Fortſetzung. a) Das Metallgeld.
Die Geldmünze1) oder das Metallgeld iſt von verſchiedener
Art. Man unterſcheidet die wirklichen, d. h. aus einem Metalle
geprägten noch umlaufenden Münzen2) und die Rechnungs-
münzen, d. h. nicht wirklich curſirenden, ſondern nur idealiſch in
Rechnungen gebrauchten Geldmünzen3). Eigentliches Metallgeld
iſt nur die wirkliche Münze4) und dieſes bietet bei ſeiner Betrach-
tung folgende zwei Hauptſeiten dar: 1) Den inneren Gehalt.
[457/0479]
Das Metallgeld beſteht aus Platina, Gold, Silber oder Kupfer,
mehr oder weniger in reinem Zuſtande. Gold und Silber ſind
aber die Hauptmünzmetalle, und ihr Werth und Preis ſteht nach
den natürlichen Productionsverhältniſſen, nach dem Handelsgange
und nach ſtaatsgeſetzlichen Beſtimmungen in verſchiedenen Verhält-
niſſen5). Obſchon, was die Aufſtellung eines geſetzlichen Werths-
verhältniſſes dieſer Metalle anbelangt, die Münzgeſetzgebung noch
vielfach im Widerſpruche mit den Verkehrsprinzipien iſt6), ſo müſſen
die Staatsgeſetze dennoch über das Verhältniß der Münzen gegen
einander, nämlich über die Miſchung des Münzmetalls mit einem
andern Metallzuſatze und über den Gehalt und Werth der verſchie-
denen Geldmünzen gegen einander Beſtimmungen geben. Die Ge-
ſammtheit dieſer geſetzlichen Anordnungen heißt man Münzfuß.
Dieſer verfügt alſo außer den bereits oben (§. 290. N. 2.) ange-
führten Punkten, welche die Münzung betreffen7), noch über die
Würdigung (Werthsbeſtimmung, Valvation) der Münzen ver-
ſchiedener Gattung8) und über die Währung, d. h. die Anzahl
von geringeren Münzſorten, welche nach dem Geſetze den eigent-
lichen Werth eines Stückes höherer Sorte eines und deſſelben
Münzfußes ausmachen9). 2) Die äußere Form. Man muß
hier wieder die eigentliche Geſtalt in Bezug auf die Ausdehnung
im Raume, und das Gepräge, d. h. die Geſammtheit der auf
einer Münze gegebenen Abzeichen unterſcheiden10).
¹⁾ S. oben §. 290., wo die Begriffe Münze u. ſ. w. auseinander geſetzt ſind.
²⁾ In Betreff des Metalls gibt es Platina-, Gold-, Silber- und Kupfer-
münzen, wenn Eines dieſer Metalle darin vorherrſchend iſt, — aber Billon-
münzen (ſpaniſch Velhon), wenn ſie mehr Kupfer als edles Metall haben, und
zwar Goldbillon, wenn ſie unter 12 Karat Gold, und Silberbillon, wenn
ſie unter 8 Loth Silber haben. Der Unterſchied zwiſchen Kupfer- und Billonmünzen
iſt der, daß jene ganz aus Kupfer beſtehen. Klüber, das Münzweſen. S. 77.
Galiani, Della Moneta. I. 194. Preuß. Staatszeitung von 1832. No. 136. S. 554.
In Betreff der Länder, für welche ſie gelten, unterſcheidet man die Land-
münzen, welche nur für ein gewiſſes einziges Land beſtimmt ſind, und allge-
meine Münzen, welche in andern Ländern auch Geltung haben. Jedoch war jener
Begriff in der alten Reichsverfaſſung, wo die Land- den Reichsmünzen gegen-
über ſtanden, mehr von Bedeutung. Klüber, das Münzweſen. S. 84.
³⁾ Sie haben entweder bereits oder noch nie exiſtirt. Von jener Art ſind das
Pfund Sterling (L.), das Pfund Blämiſch (Lvl.), die Lire in Italien, die meiß-
niſchen Gulden; von der andern Art die Bankthaler (Thlr. Banco). Manche ſind
jetzt wieder gemünzt, wie z. B. die badenſchen und würtembergiſchen Guldenſtücke,
die engl. Schillinge, die engl. sovereigns (= 1 Pfd. Sterl.). Ihr Werth iſt ein
inländiſcher oder ein ausländiſcher, und man vergleicht ſie nach der Pro-
portion Z1:s1 = Z2:x (oder s2), wobei die Z = den Summen der auf die
feine Mark gehenden zwei Rechnungsmünzen, und die s oder s1 und x = den
Summen, deren Gleichwerth gefunden werden ſoll, iſt. S. auch Galiani, Della
Moneta. I. 152.
⁴⁾ Man kann aber wegen der in Note 2. angegebenen Punkten die Rechnungs-
münzen hierher zählen.
[458/0480]
⁵⁾ Das natürliche Werthsverhältniß richtet ſich nach den verſchiedenen pro-
ducirten Mengen dieſer Metalle auf der Erde. Das merkantiliſche aber nach
dem Zu- und Abfluſſe derſelben von einem Erdtheile oder Lande in ein anderes,
und das geſetzliche iſt durch den Münzfuß der Länder beſtimmt. Flörke Münz-
kunſt. S. 290. Galiani, Della Moneta. II. 10. Buſe Geldkunde. I. 48. Buſſe
Kenntniſſe und Betrachtungen. I. S. 68. smith, The science of Money. I. Book.
9. ch. §. 11. p. 211. Wheatley Essay. p. 116. Klüber, das Münzweſen. 199.
204. Meine Verſuche über Staatskredit. S. 93. 101. 132., wo auch noch mehr
Literatur angegeben iſt. Man findet das merkantiliſche Werthsverhältniß
a) aus dem Preiſe des ungemünzten Goldes und Silbers, b) aus den Courantpreiſen
der Münzen gegen Barren (d. h. gegen ungemünzte Metallſtangen), indem man
den Kettenſatz zu Hilfe nimmt, z. B.
a) ? Mark fein Silber = 1 Mark fein Gold.
1 M. f. Gold = 204 Thlr. preuß. Cour.
7 Thlr. preuß. Cour. = 12 fl. im 24 fl. Fuße.
24 fl. = 1 Mark fein Silber.
7x24:12x204 = 1:x = 1:14[FORMEL]
b) ? Mark fein Silber = 1 Mark fein Gold.
1 M. f. Gold = 38,72 Friedrichsd'or.
1 Friedr. d'or = 5,66 Thlr. preuß. Cour.
14 Thlr. = 1 Mark fein Silber.
14:5,66x38,72 = 1:x = 1:15,6542
Das geſetzliche Werthsverhältniß findet man aus der Proportion
v:V = 1:x
worin v = dem Werthe, wozu die feine Mark Silber, und V = demjenigen,
wozu die feine Mark Gold, in einer beſtimmten Münzſorte ausgemünzt oder geſetz-
lich angenommen wird. Z. B. a. 1793 wurde der Werth des brabanter Thalers
geſetzlich auf 2 fl. 42 kr. im 24 fl. Fuße tarifirt, und der Ducate auf 5 fl. 24 kr.,
der Souverain d'or auf 16 fl. taxifirt (Cleynmann Materialien. S. 377.). Die
Mark fein Silber wurde zu 16,01 fl. und die Mark fein Gold in Ducaten zu
270,27 fl., in Souv. d'or aber zu 367,35 fl. ausgeprägt; folglich entſtehen für dieſe
Fälle folgende Proportionen
16,01:270,27 = 1:x = 1:16,88
16,01:367,36 = 1:x = 1:22,94
⁶⁾ Die Nationalökonomie zeigt, daß es verwerflich iſt, ein geſetzliches Verhält-
niß zu beſtimmen. Dennoch beſteht ein ſolches noch in den meiſten Staaten.
⁷⁾ Hier alſo nachträglich blos die Methoden der Berechnung jener Punkte.
Man findet a) das Schrot einer Münze durch die Proportion Z:1 = M:S,
wobei Z = der Zahl der aus der rauhen Mark geſchlagenen Stücke, und M =
dem Gewichte der Mark in holländ. Aſſen; b) den Feingehalt durch die Pro-
portion Z:1 = M:F, wobei Z = der Stückelung der feinen Mark; c) das
Korn, für Silbermünzen in der Proportion S:F = 16:K, für Goldmünzen
in folgender: S:F = 24:K, wobei S = dem Schrote, und F = dem Fein-
gehalte der Münze iſt, deren Korn man finden will; d) die Stückelung der
rauhen oder feinen Mark durch Umkehrung der unter a. und b. angegebenen Pro-
portionen, wenn S, F und M bekannt ſind; e) den Schlagſchatz aber aus der
Proportion P:M = Z:x, wobei P = dem Preiſe, um welchen die Münzſtätte
die Mark fein oder rauh kauft, und Z = der Stückelung der rauhen Mark in
derſelben Münzſorte, worin P beſtimmt wird, und x = der Summe iſt, deren
Mehrbetrag über M den Schlagſchatz angibt, den man aber dann noch in Procen-
ten berechnen muß.
[459/0481]
⁸⁾ Sie betrifft entweder den inneren Werth (Feingehalt) der Münzen,
welchen man auch merkantiliſchen (Handels-) Werth nennt, da die größeren Münzen
im Handel blos nach ihrem Metallgehalte curſiren, oder den äußern Werth,
d. h. welcher durch äußere Umſtände beſtimmt und auch Zahlwerth genannt wird.
Die Beſtimmung des Erſteren nennt Buſe (Geldkunde. I. 77.) Würdigung und
jene des Lezteren Valvation. Obſchon man den inneren auch merkantiliſchen
Werth nennt, ſo iſt dieſer Leztere doch nur ein äußerer, gerade ebenſo wie ſein
Seitenverwandter, der landesherrliche oder Landeswerth. Denn die Münzen
haben ihren Preis, welcher im Handel nach allerlei Umſtänden abweicht (§. 58.
u. 59.), obſchon der innere Münzwerth ſeine Hauptgrundlage bildet, und welcher von
den Staatsgeſetzen für das Land feſtgeſetzt werden kann. Die Devalvation iſt
jene Valvation, wodurch ein Staat gewiſſe Münzen ihrem Zahlwerthe nach herab-
ſetzt oder ganz verruft, d. h. außer Curs ſetzt. Klüber (das Münzweſen. S. 249.)
hält ſie fälſchlich für etwas anderes als Valvation. Beide werden, wenn ſie mehrere
Münzen betreffen, in Valvationstabellen bekannt gemacht. Eine neue
griechiſche Tabelle dieſer Art findet ſich in der Allg. Zeitung 1833. Außerord.
Beilage Nro. 187.
⁹⁾ Die wichtigſten Währungen ſind: a) die rheiniſche (Reichswährung) nach
Gulden zu 60 kr. à 4 Pfennigen; b) die ſächſiſche nach Thalern zu 24 guten Groſchen
à 12 Pfennigen; c) die preußiſche nach Thalern zu 30 Silbergroſchen à 12 Pfen-
nigen; d) die lübiſche nach Marken zu 16 Schillingen à 12 Pfennigen; e) die
hollandiſche nach Gulden zu 100 Cents oder 20 Stüvern à 16 Pfennigen; f) die
franzöſiſche nach Franken zu 100 Centimen; g) die engliſche nach Pfunden Sterling
zu 20 Schillingen à 12 Pfennigen; h) die ruſſiſche nach Silberrubeln à 100 Kopeken
oder 10 Griven à 10 Kopeken.
¹⁰⁾ Galiani, Della Moneta. I. 234. II. 36. Da weder die Kugel- noch die
hohe Cylinderform tauglich iſt, ſo wählte man die Geſtalt eines flachen Cylinders.
Die Bequemlichkeit des Gebrauchs und die Verhütung der Abnutzung ſind in Betreff
der Wahl der Geſtalt entſcheidend (ſ. Preußiſche Staatszeitung von 1832. Nro.
133 folg.). Die Unterſcheidung zwiſchen Grobcourant und Kleincourant
(Scheidemünzen) bezieht ſich auf Geſtalt, Größe und Schwere der Münzen. Aber
die Scheidemünzen unterſcheiden ſich von dem Grobcourant intenſiv durch die ſtärkere
Legirung, den größeren Schlagſchatz und dadurch, daß man eine gleiche Quantität
Silber in Scheidemünzen, weil die Reinigungskoſten größer ſind, wohlfeiler kauft
als in Grobcourant. Klüber Münzweſen. S. 64.
§. 329.
Fortſetzung. b) Das Papiergeld. α) Natur und
Arten deſſelben.
Unter Papiergeld1) verſteht man Papiere, welche mit Zei-
chen verſchiedener Art verſehen ſind, die ihnen die gehörige Sicher-
heit und Bequemlichkeit geben, um im Verkehre das Metallgeld
beim gewöhnlichen Gebrauche vertreten zu können2). Nicht durch
die Uebereinſtimmung ſeiner Eigenſchaften mit jenen des Geld-
materials, ſondern dadurch hat und behält es ſeinen Umlauf, daß
ihm ein an ſich werthvoller Gütervorrath zur Grundlage gegeben
iſt, durch welchen der Papiergeldinhaber die Sicherheit erhält,
auf Verlangen ſogleich den Werth des Papiergeldſtücks in wirk-
lichem guten Metallgelde von Ausgeber des Papiergeldes ohne Abzug
in Empfang nehmen zu können3). Solches Papiergeld kann
emittiren (ausgeben), wer überhaupt in Bezug auf Perſon und
[460/0482]
Vermögen das gehörige Zutrauen beſitzt und die erforderliche Bürg-
ſchaft für die Einlöſung (Honorirung) des Papiergeldes auf jedes-
maliges Verlangen der Beſitzer leiſtet. Gibt es der Staat aus,
dann heißt es Staatspapiergeld (Papiergeld im gewöhnlichen
Sinne); geben aber Privaten, die dazu geſetzlich berechtigt
ſind, daſſelbe aus, dann heißt man es Privatpapiergeld4).
Zur Emiſſion des Lezteren vereinigen ſich in der Regel einzelne
Capitaliſten in Geſellſchaften. Man nennt die Papierzeichen, welche
ſie ausgeben, Noten (Zettel, Banknoten) und die Anſtalt ſelbſt
Zettel- (Noten-) Bank.
¹⁾ Zur Literatur: Büſch's angeführte Schriften über Banken und Münzweſen.
Murhard, Theorie des Geldes und der Münzen. S. 106 folg. Deſſelben
Theorie des Handels. S. 303. 364. Nebenius, der öffentliche Credit (Karlsruhe
1829). I. 136. Ricardo, Proposals for an economical and secure Currency.
London 1816. senior, Lectures on the cost of obtaining Money and on some
Effects of Private and Governments Papermoney. London 1830. Wheatley, an
Essay on the Theory of Money. I. 330. smith, The science of Money. p. 312.
370. Meine Verſuche über Staatskredit. S. 250, wo auch die nationalökonomiſche
Literatur über dieſen Gegenſtand angegeben iſt.
²⁾ Daſſelbe muß alſo doch die intenſiven Eigenſchaften des Geldgutes entweder
ſchon an ſich oder von dem zu Grunde liegenden Metallgelde entlehnt haben. Es
muß, wie Metallgeld, ohne Schwierigkeit übertragbar ſein; einem Jeden, der es
beſitzt, das Recht auf die Einlöſung geben (d. h. au porteur, oder auf den Inhaber,
lauten); ſo wie Metallgeld, keinen Gewinn bringen, wenn es nicht in Umlauf iſt;
und, ſelbſt im Umlaufe begriffen, nur die Vortheile des Metallgeldumlaufes
gewähren.
³⁾ Entgegengeſetzter Anſicht iſt z. B. Ricardo in obiger kl. Schrift und in
ſeiner Principles of political Economy. chapt. 27, nämlich, daß die Einlösbarkeit
nicht nothwendig ſei. Die nähere Erörterung dieſer Controverſe gehört in die
Volkswirthſchaftslehre. Hier iſt übeigens aus den Prinzipien des Tauſches und Han-
dels ſchon die Unrichtigkeit der Ricardo'ſchen Anſicht zu erweiſen. Denn in die-
ſem wird ſchon nach der Natur der Sache Niemand ein Gut ohne reellen Erſatz
oder ohne eine ſichere Anweiſung auf einen ſolchen Erſatz eigenthümlich abtreten.
Da im civiliſirten Verkehre Metallgeld das allgemeine Tauſchmittel iſt, ſo wird es
als Gegengabe geſucht werden oder ſtatt deſſelben eine zuverläſſige Anweiſung auf
ſolches. Das Papiergeld, an ſich werthlos, hat blos Geldwerth als Anweiſung; da
dieſe aber das Metallgeld vertreten ſoll, ſo kann ſie ihren Werth blos von dieſem
erhalten; dies iſt aber nur möglich, wenn es beliebig zu Metallgeld verwirklicht
(realiſirt, gegen ſolches ausgetauſcht) werden kann. Dieſes iſt durch beliebige Ein-
lösbarkeit allein ausführbar.
⁴⁾ Das Leztere kann man, in ſoferne es ſich im Verkehre ohne irgend ein
Erzwingen des Umlaufes im Werthe erhält, freies Papiergeld neunen. Auch
kommt dieſe Eigenſchaft ohne Zweifel jenem Papiergelde zu, welches der Staat
unter denſelben Bedingungen, wie die Privaten, ausgegeben hat und ohne Zwang
zum vollen Werthe im Umlaufe erhält. Alles andere Papiergeld iſt erzwun-
genes, aber es iſt begreiflich, daß es nur ein ſolches kraft eines Ausſpruches des
Staats geben kann. S. dagegen Rau polit. Oekonom. I. §. 295.
§. 330.
Fortſetzung. β) Banknoten und Notenbanken insbeſondere.
Unter einer Bank1) verſteht man eine Anſtalt des Handels,
geſtiftet vom Staate oder von Privaten, in welche gewiſſe Münz-
[461/0483]
ſummen zuſammengeſchoſſen und -gehalten werden, um dadurch ein
leichteres Zahlungsmittel, als ſelbſt das Metallgeld iſt, zu begrün-
den und zu garantiren. Eine Bank, welche als ſolches leichteres
Zahlmittel Noten oder Zettel ausgibt, heißt Notenbank. Zur
Gründung einer ſolchen Anſtalt werden Privaten ſich nur geſell-
ſchaftlich vereinigen, wenn ſie aus der Anwendung ihrer Geld-
capitalien Vortheile beziehen können. Dieſer Vortheil entſpringt
aus dem Zutrauen, welches die Bank genießt und kraft deſſen die-
ſelbe mehr Zettel in Umlauf ſetzen kann und darf, als ſie beſtändig
baares Geld in der Kaſſe vorräthig hat2). Es entſteht ſo ein
Ueberſchuß an Geldcapital, welcher zu anderen einträglichen Ge-
ſchäften verwendet werden kann3). Bei dieſen ſämmtlichen
Operationen der Notenbanken iſt aber eine große Behutſamkeit
nöthig, und ſie müſſen immer von dem Hauptgrundſatze ausgehen,
daß ſie ihre Kaſſe ſtets im Stande behalten, um die einlaufenden
Banknoten honoriren und überhaupt alle eingegangenen Baargeld-
verbindlichkeiten pünktlich erfüllen zu können. Es dürfen daher
1) nur ſolche Operationen vorgenommen werden, wodurch ſie im-
mer leicht in den Beſitz der erforderlichen Baarſchaft geſetzt werden
können und nicht von Verluſten bedroht ſind; 2) ſie dürfen im
Ausgeben von Banknoten nicht ſo weit gehen, daß dadurch das
Zutrauen erſchüttert und derſelben Verlegenheiten bereitet werden;
3) ſie müſſen Alles anwenden, um die zuſtrömenden Noten zu
honoriren; und 4) ſie müſſen die ſchleunigſten Mittel aufſuchen
und anwenden, um das Zutrauen wieder herzuſtellen, wenn es
einmal geſunken ſein ſollte.
¹⁾ Büſch, über Banken und Münzweſen. I. Abthlg. Mac-Culloch, Dictio.
nary of Commerce. Art. Banks. Deutſche Bearbeitung. I 61. und Volkswirth-
ſchaftliche Schriften. S. §. 345.
²⁾ Die Bank kann dies darum thun, weil der Verkehr eine große Anzahl von
Noten ſtändig in ſich behält, und nur die geringere Menge der Bank zuſtrömt. Sie
vermag ſo viel an Noten zu emittiren, als das Hauptcapital der Bank an Metall-
gelde beträgt, aber alsdann nur einen Theil des Lezteren vorräthig halten; oder ſie
kann mehr Banknoten emittiren als jener Kapitalſtock beträgt.
³⁾ Dieſe Geſchäfte ſind: a) die Einlöſung von Wechſeln vor der Zeit, wann
ſie bezahlt werden müſſen, gegen einen Abzug (das Discontiren), weßhalb man
fälſchlich auch Discontobanken unterſcheiden zu müſſen geglaubt hat; b) Dar-
leihen gegen Fauſtpfänder, Hypotheken, auf perſönlichen Kredit, Bürgſchaften und
laufende (Kaſſen-) Rechnungen, weßhalb Leihbanken fälſchlicherweiſe unterſchieden
worden ſind; c) Beſorgung von Zahlungen für andere Perſonen und Kaſſen;
d) Geſchäfte der Regierung im Staatsſchulden- und Steuerweſen; e) Verwahrung
gerichtlicher und anderer Depoſiten, daher ſie auch mit Unrecht in Depoſiten-
banken unterſchieden wurden; f) Kaufgeſchäfte verſchiedener Art, beſonders in
Edelmetall. — Das Bankproject der Saint-Simoniſten hat noch eine andere Be-
deutung. Man ſ. über deſſen Natur und Fehlerhaftigkeit meine Verſuche über
Staatskredit. S. 443.
[462/0484]
B. Geldkunde.
§. 331.
Vorbegriffe.
Unter Geldkunde verſteht man die Kenntniß der verſchie-
denen Arten des Geldes und der einzelnen beſondern Geldſtücke,
welche es zur Zeit in den Staaten gibt, die mit einander im Ver-
kehre ſtehen, mit Angabe ihrer gegenſeitigen Preis- und Werths-
verhältniſſe. Sie muß daher in zwei Hauptabſchnitte, nämlich die
Metall- und Papiergeldkunde zerfallen.
§. 332.
a) Metallgeldkunde.
Sie heißt im gewöhnlichen Leben Münzkunde, obſchon dieſes
Wort mehr bezeichnet, als obiges1). Wenn ſie Vollſtändiges lie-
fern ſoll, ſo muß ſie folgendes enthalten: a) eine Darſtellung der
verſchiedenen Münzfüße, welche ehedem gebräuchlich waren und es
noch ſind2; b) eine Beſchreibung und Berechnung aller gangbaren
Geld- und Rechnungsmünzen, wobei alſo die Angabe des Metalls,
aus dem ſie beſtehen, des Schrotes, Feingehaltes, des Korns, der
Stückelung, des geſetzlichen Werthes und des Werthes in andern
Münzfüßen nicht fehlen darf.
¹⁾ S. §. 325. Note 1. Gerhardt, Taſchenlexicon der Rechnungsmünzen.
Leipzig 1817. Deſſelben Tafeln über Gold- und Silbermünzen. Berlin 1818.
Nopack, Handbuch der Münz-, Bank- und Wechſelverhältniſſe aller Länder und
Hauptplätze der Erde. Rudolſtadt. 1833. III Bde. Die Anzahl ſolcher Schriften und
Tabellen iſt in neuerer Zeit geſtiegen.
²⁾ Blos Deutſchland hatte die Unbequemlichkeiten von neunzehn verſchiedenen
Münzfüßen. Andere Staaten begnügen ſich mit einem einzigen. Jetzt ſind folgende
Hauptmünzfüße in Deutſchland üblich und wichtig: I. Silbermünzfüße: a) der
Leipziger Münzfuß von a. 1690 (ſpäter auch der Hannöveriſche 12 Thlr. oder
18 fl. Fuß bis a. 1818), welcher die ſeine Mark in 1 Thlr. Stücken (24 gGr.),
in ⅔ Thlrn. (16 gGr.), ⅓ Thlrn. (8 gGr.), und ⅙ Thlrn. (4 gGr.) zu
12 Thlrn, in 2 Groſchenſtücken zu 12⅜, in 1 Gr. Stücken zu 12½, und in
Pfennigſtücken zu 13 Thlrn. oder 19½ fl. ausgeprägt; b) der Berliner (preußi-
ſche, graumänniſche) 14 Thlr. oder 21 fl. Fuß, welcher die Mark fein zu 14 Thlrn.
oder 21 fl. ausprägt, aber eine rauhe Mark von 12 Lothen Korn für 1 Thlr. Stücke
à 30 Sgr., von 10⅔ Loth K. für ⅓ Thlr. Stücke (10 Sgr.), 8⅓ Loth K.
für ⅙ Thlr., und von 3[FORMEL] Loth Korn in den Silbergroſchen hat; c) der Lü-
biſche Courantfuß von a. 1726, der aus der feinen Mark 11⅓ Thlr. = 34 Marken
oder 17 fl. rhein., den Thaler zu 16 Loth Korn ausprägt; d) der Conventions-
oder 20 fl. Fuß, von a. 1753, welcher die feine Mark zu 13⅓ Thlr. à 24 gGr.
in Sachſen, und zu 10 Speziesthaler à 2 fl. in Oeſterreich ausprägt und der Mark
ein Korn 13⅓ Loth gibt; e) der 24 fl. Fuß, wonach keine Stücke wirklich
geprägt, ſondern in Süddeutſchland die andern Münzen, beſonders des 20 fl. Fußes
berechnet werden, indem man die feine Mark zu 16 Thlr. oder 24 fl., oder die
Münzen des 20 fl. Fußes um ⅕ höher im Zahlwerthe rechnet; f) noch manchfache
Abweichungen von den lezteren beiden Münzfüßen, zu 24½, 25 fl. u. ſ. w.,
[463/0485]
²⁾ beſonders in Scheidemünzen. II. Goldmünzfüße: a) der Dukatenfuß, nach
welchem 68,027 Dukaten aus der feinen Mark geſchlagen werden und die rauhe
Mark 23⅔ Karat Korn hat; b) der Piſtolenfuß, wonach 38,7 Stücke Piſtolen
aus der feinen Mark geſchlagen werden und die Mark rauh 21 Karat 5,5 Grain
Korn hat. Man unterſcheidet übrigens geſetzmäßige und Paſſir-Dukaten und
Piſtolen. Jene ſind nach dem geſetzlichen Fuße ausgeprägt, dieſe aber abweichend
ausgemünzt und werden aber dennoch durch einander zu einem beſtimmten Werthe
angenommen.
§. 333.
b) Papiergeldkunde.
Sie iſt die Kenntniß der verſchiedenen Arten des im Verkehre
vorkommenden Papiergeldes, ſei es vom Staate oder von Noten-
banken emittirt. Da die Darſtellung der Papiergeldarten nicht
gründlich geſchehen kann, ohne die Verhältniſſe der daſſelbe aus-
gebenden Anſtalten zu erörtern, ſo iſt die Papiergeldkunde zugleich
die Geſchichte und Statiſtik der beſtehenden Staats- und
Privatnotenbanken1).
¹⁾ Die wichtigſten Notenbanken ſind jetzt die Bank von England, die britiſchen
und iriſchen Privatbanken, die franzöſiſche Bank, die Oeſterreichiſche Nationalbank,
die Stockholmer, Kopenhagener, Petersburger Bank, die Notenbank zu Rio Janeiro,
Amſterdam, Chriſtiania, Warſchau, Brüſſel, Liſſabon und die nordamerikaniſchen
Privatbanken. Man ſ. über ihre Verhältniſſe Mac-Culloch, Dictionary of Com-
merce, Deutſche Ueberſetzung I. 72 folg. Die §. 327. Note 1 angef. Schrift von
Novack. Hufeland, Neue Grundlegung der Staatswirthſchaftskunſt. Bd. II. 143.
Cohen, Compendium of Finance. London 1822. gr. 8. storch, Cours d'Economie
politique, überſetzt von Rau. III. 63. smith, The science of Money. p. 151.
Rau, politiſche Oekonomie. I. §. 310 folg. say, Cours complet d'Economie po-
litique. III. 58. 98. Ueberſetzt von v. Th. III. 46. 77. Meine Verſuche über
Staatskredit, a. v. St.
III. Von den Effecten.
A. Effectenlehre.
§. 334.
Vorbegriffe.
Die Effecten (Verſchreibungen) ſind Schuldurkunden,
welche nicht als Umlaufsmittel wie das Papiergeld1), ſondern
blos als für Geld käufliche und verkäufliche Waaren umlaufen.
Die Effectenlehre iſt die Wiſſenſchaft von den qualitativen und
quantitativen Verhältniſſen der Verſchreibungen. Die Verſchrei-
bungen ſind entweder ſolche, welche die Schuld und Zinspflichtig-
keit des Ausſtellers ausſprechen, oder ſolche, welche keine Zins-
pflichtigkeit, aber die Schuld des Ausſtellers und in der Regel
einen Zahlungsauftrag an einen Andern ausdrücken2).
¹⁾ Ihre Beſtimmung iſt nicht die des Papiergeldes (§. 329. N. 2); mit ihrer
Uebertragung auf Andere ſind Förmlichkeiten verbunden; ſie gewähren außerhalb des
[464/0486]
¹⁾ Umlaufes Vortheile, z. B. Zinſen; ſie lauten nicht immer auf den Inhaber.
sismondi, Richesse Commerciale. I. 160. Rau, polit. Oekonom. I. §. 293. N. b.
²⁾ Eine durchgreifende Unterſcheidung iſt erſtaunlich ſchwer. Rau (Grundriß
der Kameralwiſſ. §. 180. 181.) ſondert ſie in ſolche, welche nur den Ausſteller
verpflichten, und ſolche, die einen Zahlungsauftrag enthalten. Dieſer Unterſchied
iſt nicht ſcharf genug; denn auch ein Bürge übernimmt gewiſſe Pflichten, und der
trockene Wechſel enthält keinen Zahlungsauftrag.
§. 335.
1) Zinsverſchreibungen. a) Privatſchuldbriefe, b) Actien.
Die im vorigen §. genannten Zinsverſchreibungen ſind aus-
gegangen:
a) Entweder von Privatleuten, verſchiedenen Vermögens und
Ranges, und heißen dann Privatſchuldbriefe (Privatobli-
gationen). Sie ſind entweder Pfandurkunden oder Hand-
ſchriften (Schuldſcheine), jenes wenn für die Schuld eine
Hypotheke ausgeſetzt, dieſes wenn keine ſolche gegeben iſt1).
b) Oder von einer Geſellſchaft, welche ihr Kapital an die
einzelnen Mitglieder ſchuldet und heißen dann Actien (Antheil-
ſcheine). Zum Behufe irgend einer Unternehmung, welche großen
Capitalſtock erheiſcht, z. B. zu Banken, Kanalbauten, Eiſen-
bahnen ꝛc. wird eine Geſellſchaft geſtiftet, welche das erforderliche
Capital in eine beſtimmte Anzahl gleicher Theile abtheilt, und,
wer Luſt zur Theilnahme haben ſollte, eingeladen. Wer eintritt,
der hinterlegt in den Fonds derſelben einen oder mehrere ſolcher
gleichen Summen (Miſen) baar und erhält für jeden einen An-
theilſchein, in der Regel gegen die gleichmäßige Verpflichtung,
ſeine Capitalſumme der Geſellſchaft nicht aufzukündigen, wogegen
dem Verbündeten (Actionnair) der Verkauf ſeiner Actie frei-
ſteht, damit er nicht immer als Actionnair gebunden zu ſein
braucht. Wer ſie kauft, tritt auch in des früheren Beſitzers
Rechtsverhältniß zur Geſellſchaft, worunter hauptſächlich ſein
Anſpruch auf den entſprechenden Theil der geſellſchaftlichen Capi-
talſtocks und auf den beſtimmten Theil (die Dividende) des
Gewinnſtes gehört, anderſeits aber auch der entſprechende Theil
an dem ſich ergebenden Verluſte gerechnet werden muß2). Andere
Rechte ſind aber z. B. die Theilnahme an der Verwaltung des
Vermögens und Geſchäftes, Wahlfähigkeit zu Beamtenſtellen der
Geſellſchaft u. ſ. w.
¹⁾ Sie lauten meiſtens auf beſtimmte Perſonen, und ſind mit Förmlichkeiten
abtretbar. Es gibt aber auch ſolche von hohen Perſonen von großem Vermögens-
beſitze und haben dann öfters um ſo mehr die im §. 336. beſchriebene Ein-
richtungen, als ſie Antheilſcheine an einem großen Anleihen ſind, das wie ein
[465/0487]
¹⁾ Staatsanleihen negoziirt iſt. Es gibt noch mancherlei Obligationen dieſer Art,
z. B. von ehemals ſouveränen fürſtlichen, gräflichen Häuſern u. dgl. In dieſem
lezten Falle geſchieht die Verzinſung und Tilgung auf ähnliche oder die nämliche
Art, wie bei den Staatsobligationen.
²⁾ Dieſe Actien lauten entweder auf den Inhaber oder auf beſtimmte Perſonen.
Die Geſellſchaft hat entweder die Verpflichtung eingegangen, periodiſch eine gewiſſe
Quantität Actien zu tilgen, oder ſie hat dies nicht gethan. Dies hängt von der
Natur des Geſellſchaftsgeſchäftes ab; ſowie es auch von den Handelsverhältniſſen
abhängt, ob, wann und wie viel Actien getilgt werden ſollen, wenn ſich die Geſell-
ſchaft hierin nicht beſchränkt hat. Die Verzinſung und Tilgung ſelbſt geſchieht in
der Regel unter den Formen der Staatsanleihen. Die Geſchäfte der Verwaltung
ſelbſt ſind aber nach der Natur der Unternehmung verſchieden.
§. 336.
Fortſetzung. c) Gemeindeobligationen; d) Staats-
obligationen.
Die Zinsverſchreibungen können auch ausgegangen ſein:
c) Von Gemeinden und heißen dann Gemeindeobligationen.
Sie ſind entweder Obligationen von Landgemeinden oder Stadt-
obligationen. Jene haben ſo wie die Obligationen kleinerer und
mittlerer Städte das Meiſte mit den Privatobligationen gemein.
Die Obligationen großer Städte, wie z. B. Wiener, Pariſer,
Londoner Stadtobligationen, dagegen haben meiſtens die Formen
von Staatsobligationen.
d) Oder von Staaten und heißen dann Staatsobligationen
St. Schuldſcheine, St. Papiere, franz. fonds publics, effets
publics, engl. stocks)1).
A. Arten der Staatsobligationen2). Dieſelben ſind
verſchieden nach der Art der Anleihen. Hiervon aber hat man
folgende:
1) gegenſeitig aufkündbare, mit landüblichen Zinſen und getrenn-
ter Tilgung und Verzinſung;
2) gegenſeitig unaufkündbare, unter dieſen aber wieder
a) ſolche, deren Tilgung und Verzinſung vertragsmäßig
beſtimmt und außerhalb der Willkühr der Contrahenten
geſetzt iſt, nämlich:
α) entweder Anleihen mit feſten Tilgterminen, ge-
trennt von der Verzinſung,
β) oder Anleihen mit feſten Tilgterminen, verſchmol-
zen mit der Verzinſung (Zeit-, Leibrenten, Ton-
tinen, Lotterieanleihen)3);
b) ſolche, deren Verzinſung in jährlichen Renten beſteht
und deren Tilgung blos durch Aufkauf aus dem freien
Verkehre Statt findet (immerwährende Renten)4);
3) einſeitig vom Staate aufkündbare (auch Renten genannt)5).
Baumſtark Encyclopädie. 30
[466/0488]
B. Negociation und Formen der Staatsanleihen
und Obligationen. Die Staatsanleihen werden entweder auf
Subſcription oder auf dem Wege der eigentlichen Negoziirung ver-
wirklicht, in welchem lezteren Falle der Staat die vortheilhafteſten
Anerbietungen annimmt. Die Obligationen lauten aber entweder
auf den Inhaber oder auf namentlich angeführte Perſonen. Im
lezteren Falle heißen ſie Inſcriptionen, weil ſie nämlich ſämmt-
lich in einem großen Buche aufgeſchrieben ſind, und jedesmal auf
einen anderen Beſitzer in demſelben umgeſchrieben werden, wenn
ſie an eine andere Perſon abgetreten werden. Zur Erleichterung
der Ueberſicht, der Zins- und Tilgoperationen, und aus polizei-
lichen Rückſichten werden ſämmtliche Obligationen eines Anleihens
in Reihen (Serien) und dieſe in einzelne Nummern abgetheilt.
C. Verzinſung und Tilgung der Staatsanleihen.
Die Zinſen der Staatsſchuld werden terminweiſe erhoben, und man
kann ſich zuweilen und in manchen Staaten auch an andern Plätzen
als in der Hauptſtadt, wo die Tilg- und Zinskaſſe iſt, ausbezahlen
laſſen. Bei jeder Zinszahlung gibt man eine von den Quittungen
(Coupons), welche den Obligationen beigegeben werden, hin, und
ſie werden erneuert, wenn ſie alle abgegeben ſind, ohne daß das
Anleihen anheim bezahlt wurde. Zuweilen erlaubt ſich ein oder der
andere Staat mit Einwilligung der Gläubiger eine Herabſetzung
der Zinſen (Zinſenreduction). Zur Anheimzahlung der Schul-
den haben die Staaten außerordentliche und ordentliche Quellen.
Die lezteren ſind planmäßig berechnet und bilden die Grundlage
der Tilgplane, wozu eigene Tilg- oder Amortiſationskaſſen
eingerichtet und beſonders verwaltet werden. Die Tilgung geſchieht
entweder in beſtimmten voraus ſtipulirten Terminen oder, wo dieſe
nicht einberaumt ſind, wie z. B. bei den immerwährenden Renten,
in der Art, daß die Tilgkaſſe durch Commiſſaire aus freier Hand
Aufkäufe an Obligationen macht. Im erſten Falle werden die
anheim zu bezahlenden Obligationen durch das Loos beſtimmt.
Die Ziehung, welche nach Serien und Nummern geſchieht, geht
der Zahlung immer einige Monate vorher.
¹⁾ Zur Literatur: Nebenius, der öffentliche Credit. Carlsruhe 1829. 2te Aufl.
Ir Bd. (claſſiſch). v Gönner, Von Staatsſchulden. München 1826. 1te Abthl.
Bender, der Verkehr mit Staatspapieren. Göttingen 1830. 2te Auflage (mehr
juriſtiſch, als techniſch). Meine Verſuche über Staatskredit, Staatsſchulden und
Staatspapiere. Heidelberg 1833.
²⁾ Meine Verſuche S. 225. vrgl. mit Nebenius I. 314. v. Gönner I. §. 41.
³⁾ Die Zeitrenten werden jedem einzelnen Gläubiger und deſſen Rechtsnachfolger
eine Reihe von Jahren hindurch, — die Leibrenten nur ſo lange, als er lebt, —
und die Tontinen an eine ganze Geſellſchaft, bis das lezte Glied geſtorben iſt, aus-
[467/0489]
³⁾ bezahlt und enthalten in jeder Zahlung einen Theil des Capitals nebſt den Zinſen.
Die Lotterieanleihen haben ihren Namen daher, daß die Zinszinſen, ein Theil der
Zinſen oder ſelbſt auch ein Theil des Capitals zu einem gemeinſchaftlichen Fonds
zurückbehalten werden, aus dem jedes Jahr eine Summe zu verſchiedenen Gewinnſten
ausgehoben und abgetheilt wird. Das Loos entſcheidet ebenſo, wie über die anheim-
zuzahlenden Obligationen (Looſe), auch über die Treffer unter dieſen Lezteren und
der geringſte Bezug ſoll immer gleich dem urſprünglichen Capitale ſammt den rück-
ſtändigen Zinſen ſein, im Falle daß die Lezteren nicht jährlich ausbezahlt, ſondern
bis zur Schuldentilgung zurückbehalten werden.
⁴⁾ ⁵⁾ Den Namen Renten und immerwährende Renten (franz. Rentes perpe-
tuelles, engl. Perpetual Annuities) haben ſie daher, weil ihre Tilgungszeit ganz im
Belieben des Staats liegt.
§. 337.
2) Zinsloſe Verſchreibungen. a) Wechſel.
Unter Wechſel (franz. Lettre de Change, ital. Cambio,
engl. Bill of Exchange) verſteht man eine, den Namen Wechſel
ausdrücklich führende und darum unter beſondere Rechts- und
Prozeßgeſetze geſtellte ſchriftliche unverzinsliche Urkunde, welche
die von Jemanden übernommene Verbindlichkeit ausgedrückt ent-
hält, zu einer gewiſſen Zeit an beſtimmten oder unbeſtimmten Orte
eine Geldſumme ſelbſt oder durch einen Anderen an eine zweite
Perſon auszubezahlen1). Das Wechſelinſtitut an ſich bietet fol-
gende Hauptmomente der Betrachtung:
A. Entſtehung des Wechſels. Er verdankt ſie den mit
ihm verbundenen manchfachen Vortheilen im Handel und Verkehre,
nämlich nicht blos als Erleichterungsmittel der Zahlungen, als
Mittel zur ſchleunigen Benutzung des Kredits, als Urkunde von
der größten Sicherheit im Handel, und als Gegenſtand eines ge-
winnreichen Handels, ſondern auch wegen ſeiner Bequemlichkeit,
für jeden Reiſenden2).
B. Perſonen des Wechſels. Es kommen im Wechſel drei
Perſonen vor, nämlich der Wechſelausſteller (Zieher, Traſſant,
Tireur), der Wechſelkäufer (Inhaber, porteur, beziehungs-
weiſe auch Remittent, Präſentant) und der Wechſelzahler (Be-
zogene, Traſſat, beziehungsweiſe auch Acceptant)3).
C. Erforderniſſe und Umlauf des Wechſels. Der
Wechſel ändert ſeine Geſtalt nach den verſchiedenen Stadien ſeines
Umlaufes, und die ſich einſtellenden Erforderniſſe ſind, weil von
ihnen ſeine Rechtsgiltigkeit abhängt, von äußerſter Wichtigkeit.
Man unterſcheidet am beſten folgende Stadien des Umlaufs:
α) wann ihn der Ausſteller übergibt4); β) wann er von der Hand
eines Käufers in die des anderen übergeht5); γ) wann er beim
Bezogenen präſentirt wird6); δ) wann er vom Bezogenen bezahlt
(honorirt) wird7).
30 *
[468/0490]
D. Arten des Wechſels. Die Wechſel ſind verſchiedener
Art: α) je nach den darin genannten Perſonen8); β) nach der
Zeit, wann ſie bezahlt werden müſſen9); γ) nach der Uebernahme
derſelben10); δ) nach der merkantiliſchen Urſache der Zahlungs-
pflicht des Bezogenen11); ε) nach dem Orte der Fälligkeit der Zah-
lung12); ζ) und nach der Menge der ausgeſtellten Exemplarien13).
E. Aechtheit und Verfälſchung des Wechſels. Man
unterſcheidet die ächten, falſchen, d. h. ſchon falſch ausgeſtellten,
und die verfälſchten, d. h. während ihres Umlaufs trügeriſch
veränderten Wechſel14).
¹⁾ Zur Literatur: Büſch Darſtellung. I. 56. Leuchs Syſtem. I. §. 239.
II. §. 483. Bleibtreu Handbuch. S. 64. Murhard Theorie. I. 357. Ben-
der Wechſelrecht. I. 213. Muſäus Wechſelrecht. §. 111. 116. und andere Schrif-
ten über Handels- und Wechſelrecht. Ueber den Begriff von Wechſel ſind die Rechts-
gelehrten uneinig. Die Handelslehre nimmt ihn von der rein merkantiliſchen Seite.
²⁾ Auch um die Entſtehung oder Erfindung des Wechſels ſtreiten ſich die
Rechtsgelehrten. In der Mitte des 13ten Jahrhunderts trifft man ſchon ſichere
Spuren; am Anfange des 14ten Jahrhunderts aber iſt das Wechſelinſtitut ſchon weit
ausgebildet. Ehe man Geldwechſelgeſchäfte kannte, alſo vor den Geldwechslern
(Campsores), kann der Wechſel nicht vorkommen. Hüllmann Städteweſen im
M. A. I. 442. v. Martens, Verſuch einer hiſtoriſchen Entwickelung des wahren
Urſprungs des Wechſelrechts. Göttingen 1797. S. 8 folg.
³⁾ Auch über die Anzahl der Wechſelperſonen ſind die Juriſten im Streite.
Allein die Natur der Sache bringt ſchon drei mit ſich. Wenn mehrere Namen vor-
kommen, ſo drücken dieſe nur verſchiedene Beziehungen einer und derſelben Perſon
aus. S. unten Note 8.
⁴⁾ Er muß ausdrücken den Namen „Wechſel“, Ort und Zeit der Ausstel-
lung, Addreſſe des W. Empfängers mit dem Zuſatze „an die Verordnung (Ordre)“,
jene des Traſſaten, die Beſtimmung der Qualität und Quantität der W. Summe
(Valuta) in Zahlen und Buchſtaben, Ort und Zeit der Fälligkeit (Zahlbarkeit), die
Unterſchrift des Ausſtellers, die Beſcheinung und Anzeige der Art des Empfangs
oder der Verrechnung der Valuta durch die Beiſätze, z. B. Werth erhalten, ver-
gnügt, contant, W. in Waaren, W. verſtanden, W. in Rechnung u. dgl., und
die Notiz an den Traſſaten, wie er dem Traſſanten die Valuta verrechnen ſoll, z. B.
ob nach beſonderm Berichte, Avis u. dgl.
⁵⁾ Dann muß auf der Rückſeite des Wechſels die Uebertragung kurz angezeigt
werden. Man heißt dieſes das Indoſſament oder Giro, den Uebertragenden
aber Indoſſant oder Girant, und den Uebernehmer Indoſſatar oder Gira-
tar. Giro in bianco iſt ein Indoſſament mit leerem Platze für den Namen des
Giratars.
⁶⁾ Hier kommt vor die Beſcheinigung der Acceptation des Wechſels. Man unter-
ſcheidet die ordentliche und die außerordentliche Acceptation. Jene iſt die gewöhn-
liche Annahme des Wechſels ohne irgend einen Widerſpruch. Dieſe aber findet Statt,
wenn der Traſſat den Wechſel nicht in ſeiner vollen Form, oder wenn ihn der für
den Fall der Noth Addreſſirte (die Nothaddreſſe) oder ein Dritter im Wechſel nicht
Genannter zu Gunſten, Ehren oder Freundſchaft des Ausſtellers oder Inhabers
acceptirt. Dies iſt die Intervention zu Ehren. Im Falle einer ganzen oder theil-
weiſen Verweigerung der Acceptation wird die Erklärung des Nichtacceptanten auf
Veranlaſſung des Inhabers gerichtlich zu Protocoll genommen. Dieſe Rechtshandlung
heißt Proteſt.
⁷⁾ Dann wird auf den Wechſel die Zahlung beſcheinigt. Die Zahlung kann
aber in manchen Städten einige Tage (Reſpecttage) über den Verfalltag noch
[469/0491]
⁷⁾ hinaus verſchoben werden. Entweder zahlt der Traſſat aus eigenen Mitteln, oder
er hat die W. Summe vom Traſſanten (die Proviſion) zugeſchickt erhalten. In
der Regel hat er aber bereits einen Brief zur Nachricht (einen Aviſo) empfangen.
Man nennt dieſen Brief Spaccio (vielf. Zahl Spachi oder Spachij), wenn darin
mehrere Wechſel für einige Zeit angekündigt werden.
⁸⁾ Nämlich: a) trockene (eigene) Wechſel, worin der Ausſteller blos
verſichert, daß er nach Wechſelrecht bezahlen werde, und alſo die Perſon des
Traſſanten und Traſſaten vertritt; b) traſſirte (gezogene) Wechſel (Trat-
ten), worin dieſe beide Perſonen verſchieden ſind; c) Tratten auf eigene
Ordre, worin der Ausſteller für ſich ſelbſt und für eigene Verordnung (nämlich
W. Inhaber) traſſirt; d) fingirte Wechſel, worin der Name des Inhabers
blos fingirt iſt; e) Tratten für fremde Rechnung, worin der Ausſteller auf
Rechnung eines Zweiten für eine Forderung an denſelben und mit deſſen Erlaubniß
die Wechſelſumme auf einen Dritten traſſirt. Die Wechſel c und d werden aus-
geſtellt, z. B. um die Acceptation zu verſuchen. Die Wechſel e müſſen immer
einen Aviſobrief voraus haben.
⁹⁾ Nämlich: a) Sichtwechſel, zahlbar auf Sicht, d. h. bei der Präſen-
tation; b) Piacerewechſel (a volonté, a piacere), nach Belieben des Präſen-
tanten zahlbar; c) Uſowechſel (nach Uso), nach Gebrauch zahlbar; d) Dato-
wechſel (a Dato), eine beſtimmte Zeit nach dem Datum des Wechſels zahlbar;
e) Präciswechſel, auf dieſes Datum fällig; f) Meßwechſel, auf einer be-
ſtimmten Meſſe zu honoriren.
¹⁰⁾ Nämlich: a) Interimswechſel, d. h. Beſcheinigung desjenigen, der
den Wechſel ausſtellen will, daß er die W. Summe bereits erhalten und den Wechſel
in beſtimmter Zeit zu liefern habe; oder umgekehrt die Beſcheinigung desjenigen,
der den Wechſel nöthig hat, daß er denſelben erhalten und die W. Summe in
beſtimmter Friſt zu entrichten habe; b) Rückwechſel, d. h. die unter Wechſel-
form gegebene ſchriftliche Forderung, welche der Wechſelinhaber wegen verweigerter
Acceptation an denjenigen geſetzlich zu machen hat, der ihm den Wechſel verkauft
hat; c) gemachte Wechſel, d. h. ſolche, welche der W. Verkäufer ſchon von
anderen erhalten hat und durch Indoſſament übergibt; d) indoſſirte oder
girirte Wechſel (Note 5); und e) Wechſel von der Hand, von Verkäufer
ſelbſt neu ausgeſtellt.
¹¹⁾ Hiernach ſind ſie verſchieden mit Bezug auf die im Wechſel deßhalb ge-
brauchten Ausdrücke (Note 4). Eine beſondere Art derſelben ſind die Abſchluß-
wechſel (Appunti, Appoints), die nämlich gerade für einen Schuldreſt beim Rech-
nungsabſchluſſe ausgeſtellt werden.
¹²⁾ Das ſind a) domicilirte Wechſel, welche an einem andern als dem
Wohnorte des Bezogenen zahlbar ſind; b) aller Orten zahlbar geſtellte
Wechſel; c) prolongirte Wechſel, die nach der erſten Verfallzeit auf eine
weitere Friſt verlängert werden.
¹³⁾ Man unterſcheidet die Solawechſel, Wechſelduplicate und Wech-
ſelcopien. Die Solawechſel haben keine Duplicate, ſondern exiſtiren allein
in einem einzigen Originale. Die Duplicate, wovon die Exemplarien der Reihe
nach Prima, Secunda, Tertia, Quarta heißen, ſind lauter Originalien, und auf den
Secunda und folg. Wechſeln muß bemerkt ſein, wo Prima zu finden ſei. Es wird
nur ein Original honorirt. Die Wechſelcopie, welche es von jedem Wechſel
geben kann, iſt eine wörtliche Abſchrift des Wechſels mit Angabe von Ort und
Perſon, wo und bei welcher das Original deponirt iſt. Die Copie kann dann wie
ein Original umlaufen.
¹⁴⁾ Daher iſt in allen Wechſelgeſchäften die größte Behutſamkeit nöthig.
[470/0492]
§. 338.
Fortſetzung. b) Anweiſungen; c) Handelsbillets.
Unter Anweiſung (Aſſignation) verſteht man eine den Namen
Anweiſung, aber nicht Wechſel, führende Urkunde von der
übrigen Form eines Wechſels1).
Aber Handelsbillets ſind Scheine zwiſchen Handelsleuten,
worin die durch einen Kauf zugezogene Schuldſumme von dem
Käufer anerkannt und die Zahlung nach Ablauf einer Friſt (nöthi-
genfalls unter Wechſelſtrenge) verſprochen wird. Sie verdanken
ihre Entſtehung dem Handel, ſind aber jetzt auch ohne Handels-
geſchäft und unter Nichthandelsleuten gebräuchlich2). Es gibt
deren in Deutſchland3), Frankreich4) und England5) verſchiedene
Arten, und es iſt überhaupt in jedem Lande die beſondere Geſetz-
gebung darüber zu ſtudiren.
¹⁾ Die kaufmänniſche Anweiſung dieſer Art hat eine andere Bedeutung als
die gewöhnliche. Bender Wechſelrecht. II. S. 33.
²⁾ Sie muß ausdrücken: die Kreditſumme nach Münzfuß und Währung, die
Zeit der Fälligkeit, den Grund der Schuld, die Unterſchrift des Schuldners, den
Namen des Gläubers, das Datum der Ausſtellung und die Anerkennung der Wechſel-
ſtrenge für den Fall der Noth.
³⁾ Das Badiſche Handelsrecht Art. 190. unterſcheidet z. B. die Zettel auf
Erhebung (blos an den darin Genannten zahlbar), Zettel auf Umlauf (auf
jeden Giratar zahlbar) und die Zettel auf den Inhaber (blos vom Staate oder
offenen Wechſelhäuſern ausgeblich). In Preußen iſt wegen der Ausſtellung von
Papieren der lezten Art eine Verordnung vom 17. Juni 1833 erſchienen. S. Preuß.
Geſetzſammlung 1833. Nro. 11.
⁴⁾ In dieſem Lande hat man a) Billets à ordre, ein Handelsbillet mit dem
ausdrücklichen Zuſatze bon oder approuvé pour ...... welche vom Geſetze aner-
kannt ſind (Code civil. Art. 1326.); b) Billets à domieile, Handelsbillets mit
einem vom Ausſtellungsorte verſchiedenen Zahlungsorte (Merlin Répertoire. VIII.
767.); c) Billets au porteur, ſolche, die auf den Inhaber lauten oder worin der
Name des Inhabers nicht ausgefüllt iſt.
⁵⁾ In dieſem Staate gibt es: a) Promissory Notes, Scheine, worin der
Ausſteller nach beſtimmter Zeit an eine Perſon oder deren Ordre eine Summe zu
bezahlen verſpricht, ſie gelten in England für inländiſche Wechſel, ſind girirbar und
lauten oft auf den Inhaber; b) Bankers Notes, auf den Inhaber geſtellte Caſſa-
ſcheine, auf Sicht zahlbar und von Bankern ausgeſtellt, auch dieſe ſtehen den inlän-
diſchen Wechſeln gleich; c) Checks, Gutſcheine, welche im Clearinghouse (Abrech-
nungshauſe) zu London unter den Handelshäuſern, die ſich dazu vereinigt haben
und dort Commis zur Buchführung halten, wechſelſeitig für Forderungen übergeben
und abgeglichen werden. Babbage Maſchinenweſen. §. 141. 142.
B. Effectenkunde.
§. 339.
Die Effectenkunde iſt die Kenntniß von den verſchiedenen
Arten und Verhältniſſen der aufgeführten Verſchreibungen in den
[471/0493]
verſchiedenen Ländern. Sie muß, wenn ſie vollſtändig ſein ſoll,
nicht blos die verſchiedenen Verhältniſſe der Actiengeſellſchaften
und Actien, Staatsſchuldverhältniſſe und Staatsobligationen, wech-
ſelgeſetzlichen und wechſelgebräuchlichen Verhältniſſe der Länder,
ſondern auch diejenigen Privat- und Gemeindeobligationen und
Actien aufzählen und ihren Verhältniſſen nach erklären, welche im
Handel vorkommen1).
¹⁾ Ueber Obligationen und Actien ſ. m. Feller, Archiv der Staatspapiere.
Leipzig 1830. Meine Verſuche über Staatskredit. S. 578. Heinemann, die
Staatspapiere und der Verkehr mit ſelbigen. Berlin 1832. Ueber die Wechſelver-
hältniſſe ſ. m. §. 332. Note 1.
Zweite Unterabtheilung.
Die Lehre von der Gegengabe im Handel.
I. Vom Preiſe im Handel.
§. 340.
Die Gegengabe im Handel iſt nichts als der Handelspreis (§. 56-
61.). Derſelbe richtet ſich nicht blos nach den Regulatoren des Preiſes
im Allgemeinen, ſondern iſt auch ebenſo verſchiedener Art als die Han-
delsobjecte. Insbeſondere werden, obſchon das Geld das allgemeine
Handelsmittel iſt, die Preiſe nicht immer in Geld bezahlt. Viel-
mehr je ausgedehnter das Handelsgeſchäft iſt, um ſo weniger ge-
ſchehen die Zahlungen zwiſchen den Handelsleuten ſelbſt unmittelbar
in Baarem. Deshalb iſt es unrichtig und hat ſchon viele falſche
Schlüſſe verurſacht, wenn man bei dem Ausdrucke Preis blos
einen Geldpreis dachte. Der Preis der Waaren muß übrigens,
wenn ſie aus der Hand des Kaufmannes bezogen werden, beſtehen:
a) aus dem Einkaufspreiſe, den derſelbe ausgelegt hat; b) aus
den Handelsunkoſten verſchiedener Art; c) aus den Zinſen des im
Waarenpreiſe vorausgelegten Capitals; d) aus dem die Waare
betreffenden Antheile an dem Zinſe des ganzen allgemeinen Hand-
lungskapitals, und e) aus dem entſprechenden Theile des Gewerbs-
gewinnes des Handlungsunternehmers.
II. Von der Erſtattung des Preiſes.
§. 341.
Entweder wird der Preis der Waaren ſogleich nach Empfang
derſelben in den üblichen Umlaufsmitteln bezahlt oder die Zahlung
wird mit Einverſtändniß des Verkäufers hinausgeſchoben oder ſie
geſchieht durch gegenſeitige Abgleichung von Forderungen und
[472/0494]
Schuldigkeiten, oder endlich ſie geſchieht durch Umſchreiben in
einem gemeinſchaftlichen Buche unter Zugrundelegung eines baaren
gemeinſchaftlichen Fonds.
A. Von der Bezahlung.
§. 342.
Die Bezahlung geſchieht entweder vor, oder zur, oder nach
der Zeit der Fälligkeit, wie ſie im Handel angenommen iſt. Der
erſte Fall geſtattet dem Zahler einen Zinſenabzug für die Zeit,
um welche er zu frühe bezahlt. Dieſer Zinſenabzug heißt Rabatt
oder Disconto1). Der lezte Fall aber berechtigt den Empfänger
zu einer Zinsforderung für die Zeit, um welche zu ſpät bezahlt
worden iſt. Der Schuldner macht ſeine Zahlung ſelbſt oder durch
einen Commiſſionär; ebenſo kann ſie auch der Gläubiger in Em-
pfang nehmen laſſen. Der Commiſſionär braucht dazu eine Voll-
macht, wenn er nicht durch Anweiſung, Wechſel oder Billet dazu
autoriſirt iſt. Auf die geleiſtete Zahlung erfolgt eine Quittung.
¹⁾ Die Zahlung deſſelben beruht eigentlich auf dem Satze, daß, wenn z. B.
Einer eine Summe erſt nach 1 Jahr bezahlen ſolle, dieſelbe aber jetzt ſchon bezahlt,
er keineswegs den Zins von dem zu bezahlenden Capitale abziehen, ſondern nur ein
ſolches Capital bezahlen darf, welches nach einem gewiſſen Procente mit ſeinem
einjährigen Zinſe am Ende des Jahres gerade ſo viel ausmacht, als die wirkliche
Schuldſumme beträgt. Auf jene an ſich unrichtige Art wird er im Handel berechnet.
Auf dieſe, richtige, Methode findet man denſelben leicht nach der Formel
[FORMEL], wo S = ganzen Summe, wovon der Rabatt zu zahlen
iſt, p = dem angenommenen Procente und [FORMEL] = dem Rabatte von 1 (fl.,
Thlr., L., Mark ꝛc.).
B. Von dem Verſchieben der Zahlung.
§. 343.
Die Verſchiebung der Zahlung ſetzt den Kredit voraus, d. h.
das Zutrauen auf den Willen und das Vermögen des Schuldners
eine freiwillig eingegangene Verpflichtung oder verſprochene Leiſtung
zu erfüllen1). Der Geldkredit iſt nur eine beſondere Art des-
ſelben, und der Handelskredit iſt jenes hohe Zutrauen der Han-
delsleute unter einander in Bezug auf alle Verſprechungen, Lei-
ſtungen und Geſchäfte, welches dem Handel eigenthümlich iſt und
als lezte Grundlage dient. Der Kredit iſt entweder perſönlicher
(auf den Willen) oder hypothekariſcher (auf ausgeſetztes Ver-
mögen). Deshalb unterſcheidet man auch chirographiſche (hand-
ſchriftliche, Buch-, Current-) und hypothekariſche Schulden2).
[473/0495]
Jene Schulden ſind im Handel gewöhnlich unter den Kaufleuten
bis zur Abrechnung und ſie beruhen auf dem kaufmänniſchen Kre-
dite. Dem Handelsmanne muß daher viel an deſſen Erhaltung
gelegen ſein und er findet die Mittel dazu in der pünktlichen
Führung ſeiner Handlung, in ſoliden Geſchäften und Geſchäfts-
verbindungen, ſo wie durch genaue Erfüllung ſeiner Verbindlich-
keiten3). Es werden für die Buchſchulden im Handel keine Zinſen
bezahlt, aber für die anderen.
¹⁾ Meine Verſuche über Staatskredit. S. 6.
²⁾ Büſch Darſtellung. I. 35. II. 61.
³⁾ Büſch. I. 35. II. 54.
C. Von dem Compenſiren und Scontriren.
§. 344.
Es werden viele Baarzahlungen erſpart, wenn man gegenſeitig
im Handel die Schulden und Forderungen abgleichen kann. Denn
es bedarf in dieſem Falle höchſtens der Zahlung des Schuldreſtes.
Es treten, da man im Handel dieſes Mittel benutzt, hauptſächlich
zwei Fälle ein, nämlich a) das Compenſiren (Abrechnen, Ab-
gleichen), wenn zwei Handelsfreunde ihre gegenſeitigen Forderun-
gen, jeder ſeinerſeits zuſammenrechnen, dann gegenſeitig aufheben
und einen etwaigen Reſt ausbezahlen; b) das Scontriren (Ris-
contro, Contrapoſition, Ueberweiſung, Viremens), wenn eine
ſolche, aber natürlicherweiſe complizirtere, Abrechnung unter meh-
reren Handelsfreunden geſchieht, welche gegenſeitig im Schuldner-
und Gläubigerverhältniſſe ſtehen1).
¹⁾ Eine eigenthümliche Einrichtung zu dieſen Zwecken iſt das Clearinghouse in
London (§. 338. Note 5. c.). Es werden darin täglich zwiſchen 2 und 15 Mill.
L. st. Baares ausgeglichen, ſo daß man im Durchſchnitte annehmen kann, man
bedürfe zur Berichtigung von 3½ Mill. im Ganzen blos 200000 L. st. Banknoten
und 20 L. st. Münze. senior, Three Lectures on the transmission of precious
Metals (2te Ausg.). p. 22. smith, the science of Money. p. 62.
D. Von den Giro- oder Umſchreibebanken.
§. 345.
Man verſteht unter den Girobanken1) Bankanſtalten, wobei
einzelne Theilnehmer Metallgeldſummen in vollwichtigen inländiſchen
Münzen, oder Barren oder ausländiſche Goldſtücke gleich Barren
gerechnet in einer gemeinſchaftlichen Kaſſe aufbewahren, mit dem
Zwecke, die Zahlungen anſtatt in Baarſchaft, durch bloßes Ab-
und Zuſchreiben in dazu beſtimmten Rechnungsbüchern zu machen.
[474/0496]
Das Weſentliche iſt alſo die Aufbewahrung und Unveränderlichkeit
der Geldmünzen und Barren. Obſchon ſie von den Zettelbanken
(§. 330.) weſentlich verſchieden ſind, ſo findet doch auf ſie die
allgemeine Anſicht der Banken Anwendung. Die Entbehrlichkeit
der Baarzahlungen, die Sicherheit der Münzen gegen Verſchlech-
terung, der höhere Werth des Bankgeldes2) gegen das Courant-
geld, und der aus dieſen Umſtänden entſtehende Gewinn3) für die
Bankglieder hat ihre Entſtehung veranlaßt4). Sind ſie nun
ſchon in allen bisher erwähnten Beziehungen ganz von den Zettel-
banken verſchieden, ſo ſind ſie es nicht weniger in Bezug auf ihre
Verfaſſung. Denn jedes Mitglied bekommt für ſeine Einlage
(Mise) keine Actie, ſondern in dem großen Bankbuche ein Folio
zur Aufzeichnung der Einlage, der Ab- und der Zuſchreibungen
eröffnet; die Umſchreibung, beziehungsweiſe die Zahlung, geſchieht
nur auf perſönlichen Conſens des Eigenthümers; die Bankgeſell-
ſchaft iſt eine geſchloſſene, welche Gewinn und Verluſt unter ſich
theilt, während bei Zettelbanken die Actien- und Noteninhaber
verſchiedene Intereſſen und Rechte haben5). Weil das Element
der Girobank die Unveränderlichkeit und Bereithaltung des Bank-
fonds iſt, ſo entſprechen ihrem Weſen auch keine anderen Opera-
tionen, als das Umſchreiben (Giriren) und das Deponiren und
Verwahren von Depoſiten, weßhalb ſie auch Depoſitobanken heißen6).
Und die oberſten Grundſätze ihrer Politik ſind die Unverletzlichkeit
der Depoſiten, Bewahrung eines ſtetigen Werthes und Curſes des
Bankgeldes und durchgreifende ſtrenge Geſchäftscontrole7).
¹⁾ S. oben §. 330. Note 1. Auch Galiani Della Moneta. II. 210. Es hat
früher ſolche zu Venedig, Amſterdam, Nürnberg, Rotterdam und Berlin gegeben.
Jetzt iſt nur noch die Hamburger von Wichtigkeit. S. Büſch, Von den Banken.
S. 160 folg. Ganilh, Des systemes d'Economie politique. II. 158. storch,
Cours d'Economie politique. Ueberſetzt von Rau. III. 63. 463. Marverger,
Beſchreibung der Banquen. Leipzig 1723. 4. Rau polit. Oekonom. I. §. 283. und
andere nationalökonomiſche Schriften.
²⁾ Die Girobank nimmt nämlich das Courantgeld zu einem eigenen Werthe an.
Z. B. die Hamburger Bank rechnet das Silbergeld, welches ſie acceptirt, ſo an,
daß 9[FORMEL] Rthlr. à 48 Schilling. lüb. Banco auf die feine köln. Mark gehen. Man
hat ſich alſo hierher die Ausdrücke Banco und Courant zu erklären. (Buſe Geld-
kunde. II. 149. Büſch Darſtellung. I. 51.) Es wird daher auf das Courantgeld
ein Aufgeld (Agio) gegeben, oder vom Bankgelde ein Abgeld (Disconto) genommen.
³⁾ Der Gewinn ergibt ſich aus den Erſparniſſen der Theilhaber und aus dem
(Note 2) Geſagten. Büſch, Ueber Banken. §. 8.
⁴⁾ Meine Verſuche. S. 129. Murhard Theorie des Handels. I. 361.
⁵⁾ Büſch, Ueber Banken. §. 6. 10. 11. 16. 17.
⁶⁾ Büſch a. a. O. §. 13. 14. 18. 21. 23. Doch findet man von ihnen auch
Darleihens- und Kaufgeſchäfte, jedoch ohne Veräußerung von deponirten Fonds,
ſondern auch blos durch Umſchreibung vollführt.
[475/0497]
⁷⁾ Es folgt daraus als Regel die Behutſamkeit in Geſchäften, im Ausgeben
von Folien, in der Einnahme von Fonds (Büſch a. a. O. §. 40.) und im Oeffnen
und Schließen der Kaſſe. Büſch a. a. O. §. 48. Deſſelben Darſtellung. I. 24.
II. 19–54. 167. 201.
Zweites Stück.
Beſondere Handelslehre.
§. 345. a.
Die beſondere Handelslehre gibt einen ſyſtematiſchen Un-
terricht von den verſchiedenen Arten des Handels. Es gibt zwar
eine große Anzahl von verſchiedenen Handlungsunternehmungen,
allein ſie laſſen ſich dennoch ſehr leicht nach den Objecten, Sub-
jecten und Wegen, auf welchen ſie betrieben werden, logiſch
ordnen.
Erſte Unterabtheilung.
Handelsarten nach den Handelsgegenſtänden.
I. Vom Waarenhandel.
§. 346.
Der Waarenhandel iſt der Handel mit Waaren (§. 320. a.) im
Gegenſatze des Geldes und der Effecten. Die Anzahl der Unter-
arten iſt außerordentlich groß; ſo daß hier eine Darſtellung derſel-
ben nicht wohl thunlich, ſelbſt wenn ſie auch meiſtens, wie nicht
der Fall iſt, einen wiſſenſchaftlichen Charakter hätten. Er kann
im Allgemeinen nur ein Handel mit Urerzeugniſſen und Kunſt-
erzeugniſſen ſein. Die Manchfaltigkeit dieſer beiden iſt aber er-
ſtaunlich groß1).
¹⁾ Zum Handel mit Kunſterzeugniſſen gehört auch der Buch- und Kunſthandel,
welcher dermalen in Deutſchland ſeinen Mittelpunkt in Leipzig hat, wohin alle
ſüd- und norddeutſchen Verleger ihre Artikel in eigene oder Commiſſionslager ſchicken.
Es iſt daſelbſt jährlich eine Oſter- und Michaelis-Meſſe. Man unterſcheidet übri-
gens die Verlags- und die Sortiments-Handlungen. Jene nehmen Artikel in Verlag,
dieſe aber verſchaffen ſolche auf Beſtellung. Alle neuen Erſcheinungen in Wiſſenſchaft
und Kunſt (Novitäten) werden an die deutſchen Buchhandlungen zum Verkaufe ver-
ſendet, ſo daß alſo ſämmtliche unter ſich aus Auftrag gegen Gewinnſtprocente
(25%, 33⅓% Rabatt und drüber) den Verkauf möglichſt beſorgen (wobei ſie in
der Regel ſelbſt 10% Rabatt und drüber geben), und das, was ſie nicht abſetzen,
nach Jahresfriſt wieder zurückſenden (Remiſſionen).
II. Vom Geldhandel.
§. 347.
Mit Geldhandel bezeichnet man das Eintauſchen einer Geld-
ſorte gegen eine andere und das Vertauſchen der Lezteren gegen
[476/0498]
eine dritte des Gewinnes willen. Das Geld iſt dabei Waare und
Tauſchmittel1). Wer dieſen Handel treibt, heißt in der Regel
Banker (Banquier) und muß die genaueſten Kenntniſſe in der
Geldlehre und Geldkunde haben. Das Geld hat als Waare auch
ſeinen Preis, man nennt ihn nur Curs. Derſelbe richtet ſich nach
den oben (§. 58. und 59.) angegebenen Preisregulatoren, nur in
beſonderer Anwendung auf die Geldſorten und folglich nach allen
in der Geldſorte und in der Außenwelt gegebenen Umſtänden,
welche auf jene Preisregulatoren von Einfluß ſind. Man erfährt
den Geldcurs aus den Geldcurszetteln, d. h. aus gedruckten
obrigkeitlich beglaubigten Anzeigen über denſelben an einem Han-
delsplatze. Um dieſe zu verſtehen, muß man die unveränderliche
und die veränderliche Valuta unterſcheiden und jene zum
Voraus ſchon kennen. Jene iſt der Geldwerth, nach der üblichen
Währung ausgedrückt, nach welchem, da er ſtets gleich bleibt, die
Summe Geldes einer anderen Währung, um die man jenen Geld-
werth kaufen kann, bemeſſen wird. Die veränderliche Valuta iſt
dieſe leztere Geldſumme einer anderen Währung, die alſo nach
obigen Regulatoren Abweichungen erleidet. Blos dieſe Leztere wird
im Curszettel angezeigt, die Erſtere muß ſupplirt werden und iſt
auch in den verſchiedenen Handelsplätzen verſchieden2). Die Werth-
und Preisgleichheit zweier Münzſorten heißt Pari; ſind ſie wirklich
gleich, ſo ſagt man, ſie ſtehen al Pari, im andern Falle aber,
entweder die Eine ſtehe über, oder ſie ſtehe unter Pari3). In
dieſen Fällen findet im Handel auch das Agio und der Disconto
Statt (§. 345. Note 2.).
¹⁾ Der Metall-Geldhandel beruht auf der ungleichen Vertheilung der edeln
Metalle auf der Erde, auf der ungleichen Vertheilung gewiſſer Münzſorten und auf
den Schwankungen im merkantiliſchen Werthsverhältniſſe der Edelmetalle; der Papier-
Geldhandel aber auf dem allgemeinen Bedürfniſſe nach einem leichteren Umlaufsmittel
und auf allen denjenigen Umſtänden, welche Metall-Geldhandel und Curs reguliren.
S. Meine Verſuche. S. 257 folg.
²⁾ Buſe Geldkunde. II. 595.
³⁾ Man unterſcheidet a) das Pari des Korns, d. h. Gleichſtand des inneren
Werthes der Münzen, des Feingehaltes derſelben; man berechnet es nach der
Gleichung F1:F2 = 1:x, wo F = dem Feingehalte der zwei verſchiedenen
Münzſorten iſt; b) das Pari des Schrotes, d. h. des ganzen Gewichtes der
Münze; inſoferne dies im Handel vorkommt, wo die Münze ihren merkantiliſchen
Zahlwerth hat, heißt es auch Handelspari. Buſe Geldkunde. I. 123. II. Anh.
S. 49. Meine Verſuche. S. 90. Note 97.
III. Vom Effectenhandel.
A. Der Actienhandel.
§. 348.
Der Actienhandel1) iſt diejenige Art des Effectenhandels,
wobei man Actien gegen andere Effecten oder Geld eintauſcht oder
[477/0499]
einkauft, um ſie wieder mit Gewinn abzuſetzen. Er entſtand im
17ten Jahrhunderte, als die Handelscompagnien einen ſehr hohen
Schwung hatten und für das wichtigſte Mittel zu ungeheuerer
Bereicherung angeſehen wurden. Der Gewinn beim Actienhandel
hängt, ſo wie der Verluſt, von denjenigen Umſtänden ab, welche
Schwankungen im Curſe der Actien zur Folge haben. Der Curs
der Actien richtet ſich aber nach den allgemeinen Preisregulatoren
(§. 58. u. 59.), nur ſind es mehrere Umſtände, welche das Urtheil
über jene Preisregulatoren beſtimmen, namentlich iſt es der Werth
der Actien, welcher nach vielen Verhältniſſen und Ereigniſſen ver-
ſchiedenes Fallen und Steigen erleidet und daſſelbe im Curſe her-
vorbringt2). Um den Curs aber beurtheilen zu können, muß man
den Nominalwerth, d. h. diejenige Summe kennen, auf welche
die Actie lautet. Nach dieſer wird der Stand al Pari, über und
unter Pari beſtimmt3). Die Curszettel machen denſelben unter
Vorausſetzung des Nominalwerthes bekannt. Die Handelsge-
ſchäfte mit Actien ſind übrigens dieſelben wie im Staatspapier-
handel (§. 349.).
¹⁾ Es kommen nur Privatobligationen von beſonderer Wichtigkeit im Handel
vor und die Stadtobligationen laufen ebenſo wie die Staatspapiere um; deßhalb
werden dieſe beiden Arten auch nicht als Gegenſtände eines beſonderen Handels
angeſehen, und man ſpricht blos vom Actien-, Staatspapier- und Wechſelhandel.
Büſch Darſtellung. I. 256. II. 323. 336. Bender, Verkehr mit Staatspapieren.
§. 1–3. v. Gönner, Ueber Staatsſchulden. §. 1. folg.
²⁾ Eine aufmerkſame Anwendung der allgemeinen Preisregulatoren auf dieſen
beſonderen Fall kann nicht ſchwer werden. Nur in Betreff des Werthes der Actien
iſt die Frage am ſchwerſten. Derſelbe iſt auch die Tauglichkeit für die Zwecke des-
jenigen, welcher ſich Actien anſchafft. Dieſe Zwecke aber ſind entweder die des
Actienhändlers (ein möglichſt großer und häufiger Gewinnſt im Handel) oder jene
des Capitaliſten (ein möglichſt großer ſicherer Zins für ſein ausgelegtes Capital).
Inſoweit der Werth auf den Curs der Actien influirt, richtet ſich der Leztere alſo
nach dem Kredite der Actiengeſellſchaft und Allem, was dieſen beſtimmt, alſo
hauptſächlich nach der Natur, Sicherheit und Einträglichkeit ihrer Unternehmung,
nach der Einrichtung und Bequemlichkeit der Actien ſelbſt (z. B. ob ſie auf den
Inhaber lauten, wo und wie die Dividende bezahlt wird), und nach der Natur des
Geldes, worauf die Actien lauten.
³⁾ Die Frage, wie eine Actie über oder unter Pari ſtehen könne, da doch der
Nominalwerth von der Geſellſchaft einſtens bezahlt werde, iſt mit dem in der Note 2.
Geſagten leicht zu beantworten. Denn die Summe, welche der Capitaliſt für eine
Actie bezahlt, wird ſich immer nach derjenigen Geldmenge richten, welche man aus-
leihen müßte, um im gewöhnlichen Verkehre dieſelbe Zinsſumme zu bekommen, welche
die Actiengeſellſchaft durch die Dividende bezahlt. So oftmal in dieſer das gewöhn-
liche Zinsprozent enthalten iſt, ſo oftmal kann man ohne Verluſt 100 für eine Actie
geben, wenn ſie auch nur 50 Nominalwerth hat.
B. Der Staatspapierhandel.
§. 349.
Der Staatspapierhändler1) kauft Staatspapiere ein, und
wartet einen günſtigen Moment ab, um ſie wieder mit Vortheil
[478/0500]
verkaufen zu können. Es iſt indeſſen das Weſen des Staatspapier-
handels ſo umgekehrt worden, daß wohl bei weitem die größere
Anzahl der Handelsgeſchäfte bloße Spiele ſind, bei welchen nicht
an die reelle Lieferung der Papiere ſelbſt gedacht wird. Der
Staatspapierhandel iſt eigentlich eine bloße Uebertragung der Actien-
geſchäfte auf die Staatspapiere. Aber weil dieſe weit mehr Zu-
fälligkeiten darbieten, als die Actien, ſo iſt auch der Staatspapier-
handel mehr ausgebildet. Aller Gewinnſt und Verluſt hängt auch
hier von dem Curſe ab. Dieſer aber iſt ebenfalls nach den allge-
meinen Preisregulatoren zu bemeſſen (§. 58. und 59.). Auch hier
iſt, wie bei den Actien, der Werth, als Preisregulator, am
ſchwierigſten zu ermeſſen2). Aber zum Verſtändniſſe der Curs-
zettel muß man außer dem Nominalwerthe der Staatspapiere,
d. h. der Summe, auf welche ſie lauten, auch noch bei den Renten
den Realwerth bei der Negociation des Anleihens, d. h. diejenige
Summe kennen, welche von dem Uebernehmer des Anleihens an
den Staat für die Papiere bezahlt worden iſt. Das Pari, das
über und unter Pari kann nach dieſen beiden Sätzen berechnet
werden. Dieſer Cursſtand rührt aber bei Staatspapieren eben ſo
wenig, als bei Actien, immer von reellen Urſachen her, ſondern
iſt vielfach eine Folge der Operationen der Händler, welche in
ihren Geſchäften Alles aufbieten, um den Curs für ſich zu lenken.
Dies wird aber erſt an den verſchiedenen Geſchäften mit Staats-
papieren (auch mit Actien) klar. Man unterſcheidet nämlich
eigentliche 1) Kaufgeſchäfte, wobei ein wirklicher oder fingirter
Kauf oder Tauſch vorgeht3), 2) Verſatzgeſchäfte, wobei
Staatspapiere gegen Darleihen auf beſtimmte Zeit in Pfand gege-
ben werden, 3) Aſſecuranzgeſchäfte, wobei man ſich von einem
Anderen gegen eine Vergütung die Verſicherung geben läßt, daß
er, wenn bei der nächſten Ziehung ein Loos mit zu geringem Ge-
winnſte herauskomme, Einem eine noch liegende Nummer verſchaffe.
¹⁾ Bender, der Verkehr mit Staatspapieren. S. 369. Nebenius, Oeffentl.
Kredit. I. 505. 557. 602 folg. Bressons, Des fonds publics. Paris 1824. p. 186.
193. 216. Coffimère, De la bourse et des speculations sur les effects publics.
Paris 1824. Deutſch von Schmalz. Berlin 1824. Fix, Revue mensuelle d'Eco-
nomie politique. 1838. Octobre (I. vol. N. 4. p. 255 sqq.). Meine Verſuche.
S. 470. 479.
²⁾ Auch gilt, was am Anfange der Note 2. des vorigen §. geſagt iſt. In
ſoweit der Werth der Staatspapiere auf den Curs derſelben Einfluß hat, richtet
ſich dieſer nach dem Kredite des Staats, welchen jedes bedeutende Verhältniß und
Ereigniß im inneren und äußeren Staatenleben beſtimmt, beſonders aber die
Finanz- und namentlich die Staatsſchuldverhältniſſe reguliren, nach der beſonderen
Beſchaffenheit und eigenen Einrichtung des Anleihens, zu dem die Papiere gehören
(z. B. Renten, Lotterieanleihe u. dgl.), nach der Form der Staatspapiere, von
welcher ihre Uebertragbarkeit abhängt, nach der Größe und Art der Erhebung der
[479/0501]
²⁾ Zinſen im Vergleiche mit dem gewöhnlichen Verkehrszinſe (wie Note 3. des §. 348.),
nach den bei der Zahlung ſonſt noch verbundenen Vortheilen (z. B. bei Lotterie-
anleihen) und nach der Natur des Zahlmittels, worauf ſie lauten.
³⁾ Es gibt hier wieder andere Unterſcheidungen. Denn man macht a) Tags-
käufe (franz. Negociations au comptant, engl. Negotiations for Money), bei
welchen Papiere und Preis ſogleich ausgetauſcht werden, und Zeitkäufe (franz.
Marchés à terme, engl. Negotiations for Time), wobei die Lieferung der Papiere
erſt auf einen ſpäteren Tag feſtgeſetzt wird; b) Rückkäufe (franz. Marchés à
report), wobei Speculanten das Capital von Capitaliſten gegen Uebergabe der
Staatspapiere zum Curſe des Tages, um leichter Speculationen machen zu können,
entnehmen und alsdann ſpäter zu höherem Preiſe wieder abnehmen; c) Hoff-
nungskäufe, wobei der Inhaber eines Lotterielooſes dieſes einem Andern gegen
eine Prämie für die nächſte Ziehungszeit überläßt, mit dem Rechte, den etwa fal-
lenden Gewinnſt zu beziehen, aber mit der Pflicht, dem Prämieneinnehmer daſſelbe
Loos, oder, wenn es herausgekommen iſt, ein anderes nach der Ziehungszeit einzu-
händigen, und d) Arbitragengeſchäfte, wobei man Staatspapiere auf ver-
ſchiedenen Handelsplätzen, um von jedem günſtigen Curſe zu profitiren, herumſchickt
und unterdeſſen zu Hauſe alle Umſtände berechnet, welche da und dort vor- und
nachtheilig auf den Curs wirken können. Von den Zeitkäufen, deren es verſchie-
dene Arten gibt, ſind beſonders häufig: α) das Differenzgeſchäft, wobei man
keineswegs die bedungenen Papiere wirklich zu liefern gedenkt, ſondern blos die
Differenz zwiſchen dem Curſe am Abſchlußtage (Schlußtagscurs) und jenem am
Erfüllungstage des Contraktes (Verfalltagscurs) ausbezahlt; und β) das Prämien-
geſchäft, wobei ſich der Käufer den Rücktritt vorbehält und dafür dem Verkäufer
eine Prämie von ¼ bis 8% vorausbezahlt. (Ueber die anderen Zeitgeſchäfte ſ. m.
meine Verſuche und die andern citirten Schriften.) Alle Handelsgeſchäfte, welche
auf bloßes Spielen und nicht wirkliche Lieferung abzielen, heißt man Wind-
handel, auch wohl insbeſondere Stocksjobberey, im Gegenſatze der reellen
Geſchäfte.
C. Der Wechſelhandel.
§. 350.
Der Gegenſtand des Wechſelhandels ſind die Wechſel, Anwei-
ſungen und Handelsbillets. Der Kürze und Gleichheit der Grund-
ſätze wegen ſpricht man am beſten blos vom Wechſelhandel, und
verſteht darunter den des Gewinnes willen betriebenen Ein- und
Verkauf von Wechſeln, Anweiſungen und Billets. Derſelbe mußte
mit dem Wechſelinſtitute ſogleich entſtehen. Das ganze Weſen
deſſelben beruht auf gegenſeitigen Handelsverhältniſſen, Schulden
und Forderungen und auf den Geldverhältniſſen zweier Handels-
plätze gegen einander1). Auch den Preis der Wechſel nennt man
Curs, Wechſelcurs, und verſteht demnach unter dieſem diejenige
Geldſumme, welche an dem einen Handelsorte bezahlt wird, um
dafür einen Wechſel zu erhalten, der ſeinem Inhaber das Recht
gibt, ſich an einem zweiten Orte eine gewiſſe Geldſumme anderer
oder derſelben Währung gegen denſelben von einer dritten Perſon
ausbezahlen zu laſſen2). So wenig es den Anſchein hat, ſo be-
ſtimmen doch auch die allgemeinen Preisregulatoren (§. 58. u. 59.)
den Wechſelcurs, und es iſt ſehr nothwendig, wenn man ſich
[480/0502]
richtige Einſicht in den Wechſelhandel verſchaffen will, daß man
auch hier dieſelben beſonders anwendet. Der Werth des Wechſels,
d. h. nicht die Wechſelvaluta, ſondern die Brauchbarkeit deſſelben
für die Zwecke des Inhabers, iſt ebenfalls hier am ſchwerſten als
Regulator des Curſes zu erklären3). Zum Verſtändniſſe des
Wechſelcurszettels iſt aber gerade ſo wie beim Geldcurſe die
Unterſcheidung der unveränderlichen und veränderlichen Va-
luta erforderlich4), weil blos die Leztere in demſelben angegeben
iſt. Der Wechſelcurs ſteht al Pari, wenn er der Nominalvaluta
im Wechſel gleich iſt, ſonſt aber entweder über oder unter dem-
ſelben5). Je nach ſeinem Stande ſind die Wechſelhandels-
geſchäfte zu betreiben. Es gibt aber hiervon folgende Arten:
1) gewöhnliche Kaufs- und Verkaufsgeſchäfte, wobei ein Wechſel
eingetauſcht wird, den man ſich hernach vom Traſſaten oder einem
Giratar bezahlen läßt; 2) das Discontiren von Wechſeln, d. h.
das Ankaufen eines Wechſels vom Inhaber, wobei ſich dieſer einen
Abzug (Disconto) gefallen läßt6), und der Gewinnſt des Discon-
tirenden in dem Mehrbetrage einer ſpäteren vollen und höheren
Bezahlung des Wechſels beſteht; 3) die Arbitrage, d. h. das
urſprünglich vom Wechſel ausgegangene, ſpäter aber auf den an-
deren Effectenhandel auch übergegangene, bereits (§. 349. N. 3. d.)
beſchriebene ſehr complicirte Geſchäft; 4) die Wechſelreiterei,
d. h. das gefährliche unrechtliche Geſchäft, wobei man Wechſel auf
Einen ausſtellt und verkauft, die dadurch entſtehende Forderung
des Traſſaten mit dem Erlöſe einer neuen auf ihn geſtellten Tratte
tilgt und ſo fortfährt, um ſich ohne freies Borgen die Capitalien
Anderer nutzbar zu machen7).
¹⁾ S. oben §. 337. N. .1 Meine Verſuche. S. 89. Note 97. Galiani,
Della Moneta. II. 264., und nationalökonom. Schriften.
²⁾ Im Grunde genommen iſt der Wechſelcurs blos ein ſpezieller Fall des Geld-
pari, und man würde nicht irren, wenn man denſelben für das auf das Geldpari
überhaupt geſtützte Pari zwiſchen der an einem Orte bezahlten und am anderen zu
erhaltenden Wechſelvaluta erklärte.
³⁾ Der Werth des Wechſels hängt ab von dem Kredite des Traſſanten und
Traſſaten und allen denſelben berührenden Umſtänden, von der Lebhaftigkeit des
Handels- und anderen Verkehrs zwiſchen zwei Plätzen oder Ländern, von dem Koſten-
aufwande für Baarſendungen (Rimeſſen) von einem Orte zum andern, und von
allen Verhältniſſen und Veränderungen des Geldweſens in den Ländern, zwiſchen
welchen der Wechſelhandel beſteht. Büſch Darſtellung. I. 110. Buſe Geldkunde.
I. 144.
⁴⁾ S. §. 347. Buſe Geldkunde. II. 594–632.
⁵⁾ Das Wechſelpari iſt eine bloße Anwendung des Geldpari auf die aus den
beſtimmten Geldſorten beſtehenden Wechſelſummen unter Einwirkung der den Werth
der Wechſel beſtimmenden Umſtände. Man unterſcheidet daher ſo viele Arten des
Wechſelpari als des Geldpari, und ſpricht beim Wechſelcurſe von Agio und Disconto
im nämlichen Sinne, wie beim Geldcurſe. Buſe Geldkunde. II. 527–591.
[481/0503]
⁶⁾ Es iſt daher nicht ganz richtig, wenn Rau (polit. Oeconom. I. §. 288.)
und Andere unter Discontiren einen bloßen Ankauf mit Zinſenabzug von der Wech-
ſelvaluta für die Zeit zwiſchen dem Disconto- und Verfalltage des Wechſels ver-
ſtehen, denn der Disconto kann auch Folge des Curſes ſein, ohne gerade Zins ſein
zu müſſen, und der Discontant daraus Gewinnſt beziehen. Den Zinsdisconto rechnet
man nach 360 Tagen pr. Jahr.
⁷⁾ Dieſe Reiterei wird entweder von zwei oder mehreren Perſonen gegenſeitig
getrieben. Eine beſondere Art derſelben ſind aber die ſogenannten Kellerwechſel,
wobei der Kaufmann, der gerade baar Geld nöthig hat, eine Tratte, als käme ſie
weit her, fingirt, ſich als letzten Giratar darauf ſetzt, dieſen Wechſel von einem
mit einverſtandenen Handelsfreunde acceptiren läßt, ihn dann in bianco girirt, und
alsdann einen neuen Giratar dafür ſucht, der ſich dann einſchreibt und die Valuta
bezahlt. Dieſen Kellerwechſel löst der Erſte nun nicht aus eigener Baarſchaft, ſon-
dern wieder mit Hilfe eines zweiten Kellerwechſels ein u. ſ. w. Bender Wechſel R.
II. §. 395. Büſch Darſtellung. I. 83. II. 139. 155. 163.
Zweite Unterabtheilung.
Handelsarten nach den Handelsſubjecten.
I. Vom Einzelhandel.
§. 351.
Der Handel, von der Seite der Subjecte betrachtet, iſt ent-
weder als von einem Einzelnen, oder von einer Geſellſchaft oder
von Staaten betrieben anzuſehen. Der Einzelhandel wird ent-
weder vom Handelsunternehmer ſelbſt für eigene Rechnung betrieben,
und heißt dann Eigen- oder Proprehandel1), oder er wird gegen
Vergütung und Erſtattung der Auslagen für die Rechnung und aus
Auftrag Anderer von einer Mittelsperſon geführt und heißt dann
Commiſſionshandel2). Diejenigen, welche die Aufträge er-
theilen, ſind die Committenten, und wer ſie erhält, iſt der
Commiſſionair. Dieſer führt ein Commiſſionsbuch zur Notirung
ſeiner Commiſſionsgeſchäfte. Wer von beiden Partheien die Ver-
kaufsgefahr übernimmt, der ſteht del credere, und die Rechnung
des Commiſſionairs über Unkoſten und Gebühren heißt Factura.
Der Commiſſionshandel iſt entweder Handel auf Lieferung oder
Handel auf Prämie. Bei jenem verſpricht der Commiſſionair die
Waare zu beſtimmter Zeit und beſtimmtem Preiſe zu liefern; bei
dieſem behält ſich der Committent vor, die Waare zur Lieferungs-
zeit auch nicht nehmen zu dürfen und bezahlt dem Commiſſionair
deßhalb zum Voraus eine Prämie3).
¹⁾ Murhard Theorie. S. 178. Büſch Darſtellung. I. 184.
²⁾ Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 497. 498. Büſch Darſtellung.
I. 151. 197. 259. II. 240. Murhard Theorie. S. 181.
³⁾ Alſo kommen die im Staatspapier- und Actienhandel (§. 349.) erwähnten
Geſchäfte auch in anderen Handelszweigen vor.
Baumſtark Encyclopädie. 31
[482/0504]
II. Vom Geſellſchaftshandel.
§. 352.
Unter Geſellſchafts- oder Compagniehandel verſteht
man denjenigen, welcher von mehreren Perſonen zugleich auf Ge-
ſammtrechnung mit Theilung des Verluſtes und Gewinnſtes betrie-
ben wird1). Die ſo verbundenen Perſonen bilden die Handels-
geſellſchaft oder -Compagnie. Die Dauer derſelben iſt ent-
weder zum Voraus beſtimmt oder nicht. Die Geſellſchaft ſteht
unter einem Directorium und führt, wenn ſie ſich öffentlich bekennt,
bei Unterſchriften einen eigenen Collectivnamen, den man nebſt den
anderen Wahrzeichen die Firma nennt, er mag in einem allge-
meinen Namen der Geſellſchaft oder in dem Namen eines Mitgliedes
mit dem Zuſatze und Compagnie beſtehen. Es gibt aber folgende
Arten von Handelsgeſellſchaften: 1) Gemeine (gewöhnliche,
offene) Geſellſchaften (sociétés générales, ordinaires on
collectives), wobei wirklich Mitglieder ſich zur Ausführung eines
Handelsgeſchäftes vereinigen, jedes derſelben ſeine Rechnung und
Antheil an Gewinn und Verluſt hat, ſelbſt mit thätig iſt, und ein
Mitglied ſeinen eigenen als Collectivnamen hingibt. 2) Gemäch-
liche (ſtille) Geſellſchaften (sociétés en Commandite,
Commanditen), wobei ein oder mehrere Theilnehmer blos ihre per-
ſönlichen Kräfte, dagegen ein oder mehrere Andere das Capital
beiſchießen; ſie ſind in der Regel in Betreff des Capitals und Be-
triebs mit einem Geheimniß umgeben und haben darum nicht viel
Kredit2). 3) Namenloſe (anonyme) Geſellſchaften (so-
ciétés anonymes), welche zwar eine von ihrer Unternehmung
gezogene Firma führen3), aber eigentlich aus lauter Commanditen
beſtehen, wobei, in der Regel auf Actien, Capitaliſten die gehöri-
gen Geldmittel zuſammenſchießen und nur mit dieſen Actien haften,
während die Leitung der Geſchäfte einem eigenen Directorium u. dgl.
mit beſoldeten Beamten übertragen iſt.
¹⁾ Wenn auch nicht alle Theilnehmer jedesmal Geld beiſchießen, ſo nehmen ſie
doch alle Antheil am Gewinnſte oder Verluſte.
²⁾ Büſch Darſtellung. I. 196. II. 271.
³⁾ Sie heißen auch öffentliche, weil ſie eines Privilegiums und der Geneh-
migung ihrer Statuten von der Regierung bedurften. Sie treiben ihre Geſchäfte in
der Regel nur in ferne Gegenden, z. B. Colonien u. dgl., und haben daſelbſt ihre
Niederlaſſungen (Factorien) und Agenten. Die wichtigſte hierher gehörende
Geſellſchaft iſt die britiſch-oſtindiſche Compagnie, ſie hat ein neues Privilegium
auf 20 Jahre mit bedeutenden, die Freiheit des Handels geſtattenden, Modificationen
ihrer Charte, die preußiſche Seehandlungsgeſellſchaft, die rheiniſch-
weſtindiſche Compagnie zu Elberfeld, die belgiſche Handelsgeſellſchaft, und die
Oſtſeehandelsgeſellſchaft zu Kopenhagen. Die anderen ſind eingegangen.
S. Rau polit. Oekonom. II. §. 234. Büſch Darſtellung. I. 225. II. 312.
[483/0505]
III. Vom Staatenhandel.
§. 353.
Betrachtet man die Staaten als Handel treibend, ſo ſind fol-
gende Handelsarten zu unterſcheiden: 1) der Binnenhandel,
welchen ein Volk innerhalb der Landes-Grenzen für und in ſich
treibt; 2) der Colonialhandel, welchen das Mutterland mit
den Colonien führt1); 3) der auswärtige Handel, welchen
ein Staat mit dem Auslande treibt. Der Leztere iſt entweder
Aus- und Einfuhr- oder Zwiſchenhandel. Die Bedeutung
des Erſteren liegt im Worte und es iſt Einer ohne den Anderen
nicht denkbar. Er heißt Activhandel, wenn ein Volk durch ſeine
Kaufleute ſeine Waaren zu einem fremden Lande ſchickt, dort Ver-
käufe und wieder Einkäufe macht; und Paſſivhandel, wenn ſich
ein Volk von einem andern die Waaren auf jene Weiſe bringen
läßt. Der Zwiſchenhandel iſt aber derjenige, welchen ein auslän-
diſcher zwiſchen zwei Staaten treibt. Bewegt ſich derſelbe durch
das Vaterland des Handelsmannes, dann iſt er für dies Land
Tranſit- oder Durchfuhrhandel; berührt er aber daſſelbe nicht,
dann iſt er eigentlicher Zwiſchenhandel im engern Sinne.
¹⁾ Büſch Darſtellung. I. 145. 463. 595. II. 235. 580. Murhard Theorie.
S. 185 folg. und nationalökonomiſche Schriften.
Dritte Unterabtheilung.
Handelsarten nach den Handelswegen.
I. Vom Landhandel.
§. 354.
Der Handel zu Land iſt der älteſte, und war urſprünglich der
allgemeine Welthandel. Selbſt im Mittelalter reisten die Handels-
leute noch in Geſellſchaft als Karawanen1). Allein mit der ſtei-
genden Bildung und Induſtrie ward das Bedürfniß genaueren
Völkerverkehres lebhafter und mit der Erfindung der Schifffahrt,
des Compaſſes und der Entdeckung verſchiedener Wege auf Strömen
und Meeren trat an der Stelle des Landhandels allmälig der Han-
del zu Waſſer, insbeſondere jener zur See, als Welthandel hervor.
Der Karawanenhandel findet nur noch in Gegenden Statt, wo kein
anderer möglich iſt.
¹⁾ Hüllmann, Städteweſen im M. A. I. 62.
31 *
[484/0506]
II. Vom Waſſerhandel oder von der Schifffahrt.
§. 355.
1) Allgemeine Schiffsverhältniſſe.
Die Kanäle, Flüſſe, Ströme, Seen und die See bilden zu-
ſammen auf der ganzen Erde ein Syſtem von Communications-
wegen für die ganze Menſchheit, worauf der Transport am ſchnell-
ſten, leichteſten und wohlfeilſten geſchieht. Der Seehandel insbe-
ſondere war anfänglich nichts als Küſtenhandel (Cabotage),
welcher auch heut zu Tage noch getrieben wird1). Die Schifffahrt hat
eine Menge eigenthümlicher Verhältniſſe. Die Schiffseigenthümer
heißen Rheder oder Mitrheder; ihr Verhältniß gegen einander
(Mit- oder Mederhederei) rührt davon her, daß Jeder Antheil
am Schiffe (ſeine Schiffsparte) hat2). Wenn ſie ihr Schiff
verpachten (verheuern), ſo heißt das Geſchäft Verheuerung
(Nolissement, Affrétement), die Rheder aber Verheurer und
die Pachter Befrachter. Der Befehlshaber des Schiffs, wenn
es zur See geht, heißt Patron oder Capitain3). Die Leute,
welche mit zu Schiffe gehen, um im Namen des Befrachters am
fremden Platze die Waaren zu verkaufen, heißen Cargo (Carga-
dores, Cargadeurs) und wer als der Erſte unter ihnen beſtellt
iſt, Supercargo4). Das verheuerte Schiff muß, wenn es zur
Seefahrt benutzt werden ſoll, folgende verſchiedene Urkunden mit
ſich führen: den Bielbrief, vom Schiffsbauer über den gehörigen
Bau des Schiffes ausgeſtellt; den Mählbrief, den Contract zwi-
ſchen dem Bauer und Rheder über die Qualität und den Bau des
Schiffes; den Meßbrief, obrigkeitliche Urkunde über die vor-
genommene Meſſung und den Tonnengehalt des Schiffes5); die
Muſterrolle, ein Verzeichniß der Schiffsmannſchaft (Beman-
nung) mit obrigkeitlicher Beglaubigung; die Certepartie
(Chartepartie), die Vertragsurkunde über die Verheuerung; die
Connoſſamente (Connaissements), die Frachtbriefe über die
geladenen Waaren; das Manifeſt, ein Hauptverzeichniß aller im
Schiffe enthaltenen Waaren; den Paß des Schiffes, und das
Tagebuch (Journal) des Steuermanns zur Aufzeichnung der
Schiffsvorfälle während der Fahrt.
¹⁾ Büſch Darſtellung. I. 282.
²⁾ Sie theilen auch Gewinnſt und Verluſt. Mittermaier deutſches Privat-
recht. §. 488.
³⁾ Sein Verhältniß zum Rheder iſt als ein Dienſtmiethvertrag angeſehen.
Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 489. 490.
⁴⁾ Leuchs Syſtem. II. S. 822.
⁵⁾ Eine Tonne = ½ Laſt = 2000 Pfd. Die Grenze des geſtatteten tiefſten
Eintauchens eines Schiffes heißt Waſſertracht.
[485/0507]
§. 356.
2) Die Haverei.
Das Schiff iſt während ſeines Laufes vielen Unfällen ausge-
ſetzt. Alle dieſe unvorhergeſehenen, von der Verladung an bis zur
Ausladung eintretenden, Schäden und Unkoſten des Schiffes heißt
man Haverei. Die Seegeſetze ſind über ihren Inbegriff ſehr ver-
ſchiedener Anſicht. Im Allgemeinen gibt es aber folgende Arten:
a) Die ordinaire oder kleine Haverei (holländ. gemeene
Avarye), welche die gewöhnlichen Schiffsausgaben ohne nothwen-
dige Vorausſetzung eines Schadens begreift z. B. Lichter-, Feuer-,
Pfahlgeld, Lootſenlohn u. dgl.
b) Die extraordinaire Haverei, welche außergewöhnliche
Ausgaben und Schäden des Schiffs begreift. Sie iſt entweder
α) große Haverei (franz. Avarie commune), wozu jeder
Schaden und jede Schiffsausgabe wegen drohender Gefahr
gehört, die das Schiff und die Ladung gemeinſam treffen1).
Oder
β) particuläre Haverei, wozu nur jene Schäden und wegen
drohender Gefahr gemachten Ausgaben gehören, die entweder
das Schiff oder die Ladung allein treffen2).
Nehmen mehrere Eigenthümer an der Haverei Antheil, ſo
heißen ihre Beiträge das Werfgeld. Darüber wird von beeidigten
Perſonen (Dispacheurs) eine Rechnung (Dispache) aufgeſtellt.
¹⁾ Z. B. Seewurf; das Prängen, d. h. wenn ein Schiff hart an den Sturm
legen und ſo eine Zeit lang fortſegeln muß. Büſch Darſtellung. I. 358.
²⁾ Ueber die Tragung der Haverei entſcheiden die Geſetze. Mittermaier
deutſches Privatrecht. §. 224.
§. 357.
3) Die Sicherheitsmaßregeln. a) Bodmerei.
Wegen dieſer Nöthen und Schäden der Schiffe iſt man ſchon
bedacht, und es gibt folgende verſchiedene Einrichtungen deßhalb1):
a) Die Bodmerei (engl. Bottomry, franz. Contrat à la
Grosse, holländ. Bodemery), d. h. das Geſchäft oder der Ver-
trag eines Gelddarleihens gegen Verpfändung eines Schiffes oder
ſeiner Ladung oder beider zuſammen in der Weiſe, daß das Capital
ſammt ſehr hohen Zinſen nach glücklicher Beendigung der Fahrt
erſtattet und aber im Falle des Unter- oder Verlorengehens der
verpfändeten Sache nichts verlangt, ſondern blos das Uebrig-
gebliebene vom Gläubiger (Bodmereigeber) in Beſchlag genom-
men werden darf. Die Schiffer (Bodmereinehmer) wenden ſich
[486/0508]
an ſolche Leute, die jenes Geſchäft treiben, im Falle, daß ſie nicht
an irgend ein Handelshaus auf ihrer Fahrt auf eine Kreditſumme
angewieſen (conſignirt) ſind und die conſignirte Summe nicht
hinreicht. Vom Contracte (Bodmereibriefe) werden drei Exem-
plarien (für den Schiffer, Rheder oder Befrachter, und Bodmerei-
geber) verfertigt2).
b) Die Großapanturey (engl. Respondentia), d. h. das
Geſchäft oder der Vertrag eines Darleihens gegen ſehr hohe Zinſen
zu einer Seeunternehmung, in der Art, daß der Schuldner nur
im Falle der glücklichen Beendigung der Fahrt und Unternehmung
das Capital zu erſtatten hat. Der Contract heißt Seewechſel
(Cambio marino)3).
¹⁾ Büſch, Allgemeine Ueberſicht des Aſſecuranzweſens. Hamburg 1795. Deſ-
ſelben Darſtellung. I. 309 folg. nebſt Zuſätzen im II. Bde. Benecke, Syſtem
des Aſſecuranz- und Bodmereiweſens. Hamburg 1805–1821. V Bde. Benecke,
Treatise on the Principles of Indemnity in marine Insurance, Bottomry and Re-
spond. London 1824. Franzöſ. Ueberſ. von Dubernad. Paris 1826. II Toms.
Dieſe beiden Lezteren ſind die beſten Schriften über dieſen Gegenſtand. Noch andere
ſind angegeben bei Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 211. N. 3.
²⁾ Die Bodmerei kann eine Werthserhöhung der verbodmeten Sache zur Folge
haben, wie z. B. jene zur Reparatur eines Schiffes, — oder auch nicht, z. B. jene
zur Rettung des nicht beſchädigten Schiffes. Der Bodmereibrief wird auch zuweilen
auf die Rückſeite des Connoſſaments geſchrieben. Er wird auch wie ein Wechſel
behandelt. Die Rechtsverhältniſſe der Bodmerei ſind aber in den Geſetzen verſchieden
beſtimmt. S. Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 219–221.
³⁾ Weder blos Waaren- (wie Bleibtreu Lehr. §. 354. ſagt) noch blos
Geldgeſchäft (wie Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 218. N. 6. ſagt) iſt die
Großavanturey, ſondern ſie kann beides ſein. S. meine Recenſion von Bleib-
treu S. 325.
§. 358.
Fortſetzung. c) Seeaſſecuranz.
c) Die Seeaſſecuranz (engl. Insurance. franz. Assécu-
rance), d. h. dasjenige Verſicherungsgeſchäft, wobei Jemand (der
Verſicherer, franz. Assécurateur, engl. Insurer) die bei einer
Seeunternehmung für einen Anderen möglicher Weiſe entſtehende
Gefahr gegen Vorausbezahlung einer, ein gewiſſes Procent des
Werthes der verſicherten Sache ausmachenden, Summe (Aſſecu-
ranzprämie) übernimmt. Die Urkunde über den Aſſecuranz-
vertrag heißt Police, und man hat dazu gedruckte Formularien1).
Iſt ein Unglücksfall geſchehen und erwieſen, ſo muß der Verſicherer
in der beſtimmten oder geſetzlichen Zeit Zahlung leiſten2). Will
der Eigenthümer der beſchädigten oder theilweiſe verlorenen Sache
den Reſt nicht mehr an Zahlungsſtatt nebſt einer beſtimmten Zulage
zur Vollheit der Verſicherungsſumme annehmen, ſo kann er ſie dem
[487/0509]
Verſicherer überlaſſen, d. h. abandonniren und dieſe Handlung
heißt Abandon. Er hat aber immer auf die volle Entſchädigung
Anſpruch3). Zum Behufe der Rettung der Ladung geſtrandeter
oder geſcheiterter Schiffe iſt das alte Inſtitut des Strandrechtes
ſehr dienlich, wonach den Rettern des Schiffes oder der Ladung
eine Belohnung (das Berglohn) gegeben werden muß, die nach
manchen Geſetzen ein Dritttheil des Geldwerthes der geretteten
Sache ausmachen darf4). Läßt der Verſicherer ſich ſelbſt noch von
einem Anderen gegen den Schaden verſicheren, der ihm aus ſeiner
Aſſecuranz erwachſen könnte, ſo nennt man dies Geſchäft die
Reaſſecuranz. Er haftet aber doch ſeinem Verſicherten5).
¹⁾ Auf die Police kommt das Meiſte an, deßhalb muß ihr Inhalt ſehr ſorg-
fältig erwogen werden. Sie muß folgende Angaben enthalten: a) die Namen der
Verſicherer mit dem Zuſatze für uns und unſere Erben; b) die Namen der
Verſicherten, mit dem Zuſatze, ob für eigene oder fremde Rechnung; c) die
verſicherte Sache, da man entweder auf Kasko (d. h. auf's Schiff ſammt Zugehör)
oder auf Stückgüter (d. h. auf die Ladung ſtückweiſe) Verſicherung nehmen kann,
was auf die Berechnung des Schadenserſatzes von Einfluß iſt, weil in der Regel
unter einer beſtimmten Summe nicht entſchädigt wird; d) die Zeit, wann die Ver-
ſicherung beginnt; e) die Einladungs- und Löſchungsplätze; f) die Art des zu ver-
ſichernden Schadens; g) die bedungene Prämie mit dem Zuſatze gegen Empfang,
weil die Verpflichtung des Verſicherers erſt nach der Zahlung derſelben beginnt;
h) den Namen des Schiffs und Schiffers; i) beſondere Nebenbedingungen; k) die
Zeit des Antrittes der Fahrt, denn die Gefahr iſt ſowie die Prämie darnach ver-
ſchieden und man unterſcheidet die Sommer- und Winterprämie; l) den
Namen des beeidigten Mäklers, der die Aſſecuranz abgeſchloſſen hat; m) das Datum
der Ausſtellung der Police, was nicht nothwendig iſt, wenn die Zeit des Beginnens
der Verſicherung darin angegeben iſt; n) die Unterſchrift aller Verſicherer mit Zu-
ſetzung der Aſſecuranzſumme eines Jeden, weil danach der Antheil an der Prämie und
an der Entſchädigungsſumme berechnet wird. Müſſen die Verſicherer aus aſſecuranz-
rechtlichen Gründen einen Theil, z. B. die Hälfte der Prämie, zurückerſtatten, dann
heißt dieſer Abzug Riſtorno.
²⁾ Der Beweis des Unfalles geſchieht, indem das Seegericht im nächſten Hafen
nach dem Tagebuche des Schiffes ein Zeugniß aufſtellt und die Intereſſenten davon
benachrichtigt. Für alle Ermittelungen dienen die Schiffspapiere und deren Ver-
gleichung mit Schiff und Ladung. Fehlen aber die Papiere, ſo geſchieht die Ver-
klarung, d. h. die Schiffsleute werden beeidigt und darüber vernommen.
³⁾ Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 211–217.
⁴⁾ Es ſind dabei viele Mißbräuche eingeſchlichen, welche den Zweck des Strand-
rechtes oft vereitelten. Mittermaier a. a. O. §. 145.
⁵⁾ Die Sicherheit wird dadurch größer, aber das Wagniß bei Seeunter-
nehmungen auch.
§. 359.
Beſchluß. d) Convoy und Admiralſchaft.
Zum Schutze gegen feindliche Anfälle dient das Convoy, d. h.
eine vom Staate beſtimmte Begleitung mehrerer Kauffahrteiſchiffe
durch Kriegsſchiffe, welche ein Geleitsgeld erhalten, das im
Geleitscontracte (Zeyn- oder Seynbriefe) angegeben iſt, oder
[488/0510]
die Admiralſchaft, d. h. eine die gegenſeitige und Geſammt-
ſicherheit bezweckende Verbindung mehrerer Kauffahrteiſchiffe, die
von einem gewählten Admirale geführt wird und in einem beſon-
deren Vertragsinſtrumente (Admiralitätspolice) beurkundet iſt1).
¹⁾ Leuchs Syſtem. II. §. 621.
Zweiter Abſatz.
Leih-Gewerbslehre.
§. 360.
1) Allgemeine Beſtimmungen.
Die Leih-Gewerbslehre iſt die Lehre von der zweckmäßig-
ſten und vortheilhafteſten Weiſe, Vermögenstheile Anderen zur
Benutzung zu überlaſſen. Der Vortheil, welchen der Verleihende
(Rentner, Rentier) daraus bezieht, iſt in der Vergütung für die
erlaubte Benutzung (Rente) enthalten. Es können blos Grund-
ſtücke und Capital verliehen werden. Die Verleihungsarten von
Bergwerken, Grundſtücken, Forſten und Gewerksetabliſſements, bei
welchen theils Grund und Boden, theils Capital verliehen wird,
ſind bereits oben (§. 122. 209. 261. 313.) erwähnt und verglichen,
weil ſie dem Betriebe der entſprechenden Gewerbe angehören. Die
Rente aus der Verpachtung von Grundſtücken heißt Pachtzins.
Bei der Verleihung von Capitalien hat man aber jene von ſtehen-
dem, und jene von umlaufendem Capitale zu unterſcheiden
(§. 54. 55.). Von der Verleihung ſtehenden Capitals, z. B. von
Häuſern, Maſchinen, Büchern, Muſikalien u. ſ. w. (Vermie-
thung) bezieht man den Miethzins; von der Verleihung umlau-
fenden Capitals, nämlich von Vermögenstheilen, welche der Ent-
lehner verbraucht oder ausgibt, bezieht man die Zinſen und das
Geſchäft heißt Darleihensgeſchäft1). Unter dieſen lezten Leih-
geſchäften ſind die Gelddarleihen die wichtigſten, und wer ſie
zu ſeinem Gewerbe gemacht hat, der heißt vor allen anderen ein
Rentner, Capitaliſt, Banker.
¹⁾ Da dieſe Darleihen z. B. in Gelde nicht wieder in specie, d. h. dieſelben
Stücke, welche geliehen worden ſind, ſondern blos in genere zurückgegeben werden
können, ſo haben die Rechtslehrer dieſe Geſchäfte den ſämmtlichen vorher genannten
gegenüber geſtellt, von welchen man ſagen kann, daß nach Ablauf der Pacht- oder
Miethzeit der Gegenſtand in specie zurückerſtattet wird. Die Zeit der Ueberlaſſung
zum Gebrauche iſt verſchieden. In der Regel werden die Zinſen in Gelde bezahlt.
§. 361.
2) Beſondere Grundſätze. a) Beſtandtheile des Zinſes.
Man wird ohne beſondere Nebengründe keinen Vermögenstheil
verleihen, wenn man in dem Zinſe nicht einen Erſatz für Auslagen,
[489/0511]
Verluſte u. dgl. und eine gewiſſe Vergütung für das Verzichten
auf den Gebrauch deſſelben, im Falle daß ihn der Entlehner ver-
braucht, oder den entſprechenden Antheil an dem Gewinnſte, wel-
chen der Entlehner aus deſſen productiver Verwendung bezieht,
empfängt. Es wird daher der Pachtzins und Miethzins ent-
halten müſſen: α) den Zins der Anſchaffungskoſten, β) eine Ver-
gütung der ſtets nothwendigen Koſten der Erhaltung; γ) einen
Erſatz für die allmälige aus dem Gebrauche hervorgehende Ver-
ſchlechterung; δ) eine Verſicherung für die etwaigen Unglücksfälle;
ε) eine Belohnung für die Mühe der Ausleihegeſchäfte; und η) eine
Wiedererſtattung der mit gerichtlichen Streitigkeiten verbundenen
Koſten u. dgl. Die Zinſen von Geldcapitalien haben nicht die-
ſelben Beſtandtheile. Der Erſte der erwähnten Beſtandtheile, wel-
cher dort auch nichts als der Zins für ein ausgelegtes Geldcapital
iſt, kann auch hier nichts anderes ſein, als die Entſchädigung für
das Verzichten auf deſſen eigene Verwendung; der zweite und dritte
Beſtandtheil fällt hier ganz hinweg, weil der Gegenſtand nicht in
specie zurückerſtattet wird1); die noch folgenden Beſtandtheile
bleiben aber auch hier beſtehen, nur hat man hier Mittel in der
Hand, den Satz der Sicherheitsprämie für Unglücksfälle zu
mildern2).
¹⁾ Allein darum fällt bei einer Geſetzgebung, welche den Verkehrsgeſetzen einen
freien Lauf läßt, ein Erſatz für die Verſchlechterung der Münzen nicht hinweg.
Denn der Schuldner iſt verpflichtet, nicht eben ſo viel Münzen, ſondern einen ſol-
chen Werth zu erſtatten, als er empfangen hat, und muß alſo, wenn ſich die
Münze indeſſen verſchlechtert hat, auch eine größere Summe bezahlen. Entgegen-
geſetzter Anſicht iſt der Code Napoléon. Art. 1895. und Zachariä, Ueber das
Staatsſchuldenweſen der Staaten des heutigen Europa. (Aus den Jahrbüchern der
Geſchichte und Staatskunſt von Pölitz beſonders abgedruckt. Leipzig 1831.) S. 14
bis 20. Man ſ. aber dagegen Meine Verſuche. S. 119. 357.
²⁾ Es ſind dies die Hypotheken und Fauſtpfänder, weil ſie dem Gläubiger die
Garantie rechtlich und wirklich in die Hand geben.
§. 362.
Fortſetzung. b) Arten der Anlage von Geldcapitalien.
Es kann hier nur von der leihweiſen Anlage der Geldcapitalien
die Rede ſein, und es wird überhaupt als vorausgeſetzt betrachtet,
daß man das Capitaliſtengeſchäft einem Gewerbsbetriebe vorgezogen
habe1). Die ganze Aufmerkſamkeit des Geldcapitaliſten iſt eine
praktiſche, nach den ſpeziellen Fällen ſich richtende. Die Zwecke
deſſelben bei der Capitalanlage ſind: α) ein größtmögliches Ein-
kommen; β) die höchſte Sicherheit deſſelben und des Capitals;
γ) der Eingang der Zinſen in feſten Terminen; δ) die Verſicherung
der Erfüllung verſchiedener ſubjectiver Vortheile2). Dieſe Punkte
[490/0512]
ſind auch die Momente der Vergleichung verſchiedener Anlagsmetho-
den. Man kann aber wählen zwiſchen den Anlagen auf Privat-
obligationen, Actien, Gemeindeobligationen und Staatspapiere,
unter welchen Lezteren es, wie geſehen, verſchiedene Arten gibt
(§. 336.). Es gehören dazu die genaueſten Kenntniſſe von den
Verhältniſſen dieſer Perſonen, Geſellſchaften, Gemeinden und Staa-
ten, welche ihren Kredit beſtimmen3).
¹⁾ Die Gründe dieſer Wahl ſind meiſtens perſönlicher Natur, z. B. Untaug-
lichkeit zu einem Gewerbe, Bequemlichkeit, Hoffnung auf außerordentliche Gewinnſte.
²⁾ Dieſe ſind ſehr manchfacher Art; gewiſſermaßen iſt auch hierher zu zählen,
daß manche bei der Anlage die Bequemlichkeit des leichten Austauſches der Obliga-
tionen, der Aufkündbarkeit u. dgl., manche aber die Feſtigkeit der Anlage, Unauf-
kündbarkeit vorziehen. Zu Schenkungen zieht man eine Anlagsart der anderen, z. B.
Staatspapiere und Actien den Privatobligationen vor u. dgl. m.
³⁾ Je ausgedehnter das Capitaliengeſchäft iſt, deſto mehr gründliche Kenntniſſe
ſetzt es voraus, in den verſchiedenen Abſtufungen zwiſchen dem politiſchen und Pri-
vatleben, dieſe mitgerechnet. S. Meine Verſuche. S. 471 folg.
Zweites Hauptſtück.
Umſatz-Betriebslehre.
§. 362. a.
Die Umſatz-Betriebslehre ſtellt die Grundſätze und Regeln
auf, nach welchen das Umſatzgewerbe (das Handels- und Leih-
gewerbe) als ein zuſammenhängendes Gewerbe geleitet werden ſoll,
um daraus den größten Vortheil zu beziehen1).
¹⁾ In ihrem ganzen Umfange iſt dieſe Abtheilung der Umſatz-Gewerbslehre
nicht abgehandelt, obſchon es eine unverzeihliche Menge von Schriften über kauf-
männiſche Briefſtellerei, Buchhalterei, Contorwiſſenſchaft u. dgl. gibt.
I. Von den allgemeinen Bedürfniſſen des Umſatz-
Betriebes.
§. 363.
1) Naturmittel; 2) Verkehrsmittel; 3) Arbeiter.
Die allgemeinen Erforderniſſe zum Betriebe des Umſatzgewerbes,
insbeſondere eines Handlungsgeſchäftes1), ſind zwar von denen der
anderen Gewerbe verſchieden, laſſen ſich aber doch unter den auch
dort aufgeſtellten Abtheilungen betrachten. Es gehören hierher:
1) Naturmittel. Dieſe ſind a) der Grund und Boden
für die Anlage der Gewerbsgebäude, von deſſen Lage und Beſchaf-
fenheit ſehr viel abhängt, weil jene auf den Abſatz, dieſe aber auf
die Güte der Waaren, z. B. Sicherung vor Feuchtigkeit, von
Einfluß iſt; b) die von der Natur dargebotenen Gewäſſer, die
[491/0513]
man als Transport- und Communicationswege benutzt, aber gerade
deßhalb auch zu den Verkehrsmitteln rechnen könnte, wenn man
die künſtlichen Bauten der Waſſerſtraßen nicht von den Gewäſſern
an ſich unterſchiede.
2) Verkehrsmittel. Der bei weitem größte Theil der all-
gemeinen Erforderniſſe zum Umſatzbetriebe beſteht in Verkehrsmit-
teln. Man hat hierher zu rechnen: a) den Abſatz, ohne welchen
der Handelsmann ſein Geſchäft gar nicht betreiben kann; b) die
Land- und Waſſerſtraßen im möglichſt beſten Zuſtande nebſt
den tauglichen Maſchinen und Anſtalten zur Weiterförderung der
Waaren auf denſelben2); c) Zeiten und Orte für beſondere
Zuſammenkünfte wegen der Abſchließung von Handelsgeſchäften,
als da ſind Wochen- und Jahrmärkte, Marktplätze für den großen
Welthandel mit Seehäfen, und Börſen3); d) Perſonen, welche
für Andere Handels- und Transportgeſchäfte übernehmen, nämlich
Mäkler und Commiſſionaire, Frachtfahrer und Spediteure4);
e) gute Maaße und Gewichte; f) gute Umlaufs- und Tauſch-
mittel, nämlich Metallgeld, Barren, Papiergeld, Wechſel u. dgl.;
und g) Kredit bei den Handelsfreunden.
3) Tüchtige und zuverläſſige Arbeiter. Man ſieht leicht
ein, daß ſie der Handelsmann nicht in dem Sinne und in der Aus-
dehnung braucht, wie die bisher genannten Gewerbsunternehmer.
Es gehört indeſſen zu den Dienſten des niederen Perſonales, wie
z. B. der Packknechte u. dgl., oft viele körperliche Geſchicklichkeit,
während die gewöhnlichen Commis ſich gleich durch Waarenkennt-
niß ſo wie durch äußeren Anſtand und Gefälligkeit empfehlen.
¹⁾ Man kann das hier und im Folgenden Geſagte nur mit Unterſchied auf den
Handelsmann und Rentner anwenden. Denn ein gewöhnlicher Capitaliſt bedarf der-
jenigen Erforderniſſe zu ſeinem Gewerbsbetriebe nicht, welche dem Banker unent-
behrlich ſind; dieſer aber ſtimmt bis auf die Waaren und damit zuſammenhängende
Dinge in den Betriebsbedürfniſſen mit dem eigentlichen Handelsmanne überein; die
Handelsgeſchäfte ſelbſt machen von den erwähnten Bedürfniſſen verſchiedene Arten
nöthig. Man ſ. Murhard Theorie. S. 254 folg.
²⁾ Seen, Meere, Kanäle, Flüſſe, Ströme nebſt Häfen, Landungsplätzen,
Leuchtthürmen, Löſchungsplätzen, Werften, Krahnen, Lootſen; — Steinwege,
Eiſenbahnen; — gewöhnliche und Dampfwagen, gewöhnliche und Dampfſchiffe; —
Leinpfade; — Lagerhäuſer u. dgl.
³⁾ Die Märkte und die Meſſen ſind bekannt. Die Marktplätze für
den Welthandel ſind alle großen Seeſtädte mit Häfen. Die Börſen ſind be-
ſtimmte öffentliche Verſammlungsorte der Handelsperſonen in einer Handelsſtadt zur
Abſchließung von Handelsgeſchäften, Mittheilung von Handelsnachrichten und Beſtim-
mung der gebildeten Waarenpreiſe oder Curſe Es gibt aber auch Plätze, welche
dem Handel wegen ihrer Vorrechte hinderlich ſind, wie z. B. die Stapelplätze.
Unter Stapelplätzen verſteht man Handelsörter, denen die Stapelgerechtig-
keit, d. h. das Recht zuſteht, die Kaufleute und Fahrzeuge, welche durch- oder
vorbeifahren, zu zwingen, ihre Waaren um- oder abzuladen, um ſie von deren
[492/0514]
³⁾ Einwohnern weiter transportiren zu laſſen oder ſie zum Kaufe einige Zeit auszu-
ſetzen. (Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 520.)
⁴⁾ Wegen der Commiſſionaire ſ. §. 351. Die Mäkler (Senſalen, Courtiers)
ſind obrigkeitlich ermächtigte verpflichtete und immatriculirte Mandatare in Handels-
geſchäften, welche einen übernommenen Auftrag zum beſten Intereſſe des Commit-
tenten beſorgen müſſen. Sie führen obrigkeitlich vidimirte und foliirte Geſchäfts-
bücher zur pünktlichen Aufzeichnung ihrer Geſchäfte. Sie ſtellen am Ende jedes
Geſchäftes den Contrahirenden Schlußzettel (Mäklernotizen, Borderaux) zu,
welche dieſe unterzeichnen oder auch blos annehmen zum Zeichen des Geſchäfts-
abſchluſſes. Die Mäkler bekommen eine Belohnung (Courtage, sensarie) nach Pro-
centen oder Promillen des Werthes der Geſchäfte. Es gibt verſchiedene Mäkler,
aber ſie haben ihre beſondere Mäklerordnungen. (Büſch Darſtellung. I. 392.
Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 485.) Die Frachtfahrer ſind Perſonen,
welche die Waaren entweder zu Waſſer oder auf der Axe ohne Unterſuchung und
Haftung für etwa eingetretene Beſchädigungen blos an Ort und Stelle liefern, aber
für den Verluſt derſelben verantwortlich ſind. Die Spediteure vereinigen gleich-
ſam in ſich die Perſonen des Verſenders und Empfängers, da ſie Commiſſionaire von
beiden ſind; ſie haben daher nicht blos die Obliegenheiten des Frachtfahrers, ſondern
auch die Pflicht, noch vor der Verſendung die angekommenen Waaren zu unterſuchen
und die nöthigen Verbeſſerungen an der Einhüllung (Emballage) und Waare ſelbſt
vorzunehmen. Der Frachtfahrer kann im Dienſte der Spediteure ſtehen. Der
Frachtcontrakt wird entweder auf ein ganzes Fahrzeug oder nur ſtückweiſe (§. 358.
Note 1.) geſchloſſen und das Inſtrument darüber heißt Frachtbrief; es werden
von ihm drei Exemplarien verfertigt (für den Verſender, Frachtfahrer und Empfän-
ger), wenn nicht die Gewohnheit einen bloßen Empfangſchein (Rezipiß) für die
Waare eingeführt hat. Der Spediteur verſendet die Waaren mit einem Avis-
briefe entweder an den Addreſſaten oder an den nächſten Spediteur, und Einer
von dieſen bezahlt ihm die Speſenrechnung, d. h. das Verzeichniß ſeiner Aus-
lagen und Gebühren (Speſen). Er führt ſein eigenes Speditionsbuch. Das Ge-
wicht der Waaren allein ohne die Emballage heißt Nettogewicht; ſammt der
Emballage aber Brutto- oder Sporcogewicht; und der Unterſchied beider wird
Thara genannt. Die Berechnungsart davon iſt verſchieden. Leuchs Syſtem. I.
S. 241. 291. Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 486. 499.
§. 364.
Fortſetzung. 4) Capital; 5) Gewerbsfreiheit.
4) Hinlängliches Capital. Das Capital für die Umſatz-
geſchäfte hat folgende Beſtandtheile: a) die Waarenvorräthe
im weiteren Sinne des Wortes; b) die Geldvorräthe in der
Kaſſe; c) die Hilfsſtoffe, nämlich z. B. die Umhüllung der
Waaren, Schreibmaterialien u. dgl.; d) die Handlungsgeräth-
ſchaften verſchiedener Art; e) das Arbeitsvieh, z. B. zum
Transporte, für reiſende Diener u. dgl.; f) die Gewerbsge-
bäude und Magazine für die Waaren; g) die Reparaturkoſten
der Waaren, Geräthe, Geſchirre und Baulichkeiten; h) der Ar-
beitslohn in Geld und Natur; i) die Handlungsprivilegien.
5) Gewerbsfreiheit. Das Gewerbe des Capitaliſten be-
wegt ſich ganz frei und ſein Einkommen iſt nur in wenigen Staaten
einer Steuer unterworfen; die Beſchränkungen, welche das Hypo-
thekenweſen demſelben auferlegt, ſind nur zu ſeiner Sicherheit und
gegen ungerechte Bedrückungen der Schuldner gemacht, er kann
[493/0515]
ihnen aber entgehen, wenn er ſeine Capitalien in Actien und
Staatspapieren anlegt. Anders verhält es ſich mit dem Handel.
Dieſer iſt durch Ein- und Ausfuhrverbote und Zölle, welche eine
Menge läſtiger Controlmaßregeln nöthig machen, und ſelbſt auch
öfters noch durch Zunftverhältniſſe in den verſchiedenen Staaten
mehr oder weniger beſchränkt. Allein dieſe Beſchränkungen ſind
auch oft wieder von ſolcher Natur, daß von dem Handelsbetriebe
einer beſtimmten Art die ausländiſchen Handelsleute, ſelbſt auch
Inländer, unmittelbar oder mittelbar durch das Geſetz zurückge-
drängt werden und den Begünſtigten ein großer Vortheil zum
Schaden der Käufer und anderen Handelsleute geſchenkt wird.
Der Bevortheiligte wird daher aus eigenem Intereſſe die Erhaltung
ſolcher Beſchränkungen wünſchen, der Benachtheiligte ſie aber auf-
gehoben wiſſen wollen.
II. Von der Organiſation des Umſatzbetriebes.
§. 365.
Beim Beginne eines Handlungsgeſchäftes macht dies der Un-
ternehmer durch Briefe (Oblatorien) bekannt. Blos bei einem
Handlungsgeſchäfte ſind ebenfalls die oben (§. 313.) erwähnten
Bewirthſchaftungsarten, nämlich die Selbſtverwaltung, Ver-
pachtung und Verleihung anwendbar. Die Verpachtung iſt
jedoch nur möglich, wenn zu einer Handlung ein hinreichendes
Capital an Gewerbseinrichtungen vorhanden iſt; es kann ſich aber
hier der Beweis vorfinden, daß Privilegien und eine Kundſchaft
als wahre Capitalien zu betrachten ſind, indem der Pachtzins,
wenn dieſe garantirt ſind, um ein Bedeutendes ſteigt. Gerade bei
einem Handlungsgeſchäfte gibt unter übrigens gleichen, oft auch
ungleichen, Umſtänden die Perſönlichkeit des Unternehmers und der
Diener den Ausſchlag zum Vor- oder Nachtheile des Geſchäftes.
Die Verleihung, blos vom Staate geübt, äußert ſich der Natur
der Sache nach bei Handlungsgeſchäften meiſtens in der Erthei-
lung von Handelsprivilegien, z. B. an Handelsgeſellſchaften, Bank-
geſellſchaften, und von Gerechtigkeiten, z. B. Apothekergerechtigkeit
auf einem Hauſe oder in einer Familie. Die Organiſation des
Betriebes iſt in dieſen verſchiedenen Fällen der Bewirthſchaftung,
ausgenommen die oberſte leitende Perſon, welche namentlich bei
Geſellſchaften verſchiedenartig berechtigt und verpflichtet iſt, nicht
weſentlich verſchieden; ſondern auch hierbei ſind die verſchiedenen
Stufen der Geſchäftsführer und Diener, nämlich Buchhalter,
Commis u. dgl. ziemlich allgemein gleich beſtellt. Je größer das
[494/0516]
Geſchäft iſt, deſto genauer iſt die Arbeit getheilt, nicht blos was
den Kauf und Verkauf, ſondern auch was die Magazinirung, die
Geſchäfte der Buchführung und die Geſchäftsreiſen anbelangt.
III. Von der Leitung des Umſatzbetriebes.
§. 366.
1) Speculation. 2) Betriebsarten. 3) Inventarium.
Ein Punkt, welcher jedem Handelsmanne und Geldcapitaliſten
unumgänglich iſt, beſonders wenn er ſich in größere Geſchäfte ein-
laſſen will, iſt:
1) Die Speculation. Sie erſcheint in dieſem Gewerbe als
dasjenige, was bei den anderen unter der Aufſchrift Verſuche
vorkam. Es iſt dazu aber ein ſolcher eigenthümlicher Geiſt nöthig
und die äußeren Verhältniſſe, wonach ſie vorgenommen werden
muß, ſind ſo manchfach und verſchieden, daß ſie als etwas rein
Praktiſches erſcheint, wobei aber das Glück nicht fehlen darf. Man
verſteht unter der Handelsſpeculation die aus der Vermuthung
eines zu machenden Gewinnes erfolgende Anſchaffung von Waaren
mit dem Zwecke, ſie um einen höheren, als den Ankaufspreis,
wieder fortzubringen. Sie findet in allen Handelsarten, und am
meiſten im Geld- und Effectenhandel Statt. Der ſolide Handels-
mann zieht ein dauerndes, ſicheres, auch ein geringeres Gewinnſt-
procent abwerfendes, Geſchäft mit ſolider Speculation dem Wagniſſe
vor, welches, wie das Spiel, einmal ſehr reich, aber ein ander-
mal wieder ſehr arm macht. Die zur Beſtimmung der Wahr-
ſcheinlichkeit in ihren verſchiedenen Graden durch die Vernunft
und Erfahrung aufgefundenen Gründe für und wider eine Unter-
nehmung heißt man Conjuncturen, die Zuſammenſtellung dieſer
Conjuncturen aber Calculation. Dieſe erſcheint unter zwei
Hauptbeziehungen, nämlich als ſolche beim Einkaufe, und ſolche
beim Verkaufe der Waaren1). Bei beiden und bei der Ausführung
der Speculation iſt aber die Berückſichtigung der Concurrenz in
der Lezteren ſelbſt von der größten Wichtigkeit und daher kommen
die verſchiedenerlei Machinationen der Speculanten, um ihre Mit-
bewerber zu entdecken, ihnen zuvorzukommen und der Gegenparthei
entgegen zu arbeiten2).
2) Die Wahl und Leitung der Betriebsart. Der Zweck
des Umſatzbetriebes iſt, durch ein Zuſammenhalten der verſchiedenen
Theile und Beziehungen des Gewerbes ſich die Benutzung aller
eintretenden Umſtände und vortheilhafte Verwendung aller, auch
der kleinen, Hilfsmittel zum größt möglichen Reinertrage zu
[495/0517]
erleichtern. Dieſer Zweck wird nun auf verſchiedenen Wegen nicht
blos nach der Art des Handelsgeſchäftes, ſondern auch nach der
Betriebsart erreichbar ſein. Es gibt zwei Hauptbetriebsarten des
Handels3), nämlich a) den Großhandel, wobei man die Waaren
zu großen Parthien einkauft und in großen Parthien (en Gros)
wieder verkauft. Der Unternehmer heißt Großhändler. b) Den
Kleinhandel, wobei man die Waaren in nicht ſehr großen Par-
thien einkauft, aber jedenfalls in kleinen Parthien (en Detail)
wieder verkauft4).
3) Das Inventarium (§. 314. 3.), d. h. das Verzeichniß
von den Waaren- und Geldvorräthen, von den Forderungen an
Handelsfreunde, von ſonſtigen beweglichen und unbeweglichen Han-
delsvermögen nach Taxation und von den Schulden an Handels-
freunde. Daſſelbe muß am Ende jedes Jahrs wenigſtens verfertigt
werden, damit der Handelsmann oder Capitaliſt, die Verwaltung
einer Handels- und Bankgeſellſchaft u. dgl. genau wiſſe, mit wel-
chem Vermögen jedes Jahr das Geſchäft begonnen werde. Es iſt
leicht begreiflich, daß ohne dieſes ein geordneter Umſatzbetrieb auf
die Länge nicht mit Glück fortbeſtehen kann.
¹⁾ Die Kaufleute helfen ſich wechſelſeitig darin durch öffentliche Bekanntmachung
und Ueberſendung a) von Preisverzeichniſſen (Preiscouranten, Curs-
zetteln), denen nicht ſelten noch Bemerkungen und Vermuthungen über gegen-
wärtige und zukünftige Verhältniſſe beigeſetzt werden; b) von Conti finti, d. h.
fingirten oder erdichteten Rechnungen über die mit einem Geſchäfte verbundenen
Nebenkoſten aller Art, welche aber nur ſo zu verſtehen ſind, daß ihnen nämlich noch
kein wirklich vollführtes Geſchäft zu Grunde liegt, und nicht ſo, als ob die Anſätze
nicht der Wahrheit oder Wahrſcheinlichkeit gemäß wären.
²⁾ Die Speculanten haben ſich daher die Namen Minirer und Contre-
minirer gegeben. Man ſpeculirt ſo auf Erhöhung (à la hausse), und auf Er-
niedrigung (à la baisse) des Curſes, ſowie auch öfters auf beide zugleich. Beſon-
ders im Effectenhandel iſt dies häufig der Fall.
³⁾ Obſchon dieſe beide Beziehungen beim Capitaliengeſchäfte nicht ſo ſtrikt
herausgehoben ſind, ſo laſſen ſie ſich nichtsdeſtoweniger dennoch aufſtellen. Das
Geſchäft eines großen Bankers gibt äußerſt wenige Haltpunkte zur Vergleichung mit
jenem eines kleinen Capitaliſten.
⁴⁾ Murhard Theorie. S. 153. Die Abſtufungen in jeder Betriebsart ſind
ſehr verſchieden.
IV. Von der Umſatzbetriebs-Wirthſchaft.
§. 367.
1) Betriebsausgaben.
Die Betriebsausgaben des Geldcapitaliſten ſind höchſt unbe-
deutend, ſo lange das Leihgeſchäft nicht ins Große getrieben wird
und die Eigenſchaften eines Bankgeſchäftes annimmt. Jene in
Leihgeſchäften mit beweglichen Gütern, z. B. Meubles, Biblio-
[496/0518]
theken u. dgl. haben die meiſten Poſten der Betriebsausgaben im
Handelsgeſchäfte. Man kann daher im Umſatzgeſchäfte folgende
Betriebsausgaben aufſtellen:
a) Für Anſchaffung und Unterhaltung des ſtehenden Capi-
tals an Gewerbsgebäuden, Geräthſchaften, Arbeitsthieren nebſt
Geſchirr, auszuleihenden beweglichen Gegenſtänden (das Geld aus-
genommen), Hausrath und Gerechtſamen, — und des umlau-
fenden Capitals an Waaren- und Geldvorräthen (wobei die
Verluſte durch Verderbniß und ſchlechtes Geld nicht zu vergeſſen
ſind). Die leztere Klaſſe von Ausgaben iſt beim Handelsmanne
eigentlich blos der Waarenpreis, Geld- und Effectencurs, den er
zu bezahlen hat. In dieſer Hinſicht kommt alſo Alles auf den
Einkauf an, der um ſo wohlfeiler geſchieht, je näher die Waaren
beim Producenten geholt werden, weil der Satz der Zwiſchenkoſten
niedriger ausfällt. Um ſich aber, wenn man beim Kaufe nicht
ſelbſt zugegen iſt, vor ſchlechten Waaren zu ſichern, hat man auch
einen Kauf auf Probe und Beſicht und einen ſolchen auf Nach-
ſtechen eingeführt1). Wohlfeile und gute Einkäufe macht man
oft bei Auctionen (Licitationen, Verſteigerungen), ſie mögen
freiwillig oder von Rechts- und Polizeiwegen geſchehen2).
b) Für Beſoldung, Löhnung und Unterhaltung des Ge-
ſchäftsperſonales in dem Bureau, in den Magazinen und auf
Reiſen. Im Allgemeinen kennt man hierbei das Syſtem des
Stücklohnes nicht, ſondern jenes der jährlichen, halb- oder
vierteljährlichen Beſoldung und Löhnung, entweder mit oder
ohne Koſt und Wohnung. Es iſt übrigens auch hier rathſam, da,
wo es auf die Anzahl der gemachten Geſchäfte ankommt, z. B. den
Reiſecommis, von jedem Geſchäfte ein Beſtimmtes neben der fixen,
übrigens mit Bezug auf dieſe Accidenzien berechneten, Beſoldung
zu verwilligen. Dies kann auf die Geſchäftsbeſorgung einen vor-
theilhaften Einfluß haben.
¹⁾ Mittermaier deutſches Privatrecht. §. 510. Es hängt mit dieſer Ein-
richtung übrigens auch die ſogenannte Refractie (Fuſti, Gerbelut) zuſammen,
d. h. ein nach Handelsgewohnheiten (Uſancen) und Geſetzen ſich richtender Abzug
an der Zahlung, den der Verſender zu leiden hat, wenn die Waare durch die
Verſendung verſchlechtert wurde, den aber der Verkäufer tragen muß, wenn ſie von
Natur nicht gut war. Leuchs Syſtem. I. S. 117. Büſch Darſtellung. I. 164.
²⁾ Wenn die Concurrenz der Käufer klein, die Waarenvorräthe ſehr groß und
der Verkauf aus irgend einem wichtigen Grunde nothwendig iſt. Es finden ſolche
Auctionen von Zeit zu Zeit von Compagnien Statt, welche in gewiſſen Haupthan-
delsſtädten Niederlagen haben, welche man Kammern nennt. Dabei werden die
Waaren gattungsweiſe in Parthien geordnet und verſteigert, welche man Looſe
oder Cavelinen (vom holländiſchen Worte Kaveling) nennt. (S. §. 368.)
[497/0519]
§. 368.
2) Betriebseinnahmen.
Die Betriebseinnahmen beſtehen beim Handelsgeſchäfte in den
Preiſen für die abgeſetzten Waaren, und beim Leihgeſchäfte in der
Rente und den mit ihr zuſammenhängenden Vergütungen. Von
beiden Summen müſſen die Ausgaben einer beſtimmten Periode
abgezogen werden, um den Reinertrag zu finden. Allein beim
Handel entſteht die Frage: a) Ob es nützlich ſei, die eingekauften
Waarenvorräthe auf Beſtellung liegen zu laſſen, oder ſie ohne
vorherige Beſtellung (auf Conſignation) an Handelsfreunde
(Commiſſionaire) zum Verkaufe zu verſenden; ſie kann nur nach
praktiſchen Verhältniſſen gelöst werden. b) Ob und in welchen
Fällen man Auctionen mit Vortheil anſtatt des Verkaufes aus der
Hand anſtellen kann; ſie ſind meiſtens in Anwendung bei großen
Waarenvorräthen, die ſchnell abgeſetzt werden ſollen und von einem
Einzelnen nicht übernommen werden können, bei Waarenmaſſen,
deren Erlös ſchnell eingehen ſoll, um in ein anderes Geſchäft ge-
worfen zu werden, und zuweilen auch bei Gütern, wozu unter den
Handelsleuten wenige, aber zerſtreute, Liebhaber vorhanden ſind
und welche man doch zu ordentlichem Preiſe abſetzen möchte.
§. 369.
3) Verhältniß zwiſchen beiden.
Das Verhältniß zwiſchen Ausgaben und Einnahmen iſt um ſo
glücklicher, je mehr die Lezteren jene überſteigen. Der entgegen-
geſetzte Gang der Wirthſchaftsverhältniſſe führt endlich denjenigen
Zuſtand des Geſchäftes herbei, in welchem der Unternehmer ſeine
verfallenen Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlen kann. Tritt er
als Folge mißlicher Ereigniſſe ohne Verſchulden des Unternehmers
ein, ſo nennt man ihn Falliment (Fall, Fallissement); iſt er
aber im eigenen Verſchulden des Unternehmers gegründet, dann
wird er Bankerott (Bankbruch, Banqueroute) genannt. Be-
ſonders braucht man die Namen Fallit und Bankerotirer von
einem ſolchen Unternehmer immer in dieſem Sinne. Das Falli-
ment und der Bankbruch wird den Gläubigern ſchriftlich angezeigt,
und dieſe werden zuſammenberufen. Die urkundliche Auseinander-
ſetzung des Vermögensſtandes heißt man Status. Iſt die Zah-
lungsunfähigkeit blos eine unverſchuldete vorübergehende, ſo kann
der Schuldner eine obrigkeitliche Zahlungsfriſt (Moratorium,
Indult) anſprechen, und die ſchriftliche Ertheilung derſelben
durch die Obrigkeit heißt Anſtands- oder Indultbrief. Kann
Baumſtark Encyclopädie. 32
[498/0520]
er ſich, wenn er hierzu geſetzlich nicht befugt iſt, auch mit den
Gläubigern nicht auf einen Accord (Vergleich) verſtändigen,
dann wird das Falliment oder der Bankbruch gerichtlich öffentlich
erklärt, heißt dann Concurs und hat ein nach den Geſetzen ver-
ſchiedenes Proceßverfahren zur Folge1).
¹⁾ Büſch Darſtellung. I. 424. II. 523 folg. Bleibtreu Lehrbuch. S. 372
(nach dem Bad. Landrechte). Leuchs Syſtem. II. 753. Schriften über Handels-
recht, Geſetzbücher und Prozeßordnungen. Bei den Bankern und Notenbanken er-
ſcheint dieſer Zuſtand zuerſt als Einſtellung der Baarzahlungen.
§. 370.
4) Kaufmänniſche Buchhaltung.
Die kaufmänniſche Buchhaltung, welche auch bei Leihgeſchäf-
ten angewendet wird, iſt, wie bereits oben (§. 79–82.) ſchon
dargethan wurde, entweder eine einfache oder eine doppelte1).
Es werden im Allgemeinen auch die daſelbſt erwähnten Haupt- und
Nebenbücher geführt. Allein jede Handlungsart hat außer dieſen
auch noch ihre beſonderen eigenthümlichen Bücher, nämlich a) das
Waarenſcontro zur chronologiſchen Aufzeichnung und Verrech-
nung der empfangenen und abgegebenen Waaren; b) das Wechſel-
ſcontro zur chronologiſchen Notirung aller eingenommenen und
ausgeſtellten Wechſel; c) das Kaſſenſcontro zu demſelben
Zwecke für die baaren Einnahmen und Ausgaben; d) das Bank-
ſcontro, zur Aufzeichnung der Ab- und Zuſchreibungen, welche
auf den Namen des Hauſes in den Büchern der Girobanken ge-
macht werden; e) das Waarencalculationsbuch, zum Auf-
zeichnen der gemachten Waarencalculationen; f) das Wechſel-
copirbuch, zur wörtlichen Abſchrift der Wechſel, weßhalb man
zwei, nämlich ein Trattenbuch und ein Rimeſſenbuch hat
und die Acceptation ſowie die Proteſtation bemerkt; g) das Han-
delsunkoſtenbuch, zur beſonderen Verrechnung der verſchiedenen
Auslagen der Handlung, deren Ergebniß man erſt monatlich in
das Kaſſabuch einträgt; h) das Briefcopirbuch; i) das Com-
miſſionsbuch, k) das Speditionsbuch, l) die Meßbücher,
welche Lezteren vier ſchon durch das Wort erklärt ſind; m) das
Contocorrentbuch, zur Aufſchreibung der Conti correnti2).
¹⁾ Ueber die Literatur ſ. m. §. 79. N., worunter Bleibtreu als vorzüglich
zu empfehlen iſt. Es gibt aber auch eine eigenthümliche doppelte Buchhaltung,
welche man die engliſche nennt, da ſie von einem Engländer Jones erfunden
wurde. Sie iſt von der italieniſchen dadurch unterſchieden, daß die Poſten,
Debitoren, Creditoren, Debet und Credit, weit gedrängter und überſichtlicher als
bei dieſer aufgezeichnet ſind. Der Unterſchied wird am beſten aus der Vergleichung
von Schematen erkannt. Bleibtreu gibt ſolche zur Vergleichung.
[499/0521]
²⁾ Unter Conto corrente verſteht man ein auszügliches Verzeichniß aller von
einem Handelsfreunde in der Rechnungsperiode empfangenen und an denſelben abge-
lieferten Handelsartikel, nach Gattung und Betrag der Koſten ſpezifizirt und mit
den ſchuldigen Zinſen berechnet. Sie werden beim Schluſſe der Bücher und zum
Rechnungsabgleiche überſchickt. Das Buch über dieſe Conti correnti iſt das genannte.
V. Von der Verfertigung kaufmänniſcher Ertrags-
anſchläge.
§. 371.
Mit einer genauen Buchhaltung iſt der jährliche Ertrags-
anſchlag einer Handlung oder eines Leihgeſchäftes nothwendig ver-
bunden. Da den Unternehmern aus eigenem Intereſſe Alles daran
liegen muß, zuverläſſige Buchführung zu beſitzen, und da die Hand-
lungsbücher bis zu einem gewiſſen Grade einen geſetzlichen Beweis
abgeben, ſo iſt die Verfertigung kaufmänniſcher Ertragsanſchläge
im Durchſchnitte mehrerer Jahre ſehr erleichtert. Mangeln dieſe
Mittel, dann iſt ein ſolcher Ertragsanſchlag von auch nur einiger
Sicherheit, um ſo unausführbarer, je ausgedehnter das Geſchäft
iſt. Denn, wenn man auch das Capital eines Handelsmannes
kennt, ſo kann man daraus nicht auf den Gewinn ſchließen, weil
die Perſönlichkeit des Unternehmers, ſein Speculationsgeiſt u. dgl.
in Verbindung mit vielen äußeren Verhältniſſen auf denſelben
wirkt. Bei den Leihgeſchäften iſt dieſes Verfahren zuverläſſiger,
mit alleiniger Ausnahme der Geldleihgeſchäfte, bei denen die Aus-
mittelung des Capitalbeſitzes an das Unmögliche grenzt, weil das
Wechſel-, Actien- und Staatspapiergeſchäft alle Mittel der Ver-
heimlichung beſitzt, und ſonach blos die auf geſetzmäßige Hypo-
theken ausgeliehenen Geldcapitalien zu ermitteln ſind.
Zweiter Abſchnitt.
Dienſtgewerbslehre.
Einleitung.
§. 372.
Die Unternehmer aller bisher erörterten Gewerbe ſind darauf
bedacht, durch Hervorbringung, oder Umarbeitung, oder Umſatz
ſich ſelbſt und Anderen äußere ſachliche Güter zu verſchaffen,
welche man vorher nicht beſaß, alſo durch Aufopferung von Zeit,
Kraft und Vermögen überhaupt nicht vorhandene oder im Beſitze
anderer Menſchen und Gegenden befindliche Vermögenstheile zu
32 *
[500/0522]
erwerben. Die Dienſte (§. 41.) ſtimmen mit jenen gewerblichen
Thätigkeiten darin überein, daß auch ſie den Zweck des Erwerbes
ſachlicher Güter verfolgen, ſie unterſcheiden ſich aber von ihnen
weſentlich dadurch, daß ſie unmittelbar keine ſachlichen Güter
geben1), ſondern blos durch die Perſönlichkeit des Leiſtenden dem
Empfänger entweder einen wirthſchaftlichen oder einen per-
ſönlichen Vortheil verſchaffen. Man kann daher füglich wirth-
ſchaftliche und perſönliche Dienſtgewerbe unterſcheiden2).
Blos die Erſteren ſind Gegenſtand dieſes Abſchnittes der Kameral-
wiſſenſchaft, die Anderen aber nicht3). Zu denſelben gehören alle
wirthſchaftlichen Dienſte in den bürgerlichen Gewerben und in der
Hauswirthſchaft4), welche entweder in Gewerbsarbeiten, oder in
den Betriebsgeſchäften, oder in dem häuslichen Geſchäftsweſen
vorkommen. Einer weiteren Aufzählung bedarf es nicht, denn es
liegt nicht im Plane dieſer Schrift, ſie alle abzuhandeln5). Allein
es läßt ſich bei ihnen ebenfalls, wie bei den erwähnten Gewerben,
das Gewerbliche von der Betriebswirthſchaft trennen6).
¹⁾ Eine ſcheinbare Ausnahme macht das Geſchäft der Gaſtwirthe. Allein
dieſe ſind nicht bloße Dienſtleiſtende, ſondern zugleich Handelsleute. Sie vereinigen
zwei Gewerbsarten in ihrem Geſchäfte; aber dieſes iſt weder wichtig noch eigen-
thümlich genug, um als eine dritte Gewerbsart nach den Dienſtgewerben beſonders
abgehandelt werden zu müſſen.
²⁾ Im Allgemeinen und für nationalökonomiſche Unterſuchungen muß dieſe
Unterſcheidung wohl eben ſo gleichgiltig ſein, als viele andere Begriffsſpaltungen.
Allein hier, wo es ſich um das Syſtem handelt, iſt ſie durchaus nicht gleichgiltig,
weil durch ſie entſchieden werden kann, welche Dienſte in die Kammeralwiſſenſchaft
gehören.
³⁾ Denn ſie hat blos die rein wirthſchaftlichen Gewerbe, d. h. diejenigen zum
Gegenſtande, welche durch Einwirkung auf wirthſchaftliche Güter Vermögen zu
erwerben ſuchen. Dahin gehören aber niemals die Lehrer, Gymnaſtiker, Künſtler,
Geiſtlichen, Aerzte, Advocaten u. dgl., wohl aber die Bergleute, landwirthſchaft-
lichen Arbeiter, Verwalter, Ackervögte, Förſter, Waldmeiſter, Waldarbeiter,
Flötzer, Jäger, Handwerksgeſellen, Factoren, Werkmeiſter, Buchhalter, Commis,
Kellner, Köche, Küchendiener u. dgl.
⁴⁾ Beiſpiele ſ. in der Note 3. Es ſind aber die Hauswirthſchaftsdiener wohl
von den Haushaltungsdienern zu unterſcheiden (§. 40 u 63 folg.), denn zu den
Lezteren gehören auch die Ammen, Secretaire, andere Diener für die bloße Bequem-
lichkeit, Erzieher u. dgl., die aber alle nicht zum wirthſchaftlichen Perſonale gehören.
⁵⁾ Die Eintheilungen bei storch Cours d'Econom. polit., überſetzt von Rau
II. 353. und bei Rau Grundriß der Kameralwiſſ. §. 201. 202., vergl. mit 199.
u. 200. ſind in der That als ſehr mißlungen zu betrachten, denn es fehlt ihnen
beides, logiſche Schärfe und Vollſtändigkeit.
⁶⁾ Dies läßt ſich auch bei den anderen Dienſten, ſelbſt bei den höheren thun.
Allein das Gewerbliche, d. h. die theoretiſchen und praktiſchen Kenntniſſe und Ge-
ſchicklichkeiten eines Arztes, Lehrers, Advocaten, Rechtsbeamten ꝛc. ſind kein Gegen-
ſtand der Kameralwiſſenſchaft; das Betriebsweſen einer ſolchen Beſchäftigung reducirt
ſich dagegen auf die Hauswirthſchaft. Rau a. a. O. §. 201. hat daher zu viel
geſagt in der Behauptung, die Kunſtlehre der Dienſte ſei der Wirthſchaftslehre
fremd. Denn dies gilt nur von den rein perſönlichen Dienſtgewerben.
[501/0523]
Erſtes Hauptſtück.
Dienſt-Gewerbslehre.
§. 373.
Dieſe ſoll die Grundſätze und Regeln darſtellen, wonach die
verſchiedenen Gewerbsarbeiten und die hauswirthſchaftlichen Dienſte
geleiſtet werden müſſen, um vollkommene Producte zu liefern und
ſich die Arbeit ſo viel als möglich zu erleichtern und abzukürzen.
Es iſt daher ihre Aufgabe, den Zweck einer jeden ſolchen Arbeit
zu lehren, den Zuſammenhang derſelben mit den andern Geſchäften
zur Erreichung deſſelben Zieles zu zeigen, und die tauglichſten
Mittel und Wege anzugeben, wie man dazu gelangen kann. Da
die Mittel dafür der Körper, die Werkzeuge und Maſchinen, die
Wege dazu aber die menſchliche Thätigkeit zur Anwendung der-
ſelben ſind, ſo gehört in ihr Bereich die Erklärung der Werkzeuge
und Maſchinen, welche gebraucht werden, und des Hände- und
Fußwerkes bei der Arbeit. Man wird alſo ſo viele Abtheilungen
dieſes Hauptſtückes bekommen, als es wirthſchaftliche Dienſte
gibt. Dieſe aber laſſen ſich unter folgenden Klaſſen vollſtändig
darſtellen:
A. Gewerbsdienſte. Sie ſind:
1) Urgewerbsdienſte, nämlich in dem Bergbaue, in der
Feld-, Garten- und Forſtwirthſchaft, in der Viehzucht und in
der Jagd.
2) Kunſtgewerbsdienſte, nämlich in ſämmtlichen Gewerken.
Man muß aber bei ihnen diejenigen Gewerke, bei welchen Arbeits-
theilung eingeführt iſt und folglich jede Arbeit blos ein Theil der
Productionsthätigkeit iſt, von denjenigen unterſcheiden, wo jenes
nicht der Fall iſt und demnach die Arbeit des Dienſtleiſtenden die
Fertigung des ganzen Productes umfaßt.
3) Umſatzgewerbsdienſte, nämlich im Handel und im
Leihgeſchäfte.
B. Hauswirthſchaftsdienſte, wozu alle diejenigen zu
zählen ſind, welche in den oben genannten Geſchäften der Haus-
wirthſchaft vorkommen. Bei einer näheren Betrachtung dieſer
Dienſte zeigt ſich aber:
1) daß dasjenige, was die Wiſſenſchaft von den Gewerbsdien-
ſten lehren kann, in den einzelnen Gewerbslehren ſchon vorkommt;
2) daß die hauswirthſchaftlichen Dienſte einer wiſſenſchaftlichen
Faſſung nicht wohl fähig ſind; und
[502/0524]
3) daß das Weſentliche und Eigenthümliche bei der Dienſt-
leiſtung, nämlich die Geſchicklichkeit und Fertigkeit, nur in der
Ausübung zu erlernen iſt.
Daher würde man an dieſem Orte Zeit und Raum verſchwen-
den, wenn man eine beſondere Darſtellung der Dienſtgewerbe hier
geben würde1).
¹⁾ Die Dienſt-Gewerbslehre gehört aber nichts deſto weniger in die Kameral-
wiſſenſchaft, wenn ſie auch hier blos formell berührt wird.
Zweites Hauptſtück.
Dienſt-Betriebslehre.
§. 374.
Die Dienſt-Betriebslehre ſteht mit der werkmänniſchen, mit
der land- und forſtwirthſchaftlichen, bergmänniſchen, mit der Um-
ſatzbetriebslehre und mit der Hauswirthſchaftslehre im innigſten
Zuſammenhange, weil der Dienſtbetrieb vom Gewerbsbetriebe und
von dem häuslichen wirthſchaftlichen Bedarfe abhängt. Es hat
zwar den Anſchein, als könnte bei den Dienſtgewerben kein Betrieb
in dem bisher mehrmals genannten Sinne Statt finden, weil die
Manchfaltigkeit der Mittel, Geſchäfte, Ausgaben und Einnahmen
fehlt, welche bei den Gewerben vorkommt. Allein gerade, weil
man ſelten einen geordneten Betrieb bei den Arbeiterklaſſen findet,
deßhalb iſt auch der wirthſchaftliche Uebelſtand unter ihnen ſo
häufig, wie man bemerkt. In ſehr vielen Fällen bereiten ſich die
Arbeiter ſelbſt ihr Unglück, weil ſie die zu Gebote ſtehenden Mittel
zu ſeiner Abwendung unbenutzt laſſen und Schritte thun, welche
ihnen poſitiven Nachtheil bringen1).
¹⁾ Babbage, Ueber Maſchinen- und Fabrikweſen. S. 310 oder 30tes Kapit.
Brougham (brittiſcher Lord Kanzler), die Reſultate des Maſchinenweſens. Leip-
zig 1833. Ueberſetzung von Rieken, beſonders das 17. 18 und 19te Kapitel.
S. 217. (Eine ausgezeichnete Schrift.)
I. Von den allgemeinen Bedürfniſſen des Dienſt-
gewerbsbetriebes.
§. 375.
Die Güter, welche zum Betriebe der Dienſtgewerbe nöthig
ſind, können unter wenige Nummern gebracht werden, denn ihre
Manchfaltigkeit iſt nicht ſo groß, wie bei den Stoffgewerben. Sie
ſind folgende:
[503/0525]
1) Naturmittel. Sie beſtehen blos in den geiſtigen und
körperlichen Anlagen der Arbeiter und in der Manchfaltigkeit ihrer
Kenntniſſe und Geſchicklichkeiten. Es liegt im Intereſſe des Ar-
beiters: a) daß er ſich von dem ganzen Gewerbe, in welchem er
entweder Meiſter werden will oder blos beſtimmte Arbeiten zu lei-
ſten gedenkt, Kenntniß verſchaffe1); b) daß er ſuche, in einem
verwandten anderen Gewerbe ſich ſo viel Kenntniß und Gewandt-
heit anzueignen, um im Stande zu ſein, im Falle der Noth von
dem Einen zum Andern überzugehen2).
2) Verkehrsmittel. Ohne das Vorhandenſein hinreichenden
Capitals und deſſen Anwendung in Gewerben, alſo ohne Concur-
renz von Gewerbsunternehmern3), iſt eine Beſchäftigung der
Arbeiter und deren Löhnung nicht möglich. Es liegt alſo im In-
tereſſe der Arbeiter: a) nicht blos der Erhaltung und Vermehrung
des Capitals nicht hemmend und zerſtörend entgegenzutreten4),
b) ſondern auch dieſelbe durch Arbeitſamkeit zu befördern, und
c) durch ihr Benehmen den Reitz der Capitalbeſitzer, ihr Capital
in Gewerben nutzbar anzulegen, zu erhöhen5).
3) Capital. Manche Arbeiten oder manche Lohncontrakte
ſind ſo beſchaffen, daß der Arbeiter ſein Capital an Werkzeugen
bis zu einem gewiſſen Grade ſelbſt verſchaffen und erhalten muß6).
Die Auslagen hierfür ſind wahre Capitaltheile, während auch die
Koſten der Unterhaltung der arbeitenden Familie, in ſoweit ſie
zur Erhaltung der Arbeitsluſt und -Kraft erfordert werden, als
Capitalauslagen angeſehen werden können, obſchon ſie anderſeits
auch als Verbrauchsgüter erſcheinen.
4) Freiheit des Betriebes. Auch einzelne Dienſtgewerbe
ſind in manchen Städten zünftig7), und ſchon die Zunftverfaſſung
der Gewerke ſteht dem freien Betriebe der Arbeiter entgegen
(§. 312. 5.). Allein außerdem gibt es in manchen Ländern, z. B.
in Großbrittannien, beſchränkende Geſetze über das Auswandern
und den Aufenthalt der Arbeiter im Auslande, welche den Arbeitern
ſehr zum Nachtheile gerathen8), und in den Fabriken ſelbſt Ge-
wohnheiten unter den Arbeitern, welche der freien Anſiedelung der
Neulinge Hinderniſſe in den Weg legen9).
¹⁾ Der geſchickte Arbeiter iſt überall vorgezogen und wird von den Unterneh-
mern ſo lange gehalten, als möglich. Wenn dagegen eine Arbeit in einer Fabrik
überſetzt, nicht einträglich genug für den Arbeiter iſt, oder wenn eine höhere Stelle
in einem Gewerbe oder in der Hauswirthſchaft frei iſt, ſo kann ſich derſelbe weiter
ſchwingen und ſeine Vermögensverhältniſſe verbeſſern. In dieſer Beziehung hat man
viele, ſogar ſträfliche Nachläſſigkeit unter der arbeitenden Klaſſe zu bedauern.
²⁾ Die Erfahrung lehrt, daß aus mancherlei Gründen oft Arbeiter entlaſſen
werden oder der Arbeitslohn zur Erhaltung der Familie nicht mehr hinreicht. Der
[504/0526]
²⁾ Uebergang von einem Gewerbe oder Dienſte in den anderen vermag einem ſolchen
böſen Zuſtande abzuhelfen.
³⁾ Man hat viele traurige Beiſpiele, daß Fabriksherrn wegen der ungeſtümen
unbilligen Forderungen und wegen widerlichen Betragens der Arbeiter ihre Etabliſ-
ſements in ferne Gegenden, Länder, ja in andere Erdtheile verlegt haben, weil
ihnen der Fortbetrieb derſelben am alten Orte nicht ohne Verluſt möglich war. Die
Folgen der ſo verringerten Concurrenz ſind für die Arbeiter ſehr bitter. Wie oft
kommt nicht auch der Fall vor, daß Familien wegen der Inſolenz und Unbrauch-
barkeit der Geſindeperſonen einer Stadt ihren Wohnſitz verändern.
⁴⁾ Schon ſehr oft hat das Betragen der Arbeiter veranlaßt, daß Gewerbs-
unternehmer ihr Capital aus dem Betriebe gezogen und anders angewendet haben,
worauf Brodloſigkeit der Arbeiter erfolgte. Eben ſo oft aber hat es die Unter-
nehmer veranlaßt, ihre Aufmerkſamkeit auf ein beſſeres und wohlfeileres, Arbeiter
entbehrlich machendes, Gewerbsverfahren zu wenden; es glückte ihnen und die
Arbeiter wurden größtentheils entlaſſen.
⁵⁾ Zu den vielen anderen Gründen gegen die Capitalanlage in Gewerben
kommt neuerdings auch noch die Gefahr der Unſicherheit derſelben wegen der Zer-
ſtörungsſucht der Arbeiter.
⁶⁾ Dies iſt oft der Fall. Ein beſonderer Fall dieſer Art findet ſich im
Schwarzwalde, wo die reicheren Gewerksunternehmer gleichſam als Patrone die
Arbeiterfamilien in den umliegenden Dörfern, Weilern und Höfen beſchäftigen,
indem ſie ihnen das rohe Material liefern.
⁷⁾ Eine Ausnahme hiervon bilden Vereinigungen zur gegenſeitigen Unterſtützung
in Fällen der Noth, wie z. B. die Vereinigung der Herrendiener in Heidelberg zu
dem Zwecke, daß, wenn Einer derſelben erkrankt, die Andern für ihn ohne
Schmälerung ſeines Einkommens die Dienſte verrichten, oder jene der Sackträger,
um aus einer gemeinſchaftlichen Kaſſe einem Erkrankten aus ihrer Mitte eine Geld-
unterſtützung zu geben.
⁸⁾ Babbage a. a. O. S. 388. oder 34tes Kap.
⁹⁾ Z. B. daß jeder neu ankommende Arbeiter den übrigen eine Geldſumme
bezahlen muß, welche hernach vertrunken wird, u. dgl. m.
II. Von der Dienſtbetriebswirthſchaft.
§. 376.
Die Betriebsausgaben und Einnahmen ſind ſehr einfach. Jene
beſtehen, wenn der Arbeiter ſein eigenes Capital nicht zu halten
hat, blos in den Unterhaltungskoſten der Perſonen, die aber auch
für diejenigen Tage zu rechnen ſind, an welchen der Arbeiter aus
polizeilichen, Gewohnheits-, Krankheits- und ſtändigen Verkehrs-
gründen nicht beſchäftigt iſt1). Die Einnahmen beſtehen in Geld-
und Naturallohn (§. 68.). Haben ſich die Dienſtleiſtenden einer-
ſeits ſorgfältig vor Ueberliſtung mit ſchlechten Löhnungsſyſtemen
(§. 315. e.) zu hüten, ſo dürfen ſie aber anderſeits mit ihren
Forderungen auch nicht unbillig ſein, weil dies in der Regel mehr
ihnen als den Gewerbsunternehmern zum Nachtheile gereicht2).
Wenn ſich aber die Arbeiter gerade hierin auch nicht ſchaden, ſo
bereiten ſie ſich doch oft ein böſes Schickſal durch zügelloſe Lei-
denſchaften, welche zur Verſchwendung führen3). Die Einnahmen
werden von ihnen unklug gerade ſo verzehrt, wie ſie kommen, ohne
[505/0527]
Bedachtſamkeit und Vorſorge für die Zeiten der Arbeitsloſigkeit
und Arbeitsunfähigkeit, während die Arbeiter, unterſtützt von den
verſchiedenen Sparkaſſen, bei mäßigem genügſamem Leben Mittel
in der Hand haben, durch Zuſammenſparen kleiner Reſte ſich aus
dem Arbeiterſtande in jenen der kleineren Capitaliſten, wenn auch
nur zur Unterſtützung in Zeiten der Noth, zu verſetzen4).
¹⁾ Z. B. Sonn- und Feiertage, Krankheitsfälle, und der Umſtand, daß manche
Gewerbe nur zu gewiſſen Jahreszeiten getrieben werden können.
²⁾ Außer den im vorigen §. angeführten ſchädlichen Folgen ſind hier noch die
zu erwähnen, daß die Dienſtherrn feſte Contrakte auf lange Zeit abſchließen, und
daß ſie den Arbeitern den Stand der Beſtellungen verheimlichen, wodurch den Ar-
beitern mancher Vortheil entgehen kann.
³⁾ Es gehört hierher unter andern auch die üble Gewohnheit des blauen
Montags.
⁴⁾ Ueberhaupt ſollten nach dem Bisherigen Geſchicklichkeit, Fleiß, anſtändiges
Betragen und Sparſamkeit die Erſtrebungspunkte der Arbeiter ſein, denn ſie ſind
auch die Grundpfeiler ihres Glückes.
III. Von der Buchführung und Verfertigung dienſt-
männiſcher Anſchläge.
§. 377.
Ein ſehr paſſendes Mittel, um ſich auf ſeine Pflichten in
Betreff der Betriebswirthſchaft periodiſch aufmerkſam zu machen,
hat der Arbeiter1) in der periodiſchen Berechnung des Reinertrages
ſeines Gewerbes. Dieſe iſt aber ohne Aufzeichnung der Ausgaben
und der Einnahmen nach einem ganz einfachen Syſteme nicht
thunlich. Man kann ſie jedoch beim Tag-, Wochen- oder viertel-
jährigen Lohne füglich auf die Ausgaben beſchränken, deren perio-
diſchen Betrag man blos mit der periodiſchen Löhnung zu ver-
gleichen hat, um den Reinertrag zu finden. Bei dem Stücklohne
und bei anderen zufälligen Einzeleinnahmen muß ſie ſich aber auch
auf dieſe erſtrecken. Zur Verfertigung von Voranſchlägen ohne
ſolche poſitive Daten gehört dagegen eine Berechnung des häus-
lichen Bedarfes im Einzelnen, welche aber ſehr große Schwierig-
keiten darbietet, und eine Vergleichung deſſelben mit dem Geſammt-
betrage des üblichen Lohnes2).
¹⁾ Von Dienſtleiſtenden höherer Art, z. B. von Mäklern, Commiſſionairen
u. dgl. erwartet man kaufmänniſche Buchführung.
²⁾ Indeſſen gibt es hier nicht blos Ertrags-, ſondern auch Capitalanſchläge,
wenn nämlich ein Dienſtgeſchäft an einen Anderen abgetreten wird, wie dies früher
häufig der Fall war. Es wird in ſolchen Fällen das durchſchnittliche reine Ein-
kommen capitaliſirt, z. B. bei Mäklergeſchäften, Wirthſchaftsgerechtigkeiten u. dgl.
[506/0528]
Zweiter Theil.
Gemeindewirthſchaftslehre.
Einleitung.
§. 378.
Die Gemeinden, von deren Wirthſchaft (§. 43.) hier die
Rede iſt, werden jetzt allmälig, nachdem ihr Weſen und ihre Be-
deutſamkeit für das Volks- und Staatswohl lange Zeit mißkannt
geweſen, von ihrer richtigen und wichtigen Seite betrachtet. Im
Mittelalter waren blos Städte die eigentlichen Gemeinden (Com-
munitates), und das Element, aus welchem ſie ſich ſelbſt, ihre
Verfaſſung und Verwaltung bildeten, waren die Kaufmanns- und
die Handwerksgeſellſchaften oder Gilden1), eine Thatſache, aus
welcher ſich erklären läßt, warum das ſtädtiſche Gewerbsweſen im
Gegenſatze des ländlichen der Inbegriff der Handelsgeſchäfte und
Kunſtgewerbe war. Sind dieſe Gemeinden auf dieſe Weiſe daher
als freie Vereinigungen zur Erzielung verſchiedener gemeinſamer
Zwecke zu betrachten, ſo dürfen die gemeinſchaftlichen Niederlaſ-
ſungen ähnlicher Art auf dem Lande, um eine Burg (Bürger,
Bürgerſchaften) u. dgl. ebenfalls nur als ſolche betrachtet werden.
Steigt man aber in jene tiefe Zeit hinab, wo ſolche Unterſchei-
dungen noch nicht vorhanden ſind, ſo findet man ſchon Genoſſen-
ſchaften, auf Stammgleichheit, Verwandtſchaft und anderen
Baſen beruhende gemeinſchaftliche Niederlaſſungen auf einem be-
grenzten Gebiete (einer Mark), welche ſich nach eigenen beſtimmten
Rechten im Innern und gegen Außen Schutz und Sicherheit ge-
währten (§. 7. 8.). Aus dieſen verſchiedenen kleineren ſtaatsähn-
lichen Verbindungen ging unſtreitig der größere Staatsverband
hervor. Die ſtädtiſchen Gewerbe und mit ihnen die ſtädtiſche Ver-
faſſung und Verwaltung entfalteten ſich theils unter dem Schutze
der Freiheit und Selbſtſtändigkeit, theils unter den Wohlthaten
manchfacher Gerechtſame und Privilegien zu einer Blüthe und zu
einem Reichthume, woraus ihre politiſche Bedeutſamkeit hervor-
ging, die ſie bei Staatsfragen mit den Hauptſtänden in den erſten
Rang ſtellte (§. 14. 20. 23.). So ſehr ſie anfänglich und längere
Zeit hindurch der Stolz der Staaten und Fürſten waren, ebenſo
erregten ſie ſpäter, als in der Wirthſchaft der Fürſten und Adeligen
der frühere Glanz und Reichthum der Armuth Platz gemacht hatte,
die Eiferſucht derſelben. Dieſe und das kräftigere nachdrückliche
[507/0529]
opponirende Auftreten des Bauernſtandes verurſachte allmälig nicht
blos, daß den Städten ihre Privilegien und Freiheiten genommen
wurden, und der Wohlſtand derſelben ſank, ſondern auch, daß mit
Verwiſchung des früheren gewerblichen Unterſchiedes neben den
Städte- auch Landgemeinden hervortraten. Beiden aber ge-
riethen dieſe und die nachfolgenden Veränderungen inſoferne zum
Nachtheile, als die Staatsgewalt, die Gemeinden zu Staats-
anſtalten machend, ſie auch ihrer Selbſtſtändigkeit beraubte, mit
Druck und Ungerechtigkeit zu ihren willkührlichen Zwecken benutzte,
und deren Verfaſſung und Verwaltung unter die Staatsvor-
mundſchaft ſtellte, unter welchem Titel Eingriffe in dieſelben
geſchahen, die vor dem Rechts-, Sittlichkeits- und Klugheits-
geſetze als gleich verwerflich erſcheinen2). Man glaubte ſich aber,
die perſönliche Schlechtigkeit einzelner Staats- und Gemeinde-
beamten abgerechnet, zur Anlegung jenes Zügels der Vormund-
ſchaft um ſo mehr berechtigt, als der Zweck der Gemeinden als ein
dem Staatszwecke entgegenwirkender erſchien3). In dieſem Stande
der Unterdrückung wanderten die Gemeinden aus dem vorigen in
dieſes gegenwärtige Jahrhundert, und das Maaß der Zerrüttung
des Gemeindeweſens wurde noch vollends gefüllt durch die verhee-
renden Kriege, welche die franzöſiſche Revolution geboren hat.
Der Aufklärung des jetzigen Zeitabſchnittes konnte dieſe Verirrung
von Wahrheit, Recht und Klugheit nicht entgehen. Man ſah die
Identität des Staats- und Gemeindezweckes ein und erkannte den
Wohlſtand der Gemeinden als einen Grundpfeiler des Staats-
wohles an. Die Wiedereinſetzung derſelben in ihre Selbſtſtändig-
keit als eine moraliſche Perſon mit beſtimmtem Eigenthume und
Rechte, und die Wiedererſtattung der alten Befugniſſe, inſoweit
ſie ſich mit dem Geiſte der Zeit vertragen, erſchien als das beſte
Heilmittel gegen die vielen Gemeindeübel. Das Königreich Preußen
ſchritt damit voran4) und es folgten nach einander mehrere andere
Staaten5). So weit gekommen, muß die Gemeindeverwaltung
nicht blos von allen altherkömmlichen Mängeln befreit, ſondern es
müſſen Grundſätze und Regeln von wiſſenſchaftlicher und praktiſcher
Begründung aufgeſtellt werden, woran ſich die ſelbſtſtändigen Ge-
meindebeamten in der Verwaltung des Gemeindevermögens und
Einkommens halten können6).
¹⁾ S. darüber die oben §. 14. Note 4. angeführte Schrift von Wilda und
die beiden andern von Hüllmann und Raynouard.
²⁾ Aus dieſem Bedrückungsgange entwickelte ſich dann die grundfalſche Anſicht,
daß die Gemeinde eine Anſtalt des Staats, und erſt von dieſem durch Abtheilungen
gebildet und blos mit übertragener Gewalt verſehen ſei. Im Gegentheile, der
Staat iſt ein Verband Einzelner durch Gemeinden und Einzelner für ſich, die nicht
[508/0530]
²⁾ in eine beſtimmte Gemeinde als vollberechtigte Bürger gehören. Sie haben ſich aus
Rückſicht auf die beſſere Erreichung ihrer Zwecke unterworfen, ſind Staatsglieder,
wie die Einzelnen, und der Staat hat gegen ſie, wie umgekehrt ſie gegen den
Staat, die Verpflichtungen und Berechtigungen, welche zwiſchen jenem und den
Einzelnen beſtehen. Derſelbe hat ihnen aber auch zugleich Mehreres von ſeiner
eigenen Gewalt übertragen. In dieſer Beziehung ſtehen ſie ganz unter ſeinem
Befehle, in der andern aber hat er ſich in ihren Wirthſchaftsangelegenheiten nur zu
miſchen, um zu verhüten, daß ſie nicht dem Gemeinde- und Staatszwecke zuwider
geleitet werden, — um die Hinderniſſe ihrer Entwickelung hinwegzuräumen, und
dort unterſtützend einzuſchreiten, wo die Kräfte der Gemeinden zur Erreichung eines
Zweckes nicht groß genug ſind.
³⁾ In früheren Zeiten war dies faktiſch im Einzelnen häufig der Fall. Allein
eine ſolche Reaction liegt nicht im Weſen der Gemeinden.
⁴⁾ Städteordnung vom 19ten November 1808. Revidirte Städteordnung vom
17ten März 1831. S. Preuß. Geſetzſammlung. Jahrg 1831. Nro. 3. S. 10 folg.
vrgl. mit Geſetzſammlung Jahrg. 1832. Nro. 16. S. 181 folg.
⁵⁾ Bairiſche Verordnung über die Verfaſſung und Verwaltung der Gemein-
den vom 19. Mai 1818 = Bair. Geſetzblatt. Jahrg. 1818. Stück V. S. 50.
Gemeindeumlagegeſetz vom 22. Juli 1819. = Geſetzblatt Jahrg. 1819. Stück VIII.
S. 84. Würtemberg. Verwaltungsedikt für Gemeinden vom 1. März 1822.
= Würtemberg. Staats- und Regierungsblatt. Jahrg. 1822. Nro. 17. S. 131.
Badiſches Geſetz über die Verf. und Verw. der Gemeinden vom 31. December
1831, Geſetz über die Rechte der Gemeindebürger ꝛc. von demſelben Datum, und
Geſetz über die Formen der Wahl zu verſchiedenen Gemeindeämtern vom 1. Juni
1832. = Regierungsblatt v. J. 1832. oder Handbuch für Badens Bürger (Carls-
ruhe 1832). S. 119. 189. 243.
⁶⁾ Die Literatur hierzu: v. Arretin, Staatsrecht der konſtitutionellen
Monarchie. IIr Bd. 2te Abthlg. (von v. Rotteck). S. 22 folg. Verhandlungen
der IIn Kammer der Bairiſchen Ständeverſammlung von 1819. Bd. I. S. 451.
467. III. 181. 188. 232. 274. 376–443. 447. 454. Verhandlungen der IIten
Kammer der Badiſchen Ständeverſammlung von 1831. Heft 10. 11. 13. 15. 16.
Beilageheft 3. 4. 5 (das Gemeindewirthſchaftsweſen).
Erſter Abſchnitt.
Gemeinde-Erwerbswirthſchaft.
§. 378. a.
Die Mittel, welche den Gemeinden zum Bezuge eines Ein-
kommens zuſtehen, ſind von jenen der Privatleute inſoferne ver-
ſchieden, als jene nicht blos aus eigenem Grundbeſitze und Capitale,
ſondern auch aus verſchiedenen eigenthümlichen nutzbaren Gerecht-
ſamen und aus der Befugniß, von den Gemeindegliedern verſchie-
denen Grades Steuern (Umlagen) zu erheben, Einnahmen beziehen.
Man iſt darum in der Regel auch abgeneigt, in der Gemeinde-
wirthſchaft von einem Erwerbe zu ſprechen, — jedoch mit Un-
recht, denn die Merkmale des Erwerbs finden ſich auch bei ihr
vor (§. 45.), und ſogar eigener Gewerbsbetrieb, wie z. B. Land-
[509/0531]
und Forſtwirthſchaft, gehört in ihr Bereich. Der Lehre von der
Gemeinde-Erwerbswirthſchaft (Gemeindewirthſchaft im en-
geren Sinne), welche blos die Theorie von der beſten Benutzung
der Einkommensquellen der Gemeinde an ſich (§. 48.) lehrt, muß
dagegen die Gemeinde-Hauswirthſchaftslehre (Gemeinde-
Verwaltungslehre) gegenüber geſtellt werden, welche mit beſonderer
Beziehung auf den Gemeindehaushalt gerade dieſelben Gegenſtände
hat, wie die allgemeine Hauswirthſchaftslehre (§. 63.).
Erſte Abtheilung.
Von dem Erwerbe aus dem Gemeinde-
vermögen.
I. Bewirthſchaftung der Gemeindeliegenſchaften.
§. 379.
1) Gemeindefelder und -Gärten.
Die Gemeindebürger zuſammengenommen bilden als Gemeinde
eine moraliſche Perſon, welche auch Vermögen im oben angegebenen
Sinne (§. 39.) beſitzen kann oder wirklich beſitzt. Daſſelbe kann
in unbeweglichen Vermögenstheilen oder Gemeindeliegenſchaften,
in mancherlei Gerechtſamen oder Berechtigungen aus privatrecht-
lichen und polizeilichen Gründen, und in Activcapitalien beſtehen.
Die Gemeindeliegenſchaften ſind in der Regel Felder
und Gärten, Waldungen, bergmänniſche Beſitzungen und einzelne
Gebäude.
Die Gemeindefelder und Gärten ſind nach altem Her-
kommen entweder von der Gemeinde als moraliſcher Perſon oder
von den einzelnen Bürgern nach Vertheilung und insgeſammt ge-
meinſchaftlich zu nützendes Gemeindeeigenthum. Jenes wird zu-
weilen Gemeinde-, und dieſes zum Gegenſatze Almendgut
genannt1). Da die Bürger auf die Nutzung dieſes Leztern ein
herkömmliches Recht haben, ſo iſt ſie ihnen auch nicht zu entziehen,
ſo lange die Mehrzahl derſelben nicht dazu beſtimmt, und es iſt
alſo der Bewirthſchaftung durch die Gemeinde als moraliſche
Perſon nicht unterworfen2). Das Erſtere aber wird von der Ge-
meinde als Geſammtheit bewirthſchaftet und ſie hat die Wahl zwi-
ſchen den oben (§. 209.) erwähnten Bewirthſchaftungsmethoden3).
¹⁾ Namentlich gehören hierher Weideplätze, Wieſen, die Benutzung des Graſes
in Brüchern u. dgl. zu Futter und Streu.
²⁾ Obſchon dieſe Vertheilung oder gemeinſame Benutzung altherkömmlich iſt,
ſo hat ſie doch nicht immer Vortheile. Es läßt ſich zwar nicht läugenen, daß den
[510/0532]
²⁾ armen Bürgersfamilien ſowohl durch Zutheilung eines Stückes Acker, Wieſen oder
Weiden, ſo wie durch den Antheil an einer gemeinſamen Nutzung eine ſehr große
Wohlthat geſchehen kann. Allein bei einer Vertheilung, gewöhnlich durch's Loos
auf einige Jahre, verſchlechtern ſich die Grundſtücke ſo außerordentlich, daß die
Schlechtigkeit der Almendſtücke ſprichwörtlich wird; denn es iſt kein Intereſſe da,
ſie in gutem Zuſtande zu erhalten, noch viel weniger, ſie zu verbeſſern, weil die
Nutzungszeit zu kurz und die Wahrſcheinlichkeit eines ſchlechten Treffers bei der
nächſten Verlooſung ſehr groß iſt. Die Weidegemeinheiten ſind aber der Entwicke-
lung der Landwirthſchaft ſo ſchädlich, daß ihre Vertheilung aus nationalökonomiſchen
Gründen immer wünſchenswerther wird, während der Verſchlechterung der andern
theilbaren Almendſtücke nur durch Verlängerung der Nutzungszeit, aber alsdann
durch geſchärfte Aufſicht auf ihre Benutzung und Erhaltung vorzubeugen ſein möchte.
³⁾ Wenn man auch gewöhnlich von den Gemeinheiten ſagt, ſie ſeien ſchlechte
Verwalterinnen oder Bewirthſchafterinnen und deßhalb durchaus der Verpachtung
von Grundſtücken der Gemeinde das Wort reden zu müſſen glaubt, um den Nach-
theilen der Selbſtbewirthſchaftung zu entgehen, ſo findet dies dennoch nicht in
gleichem Grade, wie beim Staate, auch in den Gemeinden Statt. Denn die Auf-
ſicht auf die Wirthſchaftsführung iſt bei dieſen ſehr erleichtert, die Gemeindever-
waltungsbehörden haben in der Regel (wenigſtens auf dem Lande und kleineren
Städten) ſpezielle praktiſche Kenntniſſe in der Landwirthſchaft, und bewegen ſich in
eigenen Geſchäften auch viel in der Gemarkung herum. Aus dieſen Rückſichten iſt
wenigſtens die Selbſtbewirthſchaftung nicht ſo unbedingt, wie in der Regel geſchieht,
zu verwerfen. Dies gilt zuverläſſig von botaniſchen Gärten, Baumſchulen u. dgl.
und von Gütern, welche in einer zweckmäßigen Arrondirung zuſammen liegen, —
aber nicht ſo von zerſtreut liegenden Gründen. Bei dieſen iſt die Verpachtung vor-
zuziehen. Ob man aber ein zuſammenhängendes Landgut ſtückweiſe (zerſchlagen)
oder im Ganzen verpachten ſoll, wenn überhaupt die Verpachtung vorgezogen wird,
das hängt von dem Grade der Zerſtückelung der Güter in der Gegend, von der
Theilbarkeit des Pachtgutes ſelbſt, von dem Stande der Landwirthſchaft und von
dem Vermögenszuſtande der Gemeindemitglieder ab. Denn man muß ſuchen, den
Vortheil der Gemeindekaſſe, die Erhaltung und Verbeſſerung der Ländereien, und
die Hebung der wirthſchaftlichen Verhältniſſe der Gemeindeglieder mit einander zu
verbinden. Jedenfalls befreit die Verpachtung die Gemeinde vom läſtigen Wirth-
ſchaftsdetail, und iſt aus denſelben Gründen für ſie unſchädlicher als für den Staat,
aus welchen es auch die Selbſtbewirthſchaftung weniger iſt.
§. 380.
2) Gemeindewaldungen. 3) Bergmänniſche Beſitzungen.
4) Gebäude.
Ein für die Gemeinden ſehr paſſender Beſitz ſind die Wal-
dungen (§. 261.). Allein ſie müſſen nach forſtwirthſchaftlichen
Regeln bewirthſchaftet werden; beſonders ſind die Benutzungen der
Wälder für außerordentliche Ausgaben, indem man einen unzei-
tigen, zu ſtarken oder unregelmäßigen Hieb vornimmt, um das
Holz ſobald als möglich zu verwerthen, ſehr zu mißrathen. Bei
regelmäßigem Betriebe kommt die mit gehörigem Waldſchutze ge-
ſtattete Benutzung der Waldſtreu, Waldgräſer und Früchte den
berechtigten Bürgern oft ſehr zu Statten, während das Holzbe-
dürfniß der Gemeinde leicht befriedigt und der Gemeindekaſſe ein
bedeutendes Einkommen zu Theil wird. Von einer anderen als
von der Selbſtbewirthſchaftung iſt hier gar nicht leicht die Sprache.
[511/0533]
Es finden ſich aber auf den Gemeindegütern häufig Stein-
brüche, Sand-, Kalk-, Lehm-, Mergelgruben, Torf-
moore u. dgl. mehr, deren Betrieb nicht Regal iſt und den Ge-
meinden vielen Nutzen gewähren kann. Auch bei dieſen Gemeinde-
beſitzungen iſt öfters, namentlich bei den Gruben, der Charakter
des Almendgutes maßgebend (§. 379.). Iſt dies aber nicht der
Fall, ſo ergibt ſich nicht ſelten, daß der pecuniäre Vortheil, wel-
chen die Gemeindekaſſe durch Fordern eines Preiſes für deren
Benutzung durch Gemeindeglieder beziehen könnte, das Hinderniß
keineswegs überwiegt, welche dadurch der Benutzung derſelben in
den Weg gelegt werden1). Man gibt ſie darum nach Umſtänden
lieber ganz frei. Im entgegengeſetzten Falle aber iſt dies nicht
nothwendig. Bei Steinbrüchen, Torfmooren u. dgl. iſt jedoch die
Frage über die Selbſtbewirthſchaftung und Verpachtung oder Ver-
leihung wichtig (§. 122.), denn ſie liegt gleich ſehr im Intereſſe
der Gemeindekaſſe wie des öffentlichen und bürgerlichen Wohles2).
In den Gemeinden gibt es auch zuweilen einzelne Gebäude,
welche zu einer beſtimmten Nutzung beſtimmt ſind, wie z. B. Lager-,
Kaufhäuſer u. dgl., oder derſelben, da ſie aufgehört hat, nicht
mehr dienen. Die Einnahmen aus jenen gehören unter II. Die
Lezteren aber werden, wenn ſie nicht einer anderen Verwendung
geweiht ſind, am beſten verpachtet, vorausgeſetzt, daß ihr Verkauf
nicht vortheilhafter befunden oder nicht durchgeſetzt wurde. Denn
ohne dies ſind ſie ein todtes Capital.
¹⁾ Z. B. ein wenig Geld für jeden Karren oder Wagen Sand, Lehm, Mer-
gel, — zu Bau- und landwirthſchaftlichen Zwecken u. dgl.
²⁾ Z. B. Steine für Pflaſter, Straßen-, Waſſerbau, für Häuſerbau. Da zu
dem Abbaue ſolcher bergmänniſch zu gewinnenden Producte wenig oder gar keine
beſonderen Baulichkeiten, alſo keine großen Capitalanlagen erforderlich ſind, ſo kann
er durch die Gemeinde ſelbſt leicht gegen Stücklohn beſorgt und der Verkauf des
Gewonnenen übernommen werden. Man wird daher in ſolchen Fällen wohl leicht
den Selbſtbetrieb anrathen dürfen. Sind aber beſondere bergmänniſche Kenntniſſe
und größere Capitalauslagen erforderlich, um einen Bruch oder eine Grube abzu-
bauen, ſo wird ſich die Verleihung oder Verpachtung als vortheilhaft erweiſen.
II. Bewirthſchaftung der Gemeindegerechtſamen.
§. 381.
Es gibt eine ſehr große Anzahl verſchiedener Berechtigungen
der Gemeinden, welche größtentheils ihren Urſprung jener Zeit
verdanken, in welcher man die Städte durch Privilegien und nutz-
bare Vorrechte zu heben ſuchte. Sie ſind aber im Allgemeinen
von dreierlei Natur:
1) entweder rein privatrechtlich, d. h. ſolche, die auf ge-
wöhnlichem bürgerlichem Eigenthumsrechte beruhen, und es gehören
[512/0534]
z. B. hierher die Zehnt-, Gült-, Bodenzins- und andere Gefäll-
rechte1), die Jagd-, Fiſcherei- und Schäfereigerechtigkeiten2);
2) oder polizeirechtlich, d. h. ſolche, die auf dem den
Gemeinden vom Staate übertragenen Polizeirechte gegründet ſind
und man hat hierher z. B. zu rechnen die Marktrechte, Eichrechte
(von Eichanſtalten), Waagrechte, Waſenmeiſterei, Strafrechte3);
3) oder gemeinderechtlich, d. h. ſolche, welche ihnen kraft
eigenen Corporationsrechtes zukommen, wie z. B. die Gelder für
Bürgeraufnahme.
¹⁾ Ueber ihre Entſtehung handelt die Einleitung (§. 7. 11. 16. 22.). Ihre
Unverträglichkeit mit Grundſätzen der Nationalökonomie, von welcher ſpäter die
Rede ſein wird, macht ihre Abſchaffung ſehr wünſchenswerth und es ſind dazu auch
von den meiſten europäiſchen Staaten bereits die geeigneten geſetzlichen Schritte
gethan. Deßhalb dürften ſie nach nicht langer Zeit aus der Gemeindeverwaltung
verſchwunden ſein. Manche davon ſind den Pfarr- und Schulfonds zugetheilt und
alſo ſchon aus dieſem Grunde in die Privatwirthſchaft der Pfarrer, Lehrer, Glöckner
u. ſ. w. übergegangen. Wo ſie aber als wirkliches Beſitzthum der Gemeinde ſelbſt
noch zu verwalten ſind, richtet ſich ihre Benutzung nach den, in der Finanzwirth-
ſchaft befolgten und alſo ſpäter zu berührenden, Grundſätzen und Regeln.
²⁾ Die Jagd in den Gemeindewaldungen und andere Jagdgerechtigkeiten ſind,
ſo wie die Fiſcherei, jedenfalls zu verpachten, weil ſich ihre Selbſtausübung durch
die Gemeinde aus leicht einzuſehenden Gründen mit dem Weſen der Lezteren durch-
aus nicht verträgt. Die Ausübung derſelben durch die Pachter hat aber jedenfalls
nach den betreffenden Kunſtregeln zu geſchehen.
³⁾ Die Marktrechte, wozu man auch die Waagrechte zählen kann und
welche größtentheils in der Erhebung einer Geldabgabe, ſei es für eine Stelle auf
dem Marktplatze oder für das Feilbieten gewiſſer Gegenſtände oder geradezu bei
Löſung eines Marktſcheines beſtehen, können allerdings als Verkehrshemmniſſe be-
trachtet werden; auch kann nicht geläugnet werden, daß ſolche Abgaben Auswärtige
zugleich treffen, die mit dem Gemeindeverbande nichts zu thun haben. Allein welche
Steuer iſt nicht in irgend einem Grade ein Hinderniß der Gewerbſamkeit oder des
Verkehrs? und von welcher indirecten Gebrauchs- oder Verbrauchsſteuer läßt ſich
zeigen, daß ſie blos vom Inländer oder Gemeindegliede bezahlt werde? Das Markt-
recht iſt aber nichts anderes; denn der Händler, Kaufmann und Krämer ſchlägt
dieſelbe auf den Preis ſeiner Waaren. Bedenkt man dabei noch, daß dieſe Leute durch
den Markt und marktpolizeilichen Schutz Gemeindevortheile beziehen, ſo iſt um ſo
weniger einzuſehen, warum es „durch Gewohnheit zu Ehren gekommener —
autoriſirter Staub“ ſei, wie es v. Rotteck im angef. conſtitut. Staatsrechte
S. 79. nennt. Man hat blos Sorge zu tragen, daß ſolche Abgaben nicht zu hoch
ſind. Anders verhält es ſich aber mit Markt-Zwangsrechten, wie z. B. wenn
das einmal zu Markt gebrachte Getreide u. dgl. nicht wieder zurückgenommen werden
darf. Dieſe bewirken eine Uebervortheilung der Landbewohner und Händler zu
Gunſten der Städter. — Die anderen angeführten Rechte dieſer Art vertheidigen
ſich von ſelbſt. Sämmtliche aber haben noch eine ſicherheitspolizeiliche Grundlage.
III. Bewirthſchaftung der Gemeindeactivcapitalien.
§. 382.
Es gibt auch noch Gemeinden, welche Activcapitalien beſitzen,
für deren Verwendung zu Gemeindezwecken keine beſtimmte Gele-
genheit vorhanden iſt. Ihre Anlage iſt von Wichtigkeit. Allein
[513/0535]
die leitenden Regeln dabei ſtimmen im Ganzen mit dem oben
(§. 362.) Geſagten überein. So viele Vortheile auch die Anlage
in Staatspapieren oder Actien haben kann, ſo wird man nicht in
jeder Gemeinde einen Sachverſtändigen finden, welcher die Leitung
dieſer Anlagsmethode übernehmen könnte; da nun aber die Ge-
meinde zugleich die Pflicht hat, ſo viel in ihren Kräften ſteht, die
Betriebſamkeit und den Wohlſtand der Gemeindeglieder zu beför-
dern, ſo iſt es auch aus dieſem Grunde nicht wohl zu billigen,
daß ſie ſolche Capitalien der Nutzanwendung in den Gewerben
entzieht. Sie kann daher die Verleihung derſelben an Bürger zum
Gewerbsbetriebe gegen ſichere Hypotheken um ſo mehr vorziehen,
als ſie alle Mittel und Vortheile in der Hand hat, ſich vor Ver-
luſten an Zinſen und Capital zu ſichern, und als eine Gemeinde
von ſo guten Vermögensverhältniſſen nicht leicht ſich in der Noth-
wendigkeit ſieht, die Capitalzinſen als Hauptdeckungsmittel ihrer
Ausgaben zu benutzen und darum jeden Indult zu verſagen.
Zweite Abtheilung.
Von dem Erwerbe aus dem Gemeinde-
umlagsrechte.
I. Allgemeine Grundſätze.
§. 383.
Die Erörterung des Grundes und Maaßes der Beſteuerungs-
rechte der Gemeinde und der Steuerpflichten der Gemeindeglieder
iſt mit Schwierigkeiten verbunden1). Weil man ſich ehedem nicht
viel in Unterſuchungen darüber einließ, vielmehr immer den kurzen
Weg des Anhängens an die Staatsſteuern einſchlug, ſo ſind nach
und nach in der Gemeindewirthſchaft Gewohnheiten entſtanden,
deren Abſchaffung nach einem richtigen Grundſatze viele Hinder-
niſſe hat2). Die Gemeindezwecke erheiſchen ebenſo wie die Staats-
zwecke gewiſſe Ausgaben und dieſe dagegen beſtimmte Einnahmen.
Hierauf beruhet die Steuerpflicht der Gemeindeglieder überhaupt
und das Maaß derſelben, denn über die Befriedigung der Ge-
meindebedürfniſſe hinaus beizutragen ſind ſie nicht verpflichtet (§. 49.).
Dies iſt jedoch nur das allgemeine Geſetz der Steuerpflicht. Das
Prinzip zur Beſtimmung des Beitrages jedes einzelnen Mitgliedes
kann dem Rechte nach nur verlangen, daß ein Jeder im Verhält-
niſſe, als er an den Vortheilen des Gemeindeverbandes Antheil
nimmt, beitrage3). Dieſer Vortheil kann ſich nur auf die Perſon
nebſt den perſönlichen Rechten und auf das Vermögen nebſt den
Baumſtark Encyclopädie. 33
[514/0536]
Vermögensrechten erſtrecken. Da nun aber die Zwecke der Ver-
wendungen von verſchiedener Allgemeinheit und Beſonderheit ſind,
ſo entſtehen folgende drei Hauptfragen:
1) Welche Perſonen müſſen zu den Gemeindebedürf-
niſſen beitragen? — Darin, daß Einer Staatsbürger ſein kann,
ohne Gemeindebürger zu ſein, liegt der weſentliche Unterſchied der
perſönlichen Steuerpflicht für Staats- und jener für Gemeinde-
zwecke. Man unterſcheidet eigentliche Gemeindebürger, In-
ſaſſen (Schutzbürger, Schutzverwandte) und Ausmärker4).
Dieſe drei Klaſſen haben verſchiedene Rechte und Vortheile in der
Gemeinde, und müſſen ſämmtlich, aber nicht gleich viel, zu den
Gemeindebedürfniſſen beitragen. Nach dieſen Beziehungen iſt nun
die folgende Frage zu löſen.
2) Zu welchen Zwecken oder Ausgaben müſſen ſie
beiſteuern? — Aus Gründen des Rechts iſt Niemand zu einer
Aufopferung ohne eine entſprechende Gegenleiſtung verpflichtet;
denn das Recht iſt nur das Product eines gewiſſen Verhältniſſes
von Forderung und Leiſtung. Nimmt man aber die Leiſtungen
irgend eines Rechtsverbandes an, ſo folgt aus jenem Satze auch,
daß dieſer gerechten Anſpruch auf einen der Leiſtung entſprechenden
Beitrag zur Leiſtungsfähigkeit hat, inſoweit ohne ſolche Beiträge
die Leztere nicht beſtehen kann. Weil ſich aber die Beitragspflicht
auch nur auf dieſes Verhältniß ausdehnen darf, ſo folgt daraus,
daß auch jedes Gemeindeglied nur im Verhältniſſe der Vortheile,
die es aus dem Gemeindeverbande zieht, aus Rechtsgründen bei-
zutragen braucht. Die Gemeindebürger, Inſaſſen und Ausmärker
nehmen in verſchiedenen Graden an den Gemeindevortheilen An-
theil, ſeien es ſolche, welche die Gemeinde an ſich, oder ſolche,
welche ſie als eine mit einer gewiſſen Staatsgewalt bekleidete
Perſon gewährt; folglich haben ſie auch in verſchiedenem Grade
zu den Gemeindebedürfniſſen beizutragen5). Da nun aber dieſe
Vortheile nicht blos der Perſon, ſondern auch dem Vermögen zu-
kommen, ſo entſteht noch folgende Frage.
3) Mit welchem Vermögen iſt das Gemeindeglied
ſteuerpflichtig zu Gemeindebedürfniſſen? — Aus den bis-
herigen Gründen nur mit demjenigen, welches daſſelbe im Gemeinde-
verbande und in der Gemeindegemarkung beſitzt und genießt, denn
für Eigenthum, Beſitz und Genuß, dieſer mag aus- oder inmärki-
ſches Vermögen oder Einkommen betreffen, gewährt die Gemeinde-
verbindung Schutz6).
¹⁾ Sehr viel Material zu demſelben bieten die Verhandlungen der IIten Bad.
Kammer v. J. 1831. Heft 10. S. 154. Heft 15. S. 97. 143. Beilageheft 4. S. 156.
[515/0537]
¹⁾ Beilageheft 5. S. 37., weil v. Rotteck einen Zankapfel in die Verſammlung
warf, welcher viele Einſchüchterung und Becomplimentirung, aber auch glücklicher-
weiſe ſehr belehrende Discuſſionen erregte.
²⁾ Die Gemeinden erleichtern ſich die Umlage und Erhebung der Steuern,
wenn ſie die Quoten derſelben blos zu den Staatsſteuern ſchlagen. Dadurch entſtand
die Regel, die Gemeindeumlagen ſo zu erheben; allein mit Ungerechtigkeit, weil
das Gebiet des Beſteuerungsrechtes des Staats ein viel weiteres als jenes der Ge-
meinden iſt. S. unten Note 6. und v. Malchus Finanzw. I. §. 75.
³⁾ Dieſen, nicht beſtreitbaren, Satz ſtellt auch v. Rotteck in den angeführten
Verhandlungen und im angeführten Theile des conſtitut. Staatsrechts §. 9. u. 10.
auf und ſucht ihn durchzuführen. Seine Conſequenz ſcheint aber hierbei in der
That nicht ſo ſtaunenswerth zu ſein, als die Badiſche Kammer damals erklärte.
Denn die Vortheile des Gemeindegliedes aus dem Gemeindeverbande ſind entweder
perſönlicher Natur oder fallen auf das Vermögen deſſelben. Auf die Erſteren hat
jeder Gemeindebürger gleiches Recht; aber die Vermögensvortheile ſind nach Art
und Größe des Vermögens verſchieden. Da aber eine Beſteuerung nach blos per-
ſönlicher Beziehung demnach numeriſch gleich und der Druck der Steuer jedenfalls,
ſie mag beſtehen, in was man will, höchſt ungleich und unverhältnißmäßig würde,
und da die Steuer, ſie werde umgelegt, auf welches Object und auf welche Art
man wolle, nach der Wirkung bemeſſen werden muß, die ſie auf die Steuerpflich-
tigen hervorbringt; ſo kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Vermögen der
abgeleitete Maaßſtab der Beſteuerung ſein muß, der ſich aus obigem Rechtsgrundſatze
ergibt. Wie man nun das Vermögen am beſten beſteure — ob geradezu, durchs
Einkommen und durch den Genuß, durch deſſen Beſteuerung man aber auch zugleich
eine perſönliche Abgabe auflegt — das iſt eine andere Frage. Aber jedenfalls
möchte ſich hieraus als gewiß ergeben, daß die Behauptungen von v. Rotteck, das
Vermögen ſei der ungerechte Steuermaaßſtab und man verwechſele, indem man es
als ſolchen annehme, die Perſonen mit den Sachen, nichts weniger als conſequent
und dazu völlig unrichtig ſind. Man ſ. mehr hierüber noch in der Finanzwiſſen-
ſchaft unten.
⁴⁾ Dieſe drei Klaſſen von Gemeindegliedern haben verſchiedene Rechte von der
Geſetzgebung erhalten. Die beiden erſten bilden die Bewohner der Gemeinde, die
Ausmärker aber beſitzen in derſelben unbewegliches Vermögen, ohne ſelbſt da zu
wohnen und die vollen Rechte eines Gemeindebürgers zu haben. Die Inſaſſen haben
blos das Aufenthaltsrecht und diejenigen Anſprüche, welche ſich aus dieſem ergeben
und von dem Geſetze näher beſtimmt ſind. Die Gemeindebürger bilden aber im
eigentlichen engeren Sinne die Gemeinde.
⁵⁾ Es gibt daher in der Gemeinde auch gemeindebürgerliche, einwohnerliche,
Ausmärker- und ſtaatsbürgerliche Vortheile; ebenſo gibt es Ausgaben, welche für
das Intereſſe dieſer Klaſſen gemacht werden; und folglich muß das Mitglied einer
jeden derſelben zu den betreffenden Ausgaben beitragen. Man kann nun freilich,
wie in den Bad. Kammerverhandlungen geſchieht, auch Ausgaben unterſcheiden, die
blos einzelne geſellſchaftlich verbundene Gemeindeglieder wegen eines beſondern
Zweckes zu tragen haben (Sozialausgaben), z. B. Ausgaben für ſämmtliche Vieh-
beſitzer, Handwerkerklaſſen u. dgl. Allein dieſe ſind eigentlich keine Gemeindeaus-
gaben mehr und es gehören alſo die Beiträge der Einzelnen dazu auch nicht in
den Begriff der Gemeindeſteuern. Eine nähere Beſtimmung der Beſtandtheile der
Ausgaben im Vergleiche zu deren Deckung wird im §. 390. u. 391. vorkommen.
⁶⁾ Dieſem Grundſatze wurde in der Praxis bisher am allermeiſten entgegen-
gehandelt, weil man, die Staatsſteuergrundſätze für die Gemeindeumlagen anneh-
mend, die Gemeindebürger und Inſaſſen nach ihrem vom Staate beſteuerten Ver-
mögen, Einkommen und Genuſſe mit Gemeindeabgaben belegte. Allein v. Rotteck
nimmt die Praxis deßhalb in Schutz und erklärt die Beſteuerung nach dieſem Prinzipe
für ungerecht, weil es den Reichen, der noch außerdem ein großes Vermögen beſitzen
könne, unmäßig begünſtige, und eine Menge von Armen unmäßig drücke. Es iſt
dies jedoch eine ſchreiende Inconſequenz in der Durchführung ſeines und unſeres
33 *
[516/0538]
⁶⁾ oberſten Grundſatzes (Note 3.), die blos die Beraubung der Reichen zur Folge
haben muß. Denn in Bezug auf das Vermögen, welches der Reiche nicht in der
Gemeinde beſitzt, bezieht er auch keine Vortheile vom Gemeindeverbande; der ſonſt
noch ſo reiche Staatsbürger, der in der Gemeinde wenig oder gar nichts beſitzt, iſt
in Beziehung auf dieſe als Beſitzer arm; und durch die Beſteuerung nach v. Rot-
teck's höchſt inconſequenter Meinung würde der Reiche, der in verſchiedenen Ge-
meinden Beſitzungen hat, für alle dieſe doppelt, dreifach u. ſ. w., überhaupt ſo
vielfach beſteuert werden, als in wie vielen Gemeinden er ſolche hat, weil ihn jede
Gemeinde nach ſeinem Vermögen überhaupt beſteuern würde. Es liegt ferner in
v. Rotteck's Anſichten eine Abweichung von ſeinem Prinzipe, welches ſagt, daß
die Gemeinde dadurch vom Staate auch hauptſächlich verſchieden ſei, daß der Leztere
auf das ganze Staatsgebiet, folglich auch auf die Gemeindemarkung ein Souveraine-
tätsrecht habe, während die Gemeinde blos innerhalb der Banngrenzen ihre Ge-
meindegewalt als Realrecht ausüben dürfe. Denn es fließt hieraus unmittelbar,
daß ſie ihr Steuerrecht nicht über die Banngrenze ausdehnen darf. Wer in der
Gemeinde ein Einkommen von auswärtigem Vermögen genießt, kann mit Recht
blos durch eine Genuß- oder Conſumtionsſteuer beigezogen werden. Allein
der H. v. Rotteck erklärt dieſe und die Gemeindefrohnden für Abweichungen
von unſerem Steuerprinzipe (Note 3.) und für Ausflüſſe des ſeinigen. Derſelbe
iſt jedoch im Irrthume und in Inconſequenz. Denn Frohnden ſind nicht blos
verwerflich, wenn das Wort „Herr“ oder „Staat“ davor ſteht, ſondern weil
ſie, wie ſpäter gezeigt werden ſoll, eine ſchreiend ungleiche Laſt ſind, welche die
Aermeren ſehr drückt, gleichviel durch wen, ob ſie in Natur oder Geld gefordert
werden. Sie ſind übrigens keine Steuern. Bei den Conſumtionsſteuern aber iſt
nicht blos das Bedürfniß, ſondern auch der Genuß belegt; überhaupt aber und
gerade darum iſt v. Rotteck's Bemerkung, das Bedürfniß ſei bei Allen gleich,
das Vermögen aber unendlich verſchieden, höchſt unwahr; auf keinen Fall könnte
derſelbe aber dieſen, die Conſumtionsſteuer verwerfenden, Satz conſequenter Weiſe
gebrauchen, um die Richtigkeit ſeines Steuerſyſtemes zu behaupten. Denn was man
für ungerecht und ſchlecht erklärt, das darf man nicht als Ausfluß eines gerechten
und guten Syſtemes benutzen. S. §. 385. Note 1.
II. Beſondere Grundſätze.
§. 384.
Aus jenen allgemeinen Grundſätzen erſieht man die Verſchie-
denheit der Beziehungen bei Umlage von Gemeindeſteuern im Ver-
gleiche mit jener der Staatsſteuern. Außer jenen Rechtsprinzipien
gibt es aber im Steuerweſen noch politiſche oder Klugheitsregeln,
welche aus nationalöconomiſchen Rückſichten fließen. Dieſelben ſind
zwar auch allgemein, aber ſie ſind die nämlichen, welche auch die
Finanzwirthſchaft beobachten muß, weßhalb ſie hier nicht erklärt
zu werden brauchen, wo es ſich blos um die Eigenthümlichkeiten
der Gemeindewirthſchaft handelt. Auch für dieſe Leztere können
zwar nur dieſelben Steuerobjecte mit Umlagen belegt werden,
welche man überhaupt, alſo in der Finanzwirthſchaft, beſteuern
kann, und die Beurtheilung einer Steuer an ſich beruht zwar
immer auf denſelben Prinzipien; allein ſchon jene allgemeinen
Grundſätze für Gemeindeumlagen gebieten der Gemeinde Modifi-
cationen und Abweichungen von der Staatsſteuerlehre. Denn bei
der Umlage von Gemeindeſteuern hat man vor Allem zu berück-
[517/0539]
ſichtigen: 1) daß man dabei die Gemarkungsgränzen nicht über-
ſchreite; 2) daß aber alle Gemeindemitglieder durch die Umlagen
zu den Gemeindebedürfniſſen beigezogen werden; 3) daß jedoch
jedes nur nach den Verpflichtungen der Klaſſe, wozu es gehört,
beitragen dürfe; und 4) daß ſtets berückſichtigt bleibe, daß vor
den Gemeinde- auch noch Staatsauflagen beſtehen, welche mit den
Erſteren die Bürgerlaſten erhöhen.
Die Gemeinde, als Staatsmitglied, darf überhaupt, alſo auch
in ihrem Umlagsweſen, nichts unternehmen, was den Staats-
finanzgeſetzen widerſpricht. Sie wird alſo für ſich ſchon darum,
und wegen der Aufſicht des Staats (§. 378.) ohne Staatserlaub-
niß keine neue Steuer umlegen dürfen. Auch ſchon ihr Verwal-
tungsintereſſe und die Einheit des Steuerweſens im ganzen Staate
erheiſcht, daß ſie ſich in ihrem Umlagsſyſteme an jenes des Staates
anſchließe, ſo weit es den Rechtsgrundſätzen der Gemeindebeſteuerung
nicht widerſpricht. Es kann ſich daher bei ihr nicht um die Auf-
ſtellung eines neuen Syſtemes, ſondern nur um die zweck- und
rechtmäßige Anwendung des im Staate angenommenen handeln.
Da es im Staate in der Regel und im Allgemeinen übereinſtim-
mend mit den Steuergrundſätzen Perſonal-, Vermögens- und
Genußſteuern gibt, ſo wird die Gemeinde zur Beſteuerung einer
jeden der genannten Klaſſen von Gemeindegliedern die paſſenden
unter ihnen zu wählen haben. Weil es aber gemeindebürgerliche,
einwohnerliche, ausmärkiſche und allgemeine ſtaatsbürgerliche (poli-
zeiliche) Vortheile gibt, nach welchen die Gemeindeglieder ſteuer-
pflichtig ſind, ſo müſſen auch hiernach die Gemeindeumlagen ge-
wählt werden.
§. 385.
Fortſetzung.
Es iſt ein großer Mangel im Gemeindeſteuerweſen, daß man
noch nicht von der rückſichtsloſen Beſteuerung aller Gemeindeglieder
abkommen konnte, wodurch Mancher zu Zwecken beitragen muß,
die ihm keinen Vortheil geben, während eben dadurch Andere,
denen an der Erreichung jener Zwecke gelegen ſein muß, eine un-
verdiente Erleichterung bekommen. Es wird zwar in der Praxis
immer noch ſchwierig ſein, eine vollſtändige Trennung der Ausgaben
und Steuern nach obigen Rubriken zu Stande zu bringen. Indeß
kann dies nicht abhalten, die Sache ſo weit durchzuführen, als es
angeht. Es kommt, wenn nicht Localverhältniſſe dagegen ſind,
Alles auf die Wahl der Steuern an.
[518/0540]
A. Von den Perſonalſteuern, ſeien ſie allgemeine oder
Klaſſenkopfſteuern, könnte man, was die Allgemeinheit der
Vertheilung anbelangt, allerdings zu ſtaatsbürgerlichen, einwohner-
lichen und gemeindebürgerlichen Zwecken oder Ausgaben Gebrauch
machen. Allein die Ungleichheit, womit ſie den Wirthſchaftszuſtand
der Einzelnen treffen, tritt ihrer Anwendung auch hier und um ſo
mehr entgegen, als dieſelbe in einer Gemeinde leichter als im
ganzen Staatsgebiete eingeſehen wird1).
B. Von den Vermögensſteuern kann man zu Gemeinde-
zwecken den bequemſten Gebrauch machen. Sie ſind entweder
Vermögensſteuern im beſonderen Sinne oder Einkommens-
ſteuern. Zu den Lezteren gehört die allgemeine Klaſſen-, die
Grund-, die Häuſer-, die Gewerbe-, die Beſoldungs- und die
Capitalienſteuer. Zuſammengenommen dienen ſie zur Erhebung der
Gelder für ſtaatsbürgerliche und einwohnerliche Zwecke. Will man
aber nur gewiſſe Klaſſen von Gemeindebürgern und Einwohnern
oder die Ausmärker für ihre beſonderen Gemeindevortheile beſteuern,
ſo hat man blos hiernach unter jenen Steuern die entſprechende
Gattung zu wählen2).
C. Von den Genußſteuern aber geſtatten einige blos
den Gebrauch zur allgemeinen, andere dagegen nur jenen zur
Klaſſen- oder Sozialbeſteuerung (§. 383. Note 5.). Die Genuß-
ſteuern ſind entweder Verbrauchs- (Conſumtions-, Verzehrungs-)
Steuern, wenn ſie nämlich auf Gegenſtände der Verzehrung um-
gelegt ſind3), oder Gebrauchsſteuern, wenn ſie für die Be-
nutzung gewiſſer öffentlicher Gemeindeanſtalten entrichtet werden.
In jenem Falle werden alle Verzehrenden, in dieſem Falle aber
nur diejenigen getroffen, welche Gebrauch von einer ſolchen Anſtalt
machen. Die Lezteren ſind ſehr manchfacher Natur und kommen
in den Gemeinden unter verſchiedenen Benennungen vor4).
Bei den Kopf- und Genußſteuern kann geradezu behufs der
Erhebung für die Gemeindezwecke ein Zuſchlag (Aufſchlag)
auf die Staatsſteuer gemacht werden. Bei den Vermögensſteuern
darf der Zuſchlag aber nur für das Vermögen oder Einkommen
gemacht werden, welches der Steuerpflichtige in der Gemeindemark
beſitzt oder aus einem in derſelben beſeſſenen Vermögen und daſelbſt
betriebenen bürgerlichen Gewerbe bezieht5).
¹⁾ v. Rotteck im conſtitutionellen Staatsrecht. Bd. II. Abthlg. 2. §. 12.
und in den angef. Bad. Kammerverhandl. ſpricht der Perſonalbeſteuerung das Wort.
Man ſieht aber gerade auch hier die Inconſequenz ſeines Syſtems, und die nahe
Berührung, in welcher es mit Ungerechtigkeit und Deſpotismus ſteht. Denn es
folgt aus demſelben nicht blos die Kopfſteuer, welche als eine numeriſch gleiche
Steuer den Armen unmäßig drückt und den Reichen ſchont, ſondern vielmehr, wenn
[519/0541]
¹⁾ er ſtreng conſequent die perſönlichen Vortheile als Maaßſtab der Beſteuerung durch-
führen will, auch geradezu, daß der Arme grundſätzlich mehr als der Reiche bezahlen
muß, weil er von der Gemeinde am meiſten Unterſtützung oder Vortheile genießt.
Allein v. Rotteck ſcheint dieſe einfache, aber fürchterliche Conſequenz nicht zu
kennen oder zu umgehen; denn er will auf die Umlage einer directen Kopfſteuer
verzichten, „weil ſie gegen vorgefaßte Meinungen zu ſehr anſtieße“, und dafür
Gemeindefrohnden („edler ausgedrückt Gemeindedienſte“) anordnen, welche
von ſämmtlichen Gemeindeangehörigen ſelbſt, oder durch Stellvertreter zu leiſten,
oder aber durch Geld nach einem feſten Tarife zu vergüten ſein ſollen. Dieſelben
ſind jedoch gleich ſchädlich, gleichgiltig, ob ſie Dienſte oder Frohnden heißen,
und werden auf dieſe Art nur zu einer allgemeinen Laſt geſtempelt in einer Zeit,
wo man mit aller Macht gegen ſie kämpfen ſollte und kämpft (ſ. v. Rotteck's
Commiſſionsbericht deßhalb in den Verhandl. der IIten Kammer der Bad. Land-
ſtände v. J. 1831. Heft XV. S. 105. Beilageheft II. S. 117.). Denn z. B. drei
Tage Gemeindedienſte drücken ebenſo wie drei Tage Gemeindefrohnden, aber beide
drücken den armen Bauer unverhältnißmäßig ärger als 3x16 Kreutzer den Capi-
taliſten oder drei Tage, während welcher der reiche Gutsbeſitzer Einen ſeiner
Arbeiter entbehren muß. Beſtehen dieſelben in einer oder jeder Gemeinde des
Landes, ſo ſind ſie ein Mittelding zwiſchen Kopfſteuer und willkürlicher Entziehung
der Vortheile einer dreitägigen Arbeit für Familie, Haushalt und Gewerbe, eine
im höchſten Grade ungerechte Forderung, welche, numeriſch gleich, den Reichen auf
Koſten des Mittelſtandes und dieſe beiden auf Koſten des Armen begünſtigt.
²⁾ Z. B. Steuern für beſondere Zwecke der Gemarkung ſind durch Zuſchläge
zu der Grundſteuer zu erheben; — die Ausmärker werden je nach ihrem Beſitze mit
der Grund-, Häuſer- oder Gewerbeſteuer getroffen u. dgl. mehr. Man hat aber
ſchon ſehr gegen die Beſteuerung der Ausmärker und der Staatsdiener in den
Gemeinden geſprochen, — gegen jene z. B., weil es ſchlimm genug ſei, wenn,
wie oft geſchehe, der auswärtige Capitaliſt ſtatt der Zahlung die Hypotheken zuge-
ſchlagen bekomme und auf dieſe Art Ausmärker werden müſſe und weil man mit
der Beſteuerung Ausmärker abhalten könnte, ſich Eigenthum in der Gemeinde zu
kaufen, welche der Wohlfahrt der Lezteren ſehr dienlich ſein könnten u. dgl. m., —
gegen dieſe aus Gründen gegen die Beſoldungsſteuer überhaupt und darum, weil
es z. B. den Ortsgeiſtlichen und Lehrern ſehr unangenehm ſein könne, ſich in die
Gemeindeſachen und verſchiedenen Partheien zu miſchen, weßhalb man für dieſe eine
Averſalſumme, über welche ſie ſich mit der Gemeinde zu vernehmen haben,
beantragte. Man hat jedoch nur zu verhüten, daß die Ausmärker nicht zu hoch und
nicht zu Zwecken beſteuert werden, an denen ſie keinen Antheil haben, dann fallen
dergleichen Bedauerungen und Befürchtungen weg. Gegen die Averſalſteuern der
Staatsdiener iſt aber eben nichts einzuwenden, obſchon ihr Antheil an Gemeinde-
ſachen, z. B. in Landgemeinden, ſehr nützlich ſein kann.
³⁾ Es kommt nur darauf an, daß man ſolche Artikel wählt, wodurch auch
gerade diejenigen getroffen werden, welche man beiziehen will. Außer den gewöhn-
lichen Staatsconſumtionsſteuern können, beſonders in großen Städten, mit
großem Vortheile Luxusſteuern verſchiedener Art, z. B. auf Hunde, Pferde,
Wagen, Bedienten u. dgl. mehr eingeführt werden. Es gehören aber hierher die
verſchiedenen ſtädtiſchen Octrois, deren Anlage auch nach den Regeln der Finanz-
wiſſenſchaft geſchehen muß. S. §. 381.
⁴⁾ In dieſe Klaſſe gehören nicht blos die Abgaben für Flößerei und Schiff-
fahrt, welche oft Städte beziehen, ſondern auch die Gemeindeſporteln und Taxen,
die Weg-, Pflaſter-, Brücken- und Thorſperrgelder, ſelbſt die Standgelder auf
Märkten und Meſſen, die Abgaben der Viehzüchter für Benutzung des Gemeinde-
ſtiers und Ebers, die Beiträge zu Gemeindeaſſecuranzen verſchiedener Art u. dgl.
Unter dieſen Abgaben iſt an ſich keine verwerflich als die Thorſperre. Dieſe erſcheint
aber als ganz grundlos, unbequem und für ärmere Leute ſehr drückend; denn es
gibt andere beſſere Wege der Beſteuerung, ſie iſt eine Kopfſteuer für Menſchen und
Thiere und beläuft ſich oft ſo hoch, daß dem in der Stadt beſchäftigten Arbeiter
vom Lande ein ſehr bedeutender Theil ſeines Lohnes beim Ein- und Ausgehen ent-
zogen wird. Am verwerflichſten muß ſie dann erſcheinen, wenn ihr Betrag,
[520/0542]
⁴⁾ ſtrafenähnlich, mit jeder ſpäteren Stunde der Nacht in arithmetiſchem oder geome-
triſchem Verhältniſſe wächst. Alle anderen genannten Steuern dieſer Klaſſe ſind dem
Prinzipe nach durchaus gerecht, wenn ſie nicht auf eine Plusmacherei hinauslaufen,
ſondern wirklich als bloße Beiträge zur Erhaltung der betreffenden Anſtalten umge-
legt ſind, den Verkehr nicht hemmen und die Städter nicht auf Koſten der Land-
leute begünſtigen.
⁵⁾ Freiheit von den Genußſteuern kann Niemand verlangen. Von der
Perſonalſteuer kann nur Armuth, ſowie von den Gemeindedienſten blos gänzliche
oder augenblickliche Unfähigkeit und ein anderer dringender Umſtand nach dem
Ermeſſen der Gemeindebehörde frei machen. Es führt dies v. Rotteck (Verhandl.
Heft XV. S. 99.) als Erwiederung auf die Einwendungen der Note 2 an. Allein
damit weicht man blos der abſoluten Nothwendigkeit und die Ungleichheit wird der
Steuer nicht dadurch benommen. Von den Vermögens- und Einkommens-
ſteuern ſind alle öffentlichen Anſtalten, Gebäude u. dgl. und diejenigen Beitrags-
pflichtige frei, welche kein hinlängliches Vermögen und Einkommen haben. Manche
haben ſchon Steuerfreiheit für die zu Eigenthum oder zur Benutzung umgetheilten
Almendgüter verlangt; allein gewiß ſehr mit Unrecht. Denn dies iſt ein Haupt-
vortheil des Bürgers aus dem Gemeindeverbande, welchen man gerechter und kluger-
weiſe zuerſt oder doch wenigſtens mit dem anderen Vermögen zu Gemeindezwecken
beſteuern darf. Allein jedenfalls zeigt ſich dabei die Einkommensſteuer am paſſend-
ſten, weil dann nur das Einkommen aus ſolchen Gründen, alſo dasjenige Almend-
ſtück nicht beſteuert wird, das keinen hinlänglichen Ertrag gibt. Man ſchlägt daher
die Almendgüter am beſten dem übrigen Grundeigenthume der Bürger zu und be-
ſteuert beides zuſammen. Dabei wird dann natürlich der Dürftige, der vielleicht
wenig oder nichts mehr als das Almendgut beſitzt, jedenfalls befreit ſein, wenn ihm
ſein Beſitz ein zu kleines Einkommen gewährt. Sind aber die Almendgenüſſe groß,
ſo können ſie in außerordentlichen Fällen auch beſonders beſteuert werden, wenn zu
eigentlichen Gemeindezwecken Ausgaben nöthig werden, die ſonſt ohne Deckung ſind.
Dritte Abtheilung.
Von der Benutzung des Gemeindekredites.
§. 386.
Schon längſt hat die Erfahrung gelehrt, daß zu außerordent-
lichen Ausgaben, welche in dem Gemeindehaushalte zuweilen ent-
ſtehen, auch ſolche Einnahmen erforderlich ſind, wenn die Gemeinde
nicht hinlängliche Geldcapitalien im Vorrathe hat, über welche ſie
diſponiren kann. Unter den Quellen, aus welchen man ſolche
außerordentliche Einnahmen bezieht, iſt der Kredit der Gemeinden
eine der brauchbarſten (§. 343.). Die Benutzung deſſelben oder
das Contrahiren von Schulden durch die Gemeinden hat für ſie
denſelben Vortheil, wie die Staatsſchulden für den Staat, nämlich
die Vertheilung einer plötzlichen außerordentlichen Laſt, welche den
Gemeindegliedern zu drückend ſein würde, auf längere Zeit zum
Behufe allmähliger Deckung. Die Nachtheile des Schuldenweſens
auf den ganzen Gang des Gemeindehaushaltes ſtimmen aber auch
mit jenen der Staatsſchulden auf den Staatshaushalt ſo ziemlich
überein. Indeß herrſcht eine große Verſchiedenheit zwiſchen dem
Staate und den Gemeinden in Betreff der Grundlagen des Kredites.
[521/0543]
Zwar können dieſe auch nur auf dem Zutrauen zum Willen und
Vermögen der Gemeinden, ihre Schuldverbindlichkeiten zu erfüllen,
beruhen; allein die Folgerungen aus dieſem Grundſatze für die Wirk-
lichkeit ſind bei den Gemeinden andere als bei dem Staate. 1) Da
nämlich dieſer die höchſte Gewalt im Landesgebiete ausübt, ſo
gibt es über ihm keinen weltlichen Geſetzgeber und keinen weltlichen
Richter, ſo lange nicht poſitiv ein ſolcher kraft der Uebereinkunft
mehrerer Staaten oder des Staatsgrundgeſetzes beſtellt iſt. Es
ſteht demſelben aber außerdem für den Fall der Noth bei Zah-
lungsunfähigkeit außer dem Vergleichswege auch jener der geſetz-
gebenden Erklärung übrig, um ſeine Verbindlichkeiten (nicht zu
vernichten, ſondern) zu ſuſpendiren, bis er wieder im Stande iſt,
dieſelben zu erfüllen und die durch deren Suſpenſion Benachthei-
ligten zu entſchädigen. Dies iſt bei den Gemeinden nicht der Fall,
denn ſie ſtehen wie der einzelne Bürger unter dem Staatsgeſetz
und haben auf die geſetzwidrige Selbſthilfe verzichtet, ſind gericht-
lich zu belangen und unterliegen den Concursgeſetzen. 2) Deßhalb
und wegen des Hinblicks auf die weit größeren Hilfsmittel des
Staates aus einer blühenden Volksinduſtrie und endlich wegen der
Sicherheit, welche den Staatsgläubigern der Umſtand gewährt,
daß der Staat aus eigenem hochwichtigem Intereſſe der Erhaltung
ſeine Schuldverbindlichkeiten ſo lange als möglich erfüllen und
nach der Suſpenſion ſobald als möglich mit Entſchädigung wieder
beginnen muß, kann der Staat weit über den Werth ſeines Staats-
eigenthumes, ohne Hypotheke und blos gegen die Verſicherung
Schulden contrahiren, daß er zur Tilgung und Verzinſung die
Staatseinkünfte verwenden werde. Die Gemeinden genießen da-
gegen dieſe Wohlthat nicht, — doch höchſtens nur ausnahms-
weiſe1). 3) Aus jener größeren Unbeſchränktheit des Staates
ergibt ſich auch, daß derſelbe bei ſeinen Anleihen, deren Tilgung
und Verzinſung freiere Formen einführen kann als die Gemein-
den2). Da aber im Uebrigen, namentlich was das Verhältniß
der Staatsſchulden zu den Einkünften und Ausgaben anbelangt,
bei den Gemeinden blos in der Größe des Maaßſtabes eine Ver-
ſchiedenheit obwaltet, ſo reduciren ſich darin die Grundſätze der
Gemeinde- auf jene der Staatswirthſchaft3).
¹⁾ Wenigſtens iſt die Unterſcheidung von Landgemeinden und Städten, bei
dieſen aber wieder jene zwiſchen den kleinen, mittleren und größten nothwendig.
Von Landgemeinden, kleinen und mittleren Städten gilt Obiges zuverläſſig. Die
größten Städte Europas, z. B. London, Paris, Petersburg u. ſ. w. näheren ſich
aber mehr einem kleinen Staate und bei dieſen kann wohl eine Aehnlichkeit mit
dem Staatsſchuldenweſen obwalten. Allein dies ſind ſehr ſeltene Ausnahmen.
²⁾ Die Landgemeinden und kleineren Städte verhalten ſich hierin, wie die
[522/0544]
²⁾ Privatleute und machen bei einem Capitaliſten gewöhnliche Anleihen mit gewöhn-
licher Verzinſung und Tilgung. Die mittleren, größeren und größten Städte
näheren ſich darin den Staatseinrichtungen und man findet dieſe bei den Lezten faſt
ganz nachgeahmt. Die Obligationen kommen in dieſen Fällen dann auch im
Handel vor. S. §. 336.
³⁾ Z. B. die Gemeinde muß wegen der Verlegenheit, in welche ſie durch eine
unvorhergeſehene Aufkündigung gerathen könnte, ſuchen, ſich in der Tilgung mög-
lichſt freies Spiel zu laſſen; ſie muß nach einem möglichſt gleichen und geringen
Zinsfuße ſtreben; ſie kann daher auch Renten ausgeben u. dgl. mehr. S. die
Finanzwiſſenſchaft.
Zweiter Abſchnitt.
Gemeinde-Hauswirthſchaftslehre.
§. 386. a.
Die Gemeindehauswirthſchaft (§. 378. a.), das eigentlich
Praktiſche und nach beſonderen Gemeindeverhältniſſen auch Wan-
delbare der Gemeindewirthſchaft, hat zur Aufgabe, das Gemeinde-
vermögen zu erhalten, die Gemeindewirthſchaft im Zuſammenhange
zu behalten und das Gemeindeeinkommen der Verwendung zu den
beſtimmten Zwecken auf die wirthſchaftliche Weiſe nahe zu brin-
gen (§. 43.). Es ſind daher die hier folgenden Abtheilungen ihres
Objectes leicht zu rechtfertigen.
Erſte Abtheilung.
Von der Beſtellung der Gemeindewirthſchaft.
§. 387.
Die Verwaltung der Gemeinden, welche verſchiedene Dienſte
erheiſcht, iſt einem eigenen Organismus von Behörden zu über-
tragen, der im Allgemeinen einfach ſein muß, aber bei ſehr großen
Städten complicirter werden kann1). Im Allgemeinen iſt er aus
folgenden Behörden zuſammenzuſetzen:
1) Aus dem Bürgermeiſter (franz. Maire, engl. Major),
welcher, überhaupt mit der vollziehenden Gewalt bekleidet, dieſe
auch in der Gemeindewirthſchaft hat. Er leitet die Verwaltung
derſelben und bringt, was zu berathen und zu beſchließen, bei den
ihm beigegebenen Collegien und bei der Gemeindeverſammlung in
An- und Vortrag.
2) Aus dem Gemeinderathe, einem aus der Bürgerſchaft
gewählten Collegium, welchem unter Anderem auch die Berathung
[523/0545]
und der Beſchluß in Betreff der Wirthſchaftsangelegenheiten der
Gemeinde übertragen iſt, und ohne deſſen Uebereinſtimmung alſo
der Bürgermeiſter nichts beſchließen und anordnen kann.
3) Aus dem Bürgerausſchuſſe, einer Art von Gemeinde-
ſtänden, gewählt aus der Bürgerſchaft, welche an der Verwaltung
ſelbſt keinen Theil haben, aber dieſelbe controliren und den Anord-
nungen in Gemeindeangelegenheiten ihre Zuſtimmung geben müſſen.
Die Geſetze beſtimmen die Befugniſſe deſſelben verſchieden, aber
jedenfalls ſteht ihm die Beiſtimmung zu Veränderungen in den
Vermögensverhältniſſen der Gemeinden, bei Umlagen von Steuern,
bei Anordnungen im Gemeindeſchuldenweſen, und die Controle der
Gemeindehauswirthſchaft zu.
4) Aus dem Gemeindeverrechner, entweder Mitglied des
Gemeinderathes oder nicht, welcher die Einkünfte zu erheben, zu
verrechnen, nach Anweiſung zu den Ausgaben zu verabfolgen und
Rechnung abzulegen hat.
Außer dieſen allgemeinen Behörden gibt es aber auch noch:
1) Beſondere Gemeindediener für einzelne Zweige der Ge-
meindeverwaltung, z. B. in der Forſtwirthſchaft Förſter, Wald-
meiſter, deren Anſtellung bei großen Gemeindewaldungen ſehr
nützlich iſt.
2) Kanzlei- und Regiſtraturperſonale, z. B. Gemeindeſchrei-
ber u. dgl. — Bei den wichtigſten Verhandlungen in den Wirth-
ſchaftsangelegenheiten iſt aber die Gemeindeverſammlung,
deren Zuſammenberufung blos dem Bürgermeiſter zuſteht, zu be-
fragen, z. B. bei vorgeſchlagenen Veräußerungen oder Vertheilun-
gen von Gemeinde- und Almendgütern; zu allgemeinen Arbeiten,
z. B. bei Gemeindebauten, Reinigen von Gemeindebrüchen u. dgl.
mehr iſt es endlich gebräuchlich von ſämmtlichen Gemeindeeinwoh-
nern oder Bürgern, und ſelbſt die Ausmärker nicht abgerechnet,
Dienſte zu verlangen. Bei ſolchen außerordentlichen Umſtänden iſt
dagegen durchaus nichts einzuwenden, und der Bürgerſinn wird
auch wohl ſelten ſo fehlen, daß ſich die Gemeinde im Ganzen oder
ein Theil der Bürgerſchaft, z. B. derjenige, welcher Geſpann hat,
nicht dazu verſtünden. Aber ſolche Dienſte oder ein Dienſtgeld
ſämmtlichen Gemeindebewohnern oder Bürgern und Ausmärkern
als eine ſtändige geſetzlich ſchuldige Laſt von beſtimmter oder unbe-
ſtimmter Ausdehnung aufzubürden, muß, man mag ſie uneigentlich
als Steuern oder als eine Perſonallaſt anderer Art anſehen, in
beiden Beziehungen gleich verwerflich ſein, weil ſie durchaus un-
gleich auf die Familien- und Wirthſchaftsverhältniſſe der Bürger
wirkt (§. 385. Note 1.). Am ungerechteſten iſt die Vertheilung
[524/0546]
von Spann- und Handdienſten je unter diejenigen, welche Geſpann
haben oder nicht. Da aber durch ſie ohne Koſten der Gemeinde-
kaſſe große Arbeiten leicht vollführt werden können und es doch
zuweilen Einwohner gibt, welche lieber und auch leichter Dienſte
leiſten als Geld bezahlen, ſo kann man in ſolchen Fällen leicht den
Mittelweg wählen, bei ordentlichen und außerordentlichen Gemeinde-
arbeiten dieſer Art immer die freie Wahl zwiſchen perſönlichem
Dienſte und Geldbeiträgen zu geſtatten, aber dieſe Leztern als
Baſis anzunehmen, jedoch nicht in Form einer Kopfſteuer, ſondern
auf dem Wege der Repartition der angeſchlagenen Koſten der ganzen
Unternehmung nach irgend einem andern Vermögensſteuerfuße2).
¹⁾ Man ſehe über die verſchiedenen Benennungen und Einrichtungen dieſer
Behörden die oben (§. 378. N. 4 u. 5.) citirten Gemeindeordnungen.
²⁾ Das Beiziehen der Ausmärker zu dieſen Gemeindefrohnden hat man auch
ſchon für verwerflich erklären wollen, aber im Allgemeinen, wenn die Frohndleiſtung
einmal ſtatuirt iſt, gewiß mit Unrecht. Denn auch bei ſolchen Arbeiten muß zuerſt
unterſucht werden, ob die Ausmärker daraus ſelbſt und für ihren Beſitz in der
Gemeinde Vortheil ziehen oder nicht. Iſt jenes der Fall, dann ſind ſie auch mit
Recht dienſtpflichtig.
Zweite Abtheilung.
Von der Erhaltung des Gemeindevermögens
und Einkommens.
§. 388.
Gemeindevermögen, Veräußerung, Umtheilung, Ver-
pfändung, Ankäufe.
Es ſtellen ſich hierbei verſchiedene für die Erhaltung der Ge-
meinden ſehr wichtige Fragen dar:
A. Ueber Räthlichkeit oder Mißräthlichkeit der Ver-
äußerung von Gemeinde- und Almendgütern. Da die Gemeinden
darnach ſtreben müſſen, ſich in Betreff des Einkommens ſo unab-
hängig als möglich zu machen, alſo ſichere Grundlagen deſſelben
zu erhalten; da aber ein Gemeindeverband, als ein kleineres
Gebiet, von weniger Menſchen bewohnt und mit nicht ſo verſchie-
denerlei Gewerben verſehen, als der Staat, ſich mit weit weniger
Sicherheit auf ein beſtändiges gleiches Einkommen aus Umlagen
und Gerechtſamen verlaſſen kann, um ſo weniger, als der Staat,
deſſen Einkünfte aus den Staatsgütern in der Regel bei Weitem
nicht für ſeine Ausgaben ausreichen, vorzüglich ſchon zum Voraus
hohe Steuern bezieht, deren Druck noch durch die Gemeinde-
zuſchläge erhöht wird; und da endlich überdies die Gemeinde nicht
[525/0547]
wenig zur Bewirthſchaftung von Gründen geeignet iſt (§. 379.
380.): ſo iſt die Erhaltung der Gemeinde- und Almendgüter als
Regel zu beobachten1).
B. Ueber die Vor- und Nachtheile der Vertheilung des
Gemeinde- oder Almendgutes zur Nutzung oder zu Eigenthum.
Was die Umtheilung von Gemeindegütern zur Nutzung unter die
Bürger, d. h. die Einführung neuer Almendgüter anbelangt, ſo
iſt ihre Räthlichkeit noch ſtreitig, obſchon die Umtheilung der be-
reits beſtehenden als etwas Herkömmliches den Bürgern ein Recht
gibt (§. 379.). Sie iſt es aber auch und noch in weit höherem
Grade bei der Umtheilung des Gemeinde- und Almendgutes unter
die Bürger als Eigenthum, denn es handelt ſich hierbei um eine
Entäußerung von Gemeindevermögen ohne einen Werthserſatz und
um eine Verzichtleiſtung der Gemeindekaſſe auf ein bedeutendes
Einkommen. Es ſpricht 1) für die Umtheilung zu Eigenthum vor
Allem die Entſtehung des Gemeindeeigenthums als Reſt der von
der Gemeinde ehemals occupirten Gemarkung, welcher von den
einzelnen Gliedern der Genoſſenheit (§. 378.) nicht in Beſitz ge-
nommen wurde2); ſodann der Umſtand, daß die Privatinduſtrie
in der Regel den wirthſchaftlichen Quellen mehr Vortheile abzu-
gewinnen vermag als eine Gemeinheit; ferner die Erfahrung, daß
der Eigenthümer aus Intereſſe ſein Gut beſſer bewirthſchaftet, als
der bloße Nutznießer; zudem die Rückſicht, daß dadurch dem Wohl-
ſtande der ganzen oder eines Theils der Bürgerſchaft in jeder
Beziehung aufgeholfen, die Bevölkerung gehoben und der Boden
weit beſſer derjenigen Bewirthſchaftung gewidmet werden kann, in
welcher er den größten Vortheil bringt3); und endlich die Mei-
nung, daß die wahre Conſolidirung der Gemeinden nicht ſowohl
auf dem Reichthume der Gemeindekaſſe, als vielmehr auf dem Wohl-
ſtande der Bürgerſchaft beruht und von dieſem das Volkswohl und
die Staatsſicherheit abhängt. Man wendet aber auch 2) gegen
dieſelbe ein vor Allem die unter A. erwähnten Rückſichten; dann
die Rückſicht, daß die Gemeindeverſammlung auf die Anſprüche
auf eine allmählige Weitervertheilung jenes Reſtes der Gemarkung
der Genoſſenſchaft verzichten könne; ferner die Betrachtung des
Gemeindevermögens als das Eigenthum einer ewigen moraliſchen
Perſon, worüber eine einzige Generation zum Nachtheile der noch
folgenden nicht ſo diſponiren dürfe und jedenfalls die ſpäter noch
eintretenden Gemeindebürger den von früher her ſchon aufgenom-
menen gegenüber benachtheiligt ſeien, indem ſie gleiche Laſten tra-
gen müßten, ohne gleiche Vortheile erhalten zu haben4); und
endlich die vielfältige Erfahrung, daß ſich nach der Vertheilung
[526/0548]
der Wohlſtand der Bürgerſchaft keineswegs gehoben, im Gegen-
theile die ganze Gemeinde bei der noch hinzutretenden Erſchöpfung
der Gemeindekaſſe, Vergrößerung der Armenklaſſe, Zunahme der
Armenunterſtützungen und Abnahme der Steuerfähigkeit immer
mehr geſunken ſeie5). Es iſt aus Gründen des Eintretens dieſer
verſchiedenen Wahrheiten in verſchiedenen Fällen eine allgemeine
Löſung der Frage nicht thunlich6).
C. Ueber die Auswahl der bei Contrahirung von Anleihen zu
verpfändenden Güter und Einkünfte. Zu Unterpfand dür-
fen öffentliche Gebäude, als Kirchen, Rath-, Pfarr-, Schul-
häuſer, Hoſpitäler, Waiſenhäuſer u. dgl. aus leicht einzuſehenden
Gründen auf keinen Fall verſchrieben werden. Ehe Almendgüter
dazu verwendet werden, hat man zuerſt Gefälle, Gerechtſame, dann
Gemeindegüter zu verpfänden, weil an den Erſteren der Bürger
ein Nutzungsrecht hat. Sind alle dieſe Pfänder erſchöpft, ſo hängt
die Wahl der zu verſetzenden Einkünfte eines Theils von den For-
derungen des Kredits, andern Theils von der Nothwendigkeit der-
ſelben für den Gemeindehaushalt ab.
D. Ueber die Räthlichkeit und Mißräthlichkeit des Ankaufs
von Gütern für die Gemeinde. Da die Nothwendigkeit keine Wahl
übrig läßt, ſo kann ſich's niemals darum handeln, ob in außer-
ordentlichen Fällen der Nothwendigkeit Ankäufe gemacht werden
ſollen, z. B. in Fällen von Peſt und Cholera der Ankauf von Ge-
bäuden zu Hoſpitälern, da man hierzu nicht wohl Privathäuſer
miethen kann. Sondern es handelt ſich um die zweckmäßige Ver-
wendung von diſponiblen Geldcapitalien der Gemeinde und um die
Benutzung einer günſtigen Gelegenheit, das Grundſtocksvermögen
der Gemeinde zu vergrößern7). Jedenfalls iſt die Anſchaffung von
Grundgütern aus den bei A. erwähnten Gründen der Anlage in
Staatspapieren, Actien oder Gemeindeobligationen vorzuziehen,
weil dieſe in allen Fällen mehr Unſicheres hat, — ſtets jedoch
vorausgeſetzt, daß dieſe Capitalien nicht zur Schuldentilgung oder
andern Gemeindeverbeſſerungen, z. B. Schulhäuſern, Kirchen,
Verbeſſerung der Schulfonds, Entwäſſerungen u. dgl. verwendet zu
werden brauchen (§. 382. 362.). Unter allen aber eignen ſich die
Waldungen vorzüglich zum Ankaufe von Gemeinden.
¹⁾ Was das fahrende Gemeindevermögen anbelangt, ſo kann die Veräußerung
jedenfalls eher ohne Gefahr geſchehen, als das liegende, namentlich wenn davon
ſonſt kein vortheilhafter Gebrauch mehr gemacht werden kann. Ausnahmen von
der im Texte angegebenen Regel werden daher jedenfalls Statt finden können a) wenn
der aus dem Erlöſe zu ziehende Vortheil ſicherlich größer iſt als der Ertrag der
liegenden Gründe; b) wenn der Grundbeſitz der Gemeinden und der Almendtheil
der einzelnen Bürger noch hinlänglich groß iſt, um obige Garantien zu gewähren;
[527/0549]
¹⁾ c) wenn die Vortheile, welche nach dem Verkaufe für den Wohlſtand der Bürger
entſtehen, ſehr beträchtlich ſind; d) wenn die zu verkaufenden Stücke vereinzelt
liegen oder der natürlichen Beſchaffenheit nach nicht zu der bisherigen Nutzung ver-
wendet werden ſollten, z. B. einzelne Waldparcellen, aber keineswegs Waldungen,
ausgenommen, wenn außer der Bedingung b noch erwieſen iſt, daß Rodungen in
der Hinſicht auf c ſehr nützlich ſind; e) wenn ſolche Stücke unbenutzt liegen, z. B.
ausgebrauchte Gebäude u. dgl. Man wählt zur Veräußerung am beſten den Weg
der Auction, wenn nicht beſondere Umſtände den Verkauf aus der Hand wünſchens-
werth machen. Die Größe der Parthien bei der Veräußerung iſt nach §. 379.
Note 3. zu beſtimmen. Als Käufer wird aber Niemand zugelaſſen, der nicht die
gehörige Caution ſtellen kann. Der Erlös muß aber wieder zum Grundſtocksver-
mögen der Gemeinde geſchlagen werden, ſei dies durch Schuldentilgung oder Capital-
anlage oder Güterankauf.
²⁾ Es wird nach dieſer Anſicht die Umtheilung fortwährend eine Befugniß und
ſelbſt unter Umſtänden eine Pflicht der Gemeinde ſein, weil man früher bei größerer
Menge von Gliedern weniger oder nichts mehr übrig gelaſſen hätte.
³⁾ Z. B. Wälder zum Ausroden, aber nicht ohne die Rückſicht in der Note 1. c.
⁴⁾ Dieſe Anſicht beruht, wenn man das Leztere auch zugeben muß, doch auf
einem Irrthume, denn die jedesmalige Generation vertritt die folgende, aber ſie
hat die Pflicht, das Vermögen ſo wie alle Gemeindeſachen auch im beſten Intereſſe
der Zukunft zu verwalten. Wäre dies nicht, dann dürfte ſie überhaupt im Gemeinde-
haushalte gar nichts Wichtiges, was die Zukunft betrifft unternehmen, z. B. keine
Schulden contrahiren, keine Gerechtſame ablöſen u. dgl. mehr. Aus Conſequenzen
ſolcher Art, die auf bloßen Ideen beruhen, müßte für die Gemeinde viel Schaden
hervorgehen. Eben ſo theoretiſch und nichts ſagend iſt v. Rotteck's Anſicht, daß
ſich die Gemeinde aus dieſem Grunde, wenn auch blos des Prinzips wegen, irgend
etwas (z. B. 1 fl. oder kr.) bezahlen laſſen ſollte, anſtatt zu Eigenthum unent-
geltlich umzutheilen. S. Verhandl. der Bad. II. Kammer v. J. 1831. Heft 10.
S. 258 folg. Heft 11. S. 55 folg., worin viel Material über dieſe ganze Frage zu
finden iſt.
⁵⁾ Ein Hauptbeiſpiel gewährt der jetzige Zuſtand mancher Gemeinden in Eng-
land, wo die Theilung zur Unterſtützung der Armen vorzüglich Urſache an der uner-
träglichen Laſt der Armentaxen iſt, indem die Nutzungen verloren gingen und die
Armen ihre Ländereien nicht zu halten vermochten, ſo daß dieſe in andere Hände
übergingen und nun die Gemeinde ſelbſt keine anderen Unterſtützungsfonds als die
Armentaxe hat. (Nebenius in den angef. Verhandlungen. Heft 10. S. 260.)
⁶⁾ Es ſind daher alle dieſe Rückſichten in jedem beſondern Falle zu erwägen,
ehe man eine Vertheilung beſchließt. Ueber die Größe der Theile entſcheidet die
Zahl der Bürger und die Ausdehnung der Gutsfläche; denn die Vertheilung geſchieht
nach Köpfen.
⁷⁾ Man hat auch ſchon die Vertheilung derſelben unter die Bürger vorge-
ſchlagen. S. §. 391.
§. 389.
Gemeindeeinkommen, Erhebung, Cataſter, Kaſſenweſen.
Während man in der Staatsfinanzwirthſchaft zwei Arten der
Erhebung der Staatseinkünfte hat, nämlich diejenige durch Staats-
beamte und jene durch Pächter, ſo gibt es in der Gemeindewirth-
ſchaft nur eine Methode der Erhebung, nämlich jene durch den
Gemeindeverrechner. Er erhebt das Einkommen jeder Art ſelbſt
oder durch ſeine Untergebenen, ausgenommen das Einkommen
beſonderer Stiftungsfonds, welche ihre beſonderen Verwalter
(Pfleger, Schaffner) haben. Die Erhebung geſchieht auf den Grund
[528/0550]
von Cataſtern, zu welchen das Staatsſteuerweſen die Form an-
geben muß. Man wird in den meiſten Fällen keine beſonderen
Cataſter für jede Art der Steuer aufzuſtellen brauchen, ausgenom-
men nach den Klaſſen der verſchiedenen Umlagen in Bezug auf die
dadurch zu deckende Ausgaben (§. 385.). Bei den Genußſteuern,
wobei keine Vorausbeſtimmung einer Steuerquote möglich iſt, bedarf
es auch des Cataſters nicht. Der Verrechner iſt aber für die Er-
hebung verantwortlich. Unter ihm ſteht auch die Gemeindskaſſe.
Es gibt in der Regel nur eine Gemeindskaſſe, doch die beſondern
Stiftungskaſſen ausgenommen. In Städten aber, welche ein
ſtaatsmäßig complicirtes Schuldenweſen haben, iſt die Trennung
der eigentlichen Gemeindekaſſe von der Schuldentilgungskaſſe, wie
ſie im Staate beſteht, ebenfalls und aus denſelben Gründen anzu-
rathen. Solchen Falls erhält Leztere auch aus dem Gemeinderathe
eine beſondere Verwaltung.
Dritte Abtheilung.
Von der Verwendung des Gemeinde-
einkommens.
§. 390.
Ausgaben.
Die Zwecke der Verwendung des Gemeindeeinkommens ſind
entweder ordentliche oder außerordentliche, und es gibt dem-
nach auch eben ſo vielerlei Ausgaben. Der außerordentliche Auf-
wand kann von verſchiedener Art ſein und begreift jedenfalls alle
nicht laufenden Ausgaben, d. h. alle jene in ſich, welche zu ſolchen
Bedürfniſſen verwendet werden, die nicht jede Rechnungsperiode
wiederkehren; er iſt Folge von zu errichtenden beſonderen Gemeinde-
anſtalten, beſonderen Staats-, Gemeinde- und Naturereigniſſen,
und eben ſolchen Forderungen des Staats ſelbſt1). Der ordent-
liche Aufwand faßt alle laufenden Ausgaben in ſich. Allein die
außerordentlichen müſſen in irgend eine Rubrike der ordentlichen
Ausgaben fallen. Sie ſind in den Hauptrubriken folgende:
A. Für die Bewirthſchaftung des Gemeindevermö-
gens: 1) der Gemeinde- und Almendgüter; 2) der Gemeindewal-
dungen; 3) der verſchiedenen Gerechtſamen; 4) der Gemeinde-
activcapitalien.
B. Zur Entrichtung etwaiger Grund-, Staats-, Be-
zirks-, Lehenslaſten und dgl.: 1) Bodenzinſe, 2) Beede,
[529/0551]
3) Zehenten, 4) Lehnszinſe, 5) Beiträge zu Bezirksbauten, z. B.
Dammbaugelder, 6) ſolche zur Bezirksſchuldentilgung, 7) Staats-
ſteuer u. ſ. w.
C. Für Umlage und Erhebung der Gemeindeſteuern,
für die Kataſterarbeiten und Materialien, Erhebungsgebühren u. dgl.
D. Für Tilgung und Verzinſung der Gemeindeſchuld,
wenn regelmäßige Tilgplane angenommen ſind.
E. Für die Gemeindepolizeiverwaltung: 1) Gewerbs-
polizei, z. B. für Haltung des Gemeindezuchtviehes, Wege, Straßen,
Brücken, Dämme inner- und außerhalb des Ortes; 2) Sicherheits-
anſtalten, z. B. Aufſichtsperſonale fürs Innere des Orts und für
die Gemarkung, Gaſſenbeleuchtung; 3) Geſundheitsanſtalten, z. B.
Hebammen, Hoſpitäler, Leichenhäuſer; 4) Marktaufſicht, z. B.
Maaß und Gewicht; 5) Armenweſen; 6) Feuerlöſchanſtalten;
7) Verſchönerungspolizei, z. B. für Anlagen, gerade Richtung der
Straßen u. dgl. m.
F. Für Kirchen- und Schulweſen, z. B. Kirchenmuſik,
Glöckner; Lehrer, Prüfungen, Preisaustheilungen u. dgl. mehr.
G. Für den Amts- und Staatsverband, z. B. Amts-
koſten bei der Rechnungsabhörung, Amtsbotenlohn, Conſcriptions-
koſten u. dgl.
H. Für die allgemeine Gemeindeverwaltung, z. B.
verſchiedene Gehalte und Taxen der Gemeindebeamten und Diener,
Verwaltungsmaterial, öffentliche Blätter und Verhandlungen.
¹⁾ Z. B. Errichtung neuer Bauten, Ausgaben bei Bürgermeiſterwahlen, Kriegs-
contributionen, Ueberſchwemmungen u. dgl.
§. 391.
Einnahmen. Verwendung. Ueberſchüſſe.
Auch die Einnahmen ſind ordentliche oder außerordent-
liche. Die Erſteren beſtehen aus den im I. Abſchnitte behandelten
Rubriken, mit Ausnahme der Umlagen der Gemeinden, welche,
wenigſtens in Landgemeinden und kleinen Städten, in der Regel
zu den außerordentlichen gerechnet werden müſſen. Außerordentliche
Einnahmen können bewirkt werden aus einem angelegten Gemeinde-
ſchatze, durch Umlage von Steuern oder Erhöhung der ſchon be-
ſtehenden, durch Vorausnahme (Anticipation) von ordentlichem
Gemeindeeinkommen, durch theilweiſe einſtweilige Einſtellung
(Suſpenſion) der Zahlung des ordentlichen Gemeindeaufwandes,
durch Veräußerung von Gemeindevermögen und endlich durch Be-
Baumſtark Encyclopädie. 34
[530/0552]
nutzung des Gemeindekredits. Die Wahl unter dieſen außerordent-
lichen Quellen richtet ſich nach beſonderen Umſtänden1).
Was nun aber die Verwendung des Gemeindeeinkommens
anbelangt, ſo muß dabei nach dem oben (§. 383.) angegebenen
Grundſatze der Beitragspflicht einer jeden Klaſſe von Gemeinde-
gliedern verfahren werden. Es iſt daher nothwendig, ſo weit als
möglich die verſchiedenen Rubriken der Ausgaben, ordentliche und
außerordentliche, nach den Klaſſen der Gemeindeglieder zu ſcheiden,
welche Vortheile davon ziehen.
1) An den ſtaatsbürgerlichen und einwohnerlichen Gemeinde-
ausgaben haben nicht blos ſämmtliche Gemeindebürger, ſondern
auch alle nicht gemeindebürgerlichen Einwohner ihren Antheil zu
bezahlen. Es gehören hierher z. B. Staatsſteuern der Gemeinde-
Kriegscontributionen, die Ausgaben für diejenigen Beſtandtheile
der Rubrik E. des §. 390., deren Vortheile nicht einer beſondern
Klaſſe allein zukommen, wobei aber jeder Ausmärker, welcher Ge-
bäude in der Gemeinde beſitzt, als Einwohner anzunehmen iſt,
weil ihm dann die meiſten Anſtalten lezterer Art zu Gute kommen
wie z. B. die Feuerlöſchanſtalten.
2) An den gemeindebürgerlichen Gemeindeausgaben hat blos
die Gemeinde und die Bürgerſchaft zu tragen. Allein es ſollen erſt
Umlagen veranſtaltet werden, wenn das eigentliche Vermögensein-
kommen der Gemeinde nicht mehr zureicht. Es gehören hierher die
Rubriken A. B. G. und H.; die Rubrik C. fällt jeder betreffenden
Steuereinnahme ſelbſt zur Laſt, zu welcher Klaſſe ſie auch gehören
mag; die Beiträge zu D. richten ſich, da dieſe Ausgaben außer-
ordentliche Urſachen haben, was die Steuernden betrifft, nach dem
Grunde der Schuldencontrahirung, welche aus allen genannten
Zwecken nöthig geworden ſein kann, — und es kann alſo Fälle
geben, daß auch ſtaatsbürgerliche Einwohner und Ausmärker dazu
beiſteuern müſſen; die Rubrik F. iſt bei ungemiſchten Gemeinden
hierher zu rechnen, bei gemiſchten aber zerfällt ſie in Beiträge
jeder Confeſſion, während das Schulgeld eine Privatausgabe jedes
Einzelnen, der Kinder in die Schule ſchickt, iſt.
3) Die Ausmärker nehmen, wenn ſie Grundeigenthum beſitzen,
an allen allgemeinen Gemarkungsausgaben Antheil; als Hausbeſitzer
fallen ſie billig in die Klaſſe der ſtaatsbürgerlichen Einwohner.
4) Die geſellſchaftlichen oder Socialausgaben werden blos von
den Theilnehmern getragen, z. B. die Ausgaben für die Gemeinde-
ſtiere, Eber u. dgl., ſelbſt auch oft Ausgaben zu Confeſſionszwecken2).
Bleiben nach der Verwendung der Einnahmen noch Ueber-
ſchüſſe, dann werden dieſe am beſten für die nächſte Rechnungs-
[531/0553]
periode verwandt oder auch als diſponible Geldcapitalien (§. 388.)
behandelt. Man ſollte ſie niemals vertheilen, weil zerſplittert ihre
Wirkung in der Gemeinde ſchnell verloren geht, während man ſie
zuſammengehalten ſehr vortheilhaft verwenden kann und weil jeder
Gemeindeangehörige auf dieſe Art indirekt ſeinen entſprechenden
Antheil erhält, was nach dem Grundſatze des Rechts nicht durch
Vertheilung geſchehen würde3).
¹⁾ Sie geſchieht nach denſelben Rückſichten, wie in der Staatswirthſchaft. Man
hat aber in der Gemeindewirthſchaft die Zwecke, Klaſſe der Gemeindeangehörigen,
zu unterſcheiden, wofür die außerordentliche Ausgabe zu machen iſt. Bei rein ge-
meindebürgerlichen Ausgaben haben die Gemeinden die eigenthümliche außerordent-
liche Quelle der Beſteuerung der Almendantheile und -Genuſſe.
²⁾ Man hat für dieſe lezten Zwecke, für Kirchen- und Schulweſen, — auch
für die Armen öfters beſondere Stiftungen, welche die Umlagen häufig ganz oder
theilweiſe entbehrlich machen.
³⁾ Das Natürlichſte iſt, daß man die Gemeindeeinnahmen aus Umlagen nie-
mals höher macht, als das Bedürfniß erheiſcht. Dies entſpricht dem Weſen einer
ſolchen Hauswirthſchaft. Aus dieſen Steuerbeiträgen ſoll ſich alſo kein Ueberſchuß
bilden. Entſteht er aber dennoch, ſo gehört er der nächſten Rechnungsperiode an
und kommt als Erleichterung derjenigen Klaſſe zu, durch deren Beiträge er gebildet
iſt. Entſteht er aber aus den Einnahmen aus dem Gemeindevermögen, ſo ſuche
man ihn ſo gemeinnützig als möglich für die Gemeinde und Bürgerſchaft durch eine
von jenen vielen wohlthätigen und nothwendigen Anſtalten zu machen, für deren
Verbeſſerung und Errichtung immer Gelegenheit ſein wird. Sollte hierin augen-
blicklich nichts Noth thun, ſo lege man das Capital nutzbar an. Würde aber doch
einmal eine Vertheilung beſchloſſen, ſo wird v. Rotteck's Anſicht (Verhandl. der
IIten Bad. Kammer von 1831 Heft 16. S. 121.), daß auch die Ausmärker Antheil
bekommen müßten, bei der angegebenen Unterſcheidung der Herkunft ſolcher Ueber-
ſchüſſe, in ihrer Allgemeinheit keinen Beifall finden können. Ob die Vertheilung
nach Köpfen, Größe der Familie oder nach dem Vermögen und Einkommen geſchehen
ſoll, iſt leicht entſchieden; denn durch welche Umlagsweiſe die Steuer erhoben wurde,
ſo muß der Ueberſchuß auch wieder vertheilt werden. Ueberſchüſſe aus Verbrauchs-
ſteuern können billig nach der Größe der Familie der Einwohner, ſolche aus Ge-
meindevermögen nur nach Köpfen unter die Bürger, vertheilt werden. Uebrigens
wird eine ſolche Scheidung der Einkünfte jetzt faſt noch niemals thunlich ſein.
Vierte Abtheilung.
Von den Voranſchlägen der Gemeindeausgaben
und -Einnahmen.
§. 392.
Zur Erreichung einer möglichſten Uebereinſtimmung der Ge-
meindeausgaben und -Einnahmen und zur Verhütung einer Ueber-
ſchreitung der Beſteuerungsbefugniß von Seiten des Bürgermeiſters
ſind Vorausbeſtimmungen der Ausgaben und Einnahmen für die nächſte
Rechnungsperiode nothwendig. Man nennt ſie Voranſchläge
(Etats). Dieſelben werden in einen allgemeinen (Generaletat,
Budget) und in beſondere (Spezialetats) Voranſchläge ein-
34 *
[532/0554]
getheilt. Dieſe geben, ein jeder für ſich, eine Vorausbeſtimmung
der Ausgaben und Einnahmen für die einzelnen Theile der Ver-
waltung und ſind in der Gemeindewirthſchaft um ſo nöthiger,
wenn eine Scheidung der Ausgaben und Einnahmen nach §. 391.
vorgenommen wird. Der Generaletat aber enthält die Reſultate
dieſer Spezialetats zum Behufe der Geſammtvergleichung des Auf-
wandes und Einkommens. In der Regel ſtellt man in den Etats
die Einnahmen vor die Ausgaben. Beide können entweder genau
oder nur annäherungsweiſe durch Schätzung gefunden werden; zur
erſteren Beſtimmung führen feſte Rechnungen, zur andern aber der
Befund der vorhergehenden Jahre oder Ueberſchläge. Der Ver-
gleichung halber iſt es gut, zum neuen Anſchlage immer den Anſatz
aus der vorigen Rechnungsperiode beizuſetzen. In die Etats kön-
nen nur die ordentlichen Einnahmen und Ausgaben genommen
werden. Die außerordentlichen und die Socialausgaben und Ein-
nahmen bleiben davon ausgeſchloſſen. In den Spezialetats werden,
wie ſich von ſelbſt verſteht, die Deckungsmittel ganz beſonders be-
rechnet. Es werden jedoch die beſondern Inſtructionen und For-
mularien zu allen dieſen Etats von dem Miniſterium oder von den
Regierungscollegien angegeben1).
¹⁾ S. z. B. die Großherzogl. Bad. Inſtruction dazu im Regierungsblatte vom
J. 1832. Nro. 58.
Fünfte Abtheilung.
Von der Verrechnung der Gemeinde-
einkünfte.
§. 393.
Auf den Grund des Generaletats hin werden die Einkünfte
verrechnet. Der Verrechner darf aber keine Rechnung bezahlen
ohne vorherige Decretur oder Anweiſung des Bürgermeiſters oder
Gemeinderaths oder der Staatsbehörde, je nachdem es das Ge-
meindegeſetz beſtimmt. Am Ende einer jeden Rechnungsperiode hat
der Gemeindeverrechner Rechnung abzulegen und die geſtellte Ge-
meinderechnung dem Gemeinderathe zur Prüfung vorzulegen, welcher
ſie, je nachdem es das Geſetz beſtimmt, entweder der Staatsbehörde
noch vorzulegen hat oder nicht. Es iſt klar, daß dabei alle Rech-
nungsbelege beigegeben und die Prüfungsbemerkungen (Reviſions-
notaten) beantwortet werden müſſen. Auch für alles dieſes hat
jeder Staat ſeine beſtimmte Normen und Formen.
[533/0555]
Dritter Theil.
Oeffentliche Wirthſchaftslehre.
Erſter Abſchnitt.
Volkswirthſchaftslehre.
Einleitung.
§. 394.
Vorbegriffe.
Die Volkswirthſchaftslehre (Nationalöconomie) iſt die
Lehre von der Volkswirthſchaft, d. h. von der Thätigkeit der Völker
zur Beiſchaffung, Erhaltung und Verwendung des Volksvermögens
(§. 31. 39.). Da nun eine Nation aus Einzelnen beſteht, dieſe
ſich auch wieder in beſonderen geſellſchaftlichen Verbindungen befin-
den können, und ſowohl die Einzelnen als die Geſellſchaften in der
Volkswirthſchaft mit thätig und aufopfernd ſind, ſo macht auch
ein Jeder nach ſeinem Mitwirken und nach ſeiner Aufopferung
gerechten Anſpruch auf einen verhältnißmäßigen Antheil am Pro-
ducte oder Reſultate der Volkswirthſchaft. Weil aber die Erhal-
tung und die Verwendung im Beſitze der Einzelnen geſchieht, ſo
muß auch unter dieſe eine Vertheilung Statt finden. Daher iſt
die Nationalöconomie die Lehre von der Beiſchaffung (Production,
Hervorbringung), Vertheilung (Distribution), Erhaltung und
Verwendung (Conſumtion) des Volksvermögens durch das Volk
ſelbſt. Die theoretiſche Frage, welche aber nicht auf Begriffen
und Abſtraction, ſondern auf Geſchichte und Erfahrung fußt, be-
trifft darin die Grundzüge des Völkerverkehrs und der National-
betriebſamkeit und die Grundſätze, wonach ſich Beide entfalten.
Die praktiſche Frage, welche auf jenen Verkehrs- und Betriebs-
geſetzen beruhet, iſt, ob und welcherlei Maaßregeln und Anſtalten
erforderlich ſind, um den Völkerverkehr und die Volksbetriebſamkeit
nicht zu hemmen, ſondern weiter zu fördern, damit das Volk zum
möglichſt hohen Grade von Wohlſtand gelange, und welches die
Klugheitsregeln für alle diejenigen Privat- und geſellſchaftlichen
Einrichtungen ſind, von deren Beſtande und Stiftung der allge-
meine Wohlſtand Impulſe empfängt. Man nennt den Theil der
Nationalöconomie, welcher die Erſteren abhandelt, den theoreti-
ſchen (Theorie des Volksvermögens, Volkswirthſchaftslehre im
[534/0556]
engern Sinne), und denjenigen, welcher die Andern erörtert, den
praktiſchen Theil (Lehre von der Volkswirthſchaftspflege oder
Wohlſtandsſorge, Gewerbspolizeiwiſſenſchaft). Man kann aber den
erſteren Theil wegen ſeines Inhaltes volkswirthſchaftliche
Gewerbs-, und den zweiten dagegen volkswirthſchaftliche
Betriebslehre nennen1). Denn jener betrachtet das Erwerbs-
und Gewerbsweſen der Völker aus dem Geſichtspunkte (nicht der
Vereinzelung, ſondern) des nationalen Zuſammenhanges und der
gegenſeitigen Einwirkung der bürgerlichen Erwerbs- und Gewerbs-
thätigkeit, als ein lebendigen Gemenges von Co- und Reaction der
Menſchen, und ſucht die Urſachen, Wirkungen und Folgen davon
zu erforſchen und zu erklären. Dieſem aber erſcheint jener Zuſam-
menhang als etwas Nothwendiges, deſſen Beſtande nicht blos nicht
entgegengewirkt, ſondern vielmehr jeder Vorſchub gelaſſen werden
muß, wenn die Völker ihrem Wohlſtande entgegengehen ſollen;
derſelbe hat daher zur Aufgabe, die Grundſätze und Maximen zu
lehren, wie jener ſelbſtſtändige Zuſammenhang des nationalen
Erwerbs- und Gewerbsweſens erhalten und befördert werden ſoll,
welche Maaßregeln und Anſtalten hierfür die beſten ſind, und wie
dieſelben am zweckmäßigſten eingerichtet und geleitet werden müſſen,
ſeien ſie von Privaten, Geſellſchaften, Gemeinden oder Staaten
angeordnet2).
¹⁾ S. §. 41. und den durchgeführten Unterſchied zwiſchen Gewerbs- und Be-
triebslehre in den einzelnen Gewerbswiſſenſchaften. Die einzelnen Gewerbsclaſſen
erſcheinen hier als einzelne Zweige der ganzen Volksgewerb- und Volksbetriebſamkeit.
Die volkswirthſchaftliche Gewerbslehre betrachtet die einzelnen wirthſchaftlichen Er-
werbsarten, wie ſie ſich in den Gewerben darſtellen, als verſchiedene Aeußerungen
der Volksgewerbſamkeit. Die volkswirthſchaftliche Betriebslehre aber als
Beſtandtheile der Volksbetriebſamkeit. So wie der Einzelne ein recht ge-
werbſamer Mann ſein kann und doch dabei nicht in Wohlſtand kommt, weil er
den Betrieb ſeines Gewerbes nicht zu leiten verſteht oder vernachläſſigt (nicht be-
triebſam iſt); ſo kann ein Volk noch ſo gewerbſam ſein, (noch ſo viele gewerb-
liche Ausbildung, noch ſo viele Gewerbe in ſich vereinigen) und dennoch dabei nicht
zum Wohlſtande kommen, weil ihm die gehörige Leitung und Zuſammenhaltung
ſeiner Gewerbsthätigkeit und -Mittel von Seiten einer Centralkraft (der wahre
Betrieb) fehlt. Dies zeigt die Geſchichte an vielen fehlerhaften Staatseinrichtungen
in Betreff des Gewerbsweſens bei ſehr gewerbsfleißigen Nationen.
²⁾ Der Verf. iſt den Neuerungen in Wortauslegungen abhold, weil ſie in der
Regel Verwirrung und leere Schulſtreitigkeiten zu Folgen haben, die nicht zur
Sache gehören und der Förderung des Materiellen der Wiſſenſchaft Zeit und Kräfte
entziehen. Er legt daher dieſer Unterſcheidung und Neuerung an ſich keinen Werth
bei, und hofft, ſie werde den Forſcher im Gebiete der Nationalöconomie, der ein
anderes Syſtem gewöhnt iſt, nicht ſtören. Indeſſen ſcheint ſie ihm als eine Erör-
terung über den Gehalt dieſer Wiſſenſchaft in einer Encyclopädie nicht unwichtig zu
ſein, weil ſich daran der Grundtypus der ſämmtlichen Wirthſchaftslehren darſtellt,
und weil ſie die Einſeitigkeit der neueren Betrachtungsweiſe des Weſens und Zweckes
der ſogenannten Volkswirthſchaftspflege aufzudecken im Stande iſt, von welcher der
Gehalt der Wiſſenſchaft nicht unangeſteckt geblieben iſt. Denn man hat den prak-
tiſchen Theil der Nationalöconomie neuerlich in Deutſchland nur als eine Staats-
[535/0557]
²⁾ wiſſenſchaft, d. h. als eine Wiſſenſchaft für den Staat oder Staatsbeamten betrachtet,
gleich als ob er nicht eine weitere Bedeutung habe. Man vergaß, daß es ſehr
wichtige Einrichtungen im Verkehrsleben gibt, welchen der Staat ganz fremd bleiben
ſoll und für deren Stiftung die Nationalöconomie die Grundſätze und Maximen lehrt,
und daß der Staat dieſe blos zu befolgen nöthig hat, wenn er nothgedrungen z. B.
im Steuerweſen, oder zur Unterſtützung der Volksgewerbſamkeit, wo die Kräfte der
Nation nicht mehr zureichen, in das Gewerbsweſen und in den Verkehr eingreift,
während ſie dem Einzelnen und den Geſellſchaften im Gewerbsweſen ſtets unent-
behrlich ſind. Der Ausdruck volkswirthſchaftliche Betriebslehre vermeidet
dieſe Abwege und bezeichnet die nahe Verknüpfung, in welcher die Volkswirth-
ſchaftslehre zum praktiſchen Leben ſteht.
§. 395.
Geſchichtliches.
Die Wiſſenſchaft von der Volkswirthſchaft iſt, obſchon man
ſie als die erſte Bedingung für die Erforſchung des Völker- und
Staatslebens betrachten muß, in ihrer jetzigen Geſtalt erſt ein
Erzeugniß der neueren und neueſten Zeit. Wenigſtens iſt ſo viel
gewiß, daß die neuern abendländiſchen Staaten und Völker darin
keinen wiſſenſchaftlichen Unterricht von den alten ſüdländiſchen
empfangen haben, ſondern die Grundſätze aus eigenen Erfahrungen
und Studien ſammelten. Hieraus und aus dem Wenigen, was
uns in den literariſchen Reſten aus der alten Zeit darüber zu-
gänglich wurde, zu ſchließen, daß die Alten davon ſo viel als
nichts gewußt oder gar geahnet hätten, muß als ein Fehlſchluß
erſcheinen1). Das älteſte orientaliſche Völkerleben iſt für uns noch
in ein ſehr tiefes Dunkel gehüllt, allein was wir von demſelben
wiſſen, das ermächtigt uns mehr zu der Annahme, daß ſie den
Volkswohlſtand auf eine tiefe nationale Weiſe zu befördern wußten.
Es iſt hierher jedenfalls das phöniziſche Volk, Babylonien,
Aegypten und Karthago zu rechnen2). Die Griechen, ein
Handelsvolk, hatten verſchiedene Einrichtungen zur Förderung des
Handels und der damit zuſammenhängenden Gewerbe, wovon man
auf das Vollkommenſte berechtigt iſt zu dem Schluſſe, daß ſie es
recht gut verſtanden, die Volksgewerb- und Betriebſamkeit ſo weit
zu unterſtützen, als es nach ihren nationalen Anſichten geſchehen
mußte3). Die auffallende Verſchiedenheit des Charakters der
Griechen und Römer geſtattet jedoch auch in dieſer Hinſicht wenig
Aehnliches und Gleiches. Als ein kriegeriſches und räuberiſches
Volk konnten dieſe nicht auf die friedliche Verwaltung ihrer Colonien
und eroberten Länder in dem Grade kommen, wie Phönizier und
Griechen; ihre ganze Eigenthümlichkeit war dem Gewerbsweſen
nicht ſo geneigt, wie jene Völker. Dennoch aber beſchäftigte ſich
bekanntlich ihre Geſetzgebung ſehr angelegen mit der Leitung des
Ackerbaues und des Handels, der zwei Gewerbe, welche ihrer
[536/0558]
Nationalität am meiſten zuſagten4). Die abendländiſchen
Völker, nach der großen Völkerwanderung, haben vor den Alten
neben dem Hervortreten und neben der eigenthümlichen Geſtaltung
des Gewerbsweſens auch das voraus, daß ſie, nachdem das ganze
Mittelalter vorübergegangen und viele gemeinſame Erfahrungen in
der Geſchichte angehäuft waren, wie auch aus vielen anderen
Dingen, ebenfalls aus der Staatsverwaltung eine Wiſſenſchaft
machten. Allein es dauerte bis dahin mehrere Jahrhunderte, von
denen man aber keineswegs ſagen kann, daß ſie keine volks- und
ſtaatswirthſchaftlichen Sätze gekannt hätten5). Denn wenn auch
bei den Schriftſtellern, wie Bodin, Klock, Becher, v. Lotz
u. A. (§. 29. Note 2 u. 3), welche ſo ſehr viel Unbrauchbares
und grundſätzlich Unrichtiges haben, das Praktiſche ihrer Zeit nicht
leicht von den gelehrten Theorien zu ſcheiden iſt, ſo ſchreitet man doch
bei v. Seckendorf und v. Schröder (§. 27. N. 2 u. 3) immer
parallel mit der Staatspraxis, während ſich in der Finanzverwal-
tung von Sully und von Colbert (§. 29. N. 4 u. 5) die prak-
tiſchen Erfahrungen erſt eigentlich zu einem Syſteme zu kryſtalliſiren
beginnen6).
¹⁾ Der Umſtand, daß wir noch faſt gar nichts von denſelben in dieſer Hinſicht
kennen, und daß, wenn ſelbſt mehr darüber auf uns gekommen wäre, zur Beur-
theilung volks- und ſtaatswirthſchaftlicher Zuſtände und Anordnungen eine genaueſte
Kenntniß des täglichen Lebens erfordert wird, als wir vom Alterthume haben, iſt
hinreichend, Obiges zu beſtätigen. Haben ſich ja doch Männer, wie der große
Niebuhr, nicht ſelten getäuſcht, weil ſie der kühnen Hypotheſe zu ſehr ihr Ohr
liehen, wo ſie auf Thatſachen fußen ſollten.
²⁾ Schon dasjenige, was Heeren in ſeinen Ideen (§. 319. Note 1) und
Reynier in ſeinen angeführten Werken (§. 132. Note 1) darüber mittheilen und
ſagen, ſollte, ſo ſpärlich es auch iſt, Obiges beſtätigen. Allein man muß bei dieſen,
ſo wie bei den beiden noch folgenden Völkern, nur nichts Anderes (etwas Allgemeines)
als ächt Nationelles (etwas Eigenthümliches) ſuchen und bedenken, daß blos dann
und dort Allgemeines oder Wiſſenſchaftliches in ſolchen Dingen entſtehen kann, wann
und wo man ſchon verſchiedene beſondere nationale Erſcheinungen ſuchen, vergleichen
und verbinden kann. Dies konnte aber bei dieſen Völkern zum Theile ſchon wegen
ihres damaligen Alters und hauptſächlich deßhalb nicht geſchehen, weil ſie alles nicht
Nationelle von ſich hinwegſtießen, ſo in Religion, wie in Politik.
³⁾ Die neueren Unterſuchungen haben Vieles gezeigt, was man früher über
das Staatswirthſchaftsweſen der Griechen nicht geahnt hat (§. 319. N. 2). Gerade
an Griechenland läßt ſich zeigen, was in der Note 2 geſagt iſt. Die griechiſchen
Schriftſteller ließen ſich nicht auf praktiſche Verwaltungsfragen ein. Erſt Xenophon
und Ariſtoteles begannen über Politik zu philoſophiren, und Grundſätze der
Oeconomie aus allgemeinerem Geſichtspunkte zu bauen; und es läßt ſich nicht läugnen,
daß das Zeitalter des Lezteren viele Aehnlichkeit mit unſerer Zeit hat. Der Grieche
bedurfte übrigens des beſondern Unterrichtes in ſolchen Dingen nicht, weil er das
Praktiſche durch ſeine Theilnahme am öffentlichen Leben lernen mußte; es mochte
auch ſchon nach der Natur der Sache den griechiſchen Gelehrten klar ſein, daß die
Staatsverwaltung kein Gegenſtand der Speculation iſt; die griechiſchen Städteſtaaten
waren zudem klein, weßhalb von Erfahrungen und Maaßregeln, wie in großen
Ländern, dort nicht die Rede ſein konnte. Darum hatten die Griechen keine ſtaats-
und volkswirthſchaftliche Schulweisheit, wie wir, bis auf Ariſtoteles, deſſen
[537/0559]
³⁾ Begriffsbeſtimmungen über Oeconomie man neuerlich in ein Syſtem zuſammengefaßt
hat. S. Rau Anſichten der Volkswirthſchaft. (Erlangen 1821.) S. 3 folg.
⁴⁾ Mit den Stellenſammlungen und Variantenvergleichungen aus römiſchen
Autoren, in Bezug auf Oeconomie —, wie wir ſie von Hermann (Diss. exhibens
sententias Romanorum ad oeconomsam universam s. nationalem pertinentes. Er-
langae 1823) und Calkoen (in den: Bydragen tot Regtsgeleerdheit en Wetgeving.
VI. 3 St. 1832. S. 413, mitgetheilt) haben — iſt äußerſt wenig gedient, aber
auch nichts weiter bewieſen, als mit ziemlicher Unſicherheit, daß die Römer keine
ſtaatswirthſchaftlichen Syſteme und Schulen hatten. Es wäre unendlich beſſer, wenn
man anſtatt nach ſolchen Stellen vielmehr nach Facten und Geſetzen im Felde der
Staatswirthſchaft bei den Römern, nach dem Geiſte und nach dem wahren Ver-
hältniſſe derſelben zu ihrer Zeit forſchte. So lange dies nicht geſchehen iſt, ſind
Aburtheilungen über die Römer in dieſer Beziehung eitel. Doch vielleicht hat
Schulz (Grundlegung zu einer geſchichtlichen Staatswiſſenſchaft der Römer. Köln
1833, — eine Schrift, welche neben manchem Bizarren doch viel Wahres enthält,
wie unter anderm der Aufſatz II. über das römiſche Geldweſen S. 132 folg., und
III. über die Staatsmittel S. 458. zeigt) hierzu neuen Anſtoß gegeben.
⁵⁾ Ein Blick in die Capitularien der fränkiſchen Könige, auf das Städte- und
Zunftweſen des Mittelalters u. dgl. möchte ſchon im Stande ſein, dies zu zeigen,
obſchon man nicht läugnen kann, daß z. B. das Leztere für unſere Zeitverhältniſſe
in ſeiner früheren Ausdehnung nicht paßt, während doch auch bei uns die größten
Gewerbseffecte durch geſellſchaftliche Vereinigungen hervorgebracht werden. Bücher-
gelehrſamkeit fehlte, aber darum nicht die Kenntniß, — ebenſo wie in den Künſten,
wo aber Niemand behaupten wird, man habe in älterer Zeit Nichts, oder weniger
geleiſtet als jetzt.
⁶⁾ Dieſe vielen Erfahrungen, das ausgebreitete Gewerbsweſen, und die wiſſen-
ſchaftlichen Syſteme, welche ſchon eben ſo viel geſchadet als genützt haben, ſind es,
was die neue Zeit vor der alten voraus hat. Dafür waren aber auch in dieſen
Dingen die Kenntniſſe der Alten ein größeres Gemeingut, als jetzt.
§. 396.
Fortſetzung.
Die Geſchichte ſchildert uns die Völker des Alterthums theils
als prachtliebend, theils als nach Gewinnſt durch Handel und
Colonien ſtrebend, theils als kriegeriſch. Es iſt daher nichts natür-
licher als die vorherrſchende Neigung der Perſer und Babylonier,
der Phönizier und Karthager, der Griechen und der Römer nach
Gold und Silber und nach Vermehrung des Geldes. Dies war
der Strebepunkt der Einzelnen ſo wie der Regirungen1). Dieſes
Streben war ſchon im Alterthume der Antrieb und die Veranlaſſung
zu vielen kriegeriſchen und Handelsunternehmungen und fand in
verſchiedenen Perioden durch analoge Ereigniſſe damals bereits
mehrmals Befriedigung. Es gehört hierher die Entdeckung Spa-
niens durch die Phönizier, der perſiſche Krieg Alexanders d. Gr.,
und die Eroberungen der römiſchen Republik im Oriente2). Nach
der Zerſtörung des römiſchen Reichs nahm auch in dieſer Beziehung
Europa ein anderes Ausſehen an. Die von den Römern bereits
ausgeſaugten Abendländer wurden von den Barbaren überſchwemmt,
und es mußten daher in Bezug auf Bevölkerung und Flächenaus-
[538/0560]
dehnung, um ſo mehr, wenn man die Zerſtörungswuth hinzurechnet,
die Menge von Gold und Silber und Geld ſehr verſchwinden2).
Was der ſo umgeſtalteten Bevölkerung Noth that, das waren feſte
Sitze; dies war der Strebepunkt ihrer Wanderung und das natür-
liche Ergebniß des niederen Grades ihrer Cultur. Daher fußte die
geſellſchaftliche Ordnung auf Ackerbau und Viehzucht, daher kam
das Naturalſteuerſyſtem, und dies Alles fand ſeinen Stützpunkt im
Chriſtenthume. Bei dieſem Syſteme konnten unſere Völker, wie
der natürliche Entwickelungsgang der Menſchheit zeigt, nicht ſtehen
bleiben, es veränderte ſich im Gegentheile die Cultur, die Bevöl-
kerung, das Gewerbsweſen und die Verfaſſung und mit dieſer die
Staatsverwaltung und Staatswirthſchaft4). Es mußten Mißver-
hältniſſe dadurch entſtehen; dieſe, für Viele in den Völkern drückend,
erregten einen Durſt nach allgemeinem Beſſerwerden und die ſelt-
ſamſte Miſchung der wilden Elemente des Abentheuers, der Kriegs-
luſt und wirthſchaftlichen und politiſchen Unzufriedenheit mit den
friedlichen und göttlichen der Religioſität trieb ſchon im erſten
Jahrtauſende der chriſtlichen Zeitrechnung unter den Bannern der
Kreutzzüge die abendländiſchen Völker nach dem fernen Orient.
Während von dort die Kunde von der gefundenen Befriedigung der
Einbildungskraft, des kriegeriſchen Muthes, der Mordluſt, Habſucht
und des religiöſen Durſtes ertönte, benutzte das Pabſt-, Kaiſer-
und Königthum von Europa dieſe Gelegenheit einer Art von Colo-
niſation immer mehr mit allen zu Gebote ſtehenden Mitteln. Herr-
ſchaft, Hof und Haus ward von Einzelnen zu Geld gemacht, um
zu wandern; die Päbſte ergriffen ſchlau alle unter dem Deckmantel
des Chriſtenthums anzuwendenden Mittel und Wege, um Geld zu
bekommen; die Naturalwirthſchaft der Staaten mußte der Geld-
wirthſchaft den Platz einräumen; die durch dieſe Auswanderungen,
unglücklichen Zurückkünfte und erwähnten Mißverhältniſſe erzeugte
Unſicherheit des Eigenthums und der Perſon machte den unbe-
kannten Beſitz von Gold, Silber und Geld ſehr wünſchenswerth;
die allgemeine immer ſteigende Münzverwirrung und das Hervor-
treten einer großen Erweiterung des Handels und Gewerbsweſens
veränderte den volkswirthſchaftlichen Zuſtand, beſonders kamen die
Städte und ſtädtiſchen Gewerbe in ſtaunenswerthe Blüthe und
wirkten wieder auf die Staatswirthſchaft zurück. Daher befanden
ſich die abendländiſchen Völker, wie ehemals die alten des Orients,
in einem Zuſtande des volks- und ſtaatswirthſchaftlichen Geld-
ſyſtems. Seine Macht auf die Gemüther, beſonders der Handels-
leute und Regenten, verſchaffte dem großen Columbus und Basco
de Gama die Geldmittel zu ihren Seefahrten. America und der
[539/0561]
Weg um das Vorgebirg der guten Hoffnung nach Oſtindien wurde
entdeckt. Die erſehnten Goldgruben waren ſo auch der abendlän-
diſchen Welt geöffnet und Aſien mit Europa und dies mit America
verbunden.
¹⁾ Beweiſe dafür gibt das Schatzſammeln der Einzelnen, der Fürſten, Könige
und Regirungen, wovon die Geſchichte erzählt. Bei den Griechen war ſie ſo vor-
herrſchend, daß ſich Aristoteles Politic. Lib. I. 9. darüber luſtig macht, indem er
die Verkehrtheit davon zeigt. Bei den Römern war ſchon in der Republik (Cicero
pro Flacco cap. 28.) und ſpäter unter den Kaiſern (Plinius hist. natur. lib. XII.
cap. 18.) die Gold- und Silberausfuhr verboten. Von den andern genannten Völ-
kern zeigt es der Handelsgang und das Colonialſyſtem.
²⁾ Die Entdeckung Spaniens iſt eine Parallelſtelle in der Geſchichte mit jener
von America; durch Alexanders Eroberungen ward der Strom der edeln Metalle
aus dem Oriente nach dem Occidente eröffnet, und die Römer brachten unermeßliche
Gold- und Silberſchätze aus dem Oriente. Als Völkerzüge bilden ſie eine Parallele
zu den Kreutzzügen.
³⁾ Wie viel ging bei dem Einſtürzen der Barbaren nicht durch Zerſtörung und
Vergraben verloren.
⁴⁾ Man ſ. die hiſtoriſche Einleitung oben von §. 7. an.
§. 397.
Syſteme.
Auf die beſchriebene Art bereitete ſich ein Syſtem der Staats-
und Volkswirthſchaft vor, welches in der Entdeckung des Weges
um das Vorgebirge der guten Hoffnung eher einen Todesſtoß, als
ein neues Lebenselement hätte erlangen ſollen, wenn die Gemüther
und Geiſter nicht zu ſehr ſchon aus den andern Urſachen in ſeinen
einzelnen Grundſätzen befangen geweſen wären1). Dieſes Syſtem
iſt 1) das Handels- oder Mercantilſyſtem. Es betrachtet
das Geld, Gold und Silber als den wahren Reichthum2) und
bezieht hierauf alle Maximen und Anſtalten für die Förderung des
wirthſchaftlichen Wohlſtandes der Staaten und Völker, weßhalb es
auch den Dingen blos einen Werth beilegt, inſoferne und im Verhält-
niſſe, als ſie Geld eintragen. Die nächſte politiſche Folgerung hier-
aus, daß alſo alle bürgerlichen Gewerbe, welche Gold und Silber
hervor- und ins Land bringen3), das Land bereicherten, bewirkte eine
künſtliche Leitung und mißleitende Verkünſtelung der gewerblichen
Verhältniſſe der Völker ſowie auch eine ganze Politik, wodurch Gewalt
und Privilegium an die Stelle des Rechts und der Gleichheit,
Geld an die Stelle der eigentlichen Mittel zur Befriedigung der
Bedürfniſſe, außerordentliche Ungleichheit der Vertheilung des
Vermögens unter die Staatsangehörigen an die Stelle verhältniß-
mäßiger Ausgleichung, Handelsgeiſt und Mißtrauen an die Stelle
wahrer Sittlichkeit, Ehre und Zutrauens traten. In Frankreich
[540/0562]
namentlich war dieſer Zuſtand durch Schwäche, Leidenſchaftlichkeit
und Unmündigkeit der Könige ſowie durch die Herrſchaft der
Geiſtlichkeit, der Adels- und der Geldariſtokratie auf die höchſte
Spitze getrieben, ſo daß eine Anzahl philoſophiſcher Köpfe und
zugleich edler Männer auf den Gedanken geriethen, den gerade
entgegengeſetzten Staatszuſtand nach einem ſelbſt geſchaffenen Ideale
auf dem Wege der Reform hervorzurufen. So entſtand 2) das
phyſiocratiſche oder Landbauſyſtem4). Daſſelbe wollte die
natürliche Ordnung (Ordre naturel, Physiocratie) wieder her-
ſtellen, und ſtellte daher als Grundſatz auf, daß der Natur der
Sache nach nicht das Geld, ſondern vielmehr die wirklichen Be-
dürfnißmittel den Reichthum ausmachen, das Geld aber, an ſich
ungenießbar, blos ein Verkehrsmittel ſei. Je mehr man an jenen
Bedürfnißmitteln ſelbſt beſitze oder über je mehr davon man ver-
fügen könne, ſagt dieſes Syſtem, um ſo reicher ſei man zu nennen.
Da es nun aber der Stoff ſei, den man gebrauche und verzehre,
ſo verſchaffe uns blos die Natur und durch ſie dasjenige Gewerbe
den Reichthum, welches der Natur Güter abgewinne, und folglich
ſei blos der Erdbau (Landbau) productiv unter den Gewerben.
Neben manchen andern Folgerungen aus dieſen Prinzipien5) ging
aus dem Fundamentalprinzipe hervor, daß der Staat der bürger-
lichen Induſtrie keine künſtliche Richtung geben, ſondern ihren
natürlichen ungeſtörten Entwickelungsgang laſſen ſolle (Laissez
faire et laissez passer), wie ihn die Natur und der Verkehr
erſchaffe6). Obſchon dies ganze Syſtem viel zu idealiſch war, als
daß es in der Staatspraxis hätte verwirklicht werden dürfen, ſo
war doch ſeine Schärfe, Selbſtſtändigkeit und theilweiſe Natür-
lichkeit die Urſache vieler Aufſchlüſſe über die wahren Natur- und
Verkehrsverhältniſſe der Menſchheit und es bildete die Grundlagen
eines neuen der Wahrheit näher kommenden Syſtemes. Dies iſt
3) das Induſtrie- oder allgemeine Gewerbsſyſtem. Das-
ſelbe tritt jenen Beiden entgegen7) und ſtellt als Grundſatz auf,
die Natur ſei zwar die lezte Quelle aller Güter, aber die Arbeit
verſorge den Menſchen mit den Lebensgütern und mit einem ſolchen
Vorrathe von Vermögen, den er wieder zur Erweiterung ſeines
Erwerbes verwende (Capital)8). Weder die Einträglichkeit an
Geld, noch die bloße Sachlichkeit der Güter ſei das Weſentliche
für das Menſchenleben, ſondern überhaupt der Grad ihrer Noth-
wendigkeit zu den verſchieden wichtigen Zwecken der Menſchen oder
ihr Werth. Unter anderen Folgerungen9) geht als die charak-
teriſtiſchſte hervor, daß alle Gewerbe productiv ſind, welche neue
Werthe hervorbringen, und von Seiten des Staates ſämmtliche
[541/0563]
geſetzliche wirthſchaftliche Thätigkeiten, gleiche Ungeſtörtheit in
ihrer Entwickelung anzuſprechen haben. Dieſes Syſtem iſt das
jetzt in der Wiſſenſchaft herrſchende und geht jetzt allmälig immer
mehr in die Staatspraxis über, da es Mühe koſtet, die Wirkungen
des Mercantilſyſtemes allmälig auszugleichen. Allein auch in der
Wiſſenſchaft iſt es erſt in der Entwickelung begriffen.
¹⁾ Nichts war geeigneter, die Theorie des Geldes nach dem neuen Syſteme,
d. h. ſein Fundament umzuwerfen, als der neue Handel mit Oſtindien, denn gerade
dieſer mußte zeigen, wie eigentlich das Geld blos ein Tauſchmittel iſt und ſich nicht
innerhalb der Landesgrenzen bannen läßt, weil nämlich das Edelmetall dorthin
einen Hauptzug nahm. Die Verhältniſſe der engliſch-oſtindiſchen Geſellſchaft zeigten
dies gegen das Ende des 17ten Jahrhunderts und mehrere engliſche Schriftſteller
haben in dieſem Sinne ſchon damals gegen das neue Syſtem geſchrieben. Die vor-
züglichſten ſind: Child, A new Discourse on Trade. London 1668. 2te Ausg. 1690.
Dudley North, Discourses on Trade etc. London 1691. S. Mac-Culloch,
Grundſätze der polit. Oeconomie. Ueberſ. von v. Weber (Stuttg. 1831). S. 30–32.
say, Cours d'Economie politique. VI. 379. Ueberſ. von v. Th. VI. 285. Es iſt
daher nicht ganz richtig, wenn unſere Schriftſteller von Fach gerade jene Entdeckung
als eine Haupturſache der Aufnahme des Mercantilſyſtemes erwähnen.
²⁾ Dieſes Syſtem fand beſonders unter Colbert, Finanzminiſter unter Ludwig
XIV. von Frankreich (a. 1661–1683) ſeine Ausbildung in der Praxis. S. de
Monthion, Particularités et observations sur les Ministres des finances de là France
les plus célèbres (Paris 1812). p. 20. Die Schriftſteller, die daſſelbe beſonders
cultivirten, ſind hauptſächlich die §. 395. erwähnten Bodin, Klock, Becher,
v. Loen, v. Schröder und v. Horneck, außerdem aber noch v. Juſti Staats-
wirthſchaft. Leipzig 1755. 2te Ausg. II. Bd. Büſch, vom Geldumlaufe. Hamburg
1780. II. Bd. 8. 2te Ausg. 1800. de Bielfeld, Institutions politiques. A la Haye
1760. II. Bd. 4. Deutſche Ueberſ.: Lehrbegriff der Staatskunſt. 3te Ausg. 1777.
III Bde. Ferrier, Du Gouvernement considéré dans ses rapports avec le Com-
merce. Paris 1805 und auch 1821. (S. dagegen du Bois-Aymé, Examen de
quelques questions d'Econom. polit. et notamment de l'ouvrage de M. Ferrier-
Paris 1823.) de Cazaux, Bases fondamentales de l'Econom. polit. Paris 1826.
Mun, Treasure by foreign Trade. London 1664. S. auch oben Note 1. steuart,
Inquiry into the principles of political Economy. London 1767. II Tom. 4.
Deſſelben Works. London 1825. VI Tom. 8. Deutſche Ueberſ.: Unterſuchung der
Grundſätze der Staatswirthſchaft. Hamburg 1769 u. 1770. II. Bd. 4. Tübingen
1769–72. VI Bde. 8. und 1786. IV Bde. 8. Davenant, Political and Com-
mercial Works. London 1771. V. Tom. 8. serra, Turbulo, Davanzati, scaruffi,
Montanari, Broggia, Belloni. (S. oben §. 319. Note 7. §. 326. Note 1.)
Genovesi, Lezioni di Commercio osia d'Economia civile. Bassano 1769. II. 8.
Deutſch: Grundſätze der bürgerlichen Oeconomie, überſetzt von Witzmann. Leipzig
1776. II. 8. Die in den angeführten §§. erwähnten scrittori classici ſind von
Cuſtodi edirt zu Mailand (Milano) 1803–1804. Die Parte antica hat VII,
die P. moderna XXXII Bde. 8. Der 50te Bd. (1816) enthält das Sachregiſter.
S. aber auch Pecchio, storia della Economia publica in Italia. Lugano 1829.
Franzöſ. Ueberſ. von Gallois. Paris 1830. Die Literatur dieſes Syſtems iſt am
vollſtändigſten angegeben bei Steinlein Handbuch der Volkswirthſchaftslehre. I.
S. 14–33 (München 1831. Ir Bd.). Man ſ. aber Hiſtoriſches und Kritiſches
darüber bei A. smith Inquiry. II. 231. bis III. Ueberſ. von Garve. II. 233 bis
541. Kraus Staatswirthſch. IV. 4. 12–51. storch, Cours d'Econom. polit.
Ueberſ. von Rau. I. 57. III. 260. Galiani, Della Moneta. II. 173. cl. mit
I. 220 (scrittori III. e. IV.). Rau, Lehrbuch der polit. Oeconom. I. §. 33–37.
Mac-Culloch Principles. p. 23. Ueberſ. von Weber. S. 22. say Cours. III.
280. VI. 366. Ueberſ. von v. Th. III. 217. VI. 282. Schmitthenner, über
den Charakter und die Aufgaben unſerer Zeit (Gießen 1832. I. Heft). I. 169.
Buchholz neue Monatſchrift (J. 1833. Bd. 42.), beſonders Dec. S. 372.
[542/0564]
³⁾ Daher kamen die Verbote der Einfuhr fremder Fabrikwaaren und der Aus-
fuhr inländiſcher Rohproducte und Edelmetalle; daher die Freiheit und die Begün-
ſtigung der Ausfuhr von Fabricaten und der Einfuhr von Rohſtoffen, beſonders
Edelmetallen; daher das Hervorrufen möglichſt vieler neuen Gewerbe, beſonders
Gewerke durch allerlei Unterſtützungsmittel, z. B. Privilegien, Vorſchüſſe, Prämien
u. ſ. w.; ferner das Geitzen und Kämpfen um Colonien, deren Alleinhandel, und
Handelsverträge, die Vegünſtigung und Monopoliſirung von Handelsgeſellſchaften.
⁴⁾ Schon Sully, Miniſter unter Heinrich IV. von Frankreich, hatte dem
Landbaue vorzüglich ſeine Sorgfalt und Begünſtigung geſchenkt, und damit Frank-
reich aus dem Zuſtande volkswirthſchaftlicher Zerrüttung gezogen. Allein Franc.
Quesnay (geb. 1694, † 1774), Leibarzt Ludwigs XV. von Frankreich, war der
Stifter dieſes Syſtems. Seine Schriften darüber ſind: Tableau economique.
Versailles 1758. und Maximes générales du Gouvernement economique. Ibid.
1758. Ihm folgten: V. de Riquetti, Marq. de Mirabeau (Père) L'ami der
hommes ou traité de la Population. Avignon 1756. III. Deutſch Hamburg 1759
II Bde. Deſſelben Théorie de l'impôt. Paris 1760. Deſſelben Philosophie rurale.
Amsterdam 1763. Deutſcher Auszug: Landwirthſchaftsphiloſophie, aus dem Franz.
von Wichmann. 1797–98. II Bde. de Gournay, Essay sur l'ésprit de la le-
gislation favorable à l'agriculture. Paris 1766. II Bde. Mercier de la Rivière,
L'ordre naturel. Paris 1767. Baudeau, De l'origine et des progrès d'une science
nouvelle. Paris 1768. Deutſche Ueberſ. Carlsruhe 1770. Turgot, Récherches sur
la nature et l'origine des Richesses. Paris 1774. Deutſche Ueberſ. von Mauvillon.
Lemgo 1775. Deſſelben Rélléxions sur la formation et distribution des Richesses.
Paris 1784 (ausgezeichnet; auch in ſeinen Oeuvres complet. Paris 1808–1811.
VIII Tom. 5ter Bd.). Le Trosne, De l'Ordre social. Paris 1777. Deutſche
Ueberſ. von Wichmann: Lehrbegriff der Staatsordnung. Leipzig 1780. Du Pont;
Physiocratie on Constitution naturelle du Gouv. etc. Yverdon 1768–69. VI. T.
(im I. Bde. obige Schriften von Quesnay). Garnier, Abrégé des principes
d'Econom. polit. Paris 1796. Le Pr. de G (allizin), De l'Esprit des Economistes.
Brunswik 1796. Deutſch: Duisburg 1798. Charles Fried. Markgr. de Bade, Abrégé
des principes d'Econom. polit. Carlsrouh. 1786. Paris 1772. Deutſch von Saß:
Grundſätze der Staatshaushaltung v. ꝛc. Deſſau 1782. Abgedruckt bei Will Verſuch
über die Phyſiocratie. Nürnb. 1782 und in Schlettwein Archiv für den Bürger
und Menſchen (Leipzig 1780–84. VIII. Bd. Neues Archiv 1785–88.). Bd. IV.
S. 234. schlettwein, Les moyens d'arrêter la misère publique. Carlsrouh 1772
(auch Deutſch). Deſſelben wichtigſte Angelegenheit für d. Publicum. Karlsruhe
1772–73. Neue Ausg. 1776. II Bde. Deſſelben Grundfeſten der Staaten.
Gießen 1779. Iſelin, Verſ. über die geſellſch. Ordnung. Baſel 1772. Deſſel-
ben Träume eines Menſchenfreundes. Baſel 1776. Neue Ausgabe 1784. II Bde.
Deſſelben Ephemeriden der Menſchh. v. J. 1776 an. Springer, Oeconom.
und cameral. Tabellen. Frankfurt 1772. Derſelbe Ueber d. phyſiocrat. Syſtem.
Nürnberg 1781. Mauvillon, Aufſätze über Gegenſtände der Staatskunſt. Leipzig
1776. II Bde. Deſſelben phyſiocrat. Briefe an H. Dohm. Braunſchweig 1780.
Schmalz (ſ. oben §. 35. Note 1), Handbuch der Staatswirthſch. Berlin 1808.
Deſſelben Staatswirthſchaftslehre in Briefen an einen deutſchen Erbprinz. Berlin
1818. Auch L. Krug Abriß der Staats-Oeconomie. Berlin 1807. Bandini, Dis-
corso economico (a. 1723 ſchon verfaßt, a. 1775 gedruckt) = Economisti classici
Ital. Part. mod. I. Beccaria, Elementi di Economia publica (geſchrieben a. 1769
bis 1771) = Economisti. P. mod. XI. e XII. Filangieri, Della Legislazione.
Napoli 1780–85. VII Tomi. wovon das IIe Buch in den Economisti class. Ital.
P. mod. XXXII. Das Ganze deutſch, Ansbach 1788–91. Gegen dieſes Syſtem:
de Forbonnais, Principes et Observations économiques. Amsterd. 1767. Deutſch
von Neugebauer. Wien 1767. de Mably, Doutes proposées aux philosophes
économ. Paris 1768. Dohm, Vorſtellung des phyſiocrat. Syſtems. Kaſſel 1778.
v. Pfeiffer Antiphyſiocrat. Frankfurt 1780. Will (ſ. oben). Ueber daſſelbe
hiſtoriſch und kritiſch: A. smith Inquiry. III. 267. Ueberſ. von Garve. II. 576.
Kraus Staatsw. II. 310. IV. 294. 337. Ganilh, Des systemes d'Econom. polit.
I. 82. storch Cours. Ueberſ. von Rau. I. 61. III. 263. simonde de sismondi.
Nouveaux principes d'Econom. polit. I. 39. say Cours. VI. 381. Ueberſ. von
[543/0565]
⁴⁾ v. Th. VI. 285. Mac-Culloch Principles. p. 43. 419. Ueberſ. von Weber. S. 37.
330. 340. Lotz, Handbuch der Staatswirthſch. I 109. Schmitthenner, Ueber
den Charact. unſerer Zeit. I. 121. Fix, Revue mensuelle d'Econ. polit. I. p. 10
(Paris 1833. July). Rau Lehrbuch. I. §. 38–43. S. vollſtändige Literatur bei
Steinlein Handbuch. I. 34.
⁵⁾ Nach dieſem Syſteme gibt der Landbau allein einen reinen Ertrag (produit
net) oder Ueberſchuß über die jährlichen Auslagen (Avances annuelles) und
urſprünglichen Auslagen (A. primitives), welcher aber noch die Grundauslagen (A.
foncières) z. B. für Urbarmachung u. dgl. enthält. Deßhalb ſind blos die Land-
wirthe die productive Bürgerklaſſe (Classe productive), die anderen Gewerbsleute
aber nicht (Cl. stérile) und in der Mitte zwiſchen beiden ſtehen die Grundeigen-
thümer (Cl. des propriétaires): die productive Klaſſe erſchafft die Subſiſtenzmittel
für die andere und das Material für die Arbeit derſelben, ſie hat die andere gleich-
ſam in Dienſt, Koſt und Löhnung. Darum ſind dem Emporkommen des Landbaues
alle Hinderniſſe zu benehmen, aber ebenſo den Gewerken und dem Handel, weil da-
durch die unproductiven Ausgaben verringert und die Genüſſe wohlfeiler werden.
Um aber die Gewerb- und Betriebſamkeit nicht zu ſtören, ſo darf auch blos der
Reinertrag beſteuert werden, und folglich darf es nur eine einzige Abgabe (Impôt
unique), die Landbauſteuer (Grundſteuer) geben.
⁶⁾ Dieſer Satz gilt durch dies ganze Syſtem hindurch. Daher möchten die-
jenigen vielleicht blos in der Unbeſtimmtheit des Ausdrucks Unrecht haben, welche
die Begünſtigung und Beförderung eines Gewerbes demſelben als Maxime zuſchrei-
ben, wie z. B. Rau Lehrbuch. I. §. 41. 1 u. 2.
⁷⁾ Die nähere Ueberlegung der Sätze dieſes Syſtemes wird eine Widerlegung
der irrigen Theorien der beiden vorherigen ergeben. Es heißt nach ſeinem Verfaſſer,
Adam Smith (§. 31.), auch das Smithiſche. Es gehören ſchon vor Ad.
Smith der Zeit nach in einzelnen Sätzen dieſem Syſteme an: Locke, Considera-
tions on the Lowering of Interest etc. London 1691. und Deſſelben Further
Considerations on Raising the Value of Money. London 1695. Eines Ungenannten
Considerations on the East India Trade. London 1701. Vanderlint, Money
answers all Things. London 1734. Decker, On the Causes of the Decline of
foreign Trade. London 1744. Hume, Moral and political Essays. Edinburgh 1742.
Deſſelben Political Discourses. 1752. Zuſammen in ſeinen Essays and Treatises
on several subjects. London 1753. IV Tom. 8. Hume's politiſche Verſuche,
überſ. (von Kraus). Königsberg 1800 und auch 1813. Harris, Essay on Money
and Coin. London 1757. Ferner aus der italieniſchen Schule: Pagnini, Galiani,
Carh (§. 326. Note 1), Beccaria (ſ. oben Note 4), Ortes, Dell Economia nazio-
nale. Venezia 1774. und Deſſelben Riflessioni sulla Popolazione. Ibid. 1794. =
Economisti class. Ital. XXI. e XXIV. Verri, Meditazioni sulla Econom. polit.
Milano 1771. = Economisti XV. Franzöſ. Ueberſ. Lausanne 1771. Paris 1808.
Deutſch von Schmid. Mannheim 1785. Nachfolger A. Smiths und Bearbeiter
ſeiner Lehre ſind I. im Deutſchen: Sartorius, Handbuch der Staatswirthſch.
Berlin 1796. Neue Ausg. Göttingen 1806 (Titel: Von d. Elementen des National-
reichthums). Deſſelben Abhandlungen, die Elemente des Nationalreichthums be-
treffend. Göttingen 1806. Lüder, Ueber Nationalinduſtrie. Berlin 1800–1804.
III Bde. (Auszug daraus: die Nationalinduſtrie. Braunſchweig 1808. Struenſee,
Abhandlungen über Gegenſtände der St. Wirthſch. Berlin 1800. III Bde. Kraus,
Staatswirthſch. Herausgegeben von v. Auerswald. Königsb. 1808–11. V Bde. 8.
(ſehr gut). Deſſelben Aufſätze über ſtaatswirthſch. Gegenſtände. Königsb. 1808.
II Bde. v. Jacob Nationalöconomie. Halle 1805. 3te Ausg. 1825. v. Schlößer,
Anfangsgründe der Staatswirthſch. Riga 1805–1807. II Bde. 8. v. Soden
Nationalöconomie. Leipzig 1805–23. IX Bde. 8., beſonders I.-VI. Hufeland,
Grundlegung der Staatswirthſchaftskunſt. Gießen 1807–1813. II Bde. (nicht
vollendet). Murhard, Ideen über wichtige Gegenſtände der Nationalöconomie.
Göttingen 1808. Lotz, Reviſion der Grundbegriffe der Nationalwirthſchaftslehre.
Coburg 1811–14. IV Bde. 8. Deſſelben Handbuch der St. Wirthſch. Lehre.
Erlangen 1821–22. III Bde. 8. (zu empfehlen). Harl, Handbuch der Staats-
wirthſchaft. Erlangen 1811. Weber, Lehrbuch der polit. Oeconom. Breslau 1813.
[544/0566]
⁷⁾ II Bde. 8. v. Leipziger, Geiſt der Nat. Oeconomie. Berlin 1813. II Bde.
v. Buquoy (ſ. §. 35. Note 1). Eiſelen, Grundzüge der Staatswirthſchaft.
Berlin 1818. (v. Ehrenthal) Staatswirthſchaft nach Naturgeſetzen. Leipzig 1819.
Arndt, die neuere Güterlehre. Weimar 1821. Rau, Anſichten der Volkswirth-
ſchaft. Leipzig 1821. Oberndorfer, Syſtem der Nat. Oeconomie. Landshut 1822.
v. Seutter Staatswirthſchaft. Ulm 1823. III Bde. Pölitz, Volksw., Staatsw.,
Finanzwiſſ. und Polizeiwiſſ. Leipzig 1823. (Auch II. Bd. der Staatswiſſenſchaft im
Lichte unſerer Zeit. Leipzig 1827.) Kaufmann, Unterſuchungen im Gebiete der
polit. Oeconomie. Bonn 1829 u. 30. I. Abthlg. II. Abthlg. Is Heft. Krauſe,
Verſuch eines Syſtems der National- und Staats-Oeconomie. Leipzig 1830. II Bde.
Steinlein, Handbuch der Volkswirthſchaftslehre. München 1831 (bis jetzt I Bd.,
wegen der vollſtändigen Angabe der Literatur zu empfehlen). Hermann, ſtaats-
wirthſchaftliche Unterſuchungen. München 1832 (ſehr gut). Zachariä, Staats-
wirthſchaftslehre. Heidelberg 1832. II. (In der Methode ſeiner 40 Bücher vom
Staate geſchrieben, deren V. Bd. ſie iſt.) Rau, Lehrbuch der polit. Oeconomie.
III Bde. Heidelberg. 2te Ausg. des I. Bds. 1833. 2r Bd. 1828. u. 3r Bd. I. Abth.
1833. II. Im Franzöſiſchen: Canard, Principes d'Econom. polit. Paris 1801.
Deutſch, Ulm 1806, und v. Völk, Augsburg 1824. J. B. say, Traité d'Econom.
polit. Paris 1802. II Tom. 5me Edit. 1826. Deutſch von v. Jacob. Halle 1807.
II Bde.; von Morſtadt nach der 5n Ausg. Heidelberg 1830–31. III Bde. 8.
3te Ausg. (enthält einen Auszug des Wichtigſten aus folg. Werke, als Zuſätze).
J. B. say, Cours complet d'Econom. polit. pratique. Paris 1828–1829. VI Tom. 8.
(Ganz vorzüglich). Beſte Ueberſetzung ins Deutſche von v. Th(eobald) unter dem
Titel: Vollſtänd. Handb. ꝛc. Stuttg. 1828–30. simonde de sismondi, De la
Richesse Commerciale. Genève 1803. II Tom. Deſſelben Nonveaux Principes
d'Econom. polit. Paris 1818. II Tom. Neue Ausg. von 1827. Ganilh, Des sy-
stemes d'Econom. polit. Paris 1809. II Tom. 2e Edit. 1821. Deutſch, Berlin
1811. II Bde Deſſelben Théorie de l'Econom. polit. Paris1815. II Tom.
2e Edit. 1822. Deſſelben Dictionnaire de l'Econom. polit. Paris 1826.
storch, Cours d'Econom. polit. st. Petersb. 1815. VI. Tom. 8. Paris 1823.
IV. Tom. (Mit Noten von J. B. Say), Ueberſ. und mit Zuſätzen verſehen von
Rau. Hamburg 1819. III Bde. 8. (ausgezeichnet). L. say (Bruder des Obigen)
Considérations sur l'Industrie etc. Paris 1822 Deſſelben Traité élémentaire de
la richesse individuelle et publique. Paris 1827. Destutt de Tracy, Traité d'Econ.
polit. Paris 1823. de Carrion-Nisas, Principes d'Econom. polit. Paris 1824
(auch in der Biblioth. du 19me sièele). suzanne, Principes de l'Econom polit.
Paris 1826. Deutſch, Mainz 1827. Blanqui, Précis élémentaire de l'Econom.
polit. Paris 1826. Deutſch, von Heldmann. Leipzig 1828. Droz, Econom.
politique. Paris 1829 Beſte deutſche Ueberſ. von Keller. Berlin 1830. Guyard,
de la Richesse on Essays de Ploutonomie. Paris 1829. II Tom. Fix, Revue
mensuelle d'Econom. polit. Paris, ſeit 1833. I. Tom. III. Im Engliſchen:
Malthus, An Essay on the Principle of Population. London 1806. II. Tom. 5te
Ausg. 1831. Deutſch von Hegewiſch, Altona 1807. II Bde. Deſſelben
Principles of polit. Economy. London 1820. Franzöſ. von Constancio. Paris 1821.
II Vol. Deſſelben Definitions in Polit. Economy. London 1827. Ricardo,
Principles of polit. Economy. London 1819. 2d. Edit. 1821. Franzöſiſch von
Constancio, mit Noten von say. Paris 1819. II Tom. Deutſch (nicht gut überſ.)
von Schmidt. Weimar 1821 (vorzüglich). Eine gute Darſtellung des eigenthüml.
Syſtems von Ricardo gibt das folgende Werk. Mill, Elements of polit. Economy.
London 1821. 2d Edit. 1826. Franzöſ. von Parisot. Paris 1823. Deutſch von
Jacob. Halle 1824. Torrens, An Essay on the production of Wealth. London
1821. Th. smith, An Attempt to define some of the first Elements of polit.
Econom. London 1821. Mac-Culloch, Principles of polit. Economy. Edinb. 1825.
2d Edit. 1830. Deutſch von v. Weber. Stuttg. 1831. Cooper, Lectures on the
Elements of polit. Economy. Columbia 1826. Read, polit. Economy. Edinburgh
1829. Whately, Introductory Lectures on polit. Economy. London 1831.
Chalmers, On polit. Economy. Glasgow 1832. Harriet Martineau, Jllustrations
of polit. Economy. London 1832. Deutſch, Leipzig 1834. 8. (In anziehenden
Novellen geſchrieben, noch nicht ganz vollendet.) Hopkins's Notions on polit.
[545/0567]
⁷⁾ Economy, by the Author of „Conversations on Chemistry.“ London 1833 (von
Miss Marcet). scrope, Principles of polit. Economy. London 1833. — IV. Im
Italieniſchen: Vasco und Corniani (ſ. §. 326. N. 1). Palmieri, Riflessioni
sulla publica felicita, und Della Ricchezza nazionale = Economisti. XXXVII.
XXXVIII. Parte mod. Mengotti J Colbertismo. Firenze 1791. = Economisti,
P. mod. XXXVI. Deutſch, von Utzſchneider, München 1794. M. Gioja, Nuovo
Prospetto delle scienze economiche. Milano 1815–17. VIII. T. 4. Bosselini,
Nuovo Essame delle sorgenti della privata e publica Ricchezza. Modena 1817.
II. T. Fuoco, saggi economici. Pisa 1825. Agazzini, La scienza dell' Econ.
publ. Milano 1817. scuderi, Principi di civile Econ. Nap. 1829. III. Tom.
Unter den Gegnern von A. Smith, über welche Näheres bei Sartorius Handb.,
Vorrede S. XV und storch Cours, Ueberſ. von Rau. I. 77. zu ſehen iſt, erſcheint
als der wichtigſte: Lauderdale, Inquiry into the Nature and Origin of public
Wealth. Edinb. 1804. Deutſch, Berlin 1808. Ueber dieſe und andere Literatur
dieſes Syſtems ſ. m. Steinlein Handb. I. 106. u. Schmitthenner, Ueber d.
Charakter unſerer Zeit. I. 129.
⁸⁾ Dieſer Satz findet ſich auch ſchon bei den Phyſiocraten: Les hommes ne
peuvent vivre que par le fruit de leurs travaux. S. Charles Fred. Markgr. de
Bade, Abrégé de l'Econom. polit. (Carlsrouhe 1786) p. 43. Man hat ſehr Un-
recht, dem Smith. Syſteme als Grundſatz unterzuſchieben, die Arbeit ſei die einzige
Güterquelle. S. den Beweis hiervon in Meinen Verſuchen über Staatskredit.
S. 510. Anmerkg. 24.
⁹⁾ Die Arbeit beſtimmt den Werth der Güter. Arbeitstheilung und Capital
erhöht die hervorbringende Wirkung der Gewerbe. Alle Gewerbe verdienen gleiche
Freiheit von Hinderniſſen. Alle können ein reines Einkommen geben, folglich ſind
auch alle zu beſteuern, aber mit der Rückſicht, ſie dadurch ſo wenig als möglich
zu hemmen.
Erſte Abtheilung.
Volkswirthſchaftliche Gewerbslehre.
Erſtes Buch.
Allgemeine Grundſätze.
§. 397. a.
Die volkswirthſchaftliche Gewerbslehre iſt die Wiſſen-
ſchaft von dem wirthſchaftlichen Erwerbe und von der Erhaltung
und Verwendung des Vermögens und Einkommens der Völker, als
genealogiſche und politiſche Einheiten einander gegenüber und als
Geſammtheiten verſchiedener einzelner und geſellſchaftlicher, wirth-
ſchaftlich thätiger Perſonen für ſich betrachtet. Sie betrachtet die
volkswirthſchaftliche Gewerbſamkeit, deren Zwecke und Reſultate
überhaupt (Allgemeine Grundſätze), und die volkswirthſchaft-
lichen Gewerbsklaſſen nach ihrer Entwickelung, gegenſeitigen Stel-
lung und Einwirkung in der Volkswirthſchaft, und nach ihrem
Antheile an der Förderung des wirthſchaftlichen Volkswohlſtandes
(Beſondere Grundſätze). In der allgemeinen volkswirth-
Baumſtark Encyclopädie. 35
[546/0568]
ſchaftlichen Gewerbslehre hat man aber, da ſie die wirthſchaftlichen
Thätigkeiten, Zwecke und Reſultate aus dem allgemeinſten Geſichts-
punkte zu Gegenſtänden hat, nicht blos den volkswirthſchaftlichen
Erwerb, ſondern auch die Hauswirthſchaft aus dem volkswirth-
ſchaftlichen Geſichtspunkte, zu betrachten, woraus ſich denn die
folgende Anordnung ihres Stoffes von ſelbſt ergibt (§. 40.).
Erſtes Hauptſtück.
Volkswirthſchaftliche Erwerbslehre.
§. 397. b.
Dieſer Theil der vorſtehenden Wiſſenſchaft unterſucht zuerſt die
Bedingungen, Vorgänge und Grundſätze des volkswirthſchaftlichen
Erwerbs überhaupt mit Bezug auf das Volk, Volksvermögen und
Volkswohl als Ganzes, und alsdann insbeſondere in Betreff des
Antheils, welchen die Einzelnen an den Quellen des Volksver-
mögens, an der volkswirthſchaftlichen Thätigkeit, am Volksver-
mögen und Volkseinkommen nehmen und empfangen. Das Erſtere
betrifft die Hervorbringung (Production), das Andere aber
die Vertheilung (Distribution) des Volksvermögens und -Ein-
kommens.
Erſtes Stück.
Von der Hervorbringung des Volksvermögens.
Erſter Abſatz.
Das Volksvermögen.
I. Inbegriff des Volksvermögens.
§. 398.
1) Begriff und Arten der Güter.
Die Beſtandtheile des Volksvermögens können nur dargeſtellt
werden, wenn der Begriff und die Arten der Güter beſtimmt und
unterſchieden ſind. Man ſupplire daher hier den §. 37. u. 38.
§. 399.
2) Begriff von Vermögen und Volksvermögen.
Was man unter Vermögen verſteht, ſehe man im §. 39. Unter
dem Volksvermögen (Vermögen des Volks) iſt daher alles Ver-
mögen in jenem Sinne zu verſtehen, welches ein Volk, als Collectiv-
begriff von Einzelnen und geſellſchaftlichen Vereinigungen, hat.
[547/0569]
§. 400.
3) Beſtandtheile des Volksvermögens.
Alſo gehören in das Volksvermögen nicht blos ſachliche (kör-
perliche), ſondern überhaupt alle von einem Volke ausſchließlich
beſeſſenen Güter von Gebrauchs- und Tauſchwerth1). Und es
ſind demnach als Beſtandtheile des Volksvermögens aufzuzählen:
a) Das inländiſche Vermögen der Staatsbürger, Stiftungen,
Geſellſchaften, Gemeinden und des Staates.
b) Jede Forderung dieſer vier Arten von Perſonen des In-
landes an ſolche im Auslande2).
Es gehören daher in das Volksvermögen alle in dieſen beiden
Theilen enthaltenen unbeweglichen und beweglichen, ſachlichen Güter
von Gebrauchs- und Tauſchwerth als ausſchließlicher Beſitz einer
Nation und alle unkörperlichen Güter von denſelben Eigenſchaften3).
¹⁾ Es ſind Spaltungen in der deutſchen nationalöconomiſchen Schule darüber
vorhanden, ob auch die perſönlichen Güter und Dienſte (§. 372.) in das Ver-
mögen des Volks zu rechnen ſind oder nicht. Die ältere Anſicht ſcheidet ſie davon
aus, und rechnet blos ſachliche Güter in daſſelbe. (Rau polit. Oecon. I. §. 46.
46. a. A. Smith im angef. Werke. Zachariä St. Wirthſch. Lehre. S. 5. 42.
Droz, Econom. polit. p. 15. Kaufmann Unterſuchungen. II. Abthl. 1s Heft.
Lotz Handb. I. §. 8.) Die nach say Cours. I. 183. Ueberſ. von v. Th. I. 133.
storch Cours. Ueberſ. von Rau. II. und Gioja Nuovo Prospetto delle scienze
economiche (§. 397. N. 7) gebildete neuere Anſicht, welcher Steinlein Handb.
I. 220. und Hermann Unterſuchungen I. Abh. §. das Wort reden und auch
Pölitz Staatswiſſ. II. §. 18. und Hufeland Grundlegung I. 34. vorher ſchon
huldigten, will die perſönlichen Güter und Dienſte in das Vermögen gerechnet
wiſſen. Es iſt nicht zu läugnen, daß durch die Herrſchaft der ältern Anſicht eine
Einſeitigkeit und ein Materialismus in die Wiſſenſchaft und Staatspraxis kam,
welcher nicht wenig geſchadet hat. Die Gründe, welche Rau a. a. O. für die
Ausſcheidung der perſönlichen Dienſte aus dem V. Vermögen geltend macht, nämlich
daß ſie nur in einer Folge von Zeitmomenten erſcheinen, folglich nicht in einem Vor-
rathe beſeſſen werden können und daß ſie ihren Erfolg in den meiſten Fällen nicht
ohne Mitwirkung des Empfängers hervorbringen, können nicht entſcheiden. Denn
der Leiſtende beſitzt ſeine Leiſtungsfähigkeit ausſchließlich, deren Folge die Dienſte
ſind, wie die Benutzung der Naturkräfte der Erde, Luft u. ſ. w., er überläßt ſie
aber bei der Dienſtleiſtung dem Andern auf beſtimmte Zeit und in gewiſſem Grade
zur Nutzung, der ſie ſich in einer Menge von Dienern verſchiedener Art allerdings
anhäufen kann; eine Mitwirkung des Empfängers beim Dienſte findet nur Statt,
wenn er ihn für ſeine Zwecke anordnet und leitet oder wenn er ſelbſt den Dienſt
für ſich mitthut, allein im erſten Falle iſt er blos nutzender Empfänger und im andern
gleichſam ſein eigener Dienſtleiſtender. Jeder Dienſt erſcheint unter zwei Beziehungen,
inſoferne er nämlich von einer Perſon ausgeht und einer andern zu Gute kommt.
In der lezteren Beziehung erſcheinen die Dienſte dem Empfänger als äußere körper-
loſe Güter von Tauſchwerth und gehören während der Dienſtzeit zu ſeinem Ver-
mögen, das entweder werbend angelegt oder unmittelbar zum Genuſſe beſtimmt iſt;
in der erſteren aber ſind ſie als ausſchließlicher Beſitz des Leiſtenden von Gebrauchs-
und Tauſchwerth allerdings Vermögenstheile deſſelben. Allein ob und in wie weit
ſie in die Wirthſchaftslehre gehören, iſt eine andere Frage. Welche davon in die
Privatwirthſchaftslehre kommen, ſ. m. im §. 372 u. 373. Die Volkswirthſchafts-
lehre betrachtet allen wirthſchaftlichen Erwerb, die Vertheilung und die Verwendung
deſſelben unter einem höheren Geſichtspunkte (§. 397. a. u. b.). Sie kann daher
35 *
[548/0570]
¹⁾ jedenfalls die wirthſchaftlichen Dienſte nicht aus ihrem Bereiche verdrängen, denn
ſie wirken ausſchließlich zur Wirthſchaft der Einzelnen, Stiftungen, Geſellſchaften,
Gemeinden und Staaten mit. Die blos perſönlichen Dienſte darf ſie nicht umgehen,
weil diejenigen, welche ſie leiſten, Antheil an dem geſammten Volksvermögen und
-Einkommen bei der Vertheilung nehmen und alſo für die Verzehrung deſſelben von
Wichtigkeit ſind. Die allen Dienſten zu Grunde liegenden geiſtigen und körperlichen
Kräfte nehmen aber unter den Güterquellen, ebenſo wie die Naturkräfte eine der
wichtigſten Stellen ein, und die Betrachtung derſelben von dieſer Seite gehört deß-
halb ohne Zweifel in die Nationalöconomie, auch wenn man ſie nicht ins Vermögen
rechnen darf, gerade ebenſo wie Sonnenſchein, Luft, Regen, Naturkräfte u. dgl.
Es folgt aber hieraus: a) daß die Anſicht von Storch, die Dienſte gehörten in
das Vermögen, weil ſie dem Einzelnen zu einem Einkommen verhelfen, welches aus
freiwillig geſuchter und bezahlter Arbeit herrühre, einſeitig und unrichtig iſt, allein
b) daß Rau a. a. O. dieſe Storch'ſche Meinung damit, daß jenes Einkommen
doch nur in einem Theile der erzeugten ſachlichen Güter beſtehe, durchaus nicht
widerlegen kann, weil dies einmal nur von den Gewerbsdienſten (§. 373. A.)
gelten kann und bei dieſen nur dann eintritt, wenn neben dem Dienſte auch noch
andere Güterquellen, z. B. Grund und Boden, Capital, Arbeit des Unternehmers,
zur Production mitgewirkt haben, nach deren Mitwirkung die Vertheilung des Pro-
ductes Statt findet; c) daß die von Say a. a. O. durchgeführte Analogie der
materiellen und immateriellen Producte nach Dauer, Ausdehnung und Form nichts
mehr beweist, als von welchem Nutzen ſie für den wirthſchaftlichen Wohlſtand ſind.
Den deutſchen Begriff von Vermögen kennt er gar nicht, denn richesses ſind ihm
auch die nicht wirthſchaftlichen Güter, z. B. Sonnenwärme (Cours I. 132. Ueberſ.
von v. Th. I. 99.), aber er nennt ſie nur naturelles im Gegenſatze der sociales,
welche die ſachlichen Beſtandtheile unſeres Begriffs von Vermögen bilden, da ſie
ausſchließlichen Beſitz oder Eigenthum vorausſetzen. Nur dieſe Lezteren ſind nach
ihm Gegenſtände der Nationalöconomie, und er rechnet die perſönlichen Eigenſchaften
und Dienſte ſo wie die nicht geſellſchaftlichen Güter blos als Mittel zur Erhöhung
der Menge und des Genuſſes der geſellſchaftlichen Güter in die Nationalöconomie.
(Cours I. 238. Ueberſ. I. 176.). Hiernach iſt auch Rau's Anſicht über Richesse
(polit. Oeconom. I. §. 6. N. a.) zu berichtigen. S. oben §. 39. N. 2., wozu
aber noch zu bemerken iſt, daß Hermann Unterſuchungen I. Abh. §. 7. eine nicht
ganz richtige Anſicht hat, da er ſagt, die Dienſte gehörten nicht in das Vermögen,
weil hierzu äußere Güter von Dauer nöthig ſeien, dieſelben aber dieſe Eigenſchaft
nicht haben; denn die Dauer iſt etwas ſehr Relatives und kann darum, wie Say
auch ſehr richtig zeigt, kein Vermögenscriterium ſein. Dieſes Criterium liegt viel-
mehr blos in dem Tauſchwerthe. Rau (polit. Oeconom. I. §. 50. N. c) beſchul-
digt jedoch die Gelehrten, welche dieſe Anſicht haben, eines Fehlers, weil ſie auch
ſagen, die Vertauſchbarkeit ſei durch vorausgegangene Arbeit und Koſten bedingt,
während doch auch ein, blos durch Naturkräfte entſtandenes Gut, z. B. ein noch
in der Erde liegendes Foſſil Tauſchwerth haben könne. Allein nicht ohne Unrecht,
denn der ausſchließliche Beſitz iſt der lezte Grund des Tauſchwerths, aber die Größe
des verwirklichten Tauſchwerthes hängt auch von den aufgewendeten Arbeiten und
Koſten ab.
²⁾ Rau (polit. Oeconom. I. § 49.) gibt daher die Beſtandtheile des Volks-
vermögens nicht vollſtändig an, indem er die Stiftungen, Geſellſchaften und Ge-
meinden nicht erwähnt. Das Staatsvermögen kann man dem Volksvermögen gegen-
über ſtellen; indeſſen es läßt ſich kein Grund denken, warum die Staatslandgüter-
Bergwerke und Regalien, wodurch für die Nation direct und indirect (durch Ver-
ringerung der Steuern) Vermögen gewonnen wird, nicht zum Volksvermögen zu
zählen ſind, da es doch der Fall iſt, nachdem ſie veräußert oder freigegeben ſind.
Rau rechnet aber auch das Eigenthum der Staatsbürger im Auslande zum Ver-
mögen der Nation, welcher ſie angehören. Würde das andere Land dagegen keine
Einwendungen machen? — Wenigſtens ſcheint die beſitzende Perſon und ihr Aufent-
haltsort (z. B. Philadelphia) weniger zu entſcheiden, als die Natur und Lage des
Eigenthums (z. B. Grundſtücke und Häuſer im Großh. Baden). Mit Schuldfor-
derungen iſt das Verhältniß ein anderes.
[549/0571]
³⁾ Z. B. Privilegien der Einzelnen oder Geſellſchaften, Kundſchaften u. dgl.
äußere körperloſe Güter ſind keine Beſtandtheile des Volksvermögens, ſo lange ſie
blos Rechte oder Vortheile ſind, welche dem einen Inländer gegen den andern
zuſtehen. Sie können es aber werden, wenn ſie gegen das Ausland geltend gemacht
werden; denn es kann dadurch eine reelle Vergrößerung des übrigen Vermögens der
Nation bewirkt werden. Rau polit. Oeconom. I. §. 49. N. a., wo aber derſelbe
gegen ſeine frühere Anſicht (§. 46.), daß nur ſachliche Güter ins Vermögen gehör-
ten, erklärt, Zehntrechte u. dgl. gehörten dem Vermögen an.
II. Weſen des Volksvermögens.
§. 401.
1) Widerlegung der phyſiocratiſchen und merkantiliſchen
Anſicht darüber. Werth.
Der Grundſatz des phyſiocratiſchen Syſtems (§. 397. 2.) iſt,
obſchon es ihn nicht geradezu an die Spitze geſtellt und ausge-
ſprochen hat, doch zuletzt der, daß das Weſentliche des Ver-
mögens in der Materie liege1). Der letzte Grundſatz des Merkan-
tilſyſtems iſt ebenſo der, daß das Vermögen ſeinem Weſen nach in
Geld beſtehe2). Allein dies iſt offenbar unrichtig, weil man es,
wie ſchon im Begriffe von Gut liegt, nach dem Vortheile, welchen
die Güter für uns haben, ſchätzt und der Gebrauch, im gewöhn-
lichen Leben den Reichthum der Menſchen nach der Maſſe von
Geld, Grundeigenthum u. ſ. w. zu ſchätzen, darauf beruht, daß
man gleiche Gattungen von Vermögen vergleicht. Schätzte man
aber das Vermögen verſchiedener Perſonen, wenn es bei Einem
aus Staatspapieren, beim Andern aus Fabrikanlagen, bei einem
Dritten aus einem Handelsetabliſſement beſteht, ſo würde man ſich
gewaltig irren, wenn man dies nach dem Maaßſtabe der Materie
thäte. Das wahre Weſen des Vermögens beruhet alſo auf ſeiner
Nützlichkeit, d. h. überhaupt ſeiner Tauglichkeit für irgend eine
Nutzung (§. 39.). Der Grad dieſer Nützlichkeit für die Zwecke der
Menſchen wird Werth genannt3).
¹⁾ Auch Mac-Culloch Principles p. 48. (der Ausg. von 1825) Ueberſ. von
v. Weber S. 37. hat dies gefunden.
²⁾ Kraus Staatswirthſch. IV. 4.
³⁾ Rau (polit. Oeconom. I. §. 56. 2te Ausg.) möchte doch den Begriff von
Nützlichkeit zu eng definirt haben, da er ſie blos auf den Gebrauch der Güter
durch den Eigenthümer ſelbſt beziehen wiſſen will. Hermann's Anſicht aber
(Unterſuch. I. Abh. §. 4.), daß der Werth keine Vergleichung vorausſetze, iſt nicht
wohl zu vertheidigen.
§. 402.
2) Arten des Werthes.
Da die Nutzung und die Nützlichkeit der Güter unter zwei
Beziehungen erſcheint, nämlich als unmittelbare und mittelbare
[550/0572]
(§. 39.), ſo bietet auch der Werth zwei Geſichtspunkte dar, unter
denen er betrachtet werden muß.
a) Nimmt man ihn als Grad der Nützlichkeit für den unmittel-
baren Gebrauch, ſo kann man ihn Gebrauchswerth (mehr oder
weniger Verbrauchswerth) nennen1).
b) Nimmt man ihn aber als Grad der Nützlichkeit für den
mittelbaren Gebrauch, dann dürfte man ihn zur Unterſcheidung
Erwerbswerth heißen. Da man aber die Güter mittelbar nützen
kann, entweder indem man ſie zu Hervorbringung neuer Güter
oder zum Eintauſchen anderer Güter verwendet, ſo erſcheint der
Erwerbswerth wieder unter zwei Beziehungen, nämlich als Grad
der Nützlichkeit für die Production (Schaffwerth) und als
ſolcher für den Tauſch (Tauſchwerth)2). Jener Schaffwerth
und obiger Gebrauchswerth werden zuſammen gewöhnlich Ge-
brauchswerth genannt, als Gegenſatz des Lezteren3).
¹⁾ Eine nicht unintereſſante Beziehung dieſes Gebrauchswerthes liegt darin,
daß er immer höher wird, je mehr man von der Art der Güter zur Gattung ſteigt
und einen Gattungsbegriff von Gütern als Mittel zu einem beſtimmten Zwecke
ohne Rückſicht auf Menge und Unterſcheidung der Arten anſieht. Z. B. Speiſe,
Trank, Kleidung, Obdach ſind Bedürfniſſe und Güter von äußerſt hohem Gebrauchs-
werthe; Getreide, Fleiſch, Wein, Bier, Waſſer u. ſ. w. geſtatten ſchon eine Aus-
ſcheidung von Gütern von geringerem Gebrauchswerth; Brod, Schwarzbrod, Milch-
brod, Ochſenfleiſch, Rehbraten, Seidenkleider, Leinenkleider, Hütte, Pallaſt u. ſ. w.
bezeichnen ſchon Dinge von weit verſchiedener Nothwendigkeit. Man könnte die
erſte Beziehung Gattungswerth, die andere Artswerth nennen. Auch Rau
(polit. Oeconom. I. §. 57. a. 2te Ausg.) macht eine ähnliche Unterſcheidung, indem
er aber einen Gattungswerth (Fähigkeit einer Gattung von Gütern zur För-
derung menſchlicher Zwecke, z. B. von einem Centner Waitzen) und concreten
oder Quantitätswerth (Gebrauchswerth je nach der Menge, deren man zu
einem Zwecke bedarf, wobei ſich ergibt, daß der Ueberſchuß über den Bedarf vom
Beſitzer nicht mehr nach dem Gebrauchswerthe, ſondern blos nach dem Preiſe ge-
ſchätzt wird) unterſcheidet.
²⁾ S. oben §. 57. N. 2. Der Unterſchied zwiſchen Gebrauchs- und Tauſch-
werth iſt ſchon von Aristoteles (Polit. I. 9.) gemacht. Rau a. a. O. §. 56.
(2te Ausg.) verwirft abermals (wie auch ſchon in den Zuſätzen zu Storch III. 248)
den Tauſchwerth; allein er ſcheint nur dieſes Wort nicht anerkennen zu wollen,
denn was er Preisfähigkeit nennt, das iſt nichts anderes, als was man ſonſt
mit jenem Worte bezeichnet. Der Tauſchwerth des Gutes iſt der Grad ſeiner
Tauglichkeit, vertauſcht werden zu können und der Grad der Nützlichkeit im Tauſche.
Derſelbe iſt alſo ohne Gebrauchs- oder Schaffwerth nicht denkbar, aber zugleich die
unentbehrliche Baſis, auf welcher im Tauſche die Gegengabe überhaupt und größten-
theils auch die Größe der Leztern beruht. Die Gegengabe von einem beſtimmten
Werthe im Tauſche iſt der Preis, d. h. alſo die Menge von wirthſchaftlichen
Tauſchgütern, welche man im Verkehre für andere Güter, die vertauſcht werden
können, erhält. Folglich kann der Tauſchwerth nicht Preis ſein. Es ſcheint übri-
gens dieſe große Verwirrung in Bezug auf Weſen und Unterſcheidung des Werthes
kommen von nichts Anderem, als von einem freilich etwas ſtarken Mißverſtändniſſe
der Behauptungen der Schriftſteller her. Wenigſtens möchte ſich Rau's Meinung
a. a. O., daß viele Schriftſteller den Grad des aus der Vertauſchung einer Sache
erwachſenden Vortheils Tauſchwerth, auch ſchlechthin Werth nennen, ſoweit
als unrichtig erweiſen laſſen, als ſich dieſe Anſicht bei keinem der von ihm und
oben (§. 57. N. 2.) angeführten Schriftſteller findet. Eine genaue Interpretation
[551/0573]
²⁾ derſelben, welche hier leider unterlaſſen werden muß, zeigt dies ganz klar. Auch
bei Mac-Culloch Principles p. 2. 211. Ueberſ. von v. Weber S. 57. 167. finden
ſie ſich nicht.
³⁾ Man wirft A. Smith ſehr oft vor, daß er dieſen Gebrauchswerth in
ſeinem Buche nicht weiter verfolgt habe, — allein mit Unrecht. Es liegt vielmehr
darin eine feine Beziehung der Volkswirthſchaftslehre; weil der Gebrauchswerth,
ſo weſentlich er auch iſt, doch nur auf das gränzenloſe Gebiet der Subjectivität
führt, keine feſte Begränzung und Schätzung im Allgemeinen zuläßt und nur in
ſoweit in die Volkswirthſchaftslehre gehören kann, als er den urſprünglichen Grund
der Anwendung von Arbeit, den Antrieb zum Erwerbe und folglich neben dem
Eigenthume die andere Grundlage des Tauſchwerthes ausmacht, der den Begriff
des wirthſchaftlichen Gutes abſteckt. S. Whately, Introductory Lectures. p. 53.
= Quarterly Review. Tom. 46. (1832) p. 46–49. senior, Three Lectures on
the Rate of Wages. p. 16. 35. Die Unmöglichkeit der Durchführung einer Unter-
ſcheidung der verſchiedenen Grade des Gebrauchswerthes räumt auch Lotz Reviſion
I. §. 7. ein. Wozu aber das Verfolgen des Gebrauchswerthes führt, ſieht man an
v. Soden Nation. Oeconom. IV. §. 50., wo ein abſoluter, relativer (allgemein
und ſpeziell), poſitiver und Vergleichswerth unterſchieden wird, ohne den geringſten
Nutzen für die Wiſſenſchaft und das Leben. Ebenſo auch an Beccaria Elementi di
politica Economia = Economisti classici Ital. Tomo XIX. p. 339. Murhard,
Theorie des Handels. S. 25. Lotz Reviſion. I. §. 4. f. §. 8. f. Handb. I. §. 10–14.
§. 403.
3) Maaßſtab des Vermögens und Reichthums.
Da, wie gezeigt iſt, das Weſen des Gutes und Vermögens
auf dem Werthe beruht, ſo kann auch nur dieſer den wahren
Maaßſtab deſſelben abgeben. Weil es aber zwei Arten des Werthes
gibt, ſo iſt auch ihre Tauglichkeit zur Meſſung des Vermögens
unterſucht worden. Man hat zur Vermögensmeſſung ſchon vor-
geſchlagen:
a) Den Gebrauchswerth. Allein bei näherer Betrachtung
der Mittel, welche behufs dieſer Schätzung zu Gebote ſtehen, und
des Erfolges, der dabei zu erwarten iſt, iſt nicht zu verkennen,
daß man in das Bereich unberechenbarer Größen kommt, weil der
Gebrauchswerth eine ſubjective Beziehung iſt, und demnach die
Schätzung des Vermögens eine ſolche des irdiſchen Glückes ſein
müßte. Deßhalb iſt eine Schätzung des Vermögens hiernach in
der Privat-, wie in der Volkswirthſchaft unausführbar1). Allein
ganz abgeſehen hiervon, ſo muß dieſe Schätzung grundſätzlich als
einſeitig erſcheinen, weil das Vermögen zu zwei Nutzungen (§. 402.)
verwendbar iſt2). Man darf alſo ſchon aus dieſem Grunde
b) den Tauſchwerth, als Schätzungsmaaßſtab nicht außer
Augen laſſen. Zudem iſt er auch darum noch wichtiger als der
Gebrauchswerth, weil er das Criterium des Vermögens iſt (§. 39.),
und jedenfalls den Gebrauchs- oder Schaffwerth vorausſetzt3).
Nach dem Tauſchwerthe kann man aber das Vermögen ſchätzen,
entweder indem man ihn an ſich nimmt4), oder indem man ſich,
[552/0574]
wie im gemeinen Leben geſchieht, dazu des Preiſes bedient5).
Weil nun aber der Preis, wie ſchon oben (§. 58. 59.) dargethan
iſt, noch von anderen Umſtänden als vom Tauſchwerthe abhängt,
ſo kann er auch nicht immer den Tauſchwerth anzeigen und es
bleibt demnach dieſer Leztere als der beſſere Maaßſtab zur Schätzung
des Vermögens übrig6).
¹⁾ Dieſen Maaßſtab vertheidigt Rau polit. Oeconom. I. §. 64. 65. Seine
Unbrauchbarkeit hierzu in der Privatwirthſchaft iſt klar, weil man von der Werth-
ſchätzung eines Anderen von ſeinem Vermögen keine Vorſtellung hat und den Ge-
brauchswerth des eigenen Vermögens nicht beſtimmen kann, da die Zwecke der
meiſten Güter zugleich verſchiedene ſind, jeder Zweck von verſchiedener Wichtigkeit
und jedes Gut zu verſchiedenen Zwecken verſchiedene Tauglichkeit hat. In der
Volkswirthſchaft iſt aber dieſe Schätzung ebenfalls unbrauchbar, — wie Rau §. 65.
auch zugibt —, denn der notoriſche Grad des Gütergenuſſes der Bürgerklaſſen,
wonach geſchätzt werden müßte, richtet ſich ſelber nach dem zu Schätzenden, nach
der Art und nach der Menge des Vermögens, z. B. in ärmeren Ländern herrſchen
weniger Bedürfniſſe als in reicheren, und es müßte bei einer Abtheilung der Ver-
mögenstheile nach Menge und Einfluß auf die perſönlichen Zuſtände der Geſellſchaft,
auf den Gebrauchswerth der rohen und auf die Werthserhöhung der verarbeiteten
Rohproducte genaue Rückſicht genommen werden, eine Forderung, deren Erfüllung
unmöglich iſt.
²⁾ Schon nach Rau's Anſicht vom Werthe iſt der Gebrauchswerth ein unvoll-
ſtändiger Maaßſtab, weil ſchon der Quantitätswerth nach ſeiner eigenen Erklärung
verurſacht, daß die Güterüberſchüſſe nur nach dem Preiſe zu ſchätzen ſind. S. §. 402.
Note 1.
³⁾ Es muß hier auch noch bemerkt werden, daß die Stelle aus Torrens On
the Production of Wealth p. 10. and 11., welche Rau in der Note a. des §. 64.
zum Beweiſe anführt, daß auch dieſer Schriftſteller den Tauſchwerth (wie Rau
zuſetzt, den Preis) nicht für das Criterium des Weſens vom Vermögen annehme,
als aus dem Zuſammenhange geriſſen unrichtig aufgefaßt iſt. Denn Torrens
ſpricht an dieſer Stelle von den Wirthſchaftsverhältniſſen der Nationen vor dem
Begriffe und der Einführung von Eigenthum und Arbeitstheilung. In dieſem
Zuſtande der Völker gilt jene Anſicht allerdings; allein pag. 17–25. zeigt Tor-
rens auch, daß jenes nicht der Fall und der Tauſchwerth das Criterium des Ver-
mögens ſei, ſobald durch Eigenthum und Arbeitstheilung ein Jeder auf den Tauſch
angewieſen ſei. Zudem verſteht Torrens unter Tauſchwerth keineswegs den Preis.
Aber das Verſtändniß der engliſchen Autoren iſt unmöglich, wenn man ſie in der
Meinung liest, als ob ſie Tauſchwerth und Preis für gleichbedeutend hielten; denn
ſchon von A. Smith an iſt dies nicht der Fall.
⁴⁾ Da, wo Rau ſo meiſterhaft darthut, daß der Preis als Schätzungsmittel
des Vermögens unvollſtändig ſei, führt er auch als Grund an, daß es Güter gebe,
die gar nicht preisfähig ſeien (d. h., nach der natürlicheren Ausdrucksweiſe,
keinen Tauſchwerth haben). Allein ſolche Güter gehören nicht in das Vermögen
und ihre Schätzung auch nicht in jene des Volksvermögens. Eis, Schnee, Waſſer
u. dgl. können, ſo lange ſie keinen Tauſchwerth haben, eben ſo wenig als der
Sonnenſchein mit in der Vermögensſchätzung begriffen werden. Die Res sacrae der
Römer, die unveräußerlichen Grundſtücke der Spartaner, welche Rau auch zum
Beweiſe anführt, und ebenſo unveräußerliche Fideicommiſſe und Familienſtücke
neuer Zeit, haben doch einen Tauſchwerth und ihr Preis iſt doch ohne Zweifel wie
der jedes andern Gutes zu beſtimmen, das Tauſchwerth hat. Die von Rau ange-
führten Straßen, deren Koſten ſo weit hinter ihrem Nutzen zurückbleiben, ſind eben
ein rechter Beweis, wie unbrauchbar der Gebrauchswerth zur Vermögensſchätzung iſt.
⁵⁾ Dies zeigt say Cours. I. pag. 145–162. Ueberſ. von v. Th. I. 107–120.
und Rau polit. Oeconom. I. §. 63–67., jener ſehr anziehend, beide ſehr klar
und vollſtändig. Doch möchte es nur vom Marktpreiſe gelten.
[553/0575]
⁶⁾ Die Durchſchnittspreiſe können weit beſſere Maaßſtäbe als die Marktpreiſe
abgeben. Sie gleichen die äußeren bei der Preisbildung wirkenden Umſtände ihrem
Erfolge nach aus. Indeß iſt nicht zu läugnen, daß der geſunde Sinn der Völker
auch hierin dasjenige, was praktiſch am brauchbarſten iſt, gefunden haben, indem
ſie die Geldpreiſe zur Vermögensſchätzung nahmen, da der Gebrauchs- und Tauſch-
werth des Geldes am allgemeinſten bekannt iſt. Wegen der Brauchbarkeit der
Durchſchnittspreiſe ſ. m. unten bei der Lehre vom Preiſe.
Zweiter Abſatz.
Vom Einkommen und von den Einkommens-
quellen.
I. Die Production im Allgemeinen.
§. 404.
1) Die Production überhaupt.
Die wirthſchaftlichen Thätigkeiten der Menſchen haben zum
nächſten Zwecke die Erwerbung oder Vergrößerung des Vermögens.
Der Einzelne oder eine Geſellſchaft im Staate kann dieſe ſchon
zu Stande bringen, nicht blos indem er ſelbſt Güter ſchafft, ſon-
dern indem er ſie durch Leiſtungen materieller oder immaterieller
Art von Andern erwirbt. Eine Nation aber kann ihr Vermögen
nur vergrößern durch Hervorbringung (Production) neuer Werthe
im Sinne der Wirthſchaft, denn ſelbſt auch der Gewinnſt durch
Leiſtungen für andere Völker ſetzt Production im eigenen Lande
voraus. So erſcheint die Production als letzte Bedingung der
Volkswirthſchaft und des wirthſchaftlichen Volkswohles. Die wei-
tere Unterſuchung der Beziehungen der Production im Allgemeinen
iſt hier aus den §§. 50–52. zu ergänzen1).
¹⁾ Am weitläufigſten handelt die Lehre von der Production der in der Note 1.
zu §. 50. nicht mitgenannte Gioja ab. Nuovo Prospetto delle scienze econo-
miche. Tom. I. und II. bis pag. 176.
§. 405.
2) Die Zweige der Production insbeſondere.
Die einzelnen Zweige der wirthſchaftlichen Production der
Nationen ſind außerordentlich manchfaltig. Allein ſie laſſen ſich
leicht in eine überſehbare Ordnung bringen, welche zugleich ihren
Zuſammenhang zeigt. Dieſelbe iſt aus den §§. 41. u. 42. erſichtlich1).
¹⁾ Rau (polit. Oeconom. I. §. 95 und 101. der 2ten Ausg.) erwähnt auch
noch die Dienſte zur Erleichterung des Gebrauchs und der Erhaltung der Güter.
Es ſind dies aber keine andern als die oben §. 373. B. erwähnten Hauswirthſchafts-
dienſte. Man mag ſie betrachten, wie man will, ſo gehören ſie doch in verſchie-
[554/0576]
¹⁾ denen Graden dem Gewerksweſen an. Sie ſind als beſondere Productionszweige
gar nicht herauszuheben, obſchon ſie bei der Zuſammenſtellung der verſchiedenen
Arten von Dienſten nicht fehlen dürfen.
§. 406.
3) Die Productivität der Gewerbe.
Die Frage, welche von den verſchiedenen Gewerben und in
welchem Grade ſie zur wirthſchaftlichen Production mitwirken,
d. h. productiv ſind, iſt an ſich nicht von Bedeutung für das Leben;
denn der Einzelne, überhaupt jeder Gewerbtreibende, beurtheilt
ſie nach dem aus ihnen für ihn hervorgehenden Vortheile, unbe-
kümmert um die Vermehrung des Volksvermögens (§. 404.). Aber
ſie iſt wichtig für die Widerlegung der Anſichten des merkantiliſchen
und phyſiokratiſchen Syſtems1). Die Criterien der Productivität
der Gewerbe ſind bereits oben (§. 50–52.) angegeben. Indeß
ſind die Meinungen doch ſehr verſchieden, zwar jetzt nicht mehr
über die Productivität des Bergbaues, der Land- und Forſtwirth-
ſchaft, der Handwerke, Manufacturen und Fabriken, aber über
jene des Handels, der Leihgeſchäfte und der Dienſte2). Allein
man ſtreitet ſich leider auch hier, wie in manchen anderen Para-
graphen unſerer Wiſſenſchaft, größtentheils um das Wort. Der
erſte Zweck der wirthſchaftlichen Production iſt die Schaffung neuer
wirthſchaftlicher Werthe, der letzte aber die Conſumtion. Man
will Bedürfniſſe befriedigen und genießen, um den hohen Zweck
des Menſchenlebens ſo gut als möglich zu erreichen (§. 71. u. 72.).
Wollte man aber die Beförderung des letzten Zweckes als Criterium
der wirthſchaftlichen Productivität anſehen, ſo dürfte ſich ſchwerlich
eine rechtliche, ſittliche, überhaupt vernünftige und kluge Handlung
auffinden laſſen, welche nicht in irgend einer Beziehung productiv
wäre. Da die wirthſchaftliche Production blos die wirthſchaftlichen
Güter zu dieſem letzten Zwecke ſchafft und alsdann ihren Zweck
erfüllt ſieht, ſo will ſie alſo blos die hierzu nöthigen Vermögens-
theile in Bereitſchaft bringen und halten. Alle Gewerbe und Be-
ſchäftigungen, welche die Volkswirthſchaft mit Erfolg dieſen Zwecken
widmet, ſind alſo productiv, ſei es indem ſie geradezu neue Werthe
erſchaffen (§. 50.) und durch ihre Hilfsmittel dies befördern
(direct), oder die erzeugten Güter unter den (§. 52.) erwähnten
Bedingungen in die Hände des Conſumenten bringen, oder, her-
vorgegangen aus dem Prinzipe der Sparſamkeit, die Dauer der
Vermögenstheile verlängern (§. 70.) und bewirken, daß die Be-
dürfniſſe und Genüſſe in gleicher Vollſtändigkeit mit weniger wirth-
ſchaftlichen Mitteln befriedigt und erreicht werden (indirect).
[555/0577]
Hieraus ergibt ſich die Productivität des Handels, des Capitaliſten-
geſchäftes, der Gewerbs- und Hauswirthſchaftsdienſte bei einigem
Nachdenken von ſelbſt3). Unter den Geſchäften der Dienſtleiſtenden
anderer Art, z. B. der Gelehrten, Staatsdiener, Advocaten,
Künſtler u. ſ. w. werden ſich auch die wirthſchaftlich productiven
leicht herausfinden laſſen; ſolche Dienſte überhaupt für wirthſchaft-
lich productiv zu erklären iſt, wenn ſie auch das Glück des Lebens
noch ſo ſehr fördern, ſo gewiß unrichtig, als ſich ihre Geſchäfte
nicht immer auf wirthſchaftliche Verhältniſſe beziehen, ſondern alle
Lebensbeziehungen umfaſſen4).
¹⁾ Der Satz des phyſiokratiſchen Syſtemes, daß blos der Erdbau productiv
ſei, iſt nur eine Folgerung aus der im §. 401. widerlegten Anſicht deſſelben, daß
die Materie das Weſen des Guts ausmache. Sobald man eingeſehen hat, daß dieſes
der Werth iſt, ſo müſſen auch die anderen Werth ſchaffenden, erhöhenden, erſparen-
den und erhaltenden Beſchäftigungen productiv ſein. Ebenſo fließt der merkantiliſche
Satz, daß Handwerke, Fabriken und Handel die Quellen des Volksreichthums ſeien,
aus dem als unwahr bewieſenen Prinzipe, das Weſen des Vermögens beſtehe im
Gelde. Wenn man bedenkt, daß der Handel und die Gewerke ihre Stoffe erſt von
den Urgewerben entnehmen müſſen, und daß erſt der Werth die erſte Urſache des
Geldpreiſes iſt, ſo zerfällt auch dieſe Merkantilanſicht in ſich ſelbſt.
²⁾ Für die Productivität derſelben ſ. say Cours. II. 204. Ueberſ. von v. Th.
II. S. 151. Droz Econom. politique. p. 30. Mac-Culloch Principles. p. 151.
Ueberſ. von v. Weber. S. 110. 119. Malthus Principles. p. 442. Hermann
Unterſuchungen. S. 22 folg. Gioja Nuovo Prospetto. I. 246. Murhard Theorie
des Handels. I. 73. Kraus Staatswirthſch. IV. 18. Ganilh Des systemes. I. 91.
Gegen die Productivität derſelben ſ. Lotz Handb. I. §. 39. Auch wohl Rau polit.
Oeconom. I. §. 102–109., der zwiſchen mittelbarer und unmittelbarer Productivi-
tät ſpricht, und leztere nur den Stoffarbeiten mit Ausnahme des Handels zuſchreibt,
den er für mittelbar productiv erklärt, weil er als Vermittler zwiſchen Producent
und Conſument der Volkswirthſchaft weſentliche Erleichterungen gewährt.
³⁾ Der Handel iſt aber in der That nicht blos mittelbar productiv, wie ihn
Rau nennt und erklärt, ſondern er ruft wirklich neue Werthe hervor oder ver-
wirklicht ſolche. Er ſetzt, wie andere Gewerbe, productive Arbeit in Bewegung
und verbringt die Güter, welche als Ueberſchüſſe des Einen für dieſen, um mit
Rau zu reden, keinen concreten Werth mehr haben, zu Andern und verſchafft ihnen
ſo wieder den concreten Werth. Es iſt dies alſo die Hervorrufung oder Erneuerung
eines Gebrauchs- oder Sachwerthes. Rau (a. a. O. §. 102.) irrt aber, ebenſo
wie Kraus (Staatswirthſch. I. S. 13 folg.), da er von A. Smith ſagt, dieſer
halte den Handel für productiv, weil die Verſendungs- und Handelskoſten anderer
Art den Tauſchwerth der Güter erhöheten. Dieſe von Rau angeführte Stelle
(Unterſuchungen II. 141. oder Inquiry II. 143.) iſt eine unweſentliche Aeußerung
von A. Smith, welche er auch (p. 142. der engl. Ausg.) vom Landbaue und den
Gewerken macht. Er will damit nur beweiſen, daß zufolge der Preiserhöhung der
Producte durch die Anwendung von Capital und Arbeit eine Vergütung der Aus-
lagen und ein Gewinnſt für die Einzelwirthſchaft realiſirt werde; dagegen ſetzt er
die volkswirthſchaftliche Productivität des Handels, wie der genannten anderen
Gewerbe, darein, daß ſie verſchiedene Mengen productiver Arbeit in Bewegung
ſetzen und den Werth des jährlichen Productes der Erde und der Arbeit mit ihren
Capitalien erhöhen. Daſſelbe ſagt er noch einmal (Inquiry II. 209 und 210.) mit
Hinblick auf die Geſchichte. Allein Rau ſcheint obige Anſicht mit der Anmerkg. b.
des §. 103. gegen say Cours II. a. a. O. beſtreiten zu wollen, indem er gegen
deſſen Behauptung, daß nicht der Tauſch, ſondern der Transport den Werth der
Güter erhöhe und ſo der Handel productiv ſei, da die örtliche Stellung eine Modi-
[556/0578]
³⁾ fication der Exiſtenz der Güter ſei, einwendet, die Lage ſei nicht der Gebrauchs-
werth einer Sache und der Transport unnöthig, wenn ſich der Verzehrer zur
Waare begebe! Jedoch damit iſt Say nicht widerlegt. Dieſer gebraucht vielmehr
das Beiſpiel vom Bordeaux-Weine, wie er aus der Traube gewonnen und durch
den Handel nach Hamburg gebracht wird, um zu zeigen, daß das Geſchäft des
Handelsmannes hier für den Hamburger gerade ſo productiv iſt, als jenes des Wein-
gärtners für den Bewohner von Bordeaux, denn ohne ihn würde für jenen der
Wein ſo gut als nicht exiſtirend ſein. Wenn aber der Hamburger dem Weine
nachläuft, was Say auch erwähnt, ſo iſt dies ſo gut als eine Veränderung der
Stellung des Weines, aber dann iſt kein Handel vorhanden. Aber ſchwer iſt es zu
erklären, wie say (Cours II. p. 212–213. Ueberſ. von v. Th. II. 158.) den
Tauſch (Echange) nicht für productiv, aber den Handel (Commerce) für productiv
erklären kann, da doch der Leztere eine beſtimmte Art des Erſteren iſt und bei
beiden ſich obiges Criterium der Productivität findet. Beim Tauſche fehlt in der
Regel nur der Vermittler. Mac-Culloch und Hermann urtheilen ebenſo, und
wenn Rau gegen das vom Erſteren gewählte Beiſpiel der bergmänniſchen Förderung
der Kohle und der Verſendung zum Behufe des Verkaufs derſelben durch den Han-
delsmann einwendet, die Wirkung der erſteren Operation ſei dauernd und von allge-
meinem Nutzen, jene der lezteren komme aber nur gewiſſen Menſchen zu; ſo
zerfällt dieſe Gegenbemerkung in ſich ſelbſt, weil der Begriff von Production niemals
darauf beſchränkt werden kann, daß alle Menſchen oder Staatsbürger für ſich ihren
Erfolg empfinden und das Product dauernd ſei, ſondern es eine volkswirthſchaftliche
Production geben kann, welche nur Einzelnen Nutzen und ein Product von geringer
Dauer ſchafft. Wenn der Handel auch nicht gerade eben ſo ſehr productiv iſt, wie
ein anderes Gewerbe, ſo folgt daraus nicht, daß er es gar nicht ſei.
⁴⁾ S. auch Rau a. a. O. §. 107. u. 108.
II. Die Güterquellen insbeſondere.
§. 407.
1) Zuſammenſtellung der Güterquellen.
Nicht das Vermögen allein, wie man öfters glaubt, iſt die
Quelle der wirthſchaftlichen Güter oder neuen Vermögens, ſondern
auch vieles Andere, was nicht in das Vermögen gehört. Die Güter-
quellen ſind oben §. 53. u. 54. zuſammengeſtellt1).
¹⁾ Ueber die verſchiedenen Anſichten der drei genannten Syſteme hierüber ſ. m.
§. 397. Es iſt daſelbſt gezeigt, daß A. Smith nicht behauptet hat, die Arbeit
ſei die einzige Güterquelle. Mac-Culloch ſucht aber (Principles pag. 60–72.
Ueberſ. von v. Weber S. 47–56.) zu zeigen, daß, da die Natur ohne unſere
Arbeit für uns wirthſchaftlich nutzlos und ſogar vielfach ſchädlich ſein würde,
aber allein im Stande ſei, Materien zu ſchaffen, während die ganze wirthſchaftliche
Production nur in der Aneignung und Werthserhöhung der Stoffe beſtehe, auch die
Arbeit die einzige Quelle der Güter ſei. Da nun die ganze Ricardo'ſche Schule,
dieſe Erörterung benutzend, auch das Capital als eine Folge der Arbeit betrachtet,
welches ihr wieder als Mittel erſcheint, um Arbeit in Bewegung zu ſetzen, ſo iſt
keinem Zweifel unterworfen, daß auch ſie die von der Deutſchen angenommenen
Güterquellen anerkennt. Und es iſt daher nicht Recht, wenn man, wie öfters,
z. B. auch von Rau polit. Oeconom. I. §. 85. N. b. geſchieht, ſo ohne Weiteres
ſagt, dieſe Schule und Mac-Culloch erkläre die Arbeit für die einzige Güter-
quelle. Nehmen doch alle, dieſen Satz ſo verbindungslos anführenden, deutſchen
Schriftſteller die Lehre von der Wirkſamkeit der Arbeit bei der Production, wie ſie
jene engliſche Schule und z. B. auch Gioja Nuovo Prospetto I. 25–37. durch-
führt, wenn ſie von der Arbeit reden, gänzlich an.
[557/0579]
§. 408.
2) Wirkſamkeit der Güterquellen. a) Der Natur.
Die Wirkſamkeit der Güterquellen zu betrachten, iſt eine der
wichtigſten und intereſſanteſten Aufgaben der Volkswirthſchaftslehre.
Blos die Natur und der menſchliche Geiſt kann außer der Gott-
heit, jene Materielles, dieſer Immaterielles ſchaffen, d. h. aus
nichts hervorbringen. Das letzte Wie über das Walten der Natur
iſt unerforſcht, obſchon man ſchon manchfache Kräfte entdeckt hat,
durch deren Wirkung mit den Stoffen Veränderungen hervor-
gebracht werden, welche mit dem Schaffen neuer Stoffe oft die
auffallendſte Aehnlichkeit hat. Man theilt ſie, freilich nur nach
der Verſchiedenheit der erzeugten Producte, in organiſche und
unorganiſche Kräfte ein, je nachdem ſie die Gegenſtände des
Thier- und Pflanzenreichs oder jene des Mineralreichs hervor-
bringen. Ihre Wirkung iſt in verſchiedenen Theilen und Punkten
der Erde verſchieden; wenigſtens erblickt man die verſchiedenſten
organiſchen Gebilde verſchieden vertheilt und die unorganiſchen
Stoffe, von denen man nicht weiß, ob die Natur in ihrer Erſchaf-
fung immer noch fortfährt, ſind nicht überall vorhanden und zu
finden. Dieſe örtliche und periodiſche Veränderlichkeit in der Wir-
kung der Naturkräfte rührt von den verſchiedenen Verhältniſſen der
Gegenſeitigkeit der vorhandenen Naturkörper im weiteſten Sinne
des Wortes her, nämlich: von jenen der Himmelskörper, der Erde,
Erdkörper (Naturkörper im engern Sinne), der Luft, und des
Waſſers. So iſt die Productivität der Länder von der Natur
bedingt1).
¹⁾ S. Rau polit. Oeconom. I. §. 31. 121. storch Cours, Ueberſ. v. Rau.
I. 70. 84. 89. say Cours I. pag. 221. Ueberſ. von v. Th. I. S. 162. Lotz
Handb. I. §. 31–36. S. 149 folg. v. Jacob Nation. Oeconom. §. 49. der
3ten Ausg. Es wäre zu wünſchen, daß ſich Alex. v. Humboldt die Darſtellung
des Einfluſſes der Natur auf Staat und Völker zur Aufgabe machte.
§. 409.
Fortſetzung. b) Der Arbeit.
Ohne Arbeit iſt für den Menſchen die Natur nutzlos. Deß-
halb iſt die Arbeit auch die weſentlichſte Bedingung des Menſchen-
lebens. Sie iſt die Urſache, warum der Wohlſtand der Völker
nicht blos von der Natur abhängt, ſondern auf minder glücklich
begabten Ländern die Menſchen geiſtig und wirthſchaftlich höheren
Glückes genießen als die Bewohner der von der Natur am reich-
lichſten verſorgten Gegenden. Alſo auch bei ungleichen Natur-
[558/0580]
geſchenken iſt die Entwickelung des Menſchen in geradem Verhält-
niſſe zu ſeiner Arbeit, und die Geſchichte lehrt auch, daß die Ver-
beſſerungen in der Arbeit neue Beweiſe und Urſachen von den
Fortſchritten der Menſchheit ſind1). Es werden aber zugleich
durch die Arbeit der Menſchen die rohen Naturproducte ſo durch
chemiſche und mechaniſche Einwirkung verändert und ihre Werthe
werden dermaßen durch ſie erhöhet, daß es oft ganz unmöglich iſt,
ſie wieder zu erkennen2). Es iſt alſo in dieſer Beziehung die
Arbeit die vorzüglichſte und eigentliche Quelle des Vermögens,
und Alles, was ihre Wirkſamkeit erhöht, ſteigert auch die Wohl-
fahrt der Völker. Da die Arbeit aber einen ſicheren Gegenſtand
haben muß, ſo iſt die erſte Bedingung der Erhöhung ihrer Wirk-
ſamkeit: 1) die Sicherheit des Eigenthums. Das Eigenthum
hat nur in der Arbeit ſeinen Urſprung, und ſollte dieſe auch blos
in jener der Beſitzergreifung und Vertheidigung des von der Natur
Dargebotenen beſtehen. So erwerben ſich die Völkerſtämme ihr
Eigenthum, ſo auch die Einzelnen ihre Antheile an dem gemein-
ſchaftlichen Gute. Die Geſchichte beweist dies eben ſo gründlich,
wie es aus Vernunftgründen angenommen werden muß. Wo man
ſich nun aber der körperlichen oder geiſtigen Producte ſeiner Arbeit
nicht mit Sicherheit erfreuen kann, da wird man auch nicht
arbeitſam ſein und keine Verbeſſerung in der Arbeit einführen3).
Alle Anſtalten und Thätigkeiten, welche die Sicherheit des Eigen-
thums bewirken, ſind daher Mittel zur Erhöhung der productiven
Wirkung der Arbeit. Die zweite Bedingung einer productiven
Wirkung der Arbeit iſt 2) die geiſtige Entwickelung. Ohne
das geiſtige Element, welches den Körper des Menſchen überhaupt
in Bewegung ſetzt und dieſer Lezteren ihre dem Zwecke entſprechende
Richtung vorſchreibt, kann es keine productive Arbeit geben. Die
Erfahrung zeigt, daß, ſo groß auch die körperliche Kraft ſein
mag, die Arbeitsunfähigkeit des Menſchen immer um ſo geringer
iſt und wird, nicht blos je geringer die Geiſtesanlagen an ſich,
ſondern auch je weniger ſie ausgebildet ſind und werden. Deßhalb
hängt die productive Wirkung der Arbeit, wie ebenfalls die Ge-
ſchichte zeigt, von allen jenen Anſtalten und Thätigkeiten ab, welche
die geiſtige Entwickelung der Menſchen befördern. Unter dieſen
beiden Bedingungen wird den Erfolg der Arbeit noch bedingen
3) die Anzahl und körperliche Geſchicklichkeit des arbei-
tenden Theiles der Bevölkerung. Dieſe Bedingung der nutzbaren
Wirkung der Arbeit kann niemals die zweite genannte erſetzen.
Wohl aber können wenige recht unterrichtete Arbeiter eben ſo viel
und noch mehr leiſten als viele gar nicht oder wenig unterrichtete.
[559/0581]
Es iſt daher für die productive Wirkung der Arbeit in der Volks-
wirthſchaft das Zahlenverhältniß zwiſchen denjenigen der Bevölkerung,
welche mit productiver Arbeit beſchäftigt, und denjenigen, welche
dies nicht ſind, äußerſt wichtig. Für dieſelben ſind daher alle
Umſtände, Anſtalten und Thätigkeiten förderlich, nicht ſowohl
welche die Volksmenge, als vielmehr welche die arbeitſame Bevöl-
kerung erhöhen und die unarbeitſame verringern, und einen ge-
ſunden, kräftigen, wohlgebauten Menſchenſchlag erzeugen und er-
halten4). Eine Hauptbedingung der productiven Wirkung der
Arbeit iſt 4) die Arbeitstheilung. Dieſelbe bietet zwei Be-
ziehungen dar, nämlich die rein volkswirthſchaftliche, indem
ſich die Gewerbs- und Geſchäftsklaſſen eines Volkes und der Völker
von einander ſcheiden, bis der Handel in ihre Mitte tritt, und
die mehr privatwirthſchaftliche, indem die verſchiedenen Ver-
richtungen eines und deſſelben Gewerbes von einander geſchieden
werden. Jene tritt in der geſchichtlichen Entwickelung der Menſch-
heit als Folge zunehmender Bildung und Bevölkerung und inſofern
außerhalb der Willkühr der Menſchen ein, als die Natur nach
ihrer verſchiedenen Reichlichkeit und Aermlichkeit ſie dazu zwingt.
Dieſe aber, eine Folge der menſchlichen Ueberlegung, die durch
Verkehrsverhältniſſe angeſpornt wird, erſcheint erſt bei einem ſehr
hohen Grade der gewerblichen Cultur5). Die Gründe der großen
Wirkung der Arbeitstheilung ſind nicht weniger klar als intereſſant.
a) Durch die unaufhörliche Ausübung eines einzigen Geſchäftes
nimmt nicht blos die körperliche Geſchicklichkeit und Fertigkeit,
ſondern auch die geiſtige Aufmerkſamkeit und das Nachdenken über
Erleichterungsmittel der Arbeit zu6). b) Es wird dadurch der-
jenige Zeitverluſt verhütet, welcher mit dem Uebergange von dem
einen zu dem anderen Geſchäfte und namentlich mit dem Wechſel
der Werkzeuge verbunden iſt; c) die zur Erlernung eines Geſchäf-
tes nöthige Zeit wird um vieles verringert, weil mit Zunahme der
Einfachheit der Operation die Schwierigkeit des Erlernens ver-
ſchwindet. d) Während des Erlernens wird auch weniger Material
zu Grunde gerichtet, weil bei der Erlernung eines ganzen Gewer-
bes verſchiedene Operationen vorkommen, in denen chronologiſch
nicht blos mehr rohes, ſondern auch ſchon theilweiſe verarbeitetes
Material aus Ungeſchicklichkeit und Unachtſamkeit verdorben wird,
als wenn Einer ſeine Aufmerkſamkeit auf eine Operation heftet.
e) Nach eingeführter Arbeitstheilung braucht ſich der Unternehmer
für Arbeiten, wozu verſchiedene Kraft und Geſchicklichkeit erfor-
dert wird, an Arbeitern von den erforderlichen Eigenſchaften
gerade nur ſo viele zu verſchaffen, als für jeden Proceß nöthig
[560/0582]
ſind, während, wenn ein einziger Arbeiter das Product vollenden
ſollte, derſelbe für die ſchwierigſten und müheſamſten Operationen
kräftig und geſchickt genug ſein müßte und alſo bei minder bedeu-
tenden Operationen deſſelben Gewerbes ein großer Theil der Kraft
und Geſchicklichkeit unbenutzt liegen würde7). Die lezte Urſache
eines hohen Arbeitserfolges iſt 5) die Verbindung der Arbei-
ten, d. h. nicht blos der Zuſammenhang dieſer verſchiedenen ge-
theilten Gewerbe in der Wirthſchaft der Völker und jener der
Operationen in den einzelnen Gewerben, ſondern auch die geſell-
ſchaftliche Vereinigung verſchiedener geiſtiger und körperlicher Kräfte
und Geſchicklichkeiten8). Denn der Erfolg muß dadurch bei vielen
Verrichtungen größer ſein, während manche ohne dies nicht aus-
führbar ſind9).
¹⁾ Sehr intereſſante und geiſtreiche Fingerzeige für die Unterſuchung der
Entwickelung der Menſchheit gibt Ferguson, Essay on the History of civil society.
p. 123. 146. 165. Dann iſt auch Krauſe's Verſuch einer Nation- und Staats-
Oec. aus dieſem hiſtoriſchen Entwickelungsgeſichtspunkte dargeſtellt. B. I. S. 1–70.
²⁾ Man kauft in England 400 Quadratzolle Goldblatt, ein Buch von 25 Blät-
tern, um 1½ Schill. (15 Sgr.), und über 1000 Quadr. Zolle Silberblatt, ein
Buch von 50 Blättern, um 1¼ Schill. Wie viel die Arbeit dabei mehr Werth
hervorbringt als das rohe Material hat, ſieht man aus dem Preiſe des Fabrikats,
der ⅔ und drüber höher iſt als jener des Rohmaterials. Es koſtet eine venetianiſche
Goldkette von 2 engl. Fußen Länge, die ſo fein iſt, daß ein Zoll davon 0,44 Gran
wiegt und 98–100 Gelenke hat, eben ſo viel als eine ſolche, von welcher ein Zoll
9,71 Gran wiegt und nur 32 Gelenke hat, nämlich 60 frs., obſchon dieſe Leztere
22 mal mehr Gold hat, ſo daß der Werth der Arbeit bei jener den des Materials
um das 30fache überſteigt. — Die Spiralfeder einer Taſchenuhr koſtet einzeln
2 Pence (etwa 2⅔ Kr.) und wiegt 0,15 Gran, während das Pfund Eiſen beſter
Qualität, woraus 50,000 ſolche Spiralfedern gemacht werden können, gerade ſo
viel koſtet. — In der Eiſengußwaarenfabrik von Devaranne in Berlin werden
Hemdeknöpfchen gefertigt, wovon 88,440 Stücke auf 1 Centner gehen, jedes einzeln
1⅔ Sgr. und alle zuſammen 19,653⅓ Rthlr. koſten, während der Centner grauen
Roheiſens durchſchnittlich nur 2 Rthlr. koſtet, ſo daß alſo durch die Verarbeitung
der Preis auf das 9827fache ſteigt. Aus der Preiserhöhung kann man auch hier
die Werthserhöhung ermeſſen. S. Babbage, Ueber Maſchinenweſen. S. 164. oder
18. Kap, wo noch mehr Beiſpiele angeführt ſind. Canard, Principes d'Econ. polit.
p. 6. Gioja, Nuovo Prospetto. I. 35. Volz, Gewerbskalender für 1833. S. 111.
³⁾ Hiervon, von den Bedürfniſſen des Arbeiters und von der Ausſicht, ſein
Leben zu verbeſſern, hängt der Fleiß des Arbeiters ab. S. §. 67. über das Ver-
hältniß der freien und erzwungenen Arbeit gegen einander. Rau polit. Oec. I. §. 112.
⁴⁾ In Großbrittannien ſind unter je 100 Familien, folgende beſchäftigt geweſen:
im Jahre: im Ackerbaue: im Handel, Manufactur u. ſ. w. Reſt
England 1811 — 34,7 — 45,9 — 19,4
1821 — 33,0 — 47,8 — 19,6
1831 — 27,7 — 43,1 — 29,8
Wales 1811 — 56,2 — 27,7 — 16,1
1821 — 50,6 — 28,5 — 20,9
1831 — 43,9 — 26,9 — 29,2
Schottland 1811 — 31,3 — 42,1 — 36,8
1821 — 29,2 — 42,8 — 28,3
1831 — 25,2 — 51,3 — 33,5
(Ausland v. J. 1833 Nr. 343. Nach Parlamentspapieren) Dieſe Abnahme auf
[561/0583]
⁴⁾ der einen, und Zunahme auf der andern Seite iſt äußerſt wichtig. Die Anzahl der
Gewerbsunternehmer in Frankreich war:
a. 1802 = 791,500 patentiſ. Individuen, macht, die Familie zu 4 Perſonen = 3,166,000
a. 1817 = 847,100 — — — — — — — = 3,388,400
a. 1832 = 1,118,500 — — — — — — — = 4,494,000
Von 1802–1817 (Krieg) ſtieg dieſelbe um 222,400 Perſonen und von 1817–32
(Friede) um 1,105,600 Perſonen. S. Ch. Dupin Rede bei Eröffnung der Cour
du Conservatoire des Arts et Métiers, 24 Nov. 1833. = Moniteur Nr. 330.
⁵⁾ Von der Arbeitstheilung hängt zunächſt der Abſatz ab, der auf die Ge-
werbſamkeit einen großen Einfluß äußert. Rau polit. Oeconom. I. §. 119. 120.
Dieſe leztere Arbeitstheilung hat ihre Schranken a) in der Natur mancher Arbeiten
ſelbſt, z. B. in der Landwirthſchaft; b) in der Größe des aufzuwendenden Capitals
(say Cours. I. 367. Ueberſ. I. 276.) und c) in der Möglichkeit des Abſatzes
(Kraus Staatsw. I. 52. say Cours. I. 355. Ueberſ. I. 266.).
⁶⁾ Ein Beamter der engl. Bank verſah einmal in 11 Stunden 5300 Bank-
noten mit ſeiner aus 7 Buchſtaben beſtehenden Geſchlechtsnamens-Unterſchrift, die
Anfangsbuchſtaben ſeines Taufnamens nicht gerechnet, und ordnete die Banknoten
dabei noch in Lagen von 50 Stücken. S. Babbage a. a. O. §. 191. Ein ge-
ſchickter Nagelſchmied macht täglich 2300 Nägel, ein weniger geübter 200 bis höchſtens
1000. Es machen 10 Arbeiter bei Arbeitstheilung täglich 48000 Stück Stecknadeln
(A. Smith Inquiry. I. 12.). Bei Arbeitstheilung machen 30 Arbeiter täglich
15500 Spielkarten (say Cours I. p. 341. Ueberſ. von v. Th. I. S. 256.) Von
einem Knaben, der die Ventile an einer Dampfmaſchine zu richten hatte, kommt
die Erfindung, daß jetzt die Maſchine ſelbſt dies Geſchäft beſorgt (A. Smith).
Von einem andern, der eine oft auslöſchende Gasflamme immer wieder anzuzünden
hatte, rührt die Erfindung her, daß in den Docht ein Spiraldraht angebracht wird,
der mit ſeiner Gluth ſie immer von Neuem entzündet (Dingler Polytechniſches
Journal. XIII. 532.).
⁷⁾ Tabellen über die Arbeiten bei der Stecknadelfabrikation zum Beweiſe hier-
von führt Babbage a. a. O. S. 187 u. 188 an. Es machen 10 Arbeiter bei
gehöriger Arbeitstheilung und Anſtellung nach der Geſchicklichkeit in ungefähr 7½
Stunden 1 Pfd. Nadeln um nicht ganz 35 Kr. (1 sh. 1 p.) und der Arbeitslohn
iſt zwiſchen 12[FORMEL] Kr. (4½ p.) bis 3 fl. 13⅕ Kr. (6 sh.) variirend. Machte nur
1 Perſon die Nadeln, ſo müßte ſie geſchickt genug ſein, auch den Arbeitslohn fürs
Drahtſpitzen (2 fl. 54¾ Kr. = 5 sh. 3 p.) und fürs Verzinnen der Nadeln
(3 fl. 13⅓ Kr.) zu verdienen. Dieſe Arbeiten machen [FORMEL] der ganzen nöthigen
Arbeitszeit aus, und der Arbeiter müßte ſich, während ſeine Hauptgeſchicklichkeit
nicht benutzt würde, in mehr als der Hälfte der Zeit mit 46,27 Kr. (1 sh. 3 p.)
Arbeitslohn für das Aufſetzen der Nadelköpfe begnügen, während er ſonſt 5 mal
ſo viel verdienen könnte.
⁸⁾ Die leztere der genannten zwei Beziehungen, welcher beſonders Gioja Nuovo
Prospetto I. 87. eine weitläufige Unterſuchung gewidmet hat, wofür ihn Steinlein
Handb. I. 319. mit Lob unter andern Schriftſtellern hervorhebt, iſt in der That
eine zwar nicht zu läugnende, aber im Ganzen weder tiefe noch auffallende, noch
wiſſenſchaftlich fruchtbare Wahrheit. Es iſt wahr, viele Kräfte bringen mehr zu
Stande als wenige. Viele Hunde ſind des Haſen und, um bei des Verf. Beiſpiel
zu bleiben, viele Pelicane der Fiſche Tod; aber viele Köche verſalzen auch die Suppe.
Man gibt als Folgen dieſer Art von Arbeitsverbindung unter anderen auch die
beſſere Qualität der Producte und Sicherung vor dem Verderbniſſe derſelben durch
die lange Dauer der vereinzelten Arbeiten an. Dies iſt in manchen Fällen wahr,
in vielen andern aber nicht. Es kommt hierbei vielmehr auf die Natur der Arbeit
weit mehr als bei der Arbeitstheilung an. —
⁹⁾ Ueber dieſe ganze Lehre von der Arbeit ſ. m. A. Smith Inquiry I. 6.
Ueberſ. von Garve I. 13. say Cours I. 191. 338. Ueberſ. von v. Th. I. 138.
253. storch Cours. Ueberſ. von Rau I. 91. III. 5. Babbage a. a. O. 19s
u. 20s Kap. S. 171 folg. Mac-Culloch Principles p. 73. Ueberſ. von v. Weber.
S. 57. Spittler, Vorleſ. über Politik, herausgegeben von Wächter (Tübingen
Baumſtark Encyclopädie. 36
[562/0584]
⁹⁾ 1828). S. 350 (ein ausgezeichnetes Buch). Gioja Nuovo Prospetto. I. 66. 87. 98.
Lotz Handb. I. §. 41–49. S. 202 folg. Rau polit. Oeconom. I. §. 92–126
Ferguson, Essay on the History etc. p. 273. Auch Kraus, Krauſe u. A.
§. 410.
Fortſetzung. c) Des Capitals.
Was unter Capital zu verſtehen iſt, wurde oben §. 54. ſchon
gezeigt. Die verſchiedenen Arten deſſelben ſind bereits im §. 55.
unterſchieden1). Die Beſtandtheile des Capitales, wie es in den
bürgerlichen Gewerben vorkommt, ſind aus den §§. 121. 208. 260.
312. 364. erſichtlich und den Hauptrubriken nach im §. 55. 4. zu-
ſammengeſtellt. Allein dieſem bürgerlichen oder Privatcapi-
tale ſteht das Nationalcapital gegenüber. Die weſentliche
Eigenſchaft des Capitales einer phyſiſchen oder moraliſchen Perſon
im Vergleiche mit dem Verbrauchsvorrathe iſt die wirthſchaftlich
productive Anlage, d. h. jene, welche eine Vergrößerung des Ver-
mögens der Perſon erzielt. So wie nun das Capital der Einzel-
nen, Stiftungen, Geſellſchaften und Gemeinden nicht ohne genaue
Beſtimmung des Vermögens einer jeden dieſer Perſonen beſtimmt
werden kann, ſo iſt dies auch vom Nationalcapitale nicht möglich
ohne die Beſtimmung des Nationalvermögens. Da nun jene Be-
ſtandtheile des Begriffes einer Nation erwerben, d. h. ihr Ver-
mögen durch vorherige nutzbare Aufopferungen vergrößern können,
ohne das Nationalvermögen zu vergrößern, z. B. im Verkehre, im
Handel unter einander, ſo folgt auch daraus, daß nicht Alles,
was als Privat-, Stiftungs-, Geſellſchafts- und Gemeindecapital
erſcheint, ſondern nur dasjenige davon auch Beſtandtheil des
Nationalcapitals iſt, was als Capital das Nationalvermögen zu
vermehren beſtimmt iſt2). Allein es folgt daraus noch weiter,
daß zum Nationalcapitale noch mehr als der ſo eben bezeichnete
Theil der genannten Capitalien, nämlich auch noch dasjenige
Capital gehört, was die Nation, nicht als Inbegriff der Einzelnen
und Corporationen, ſondern als moraliſche Perſon beſitzt3). Sind
die Unterſcheidungsmerkmale und Beſtandtheile des Privat- und
Nationalcapitals auf dieſe Art aufgefunden und erklärt, ſo muß
natürlicher Weiſe auch die Entſtehung dieſer Capitalien verſchieden
befunden werden. Es liegt ſchon im Begriffe vom Capital, daß
es aus Erwerb urſprünglich vermittelſt der Natur und Arbeit und
aus Ueberſparen hervorgeht. Der materielle Theil des National-
capitals entſteht alſo durch Production, Sparſamkeit und An-
wendung zu productiven Geſchäften4), jener des Privatcapitals
aus Erwerb, Sparſamkeit und gewinnbringender Anlage5); der
[563/0585]
immaterielle aber entweder durch den Verkehr und eigene Thätig-
keit, z. B. Kundſchaften, oder durch geſetzliche Beſtimmungen und
Gewohnheiten, z. B. Privilegien, dingliche Rechte u. dgl.6) Das
Capital bildete ſich erſt, als der Menſch anfing, über ſeinen täg-
lichen Güterbedarf hinaus Vermögenstheile aufzubewahren, und
nehm natürlich immer mehr zu, je mehr die Bevölkerung und die
Bedürfniſſe mit der Verfeinerung zuerſt über das von der Natur
zur Erhaltung der Menſchen Gebotene und ſpäter über das mit
Hilfe der immer ſinniger werdenden Arbeit von der Natur in
größerer Menge Abgewonnene hinauswuchs. In demſelben Ver-
hältniſſe als nun die fortwährend erfinderiſchere Arbeitſamkeit in
Verband mit dem bereits geſchaffenen Capitale, in ihrer Anwen-
dung auf die Natur, den Anforderungen der Volksmenge und ſtei-
genden Cultur nicht mehr genügte, folgten Erzeugungen, Erfin-
dungen und Verbeſſerungen von Capital auf einander, ſo daß
endlich ein Zuſtand entſteht, in welchem das Capital für die Ge-
ſellſchaft nicht blos eine eben ſo nothwendige Güterquelle wie die
Natur, ſondern ſogar ein noch unentbehrlicheres als die Arbeit
allein iſt und ein Volk ohne die Combination dieſer drei Güter-
quellen gar nicht exiſtiren könnte7). Denn das Capital macht es
möglich, Dinge zu vollbringen und Güter zu erzeugen, welche ohne
daſſelbe nicht ausgeführt und nicht producirt werden könnten; es
erſpart in allen Gewerben auf die manchfachſte Weiſe menſchliche
Arbeit; es befähigt die Gewerbe, die Arbeit beſſer und ſchneller
auszuführen und wohlfeilere Producte bei gleicher, ja weit größerer
Güte, als durch bloße Menſchenkräfte, zu liefern; endlich — es
iſt das einzige Mittel, um die in einem auch nur etwas vorge-
ſchrittenen Volke nöthige Arbeit für alle Bedürfniſſe und Bequem-
lichkeiten des Lebens in Bewegung zu ſetzen. So wahr dies Alles
iſt, ſo iſt es doch in der beſonderen Anwendung auf eine beſtimmte
Art des Capitals, nämlich auf die Maſchinen, ſehr beſtritten8).
¹⁾ Rau (polit. Oeconom. I. §. 130. a.) ſagt, Ricardo (Principes d'Econo-
mie politique, trad. p. Constancio I. 32. oder Principles ef polit Economy.
p. 20 sqq.) ſetze das Unterſcheidungsmerkmal zwiſchen dem ſtehenden und umlaufen-
den Capitale in die ungleiche Dauer, und bekämpft dieſe Meinung. Allein ganz
umſonſt, denn Ricardo zeigt die Unrichtigkeit jener Meinung ſogleich nach ihrer
Darſtellung in der That noch beſſer als ſein deutſcher Gegner. — Hermann (Unter-
ſuchungen. Abh. III. §. 12.) thut dem A. Smith Unrecht, da er von ihm ſagt,
er rechne das Geld nur zum umlaufenden Capitals. Denn dieſer (Inquiry II. 22.)
zählt es zum ſtehenden, weil es wie dieſes Unterhaltungskoſten für die Nation er-
heiſcht, die ihrem Gebrauchsvorrathe entzogen werden, und (II. 11.) als allgemeines
Umlaufsmittel und Theilungsmaaß zum umlaufenden. Es kann als Privatcapital
Leih- und Werbcapital ſein, und erſcheint daher, weil es, in der Privatwirthſchaft
unproductiv angehäuft, ein todtes Capital iſt, in jener nur als umlaufendes
36 *
[564/0586]
¹⁾ Capital. Für die Volkswirthſchaft hat es, als ſtets ſeiner Natur gemäß angelegt,
auch die Eigenſchaften des ſtehenden Capitals. Lauderdale (Inquiry chap. IV.
oder S. 46. u. 47. der deutſchen Bearbeitung) widerlegt dieſe Smith'ſche Anſicht
keineswegs damit, daß er zeigt, daß das Geld nützlich iſt, indem es den Handel
befördert. Das hat A. Smith nie geläugnet. S. auch Lotz Handbuch. I. 67.
Wichtig iſt aber das Verhältniß beider Capitalien gegen einander. S. Rau polit.
Oeconom. I. §. 131.
²⁾ Dieſe Begriffe werden in der Regel ſehr ſchlecht aufgefaßt und unterſchieden.
Es iſt aber kein Schriftſteller über dieſe Begriffe ſo verwirrt, als wie Krauſe
Verſuch eines Syſtems der National- und Staatsöconomie. I. §. 43. 44. 135. 136.
191. Dieſe Irrthümer rühren wohl ohne Zweifel von der Garve'ſchen Ueberſetzung
des Smith'ſchen Buches her (§. 31. N. 1). Er überſetzt z. B. die Stelle: As
the accumulation of stock is previously necessary for carrying on this great im-
provement in the productive powers of labor, so that accumulation naturally
leads to this improvement (Inquiry II. 3.) ganz kurz und bündig: „Der geſam-
melte und aufbewahrte Vorrath von Dingen, die einen Werth haben, iſt, was ich
Capital nenne.“ Dann die Stelle: The great stock of any country or society in
the some with that of all its inhabitants or members (Inquiry II. 8.) mit fol-
genden Worten: „Das Capital eines Landes oder einer bürgerlichen Geſellſchaft iſt
nichts anders, als die Summe alle Capitalien der einzelnen Einwohner“ (Garve
II. 20.), obſchon A. Smith (II. 5.) genau zwiſchen Stock (Vermögen) und Ca-
pital unterſcheidet.
³⁾ Das Nationalcapital beſteht alſo 1) aus den im §. 55. 4. genannten Be-
ſtandtheilen, ausgenommen die unter h genannten Privilegien u. dgl., weil dieſe
blos dem Bürger gegen Bürger zuſtehen; 2) aus den Arbeitsthieren in den Ge-
werben; 3) aus den Nutzthieren in der Viehzucht; 4) aus den Unterhaltungskoſten
dieſer Capitalien und der wirthſchaftlichen Arbeiter; 5) aus allem im Auslande
angelegten Gelde in Anleihen; 6) aus allen vom Staate, Stiftungen, Geſellſchaften
und Gemeinden zur öffentlichen Benutzung im Gewerbsweſen errichteten Anſtalten
und Gebäuden, nebſt Unterhaltungskoſten, z. B. Lagerhäuſer, Häfen, Dotation von
Induſtrievereinen u. dgl.; 7) aus dem auf Straßen-, Brücken-, Canalbau u. dgl.
verwendeten Capitale in Geld oder Natura; 8) aus den Frachtgeräthen und deren
Unterhaltungskoſten, inſoferne ſie nicht ſchon unter einer von jenen Rubriken ent-
halten ſind. Hermann a. a. O. III §. 11. rechnet daher mit Unrecht die Kund-
ſchaften und Dienſtleiſtungen ohne weiteres zum Nationalcapitale.
⁴⁾ Lauderdale (Inquiry chap. IV. oder S. 51 folg. der deutſch. Bearbeitung)
ſucht zu beweiſen, daß die Sparſamkeit keine Güterquelle ſei. Seine Durchführung,
obſchon ganz unrichtig, iſt nicht ohne Scharfſinn. S. dagegen Lotz Handb. I. 210.
Rau polit. Oeconom. I. §. 133. u. 134.
⁵⁾ Jeder Erwerb iſt eine Production für das Privatvermögen, aber noch
kein Gewinn für das Volksvermögen, welches blos durch eigentliche Production
vermehrt werden kann.
⁶⁾ Alſo ſind überhaupt Quellen der Entſtehung des Capitals a) Natur, Arbeit
und Capital; b) Erſparniſſe an Capitalaufwand und Gebrauchsvorrath; c) Ent-
wickelung neuer einträglicher Verkehrsverhältniſſe im Naturgange des Verkehrs,
durch Gewohnheit und Geſetz. Ob das Wachſen des Tauſchwerthes der Capitalien
zufolge der Erhöhung ihrer bisherigen oder zufolge der Erfindung einer neuen
Nutzung eine Vermehrung der Capitalien ſei, wie Hermann Unterſ. S. 295. §. 6.
geradezu annimmt, das muß bezweifelt werden, weil nicht der wirkliche Ertrag
nach ſeiner Größe, ſondern blos die productive Verwendung überhaupt den Begriff
von Capital bildet.
⁷⁾ Die im Ackerbaue einerſeits, und im Handel und Gewerksweſen anderſeits
angewendete Geſammtkraft, reducirt auf Menſchenkräfte im Mannesalter, wurde
für Frankreich und Großbrittannien folgendermaßen angeſchlagen:
[565/0587]
⁷⁾
(Nach Duvin und Brougham in der Schr. die Reſultate des Maſchinenweſens,
überſetzt von Rieken S 271 folg.)
⁸⁾ Die vortheilhaften Wirkungen der Maſchinen ſind folgende: a) die menſch-
liche Kraft wird durch ſie erweitert, Zeit erſpart und es werden Stoffe geringen
Werthes benutzt, überhaupt mehr Producte geliefert als ohne ſie; b) die Erzeugniſſe
werden meiſtens vollkommener und werthvoller, als ohne ſie; c) es werden durch
ſie Arbeiten verrichtet und den Kräften Richtungen gegeben, welche der Menſch mit
Werkzeugen nicht leiſten und nicht veranlaſſen könnte; d) ſie verrichten ſchwere,
langweilige und ungeſunde Arbeiten, welche der Menſch nicht ohne Schaden und
Unvollſtändigkeit thun könnte, in kurzer Zeit weit vollkommener ohne ſchädliche
Folgen für die Menſchen; e) ſie veranlaſſen Erſparniſſe an Material; und f) be-
wirken eine Wohlfeilheit der Producte, die ohne ſie nicht erreichbar wäre. (Bab-
bage Maſchinenweſen. Kap. 1–11. Brougham, die Reſultate des Maſchinen-
weſens. Kap. 1–18. Edinburgh Review (a. 1833. April) p. 17. Kunth, Ueber
Nutzen oder Schaden der Maſchinen. Berlin 1824 und nationalöconom. Schriften.)
Die Gegner dieſer Anſicht (hauptſäch simonde de sismondi Nouv. Principes. I. 365.
II. 312. Fix Revue mensuelle d'Econ. polit. (a. 1834 Janvier) p. 73 sqq.)
geben dieſe Vortheile im Allgemeinen zu, aber ſie machen dagegen die Arbeitsloſig-
keit, Armuth, das Verderbniß der Geſundheit ſchon in der Jugend, die intellectuelle
und moraliſche Verſunkenheit der Fabrikarbeiter, das Steigen der Armenſteuern
und die Anfüllung der Gefängniſſe als unbeſtreitbare Erfahrungen geltend. Allein
man vergl. dagegen das im §. 312. u. 375. Geſagte und es wird ſich bei näherer
Unterſuchung ergeben, daß jene Erſcheinungen (namentlich in England, woher die
Erfahrung auch entlehnt iſt) noch ſo viele andere Urſachen in den Veränderungen
der Verfaſſung und Verwaltung haben, daß die Maſchinen dagegen faſt ganz ver-
ſchwinden müſſen. Leider würde es hier zu weit führen, wenn man ſie auseinander
ſetzen wollte. Daher vergeſſe man nicht, dabei zu überlegen, a) daß die arbeitende
Klaſſe auch conſumirt, und dies um ſo leichter, je wohlfeiler die Artikel ſind;
b) daß ſie zum Theile neben den Maſchinen und vielfach in andern Gewerben
Arbeit finden kann; c) daß bet ſteigendem Wohlſtande immer wieder neue Dienſte
entſtehen, wobei ſie Anſtellung finden kann; d) daß ſich die durch Maſchinen allein
entſtandenen Uebelſtände in einiger Zeit wieder ausgleichen; e) daß die Theuerheit
vieler Maſchinen ihrer Anwendung Gränzen ſetzt, und f) daß der Staat keine
unklugen Mittel zur Abwehrung ſolcher Uebel, wie z. B. Armentaxen, ergreifen
ſoll, weil dieſe die Sache nur verſchlimmern. S. say Cours I. 377. Ueberſ. von
v Th. I. 283. storch Cours, überſetzt von Rau. I. 287. say Lettres à M.
Malthus, notamment sur les Causes de la stagnation générale du Commerce.
Paris 1820. Ueberſ. von Rau. Hamburg 1821. S. 158. Ganilh, Des systemes
d'Econ. polit. I. 201. Dict. technologique. I. p. XLIII. Murhard Theorie des
Handels. S. 117. Hundeshagen Zeitbedürfniſſe. I. 134. Lotz Handb. I. §. 44.
[566/0588]
⁸⁾ S. 220. Rau polit. Oeconom. I. §. 118. 400–404. Mac-Culloch Principles.
p. 99–101. 165 sqq. Ueberſ. von v. Weber. S. 77–79. 130 folg.
III. Das Einkommen des Volkes.
§. 411.
Es laſſen ſich in dieſer Hinſicht die nämlichen Unterſcheidungen
in Bezug auf das Volk und ſein Vermögen machen, welche oben
im §. 56. und §. 62. gemacht ſind. Nur iſt zu bemerken, daß ein
Volk nur durch Production ein reines Einkommen bezieht, da der
Gewinnſt im auswärtigen Handel auch nur mittelſt der eigenen
Production und productiven Mittel gemacht wird1). Die Berech-
nung des Volkseinkommens, ſo ſchwierig ſie auch iſt, erſcheint
immer als ſehr wichtig, weil ſie zu verſchiedenen Zwecken der
Staatsverwaltung gebraucht wird. Man hat dazu zwei Haupt-
methoden. Entweder rechnet man die erzeugten rohen Stoffe eines
Zeitabſchnittes zuſammen, ſchlägt die Werthserhöhung der ver-
arbeiteten durch die Gewerke zu, verbindet dieſe Summe mit jener
der Einfuhr aus dem Auslande, und zieht dann von dieſer ganzen
Maſſe den Lebensunterhalt aller wirthſchaftlich arbeitenden Fami-
lien, die Hilfsſtoffe, die Abnutzung des ſtehenden Capitals und die
Ausfuhr ins Ausland ab, — oder man rechnet das reine Ein-
kommen aller wirthſchaftlichen Arbeiter, aller Gewerbsunternehmer,
aller Grundeigenthümer und aller Capitaliſten zuſammen2). Das
Reſultat iſt in beiden Fällen das reine Einkommen, deſſen Größe
aber für ſich eben ſo wenig als der Wirthſchaftsüberſchuß ein
Kennzeichen des Volkswohlſtandes iſt3).
¹⁾ Rau polit. Oecon. I. §. 68–72 Derſelbe nennt (§. 70.) „diejenigen
Einnahmen, welche einer öfteren Wiederholung aus derſelben Quelle fähig, alſo
nicht blos eingetauſcht, geliehen, geſchenkt ꝛc. ſind,“ das rohe oder Brutto-
einkommen, eine Definition, um welche die erſte Ausgabe ärmer iſt. Allein wie
kann die Möglichkeit der öftern Wiederholung aus der nämlichen Erwerbsquelle,
etwas ſo Prekäres, einen Unterſchied zwiſchen Roh- und Rein-Einkommen bilden,
da das Leztere auch aus einer Quelle mehr als einmal glücklicherweiſe wiederholt
werden kann und jenes angebliche Criterium nicht einmal einen Unterſchied zwiſchen
Erwerb und Geſchenk oder Fund u. dgl. begründet! Das rohe Einkommen in der
allgemeinen Bedeutung iſt eben die Geſammteinnahme mit bloßem Bezuge auf ver-
ſchiedene Quellen, — im beſondern Sinne des Erwerbes iſt es das Geſammt-
product einer Erwerbsart, ſei dieſe von Privaten, Stiftungen, Geſellſchaften,
Gemeinden, dem Volke oder dem Staate gedacht. Das Einkommen in Bezug auf
die wirkliche Erhöhung des Vermögens gedacht, — da dieſe nur nach Erſtattung
der Auslagen möglich iſt — erſcheint als Reineinkommen. S. A. Smith Inquiry.
II. 18. v. Jacob Nat. Oecon. §. 682. Hermann Unterſuch. Abth. VII. §. 2.
S. 299. (Was nützt aber wohl die Unterſuchung des Letztern, ob Einnahme
oder Einkommen der Gattungsbegriff ſei? —).
²⁾ Beiſpiele von beiden Methoden bei Rau polit. Oecon. I. §. 247. u. 248.
S. auch Fulda über das Nationaleinkommen. Stuttgardt 1805. Wenn man nach
der erſten Methode nicht blos die Werthserhöhung der verarbeiteten Rohſtoffe,
[567/0589]
²⁾ ſondern das ganze Product der Gewerke mit einrechnet, ſo müſſen außer den
Hilfs- auch noch die Verwandlungsſtoffe mit abgezogen werden. Genau wird die
Berechnung nie werden, weil die Nationalinduſtrie keinen Halt macht, ſondern be-
ſtändig fortgeht. Die Berechnung Hermanns (Unterſuch. VII. §. 5. 8. 10),
welcher nach ſeinem Begriffe von Einkommen auch immaterielles mit einrechnet,
leidet an Unrichtigkeiten. Er ſieht das Volkseinkommen an als beſtehend a) aus
dem Einkommen ſämmtlicher Privatwirthſchaften aus wirthſchaftlichen Quellen, b) aus
dem Einkommen des Staats, der Gemeinden, Corporationen und Stiftungen aus
eigenthümlichem Vermögen, nachdem er ſchon §. 8. S. 306. das Steuereinkommen
des Staats, weil der Bürger dafür in den Staatsvortheilen Vergeltung erhalte,
zum Volkseinkommen gerechnet hat, und c) aus unmittelbaren Nutzungen von
Gütern. Es bleibt daher nach ihm außer Anſatz a) das Einkommen aus nicht
öconomiſchen Quellen, b) der Schuldzins zwiſchen Privaten und c) der Schuldzins
des Staats an Inländer. Allein von unkörperlichen Gütern können nur die imma-
teriellen Producte des Capitals zum Einkommen gezählt werden, aber niemals die
bloßen Genüſſe, alſo z. B. die Nutzung der Wohn- und Werkhäuſer, Maſchinen
u. dgl., aber nicht das verzehrte Fleiſch, Brod, Bier u. dgl.; das Einkommen des
Staats, der Gemeinden, Corporationen und Stiftungen aus Abgaben und Steuern
iſt blos Folge des Beſitzwechſels, aber deßhalb kein Volkseinkommen, und der Um-
ſtand der Vergeltung würde die zu zahlende Steuer eher noch zu einem Capitale
(Auslage) als einer Einnahme ſtempeln, ſelbſt wenn die Staatsvortheile wirth-
ſchaftliche Güter wären, wie ſie es nicht ſind; Schuldzinſen zwiſchen Inländern ſind
nur dann Theil des Volkseinkommens, wenn die Capitalien productiv verwendet
ſind; die von Ausländern bezahlten gehören aber jedenfalls dazu. S. simonde de
sismondi Nouveaux principes I. 86. 90. II. 376.
³⁾ Es kommt vielmehr auf die Vertheilung deſſelben unter die Mitglieder der
Nation an. Daher iſt in der Volkswirthſchaft das rohe Einkommen von großer
Bedeutung, weil in ihm der Unterhalt der Arbeiter im Wirthſchaftsweſen enthalten
iſt. Rau a. a. O. §. 249. meint, es werde aus ihm der Unterhalt der ganzen
arbeitenden Klaſſe beſtritten. Allein dies iſt irrig, wenn er es anders verſtanden
hat, als in dem Sinne, daß blos die Gewerbs- und hauswirthſchaftlichen Arbeiter
dadurch erhalten werden, dagegen alle anderen Dienſtleiſtenden ihre Einnahmen aus
dem reinen Volkseinkommen beziehen. Jedoch Rau beſchuldigt daſelbſt auch Ricardo
(Principles chap. 26), derſelbe lege auf das rohe Volkseinkommen gar kein Gewicht
und halte nur das reine für volkswirthſchaftlich bedeutend. Allein was jener und
simonde de sismondi (Nouveaux principes I. 153) gegen eine ſolche Anſicht ein-
wenden, das trifft Ricardo gar nicht. Er iſt mißverſtanden. Er nimmt an, das
rohe Volkseinkommen ſei wegen der Menge beſchäftigter Arbeit ſehr wichtig, und
fragt dann, welcher Vortheil denn entſtehe aus der Anwendung einer großen Menge
von productiver Arbeit, wenn, ein Land möge dieſe oder eine noch größere Menge
anwenden, ſeine Rente und Gewinnſte zuſammen die nämlichen bleiben; da der
Arbeitslohn eine Folge der Nothwendigkeit ſei, ſo müſſe es auch ganz einerlei ſein,
ob die Nation aus 10 oder 12 Mill. Menſchen beſtehe, denn ihre unproductive
Arbeit müſſe in Proportion zum reinen Einkommen ſtehen und wenn 5 Mill. Men-
ſchen den Unterhalt für 10 Mill. producirten, ſo ſei dies nicht anders, als wenn
7 Mill. denſelben für 12 Mill. hervorbrächten. Ricardo erklärt alſo das rohe
Volkseinkommen keineswegs für unweſentlich, ſondern er ſagt, daſſelbe ſetze eine
beſtimmte Anzahl productiver Arbeiter ſchon voraus, die bezahlt werden müſſe,
um leben zu können, und die vorhandene Anzahl von Arbeitern in den productiven
Beſchäftigungen müſſe als nothwendig angeſehen werden, denn ſonſt wäre ſie nicht
beſchäftigt; ſo ſei die Ausgabe für dieſe eine nothwendige, jene für die unproduc-
tiven Arbeiter richte ſich nach dem reinen Einkommen. Ricardo kann dies nicht
anders verſtehen, weil er die Vortheile eines Geſchäftes für die Nation in der
Menge der in Bewegung geſetzten productiven Arbeit und in dem erfolgenden Rein-
ertrage findet und dieſe Anſicht im a. Cap. gegen A. Smith geltend macht, gegen
welchen er aber inſoweit Unrecht hat, als er von ihm meint, er ſei einer andern
Anſicht (§. 406. N. 3.). Vergl. aber auch Ganilh Des systemes. I. 213., der die
Anmerkung von say zu Ricardo in der französischen Uebersetzung angreift, um
Letzteren zu vertheidigen.
[568/0590]
Zweites Stück.
Von der Vertheilung des Volksvermögens
und -Einkommens.
I. Von dem Güterumlaufe.
§. 412.
A. Allgemeine Betrachtung deſſelben.
Wie im vorigen §. gezeigt iſt, hat die Größe des Einkommens
einer Nation gar keine beſondere Bedeutung zur Erforſchung des
wirthſchaftlichen Volkswohlſtandes, ſo lange man den Antheil nicht
erwägt, welchen die Mitglieder der Nation daran haben. Wer
zur Hervorbringung wirthſchaftlicher Güter mitwirkt, der hat
einen danach verhältnißmäßigen Anſpruch auf einen Theil des Pro-
ductes, und wer wirthſchaftlich unproductive Dienſte leiſtet, der
verlangt von dem Einkommen Anderer eine Belohnung. Außer
dieſen gibt es aber noch Perſonen, welche, ohne mitzuarbeiten,
erhalten werden müſſen, ſei es für früher geleiſtete oder ſpäter
noch zu leiſtende Dienſte u. dgl.1). Das erworbene Vermögen und
die producirten Güter vertheilen ſich daher in verſchiedenen
Theilen unter die Mitglieder der Nation. Dies iſt die Verthei-
lung2). Sie kann aber nicht gedacht werden, ohne daß die Güter
die Beſitzer und Eigenthümer wechſeln. Dieſe Veränderung ver-
urſacht der Güterumlauf (Circulation)3). Was man für die Gü-
ter, Nutzungen und Leiſtungen, welche man andern überläßt und thut
und welche alſo umlaufen, bekommt, iſt der Preis. Auf dieſem
Wege und mit dieſen verſchiedenen Hilfsmitteln kommt dem Ein-
zelnen ſein Einkommen zu, allein die Einkommenszweige ſind
verſchieden nach der Art und Anwendung der Güterquellen. Folg-
lich muß die Lehre von der Vertheilung der Güter oder von dem
Erwerbe der Einzelnen in der Volkswirthſchaft über dieſe drei
letzteren Verhältniſſe ſprechen.
¹⁾ Es haben daher am Volkseinkommen Antheil a) die Eigenthümer von
Grundſtücken, Bergwerken, Gruben und Brüchen; b) die Capitaliſten; c) die
Gewerbsunternehmer; d) die Dienſtleiſtenden aller Art; e) und Perſonen, welche
ohne Gegenleiſtung erhalten werden, z. B. Greiſe, Kranke, Kinder u. dgl.
²⁾ S. R. Jones An Essay on the Distribution of Wealth and sources of
Taxation. London 1831. Rau polit. Oecon. I. §. 140. (§. 152. der I. Ausg.)
Lotz Handb. I. 306. Gioja Nuovo Prospetto. III. Tom Mac-Culloch Principles.
p. 210. Ueberſ. von v. Weber. S. 166. Mill Elements p. 27. say Cours.
IV. p. 55. Ueberſ. von v. Th. IV. 42. storch Cours. Ueberſ. von Rau. I. 173.
III. 296. Ein merkwürdiges Beiſpiel ſchlechter Güter- und Einkommensvertheilung
gewährt Frankreich vor der vorletzten Revolution a. 1789. Es bezog die Geiſtlich-
keit (316,038 Köpfe) 405 Millionen Liv., wovon ſie 27½ Millionen frs. Abgaben
[569/0591]
²⁾ zahlte; der Adel (150,000 Köpfe) 286 Millionen Liv., und nach Abzug der Steuern
u. dgl. 225 Millionen; endlich aber der dritte Stand (24,000,000 Köpfe) 960 Mill.
Liv., wovon er aber an Abgaben verſchiedener Art 936,100,000 Liv. bezahlen
mußte. (Nach Moreau de Jonnés im: Ausland v. J. 1833. Nr. 161.)
³⁾ Die Lebhaftigkeit des Umlaufes richtet ſich nach der Menge und Häufigkeit
von Verhandlungen über Güterüberträge, Nutzungsverträge und Dienſtverträge in
einer Periode. Mit Zunahme der Production, der Lebhaftigkeit des Handels und
Verkehrs, und mit der Vergrößerung der Bevölkerung ſteht ſie in geradem Ver-
hältniſſe. S. Rau polit. Oeconom. I. §. 252. simonde di sismondi Nouveaux
Princip. II. 7. Richesse commerciale. I. 225. Galiani Della Moneta. II. 135.
Genovesi Lezione di Economia civile. III. 28. = Economisti P. mod. Tomo IX.
Beccaria Elementi di Econom. publ. II. 68. = Economisti. P. mod. Tomo XII.
Verri meditazioni. pag. 154. solera sur les Valcurs = Economisti. P. mod.
Tomo 46. pag. 322.
§. 413.
B. Umlaufsmittel. 1) Das Geld. a) Metallgeld.
Die Mittel, welche den Umlauf befördern, ſind das Geld und
der Kredit. Denn jenes iſt dasjenige ſachliche Gut, welches man
allenthalben anbringt und als Gegengabe für alle Güter, Nutzungen
und Leiſtungen gebrauchen kann, während dieſer die Verkehrsge-
ſchäfte erleichtert. Die nationalöconomiſchen Unterſuchungen über
das Geld beziehen ſich überhaupt auf deſſen Geſchichte, Werth
und Umlauf1). Die Entſtehung des Geldes überhaupt gehört in
die Urgeſchichte der Völker (§. 60.), als man ſchon ſo weit mit
der Theilung der Beſchäftigungen vorgeſchritten war, daß ſich ein
etwas lebhafterer allgemeiner Tauſch erhob. Doch beginnt der be-
deutendere Abſchnitt der Geſchichte des Geldes erſt mit der Ent-
ſtehung des Metallgeldes. 1) Geſchichtliches über das Me-
tallgeld. Obſchon man nicht beſtimmen kann, wann überhaupt
in der Geſchichte der Menſchheit das Metallgeld entſtanden ſei, ſo
zeigt doch die Geſchichte ſpäterer Völker und die geographiſch
ſtatiſtiſche Forſchung ſpäterer Zeit nicht blos, daß überhaupt nach
den Fortſchritten der Menſchen in der Civiliſation das Metall erſt
zu Geld gebraucht wird, nachdem vorher ſchon andere weniger
brauchbare Stoffe dazu gedient haben, ſondern auch, daß die
Völker mit der ſteigenden Lebhaftigkeit des Güterumlaufes unter
den Metallen nach einander ſtets dasjenige herauswählen, welches
der Schnelligkeit des Umlaufes am meiſten entſpricht2). 2) Werth
des Metallgeldes. Auch hier iſt die Unterſcheidung der zwei
Hauptbeziehungen des Werthes äußerſt wichtig. Das Metallgeld
dient als Umlaufsmittel und als Preismaaß, und nach dem
Grade ſeiner Tauglichkeit hierzu bemißt man die Höhe ſeines
Gebrauchswerthes. Dieſer doppelte Gebrauch des Geldes iſt
es, warum das Metall die meiſten Eigenſchaften hat (§. 327.),
[570/0592]
um als Geld verwendet werden zu können3). Die Lebhaftigkeit
des Güterumlaufes oder vielmehr die Urſachen derſelben erheiſchen
verſchiedene Leichtigkeit des Umlaufsmittels, um mit der geringſten
Mühe und mit dem wenigſten Zeitaufwande die größten Werthe
umzuſetzen. Daher kommt es auch, daß mit den Hauptperioden
im Steigen der Civiliſation auch immer eine neue Erſcheinung im
Geldweſen ſich herausſtellt, indem die Nationen ſtets das nächſt
werthvollere Metall als Umlaufsmittel gebrauchen4), ſich aber
auch zugleich nur eines Metalles als Hauptumlaufsmittels bedie-
nen und die andern blos als Ausgleichungsmittel von Bruchtheilen
oder kleineren Werthen benutzen. Denn ſo wie jedes Maaß, ſo
muß auch das Preismaaß eine möglichſt unveränderliche Einheit
ſein. Allein wenn auch die Wahl des Geldmateriales nach dem
Gebrauchswerthe getroffen iſt, ſo bleibt immer der Tauſchwerth
des Metallgeldes dasjenige Moment, woraus ſich eine große Menge
von Erſcheinungen im Völkerverkehre erklären läßt, weil ſeine
Veränderungen die Urſachen derſelben ſind. Derſelbe richtet ſich
nach der Menge von Schaffungsarbeit, welche auf das Geldmetall
und Metallgeld verwandt wurde5), und nach der Seltenheit oder
Menge, in welcher beide zu haben ſind6). Da dieſe Verhältniſſe
in verſchiedenen Ländern und Zeiten verſchieden ſind, ſo muß es
auch der Tauſchwerth des Metallgeldes daſelbſt ſein7). 3) Der
Umlauf des Metallgeldes. Derſelbe kann nur als die Folge
der Wirthſchaftsverhältniſſe der Völker betrachtet werden, weßhalb
ſich ſeine Lebhaftigkeit nach jener des allgemeinen Güterumlaufes
richtet. Je dichter die Bevölkerung, je raſcher die Production,
je größer der Reichthum und je höher die Manchfaltigkeit von
Gütern, Nutzungen und Leiſtungen iſt, deſto lebhafter und ſchneller
iſt der Geldumlauf. Kommt nun noch hinzu, daß verhältnißmäßig
wenig Geld vorhanden iſt, ſo muß unter übrigens gleichen Um-
ſtänden jedes Geldſtück ſchneller von Hand zu Hand gehen, wäh-
rend umgekehrt der Umlauf der Geldſtücke neben reißendem allge-
meinen Güterumlaufe abnehmen kann, ſobald ſich die Geldmenge
über den wahren Bedarf vermehrt. Aus dieſen Schwankungen
geht aber dann auch hervor, daß man weder die wirkliche
noch die erforderliche Geldmenge für eine Nation8) genau be-
ſtimmen kann, namentlich da man neben dem Metallgelde noch
andere Umlaufsmittel und andere Wege hat, gegenſeitige For-
derungen ohne Baarſchaft auszugleichen9).
¹⁾ Zur Literatur, außer den im §. 326. N. 1. erwähnten Schriften: A. smith
Inquiry. I. 33. II. 17. steuart polit. Economy. Book III. say Cours. II. 352.
Ueberſ. von v. Th. II. 262. storch Cours, Ueberſ. von Rau. I. 415. simonde
[571/0593]
¹⁾ de sismondi Richesse commerciale. I. 126. Mill Elements of polit. Econ, p. 128.
Thom. smith An Attempt to define etc. pag. 19. Torrens On the production of
Wealth. p. 290. Mac-Culloch Principles. p. 138. Ueberſ. von v. Weber. p. 109.
Deſſelben Dictionary of Commerce Deutſche Bearbeitung von Richter Bd. I.
S. 702. Hermann Unterſuch. S. 109. Rau polit. Oeconom. I. §. 257. Lotz
Handb. I. 66. 473. Krauſe Verſuch eines Syſtems. I. 129. Babbage Ma-
ſchinenweſen. Kap. 14. S. 120. Hufeland Grundlegung. Thl. II. v. Soden
Nat. Oeconomie. II. Bd. 3. Buch. S. 295. v. Ekendahl Allgem. Staatslehre.
II. 499. Pölitz Staatswiſſ II. 109. 232. Spittler Vorleſ. über Polit. S. 392.
Nebenins der öffentl. Credit. I. 89. 188. Gioja Nuovo Prospetto. III 58. 76.
Belloni Dissert. sopra il Commercio. = Economisti. P. mod II. p. 39. Genovesi
Lezioni di Econom. civile. II. 291. = Economisti P. mod. VIII. Beccaria Ele-
menti. II. 7. = Economisti. P. mod. Tom. XII. Verri Meditazioni sull' Econ.
politica. pag. 16. 164. = Economisti. P. mod. XV. Deſſelben Dialogo sul
disordine delle Monete dello stato di Milano nel anno 1762 und Consulta sulla
Riforma delle Monete dello stato di Milano, nel anno 1772 = Economisti. P.
mod. Tom. XVI 164. 290.
²⁾ Dies kann von allen Völkern, deren Geſchichte weit genug hinausreicht,
bewieſen werden. Von den Etruskern und Doriern in Italien und Sicilien, von
den Römern und Deutſchen, und von ſämmtlichen abendländiſchen andern Völkern
iſt es bewieſen (O. Müller, die Etrusker. I. 303. Deſſelben Dorier. II. 214.
Schulz, Grundlegung zu einer geſchichtl. Staatswiſſenſchaft der Römer. S. 130.
Meine Verſuche. S. 139.), daß ſie zuerſt Erz oder Kupfer und Eiſen, und dann
erſt Silber und Gold zu Metallgeld nahmen. Die älteſten bekannten Völker hatten
Silber, und beſonders Gold in Ueberfluß, allein nicht als Geld, ſondern bei dem
vorherrſchenden Tauſchhandel als Waaren; als ſolche oder als ein Naturale wurde
es nebſt andern Naturalien auch als Steuer bezahlt. So in Aſien überhaupt und
in Perſien (Heeren Ideen. I. Bd. 1. Abthl. S. 78. 360. nach Herodot. III.
95. 96.), bei den Phöniziern und Babyloniern (Heeren Ideen. I. Bd. 2te Abthl.
S. 90. 138.). Die Karthager hatten Gold- und Silbermünzen (Heeren Ideen.
II. Bd. 1te Abthl. S. 112. 144.) und Gold war ein Hauptgegenſtand ihres Han-
dels, allein dieſes Volk ſtand in der Zeit, aus welcher man dieſe Münzen hat, auf
einem hohen Grade von Cultur und war ein Handelsvolk erſter Größe. Bei den
Aethiopiern war das Erz und bei den Aegyptiern das Gold ſehr ſelten (Heeren
Ideen. II. Bd. 1te Abthl. S. 256. 266. 295. II. Bd. 2te Abthl. S. 173. 180.).
Letztere bezogen dieſes aus dem goldreichen Aethiopien, der Handel derſelben nach
Außen war ſehr gehemmt, bis die Griechen dahin gelangten, und von ihrem Münz-
weſen weiß man nichts. Die Chineſen hatten auch Kupfer- vor den Silber- und
Goldmünzen (Buſch Handb. der Erfindungen. 4te Aufl. IX. 400.). An Rußland
ſieht man dieſe Erſcheinung noch heut zu Tage. Nur Griechenland macht den Ge-
lehrten Widerſpruch, weil die Geſchichte lehre, daß es mit Silbermünzen angefangen
hätte (Böckh, Staatshaushalt der Athener. I. 15. Müller, die Etrusker. I.
305. Heeren Ideen. III. Bd. 1te Abthlg. S. 205) und dieſe Forſchungen wen-
dete der einſichtsvolle Beurtheiler meiner Verſuche über Staatskredit in den Göt-
tinger Gelehrt. Anzeigen. Jahrg. 1833. Stück 138. gegen meine obige Behauptung
ein. Allein die Periode vom trojaniſchen Kriege (Ilions Zerſtörung a. 1209 v. Chr),
bei deſſen Erzählung Homer noch gar kein Geld erwähnt, bis zum angeblich erſten
Erſcheinen der Silbermünzen (unter König Pheidon in Aegina a. 895 v. Chr.) iſt
nicht genug erforſcht; in derſelben müßte aber das Kupfer- oder Erzgeld gegolten
haben. Dafür aber, daß in derſelben dieſes Letztere in Gebrauch war, möchte ein-
mal der Umſtand ſprechen, daß Lycurg (a. 880 v. Chr.) den Spartanern Geld aus
Edelmetall verbot, alſo ungefähr in der Zeit, als Silbergeld in andern Theilen
Griechenlands eingeführt wurde. Griechenland war damals bereits ein bedeutender
Handelsſtaat Weil nun die Städte auf der argoliſchen Küſte die Handelsplätze für
den auswärtigen Handel waren, ſo konnte ihnen ein Nationalgeſetz wie obiges nur
ſchädlich ſein und die Einführung der Silber- anſtatt der Erzwährung war für ſie
im Intereſſe von Lakonien und Arcadien nothwendig. Aus ähnlichen Gründen hatte
in Sparta blos der Staat und der König das Recht, Silbermünzen zu haben, zum
Theile, weil die politiſchen Verbindungen mit dem Auslande und die Erhaltung
[572/0594]
²⁾ der Truppen daſelbſt ſolches und Goldgeld erheiſchten, zum Theile, weil die
Perioiken, die im Beſitze des Handels waren und alſo Silbergeld haben mußten,
wohl in ſolchem die Abgaben entrichteten. S. Müller die Dorier. II. 205 folg.
213. I. 157. Wachler Archaeol. numismaria. p. 33.
³⁾ Das Metall allein hat die beſten Eigenſchaften, um für beide Zwecke
zugleich zu dienen, jedoch ſind ſeine Eigenſchaften als Umlaufsmittel beſſer denn
jene als Preismaaß. Denn die Edelmetalle erleiden ſelbſt in größeren Perioden
bedeutende Veränderungen im Preiſe, obſchon ſie von Jahr zu Jahr ſich darin ſo
ziemlich gleich bleiben. Die wichtigſten bekannten Perioden von ſolchen Veränderungen
ſind: die Entdeckung Spaniens durch die Phönicier; die Eroberung Perſiens durch
Alexander d. Gr.; die Eroberungen der römiſchen Republik im Oriente; die Völker-
wanderung; die Kreutzzüge; die Entdeckung von Weſtindien und America; jene des
Weges um das Vorgebirge der guten Hoffnung nach Oſtindien, weil dadurch der
Silberabfluß dahin begünſtigt wurde, der ſchon früher Statt gefunden hatte; die
amerikaniſche Revolution a. 1810, wobei die Bergwerke zu Grunde gerichtet wurden
(A. Smith Inquiry. I. 267. 398. Franzöſ. Ueberſ. von Garnier. V. 64. Rau
polit. Oeconom. I. §. 171. der 2ten oder §. 180. N. a. der 1ten Ausg. Galiani
Della Moneta. I. 86. Quarterly Review. Tom. 46. (a. 1830) p. 288. Meine
Verſuche. S. 161. 173. 358.). Wegen dieſer Unbrauchbarkeit der Edelmetalle, um
wenigſtens für alle Zeiten als Preismaaß zu dienen, hat ſchon A. Smith (Inquiry.
I. 44. 48. 291. Ueberſ. von Garve. I. 45. 49. 56.) danach geſtrebt, einen
möglichſt richtigen Maaßſtab des Tauſchwerthes (Exchangeable Value) und anſtatt
des Nominalpreiſes in Metall einen Realpreis der Dinge in irgend einem
andern Gute, das beſſer als Gold und Silber zum Preismaaße dienen könnte, zu
finden. Er erkannte als ſolchen Maaßſtab des Tauſchwerthes zuerſt a) die Arbeit
an, weil der Tauſchwerth der Güter für den Vertauſchenden der damit zu erfaſ-
ſenden Arbeitsmenge gleichkomme und für den Arbeiter eine gleiche Quantität
Arbeit örtlich und zeitlich gleichen Werth habe. Dieſer eben ſo einfache als richtige
Satz fand vielen Widerſpruch unter den neueren Gelehrten, aber in der That blos,
weil A. Smith mißverſtanden wurde. Kraus (Staatswirthſch. I. 84. Vermiſchte
Schriften. II. 102.), Rau (polit. Oeconom. I. §. 174. und 175. der 2ten oder
§. 183. und 184. der 1ten Ausg.), Malthus (Principles. ch. 1. sect. 6. ch. 2.
sect. 2 u. 3.), Jacob (Nat. Oeconom. S. 70. 114.), Lotz (Reviſion. I. §. 30.
31. Handb. I. S. 45.), Hermann (Unterſuch. S. 130.) und say (Traité. II. 118.
Cours. III. 3. Ueberſ. III. 3.) haben ſämmtlich eine unrichtige Vorſtellung von
jener Anſicht. Rau legt ihm die Behauptungen unter, die Arbeit ſei das Maaß
des Preiſes der Güter, man könne ſich aber wegen der Verſchiedenheit der Arbeit
nur der gemeinen kunſtloſen Arbeit dazu bedienen und es ſei daher die Arbeit nach
ihrem jedesmaligen Lohne dazu zu nehmen. Namentlich im letzten dieſer drei Sätze
ſtimmt mit ihm Kraus, v. Jacob und Hermann überein, im zweiten Mal-
thus und v. Jacob, im Erſten aber Lotz und die meiſten Gelehrten von Fach,
während Say und Hermann die Verſchiedenheit des Arbeitslohnes gegen
A. Smith geltend machen, der Erſtere zeigt, daß, wenn der Arbeitslohn ſich ver-
ändere, auch der Arbeiter indirect verſchiedene Arbeit dafür leiſte, der Andere aber
behauptet, daß die Arbeit nicht unmittelbar mit den Producten ſteige, indem auch
Capital zur Production verwendet werde, und Lotz gegen Smith einwendet, nicht
die Arbeit, ſondern der Grad der Tauglichkeit für die Menſchenzwecke beſtimme den
Werth der Güter. Allein dieſe kämpfen ſämmtlich gegen etwas, was A. Smith
nicht behauptet hat. Denn keine Stelle zeigt klarer, daß dieſer einen Unterſchied
zwiſchen Tauſchwerth und Preis macht; er erklärt die Arbeit für den Maaßſtab des
Tauſchwerthes, nicht des Preiſes; er ſagt ausdrücklich, es ſei wegen der verſchie-
denen Schwierigkeit der Arbeit und wegen der hiernach dazu erforderlichen Zeit und
Talente oft ſehr ſchwer, zwei Arbeiten mit einander zu vergleichen, weil ſich nur
hiernach ihr Werth beſtimmen laſſe, man nehme es aber im Leben nicht ſo genau,
indem die Beſtimmung darüber auf dem Markte durch das Feilſchen und Dingen
geſchehe, nach einer gewiſſen rauhen Gleichheit, welche, obſchon nicht genau, doch
hinreichend ſei zum Betriebe eines gewöhnlichen Geſchäftes; er ſagt nirgend, der
Arbeitslohn ſei das Maaß des Tauſchwerthes, noch weit weniger des Preiſes, ſon-
dern blos, gleiche Arbeit ſei in allen Zeiten und Orten für den Arbeitenden an ſich
[573/0595]
³⁾ von gleichem Werthe, — ein unbeſtreitbarer Satz, der Arbeiter mag dafür einen
höheren oder niederern Lohn erhalten, denn nicht die Arbeit, ſondern der Lohn
wechſelt; A. Smith zeigt beſſer als jeder andere die Ungleichheit des Arbeitslohns
(Inquiry. I. 104. 176. 210.); endlich darf nicht vergeſſen werden, daß er nicht
vom Maaßſtabe des Gebrauchswerthes, worüber ihn Lotz angreift, ſondern von
jenem des Tauſchwerthes ſpricht. So iſt die Anſicht der Smith'ſchen Schule zu
beurtheilen. Dieſer tritt die Ricardo'ſche Schule entgegen (Ricardo Principles.
chap. I. XXVIII. Mac-Culloch Principles. p. 214. 261. 313. 318. Ueberſ. von
v. Weber. S. 170. 208. 251. 256. Mill Elements. pag. 92. Torrens On the
production. p. 24. Auch Read Polit. Economy p. 236. ſoll, nach Hermann,
derſelben Anſicht ſein.) Ricardo (p. 8–14.) ſtimmt der Anſicht von A. Smith
bei, daß das Verhältniß zwiſchen den umzutauſchenden Arbeitsmengen die richtige
Regel für den Tauſch abgebe oder umgekehrt rückwärts geſchloſſen, daß die ver-
glichene Productenmenge einer Arbeit den relativen Werth der Letzteren beſtimme,
daß der Wechſel in der zu einer Arbeit nöthigen Geſchicklichkeit, Anlage und Zeit,
ſei ſie urſprünglich auch noch ſo ungleich, von Jahr zu Jahr ſehr unbeträchtlich ſei,
folglich auf den relativen Werth der Waaren für kurze Perioden wenig Einfluß
habe, und daß, wenn man die Arbeit als Tauſchmaaß gebrauche, nicht blos ihre
Menge, ſondern auch die dazu erforderliche Geſchicklichkeit und die Intenſität der-
ſelben zu berechnen ſei. Allein er greift denſelben (p. 4–6.) damit an, daß nicht
die für eine Arbeit im Verkehre einzutauſchende Gütermenge den Werth derſelben
beſtimme oder umgekehrt, daß die Productions- und Herbeiſchaffungsarbeit, aber
keineswegs diejenige Arbeit, über die es auf dem Markte verfügen kann, den
Tauſchwerth eines Gutes beſtimme; denn dieſe Letztere iſt fluctuirend, dagegen die
Erſtere unveränderlich. Dieſe äußerſt ſcharfſinnige Entgegnung iſt nicht blos richtig,
ſondern ſie zeigt auch wieder ſehr genau, wie man zwiſchen Tauſchwerth und Preis
unterſcheiden muß, welche beiden Begriffe A. Smith hier offenbar verwechſelt
hat, indem er den Preis der Arbeit für den Maaßſtab ihres Tauſchwerthes annahm.
In anderer Hinſicht möchte aber Ricardo Unrecht haben. Er bemerkt mit ge-
wohnter Schärfe (p. 8–10.), wenn eine noch ſo große Arbeitsmenge als früher
zur Production gewiſſer Lebensmittel geſucht werde, ſo könne ſich die Vergütung
des Arbeiters ein klein wenig verändern, und wenn dieſe früher eine gewiſſe
Quantität Lebensmittel geweſen ſei, ſo könne derſelbe jetzt nicht mehr leben;
die Lebensmittel ſeien jetzt im Werthe, nach der Productionsarbeit, geſtiegen, aber im
Werthe, nach der einzutauſchenden Arbeit, äußerſt wenig geſtiegen. A. Smith's
Anſicht könne daher nicht richtig ſein, da er behaupte, nicht der Werth der Arbeit,
ſondern jener der dafür eingetauſchten Güter habe ſich verändert, wenn jene manch-
mal mehr oder weniger Güter ertauſche. Denn Ricardo überſah wohl dabei, daß
A. Smith nicht von dem Werthe der Arbeit für Andere, ſondern von jenem für
den Arbeitenden ſelbſt ſpricht. Für dieſen bleibt gleiche Arbeit an ſich ſtets in
gleichem Werthe, obſchon der Preis dafür wechſeln kann, und wenn dies geſchieht,
ſo liegt der Grund davon im Urtheile Anderer über den Werth der Arbeit und
über jenen der hinzugebenden Güter. Mac-Culloch ſtellt dieſe Sätze auch zu-
ſammen, indem er ſehr intereſſant zeigt, daß, wenn dasjenige, was gleiche Mühe
koſte, ſich im Werthe gleich ſei und Producte von gleicher Arbeit auch gegen ein-
ander vertauſcht würden, damit noch nicht geſagt ſei, daß das Letztere auch immer
Statt finden müſſe und im Gegentheile vielmehr ſchon des Gewinnes willen mehr
Arbeit eingetauſcht werden müſſe. Man erſieht hieraus leicht, wie wenig Rau's
Einwendungen gegen dieſe Behauptungen entſcheiden. Denn, daß es kein Gut von
unveränderlichen Koſten gebe und daß ſich die Preiſe von den Productionskoſten ent-
fernen, gibt die Ricardo'ſche Schule jedenfalls zu, ohne ſich zu widerſprechen.
Daß aber die Productionskoſten nicht blos in Arbeit, ſondern auch in Capital be-
ſtehen und außer dieſen beiden auch die Natur mitwirkt, das gibt ſie eben ſo
entſchieden zu, allein ſie ſagt, das Capital ſei aufgehäufte Arbeit, und ohne dieſe
ſei die von ſelbſt vorhandene Natur nutzlos. Tiefer als die ſo eben genannten ſind
die Einwendungen von Hermann (Unterſuch. S. 132.), indem er ſagt, die
Capitalnutzung in zwei Producten könne nicht wohl gleich ſein, wenn es aber doch
ſo wäre, ſo vermöge doch die verſchiedene Arbeit nicht allein den Preis zu beſtim-
men, und wenn dieſe Sätze der Ricardo'ſchen Schule richtig wären, ſo könne es
[574/0596]
³⁾ nicht blos heißen, 2 A. Arbeit gleich 2 mal ſo viel Arbeit als A., ſondern auch
A. Arbeit ſei ſtets gleich Q. Arbeit und es ſei folglich falſch, anzunehmen, jedes
Product tauſche mehr Arbeit ein, als es ſelbſt enthalte; denn wenn A.n =
B.[FORMEL].n, ſo könne B.n nicht = A.[FORMEL].n ſein, ein Widerſpruch, der Statt
finden müſſe, wenn jeder Producent gleichen Gewinnſt verlange, und es ſei thöricht,
für n Arbeit in A ohne weitere Vergeltung [FORMEL]n Arbeit zu geben, womit man
das A ja 1¼ mal herſtellen könne. Allein die erſte Behauptung iſt durch die
Erfahrung häufig widerlegt und der andern liegt ein Mißverſtändniß zu Grunde,
an dem Mac-Culloch's Deutlichkeit nicht Schuld iſt. Als mathematiſche Sätze
ſind jene Gleichungen nicht zu läugnen, aber gerade die mathematiſchen Formeln
taugen nicht zur Erläuterung von Verkehrsgeſetzen. Durch dieſelben muß Hermann
auch läugnen, daß Jemand im Tauſche gewinne. Wer [FORMEL].n Arbeit für ein Pro-
duct von 1n Arbeit gibt, der wird berechnet haben, daß er [FORMEL].n oder noch mehr
Arbeit ſelbſt anwenden mußte, um es ſelbſt zu machen und daß es eben mehr
Gebrauchswerth für ihn hat, als ſein Product von 1n oder [FORMEL]n eigener Arbeit.
Es darf nicht vergeſſen werden, welche Umſtände noch mit dem Tauſchwerthe auf
den Preis wirken. — So weit beide Schulen über die Arbeit, als Maaßſtab des
Tauſchwerthes! A. Smith ſchlug aber als conſtanteſtes Maaß des Preiſes für
große Perioden b) das Getreide vor, oder um ſein beſonderes Beiſpiel zu ge-
brauchen, er räth an, fixirte Renten eher in Getreide als in Edelmetall feſtzuſetzen,
weil der Preis des Getreides, zwar von Jahr zu Jahr, aber keineswegs in großen
Perioden nach Durchſchnitten (§. 61. N. 4.) ſehr verſchieden, weil es ein ſtändiges
und Hauptlebensmittel der arbeitenden Klaſſe, alſo fortwährend begehrt ſei und
dieſem mit der Bevölkerung ſteigenden Begehre auch entſprochen werden könne
(Inquiry. I. 51 folg. 292 folg.). Die Wahrheit hiervon erkannte man in dieſer
Ausdehnung allenthalben an, obſchon auch dieſer Maaßſtab nicht Alles leiſtet, was
man verlangt. Allein Ricardo (Principles. p. 6–8. und p. 478 folg.) wider-
ſpricht hierüber A. Smith wieder, indem er ſagt, Gold und Silber ſei nicht
weniger dazu tauglich als Getreide, denn ihre Quantität hänge von denſelben Um-
ſtänden in der Production und im Tauſche ab, und A. Smith habe insbeſondere
mit der Behauptung Unrecht, daß Alles, nur nicht Getreide und andere Vegetabilien,
mit den Fortſchritten der Geſellſchaft theurer werde, denn auch jene haben einen
veränderlichen Werth und auch das Korn erfordere etwas Beſtimmtes, was zu ſeiner
Production nöthig ſei. Allein A. Smith hat jenes gar nicht behauptet, dies zeigt
ſeine ganze Unterſuchung über die Kornpreiſe; auch ſagt er blos, das Getreide ſei
als allgemeinſtes Bedürfniß und wegen ſeiner beſſeren Productionsverhältniſſe, vor
allen Waaren, namentlich vor Silber und Gold zum Preismaaße für große
Perioden, dieſe Letzteren aber von Jahr zu Jahr beſſer als jenes dazu zu gebrauchen.
Unterſuchungen über Getreidepreiſe ſ. bei Kraus, Aufſätze über ſtaatswirthſchaftliche
Gegenſtände. I. 267. Frohn, Ueber Cultur, Handel und Preiſe des Getreides in
Baiern. München 1799. Unger, Von der Ordnung der Fruchtpreiſe. Göttingen
1752. v. Gülich, Geſchichtliche Darſtellung des Handels ꝛc. Tabellen. II. 22.
W. Jacob, Report on the trade in foreign corn. London 1826. Rau polit.
Oeconom. I. §. 177–178. der 2ten oder § 185. der 1ten Ausg. Hermann
Unterſuch. S. 122 folg. Meine Verſuche. S. 161. 253. A. smith Inquiry. I.
376 sqq. Ueberſ. von Garnier. V 152. Möglinſche Annalen. I. (1805)
S. 275. XIII. (1824) S. 250. 269. 432. statistical Illustrations. III. Edit.
pag. 97. Tooke, On the high and low Prices. Lond. 1823. II T. Eine Anlei-
tung zum Gebrauche des Getreides als Preismaaß ſ. m. unter Andern bei Her-
mann a. a. O. S. 117 folg.
⁴⁾ Erſt auf Blei, Eiſen, Erz und Kupfer folgte nach allgemeinen Reſultaten
geſchichtlicher Forſchung, Silber und Gold. Immer wird Eines als vorherrſchendes
Umlaufsmittel und Preismaaß gelten. Da Gold nicht mehr für die Umſätze hin-
reichte, ſelbſt nachdem man es ſchon in Barren (Stangen) brauchte, entſtand das
Wechſelinſtitut, das Papiergeld, und manche andere auf Kredit beruhende Umſatz-
und Ausgleichungsmittel.
⁵⁾ In dieſer Hinſicht bleibt er ſich ſo ziemlich gleich, weil auch die Gewin-
nungsarbeit ſo ziemlich dieſelbe bleibt.
[575/0597]
⁶⁾ Dies findet nach den oben angegebenen Prinzipien des Tauſchwerthes Statt
(§. 402.). Die in einem Lande vorhandene Geldmenge regulirt ſich aber immer
ſo viel als möglich nach dem Bedarfe daran. Iſt a) zu viel in demſelben, ſo ſinkt
ſein Tauſchwerth, ſo wie der des Metallgeldes, und der Tauſchwerth der anderen
Waaren, Nutzungen und Leiſtungen ſteigt relativ gegen jenen, wenn er an ſich auch
nicht größer geworden iſt, d. h. man gibt mehr Edelmetall oder Metallgeld dafür,
als zuvor und dadurch wird das Ausland angezogen, in dieſem Lande Waaren gegen
Gold abzuſetzen und dieſes mitzunehmen, was ſo lange fortgeht, bis das Gleich-
gewicht wieder hergeſtellt iſt. Iſt b) zu wenig in demſelben, ſo ſteigt ſein Tauſch-
werth und jener des Metallgeldes, woraus ein relatives Sinken des Tauſchwerthes
der andern Waaren, der Nutzungen und Leiſtungen entſteht, d. h. bewirkt wird,
daß man mehr Waaren u. ſ. w. für das Edelmetall und Metallgeld gibt und
wegen dieſer Wohlfeilheit der Güter, Nutzungen und Leiſtungen das Ausland zum
Eintauſche mit ſeinem Gelde angezogen wird, bis das Gleichgewicht: abermals her-
geſtellt iſt. Iſt c) zu viel Metallgeld im Verhältniſſe zu dem anderweitigen Ver-
brauche der Edelmetalle vorhanden, ſo finden nicht blos die Erſcheinungen unter a
Statt, ſondern es wird auch Metallgeld eingeſchmolzen, bis das Gleichgewicht wieder
hergeſtellt iſt, da der Tauſchwerth des Metallgeldes gegen jenen des Edelmetalls
gefallen, alſo jener des Letzteren geſtiegen war. Iſt aber d) zu wenig Metallgeld
im Verhältniſſe zum übrigen Verbrauche des Edelmetalls vorhanden, ſo ſteigt ſein
Tauſchwerth gegen jenen des Letzteren und es treten nicht die Erſcheinungen von b
ein, ſondern man wendet die Edelmetalle von ihrem andern Gebrauche jetzt mehr
ab, und der Münze zu, bis auch hier wieder das gehörige Verhältniß beſteht.
Man darf ſich aber nicht vorſtellen, als ob dieſe Veränderungen ohne Hinderniſſe
raſch auf einander folgten. Es gibt im Gegentheile allerlei entgegenwirkende Um-
ſtände, welche dieſe Erſcheinungen zwar nicht unmöglich machen, aber doch aufhalten.
Es gehören hierher a) die Aus- und Einfuhrverbote; b) die Auslagen, welche mit
der Waaren- und Metallſendung von einem Lande zum andern verbunden ſind,
und alſo den Preis derſelben erhöhen; c) der Umſtand, daß an ſich die Erſcheinung
der Waaren und Metalle auf dem vortheilhaften Markte nicht auf einmal erſcheinen
und folglich in einem Lande in verſchiedenen Bezirken und bei verſchiedenen Waa-
ren, Nutzungen und Leiſtungen eine Miſchung obiger Erſcheinungen eintreten kann;
d) der Umſtand, daß bei hohen Preiſen die Concurrenz der Producenten, Handels-
leute, Ausleihenden und Dienſtleiſtenden zunimmt und eine Verminderung der Preiſe
dadurch veranlaßt wird, die dem erſteren Grunde der Erhöhung wieder einigermaßen
entgegenwirkt, und daß bei niedrigeren Preiſen, Nutzungen und Leiſtungen ein
Streben entſteht, die Production zu verbeſſern und ſich verhältnißmäßig mehr ein-
zuſchränken, um die Güter, Nutzungen und Leiſtungen auch wohlfeiler geben zu
können, damit man von der Concurrenz nicht ausgeſchloſſen bleibe; und endlich
e) das Beſtreben der Gewerbsunternehmer, ihrerſeits der Verwohlfeilerung der
Producte, Nutzungen und Leiſtungen entgegen zu arbeiten. Allgemeiner ausdrückend
kann man alle dieſe Punkte damit zuſammenfaſſen, daß es die vielen andern Um-
ſtände, welche den freien Verkehr hindern, und diejenigen, welche den Preis
reguliren, ſind, wodurch jener Wirkung des Tauſchwerthes begegnet wird. S. auch
Rau polit. Oeconom. I. §. 268 folg. Nebenius, Der öffentliche Credit. I. 99.
storch Cours, Ueberſ. von Rau. I. 480. Ricardo Principles. pag. 481 folg.
A. smith Inquiry. II. 108. 240. Meine Verſuche. S. 74 folg. senior, Three
Lectures on the transmission of precions Metals. London 1830. Dieſe Sätze ſind
zugleich eine Widerlegung des mercantiliſchen Syſtems.
⁷⁾ Ueber die verſchiedenen Tauſchwerthsverhältniſſe von Gold und Silber in
verſchiedenen Ländern und Zeiten finden ſich Unterſuchungen in: Meinen Ver-
ſuchen. S. 93. 101. 163. 167 u. 168. Gioja Nuovo Prospetto. III. pag. 102.
Genovesi Lezioni II. 325. Galiani Della Moneta. II. p. 20. S. oben §. 328.
Note 5. Tooke a. a. O. I. 21.
⁸⁾ Berechnungen über die wirklich vorhandene Geldmenge in einzelnen Ländern
und Erdtheilen finden ſich angeführt bei Rau polit. Oeconom. I. §. 266. storch
Cours, Ueberſ. von Rau. III. 50. Auch in meinen Verſuchen S. 104. Ueber
die Metallproduction auf der Erde finden ſich Berechnungen bei W. Jacob, An
[576/0598]
⁸⁾ historical Inquiry into the production and consumtion of precious Metals. London
1831. II Tom. Quarterly Review. Tom. 43. (1830) p. 281. Biblioth. univer-
selle (1832). Août. Hesperus v. J. 1830. Nr. 29. Berghaus Annalen v. J.
1831. Februar. storch Cours, Ueberſ. von Rau. III. 34. Rau polit. Oeconom.
I. §. 277. a. der 2ten Ausg. say Cours. II. 400. Ueberſ. von v. Th. II. 297.
v. Gülich Geſchichtl. Darſtellung. II. 556. 579. Die nothwendige Geldmenge
richtet ſich nach dem Güterverkaufe und den außer dem Gelde noch gebräuchlichen
Umlaufsmitteln, ſie läßt ſich aber nicht wohl berechnen.
⁹⁾ S. oben Note 4. und §. 344. Note 1.
§. 414.
Fortſetzung. b) Papiergeld.
Ueber die Natur und Arten des Papiergeldes iſt bereits oben
(§. 329.) abgehandelt. Die nationalöconomiſchen Fragen über
daſſelbe beziehen ſich auch auf die beim Metallgelde hervorgehobenen
Punkte1). Was zunächſt 1) das Geſchichtliche über das
Papiergeld anbelangt, ſo iſt nichts klarer, als daß es im Ent-
wickelungsgange der Volkswirthſchaft ohne Zwang und Erkünſtelung
nur dann von ſelbſt entſtehen wird, wenn das Metallgeld und die
andern (§. 413. N. 4.) genannten Umlaufsmittel für die Lebhaf-
tigkeit und Manchfaltigkeit des Verkehrs nicht mehr zureichend
ſind und wenn der Kredit im bürgerlichen Verkehre hoch genug iſt,
um das gehörige Vertrauen auf ein ſolches Inſtitut zu gewähren.
Allein, — auffallend genug — die Geſchichte des Papiergeldes
zeigt, daß es nicht eigentlich aus jenen Gründen, ſondern vielmehr
in der Abſicht creirt worden iſt, um den Geldverlegenheiten der
Regierungen abzuhelfen, und daß auch hier die Staaten für ihr
unzeitiges Eingreifen in das Verkehrsleben ſchrecklich beſtraft wor-
den ſind2). In Beziehung auf 2) den Werth des Papiergel-
des iſt es wichtig, den Gebrauchs- und Tauſchwerth zu unter-
ſcheiden. Der Erſtere richtet ſich nach dem Grade der Nothwen-
digkeit und Nützlichkeit deſſelben für den Verkehr aus den ſo eben
angegebenen Gründen ſeiner natürlichen zwangloſen Entſtehung und
nach der Meinung, welche unter dem Volke darüber herrſcht, ſo
wie auch nach der äußeren Beſchaffenheit des Papiergeldes3). Was
den Tauſchwerth dagegen anbelangt, ſo erſieht man bei dem Papier-
gelde gerade ſehr deutlich, daß es ohne Gebrauchswerth keinen
ſolchen gibt. Es muß alſo hierbei ausdrücklich gemerkt werden,
daß ſich der Tauſchwerth des Papiergeldes außer nach den Regu-
latoren ſeines Gebrauchswerthes auch noch nach der umlaufenden
Menge davon und nach den Werthsverhältniſſen des Metallgeldes
richtet4). Was endlich 3) den Umlauf des Papiergeldes be-
trifft, ſo gelten von ihm auch die im vorigen Paragraphen über
[577/0599]
den Geldumlauf gemachten Bemerkungen. Es iſt aber, da daſſelbe
für ſich keinen Werth hat, zu bemerken, daß ſein Umlauf vor
Allem vom Zutrauen, welches es genießt, und von dem Verhält-
niſſe deſſelben zum umlaufenden Metallgelde5) abhängig iſt. Wäh-
rend man jedoch nach den Rechnungen der daſſelbe ausgebenden
Anſtalt die wirkliche circulirende Menge deſſelben bis auf dasjenige,
was zu Grunde und etwa ins Ausland gegangen iſt, beſtimmen
kann, ſo iſt es aber bei ihm noch weit ſchwieriger als beim Metall-
gelde, anzugeben, welche Menge davon für den Verkehr nöthig iſt,
da man außer den beim Metallgelde dafür angegebenen Haltpunkten
noch wohl die Quantität des circulirenden Metallgeldes und den
Einfluß der Papiergeldemiſſion auf jene berückſichtigen muß6).
¹⁾ Zur Literatur ſ. §. 329. N. 1. und folgende Schriften: A. smith Inquiry.
II. 28. Ueberſ. von Garve. II. 29. say Cours. III. 54. Ueberſ. von v. Th.
III. 43. storch Cours, Ueberſ. von Rau. I. 436. II. 48. 102. Necker, de
l'administration des finances. III. 317. simonde de sismondi, Rich. commerc.
I. 60. Th. smith, An attempt etc. etc. chap. V. p. 36. Torrens, On the pro-
duction. sect. V. p. 290. Mill Elements. p. 146. 150. 152. Ricardo Principles.
ch. XXVII. Ravenstone, A few doubts. p. 367. Buchanan in ſeiner Ausgabe
von A. Smith. IV. Excurse II. pag. 87. = Hermes XIII. (1822) S. 139.
Rau polit. Oeconom. I. §. 293. Lotz Reviſion. II. §. 146. Handb. II. 354.
Hufeland Grundleg. II. 195. Thornton, der Papiercredit v. Großbrittannien.
Aus dem Engl. überſ. von Jacob. Halle 1803. storch, da papier-monnaie et
des moyens de le supprimer. Weimar 1810. (Aus der: Pallas, Stück 1, beſon-
ders abgedruckt.) Berghaus, das repräſentative Geldſyſtem ꝛc. Leipzig 1818.
Gioja Nuovo Prospetto. III. 135. Kraus Staatsw. III. 48.
²⁾ Die erſten Spuren eines ſolchen Vertretungszeichens für Metallgeld finden
ſich in der alten Stadt Carthago, wo man ſich für den inneren Gebrauch eines
Geldes bediente, das aus einem Stückchen Leder beſtand, in welches eine Maſſe
eingewickelt war, die Niemand außer der Staatsbehörde kannte. (Heeren Ideen.
Bd. II. Abthl. I. S. 113. Aeschines Dialog. edit. Fischer. p. 78) Bloße Münz-
zeichen hatten auch die griechiſchen Städte ſchon (Heeren Ideen. Bd. III. Abth. I.
S. 209.). O. Müller (die Dorier. II. 205.) hält das öfters genannte lederne
Geld für eine Fabel. Es ſcheint indeſſen kein großer Schritt nöthig zu ſein, um
von einem ſpartaniſchen Eiſengelde, deſſen Material chemiſch zu anderm Gebrauche
untauglich gemacht war, zu einem ledernen Münzzeichen für den innern Verkehr
überzugehen. In China kannte man daſſelbe bereits a. 807 nach Chriſtus, es
war mit Zwang vom Staate ausgegeben, ein anderes aber a. 1000 nach Chr. von
einer Geſellſchaft von Handelsleuten (Klaproth, Sur l'origine du papier-monnaie
in ſeinen Mémoires rélatifs à l'Asie. Paris 1824. = Biblioth. universelle. Litérat.
XXVII. 1.). Im 14ten Jahrhunderte fand Ihn Batuta daſelbſt blos Papiergeld
(Rau polit. Oeconom. I. §. 295. N. a.). Allein dies war ſchon um das Jahr
1270 nach Chr. der Fall, wie Marco Polo auf ſeiner Geſandtſchaftsreiſe nach
China daſelbſt bemerkte, es war aus Baumrinde verfertigt (Baldelli Boli, Il Mis-
sione di Marco Polo. Fireuze 1827. II. 199. Malcolm Geſchichte von Perſien,
aus dem Engl. überſ. von Becker. Leipzig 1830. I. 282.). In Perſien wurde
a. 1294 n. Chr. der erſte Verſuch gemacht (ſ. außer Malcolm auch Buſch
Handb. der Erfindungen. Bd. X. Abthl. 2. S. 65.). Kaiſer Friederich II. ließ
a. 1241 bei der Belagerung von Faenza wegen des Mangels an Metallgeld ein
Geld von Leder prägen und ausgeben. Es wurde angenommen und circulirte.
(v. Raumer, Geſchichte der Hohenſtaufen. III. 466. nach Malespini Historia Flo-
rentina. p. 130. und Villani Historie florentine. VI. 21., wobei er zugleich erwähnt,
unter Verweiſung auf Sanuto Vite de' Duchi di Venezia. p. 487., daß der Doge
Baumſtark Encyclopädie. 37
[578/0600]
²⁾ Dominico Michele ſchon a. 1123 ein ähnliches Mittel ergriffen habe, als ihm in
Syrien das Geld zur Löhnung der Matroſen mangelte. Er ließ Geld aus der
ledernen Zäumen der Pferde machen (ſ. Univerſaller. XXII. 467.). Daſſelbe
erzählt auch Enoch Widmann in ſeiner Chronik der Stadt Hof ad a. 1924.
(Buſch Handb. der Erfind. IX. 404., wo auch zugleich nach Oetters Geſch. der
Burggraf. v. Nürnb. I. 150. mitgetheilt wird, daß Kaiſer Wenzel a. 1385 den
Städten Nürnberg, Augsburg, Ulm und Hall den Gebrauch von Münzzeichen ge-
ſtattet habe). Als erſte Art einer Anſtalt in Europa, die wirklich Papiergeld
ausgab, war die Georgsbank in Genua, welche a. 1407, nicht geſtiftet, ſondern
ſchon beſſer eingerichtet wurde. Man ſ. über das Geſchichtliche derſelben und der
auf ſie folgenden Banken in andern Ländern die im §. 333. angef. Literatur.
Das erſte Beiſpiel eines Staatspapiergeldes in Europa findet ſich im J. 1701 in
Frankreich. S. Meine Verſuche. S. 242–249. 259–271. 281.
³⁾ Die bloße finanzielle Noth eines Staates oder einer Geſellſchaft oder eines
Einzelnen wird nur in Zeiten großer Begeiſterung, aber alsdann auch nur einem
Papier- oder Ledergelde einen Umlauf geben, wenn man auf deſſen Bezahlung mit
Metallgeld oder auf eine andere Sicherung des Werthes der Menge, die man davon
beſitzt, nachdem beſſere Zeiten gekommen ſein werden, hoffen kann. Beiſpiele hier-
von gibt die Emiſſion von dem venetian. Dogen Michele und von Friedrich II.,
die in der Note 2. erwähnt ſind. Für längere Zeit und für den allgemeinen Um-
lauf ſind obige drei Vorausſetzungen nöthig. Denn a) ohne Zwang nimmt und
thut man im Verkehre nur das Nothwendige und Nützliche, ſo lange es dieſes iſt,
die Vortheile des Papiergeldes ſind aber die Erleichterung der Zahlungen, die
Entbehrlichkeit eines Theiles von Metallgeld für den Umlauf, ſo daß man denſelben
als Capital anwenden kann, und die Wohlfeilheit und beliebige Vermehrbarkeit der
Umlaufsmittel. Allein man darf darüber die möglichen großen Nachtheile des-
ſelben nicht vergeſſen, welche hauptſächlich darin beſtehen, daß leicht die Bedingungen
nicht erfüllt werden, unter denen es allein beſtehen kann, daß es leicht nachgemacht
werden kann (wie? ſ. bei Babbage Maſchinenweſen §. 94.) und daß der Tauſch-
werth deſſelben ſich mit den Schwankungen im Werthe des Metallgeldes oder Geld-
metalls verändert (Mill Elements p. 152.). Wenn aber das Papiergeld auch als
noch ſo nützlich erſcheint, ſo wird es ſich nicht halten können, ſo lange b) es die
öffentliche Meinung nicht für ſich hat, und dieſe hängt von dem Zutrauen auf das
Vermögen und die Perſon oder den Willen desjenigen ab, der es ausgibt, daß er
es, wenn man es präſentirt, auf der Stelle gegen Metallgeld, ſo wie er es beſtimmt
verſprochen hat, auch pünktlich einlöst. Dieſe Einlöſung darf ſich aber nicht blos
auf die ächten, ſondern ſie muß ſich auch auf die verfälſchten Papiergeldſtücke be-
ziehen, weil ſie gar ſchwer von einander zu unterſcheiden ſind. Dies iſt aber auch
eine Klugheitsmaßregel des Ausgebers, weil, wenn er es unterläßt, ein allgemeines
Mißtrauen gegen Papiergeld entſteht. Es iſt daher jedenfalls nöthig, daß man
c) dem Papiergelde eine ſo ſchwer als möglich nachahmliche Form gebe. S. Meine
Verſuche. S. 251–259. 265.
⁴⁾ Im Allgemeinen, ob ein Papiergeld Tauſchwerth habe, erſieht man aus
ſeinem ungezwungenen Umlaufe. Dieſen wird es aber nicht behalten, wenn es den
bezeichneten Gebrauchswerth nicht hat. Sinkt ſein Tauſchwerth aus Mangel hieraus,
ſo kann man ſagen, es ſinke abſolut im Tauſchwerthe. Papiergeld kann aber an
ſich, weil es dem Verkehre nöthig oder nützlich ſein würde, Gebrauchswerth haben,
während ſein Tauſchwerth immer mehr ſinkt. Dieſer letztere Fall tritt ein, ebenſo
wie beim Tauſchwerthe jeder Waare, wenn es in zu großer Menge umläuft und
wenn das Metallgeld aus andern Gründen im Tauſchwerthe ſteigt. In dieſen beiden
Fällen kann man ſagen, es ſinke relativ im Tauſchwerthe. Es iſt daher von
Wichtigkeit, über die Nothwendigkeit und Nützlichkeit einer Menge von Papiergeld
für den Verkehr Unterſuchungen anzuſtellen und die Wirkungen der Zunahme des
Tauſchwerthes des Metallgeldes auf jenen des Papiergeldes zu bezeichnen. Wenn in
einem Lande zu viel Metallgeld iſt, ſo findet es nach §. 413. ſeinen natürlichen
Abfluß. Dieſes iſt aber bei dem Papiergelde nicht der Fall, weil es im Auslande
in der Regel keine Geltung hat und als Materie werthlos iſt. Es folgt hieraus,
weil ein Land eines gewiſſen Werthes und Betrages von Umlaufsmitteln bedarf,
[579/0601]
⁴⁾ a) daß, wenn Papiergeld ausgegeben wird, Metallgeld aus dem Verkehre weicht.
Es haben ſich nun nach dieſem Prinzipe zwei verſchiedene Anſichten gebildet. Die
Smith'ſche Schule (A. Smith Inquiry. I. 372. 436. II. 149. 156. 158. 271.
III. 271.) nimmt eine ſtrenge gerade Verhältnißmäßigkeit zwiſchen der Menge vom
ausgegebenen Papiergelde und dem Entweichen des Metallgeldes aus dem Umlaufe
an und ſagt alſo: das umlaufende Papier- und Metallgeld zuſammen iſt nie mehr,
als vor der Emiſſion des Erſteren das Letztere betragen hat. Die Ricardo'ſche
Schule dagegen ſtellt den Werth des Umlaufsmittels voraus und ſagt: Ueberfluß an
Umlaufsmittel kann es nicht geben, denn vieles hat geringen und weniges hat
hohen Werth, das Papiergeld hat keinen Werth an ſich, aber es kann einen ſolchen
durch Beſchränkung ſeiner Menge bekommen, wie die Münzen, daraus folgt, daß
ſeine Einlösbarkeit zur Sicherung ſeines Werthes nicht nöthig iſt, ſondern vielmehr
blos ſeine Quantität nach dem Werthe des Metalls regulirt zu werden braucht,
welches als Umlaufsmittel gebraucht wird, ſei es Gold oder Silber; um aber das
Publicum vor jeder andern Werthsveränderung deſſelben zu ſichern und das Umlaufs-
mittel ſo wohlfeil als möglich zu machen, dazu gehört der möglich vollkommenſte
Zuſtand deſſelben und die Verpflichtung des Ausgebers, anſtatt Geldmünzen blos
ungemünztes Silber zur Werthsſicherung zu nehmen, denn dann wird das Papier-
geld, ohne eine Reduction ſeiner Menge nach ſich zu ziehen, nicht unter den Metall-
werth ſinken (Ricardo Principles. p. 447–453.) Erſtere Anſicht iſt bereits in
meinen Verſuchen S. 278 folg. an ſich und thatſächlich widerlegt. Es folgt näm-
lich daraus, daß A. Smith an verſchiedenen Stellen ſeines Buches zeigt, die
Geldmenge eines Landes hänge von ſeinem Kaufvermögen ab, ſtehe im geraden
Verhältniſſe zum wirkſamen Begehre und könne alſo die für den Umlauf nöthige
Summe nicht überſchreiten, obige Behauptung noch nicht; es kann vielmehr die
Induſtrie und der Umlauf in der Zwiſchenzeit lebhafter werden, woraus von ſelbſt
die Nothwendigkeit einer größern Menge von Umlaufsmitteln folgt. Es bleibt nun
freilich für A. Smith immer noch der Vorbehalt übrig, daß ſich dies von ſelbſt
verſtehe, und daß er aber dieſen Fall einer Veränderung der Verhältniſſe nicht
vorausgeſetzt habe (A. smith Inquiry. II. 42. The commerce being supposed the
same.). Deßhalb iſt auch Rau's (polit. Oeconom. I. §. 299. und 301. 1.) Be-
ſchränkung der Smith'ſchen Behauptung nicht hinreichend, um die ganze Frage
ins gehörige Licht zu ſtellen, und es hat auch hier Ricardo die Sache von der
rechten Seite aufgegriffen, indem er die Erforderlichkeit eines beſtimmten Werthes
von Umlaufsmitteln als Grundſatz feſthält. Auf dieſen (den Realwerth oder
Sachwerth) kommt es an und A. Smith hat darin gefehlt, daß er nicht ſo-
gleich annahm, daß dieſer zufolge der Papieremiſſion auch zunehmen muß, da durch
die Möglichkeit und Wirklichkeit der anderweitigen Verwendung des disponibel
gewordenen Metallgeldes einerſeits und durch die Gewerbserweiterungen zufolge der
ſteigenden Preiſe anderſeits die Induſtrie ſich erhöht, ſchon an ſich ein freies Papier-
geld nicht emittirt werden kann, ohne vorherige Fühlbarkeit eines größern Bedarfs
an Umlaufsmitteln und die daſſelbe ausgebende Anſtalt gerade in dieſer Mehraus-
gabe den Vortheil findet. Wenn aber nicht der Sachwerth des Umlaufsmittels
derſelbe bleiben kann, ſo muß ſich unter dieſen Umſtänden ſein Betrag (der No-
minal- oder Nennwerth) erhöhen. Aber Ricardo fehlt darin, daß er in der
Anwendung ſeines richtigen Prinzips dieſen Letzteren ganz bei Seite ſetzt und deſſen
Wirkungen für nichts achtet. Wir haben geſehen, daß der Tauſchwerth des Metall-
geldes ſehr ſchwankend, und daß dies jener des bloßen Edelmetalls in Barren we-
niger iſt. Den beſten Maaßſtab für den Tauſchwerth des Papiergeldes bilden daher
die Barren und man bedient ſich der verſchiedenen Preiſe der Letzteren in Papier-
geld zu verſchiedenen Zeiten zur Vergleichung. Je mehr man von dieſem für jene
geben muß, deſto mehr iſt ſein Tauſchwerth geſunken, und im Gegentheile, deſto
mehr geſtiegen. Allein hieraus kann nicht mit Richtigkeit gefolgert werden, daß
auch, ſtatt des Metallgeldes, blos Barren als Garantie des Papiergeldes deponirt
werden müſſen, weil dadurch die beliebige Einlösbarkeit vereitelt wurde, ſobald die
geringeren Papiergeldſtücke von ſo geringem Werthe ſind, daß Barren zu ihrer
Einlöſung im Einzelnen zu groß ſind. Jedoch gerade hierüber iſt Ricardo eigener
Anſicht, welche übrigens bis jetzt in der Regel unrichtig aufgefaßt wurde. Derſelbe
behauptet nicht, daß das Papiergeld uneinlösbar ſein ſolle, ſondern nur, daß es
37 *
[580/0602]
⁴⁾ ſeinen Tauſchwerth und Umlauf nicht von der Einlösbarkeit, vielmehr nur davon
habe, daß es in nicht größerer Menge circulire, als das vorher umlaufende noth-
wendige Metallgeld betragen habe. Der Fehler Ricardo's liegt nicht, wie Lotz
meint, darin, daß er die Geldmenge als eine der umlaufenden Waarenmaſſe ſelbſt-
ſtändig gegenüberſtehende Gütermaſſe anſieht, ſondern darin, daß er vergißt, wie
ſehr der Tauſchwerth des Papiergeldes ausgenommen von ſeiner Menge auch und
fundamental von ſeinem oben bezeichneten Gebrauchswerthe und von der öffentlichen
Meinung darüber abhängt, und wie leicht er bei einer ſehr geringen Menge von
Papiergeld doch fallen kann. Den daraus entſpringenden Uebelſtänden wird am
ſicherſten durch ſeine Einlösbarkeit, nicht gegen Barren, ſondern gegen Münzen
vorgebeugt und abgeholfen, weil dann der Empfänger nicht noch gezwungen iſt,
ſeine Barren zur Münzſtätte zu tragen, und die Einlösbarkeit der kleineren Papier-
geldſtücke nicht bloße Einbildung bleibt, was ſie ſein würde, wenn man mehrere
kleine Stücke haben müßte, um auf dieſelbe Anſpruch zu haben. Dies hängt zu-
gleich mit einem andern Satze, nämlich damit zuſammen: b) daß, wenn Metall-
geld und Barren aus irgend einem Grunde im Verkehre geſucht werden, das
Papiergeld aus dem Verkehre zu der daſſelbe einwechſelnden Kaſſe ſtrömt. Man
darf jedoch nicht meinen, dies erfolge blos, weil zu viel Umlaufsmittel im Ver-
kehre ſei, denn das Geld dient auch als Capital und kann, verſendet ins Ausland,
großen Vortheil gewähren. Die nächſte Folge iſt, daß das Papiergeld relativ gegen
Metallgeld im Tauſchwerthe ſinkt, und letzteres ein Agio erhält. Dieſer Satz iſt
mit geſchichtlichen Belegen in meinen Verſuchen S. 272 folg. gezeigt, aber es
hat in Schön's Recenſion über dieſelben (Verl. Jahrb. Jahrg. 1833 Nro. 51.
u. 52.) Widerſpruch gefunden. Allein ich bin dadurch nicht von der Unrichtigkeit
meiner Meinung überzeugt. Denn, während ſie auf Thatſachen fußt, wurde ſie
daſelbſt mit bloßen Vermuthungen bekämpft, welche durch jene Thatſachen zum
Theile völlig niedergeſchlagen werden.
⁵⁾ Die Frage, wie weit das Metallgeld von dem Papiergelde aus dem Umlaufe
verdrängt werden könne, iſt auch noch nicht gelöst. Man ſtreitet ſich noch ſehr
darüber. Gerade die Ricardo'ſche Schule hält dasjenige Umlaufsmittel für das
vollkommenſte, welches ganz aus Papier beſteht, vorausgeſetzt, daß es im Tauſch-
werthe derjenigen Geldmenge gleich ſteht, auf die es lautet (Ricardo Principles.
p. 460.). Sie nimmt alſo die gänzliche Verdrängung des Metallgeldes nicht blos
für möglich, ſondern auch für nützlich an. Die Anſicht, daß das Papiergeld eines
Landes niemals den Werth des Goldes und Silbers überſteigen könne, welches
daſſelbe im Verkehre vertritt oder welches in Umlauf war, ehe jenes emittirt wurde,
iſt keine neue, ſondern ſchon Smith'ſche Behauptung (Inquiry. II. 42.) Es
muß dabei derſelbe Verkehr und ganz zwangloſes Papiergeld vorausgeſetzt werden,
das beliebig einlösbar iſt. Beide Anſichten, ſo auffallend verſchieden ſie auch ſind,
wurden nicht blos vermittelſt einiger ſchlechten Folgerungen, die man aus der
Letzteren zog, ſehr oft mit einander verwechſelt, ſondern ſie haben der deutſchen
Schule auch viel zu ſchaffen gemacht. Es iſt zu bemerken, daß die Smith'ſche
Behauptung vom Werthe, nicht von der Menge, aufgeſtellt iſt. Sie wird daher
auch in jeder Beziehung wahr ſein. Eines beſtimmten Werthes an Umlaufsmitteln
bedarf der Verkehr. Iſt ihre Menge (der Geſammt-Nominalwerth) zu groß,
ſo ſinkt der Werth der einzelnen Theile des Umlaufsmittels ſo tief, bis ſie mit
ihrem Werthe der erforderlichen Geſammtwerth ausmachen; iſt ihre Menge zu klein,
ſo ſteigt der Einzelwerth ebenſo bis zu jenem Ziele. Der Geſammt-Realwerth
bleibt derſelbe. Hat das Papiergeld ſeine beliebige Einlösbarkeit, ſo wird ſich auch
durch das Zurückſtrömen zur Kaſſe ſein Geſammt-Nominalwerth ſenken. Indeß
entſteht jetzt die Frage, ob auch immer dieſer Nominalwerth ſich im geraden Ver-
hältniſſe ſo tief ſenken werde, daß er juſt ganz dem früheren Betrage des metalli-
ſchen Umlaufsmittels gleich ſein werde. Iſt dies der Fall, dann hat die Ri-
cardo'ſche Schule mit obiger Behauptung ganz Recht. Rau (polit. Oeconom.
I. §. 298. u. 299.) ſagt Nein, weil man, da zu ſehr geſtückeltes Papiergeld unbequem
und ſchädlich ſei, für kleinere Zahlungen immer noch Münzen haben, und weil
eben wegen der Einlösbarkeit eine entſprechende Menge Metallgeld in Bereitſchaft
ſein müſſe. Allein der letztere Grund beweißt nichts, weil das zur Einlöſung
bereite Metallgeld zwar im Inlande, aber nicht in Umlauf iſt. Wegen des erſteren
[581/0603]
⁵⁾ Grundes kann mit Recht noch geſtritten werden. Denn die ganze engliſche Schule
geht richtiger Weiſe davon aus, daß nur ein Metall eigentliches geſetzliches Zahl-
mittel ſei und ſein könne (Meine Verſuche S. 132 folg.). Die Münzen aus dem
nächſt unedlern Metalle (die Scheidemünzen, — in England aus Silber, in Deutſch-
land aus Kupfer und übermäßig legirtem Silber) erſcheinen nur als Münzzeichen
und ſind in der That blos eigentlich der Materie und Form, keineswegs aber dem
innern Werthe nach von dem Papiergelde verſchieden. Der minutiöſe Pfands-
charakter der geringhaltigſten Münze, welchen Lotz a. a. O. als weſentlichen Unter-
ſchied derſelben vom Papiergelde anführt, iſt in der That an ſich gar nichts, ſondern
hat blos eine Bedeutung als ein ſo und ſo vielſtes Theilchen von einer Anweiſung
auf einen Thaler, ein Pfd. Sterling u. ſ. w. Darum bleiben dieſe ganz außer
Rechnung und man ſpricht blos von der Vertretung des einen geſetzlichen Metall-
geldes von Gold oder von Silber, welches von beiden dem Verkehre angemeſſen iſt.
Jene Münzen brauchen durch Papiergeld nicht blos nicht vertreten zu werden,
ſondern es iſt ſogar unbequem, für ſie ein ſolches einzuführen. Nun ſind aber die
Länder darin auch verſchieden, wie hoch ſich der niederſte Werth der Papiergeld-
ſtückelung belaufen ſoll, und nimmt man England als Beiſpiel, wo das niederſte
Papiergeld 5 Pfd. Sterl. beträgt und wofür die engliſchen Schriftſteller ſchreiben,
ſo verliert die Ricardo'ſche Anſicht ihre Schroffheit, denn Barren können dann
bei gehöriger Einlösbarkeit für das Papiergeld eine ſicherere Garantie bilden als
Münzen. In dieſem Falle kann das zu Zahlungen von 5 Sfd. Sterl. und drüber
im Umlaufe gebrauchte Metallgeld gänzlich aus dem Verkehre weichen, die für
kleinere Zahlungen nöthigen Münzen, die aber noch nicht lauter Scheidemünzen
ſind, z. B. 1 Pfd. Sterl. = 1 Sovereign von Gold, werden in Umlauf bleiben
müſſen. Je weiter aber die Stückelung des Papiergeldes heruntergeht, deſto unbe-
quemer iſt ſein Gebrauch und deſto mehr verliert ſeine Einlösbarkeit an Wirklichkeit.
Wird ſchon aus dieſen Gründen das Metall dem Papiere nicht ganz weichen, ſo
hat man aber auch gar kein Mittel in der Hand, dem freien Metallverkehre ſeinen
Lauf zu nehmen und deßhalb kann auch der Fall nicht verhütet werden, daß das
Metall im Werthe gegen Papier ſteigt und dieſes der Kaſſe zuſtrömt. Der Recenſ.
meiner Verſuche in den Blättern für literar. Unterhaltung J. 1833 Nr. 244.
glaubte zwar, dieſe Anſicht widerlegen zu können, indem er daraus die abſurde
Folgerung zog, daß, wenn das Metall, im Auslande oder für den Schmelztiegel
geſucht, aus dem Umlaufe wandere und aus demſelben Grunde das Papier der
Kaſſe zu gehe, einmal im Verkehre weder Münze noch Papier ſein werde. Die
Folgerung iſt in der That höchſt abſurd, aber blos weil ſie nicht eintreten wird.
Denn der Rec. wird bemerken, daß ich in einem ſolchen Falle die kühne Fortaus-
gabe von Papiergeld anempfohlen habe. Geſchähe dieſe aber auch nicht, ſo müſſen
die im vorigen §. erörterten Gründe der Metall-Aus- und Einfuhr unter den Län-
dern einen ſolchen unſinnigen Zuſtand des Verkehrs verhüten.
⁶⁾ Alle dieſe Umſtände faßt man am kürzeſten zuſammen, indem man fort-
während den Tauſchwerth des Papiergeldes beobachtet. Als äußerliches Kennzeichen
deſſelben kann man ſeinen Preis nicht gegen Metallgeld, ſondern gegen Gold- oder
Silberbarren gebrauchen; denn die Tauſchwerths- und Preis-Schwankungen der
Letztern ſind nicht ſo häufig und ſtark wie jene des Erſtern. Dieſer Maaßſtab iſt
zwar der beſte, welchen man bekommen kann, aber darum doch nicht feſt. Steigt
der Papierpreis der Gold- oder Silberbarren, ſo iſt auch anzunehmen, daß der
Tauſchwerth des Papiergeldes ſinkt; ſinkt aber jener, ſo hebt ſich der Letztere wieder.
Aber in allen Fällen daraus oder aus dem Zuſtrömen des Papiergeldes zur ein-
löſenden Kaſſe zu ſchließen, daß die davon circulirende Menge zu groß ſei und daß
die fernere Emiſſion eingeſtellt werden müſſe, iſt fehlerhaft (ſ. Rau polit. Oeconom.
I. §. 307. Dagegen Meine Verſuche. S. 271–276.). Ein ſolcher Schluß
könnte nur richtig ſein, wenn Ricardo's Meinung wahr wäre, nämlich daß der
Tauſchwerth des Papiergeldes blos von ſeiner umlaufenden Menge abhinge, wenn
außer mit der Vermehrung der Letzteren blos noch mit dem Sinken ſeines Ge-
brauchswerthes ein ſolches des Tauſchwerthes verbunden ſein würde und wenn nicht
auch ein Zuſtrömen des Papiers zur Kaſſe blos zufolge des aus irgend anderen
Gründen ſteigenden Tauſchwerthes des Metalles und Metallgeldes eintreten könnte.
S. geſchichtl. Beweiſe dafür a. a. St. meiner Verſuche.
[582/0604]
§. 415.
Fortſetzung. 2) Kredit. a) Im Allgemeinen.
Was man unter Kredit1) verſteht, iſt im §. 343. ſchon ge-
ſagt. Hat er ſeine Grundlage in der Perſönlichkeit des Menſchen,
ſo heißt er Perſonal-, hat er ſie aber im Vermögen deſſelben,
dann wird er Realkredit genannt. Der Kredit vermehrt das
Volksvermögen nicht durch unmittelbare Production, aber er iſt
ein Beförderungsmittel des Güterumlaufs und bewirkt die produc-
tive Verwendung vieler Capitalien, dieſes, indem er die Capitalien
denjenigen zugänglich macht, welche ſie in ihren Gewerben anwen-
den wollen, und jenes, indem er nicht blos eine Menge von Geld
entbehrlich macht und ſeine Stelle als Umlaufsmittel weit leichter
vertritt, ſondern auch verſchiedene Einrichtungen in's Leben ruft,
welche den Güterumlauf erleichtern2). Lediglich dem Kredite ver-
danken die Banken, Anweiſungen und Wechſel, die Abrech-
nungen und Ueberweiſungen im Verkehre ihre Exiſtenz3).
¹⁾ Zur Literatur: Rau polit. Oeconom. I. §. 278. Nebenius, der öffentl.
Credit. I. 1–17. storch Cours, Ueberſ. von Rau. II. 153. say Cours. II. 284.
Ueberſ. von v. Th. I. 213. Lotz Handb. I. §. 70. S. 420. Murhard, Theorie
des Handels. S. 347. simonde de sismondi, Rich. Commer. I. 177. Mac-Culloch
Principles. p. 114. Ueberſ. von v. Weber S. 89. Deſſelben Dictionnary of
Commerce-Art. Credit. Deutſche Bearbeitung. I. 429. Genovesi Lezioni. II. 354.
Beccaria Elementi. II. 158.
²⁾ Pinto, Traité de la circulation et du Credit. Amsterd. 1771. Ueberſetzt
in (v. Struenſee's) Sammlung von Aufſätzen. Liegnitz 1776. S. 145 folg. hat
die Wirkung des Kredits ſo überſchätzt, daß er ſogar die umlaufenden verzinslichen
Obligationen für eine Vermehrung des Volksvermögens anſieht. Es gehört auch
hierher: Hope, Lettres on Credit. p. 5. Zachariä, Ueber das Staatsſchulden-
weſen. S. 31. 42. 52. Ein Aufſatz in den Times v. 19. Dec. 1829 und v. 7.
und 30. Januar 1830. Die Schrift: Influence of the public Debt on the
Prosperity of the Country. London 1834. = Times v. 26. Febr. 1834. S. da-
gegen Meine Verſuche über Staatskredit. S. 487. Auf der andern Seite iſt die
Wirkung des Kredits auch nicht immer genug gewürdigt worden. Selbſt Rau
ſcheint in ſeiner Betrachtung nicht tief genug zu dringen. Denn das Capital iſt
auch ohne Arbeit nicht nutzbringend; der Kredit iſt dies ohne ſie auch nicht, er iſt
eine Art von National- und Privatcapital, ein äußeres immaterielles Gut, welches
das ſachliche Capital in einzelnen Gewerben zu erſetzen vermag, ſo daß es ander-
wärts productiv verwendet werden kann. Dies wird am klarſten durch die Betrach-
tung der Kreditanſtalten.
³⁾ Das Papiergeld iſt ebenfalls als ein auf Kredit berechnendes Umlaufsmittel
anzuſehen, wenn es ganz frei iſt. Allein es iſt aus dem Bisherigen gewiß klar,
daß noch allerlei andere Umſtände auf ſeinen Beſtand Einfluß haben, weßhalb es
als angemeſſen erſcheint, daſſelbe unter der Erörterung über das Geld einer Be-
trachtung zu unterwerfen.
§. 416.
Fortſetzung. b) Krediteinrichtungen insbeſondere.
Die verſchiedenen Einrichtungen, welche dem Kredite ihre Ent-
ſtehung verdanken und als Umlaufsmittel zu betrachten ſind, wur-
[583/0605]
den bereits oben erklärt. Es genügt daher hier, 1) wegen der
Banken auf §. 330. 333. u. 346., 2) wegen der Anweiſungen
und Wechſel auf §. 337. u. 338., und 3) wegen der Abrech-
nungen und Ueberweiſungen auf §. 334. zu verweiſen1).
¹⁾ Zur nationalöconomiſchen Literatur: a) über Banken ſ. m. noch A. smith
Inquiry. II. 36. 312. IV. 55. 152. say Cours. III. 83. cl. 58. Ueberſ von v. Th. III.
64. cl. 46. storch Cours, Uebers. von Rau. II. 103. 97. Ganilh Des syst. II. 146.
Lotz Handb. II. §. 115. S. 375. §. 116. S. 384. J. Pr. smith, The science
of Money. p. 142. 147 Broggia Delle Monete. II. 264. Galiani Della Moneta.
II. 206 (hiſtoriſch). Beccaria Elementi. II. 143. Verri Meditazioni. I. 150
(auch Geſchichtliches über die Mailänder Bank). Vasco in den Economisti Italiani.
XLII. pag. 137 (hiſtoriſch). Spittler, Vorleſungen über Politik. S. 399 folg.
und die Literatur über Papiergeld im §. 413. b) über Wechſel ſ. m. noch
A. smith Inquiry. II. 57. 306. say Cours. III. Ueberſ. von v. Th. III. 101.
storch Cours, Ueberſ. von Rau. II. 58. III 403. Nebenius, der öffentliche
Kredit. I. 193. Rau polit. Oeconom. I. §. 286. Wheatley Essay on Money.
I. 60. 175. J. Pr. smith The science of Money. pag. 235 (nach Wheatley).
Mill Elements. p. 182. Th. smith An Attempt. p. 104. TurLulo sulle Monete
= Economisti. Parte antica. I. 236. Davanzati Lezione delle Monete und No-
tizia de' Cambj = Economisti. P. A. II. 54. Broggia Delle Monete. I. 380.
II. 17. 200. Genovesi Lezioni. III. 121. Beccaria Elementi. II. 122. Verri
Meditazioni. p. 184.
II. Vom Preiſe.
§. 417.
A. Weſen des Preiſes.
Der charakteriſtiſche Unterſchied zwiſchen Werth (§. 402.) und
Preis beſteht darin, daß dieſer Letztere aus wirthſchaftlichen Gü-
tern beſteht, und im letzten Grunde eine Folge des Erſteren iſt1).
Der Gebrauchswerth bezeichnet ein Verhältniß der Güter über-
haupt zu den Neigungen, Wünſchen, Bedürfniſſen und Abſichten
der Menſchen im Allgemeinen; der Tauſchwerth dagegen, erſt
entſtanden durch das Zuſammenleben der Menſchen, iſt ein Ver-
hältniß der wirthſchaftlichen oder derjenigen Güter, welche in das
Vermögen oder in den ausſchließlichen Beſitz gehören, zu dem
Wunſche Anderer, dieſelben auch zu beſitzen. Jener iſt alſo ein
inneres, dieſer aber ein äußeres Verhältniß der Güter zum Men-
ſchen, während der Preis, ohne Tauſchwerth der Güter nicht
denkbar, aus einer Quantität wirthſchaftlicher Güter ſelbſt beſteht,
welche man im Verkehre für Güter, Nutzungen und Leiſtungen
hingibt oder bekommt2). Schon der Sprachgebrauch zeigt dieſen
nothwendigen Zuſammenhang des Preiſes und Tauſchwerthes, da
man, um jenen zu bezeichnen, auch den Ausdruck „werth“ ge-
braucht, der ſich blos auf den Tauſchwerth bezieht.
¹⁾ Zur Literatur: A. smith Inquiry. I. 49. IV. 43. say Cours. II. 210.
311. 336. Ueberſ. von v. Th. II. 156. 231. 250. storch Cours, Ueberſ. von
[584/0606]
¹⁾ Rau. I. 39. 239. 277. 286. III. 245. Lotz Handb. I. §. 15. S. 39. S. auch
oben §. 57. N. 2. und §. 61. N. Kraus Staatsw. I. 78. Rau pol. Oecon. I.
§. 146. der 2. und §. 158. der 1. Ausg. Hermann ſtaatsw. Unterſuch. S. 66.
Canard Principes d'Econ. polit. p. 26. Ganilh Des systemes. II. 33. Tooke On the
high and low Prices. Lond. 1823. II. Tom. vergl. mit Quarterly Review. T. 29.
p. 214 sqq. Ricardo Principles. p. 78. 492. Mill Elements. p. 87. Torrens
On the Production. p. 1. 339. Mac-Culloch Principles. p. 248. Ueberſ. von
v. Weber. S. 197. Babbage Maſchinenweſen. §. 149. 165. 169. oder 15. 16.
und 17. Kap. Gioja Nuovo Prospetto. III. p. 1–75. Montanari Della Moneta
= Economisti. P. A. III. 43. 93. 119. Neri Osservazioni sopro il Prezzo legale
delle Monete = Economisti. P. A. VI. p. 106. 127. Pagnini saggio sopra il
giusto Pregio delle Cose = Economisti. P. M. II. 155. 316 Galiani Della
Moneta. I. 58. Carli Dell' Origine e del Commercio della Moneta = Econo-
misti. P. M. XIII. 299. solera sur les Valeurs (saggio sui Valori) = Econo-
misti. P. M. XXXIX. 256. Bandini Discurso economico = Economisti. P. M.
I. p. 148. Genovesi Lezioni. I. 267. III. 151. Deſſelben Digressioni econo-
miche = Economisti. P. M. X. 326. Beccaria Elementi. I. 29. 339. II. 8.
Verri Meditazioni. p. 12. 121. Ortes Dell' Economia nazionale. II. 44.
²⁾ Das Weſen des Preiſes, ſo leicht es auch aufzufaſſen iſt, gehörig vom
Werthe zu unterſcheiden, iſt durch die große Menge von nutzloſen Wortſtreitigkeiten
und vergeblichen Verſuchen, auf den Sprachgebrauch mitzuwirken, ſowie durch eine
Menge von kleinlichen unförderlichen Unterſcheidungen, die ſich in unſere Wiſſen-
ſchaft eingeſchlichen haben, erſchwert. Selbſt Rau (polit. Oeconom. §. 57.) gibt
Criterien des Preiſes an, die es in der That nicht ſind. So z. B. ſagt derſelbe,
der Preis ſei von der Handlungsweiſe eines einzelnen Menſchen in der Regel
unabhängig, und doch hat die Subjectivität der Menſchen in Betreff der Beurthei-
lung des Werthes und der Größe des Preiſes den weiteſten Spielraum bei der
Preisbildung. Ferner heißt es dort, der Preis ſei die im Verkehre Statt findende
Gleichſetzung gewiſſer Quantitäten zweier Güter, deren Werth dabei ſehr ungleich
ſein könne. Man kann füglich fragen, wie dies gemeint ſei? Denn der Quantität
nach iſt es nicht der Fall, ausgenommen bei ganz gleichen Gütern zweier Beſitzer,
in welchem Falle ſie aber unter dieſen beiden keinen Tauſchwerth haben und keinen
gegenſeitigen Preis bilden können. Wie können alſo die Werthe ungleich ſein, da
es doch die Quantitäten ſind, wenn man nicht eine Ueberliſtung als Regel ſtatuirt?
Man fühlt hier recht die Lücke, wenn man keinen Tauſchwerth annimmt. Es findet
bei der Preisbildung eine Vergleichung des Gebrauchswerthes und eine Gleich-
ſetzung des Tauſchwerthes der beiden Gütermengen und nur dann eine Vergleichung
und Gleichſetzung der Quantitäten Statt, wenn jene Werthe der beiden Güter ſich
gleich ſind. Rau ſchreibt jenen Satz Condillac Le Commerce et le Gouverne-
ment. I. ch. 6. zu und ſagt, Say (Handbuch. I. 104. II. 154. = Cours. I. 141.
163. II. 208. und Anmerkungen zur franzöſiſchen Ausgabe von Ricardo. II. 89.)
ſehe den Preis als den von vielen Menſchen anerkannten Werth an und bekämpfe
obige Anſicht von Coudillac. Allein dieſer Letzte ſagt blos, die Meinung, daß
im Tauſche nur zwei gleiche Werthe vorkommen, ſei zwar allgemein, aber unrich-
tig, da jeder Tauſchende für einen höheren einen geringeren Werth hingebe und
ohne dies kein Gewinn Statt finden könnte. So begeht Condillac nur aus
Mangel an Kenntniß der Beziehungen des Werthes eine Einſeitigkeit, denn der
Werth, von welchem er ſpricht, iſt offenbar der Gebrauchswerth in Bezug auf die
Individualität der Tauſchenden und ihre beſondern Verhältniſſe, — eine Beziehung,
worin derſelbe ganz Recht hat, da der Gebrauchswerth beim Tauſche blos einſeitig
verglichen wird. Von dieſer Seite greift ihn Say auch nicht an, aber wegen des
Tauſchwerthes, weil dieſer bei beiden Tauſchgütern gleich ſein muß. Auch ſieht
Say den Preis nicht ſo, wie Rau behauptet, ſondern vielmehr den Tauſch-
werth als den durch die Induſtrie gegebenen und durch das Publicum anerkannten
Werth an.
[585/0607]
§. 418.
B. Regulatoren des Preiſes. 1) Im Allgemeinen.
Die Umſtände, wonach ſich die Preiſe geſtalten, ſind bereits
oben (§. 58. u. 59.) angegeben. Alle Veränderungen der Preiſe
haben in einem oder mehreren derſelben zuſammen genommen ihren
Grund. Die eigentlich nationalöconomiſchen Unterſuchungen über
die Regulatoren der Preiſe gehen jedoch weiter, als dort geſchehen
iſt. Es ſind daher hier noch folgende Betrachtungen nachzutragen:
1) In Betreff des Gebrauchswerthes als Preisregulators
ergeben ſich aus jenen Vorderſätzen noch verſchiedene Folgerungen,
nämlich a) daß diejenigen Güter unter einer Klaſſe den ſtändigſten
Preis haben, deren Güte äußerlich zu erkennen iſt oder welche gar
nicht verfälſcht werden können; b) daß die Beglaubigung z. B.
durch Stempel, Fabrikzeichen u. dgl. auf den Preis großen Einfluß
äußert, weil man weniger Riſico übernimmt und der Mühe oder
Koſten der Verbürgung überhoben iſt; c) daß eine nicht leicht zu
entdeckende Verfälſchung, Betrügerei u. dgl. die Preiſe der ächten
Güter vertheuert; d) daß zwar Gegenſtände von ſehr kurzer Dauer
bei ſehr großer Nachfrage einen hohen Preis erlangen können,
aber ſelbſt, wenn ſie ein Einziger darbietet, deren Preis doch nicht
in allen Fällen frei in dem Willen des Anbietenden ſteht, weil er
durch jenen Umſtand Verluſten ausgeſetzt iſt; e) daß Gegenſtände
von langer Dauer und von ſolcher Beſchaffenheit, daß ſie nicht
wohl bald oder öfters Verbeſſerungen zu gewärtigen haben, den
conſtanteſten Preis behalten1).
2) In Betreff des Koſtenſatzes und Mitbewerbes als
Preisregulatoren gilt als Hauptſatz, daß ſich die Preiſe immer
mehr dem Koſtenſatze zu nähern ſuchen oder beſtändig um ihn
gravitiren. Denn je tiefer ſie unter die Koſten fallen, deſto mehr
nimmt das Angebot ab und zwar bis ſie wieder einen höheren
Stand haben; und je höher dieſelben über die Koſten ſteigen, alſo
je mehr ſie Gewinnſt gewähren, um ſo mehr ſteigt die Concurrenz
in einem ſolchen Gewerbe und um ſo größer wird das Angebot,
wodurch ſich der Preis wieder ſenkt. Dies findet Statt in der
Vorausſetzung, daß die Schaffungskoſten und die Werthsſchätzung
des Gutes gleich geblieben ſind, aber es iſt zu bedenken, daß die
Unternehmer darauf ſinnen, die Güter um weniger Koſten ſchaffen
zu können. Wenn dies in vielen Fällen geht, ſo iſt es aber in
manchen andern nicht möglich, das Angebot nach Belieben zu
ſtellen, weil die Productionsquellen und Verkehrsverhältniſſe es
nicht geſtatten2), und der Begehr ſo ſchwankend ſein kann, daß
[586/0608]
er eine beſondere Behutſamkeit im Angebote verurſacht. Sinken
nun aber die Schaffungskoſten bei gleichbleibender Concurrenz, ſo
kommt der aus dem noch gleichbleibenden Preiſe entſtehende größere
Gewinn dem Anbietenden ſo lange zu, bis jenes unter den Be-
gehrenden bekannt wird; je wichtiger aber das Gut für's menſch-
liche Leben iſt, um ſo mehr ſind die Begehrenden in der Hand der
Anbieter. Steigen jedoch die Koſten bei gleicher Concurrenz, ſo
werden die Anbietenden auch ihren Preis zu erhöhen ſuchen; ob
und wie weit ſie dies vermögen, das hängt wieder von der Wich-
tigkeit des Gutes für das menſchliche Leben ab3). Die Concur-
renz wirkt übrigens bei der Preisbildung dann vorzüglich mit, wenn
ſowohl Angebot als Nachfrage unter Viele getheilt iſt.
3) In Betreff der Zahlfähigkeit als Preisregulators iſt
als allgemeinere Regel anzuſehen, daß jede bedeutendere Preis-
erhöhung in ſich ſelbſt wieder den Grund zur Erniedrigung hat,
indem nämlich eine Anzahl oder Klaſſe von Bürgern wegen ihrer
relativen Zahlunfähigkeit, die dadurch entſteht, aus der Menge
der Begehrenden zurücktreten müſſen. Aber umgekehrt die relative
Zahlfähigkeit nimmt auch mit der Erniedrigung der Preiſe zu, da
eine Anzahl oder Klaſſe mehr zur Anſchaffung der betroffenen
Sache in den Stand geſetzt wird, dem Begehre beitritt und da-
durch wieder etwas in die Wagſchale für das Steigen des Preiſes
legt. Dieſe Erſcheinungen und ihre Wirkung auf die Zuſtände
der Begehrer und Anbietenden richten ſich aber ebenfalls nach dem
Grade der Unentbehrlichkeit und Entbehrlichkeit der Sache.
4) In Betreff des Tauſchmittels als Preisregulators haben
die in den §§. 413. u. 4:4. angegebenen Beſtimmgründe des Tauſch-
werthes von Metall- und Papiergeld einen der wichtigſten Einflüſſe
auf die Preisbildung. Jede Senkung des Tauſchwerthes des Geldes
hat eine Erhöhung der Preiſe, und umgekehrt jede Steigerung
deſſelben eine Erniedrigung der Letzteren zur Folge. Jenes geſchieht
alſo durch Zunahme der umlaufenden Menge von Metallgeld, durch
Abnahme der Schaffungskoſten der edeln Metalle, durch Erniedri-
gung des Gehaltes der Münzen, durch die Emiſſion von Papier-
geld (wegen der Steigerung der Menge von Umlaufsmitteln),
durch die Vermehrung des Letzteren, durch die Ausgabe von mehr
oder weniger erzwungenem Papiergelde, durch das Sinken des
Papiergeldes in der öffentlichen Meinung oder durch den Verluſt
ſeines Kredits, welcher durch verſchiedene Umſtände hervorgebracht
werden kann. Das Andere geſchieht aber durch die gerade ent-
gegengeſetzten Urſachen4).
[587/0609]
Die Preisveränderungen ſind nun entweder vorübergehend oder
bleibend5), in Bezug auf ihre Dauer, dagegen entweder reell oder
nominell6) in Bezug auf ihre Urſachen. Im Ganzen aber richten
ſie ſich nach den Veränderungen in den Verhältniſſen der Bevöl-
kerung in quantitativer und qualitativer Hinſicht, nach politiſchen
und natürlichen Ereigniſſen, welche bei gleicher Bevölkerung die
Conſumtion erhöhen und erniedrigen, nach den Fortſchritten und
Stillſtänden im geſammten Gewerbsweſen, folglich nach der Zu-
und Abnahme des Volkswohlſtandes, und endlich nach den Ver-
änderungen im Geldweſen. Auf dieſen Hauptpunkten mit ſorg-
fältigem Eingehen ins Einzelne beruhen nicht blos die hiſtoriſchen
Unterſuchungen über die Veränderungen der Preiſe, ſondern man
kann auch bei genauer Scheidung der Preisveränderungen auf ihre
Urſachen zurückſchließen7). Allein das Eine wie das Andere iſt
erſtaunlich ſchwer.
¹⁾ Babbage Maſchinenweſen. §. 149. 152. 159. 162. folg.
²⁾ Rau polit. Oeconom. I. §. 160 folg. der 2ten Ausg. oder §. 171. der
1ten Ausg.
³⁾ Es darf nicht vergeſſen werden, daß alle dieſe Sätze nicht blos von den
Gütern, ſondern auch von den Nutzungen und Leiſtungen gelten. Was nun aber
den Preis der Waaren, den eigentlichen Preis, betrifft, ſo beſteht derſelbe aus
Koſten- und Gewinnſtſätzen. Der Koſtenſatz derſelben in der Hand des Verkäufers
beſteht in allen Auslagen, welche zur Hervorbringung und Herbeiſchaffung der
Waare nöthig waren; alſo a) aus dem Arbeitslohne; b) aus dem Lohne für die
Beſchäftigung des Unternehmers; c) aus dem Preiſe des angewendeten umlaufenden
Capitals; d) aus der bei der Production und Herbeiſchaffung Statt findenden
Abnutzung des ſtehenden Capitals. Aus mehr als dieſen Anſätzen kann derſelbe nicht
beſtehen. Andere, wie z. B. auch Rau (polit. Oeconom. I. §. 166. der 2ten oder
§. 171. der 1ten Ausg.), rechnen auch in denſelben noch den Zins für das benutzte
Capital, die Rente für die angewendeten Grundſtücke und den Gewinn des
Gewerbsunternehmers. Allein, was der Verkäufer im Preiſe anrechnet, iſt darum
noch kein Koſtenſatz. Auch iſt dieſer Streit kein bloßer Wortkram, ſondern er
führt zur genauen Erörterung, bis zu welcher Grenze der Preis der Waaren äußerſt
ſinken kann. Die letzteren Sätze ſind keine Koſten, ſondern Gewinnſte, deren Größe
nicht nach Belieben oder nach einer gewiſſen Nothwendigkeit durch die Gewerbtrei-
benden oder Verkäufer beſtimmt wird, ſondern ſich vielmehr nach den Verkehrs-
verhältniſſen geſtaltet, während es dagegen eine Höhe der Auslagen gibt, welche
für die Production und Herbeiſchaffung einer Waare abſolut nothwendig iſt. An
den Gewinnſten kann man ſich einen Abzug gefallen laſſen, aber nicht an den
Koſten, und man wird jenes ſo lange thun, als man nicht im Stande iſt, in einer
andern Gewerbsunternehmung nach Abzug der Umſiedelungskoſten und -Verluſte
höhere Gewinnſte zu beziehen. Wollte man hiergegen einwenden, daß doch der
Pacht- und Capitalzins, welchen ein Gewerbsunternehmer an den Grund-, Haus-
und andern Capitaleigenthümer zu entrichten habe, für ihn Auslagen, alſo Koſten,
ſeien, ſo iſt dies zuzugeben, aber nicht, daß ſie Productions- oder Herbeiſchaffungs-
koſten ſind, welche Weſenheit z. B. dem gemietheten Capitale, das er in ſein
Geſchäft verwendet und aus ihm erſtattet erhalten muß, um es zurück zu bezahlen,
zukommt. Der Gewerbsmann kann an die genannten Perſonen nicht mehr bezahlen,
als ihm nach Erſtattung der Koſten noch übrig bleibt, um es unter jene zu ver-
theilen. Jene müſſen ſich damit begnügen, wenn ſie ihr Dargeliehenes oder Ver-
pachtetes nicht zurück verlangen und ſonſt irgend wie anwenden wollen. Aber mit
[588/0610]
³⁾ der Erhöhung oder Erniedrigung jener Koſtenſätze ſteigt oder ſinkt der Preis, wenn
nicht die Verkehrs- oder Concurrenzverhältniſſe entgegengeſetzt entſprechend eine
Erniedrigung oder Erhöhung der Gewinnſtſätze veranlaſſen. Ein berühmter Kampf
iſt aber gegen Ricardo und ſeine Schule erhoben worden. Es wird ihm von
Rau (polit. Oeconom. I. §. 159. der 2ten oder §. 170. der 1ten Ausg.) entgegnet,
er lege (Principles p. 84.) gar kein Gewicht auf die Hindernisse des Angebotes,
ſchreibe dem Mitwerben nur ſo vorübergehende Wirkungen auf den Preis zu, daß
es keine beſondere Aufmerkſamkeit verdiene, und nehme daher Koſten und Preis
als gleich an, weßhalb bei ihm Werth, Tauſchwerth, ſoviel als Koſtenbetrag,
natürlicher Preis heiße. Allein dieſe Anſichten hat Ricardo nicht. Er ſagt viel-
mehr p. 78–84., die Arbeit bilde den natürlichen Preis, von dieſem weiche der
Marktpreis zufällig und temporär ab, dieſer richte ſich nach Begehr und Angebot,
weil das Streben nach Gewinn die Menſchen zwinge, ein ſehr vortheilhaftes
Geſchäft mit andern zu theilen und ein unvortheilhaftes zu verlaſſen, es müſſe nun
wegen dieſer Reaktion der Marktpreis immer nach dem natürlichen gravitiren. Im
30ten Kap. S. 492–496. ſagt derſelbe zwar, die Productionskoſten regulireten
den Preis, aber mit der Beſchränkung, daß temporär auf ihn Begehr und Angebot
wirkten, und die Anſicht von Buchanan, Say (Traité I. 316. II. 26.) und Lau-
derdale (Inquiry p. 13.), daß blos Begehr und Angebot den Preis beſtimme, sei
ganz unrichtig und führe zu falschen Folgerungen, z. B. zu jener des Ersteren, daß
ſich der Arbeitslohn nicht nach dem Preise der Lebensmittel, sondern blos nach der
Concurrenz richte. Darin hat Ricardo und Mill (Elements p. 92–93.)völlig
Recht, denn Begehr und Angebot können nur auf einen urſprünglichen Preisſatz
influiren und ſie ſind ohne dieſen bedeutungslos. Im Grunde ſagt Rau (§. 163.
der 2ten oder §. 174. der 1ten Ausg.) nichts Anderes und daraus, daß Ricardo
die Hinderniſſe des Angebotes nicht zuſammenſtellt, ohne Zweifel, weil jeder nur
ein wenig denkende Leſer von ſelbſt darauf kommt, läßt ſich nicht ſchließen, daß er
überhaupt kein Gewicht darauf lege, denn er ſtatuirt ja den Einfluß des Angebots
und Begehrs auf den Preis. Allein Rau geht (polit. Oeconom. I. §. 166. der 2ten
oder §. 176. der 1ten Ausg.) noch weiter und ſagt, Ricardo (Principles chap. I.)
und Mill a. a. O. geben blos den Arbeitslohn als Koſtenbetrag an, weil ſie das
Capital als aufgehäufte Frucht früherer Arbeit und ſeinen Preis gleichfalls als Lohn
anſehen, während Torrens On the production p. 24. ſcheinbar entgegengeſetzt be-
haupte, der natürliche Preis richte ſich gänzlich nach dem angewendeten Capitale.
Rau wendet nun zwar gegen dieſe Sätze ein, ſelbſt wenn man den Preis des Capi-
tals auch ganz auf Arbeitslohn zurückführen könnte, ſo ſei doch die Capitalrente
für die Benutzung des Capitals ein Beſtandtheil der Koſten; die Anſicht von
Torrens ſei richtig, inſoferne alle Beſtandtheile des Koſtenſatzes Ausgaben und als
ſolche Capital des Unternehmers ſeien, aber die Anſicht (p. 51.), daß der Gewinn
kein Koſtenſatz, ſondern ein Ueberſchuß, neu entſtandenes Vermögen ſei, widerlege
ſich durch genaue Zergliederung der Zinsrente und des Gewerbsgewinnes und durch
die Bemerkung von ſelbſt, daß die übliche Zinsrente entweder wirklich ausgegeben
oder, wenn das Capital dem Unternehmer ſelbſt gehöre, wenigſtens aufgeorfert
werde. Eine Bekämpfung dieſer Einwendungen gibt ſchon der Anfang dieſer Noten.
Allein mit den Ricardo'ſchen Anſichten hat es eine andere Bewandtniß. Ricardo
zeigt im erſten Abſchnitte jenes Hauptſtückes, daß der Tauſchwerth eines Gutes von
der relativen Menge Productionsarbeit abhängt, und nicht von der größeren oder
geringeren Vergütung, welche für Letztere bezahlt wird; im zweiten, daß die
Anhäufung von Capital an ſich keinen Unterſchied in jenem Prinzipe ſtatuire; im
dritten, daß die in jenem vorgetragenen Grundſatze durch die Anwendung von
Maſchinen als ſtehendem Capitale beträchtlich modifizirt werden; im vierten endlich,
wie der Grundſatz, daß der Werth ſich nicht mit dem Steigen und Fallen des
Arbeitslohnes verändere, ebenſo modifizirt werde durch das Verhältniß des umlau-
fenden Capitals zum ſtehenden, durch die ungleiche Dauer des Letztern und durch
die verſchiedene Schnelligkeit, womit dies dem Unternehmer erſtattet werde. Es
iſt weſentlich dabei zu bemerken, daß Ricardo daſelbſt nicht vom Preiſe der
Waaren an ſich, ſondern vom gegenſeitigen verglichenen Preiſe derſelben ſpricht,
und daß er (p. 40.) ausdrücklich ſagt, es ſteige keine Waare im Tauſchwerthe,
blos weil der Arbeitslohn ſtieg, ſondern nur, wenn dieſer zufolge der größeren
[589/0611]
³⁾ erforderlichen Productionsarbeit im Ganzen ſteige. Mills Anſicht iſt, daß der
Preis der Waaren ſich nach der Concurrenz und nach den beiderſeitigen Koſten der
umzutauſchenden Waaren, eigentlich aber blos nach den Productionskoſten richte,
da das Geſetz der Concurrenz den Preisſatz auf dieſe zu reduziren ſuche; die Pro-
ductionskoſten beſtünden im aufgewendeten Capitale und Arbeit zuſammengenommen,
und nur dann in Einem davon, wenn das Eine im Andern enthalten oder nur
Eines angewendet wäre; aber alles Capital ſei urſprünglich auch wieder nur Frucht
der Arbeit, weßhalb der Tauſchwerth nach Arbeit zu ſchätzen ſei. Sieht man
hieraus, daß ſeine Anſicht nicht ſo ſchroff iſt, wie Rau angibt, ſo muß doch
bemerkt werden, daß er den Gebrauchswerth und die Seltenheit eines Gutes als
Regulatoren des Tauſchwerthes und Preiſes nicht achtet, weßhalb er viele Mühe
hat, den hohen Tauſchwerth und Preis alten Weines zu erklären (ſ. aber auch
Mac-Culloch Principles. p. 313. Ueberſetzung von v. Weber. S. 251.). Die
Anſicht von Torrens iſt von der Mill'ſchen nicht verſchieden, ſondern er zeigt
nur, daß bei einem noch rohen Volke allein die Arbeit, bei einem civiliſirten
dagegen auch aufgehäufte Arbeit oder Capital den Tauſchwerth beſtimme (ſ. auch
Mac-Culloch Principles. p. 318. Ueberſ. S. 256.).
⁴⁾ Es verſteht ſich leicht, daß durch dieſe Preisveränderungen verſchiedene
Wirkungen auf die Induſtrie hervorgehen, namentlich auf die Arbeiterklaſſe und
Gewerbsunternehmer. Das Nähere kann erſt unter III. recht klar werden.
⁵⁾ Die Begriffe von theuer, wohlfeil und koſtbar ſind hiernach zu
erläutern. S. Rau polit. Oeconom. I. §. 180. folg. der 2ten oder §. 187. folg.
der 1ten Ausg.
⁶⁾ S. §. 420. über Real- und Nominalpreis, und oben N. 4.
⁷⁾ Beſonders wichtig iſt, die partielle Preisveränderungen von den allgemeinen
zu unterſcheiden. Nur ein gleichmäßiges Steigen oder Fallen aller Preiſe läßt auf
allgemeine Geldveränderungen ſchließen. Bei allgemeiner Veränderung in der Pro-
duction u. dgl. ſteigen oder fallen ſie nicht gleichmäßig. Rau polit. Oeconom. I.
§. 271–276. Die Anſicht von A. Smith (Unterſuch. I. 305.), daß in reicheren
Ländern die Edelmetalle gegen Getreide und Arbeit theuer ſeien iſt äußerſt ſcharf-
ſinnig und intereſſant widerlegt von Ricardo Principles. p. 478–484.
§. 419.
Fortſetzung. 2) Insbeſondere bei einzelnen Gütern.
Dieſe bisher gepflogenen Unterſuchungen beziehen ſich nicht
blos auf die Waaren im ſpeziellen Sinne, ſondern auch auf das
Metall- und Papiergeld, die Actien, Staatspapiere und Wechſel,
nur nennt man den Preis der Letzteren den Curs. Es iſt ſehr
belehrend und gibt der Lehre vom Curſe dieſer Dinge viele Gründ-
lichkeit, und beleuchtet die Lehre vom Preiſe von den verſchiedenſten
Seiten, wenn man die bisherigen Grundſätze auf ſie anwendet1).
¹⁾ Man ſ. darüber §. 347–350. und die Literatur b im §. 416. N. 1.
§. 420.
C. Arten des Preiſes.
Je nach den Beziehungen, unter welchen man die Preiſe be-
trachtet, kann man verſchiedene Arten unterſcheiden. Dieſer
Unterſchied iſt im §. 61. durchgeführt. Es bleibt hier noch blos
[590/0612]
in Bezug auf den Durchſchnittspreis eine Bemerkung zu machen.
Im §. 403. wurde unter den Maaßſtäben zur Schätzung des Ver-
mögens beſonders der Tauſchwerth am tauglichſten gefunden. Wenn
man für ihn einen ſchicklichen Ausdruck hätte, würde man der
Wahrheit am nächſten kommen. Der Durchſchnittspreis, mit ge-
nauerſter Sorgfalt berechnet, iſt wohl dazu grundſätzlich am brauch-
barſten. Der Preis iſt zwar allgemeinhin nicht der Ausdruck für
den Tauſchwerth, weil dieſer nicht das einzige Wirkende bei ſeiner
Bildung iſt. Allein bei dem fortwährenden Streben der Preiſe,
ſich an denjenigen Stand anzupaſſen, welcher dem Tauſchwerthe
entſpricht (§. 418. 2.), und bei der immer größern Ausgleichung
nicht blos der Marktpreiſe, ſondern auch der verſchiedenen Wirk-
ſamkeiten der Preisregulatoren, im Durchſchnittspreiſe, läßt ſich
leicht denken, daß dieſer einen Ausdruck bildet, welcher dem Tauſch-
werthe am leichteſten entſpricht. Freilich bleibt er als Mittel zur
Schätzung des Volksvermögens ſtets darum unvollſtändig, weil in
ihm die Wirkungen der andern Preisregulatoren neben dem Tauſch-
werthe nicht aufgehoben, ſondern nur immer mehr ausgeglichen
werden.
III. Von den Zweigen des Volkseinkommens.
§. 421.
A. Im Allgemeinen.
Das jährliche Volkseinkommen wird unter die Einzelnen nach
Maaßgabe der Mitwirkung zu deſſen Erzielung vertheilt. Wer und
inſoweit Jemand mit Hilfe der Naturkräfte producirt, der bezieht ein
Einkommen, welches man Naturrente nennen kann, das gewöhn-
lich aber Grundrente heißt; wer mit ſeiner Arbeit zur wirth-
ſchaftlichen Production mitwirkt, der bekommt die Arbeitsrente,
gewöhnlich Arbeitslohn genannt; wer die Production mit Capital
unterſtützt, der hat die Capitalrente, auch Zinsrente geheißen,
anzuſprechen; wer als Unternehmer eines Gewerbes ſich hinſtellt
und den ganzen Betrieb unter Zuſammenhalten aller drei wirth-
ſchaftlichen Güterquellen und mit Uebernahme des Riſico oder
Wagniſſes leitet, von dem ſagt man, er beziehe dafür ein eigenes
Einkommen, den Gewerbsgewinn (Gewinnſt, Profit). Man
bezieht dieſe Arten von Einkommen entweder aus eigener Anwen-
dung in einem ſelbſtſtändigen Gewerbe und dann kann man ſie
natürlich nennen; oder man bezieht ſie dafür, daß man einem
Andern Grundbeſitz, eigene Arbeitsfähigkeit und Capital zur
Nutzung überläßt und in dieſem Falle werden ſie ausbedungen
[591/0613]
genannt. Dasjenige Einkommen, welches man für die Mitwirkung
zur wirthſchaftlichen Production bezieht, heißt urſprüngliches;
dasjenige aber, welches man für nicht wirthſchaftlich productive
Unterſtützung Anderer, ſei es durch Dienſte oder Nutzungen, be-
zieht und welches man ohne eine Leiſtung empfängt, heißt man
abgeleitetes, da es nur aus dem urſprünglichen abgegeben
wird1).
¹⁾ So Rau polit. Oeconom. I. §. 251. Lotz Handb. III. 162. 262. storch
Cours, Ueberſ. von Rau. I. 173 folg. say Cours IV. p. 55–112. Ueberſ. von
v. Th IV. 42–86. Anders Hermann Unterſuch. S. 313–315., welcher unter
abgeleitetem Einkommen blos das ohne Gegengabe empfangene verſteht. S. auch
v. Jacob Nat. Oeconom. §. 694.
§. 422.
B. Die Einkommensarten insbeſondere. 1) Natur- oder
Grundrente und Pachtzins.
In allen Gewerben wirkt die Productivkraft der Natur mehr
oder weniger zur Erzielung des Einkommens mit. In den Urge-
werben iſt es die gebundene Naturkraft im Grund und Boden, in
den Kunſtgewerben aber ſind es ungebundene Naturkräfte, welche
dazu wirkſam ſind. In ſämmtlichen aber verdankt der Gewerb-
treibende einen Theil ſeines Einkommens den Naturkräften, und
dieſer iſt die Naturrente (Grund-, Boden-, Landrente, welche
drei Namen die Meinung erweckt haben, als ob es blos in den
Urgewerben eine ſolche Rente gäbe)1). Vor der Ausbildung des
Eigenthums empfängt ſie der Benutzer, nach der Ausbildung des-
ſelben dagegen der Eigenthümer des Grund und Bodens und der
Benutzer der ungebundenen Naturkraft. Benutzt der Eigenthümer
dieſe Naturkräfte ſelbſt, dann wird das genannte Einkommen
Grundrente im eigentlichen Sinne (natürliche Grundrente) ge-
nannt; überläßt er ſie aber einem Andern zur Benutzung und
empfängt er hierfür eine Vergütung, ſo heißt dieſelbe Pacht-
zins (ausbedungene Grundrente). Dieſelbe läßt ſich nach einer
andern Beziehung in Sach- und Geldgrundrente unterſcheiden.
Jene beſteht in den als Rente gewonnenen Naturproducten ſelbſt,
dieſe aber in den für ſie erhaltenen Geldpreiſen2). Die Unter-
ſuchung über die Umſtände, wovon die Größe der Grundrente ab-
hängt, hat ſich alſo über dieſe verſchiedenen Arten derſelben zu
verbreiten. Es muß ſich a) die natürliche Sachgrundrente
nach der Beſchaffenheit des Bodens (§. 138.) und nach den Pro-
ducten richten, in welchen der Boden ſeiner Natur nach etwas
ertragen kann3). Dagegen richtet ſich b) die natürliche Geld-
[592/0614]
grundrente nach den Regulatoren der Sachgrundrente, nach den
mehrjährigen Durchſchnittspreiſen der bezogenen Producte und alſo
nach allen Umſtänden, welche den Preis der Producte beſtimmen4),
und man findet ſie, wenn man vom Rohertrage des Urgewerbes
den allgemeinen üblichen Zins des verwendeten Capitals, die Ab-
nutzung des ſtehenden und den ganzen Betrag des umlaufenden
Capitals und den üblichen Gewerbsgewinn in Abzug bringt5).
Aber c) die ausbedungene Grundrente oder der Pachtzins,
er werde ganz oder zum Theile in Geld und zum Theile in Na-
turalien entrichtet, iſt nichts als ein Preis für die geſtaltete
Bodenbenutzung und richtet ſich alſo nach den Preisregulatoren, näm-
lich nach dem Werthe der Nutzung, nach den zum Bezuge des
Ertrages zu machenden Koſtenauslagen, nach der Zahlfähigkeit des
Pachters, nach dem üblichen Pachtzinſe, nach den Concurrenzver-
hältniſſen, und nach dem Geldwerthe6). Faßt man alle dieſe
Umſtände zuſammen, ſo drängt ſich die Frage über das Verhältniß
der Größe der Grundrente zum wirthſchaftlichen Volkswohlſtande
von ſelbſt auf. Es ſteigt und ſinkt mit ihr der Preis des Grund
und Bodens in ſeiner verſchiedenen urgewerblichen Anwendung,
denn ſie iſt der Ausdruck für die Höhe des Schaff- und Tauſch-
werthes deſſelben. Sie ſteigt und ſinkt mit der Bevölkerung und
mit dem Volkswohlſtande, weil die Nachfrage nach Urproducten
ſich hiernach richtet und bewirkt, daß man entweder neuen weniger
ergiebigen Boden in Bearbeitung bringt oder bisher bearbeiteten
wieder liegen läßt. Man kann aber aus ihrer Höhe nicht immer
auf geſtiegenen und allgemein gleichen Volkswohlſtand zurück-
ſchließen, weil ſie auch Folge von bloßen Geldverhältniſſen ſein
kann und immer eine Erhöhung des Preiſes der Urproducte vor-
ausſetzt, welche den weniger begüterten Ständen die Exiſtenz
erſchwert.
¹⁾ Nicht blos von dem zu Land- und Forſtwirthſchaft oder zum Bergbaue ver-
wendeten Boden bezieht man eine Rente, ſondern auch z. B. von dem auf einer
Bleiche wirkſamen Sonnenſcheine, von Waſſer und Luft als Triebkräften von
Maſchinen u. dgl. Man ſ. über die Lehre von der Rente: A. smith Inquiry. I.
223 folg. 392. say Cours. IV. 250–304. Ueberſ. von v. Th. IV. 192–233.
storch Cours. Ueberſ. von Rau. I. 234–249. III. 317. Kraus Staatswirthſch.
II. 99–257. Lotz Reviſion. III. S. 244–346. §. 222–243. Handbuch. I.
S. 507–547. §. 79–83. Rau polit. Oeconom. I. §. 206 folg. der 2ten oder
§. 141–144. und §. 214. folg. der 1ten Ausg. Krauſe, Verſuch eines Sy-
ſtems ꝛc. I. S. 339–369. v. Thünen, der iſolirte Staat. Hamburg 1826.
Malthus, An Inquiry into the nature and progress of Rent. London 1815.
E. West, An Essay on the application of Capital to Land. Oxford 1815.
Ricardo Principles. p. 47. vergl. mit p. 326. Note. Mill Elements. p. 29 sqq.
Racenstone, A few doubts. p. 208. R. Jones, On the Distribution of Wealth.
Tom. I. (am ausführlichſten). = Quarterly Review. T. 46. p. 81 sqq. vergl.
Octob. 1827. No. 82. pag. 404. Torrens, On the production pag 103 folg.
[593/0615]
¹⁾ Mac-Culloch Principles. p. 264–287. Ueberſ. von v. Weber. S. 212–230.
Ganilh, Des systemes. II. 1–24. simonde de sismondi, Nouv. Principes. I. 275.
L. say Considérations. p. 84 (über A. Smith). p. 168 (Ricardo). p. 268
(Malthus). Canard Principes. p. 5–8. — Die Lehre von der Grundrente iſt
aus mehreren Gründen bisher noch ſehr unvollſtändig, nämlich a) weil man den
Begriff der Grundrente mit jenem der Capitalrente und des Gewerbsgewinnes ver-
mengte, ein Fehler, dem ſchwer zu entgehen war, da kein Grund und Boden ohne
Capital und Arbeit zu bewirthſchaften iſt, da ſich viel Capital in den Boden fixirt,
ſo daß ſich deſſen Beſchaffenheit verändert, und da man erſt von einer Rente ſpricht
nach Eingang oder Verrechnung der Preiſe der Urproducte; b) weil man, anſtatt
die Urproduction und den Zuſtand der Bevölkerung im Vergleiche zum ganzen
Gewerbsweſen in möglichſt vielen Ländern und geſchichtlich zu betrachten, ſich mei-
ſtens blos auf ein Land, eine Betriebsart ꝛc. bezog, ein Fehler, in welchen die
Ricardo'ſche Schule verfiel, da ſie blos die Verhältniſſe Englands vor Augen
hatte, obſchon in Schottland und Irland unter ſich und im Vergleiche mit jenem
verſchiedene Verhältniſſe obwalten (Quarterly Review. Tom. 46. p. 83. Tom. 43.
p. 354.); endlich c) weil man die Lehre von der Grundrente zu ſehr auf das
gewohnte praktiſche Landbauſyſtem, namentlich auf das Pachtſyſtem, baute und ſo
ſtets die Rente nach ihrem Geldbetrage, alſo nach den Productenpreiſen berechnete,
und mit dem landwirthſchaftlichen Reinertrage verwechſelte.
²⁾ Der Begriff von Grundrente iſt zwar ſchwer, aber logiſch weit leichter zu
geben, als praktiſch zu finden und ſtatiſtiſch darzuſtellen. Es ging hier eine der
merkwürdigſten Verwechſelungen der Methodik, das Weſen der Rente begreiflich zu
machen, mit den Gründen der Entſtehung und Veränderungen der Rente vor.
Nichts iſt natürlicher, als die Methode von Malthus, Weſt, Ricardo, Mill,
Torrens, Jones a. a. O. I. 94., und Andern, daß ſie ſagen: Wenn die Be-
völkerung ſo zunehme, daß man gezwungen ſei, zur Befriedigung der Lebensbedürf-
niſſe immer neuen Boden von ſchlechterer Qualität urbar zu machen und zu bebauen,
ſo werde der Preis der Producte ſo hoch ſteigen, daß auch die größeren Productions-
koſten, die auf den ſchlechteren Boden verwendet würden, ſammt den üblichen Ge-
winnſten erſtattet und für die Eigenthümer des je beſſeren Bodens, der je weniger
Auslagen in der Bewirthſchaftung erheiſche, dadurch ein den Eigenthümern
ſchlechtern Bodens nicht zukommender Gewinn bereitet werde. Aber daraus zu
ſchließen, daß nur ſo und dann eine Rente entſtehe, wie dies Ricardo und ſeine
Anhänger allgemein gethan haben ſollen, iſt eben ſo viel, als zu behaupten, daß
die Productivkraft der Natur vor Entſtehung des Grundeigenthums und einer
großen Bevölkerung nicht beſtanden und nicht gewirkt habe. Die Grundrente iſt die
erſte, welche der Menſch im roheſten Zuſtande nebſt der Arbeitsrente bezieht, und
Folge der Productivkraft des Bodens. Ricardo widerſpräche ſich mit einer ſo
allgemeinen Folgerung ſelbſt, denn er erklärt die Grundrente mit Recht für den-
jenigen Theil des Products der Erde, welchen der Grundherr für den Gebrauch
der urſprünglichen unverwüſtlichen Kraft des Bodens erhält (p. 47.), und ſagt, ſie
werde nicht bezogen oder größer je nach dem theureren Verkaufe der Producte
überhaupt, ſondern in dieſer Erhöhung könne Handels- und Gewerbsgewinn liegen
und die Geſetze der Rente ſeien von denen des Letzten verſchieden (p. 48–49.).
Solche auffallende Widerſprüche hat man ſich nicht geſcheut einem Ricardo unter-
zuſchieben, obſchon ganz deutlich aus ſeiner Rentenlehre hervorgeht, daß er von der
entrichteten Rente ſpricht, welche vom Pachtzinſe ganz verſchieden iſt, da dieſer
auch Capitalzins enthalten kann für das mit dem Boden verpachtete Capital. Wenn
er nun (p. 50.) ſagt, in reichen Urländern mit Ueberfluß an Boden gebe es keine
Rente, weil Niemand für den Gebrauch des Bodens etwas bezahle, ſo lange dort
nicht Grundeigenthum beſtehe oder eine große Maſſe Landes unbeſeſſen ſei, da
Jedermann, wie Luft und Waſſer benutzen, ſo auch Boden nach Belieben anbauen
könne; ſo muß ihm wohl Jedermann auch Recht geben. Rau (§. 208. der 2ten
oder §. 144. der 1ten Ausg.) greift zwar Ricardo ſchon damit an, daß derſelbe
von der Rente ſogar diejenige Vergütung ausſchließe, welche man gebe, um die
bereits auf oder im Boden befindlichen Gegenſtände, z. B. haubares Holz, Stein-
kohlen u. dgl. wegnehmen zu dürfen. Allein an der Richtigkeit dieſer Anſicht
Ricardo's kann nicht gezweifelt werden, wenn man bedenkt, daß derjenige,
Baumſtark Encyclopädie. 38
[594/0616]
²⁾ welcher die Ernte, den Hieb oder die bergmänniſche Förderung einem Andern
überläßt, in der Vergütung dafür außer der Land-, Forſt- oder Bergrente auch
noch einen Erſatz des Capitals ſammt Zinſen, die Rente des Ankaufscapitals zur
Erwerbung des Eigenthums, den Unternehmergewinn und, wo möglich, noch einen
Antheil an dem zu machenden Handelsgewinnſte des Uebernehmers der Producte zu
erlangen ſucht. Uebrigens wirft Rau demſelben auch als Fehler vor, daß obiger
Begriff von Grundrente willkührlich zu verengt ſei, da doch nicht blos die urſprüng-
liche unzerſtörbare Bodenkraft, ſondern vielmehr jede die nutzbare Beſchaffenheit des
Bodens vermehrende Bodenverbeſſerung auch Urſache der Rentenerhöhung ſei, und
offenbar aus jenem engen Begriffe hervorgehe, daß Bergwerke u. dgl. keine Renten
geben, was offenbar unrichtig ſei. Allein Ricardo (p. 73–77.) zeigt, daß von
der Bergrente nach ihrer Natur auch dasjenige gelte, was von der Landrente geſagt
ſei, und dies mit vollem Rechte, weil bei dieſer die Naturkraft ſchon früher wirkſam
war und Dinge bereit geſtellt hat, zu deren Erzeugung der Menſch nicht mitwirken
kann. Daß aber der Mehrertrag über die bloße Naturkraftrente, welcher aus
ſolchen Meliorationen folgt, die Natur der Rente habe, das gibt Ricardo (p. 326.
Note), wie Rau ebenfalls erwähnt, zu. Derſelbe hätte aber noch weiter gehen
und ſagen ſollen, daß derſelbe trotz dieſem keine Rente, ſondern Capitalzins iſt,
der aus der Anwendung von Capital auf die Naturkraft hervorgeht. Man muß
unterſcheiden zwiſchen dem Capitalaufwande zur Verbeſſerung der phyſiſchen Beſchaf-
fenheit des Bodens an ſich (z. B. in der Landwirthſchaft §. 138. 1–6. einſchl.
und §. 139. 145–147.) und jenem zur beſtmöglichſten Benutzung des Bodens bis
zum vortheilhafteſten Abſatze der Producte (§. 138. 7 folg. und §. 140–144.
150–153. 208. 2.), zu welchem Letzteren aller bergmänniſche Betriebsaufwand
gehört. Die erſtere Art von Capitalien bringt eine dauerhaftere Wirkung auf der
Reinertrag in Land- und Forſtwirthſchaft hervor als die andere. Das Einkommen
daraus, ſei der Capitalaufwand vom Eigenthümer oder vom Pachter gemacht, muſſ
wenn dieſe ihn zu machen bereit ſein ſollen, den üblichen Zins geben und in
mehreren Raten das Capital erſetzen und iſt folglich Capitalzins mit Rentennatur.
Dieſer wird erſt dann wirkliche Rente, wenn jenes Einkommen ganz oder theilweiſe
noch fortbezogen wird, nachdem ſchon das Capital ſammt Zinſen erſtattet iſt. Denn
dann bleibt reine erhöhte Naturkraft übrig.
³⁾ Außer dieſen Regulatoren ſpricht Rau (§. 215. u. 215. a. der 2ten oder
§. 219. der 1ten Ausg.) auch noch von dem Einfluſſe der Bodenbenutzung auf die
Rente. Allein was als Folge dieſer an Einkommen mehr bezogen wird, das iſt
keine Grundrente, ſondern Arbeits-, Capital- und Gewerbseinkommen, welches
auch mit der Rente verſchmolzen iſt. In ähnlicher Annahme und Verwechſelung
beſteht der Grundfehler der Rentenlehre von Ricardo. Er geht nämlich davon
aus, daß es oft beſſer ſei, anſtatt auf neuen Boden geringerer Qualität, auf den
bereits bebauten neue Capitalien zu verwenden, welche dann, wenn ſie auch den
Gewinn nicht in demſelben Verhältniſſe ſteigerten, als das Capital vermehrt wurde,
doch oft eine Erhöhung deſſelben um ſo viel herbeiführen, daß man für das neue
Capital noch mehr Ertrag erhält, als wenn man es auf neuen Boden verwendet
hätte. Daher erklärt er die zu entrichtende Rente für den Unterſchied (15 L.)
zwiſchen dem Producte (100 L.) des erſten Capitals (1000 L.) und jenem (85 L.)
des zweiten gleichen Capitals (1000 L.), ſo daß alſo je der nächſt niedrigere Ertrag
der nächſten Capitalanwendung (alſo hier 85 L.) keine Rente gibt, ſo lange nicht
ein drittes Capital von wieder weniger Ertrag angewendet iſt, und dieſes dritte
nicht, ſo lange kein viertes angewendet iſt u. ſ. w. Allein nicht vom Capitale,
ſondern von der Productionsfähigkeit des Bodens hängt die Grundrente ab, und
derſelbe muß alſo an und für ſich nach ihrer Verſchiedenheit verſchiedene Renten zu
geben verſchiedene Fähigkeit haben, keineswegs aber, weil ſchlechterer Boden ange-
baut oder ferneres weniger ergiebiges Capital auf denſelben Boden verwendet wird.
Die Bodenkraft zeigt ſich bei jeder neuen Capitalanlage weniger wirkſam, und bei
jeder wird der neue Betrag der Rente kleiner, während der Gewinnſtſatz ſich gleich-
bleibt. Warum die entrichtete Rente gerade jenen Unterſchied (15 L. in angef.
Beiſpiele) und nicht mehr und nicht weniger betragen könne, das hat Ricardo
gezeigt. Er ſagt, zwei verſchiedene Gewinnſtſätze (100 L. und 85%) von zwei
gleichen Capitalien könne es nicht geben, und deßhalb falle ihr Unterſchied dem
[595/0617]
³⁾ Grundeigenthümer als Rente zu. Wenn man ſich die Ricardo'ſche Anſicht fort
und fort ausgeführt denkt, ſo kommt man auf einen Punkt, wo ein abermals an-
gewendetes neues Capital, auf demſelben Boden verwendet, nicht mehr ſo viel
erträgt, als wenn es in neuem ſchlechteren Boden angelegt wäre. In dieſem Falle
fiele alsdann die Wahl auf dieſen, u. ſ. w., bis endlich ein Capital den gewöhn-
lichen Gewinnſtſatz nicht mehr gibt. Dieſes wird dann eine beſſere Anwendung
ſuchen und bleibt nicht im betreffenden Urgewerbe, und folglich kann ein ſolcher
Zuſtand, wenigſtens auf die Dauer, bei freiem Verkehre nicht beſtehen. Aber aus
allem dem folgt nicht, daß keine Rente exiſtirte, ehe das zweite Capital angelegt
wurde; denn, wenn es keine zwei Gewinnſtſätze geben kann, ſo folgt noch nicht,
daß erſt beim zweiten Capitale der rechte Gewinnſtſatz gefunden und abgezogen
werde, er muß vorher ſchon exiſtiren. Und die ganze Ricardo'ſche Theorie ſagt
alſo im Ganzen nichts Anderes, als, die entrichtete Rente iſt der Reſt des Rein-
ertrags nach Abzug des üblichen Gewinnſtes und die Rente hört bei denjenigen
Grundſtücken auf, bezahlt zu werden, welche blos den üblichen Gewinnſt für Capital
und Arbeit geben.
⁴⁾ Ricardo geht, da er, wie geſagt, von der entrichteten Geldrente ſpricht,
in ſeiner ganzen Theorie davon aus, daß ſich der Preis der Urproducte nach den größten
vorhandenen, d. h. nach den Productionskoſten der Erzeugniſſe des unter den
ungünſtigſten Naturverhältniſſen bebauten Bodens richte. Dieſer Satz ſteht gerade
in Widerſpruch mit der Lehre von der Bildung des Preiſes, wo gezeigt wird, daß
der Preis immer nach dem Erſatze der niederſten Productionskoſten ſtrebt. Allein
je größer der Begehr wird, um ſo höher ſteigt der Preis, und man kann alsdann,
um dieſen mit dem Angebote zu entſprechen, ſchlechtern Boden mit mehr Koſten
bebauen, ohne im Preiſe der Producte zu verlieren. Alſo es ſteigt der Preis der
Bodenproducte nicht, weil bei ſchlechterem Boden mehr Koſten aufzuwenden ſind,
ſondern dieſer größere Aufwand kann gemacht werden, weil der Preis jener Pro-
ducte ſo hoch geſtiegen iſt.
⁵⁾ Denn ohne Erſtattung der Capitalauslagen und Ausſicht auf den gewöhn-
lichen Gewinn wendet kein Unternehmer Capital auf den Grund und Boden.
Allein daraus folgt nicht, daß der Boden ſchlechter Qualität gar nicht bebaut
werde. Denn es gibt ſchon in den Urgewerben verſchiedene Benutzungsarten mit
Pflanzungen, auf welche ein auf andere Art benutzt unergiebiger Boden einen
Ertrag und eine Rente geben kann, wenn man nur ſeine Natur und die ent-
ſprechende Pflanzung trifft. Zu Gewerbsbetrieben iſt aber mancher Boden, der ſonſt
wenig oder keine Rente gäbe, oft mit großem Vortheile zu benutzen. Schon aus
dieſen und auch noch aus den manchfachſten andern Verkehrsverhältniſſen iſt zu
ſchließen, daß die bisher vorgetragenen Grundſätze von der Rente nicht ſo ſtrikt und
abſolut eintreffen, ſondern in der Wirklichkeit Hinderniſſe und Modificationen
erleiden.
⁶⁾ Der Gebrauchswerth des Bodens liegt in ſeiner Güte, dieſe aber
beruht nicht blos auf der urſprünglichen Beſchaffenheit, ſondern auch auf Ver-
beſſerungen vermittelſt Capitals. Er findet ſeinen entſprechenden Ausdruck in dem
übrig bleibenden Theile des Reinertrags nach Abzug der Capitalauslagen und
Capital- und Gewerbsgewinnſte. Iſt kein Capital im und auf dem Boden mit
verpachtet, ſo iſt jener Reſt der höchſte Satz des Pachtzinſes. Die Koſten als
Regulatoren der Pachtzinſen ſind auf jene Art ſchon erklärt. Die Zahlfähigkeit
des Pachters hängt nicht von der Perſönlichkeit und Vermöglichkeit deſſelben allein,
ſondern auch von günſtigen und ungünſtigen Ereigniſſen ab, die auf den Ertrag
von Einfluß ſind. Dieſe veranlaſſen oft Remiſſionen. Letztere berechnet der Ver-
pachter nebſt ſeinen Verluſten durch ſchlechte Naturalien, ſchlechte Münzen u. dgl.
bei der Calculation des Pachtzinſes mit ein. Je ſicherer die Caution iſt, deſto
niedriger kann daher auch der Pachtzins werden. So ſtreng, als eben in der
Theorie gerechnet wird, geſchieht dies nicht in der Praxis, ſondern man geht da
mehr von dem üblichen Pachtzinſe aus, woraus natürlich bei veränderten
Verhältniſſen um ſo mehr Verluſte für die eine oder andere Parthie entſtehen
können, wenn der Contract nicht ſo geſtellt iſt, daß er mit veränderten Verhältniſſen
von ſelbſt fällt oder ſteigt, alſo eine fixe Summe beträgt. Die Concurrenz-
38 *
[596/0618]
⁶⁾ verhältniſſe ſind von höchſter Wichtigkeit. Die Menge von Grundeigenthümern
gegenüber der Menge von Bauern u. dgl., welche durch den Betrieb von Land-
wirthſchaft u. dgl. leben müſſen, bringt daher oft große Mißverhältniſſe vor und
auf dieſen Umſtänden beruhen die verſchiedenen grundherrlichen und bäuerlichen
Syſteme, welche die Geſchichte und Statiſtik aufweist und Jones a. a. O. p. 40
folg. p. 142 folg. beſchrieben hat. Was vom Einfluſſe des Geldweſens auf den
Preis überhaupt geſagt wurde, das gilt auch hier mit Bezug auf den Geldpacht-
zins. Wenn die Geldrente fix iſt, ſo entſtehen daraus je nach Zu- und Abnahme
des Geldtauſchwerthes für die eine oder andere Parthie ſchlimme Folgen, welche
aber für die Pachter und Bauern in der Regel am drückendſten ſind.
§. 423.
Fortſetzung. 2) Arbeitsrente und Arbeitslohn.
Kein Gewerbe, weder ein wirthſchaftlich productives noch ein
unproductives, iſt ohne Arbeit denkbar, ſelbſt das Geſchäft des
gewöhnlichen Geldcapitaliſten und Grundeigenthümers, welcher
ſeine Güter verpachtet, nicht ausgenommen. Es gibt aber in jeder
Nation eine Klaſſe von Mitgliedern, welche in ihren Gewerben
ſelbſt arbeiten und eine andere weit größere, insbeſondere ſoge-
nannte arbeitende Klaſſe, welche Andern gegen Belohnung
(Lohn, Löhnung, Honorar) Dienſte leiſtet. Jene bezieht die Ar-
beitsrente, dieſe den Arbeitslohn, denn ohne einen ſolchen
der Arbeit entſprechenden wirthſchaftlichen Erfolg würden ſich die-
ſelben der Arbeit nicht unterziehen1). Man könnte jene die na-
türliche, dieſe aber die ausbedungene Arbeitsrente nennen und
kann auch einen Sach- und Geldlohn unterſcheiden. Auch hier
entſtehen die zwei Fragen, wonach ſich die Arbeitsrente und der
Arbeitslohn richten und in welchem Verhältniſſe ſie zum Volks-
wohlſtande ſtehen. a) Die eigentliche Arbeitsrente muß groß
genug ſein, um den Arbeiter in ſeiner Jugend, im arbeitsfähigen
Alter und im ſpäteren Alter, d. h. alſo jeden Arbeiter ſammt der
arbeitsunfähigen Familie zu erhalten. Daher richtet ſie ſich nach
der üblichen Lebensweiſe der arbeitenden Familien beſtimmten
Grades, welche nach Klima, Sitten und Gewohnheiten wechſelt,
— nach dem Preiſe der Lebensmittel, welche die entſprechende
Arbeiterklaſſe braucht, — nach den Zwiſchenzeiten, in welchen nicht
gearbeitet werden kann oder darf, — und nach den Auslagen zur
Erwerbung der zur betreffenden Arbeit erforderlichen Geſchicklich-
keit2). Es iſt aber b) der Arbeitslohn ein Preis für die ge-
leiſtete Arbeit und richtet ſich folglich nach dem Werthe der Arbeit,
nach den zur Erlangung und Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und
Geſchicklichkeit nöthigen Koſten, nach der Zahlfähigkeit der Be-
gehrer (Lohnherrn), nach dem einmal marktüblichen Arbeitslohne,
nach den Concurrenzverhältniſſen, und nach den Geldverhältniſſen3).
[597/0619]
Es folgt hieraus, daß der Arbeitslohn in verſchiedenen Ländern,
Gegenden und Zeiten verſchieden iſt; daß ein hoher Arbeitslohn
die wirthſchaftlichen Zuſtände der arbeitenden Klaſſe verbeſſert,
und ein niederer verſchlimmert, Letzteres um ſo mehr, je größer
das Mißverhältniß zwiſchen dem Lohne und dem Bedarfe der
Arbeiterklaſſe iſt; daß ein hoher Arbeitslohn als ein Zeichen großen
Volkswohlſtandes erſcheint; und daß er auf den Preis der Dinge
einen entſchiedenen Einfluß ausübt, und zum Gewinne der Ge-
werbsunternehmer in umgekehrtem Verhältniſſe ſteht4).
¹⁾ Zur Literatur: A. smith Inquiry. I. 96–133. 151. say Cours. IV.
113–189. Ueberſ. von v. Th. IV. 86–145. storch Cours, Ueberſ. von Rau.
I. 151. 187–217. III. 299 folg. Ganilh Des systemes. II. 245. simonde de
sismondi Rich. Commerc. I. 88. Nouv. Principes. I. 353. L. say Considéra-
tions. p. 71 (A. smith). p. 179 (Ricardo). p. 279 (Malthus). Ricardo Prin-
ciples. pag. 85. Mill Elements. pag. 40. Ravenstone A few doubts. pag. 260.
Mac-Culloch Principles. pag. 229. 292. 326. Ueberſ. von v. Weber. S. 181.
234. 262. senior Three Lectures on the Rate of Wages. Oxford 1830. 2e Edit.
Gioja Nuovo Prospetto. III. 228. Kraus Staatsw. I. 197–248. II. 6. Lotz
Reviſion. III. 128–190. §. 195–211. Handb. I. 468. §. 77. folg. Rau polit.
Oeconom. I. §. 187. der 2. oder §. 194. der 1. Ausg. Krauſe Syſtem. I. 369.
²⁾ Es folgt aus dieſen für ſich leicht verſtändlichen Regulatoren der Arbeits-
rente, daß in der Geſellſchaft der Stand des Arbeitslohns je nach der Stellung der
Klaſſe von Arbeitern im weiteren Sinne verſchieden iſt, und daß eine vorübergehende
Theuerung der Lebensmittel mehr oder weniger drückende Folgen für dieſe Klaſſe
hat, weil ſich die Arbeitsrente nicht ſo ſchnell verändern kann. In dieſem Sinne
allein iſt es richtig, wenn Buchanan, in den Anmerkungen zu A. Smith, und
Gioja behaupten, die Arbeitsrente richte ſich nicht nach den Preiſen der Lebens-
mittel (ſ. dagegen Ricardo a. a. O. p. 259–268. und Ganilh a. a. O. p.
249–260.). Nur Beſonnenheit und Sparſamkeit kann ſie dann vor den ſchlimm-
ſten Folgen bewahren (ſ. oben §. 374–377.).
³⁾ Der Werth der Arbeit kommt als Gebrauchs- und Tauſchwerth in Be-
tracht. Sowohl der Arbeiter als der Lohnherr macht ſein Urtheil darüber geltend.
Jener wird nach dem Zwecke, wozu der Lohnherr die Arbeit haben will, und nach
der Tauglichkeit des Arbeiters bemeſſen. Je kunſtvoller alſo unter gleichen Umſtänden
die Leiſtung, oder je höher die nöthigen Eigenſchaften, oder je nöthiger fürs Leben
der Dienſt, deſto höher der Arbeitslohn oder das Honorar. Der Tauſchwerth ent-
ſcheidet über den Lohn am meiſten bei Arbeitern oder Dienſten, wegen der größeren
oder geringeren Seltenheit einer betreffenden Arbeitsfähigkeit, einer gehörigen
Menge von Arbeitern für den betreffenden Dienſt und wegen der Mühe für
Erlangung der erforderlichen Bildung und Geſchicklichkeit. Wegen der Koſten als
Lohnregulatoren ſ. m. die Erörterung über die Regulatoren der Arbeitsrente unter a.
Am ſchwerſten iſt die Quote zu beſtimmen, welche von den Bildungskoſten im Lohne
oder Honorare enthalten iſt, weil die Lebensdauer ſehr verſchieden iſt, innerhalb
deren ſie erſtattet werden ſollen, und weil die Größe des Bildungsaufwandes zu
ſehr wechſelt. Der marktübliche Arbeitslohn oder das gewöhnliche Honorar
hat deßhalb Einfluß auf den Lohnſatz, weil man ſich einmal bei vielen Lohncontracten
und bei Forderung von Honorar an das Uebliche hält, und weil man ſich beim
Dingen beiderſeits darauf beruft, der Arbeiter, wenn ihm zu wenig geboten, der
Herr, wenn ihm zu viel gefordert wird. Was die Zahlfähigkeit der Lohn-
herrn anbelangt, ſo fällt ſie hier ganz genau mit der einen Seite der Concur-
renz, nämlich mit dem Begehre nach Arbeit, zuſammen. Denn nach den vorhan-
denen Mitteln zur Zahlung von Dienſten richtet ſich im Allgemeinen der Begehr
darnach. Man ſagt nun gewöhnlich, der Begehr nach Arbeit richte ſich nach der
Menge von disponiblem Capitale. Daß dies nicht vom Nationalcapitale und nicht
[598/0620]
³⁾ vom Capitale überhaupt gelte, hat Rau (polit. Oeconom. §. 195.) gezeigt, weil
die ins Ausland wandernden Capitalien im Inlande nicht auf den Lohn wirken und
das ſtehende Capital ebenfalls nicht. Allein es iſt doch klar, daß nicht blos das
Capital, ſondern auch der Conſumtionsvorrath oder mit andern Worten, nicht blos
das rohe, ſondern auch das reine Einkommen, jenes Productivdienſte, dieſes auch
unproductive Arbeiten in Bewegung ſetzt. Die Unterſuchung der Folgen des Ver-
hältniſſes, wonach der einen oder andern Art von Dienſten Einkommen gewidmet
wird, iſt zur Erforſchung des wirthſchaftlichen und anderen Volkswohlſtandes ſehr
wichtig. Das Angebot von Arbeit richtet ſich nach der Menge von bereitſtehenden
Arbeitern, aber dieſe hängt ab nicht blos von der Größe der arbeitenden Bevölkerung
im Allgemeinen, ſondern vielmehr auch von der Menge von Arbeitern in jedem
beſtimmten Arbeitszweige, dieſe aber richtet ſich nach der Häufigkeit und Seltenheit
der dazu nöthigen Eigenſchaften, nach der Bereitſchaft von Mitteln zur Erlernung
einer Arbeit, nach der Gefahr und Unannehmlichkeit der Arbeit, und nach einer
Reihe ſubjectiver Rückſichten, als da ſind Sicherheit und Dauer der Anſtellung, Art
der Behandlung und Achtung u. dgl. m. Es iſt nun freilich im Grundſatze wahr,
daß niedriger Lohn zufolge geringen Begehrs oder anderer Urſachen die Arbeiter
beſtimmt, anderswo oder andere lohnendere Arbeit zu ſuchen. Allein dieſem Wechſel
ſtehen viele, oft unüberſteigliche Hinderniſſe entgegen. Sie ſind hauptſächlich fol-
gende: a) Mangel an Capital in andern Gewerben und größere Sparſamkeit in
unproductiver Conſumtion; b) fortwährende Gewerbsverbeſſerungen und Erfindungen
von Maſchinen, welche Arbeiter entbehrlich machen; c) Entfernung der Orte, wo
größere Nachfrage nach Arbeit Statt findet, Mangel an Mitteln in den Händen der
Arbeiter, um dorthin zu gelangen, und Staatsgeſetze, welche der Ueberſiedelung
entgegen ſind, als Geſchloſſenheit der Gemeinden, Zunftgeſetze, Verbot des Aus-
wanderns der Arbeiter, wie in Großbrittannien vor a. 1824; d) Seltenheit der
Geſchicklichkeit für verſchiedene Geſchäfte, größere oder geringere Untauglichkeit für
andere Arbeiten als Folge der Angewöhnung bei Arbeitstheilung, und Scheu vor
niederern Geſchäften, als die bisherigen waren. Entſtehen nun ſchon dadurch viele
Uebelſtände, ſo gehen auch ſolche aus periodiſchen Veränderungen im Geldweſen
hervor, welchen der Arbeitslohn in ſeiner Größe nicht immer ſogleich folgen kann,
ſo daß Mißverhältniſſe zwiſchen dem Lohne und den hohen Preiſen der Lebensmittel
entſtehen.
⁴⁾ Ueber die Priorität des Gedankens wegen des umgekehrten Verhältniſſes
zwiſchen Gewinn und Arbeitslohn ſ. m. Meine Verſuche. S. 87. Note. Eine
beſondere Aufmerkſamkeit verdient aber die Anſicht Ricardo's über den Einfluß
des Lohnes auf den Preis der Waaren, und Rau's Entgegnung auf dieſelbe. Die
Erſtere iſt blos eine Fortſetzung der oben (§. 418. N. 3.) ſchon angeführten Sätze.
Ricardo fährt nämlich (p. 25–28.) ſo fort: Keine Veränderung im Arbeitslohne
kann eine ſolche im relativen Werthe der Güter hervorbringen. Denn zur Erſtat-
tung eines umlaufenden Capitals von 100 L mit 10% Zinſen müſſen 110 L
eingehen, zur Erſtattung eines gleichen ſtehenden Capitals in zehn Jahren mit dem
nämlichen Gewinne müſſen jährlich 16,27L. eingehen, denn dieſe Rente macht in
10 Jahren auch obige Summe. Denkt man ſich in zwei ſo beſtellten Gewerben ein
Steigen des Lohnes um 10%, ſo werden beide gleich betheiligt, da zur Production
der früheren Gütermenge jetzt 10% umlaufendes Capital mehr nöthig werden
Früher mußten die ſämmtlichen producirten Güter um 100+10+16,27=126,27 L.
verkauft werden, jetzt aber nicht höher, obſchon der Capitalbetrag in beiden Gewerben
anſtatt der früheren 200 L. jetzt 210 L. macht. Die Gewinnſte reduciren ſich gleich-
mäßig und die Güter behalten gleichen relativen Werth. Kann aber mit dem
gleichen Capitale und Arbeitsquantum mehr von dem einen als vom andern Pro-
ducte hervorgebracht werden, ſo iſt das Gleichgewicht geſtört und es ſinkt der relative
Werth der in größerer Menge producirten Güter gegen jenen der Andern. Iſt das
Werthsmaaß unveränderlich, ſo iſt die äußerſte Grenze eines andauernden Steigens
der Preiſe der Waaren proportional zum Arbeitszuſatze für ihre Production. Ein
Steigen des Arbeitslohns erhöht ſie nicht im Geldwerthe und nicht relativ zu andern
Waaren, deren Production keinen Arbeitszuſatz erheiſchte, die nämliche Proportion
ſtehenden und umlaufenden Capitals anwendete, und ſtehendes Capital von gleicher
Dauer hat. Wird mehr oder weniger Arbeit in der Production der Waaren
[599/0621]
⁴⁾ erheiſcht, ſo verurſacht dies ſogleich eine Preisveränderung, allein dieſe rührt von
der nöthigen Arbeitsmenge und nicht vom Steigen des Arbeitslohnes her. — Den
beſten Commentar zu dieſer richtigen Anſicht gibt Mac-Culloch Principles. p. 288
-325. Ueberſ. von v. Weber S. 231–261. und Mill Elements. p. 105–107.
Die Bemerkungen, welche Rau §. 203. u. 204. bei der verſuchten Widerlegung
dieſer Anſicht macht, ſind in der That ſehr lehrreich, aber die Widerlegung ſcheint
nicht gelungen zu ſein, weil Ricardo weit entfernt iſt, Dinge zu behaupten,
welche Rau bekämpft. Denn er hat nirgends aufgeſtellt, daß jedesmal mit der
Zunahme des Arbeitslohns der Preis der Güter in demſelben Verhältniſſe ver-
mehrt werde, als jener ſtieg, alſo wenn der Lohn um 10% geſtiegen ſei, auch der
ganze, auch noch aus andern Sätzen beſtehende, alſo mehr als der bloße Lohn
betragende Preis um 10% ſteige. Er behauptet ſogar das Gegentheil, und gerade
eben weil der Capitalgewinnſt um die Summe ſinke, um die der Lohn geſtiegen ſei,
d. h. nicht um das nämliche %, da der Betrag des Erſteren ein anderer als der
des Letzteren iſt. Derſelbe ſagt an keiner Stelle, daß eine Veränderung der Preiſe
zufolge des geſtiegenen Arbeitslohnes allgemeinhin gleichförmig ſei, im Gegentheile,
er zeigt das Eintreten einer nothwendigen Ungleichförmigkeit wegen der verſchiedenen
Combination von Capital und Arbeit in den Fällen, wenn die Preiſe ſich verändern
zufolge der nöthigen größeren oder geringeren Menge von Arbeit oder Capital zum
Behufe der Production. Ricardo ſpricht nicht davon, daß ſich der Lohn in allen
Gewerben in gleichem Verhältniſſe erhöhen müſſe, ſondern vielmehr, daß im
Preiſe der Dinge die Veränderung deſſelben dem Unternehmer bei dem einen Ge-
werbe z. B. nicht zu Statten komme, weil in ihm nur der für eine gewiſſe
Beſchäftigung allgemein übliche Lohn berechnet werden könne, und verhältnißmäßig
am Gewinne abgehe, was ein Unternehmer an jenem mehr zu zahlen habe. Daß
die Concurrenz auch den Lohn beſtimmt, das weiß derſelbe auch, aber da bei
gewinnreichem Arbeitslohne das Angebot von Arbeit ſteigt, ſo wird der Lohn wieder
ſinken, ebenſo wie im umgekehrten Falle wieder ſteigen. Daher das Prinzip von
Ricardo, daß nur eine Veränderung im reellen Koſtenſatze, ſei es in Arbeit oder
Capital, eine bleibende Veränderung im gegenſeitigen relativen Werthe der Waaren
hervorbringe; derſelbe läugnet daher nicht, daß eine Erhöhung des Lohnes eine
Steigerung des Koſtenſatzes der Production und ein Anreitz des Producenten ſei,
den Preis ſeiner Producte zu ſteigern, aber wohl beſtreitet er, daß dieſer Verſuch
in der Regel Erfolg haben werde. Ricardo ſetzt deutlich zwei Gewerbe von
urſprünglich gleicher erforderlicher Capital- und Arbeitsmenge voraus, und folgert
aus einer Veränderung des einen Gewerbes hierin eine Störung des bisherigen
Verhältniſſes der relativen Werthe ihrer Producte; er kennt allerdings die Umſtände,
welche Preisabweichungen verurſachen, recht gut. Wenn nun aber endlich Rau
behauptet, die Ricardo'ſchen Sätze könnten nur richtig ſein, wenn unter den
andern auch die Vorausſetzung gelte, daß die Zinsrente und der Gewerbsgewinn in
allen Gewerbsarten im Gleichgewichte ſtehen, in allen zugleich zu- und zugleich
abnehmen; ſo müßte, ſelbſt wenn die Wahrheit jener Vorausſetzung wirklich noth-
wendig wäre, von Rau auch vorerſt bewieſen werden, daß die vorausgeſetzte
Gleichförmigkeit nicht Statt finde. Das Gegentheil hiervon ſoll, momentane Un-
gleichheiten abgerechnet, im folgenden bewieſen werden.
§. 424.
Fortſetzung. 3) Capitalrente und Capitalzins.
Das Capital iſt eine dritte Güterquelle. Wird das ſtehende
Capital in Gewerben verwendet und ſoll es die Gewerbsführung
immer möglich machen, ſo muß es, da es ſich abnutzt, alſo nach
und nach ganz verſchwinden würde, jedenfalls durch ſeine Anwen-
dung einen Erſatz für die allmälige Abnutzung geben. Würde es
aber ſtets blos dieſen Erſatz liefern, ſo könnte die Production im
[600/0622]
Verhältniſſe zur ſteigenden Bevölkerung keine Fortſchritte machen,
da ſie fortwährend von der Möglichkeit der Ueberſparung abhängig
iſt. Es muß alſo aus der Capitalanwendung ein zweiter Satz
hervorgehen, der es möglich macht, neues Capital zu ſammeln,
um durch Gewerbserweiterungen und Verbeſſerungen dem ſteigenden
Bedarfe zu entſprechen. Wird umlaufendes Capital in Gewer-
ben verwendet, ſo gilt im Allgemeinen auch das Geſagte. Nur
kann ſich bei dieſem der Erſatztheil blos auf die Verzehrung von
Capital und die Verluſte an ſolchem bei der Production und wäh-
rend der Aufbewahrung beziehen. Wegen der Verſchiedenartigkeit
dieſer Erſatzſumme bei beiden Capitalien müſſen der Regel nach
beide Poſten zuſammen beim umlaufenden Capitale größer als beim
ſtehenden ſein. Was man alſo aus einer ſolchen Capitalanwendung
bezieht, das heißt man Capitalrente (natürliche Capital-
rente); dasjenige aber, was man dafür bekommt, daß man einem
Andern ein Capital zur Nutzung überläßt, wird Capitalzins
(ausbedungene Capitalrente) genannt1). In Bezug auf
die Dinge, woraus die Capitalrente und der Zins beſteht, iſt eben-
falls die Sachrente (der Sachzins) von der Geldrente (Geld-
zinſe) zu unterſcheiden. Die letzten Urſachen und Sätze derſelben
ſind zwar in dem Obigen angegeben, allein es bedarf auch hier
noch einer beſondern Unterſuchung, wonach ſich die Größe des
Einen und Andern richtet, und wie ſie ſich zum Volkswohlſtande
verhalten. Da man früher die Begriffe Geld und Capital nicht
gehörig ſichtete, ſo war man allgemein der Meinung, der Zinsfuß
richte ſich blos nach der Menge des vorhandenen Geldes2). Dieſer
Irrthum muß aus Folgendem klar werden: a) Die Capital-
rente richtet ſich alſo nach zwei Hauptregulatoren. Während
nämlich der Erſatzpoſten derſelben beim ſtehenden Capitale ſeinen
feſten Regulator in der allgemeinen Dauerhaftigkeit des Capitals
hat, ſo bleibt für die Regulirung des Ertragspoſtens nur die
größere oder geringere Nothwendigkeit der Capitalvergrößerung zum
Behufe der Erweiterung der Production übrig; dieſe aber ſpricht
ſich in der Nachfrage nach den Gewerbsproducten des Capitals aus
und äußert ſich folglich im Preiſe derſelben3). Beim umlaufenden
Capitale richtet ſich der Erſatzpoſten in der Rente nach der Größe
der Capitalauslage ſelbſt und nach der Anzahl der Perioden, in
welchen der allmälige Erſatz Statt findet, während der Ertrags-
poſten ſich nach denſelben Regulatoren wie beim ſtehenden Capitale
und nach der Länge der Zeit richtet, in welcher die Rente eingeht,
weil vorausgeſetzt werden muß, daß, wenn ſie früher eingegangen
wäre, das Capital und die Rente wieder neuerdings productiv
[601/0623]
angewendet worden wären4). b) Der Capitalzins dagegen er-
ſcheint wieder als Preis der Nutzung von ſtehendem und umlau-
fendem, und beim Letzteren wieder von Sach- und Geldcapital.
Er richtet ſich nach dem Werthe des Capitals, nach den Koſten
ſeiner Anſchaffung und Erhaltung, nach der Zahlfähigkeit des
Entlehners, nach dem üblichen Zinsfuße ſelbſt, nach den Concur-
renzverhältniſſen und nach dem Wechſel im Geldweſen5). Es iſt
aus dieſen Sätzen leicht erſichtlich, daß ein bleibend niedriger
Zinsfuß allgemeinhin ein Zeichen hohen Volkswohlſtandes und
großer geſetzlicher Sicherheit iſt6). Denn er ſteigt beim Mangel
an Letzterer und bei unzureichendem Angebote von Capital für den
Begehr darnach. Allein man kann darum aus ſeiner Höhe und
Niedrigkeit nicht gerades Wegs auf geſunkenen und geſtiegenen
Volkswohlſtand ſchließen. Denn in ſich erſt, aber raſch entwickeln-
den Ländern, wo die Menge von Natur- und Arbeitskräften ſo
außerordentlich groß iſt, daß man nicht Capital genug zu ihrer
Verwendung hat und wo deßhalb die Capitalrente ſehr hoch iſt7),
da ſteigt der Zinsfuß bei hohem Wohlſtande; und ſelbſt in alten,
gewerblich ſehr ausgebildeten, Ländern bei hohem Wohlſtande
können vorübergehende Verhältniſſe reeller und nicht reeller Art
die Nachfrage nach Capitalien und den Zinsfuß ſteigern und Ver-
änderungen im Geldweſen andere Unregelmäßigkeiten im Zinsfuße
hervorbringen.
¹⁾ Zur Literatur: A. smith Inquiry. I. 133. 152. 396. say Cours. IV. 190
-241. Ueberſ. von v. Th. IV. 145–191. storch Cours, Ueberſ. von Rau.
I. 218. II. 9–40. III. 310. 389. Ganilh Des systemes. I. 330. simonde de
sismondi Richesse Commerc. I. 47. 67. L. say Considérations. pag. 74. 80
(A. smith). 183 (Ricardo). 285 (Malthus). Ricardo Principles. p. 109. Mill
Elements. p. 68. Ravenstone A fav Doubts. p. 357. Mac-Culloch Principles.
pag 143. 244. 363. Ueberſ. von v. Weber. S. 113. 193. 293. Gioja Nuovo
Prospetto. III. 166. Kraus Staatswirthſch. I. 249. II. 28. Lotz Reviſion. III.
S. 157. §. 202. — S. 244. §. 221. Handb. I. 486. §. 78. Rau polit. Oec.
I. §. 222. der 2ten oder §. 145. 225 der 1ten Ausg. Nebenius, der öffentliche
Credit. I. S. 17–88. Hermann Unterſuch. S. 145–266. Meine Verſuche
über Staatskredit. S. 14. 17. 29.
²⁾ Dieſer Meinung ſind noch Steuart, Verri, Genoveſi und Andere
geweſen. Es kommt dieſelbe noch jetzt zuweilen zum Vorſcheine. S. dagegen Hume
Polit. Essays. IV. Das Geld iſt blos ein Mittel zum Capitalumſatze und iſt
nur inſoferne ein Theil des Capitals, aber nicht das Capital. Blos der Zins für
Gelddarleihen richtet ſich unter Anderem auch nach der Menge des Geldvorrathes.
Dann aber richtet ſich der Zins auch nach der Geldmenge inſoferne, als er in Geld
entrichtet wird, und dieſes nach ſeiner vorhandenen Menge verſchiedenen Tauſch-
werth hat, der ſinkend die Preiſe erhöht, und ſteigend dieſelben ſenkt. Aus dieſen
Gründen können Erſcheinungen, welche die Geldmaſſe vergrößern, den Zinsfuß
ſenken und im Gegentheile ſteigern. S. Meine Verſuche. S. 81. 127. Büſch,
Vom Geldumlaufe. II. 690. Hermann Unterſuchungen. S. 218. Es hat daher
Rau (polit. Oeconom. I. §. 235.) nicht ganz Recht, da er ſagt, es ſei entſchieden
ein Irrthum, daß der Zinsfuß falle, wenn die Menge des Geldes ſich vermehrt.
[602/0624]
³⁾ S. Hermann a. a. O. S. 152 folg. Die Rente des ſtehenden Capitals
iſt daher davon abhängig: a) ob es vermehrbar iſt oder nicht. Im letzteren
Falle kommt dem Unternehmer der ganze Zins als Rente zu und ein ſolches Capital
muß einen höheren Tauſchwerth und Preis haben als ein anderes, weil ſich dieſe
nach Gewinn und Seltenheit richten. Iſt es verkauft, dann kann ſein Käufer nicht
mehr von erhöhetem Gewinnſte reden, weil ſein als Preis bezahltes umlaufendes,
aber jetzt fixirtes Capital mit dem Gewinnſte im gewöhnlichen Zinsfußverhältniſſe
ſteht. Doch aber der Verkäufer. Je vermehrbarer und abnutzbarer aber ein ſtehen-
des Capital iſt, deſto tiefer kann die Rente ſinken. Die Hinderniſſe der Vermehr-
barkeit des Capitals liegen aber in der Natur, Arbeit und Capitalanwendung ſelbſt.
Die Rente des ſtehenden Capitals hängt aber, die Vermehrbarkeit vorausgeſetzt,
auch ab b) davon, ob die neuen Capitalzuſätze gleich, mehr, oder
weniger ergiebig ſind, als das erſte. Denn danach nimmt die Concurrenz
der Unternehmer in dieſer oder jener Capitalanwendung zu und ab, erhöht und
erniedrigt das Angebot von Producten, ſenkt und ſteigert den Preis derſelben und
den Gewinn. Beiſpiele bei Hermann p. 165–185.
⁴⁾ Allein ſteigen die Productenpreiſe, dann ſteigt auch die Rente des umlau-
fenden Capitals, reell oder nominell. Im Gegentheile ſinkt ſie. Steigt der Abſatz,
dann ſteigt dieſe Rente reell, im Gegentheile ſinkt ſie. Je mehr ſich die drei
Güterquellen in der Production der Hilfs- und Verwandlungsſtoffe ſo wie der
Unterhaltsmittel wirkſam zeigen, um ſo mehr kann auch dieſe Rente ſteigen. Sinkt
aber die Rente, ſo daß ein Verluſt eintritt, ſo kann das umlaufende Capital
leichter, als das ſtehende aus dem Gewerbe gezogen werden. Wegen dieſes Vor-
theils vor dem ſtehenden Capitale iſt es auch im Stande, ſtets ſeinen vollen Zins
im Gewerbe in Anſpruch zu nehmen, ſo daß ſich das ſtehende Capital eher ſchlecht
rentirt, als jenes, woraus folgt, daß der Preis des ſtehenden bei ſeiner Ausziehung
aus dem einen Gewerbe ſinkt. Zum Theile hierin, zum Theile in der Natur der
Capitalien ſelbſt liegen die Hinderniſſe, weshalb es nicht beliebig aus den Gewerben
gezogen werden kann. Es bildet ſich daher in einem Lande eine allgemeine Capital-
rente, ein Durchſchnitt jener beiden, welche ſich durch das Zu- und Abwenden der
Concurrenz nach oder vor einer Capitalanlage je nach der größeren oder geringeren
Rente (Note 3) und nach der Umwandlung des ſtehenden Capitals in umlaufendes
und des Letzteren in jenes, je nach der größeren Einträglichkeit bildet. Denn ein
geſtörtes Gleichgewicht ſucht ſich immer wieder herzuſtellen, und nur vorübergehend
können verſchiedene Zinsſätze beſtehen.
⁵⁾ Der Werth des Capitals erſcheint hier als Nutzwerth, weil er nach dem
Vortheile bemeſſen wird, den die Nutzung deſſelben gewährt. Der Tauſchwerth
wird nur in Bezug auf die Nutzung berechnet, aber auch dieſer hat Einfluß auf
den Zins, weil, wenn man auch für ein Capital gerade wegen ſeines beſondern
Nutzwerthes mehr als den gewöhnlichen Zins verlangen oder wenn Jemand weniger
als dieſen bezahlen wollte, die Menge oder Seltenheit dieſer Capitalien den allge-
meinen Zinsſatz wieder herſtellen wird. Nach dieſen Sätzen richtet ſich auch der
Zins für unproductiv zu verwendende Capitalien, denn weniger als den allgemeinen
Zinsſatz läßt ſich der Capitaliſt nicht gefallen. Es hat darum Hermann a. a. O.
S. 202–204. Unrecht, wenn er ſagt, blos bei gewerbtreibenden Gläubigern richte
ſich der Zins nach dem Nutzertrage des Capitals und blos die Erſparung an Mühe
und Sorgen beſtimme ſie weniger zu nehmen. Denn dafür, daß ſie keine Mühe
und Sorge haben, beziehen ſie den Gewerbsgewinn nicht. Es geht aber hieraus
und aus der erſten Hälfte des §. hervor, daß Rau I. §. 222. die Nothwendigkeit
des Zinſes blos damit ſehr unſicher beweist, indem er ſagt, er müſſe bezahlt wer-
den, weil es der Gläubiger der auf den Genuß verzichte, einmal ſo wolle. Die
Anſchaffungs- und Erhaltungskoſten begründen die Entſchädigungs-
ſumme, wie der Anfang des §. und die Note 3 zeigen. Die Zahlfähigkeit
des Entlehners begründet den Kredit deſſelben. Nach dem Grade deſſelben und
nach den Erfahrungen über erlittenen Verluſt aus dieſen und ähnlichen Gründen
richtet ſich die Größe des Wagniſſes, welches der Gläubiger übernimmt und wofür
er eine Verſicherungsſumme im Zinſe anrechnet. Es erklärt ſich, warum
gute Geſetze über dieſe Verhältniſſe und ein notoriſch treuer Volkscharakter, eine
[603/0625]
⁵⁾ Hypotheke und ein Fauſtpfand den Zins erniedrigen. (Meine Verſuche S. 6.
Note.) Der übliche Zinsfuß iſt ein Zinsregulator, inſoferne ſich ſchon der
Capitaliſt damit begnügt. Wer aber ein zu verleihendes Capital zu hoch ſchätzt,
wer zu viele und zu große Verluſte erlitten hat, wer ein zu hohes umlaufendes
für ein auszuleihendes ſtehendes Capital bezahlt hat u. dgl. m., der wird doch nicht
mehr als den üblichen Zinsſatz erlangen, während denſelben auch derjenige bezieht,
welcher noch nie Verluſte oder ähnliche Mißfälle erlitten hat, und ſein Capital
wohlfeiler ausleihen dürfte. Die Concurrenzverhältniſſe, d. h. die Menge
von Anlagsplätzen für Capital im Verhältniſſe zur Menge von diſponiblen Capitalien
wirken wie beim Preiſe überhaupt. Die Nachfrage ſteigt mit dem zunehmenden
Begehre nach Gewerbsproducten und mit dem einen hohen Gewinn möglich machen-
den Preiſe derſelben. Das Angebot ſteigt mit der Productivität der Gewerbe und
mit der Sparſamkeit. Der Wohlſtand iſt am höchſten, wenn unter übrigens gleichen
Umſtänden dieſes Angebot am größten, alſo der Zinsfuß am niedrigſten iſt. Die
Hinderniſſe der Capitalanſammlung ſind auch Mittel zur Erhöhung des Zinsfußes.
Einen entſcheidenden Einfluß auf den Zins hat das Geldweſen in allen Fällen,
wo der Zins in Geld bezahlt und wo Geldcapitalien verliehen werden, weil der
Zins ein Preis iſt (§. 418. 4.).
⁶⁾ Die entgegengeſetzte Anſicht, wie ſie bei Mac-Culloch Principles. p. 102.
Ueberſ. von v. Weber S. 80, Ravenstone A few Doubts p. 360, in der Schrift:
Considerations on the accumulation of Capital etc. London 1822 und im Edin-
burgh Review, März 1824 p. 1–31 ausgeſprochen iſt, hat ſcheinbar für ſich, daß
die Entſchädigungs- und Verſicherungsſumme ſinken könne, aber der eigentliche
Rentenſatz wegen des größern Abſatzes an Producten ſteigen müſſe. Allein dies iſt
unrichtig, weil mit dem Steigen der Gewerbsverbeſſerungen die Waarenpreiſe
ſinken, die Gewerbsconcurrenz zunimmt, eine beſondere Capitaliſtenklaſſe entſteht,
das Angebot der Capitalien ſteigt, u. dgl. mehr.
⁷⁾ S. Meine Verſuche. S 14.
§. 425.
Fortſetzung. 4) Gewerbsgewinn.
Eine andere Rente als aus der Productivkraft der Natur,
aus Arbeit und Capital kann es nicht geben. Der Ertrag, den
ein Gewerbe gibt, kann nur aus dieſen drei Quellen fließen. Je-
des Gewerbe muß aber, wenn es fortbetrieben werden ſoll, dem
Grundeigenthümer, Arbeiter und Capitaliſten, inſoweit er mit
ſeiner Güterquelle mitwirkt, ſeine entſprechende Grundrente, Löh-
nung und Verzinſung geben. Der Unternehmer eines Gewerbes
vereinigt dieſe Güterquellen, und muß aus dem rohen Einkommen
deſſelben den Grundeigenthümer, Arbeiter und Capitaliſten befrie-
digen, Letzteren, indem er ihm den Zins für das ſtehende und
jenen für das umlaufende Capital nebſt dieſem Letzten ſelbſt bezahlt.
Inſoweit er jene Perſonen in ſich ſelbſt vereinigt, d. h. ſelbſt mit-
arbeitet und die Fonds liefert, gilt das Bisherige auch von ihm.
Wenn ihm nun nach Bezahlung oder Abzug aller jener Poſten,
die er zuſammen Gewerbsauslagen nennt, nichts mehr übrig bliebe,
ſo hätte er keinen wirthſchaftlichen Grund, ſich den Unternehme-
geſchäften zu unterziehen, denn er würde dabei nicht einmal leben
können. Der Unternehmer wird daher auf einen Ueberſchuß über
[604/0626]
ſeine Gewerbsauslagen (den Gewerbsgewinn) Anſpruch machen,
der, mit Beziehung auf ſeinen Stand modifizirt, gerade die Ver-
gütungen, welche als Regulatoren der Arbeitsrente (§. 423. a.)
angegeben ſind, und eine Entſchädigung für das etwaige Miß-
glücken ſeiner Unternehmung zu den letzten Beſtimmgründen hat1).
Die Größe des Gewerbsgewinnes wird ſich alſo nach dem Preiſe
der gelieferten Producte oder geleiſteten Dienſte in geradem Ver-
hältniſſe, und nach der Größe der Capitalauslagen, zu zahlenden
Grundrente, Arbeitslöhne und Capitalzinſen ſowie nach der Con-
currenz der Unternehmer in jedem Gewerbszweige in umgekehrtem
Verhältniſſe richten2). Aus dieſen Regulatoren ergibt ſich von
ſelbſt, daß mit dem ſteigenden Volkswohlſtande der Gewerbsgewinn
ſinkt, weil der Arbeitslohn, die Grundrente und die Concurrenz
ſteigen. Allein man kann deßhalb nicht auch immer aus niederem
Gewerbsgewinnſte auf hohen Volkswohlſtand ſchließen, denn es
können auch vorübergehende Urſachen eine Erhöhung jener drei
Punkte bewirken. Die Gründe vom Sinken des Gewerbsgewinnes
ſind die entgegengeſetzten.
¹⁾ Da die Lehre vom Gewerbsgewinne hauptſächlich blos von storch Cours,
Ueberſ. von Rau. I. 249. Rau polit. Oeconom. I. §. 237. der 2ten oder §. 238.
149. 150. der 1ten Ausg. Hermann Unterſuch. S. 148 folg. 204–208. für ſich
ſelbſt, von den meiſten Schriftſtellern des Fachs aber mit dem Capitalgewinnſte
zuſammen abgehandelt iſt, ſo ſ. m. die Literatur in Note 1. des §. 424. Wie
Hermann erwähnt, ſoll auch Read political Economy. p. 243–250. 267. einen
Unterſchied zwiſchen beiden machen. Das Weſen des Gewerbsgewinnes iſt aber
ſelbſt von Rau nicht ſcharf aufgefaßt, denn er vermiſcht ihn noch mit dem Capi-
talgewinne, z. B. im §. 239., wo er unter andern Regulatoren deſſelben auch die
Aſſecuranzprämie für die nach der Größe des angewendeten Capitals verſchiedene
Gefahr erwähnt. Uebrigens verdient hier bemerkt zu werden, daß das Weſen des
Gewerbsgewinnes den andern Schriftſtellern nicht ſo unbekannt iſt, als man in
der Regel, z. B. auch Rau §. 238. vorgibt. Die Stelle, welche derſelbe von
Say anführt (Handb. IV. 49. 97. Cours IV. 64. 126.) iſt nicht allein entſcheidend.
Er verſteht (Cours I. 48. Ueberſ. I. 36.) unter Induſtrie jede bedachte Arbeit
(travail intelligent). Um die Induſtrie nun genauer zu entwickeln, muß er (Cours
I. 191. Ueberſ. I. 138.) die geiſtige (der Gelehrten), körperliche (der gewöhnlichen
Arbeiter) und die aus dieſen beiden combinirte (des Unternehmers) unterſcheiden,
und zeigt dann (Cours I. 204. Ueberſ. I. 149.), wie das Wort Arbeit (Travail)
zur Bezeichnung von Gewerb- und Betriebſamkeit (Industrie) durchaus unzureichend
ſei, wobei (und Cours II. 199. Ueberſ. II. 147.) er das Weſen der Betriebſamkeit
des Unternehmers ganz vollſtändig und äußerſt anziehend bezeichnet. Auch läßt ſich
gar nicht läugnen, daß der Unternehmegewinn Folge der eigenthümlichen Geſchick-
lichkeit und geiſtigen Kräfte des Unternehmers iſt, alſo ſeinen Grund in der Perſön-
lichkeit des Letztern hat, obſchon ihm äußere Umſtände dabei zu Hilfe kommen
müſſen. — Lotz iſt im Grunde durchaus nicht der Anſicht, daß der Gewerbsgewinn
eine Capitalrente ſei. Denn nach Erörterung des Capitalzinſes kommt er (I. S.
501–502.) auf die Frage, woher es denn eigentlich komme, daß die in den
Gewerben verwendeten Capitalien oft einen ſo enormen Gewinn abſetzen. Er ſagt,
man täuſche ſich, wenn man den ganzen Gewinn als Capitalrente betrachte; dieſe
habe nothwendig im ganzen Lande einen gleichen Satz, das Mehr über dieſen ſei
bloße Folge der Arbeit, der Art und Weiſe, des Sinnes und Zweckes, wie man
die Capitalien benutze und die Werkzeuge verwende. S. auch Deſſen Handb. I.
[605/0627]
¹⁾ §. 43. S. 211. Kraus Staatsw. II. 29–33. A. smith Inquiry. I. 72–74.
80. 170., wo dieſelbe Anſicht zu finden iſt. — Canard (Principes. §. 4. p. 9–11.)
unterſcheidet ganz unlogiſch la Rente fonciére (Grundrente), industrielle (Indu-
ſtrierente) und mobiliaire (Handelsrente). — Ricardo, Mill und Mac-Culloch
unterſcheiden in der Darſtellung den Gewerbsgewinn und Capitalgewinn nicht von
einander, ſie ſprechen überhaupt vom Gewinnſte (Profit). Dagegen iſt die Unter-
ſcheidung im Quarterly Review Tom. 44. p. 20–22. nicht zu verkennen. Der
Profit mercantile im Gegenſatze des Intérêt du Capitaliste bei simonde de sismondi
Nouv. Principes. I. 359. iſt nichts als der Gewerbsgewinn, und gerade aus dieſer
von Rau wörtlich angeführten Stelle geht hervor, daß jener die Natur des Ge-
werbsgewinnes recht gut kennt.
²⁾ Nicht blos ſtrömen die Unternehmer einem Gewerbe zu, welches einen
höheren Gewinnſt als ein anderes gibt, und verlaſſen das weniger gewinnreiche,
ſondern ſelbſt Capitaliſten beginnen Gewerbsunternehmungen, wenn der Mehrbetrag
über den Capitalzins bedeutend genug iſt, daß ſie ihre Bequemlichkeit darum auf-
opfern möchten. — Es iſt leicht zu ermeſſen, wie ein Unternehmer ſeinen Gewinn
erhöhen kann, aber da dies bei den beſten Mitteln vom Talente des Unternehmers
abhängt, ſo iſt mit der Verſchiedenheit deſſelben leicht erklärlich, warum der Ge-
werbsgewinn ſo ausnehmend verſchieden iſt.
Zweites Hauptſtück.
Volkswirthſchaftliche Hauswirthſchaftslehre.
§. 425. a.
Entſprechend den §§. 397. a. und b. hat die volkswirthſchaft-
liche Hauswirthſchaftslehre die Erhaltung und Verwendung des
Volksvermögens und -Einkommens zum Gegenſtande. Nach dem
Inhalte der allgemeinen Hauswirthſchaftslehre (§. 63.) hat ſie
daher folgende Punkte zu unterſuchen.
Erſtes Stück.
Von der Bevölkerung.
§. 426.
1) Gegenſeitiges Verhältniß der Stände.
In Bezug auf die Volkswirthſchaft laſſen ſich alle Mitglieder
einer Nation in die zwei Stände der Zehrer (Conſumenten) und
der Erzeuger (Producenten) ſcheiden, und zwar ebenſo in Bezug
auf eine beſondere Gattung oder Art von Producten, wie auch in
Beziehung auf alle Producte der Volksbetriebſamkeit. Blos Con-
ſumenten ſind nur jene Mitglieder der Geſellſchaft, welche, ohne
wirthſchaftlich productiv zu ſein (§. 406.), mit dem Volkseinkom-
men erhalten werden, nämlich die wirthſchaftlich unproductiven
Dienſtleiſtenden, Kinder, Greiſe, Kranke, Arme u. dgl. Die
übrigen leiſten der Production einen Vorſchub, welcher mit ihrer
Conſumtion im Verhältniſſe ſteht. Der Grundeigenthümer kann
[606/0628]
kann blos ſeine Einnahme an Grundrenten, der Arbeiter die ſei-
nige durch Arbeitsrenten, der Capitaliſt die ſeinige durch Capital-
renten und der Gewerbsunternehmer jene durch die Gewerbsge-
winnſte verzehren, wenn man Einnahmen durch Schenkung, Be-
trug, Spiel u. ſ. w., die blos den entſprechenden Einnahmen ande-
rer entzogen ſind, abrechnet. Je größer daher die Zahl der wirk-
lichen bloßen Conſumenten in wirthſchaftlicher Hinſicht und der
Conſumenten, welche der Geſellſchaft auch ſonſt gar keine Vortheile
gewähren, iſt, um ſo weniger wird die Volkswirthſchaft im Stande
ſein, ſich zu heben, zum Theile weil der Production um ſo mehr
Hände entzogen und zum Theile weil das Ueberſparen zur Capital-
anlage vermindert wird1).
¹⁾ Daher wenigſtens zum Theile die ſchlimmen Folgen von Kriegen, großen
ſtehenden Heeren, vieler Staatsbeamten, eines großen geiſtlichen Standes, der
Sinecuren u. dgl. auf die Volkswirthſchaft. Die Zahl der Kinder hängt mit der
Zunahme der Bevölkerung, dieſe aber mit der Production zuſammen.
§. 427.
2) Die Bevölkerung im Ganzen.
Die Menſchen verhalten ſich, was ihre Fortpflanzung anbe-
langt, nicht anders als die Thiere. Man ſieht die Menge der
Letzteren ſich vermehren, wann und wo ihnen die Natur und ihr
Inſtinkt genug Nahrung gibt und verſchafft. So einfach dies auch
iſt, ſo ſuchte man doch früher die Gründe der Zu- und Abnahme
der Bevölkerung in mehr zufälligen Ereigniſſen, wie z. B. in
Kriegen, Fehljahren, Hungersnoth, Zunahme der Heilkunſt, in
Staatsmaaßregeln zur Vermehrung der Bevölkerung u. dgl. mehr.
Allein die Geſchichte und Statiſtik zeigt, daß Gründe, wie die
drei erſteren, zwar local und kurz periodiſch die beſtehende Bevöl-
kerung verringern können, daß die ärztliche Kunſt in ihren Fort-
ſchritten das menſchliche Leben leidlicher und länger macht, und
daß die Maaßregeln der Regirung, als da ſind Beförderung oder
Erſchwerung der Verehelichung, des Aus- und Einwanderns wenig
oder gar nichts fruchten. Und dabei iſt immer nicht erklärt ge-
weſen, warum trotz aller jener Ereigniſſe die Bevölkerung bis jetzt
immer im Steigen begriffen war, und unbekümmert um Regi-
rungsmaaßregeln beſtändig ihren natürlichen Verlauf behielt. Ein
unabänderliches Naturgeſetz gibt auch der Bevölkerung ihren Lauf.
Sie ſteigt und fällt mit der Abnahme der Sterblichkeit und Zu-
nahme der Geburten, und mit der Zunahme der Erſteren und
Abnahme der Letzteren. Der Geſchlechtstrieb und die Annehmlich-
keiten des Familienlebens beſtimmen den Mann und das Weib zur
[607/0629]
Begattung, ſobald jener erwacht und ſobald die Ausſicht vorhan-
den, daß ſie und die Erzeugten mit ihrem Erwerbe an Exiſtenz-
mitteln leben können. Fülle an kräftigen Lebensmitteln vermehrt
die Geſchlechtsluſt und die Zeugungskraft; aber wenn auch alle
Männer und Weiber von einem beſtimmten bis zu einem beſtimmten
Alter vermögend und fruchtbar wären, ſo würde doch jedes Weib
in jenem Zeitraume jährlich nur ein Kind gebären können. Die
Laſterhaftigkeit, leichtſinnige Verheirathung, Unfruchtbarkeit,
Zwillings- und Drillingsgeburten ſind gegen dieſe Geſetze nur Aus-
nahmen. Die Menſchen vermehren und vermindern ſich daher
natur- und verkehrsgeſetzlich nach der Zu- und Abnahme der
Lebensmittel. Oder jede Nation ſteht mit ihrer Bevölkerung in
geradem Verhältniſſe zur wirthſchaftlichen Production, d. h. zu der
Größe und Vertheilung des jährlichen Volkseinkommens. Alles,
was dieſe befördert und hindert, erhöht und erniedrigt die Be-
völkerung. Darum iſt die Bevölkerung ſeit den älteſten Zeiten
trotz vieler periodiſcher ungünſtiger Ereigniſſe bis jetzt geſtiegen,
und iſt in jenen Ländern am größten, wo eine reichliche Natur die
Production begünſtigt, wo Sicherheit des Eigenthums und der
Perſon, die geiſtige Entwickelung, Geſchicklichkeit, Arbeitstheilung
und Arbeitsverbindung die productive Wirkung der Arbeit am mei-
ſten erhöhen, wo das meiſte Capital am zweckmäßigſten verwendet
iſt, wo der Güterumlauf durch Geld und Kredit am beſten beför-
dert wird, wo die Preiſe der Lebensmittel am niedrigſten, und
wo die Einkommensarten, nämlich Grundrente, Arbeitslohn, Ca-
pitalzins und Gewerbsgewinn am beſten und freieſten vertheilt ſind.
Wo die entgegengeſetzten Verhältniſſe obwalten, da wird ſie auch
am kleinſten ſein1). Die Bevölkerung richtet ſich daher beſtändig
nach dem Conſumtionsvorrathe, und dieſer wächst mit immer
neuer Capital- und Arbeitsanwendung auf die Natur. Dieſes
Gleichgewicht bleibt aber nicht ohne Unterbrechung, es gibt viel-
mehr vorübergehende Ereigniſſe, welche den Conſumtionsvorrath
im Verhältniſſe zur beſtehenden Bevölkerung, und welche die Letztere
im Verhältniſſe zu jenem übermäßig verringern, z. B. landwirth-
ſchaftliche Mißjahre, und verheerende Krankheiten. So erſchütternd
und traurig ſie auch ſind, ſo hat die Erfahrung doch gezeigt, daß
nach ihnen die Bevölkerung wieder raſcher zunimmt.
¹⁾ Thatſachen hier mitzutheilen, würde zu weit führen. Gute Statiſtiken und
folgende Schriften über die Theorie der Bevölkerung enthalten dazu die Beweiſe.
A. smith Inquiry. I. 121. 255. say Cours. IV. 305–414, Ueberſ. von v. Th.
IV. 234–314. storch Cours, Ueberſ. von Rau. II. 392. III. 454. Beccaria
Elementi. I. 47. Ortes Dell' Econom. nazionale. II. 147. Deſſelben Rifles-
sioni sulla Popolazione delle Nazioni = Economisti. P. Mod. XXIV. p. 5. 23 sqq.
[608/0630]
¹⁾ Briganti Esame economico. II. 219. Gloja Nuovo Prospetto. II. 177 sqq.
Mac-Culloch Principles. p. 193. Ueberſ. von v. Weber. S. 153. Lotz Handb.
I. 241. Rau polit. Oeconom. II. §. 11 u. 12. Lüder, Kritik der Statiſtik und
Politik. S. 204 (Göttingen 1812). Malthus An Essay on the Principle of Po-
pulation. London 1803. 4th. Edit. 1807. II. Additions to the fourth and former
Editions. London 1817. Ins Franzöſ. überſetzt von P. Prevost. Paris et Genéve
1809. III. und nach der 15. Aufl. von G. Prevost. 2de Edit. Paris et Gen. 1824.
IV. Ins Deutſche von F. H. Hegewiſch. Altona 1807. II. Dieſes die Wiſſen-
ſchaft von der Bevölkerung begründende ſcharfſinnige und geiſtreiche Werk hat viele
Kämpfe verurſacht. S. dagegen Ingram Disquisitions on Population. Lond. 1808.
Gray The happiness of states. London 1815. Deſſelben The Principles of
Population and Production. Lond. 1818. Purces The Principles of Population.
Lond. 1818. Ravenstone A few doubts. p. 25–207. Ueber dieſen Gegenſtand
ferner simonde de sismondi Nouv. Principes. II. livre 7. Erſch und Gruber,
Allgemeine Encyclopädie. Art. Bevölkerung (von Rau).An Inquiry into the
Principles of Population, exhibiting a system of Regulations for the Poor etc.
Lond. 1832. = Monthly Review. Januarv 1833. p. 51.Moreau de Jonnés Etu-
des statist. sur la Mortalité dans les diff. Contrées de l'Europe, vorgeleſen in der
franz. Academie am 4. Sept.1833. = Fix Revue mensuelle d'Econom. polit. I.
p. 228. Revue Encyclop. July et Août 1833 p. 96. Ueber die Bevölkerung der
Erde, überſ. aus den Nouv. Annales des Voyages im: Ausland 1833. Nr. 132
folg. Bickes, die Bewegung der Bevölkerung mehrerer europ. Staaten. Stuttg.
und Tübing. 1833.
Zweites Stück.
Von der Verwendung des Volksvermögens und
Einkommens.
§. 428.
1) Zweck und Arten der Verzehrung.
Die Verzehrung oder Conſumtion1) iſt das Gegentheil von
der Production, alſo nichts anderes als eine theilweiſe oder gänz-
liche Vernichtung der Brauchbarkeit der Güter, woraus eine Ab-
nahme oder ein gänzlicher Verluſt ihres Tauſchwerthes hervorgeht.
Entweder geht ſie mit Wiſſen und Willen der Menſchen durch ſie
ſelbſt oder ohne dies durch die zerſtörenden Kräfte der Natur vor
ſich. Sie iſt alſo immer eine körperliche Veränderung des Gutes;
in jenem Falle reicht es unter Vorausſetzung eines vernünftigen
Willens Vortheile dar, im letztern aber nicht (Gebrauch, Ver-
brauch, Zerſtörung)2). Jeder Ge- und Verbrauch iſt alſo
productiv im weiteſten Sinne, aber nicht in wirthſchaftlicher Be-
deutung. Wirthſchaftlich productiv dagegen iſt nur diejenige
Conſumtion, welche einen neuen wirthſchaftlichen Werth ſchafft.
Der Gegenſtand dieſer Art von Conſumtion iſt das Capital, und
ſie ſelbſt iſt Production. Wirthſchaftlich unproductiv iſt die-
jenige Conſumtion, welche keinen neuen wirthſchaftlichen Werth
hervorbringt. Ihr Gegenſtand iſt der Verbrauchsvorrath und ſie
ſelbſt iſt die reine Conſumtion. Die Nützlichkeit Beider wird nach
[609/0631]
den Zwecken, nach Art und Menge der gewählten Mittel hierzu
und nach dem Erfolge bemeſſen. In Bezug auf die Perſonen kann
man die Conſumtion in Privat-, Geſellſchafts, Gemeinde- und
Staatsconſumtion eintheilen, und es iſt wichtig, unter den ein-
zelnen Arten derſelben die productive von der unproductiven zu
unterſcheiden. Die unproductive Conſumtion richtet ſich nach der
Art der Vertheilung des Volksvermögens und -Einkommens, nach
der gewohnten Lebensart der Volksklaſſen, nach den Gemeinde-
und Staatseinrichtungen und deren Koſten. Sie trifft nur das reine
Einkommen. Die productive dagegen erhält ihren Anreiz ſtets von
den wachſenden Bedürfniſſen (§. 46–49.) oder von dem Streben,
immer mehr zum Genuſſe verwenden zu können. Dieſes Streben
geht bis zum Luxus (§. 49.), der nicht an ſich verwerflich iſt, da
er ſo lange als ein Beförderungsmittel der Production angeſehen
werden muß, als er nicht Folge oder Urſache von Sittenverderbniß,
Erzeugniß ungleicher Gütervertheilung iſt und ſo weit getrieben
wird, daß er alle Sparſamkeit für edlere Zwecke vernichtet. Er
iſt ein natürliches Ergebniß des Zuſammenlebens der Menſchen und
ſeine Erſcheinung eine hiſtoriſche Nothwendigkeit3).
¹⁾ Ueber Conſumtion ſ. m. Lotz Handb. I. S. 548. §. 82. Rau polit.
Oeconom. I. §. 318. say Cours. V. p. 1 sqq. Ueberſ. von v. Th. I. 1. storch
Cours, Ueberſ. von Rau. II. 165. HermannUnterſ. S. 327. Mill Elements.
p. 219. Mac-Culloch Priciples. p. 389. Ueberſ. S. 314. Ganilh Des syste-
mes. II. 346. u. A.
²⁾ Eine bloße Aenderung des Urtheils über den Werth eines Gutes kann daher
keine Conſumtion begründen, wie Rau meint.
³⁾ S. auch noch Spittler Vorleſ. über Politik. §. 89. S. 424.
§. 429.
2) Verhältniß zwiſchen Production und Conſumtion.
Der beſchränkte Blick auf das bürgerliche Leben und ſelbſt die
Geſchichte ſcheint zwar zu beſtätigen, daß ein beſtändiges Mißver-
hältniß zwiſchen der Production und Conſumtion exiſtire und daß
von Zeit zu Zeit daſſelbe unter ganzen Völkern mit einer Spaltung
hervortrete, die die Bevölkerung auf das ſchrecklichſte hinrafft.
Allein man würde, wenn man daraus auf ein beſtändiges Mißver-
hältniß dieſer Art in der Volkswirthſchaft ſchließen wollte, ſehr in
Irrthum gerathen; denn jene Erſcheinungen ſind Folgen des unzu-
friedenen unaufhaltſamen Weiterſtrebens der Menſchen, der un-
gleichen Gütervertheilung, momentaner Stockungen in den Erwerbs-
quellen und des Mangels an hinreichenden Mitteln und Wegen,
um dem Ueberfluſſe einer Gegend nach der anderen ärmeren ge-
hörigen Abfluß zu verſchaffen. Der Trieb zur Vervollkommnung
der Lebens- und folglich hauptſächlich der Wirthſchaftszuſtände iſt
Baumſtark Encyclopädie. 39
[610/0632]
im Menſchen ſo entſchieden, ſtark und tief, daß mit jedem Fort-
ſchritte in ſeiner Befriedigung wieder der Grund zu neuem Ver-
langen liegt. Es iſt daher nichts natürlicher, als daß ſich die
Production mit dem Begehren nach Conſumtion in geradem Ver-
hältniſſe erweitert und dann ihrerſeits wieder auf Ausdehnung des
Begehres wirkt. Hieraus ergibt ſich, als in der Natur der Men-
ſchen begründet, nothwendig ein Gleichgewicht zwiſchen Begehr
und Angebot oder Conſumtion und Production in der Volkswirth-
ſchaft als Regel, auf welcher bei jedem Volke die Stufe des Wohl-
ſtandes fußt. Periodiſche und locale Mißverhältniſſe als Ausnah-
men abgerechnet, ſo kann dieſes Gleichgewicht durch die Bevöl-
kerung andauernd nicht geſtört werden, weil dieſe ſelbſt mit der
Möglichkeit der Conſumtion, alſo mit der Production in geradem
Verhältniſſe ſteht. Da nun kein Volk mehr conſumiren kann, als
es zu produciren vermag, ſei es indem es ſeine eigenen oder durch
Eintauſch gewonnenen Erzeugniſſe verzehrt, und da ein ſolches auch
nicht mehr producirt, als es zu conſumiren wünſcht, indem näm-
lich ſeine Wünſche unendlich, aber die Productionsfähigkeit be-
gränzt iſt; ſo folgt auch, daß in einer Volkswirthſchaft Begehr
und Angebot im Ganzen genommen gleich groß ſind, ſo abweichend
ſie gegenſeitig auch auf einzelnen Märkten, in einzelnen Gegenden
und gewiſſen Perioden ſein mögen1).
¹⁾ Rau polit. Oeconom. I. §. 328. u. 329., ſowie auch Mill Elemens. pag.
226 sqq., gibt dieſen Satz nur inſoferne zu, als der Ueberſchuß über den eigenen
Bedarf verkauft werde. Allein dieſer Geſichtspunkt iſt für eine ſolche Wahrheit in
enge. Denn Begehr und Angebot iſt auch bei den Pacht- und Capitalzinſe ſo wie
bei dem Arbeitslohne wirkſam, ſo daß dieſe von ſeinem Satze nicht ausgeſchloſſen
werden können, und es bleiben demnach nur noch die Eigenthümer der Güterquellen
und die Gewerbsunternehmer auszuſchließen. Jedoch der geſammte Begehr kann ſich
nur in der geſammten Conſumtion zeigen und unter dieſer iſt auch jene der zwei
letztern Klaſſen enthalten. Es iſt zum wirkſamen Begehre der Wunſch eines Gutes
ſo wie der Wille und die Macht, nicht, wie Mill meint, etwas hinzugeben,
ſondern überhaupt dafür aufzuopfern nöthig. Dies gilt von allen für wirthſchaft-
lichen Erwerb Thätigen und alſo auch von jeder Nation, die im Grunde ebenſo
ihre eigene Begehrerin und Anbieterin iſt, wie jede Perſon für ſich. Eine Nation
kann daher nicht mehr begehren und verzehren, als wie viel ſie anbietet und hervor-
bringt, und ſtrebt immer dahin, ſo viel anzubieten und zu erzeugen, als ſie begehrt
und verzehren will. Denn mit der Production ſteigen die Bedürfniſſe und mit
dieſen wider, ſo weit möglich, die Production.
Drittes Stück.
Vom Verhältniſſe des Volkseinkommens und
-Aufwandes.
§. 430.
Man kann von verſchwenderiſchen, habſüchtigen und geitzigen
Perſonen (§. 72.) und je nach dem Verhältniſſe der Einnahmen
[611/0633]
und Ausgaben von verſchiedenen Wirthſchaftszuſtänden der Einzel-
nen (§. 73.) für ſich reden. Aber alle dieſe Beſtimmungen ſind
bei einem Volke nicht anwendbar. Weil ſich die Volksbedürfniſſe
nach der Productionsfähigkeit und die Production nach den Be-
dürfniſſen richtet, ſo läßt ſich von keinem Volke an ſich ſagen, daß
es arm oder reich ſei, denn die nationale Genügſamkeit iſt eben
ſo wenig als bloße Tugendübung, wie der Luxus als Folge des
Sittenverderbniſſes anzuſehen, beide üben die Völker als Totalität
aus Nothwendigkeit. Von einem ſtändigen Mißverhältniſſe zwiſchen
Volkseinkommen und -Aufwand kann darum nicht die Sprache
ſein, obſchon ſie vorübergehend plötzlich übermäßig erhöht und ver-
mindert werden können. Vergleicht man aber die Völker wirth-
ſchaftlich mit einander, ſo ſtellt ſich eine große Verſchiedenheit der
Zuſtände heraus, nach welcher man die Grade des Volkswohl-
ſtandes bemißt. Eine genaue Unterſuchung darüber muß ſich über
alle bisher erörterten Verhältniſſe der Volkswirthſchaft ausdehnen.
Aeußerlich und weniger genau erkennt man den Grad des Volks-
wohlſtandes an der bleibenden Höhe der Grundrente und des Ar-
beitslohnes, an der andauernden Niedrigkeit des Zinsfußes und
Gewerbsgewinnes, an der Zunahme der Bevölkerung, an der Le-
bensweiſe des unteren und mittleren Standes, an der Aufklärung
derſelben, am Volkscharakter, an großen Privat- und geſellſchaft-
lichen Unternehmungen, und an der Leichtigkeit der Verwendung
für Staatszwecke1).
¹⁾ Spittler, Vorleſ. über Politik. S. 446. §. 94. Rau polit. Oeconom.
I. §. 79–81.
Zweites Buch.
Beſondere Grundſätze.
Erſtes Hauptſtück.
Von den Urgewerben, als Zweig der Volkswirthſchaft.
§. 431.
1) Der Bergbau.
Die Producte des Bergbaues dienen zu den verſchiedenſten
häuslichen und techniſchen Zwecken als Rohmateriale. Die Wich-
tigkeit der unedlen Metalle, der Stein- und Braunkohlen, der
Erden, der Steine, Edelmetalle u. dgl. m. iſt ſo allgemein aner-
kannt, daß die Verwendung bedeutender Capitalien auf ihre Ge-
winnung für den Volkswohlſtand äußerſt nothwendig und nützlich
39 *
[612/0634]
erſcheint. Schon aus gewöhnlichen Urſachen iſt klar, daß alſo der
Bergbau auf die Edelmetalle nicht ſo wichtig iſt, wie jener auf
die unedeln und die andern roheren bergmänniſchen Producte. Der
Bau auf unedle Metalle und Mineralien kann ſogar wegen des
größeren Begehres darnach einen größeren Gewinn abſetzen als
jener auf edle Metalle, um ſo mehr, da die Verſendungskoſten der
Letztern gegen ihren Tauſchwerth ſehr gering ſind, und darum
die Concurrenz aller auswärtigen Länder auf dem Metallmarkte
weit mehr erleichtert iſt, als bei den unedeln1) und weil bei er-
heblichem Betriebe auf edle Metalle ſchon eine große inländiſche
Conſumtion erfordert wird, um dem jährlichen Erzeugniſſe im
Inlande Abſatz zu verſchaffen. Es gehört zum guten bergmänni-
ſchen Betriebe, worin ſich Deutſchland von jeher ausgezeichnet hat,
ſchon ein hoher Grad der Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften
und in der Mechanik. Es werden aber dazu ſo bedeutende Kräfte
erfordert, daß nur ungeheure Capitalien, wie ſie Einzelne nicht
leicht beſitzen, den erwünſchten Erfolg geben können, weßhalb er
ſich am beſten für Geſellſchaften eignet. Der Bergbau iſt eine
wohlthätige Erſcheinung, namentlich in ſonſt armen Gebirgsgegen-
den, weil er einem bedeutenden Theile der Bevölkerung nutzbrin-
gende Beſchäftigung gewährt. Indeſſen iſt er wegen der mercan-
tiliſchen Vorliebe für die Edelmetalle oft überſchätzt worden, und
auch zu weit getriebene Privatſpeculationen, aufgeweckt durch
großen momentanen Gewinn, können leicht fehlſchlagen, und das
Aufgeben von einzelnen oder ganzen Betrieben zur Folge haben,
wodurch viele Arbeiter brodlos und die betroffenen Gegenden ſehr
arm werden können, wenn die günſtigen Productions- und Abſatz-
verhältniſſe aufhören.
¹⁾ Ein Pfund Eiſen iſt nicht ſchwerer als 1 Pfund Gold, aber dieſes hat
einen weit höheren Tauſch-, und jenes einen weit höheren Gebrauchswerth. S.
Rau polit. Oeconom. I. §. 350. say Cours. II. 114. Ueberſ. von v. Th. II. 84-
Lotz Handb. I. 265. A. smith Inquiry. I. 258. Kraus Staatswirthſch. II 152.
storch Cours, Ueberſ. von Rau. I. 386. Die Stein- und Braunkohlen ſind mit
dem Holze als Brennmaterial auf gleiche Stufe zu ſtellen.
§. 432.
2) Die Landwirthſchaft.
Die Landwirthſchaft iſt wegen ihres Einfluſſes auf Wohlſtand,
moraliſche Kraft und geſelliges Zuſammenleben des Volkes ſchon
im Anfange des Völkerlebens von der größten Wichtigkeit. Von
der Jagd gehen die mehr zerſtreuten Horden zur Thierzucht über
und dieſe zwingt ſie dann zu einem regelmäßigeren Ackerbaue. Von
Anfang iſt der Ertrag deſſelben ſehr ſpärlich, und erſt die Verbin-
[613/0635]
dung von Ackerbau und Thierzucht legt die Hauptgrundlage zur
Vervollſtändigung des Gewerbes. Sie gibt ſo das ſicherſte Ein-
kommen und die unentbehrlichſten Güter, und bildet den Kern der
Bevölkerung, nachdem ſie die verſchiedenen Stufen der Sclaverei,
Leibeigenſchaft und Hörigkeit durchwandert und allmälig eine freie
Ständeorganiſation begründet hat. Es ſind aber zu ihrem Betriebe
nicht ſo viele Arbeiter erforderlich, als ſie Menſchen mit ihren
Producten ernähren kann. Sie iſt für ihre Erzeugniſſe des Abſatzes
gewiß, obſchon er ſich mit mehr Erfolg für das Inland, als für
das Ausland eignet, weil mit der Entfernung die Schwierigkeiten
und Koſten der Verſendung wachſen. Ihr Intereſſe iſt dem der
übrigen Gewerbe nicht entgegengeſetzt, im Gegentheile ſie kann um
ſo weiter gedeihen, je blühender die andern Gewerbe ſind, weil
ſie in dieſen die meiſten Abnehmer für ihre zur Nahrung nothwen-
digen Erzeugniſſe findet. Da ihre nationalöconomiſchen Vortheile
hiervon, von der Betriebsart, von der Größe des Capitals und
von der Freiheit des Betriebs abhängen, ſo iſt die Frage beſonders
wichtig, ob die kleinen oder ob die großen Landgüter die
meiſte volkswirthſchaftliche Nützlichkeit haben; denn nach ihrer
Größe im Verhältniſſe zur Bevölkerung richtet ſich der Zuſtand der
Letzteren, die Vertheilung und Benutzung des Capitals1). Was
insbeſondere die Zweige der Landwirthſchaft anbelangt, ſo ſind die
Länder ſowohl in der Thierzucht, als im Feld- und Gartenbaue
verſchieden beſtellt. Das Verhältniß zwiſchen Acker-, Wieſen- und
Weidebau wird ſich nach dem Stande und Vortheile der Thierzucht
richten; der Erſtere erheiſcht die meiſte Arbeit, der Letztere die
wenigſten Koſten, aber gibt auch den geringſten Ertrag, weßhalb
ihm der Futterbau vorzuziehen iſt. Der Gartenbau zeigt ſich be-
ſonders in der Nähe von großen Städten ſehr vortheilhaft. Der
Weinbau insbeſondere iſt von den Zufälligkeiten der Witterung im
höchſten Grade abhängig, auch ſind die Bedingungen des guten
Ertrages des Acker-, namentlich des Futterbaues, jenen des
Weinbaues ſo entgegen, daß das Gedeihen Beider in hohem Grade
eine große Seltenheit iſt. Daher ſind diejenigen Gegenden am
beſten beſtellt, wo Beide mit einander in Verbindung getrieben
werden. Die Thierzucht erheiſcht nach ihrem vorherrſchenden Zweige
auch eine verſchiedene Einrichtung des Feldbaues. Bedeutende
Schaafs- und Pferdezucht kann nicht ohne große Weideſtrecken
mit Vortheil betrieben werden, während die andere Viehzucht mit
Stallfütterung der Weide gar nicht mehr bedarf2).
¹⁾ Für große Güter ſpricht die Möglichkeit einzuführender Arbeitstheilung
des Maſchinengebrauchs, größerer Gebäude, worin man die Producte wohlfeiler als
[614/0636]
¹⁾ in mehreren kleineren aufbewahrt, des Verkaufs und Einkaufs in größeren Maſſen
und mit weniger Koſten, mehrfältiger Combination verſchiedener Pflanzungen, welche bei
theilweiſem Mißwachs doch einen Ertrag ſichern, und der Boden- und Wirth-
ſchaftsveränderungen, die ein großes Capital erheiſchen. Allein die volkswirth-
ſchaftliche Rückſicht verlangt nicht einen relativ großen Reinertrag in wenigen Händen,
ſondern einen möglichſt großen Rohertrag, der ſehr vielen ſelbſtſtändig beſtellten
Staatseinwohnern ein ſicheres Einkommen gewährt, Lebensfriſchheit und Energie
unter der Bevölkerung erhält, die möglich gleichmäßigſte Gütervertheilung bewahrt,
und einen Gewinn geſtattet, der die Fortſchritte der Bildung und des Gewerbs-
weſens erleichtert. Dies kann aber durch große Landgüter nicht wohl erreicht wer-
den, wo ſich um wenige Grundherrn der größte Theil der Bevölkerung in wirklicher
und im Gefühle der Abhängigkeit des Taglöhners oder gar Leibeigenen befindet,
wenig oder gar kein Eigenthum beſitzt und die Früchte eigenen Fleißes dem größten
Theile nach dem Herrn abtreten muß. Die Kraft der Staaten beſteht in einem
wohlhabenden bürgerlichen Mittelſtande. Für mittlere und kleine Güter ſprechen
daher dieſe Verhältniſſe und die Erfahrung, daß ſich durch ſie die Zahl der Unter-
nehmer vergrößert, im Handel mit Landerzeugniſſen die Vortheile der größeren
Concurrenz der Verkäufer für alle andere Gewerbtreibenden entſtehen, manche land-
wirthſchaftliche Verbeſſerungen leichter eingeführt werden, und der Reinertrag ſo wie
der Rohertrag einer gleichen Fläche bei ſolcher Gütertheilung in der That größer
iſt, indem die Sorgfalt der Pflanzung und Pflege im Einzelnen dabei weit höher,
das Verhältniß zwiſchen Capital und Grundeigenthum weit paſſender, die Haltung
eines größeren Viehſtandes möglich und darum das Feld in einem beſſeren Dün-
gungszuſtande weit leichter zu erhalten iſt. Sobald aber die Theilung ſo weit
kommen würde, daß alle dieſe Vortheile verſchwänden, ſo entſtehen für den Volkswohl-
ſtand auch große Nachtheile. Allein ſolche Verhältniſſe können nicht andauernd
beſtehen, weil ſich dann die Bevölkerung nach dieſen Umſtänden nach und nach wie-
der beſchränkt, bis wieder größere Güter entſtanden ſind. Man ſ. über dieſe ſehr
wichtige und intereſſante Frage Rau I. §. 368–375. Deſſelben Anſichten der
Volksw. S. 179. Mohl Polizeiwiſſenſchaft. II. 13. Hatzel, Briefe über die
Wirthſchaft großer Güter. Heilbronn 1796. Bergius, Polizei- und Cameral-
magazin. Art. Landwirthſchaft. §. 10. u. 11. Kraus Staatswirthſch. V. 72.
Lotz Handbuch. II. 24. say Cours. II. 77. Ueberſ. von v. Th. II. 56. storch
Cours, Ueberſ. von Rau. II. 319. A. smith Inquiry. II. 173. Thaer engl.
Landw. II. 91. Deſſelben Annalen des Ackerbaues. Jahrg. 1806. Julius. S. 1
(von einem Ungenannten). S. 35 (von Thaer). Deſſelben Schrift: Ueber
große und kleine Wirthſchaften. Berlin 1812. (Aus den Annalen der Fortſchr. der
Landw. beſonders abgedruckt. Bd. III. Heft 3.) Schwerz belg. Landw. III. 460.
Sinclair Code of Agriculture. 3. Edit. p. 41. Sturm Beiträge z. deutſch. Landw.
I. (1821) Nr. 1. Beccaria Elementi. I. 133. 143.
²⁾ Ueber dieſen ganzen Gegenſtand ſ. m. A. smith Inquiry. I. 223. 339.
II. 165. say Cours. II. 1–88. Ueberſ. von v. Th. II. 1–65. storch Cours,
Ueberſ. von Rau. II. 226. 243. 258–313. Rau polit. Oeconom. I. §. 358-
382. Lotz Handb I. 254–262. Krauſe Syſtem. I. 10. 18. 26. 73. Torrens
On the Production. p. 103. Mac-Culloch Principles p. 201. cl. 143. Ueberſ.
von v. Weber. S. 159. vergl. mit S. 113. Galiani Dialoghi sul Commercio
dei Grani (sur le Commerce des Crains) = Economisti. P. mod. V. 43. sqq.
106 sqq. 245. 277. Genovesi Lezioni. III. 308 sqq. Verri Meditazioni. pag.
218 sqq. Briganti Essame economico. I. 121. 193 sqq. Palmieri Riflessioni
sulla pubblica felicità. p. 73. Della Ricchezza nazionale = Economisti. P. mod.
T. XXXVIII. 107. 206. Gioja Nuovo Prospetto. II. 1–56.
§. 433.
3) Die Forſtwirthſchaft.
Die Wälder ſind ſchon in den früheſten Perioden der Ent-
wickelung des Menſchen, wenn er ein wildes herumſchweifendes
[615/0637]
Leben führt, eine der wichtigſten Nahrungsquellen deſſelben durch
die Jagd. Sie erſtrecken ſich, von der Natur geſäet und gepflan-
zet, über ungeheure Ebenen und Gebirge. Da auf ſie in der
frühen Zeit der Menſchengeſchichte gar keine Arbeit verwendet
wird, ſo bildet ſich der Begriff des Waldeigenthums ſehr ſpät aus
und iſt, wenn er entſteht, blos als Geſammteigenthum einer an-
ſäßigen Völkerſchaft zu betrachten, an welchem ein Jeder das
Hiebs-, Jagd- und Weiderecht ausübt, während ſchon längſt ein
Privateigenthum am Felde exiſtirt. Aus jener Vorſtellung von
einem Geſammteigenthume ging leicht der ſcheinbar nur wenig ver-
ſchiedene des Staatseigenthums hervor, während die Jagd und
Weide noch immer frei war. Nach einer ſolchen Metamorphoſe
der Ideen mußte es ein Leichtes ſein, daß die Könige die Wälder
kraft der Oberhoheit einſchloſſen und aus den Staatswäldern könig-
liche Bannforſte machten, in denen auch die Jagd den Unterthanen
unterſagt ward. Durch die Verleihung von Gegenden als Lehen,
durch die Belehnung mit Jagdgerechtigkeit, durch das allmälige
in den Hintergrundtreten der Lebensverhältniſſe, durch die Ausbil-
dung der landesfürſtlichen Gewalt und durch das Emporkommen
der Gemeinden entſtanden ſo nach und nach Privat-, Gemeinde-
und Staatswaldungen in den verſchiedenen Ländern. Erſt mit der
ſteigenden Bevölkerung, welche mehr Feldboden, Brenn- und Bau-
material nöthig machte, mit der Entwickelung der Gewerke, welche
Holz verarbeiten, und mit der Einſicht in die regelloſe Waldver-
wüſtungen mußte der Gedanke des Waldbaues entſtehen. Er wird
mit der Zeit immer wichtiger, je weniger andere Bau- und Brenn-
materialien man beſitzt, denn er liefert ein unentbehrliches Material
und ſoll es nachhaltig liefern. Er erheiſcht verhältnißmäßig weniger
Arbeit, aber ein um ſo größeres Capital, welches lange auf dem
Boden gebunden bleiben muß, ehe es ſich bezahlt und rentirt. Es
eignet ſich der Forſtbau nicht wohl für einzelne Perſonen (§. 261.).
Aber ſein Verhältniß zum Volkswohlſtande bietet manche ſchlimme
Seiten, weil der Geldreinertrag von der Höhe der Holzpreiſe ab-
hängt, bei nachläſſigem, blos auf ſchnellen Geldgewinn abzielen-
dem, Betriebe die Möglichkeit der Befriedigung des Holzbedürf-
niſſes immer mehr verſchwindet, und aus beiden Gründen leicht
hohe Holzpreiſe entſtehen können, die der Nation eine Plage ſind.
Da ſich hierin das National- und Privatintereſſe wenigſtens ſo
weit entgegenſtehen, ſo wird der Forſtbetrieb dann volkswirth-
ſchaftlich am günſtigſten ſein, wenn er nachhaltig iſt, wenn der
Holzpreis keinen der Conſumtion läſtigen Preis hat, und wenn
man den dazu tauglichſten Boden ſorgfältig auswählt (§. 257.).
[616/0638]
Der Holzhandel in das Ausland iſt bei guten Transportmitteln
(§. 258. 259.) ein ſehr einträglicher, er wird um ſo gewagter, je
größer die Concurrenz und je koſtſpieliger der Transport iſt. Denn
die größten Capitalien gehen oft aus dieſen Gründen in fernen
Gegenden großentheils und ganz verloren1).
¹⁾ Lotz Handb. I. 265. Rau polit. Oeconom. I. §. 383–391. A. Smith
Inquiry. I. 259. Kraus Staatsw. II. 150. Mohl Polizeiwiſſenſchaft. II. 173.
Schenk, das Bedürfniß der Volkswirthſchaft. Bd. II. S. 1–570 (dieſe Schrift
wurde im §. 397. nicht angegeben, weil in beiden Bänden nur dieſes Stück von
Bedeutung, der erſte Band blos ein Auszug aus Rau's polit. Oeconom I. mit
einigen höchſt unbedeutenden Bemerkungen iſt und das ganze Buch von demjenigen,
was ſein Titel ſagt, nichts gibt, indem keine der obſchwebenden praktiſchen wich-
tigen Fragen darin abgehandelt wird). Pfeil, Grundſ. der Forſtw. in Bezug auf
Nat. Oeconom. u. Finanzw. Züllichau 1824. II. Hundeshagen Encyclopädie.
Bd. III. Forſtpolizei. Mac-Culloch Dict. of Commerce, Deutſch I. 917.
Zweites Hauptſtück.
Von den Kunſtgewerben, als Zweig der
Volkswirthſchaft.
§. 434.
Was der Menſch zuerſt von ſeinen gewonnenen Rohproducten
über ſeinen täglichen Bedarf anſammelte und aufbewahrte, war
blos Conſumtionsvorrath, oder wenigſtens Vermögen von unbe-
ſtimmtem Gebrauche. Erſt mit der Entdeckung der Wirkſamkeit von
gewiſſen Werkzeugen für die Geſchäfte der Jagd, Fiſcherei, Weide
und Feldarbeit und mit der erſten Theilung dieſer Beſchäftigungen
entſtand aus jenem Conſumtionsvorrathe das Capital. Einmal
vorhanden mußte es ſich wegen ſeiner großen und einleuchtenden
Wirkſamkeit bald und raſch vermehren, ſo wie die Bevölkerung
mit der Theilung der verſchiedenen Gewerbe. Aus der Bereitung
von Nahrungsmitteln und Werkzeugen ging zuerſt der Gedanke der
Verarbeitung roher Stoffe hervor, der ohne Capitalvorrath nicht
möglich iſt und die Gewerke hervorrief. Für ihre Entſtehung war
alſo Capitalvorrath und ein Theil von Bevölkerung nothwendig,
der bei den Urgewerben entbehrt werden konnte und folglich nicht
mit Vortheil beſchäftigt war. So entſtanden, entwickelten ſich die
Gewerke bis zu dem Stande in civiliſirten Nationen, und ihre Ent-
wickelung hing fortwährend von Capital- und Bevölkerungsüberſchuß
in den beſtehenden Gewerben ſo wie von der ſteigenden Wohlhaben-
heit und Cultur des Volkes ab. Die Gewerke ſind daher für die
Volkswirthſchaft äußerſt wichtig wegen der Vervollkommnung der
Güter für Production und Conſumtion, wegen der Beſchäftigung
und Unterhaltung eines großen Theils der Bevölkerung, wegen des
Verhältniſſes derſelben zu den Urgewerben und wegen des vortheil-
[617/0639]
haften Handels mit Gewerkswaaren nach dem Auslande. Sie ſind
alſo immer je nach dem Grade ihrer freien Ausbildung ein Beweis
von einem gewiſſen Grade von Volkswohlſtand und -Bildung, und
ihr Intereſſe geht mit dem der Urgewerbe Hand in Hand, da die
Bevölkerung Beider ſich wechſelſeitig den Abſatz ihrer Producte
verſchafft, um ſo mehr, je blühender ſie iſt. Es gibt nun Länder
und Gegenden, worin die Gewerksarbeit noch mehr gegen die
Urgewerbe im Hintergrunde ſteht, weil ſie entweder in der Ent-
wickelung noch ſo weit zurück oder weil ſie von der Natur beſon-
ders für die Letzteren begünſtigt ſind; ſolche, worin die Kunſt-
gewerbſamkeit die Urgewerbsarbeiten überflügelt, weil eine künſtliche
Leitung die Erſteren beſonders begünſtigte, oder die Natur mit
den Gaben für die Letztere ſehr ſpärlich verſehen iſt; und endlich
ſolche, worin beide Gewerbsarten in einem rechten Gleichgewichte
ſtehen. Am ſchlimmſten ſind die Zweitgenannten beſtellt, weil ſie
in Betreff der Urbedürfniſſe bei einer durch Gewerksweſen gehobe-
nen Bevölkerung vom Auslande, deſſen guten und Mißjahren ab-
hängen und in der Regel in einer Gebirgslage ſich befinden, wohin
der Transport der Urproducte ſehr ſchwer und koſtſpielig iſt. In
den beſten Verhältniſſen befinden ſich die Drittgenannten, weil ſie
in ſich ſelbſt alle Fonds zum Wohlſtande vereinigen. In ihnen
finden ſich jene von zwei Seiten geſchützten mittleren und kleineren
Gewerbsunternehmer, die zugleich für ihren häuslichen Bedarf
Landwirthſchaft treiben. In allen Dreien können ſich nicht blos
Handwerke, ſondern auch Fabriken und Manufacturen er-
heben, wovon die Letztern zwar entſchiedene Vortheile für die
Nationalwirthſchaft gewähren (§. 314. vrgl. §. 410. N. 8.), aber
doch nicht jene gleichmäßige Gütervertheilung und wohlhabende
Mittelklaſſe hervorrufen, welche den Wohlſtand allgemeiner machen
und namentlich eine Folge der freien Handwerke iſt, wo der
Meiſter zugleich auch als Arbeiter ſein Einkommen bezieht und mit
ſeinen Gehilfen die wirthſchaftlichen und ſittlichen Vortheile des
häuslichen Lebens genießt1).
¹⁾ S. A. smith Inquiry II. 170. 191. say Cours. II. 122. Ueberſ. von
v. Th. II. 89. storch Cours. Ueberſ. von Rau. II. 325. Babbage Maſchinen-
weſen. S. 9 folg. Torrens On the Production. p. 83. Kraus Staatsw. II. 249.
V. 188. Lotz Handbuch. I. 280–300. Rau polit. Oeconom. I. § 392. Mac-
Culloch Principles. p. 146. 278. Ueberſ. von v. Weber. S. 115. 222. Krauſe
Syſtem. I. 198. Gioja Nuovo Prospetto. II. 56–117. Galiani Dialoghi. (S.
§. 432.) p. 49. 70. 199. Genovesi Lezioni = Economisti. P. m. T. X. p. 30 sqq.
Zanon Lettere sull' Agricoltura, sul Commercio e sulle Arti = Economisti. P.
mod. T. XVIII. 76. Paoletti Pensieri sopra l'Agricoltura = Economisti. P. mod.
T. XX. pag. 176. sqq. Beccaria Elementi. I. 20. 261. Mengotti Jl Colhertismo
= Economisti. P. m. T. XXXVI. p. 302. sqq. Palmieri Ricchezza nazionale I. I.
p. 322 Pubblica felicità I. c. p. 62.
[618/0640]
Drittes Hauptſtück.
Von den Umſatzgewerben, als Zweig der
Volkswirthſchaft.
§. 435.
1) Der Handel.
In den erſten Zeiten des Verkehrslebens brachte blos das
zufällige Zuſammentreffen gelegenheitlich einen und den andern
Tauſch hervor, weil blos beſondere Neigung für eine Sache wirk-
ſam war. Erſt als ſich die verſchiedenen gewerblichen Beſchäfti-
gungen getrennt hatten wurde er eine Nothwendigkeit, indem jene
Trennung ohne dieſen nicht beſtehen konnte. Indem nun die Ge-
werbstrennung immer weiter ging, ſich die Bevölkerung mehr hob
und mehr auseinander zog, wurde auch die Nützlichkeit einer Art
von Geſchäften fühlbar, welche blos den Tauſch zwiſchen den Be-
ſitzern und Begehrern beſorgten. So wie nun Menſchen, natürlich
nicht ohne Vergütung, dieſem Geſchäfte ſich widmeten, war auch
der Handel entſtanden, und mußte immer um ſo nothwendiger
werden, je mehr ſich die Arbeiten und die Bevölkerung trennten,
je mehr neue Bedürfniſſe entſtanden und je mehr man durch ihn
ſelbſt mit den Producten, Gewerben, Künſten, Wiſſenſchaften und
Lebensweiſen anderer Nationen bekannt wurde. Sein Nutzen iſt
darum groß, aber doch iſt aus den Gründen ſeiner Entſtehung klar,
warum es kein Volk geben kann, das nichts als Handel treibt,
und daß Handelsvölker nur ſolche ſind, welche ſich vorzüglich durch
den Handel vor den andern auszeichnen, weil ihr Geiſt und die
Lage des Landes beſonders dazu geeignet iſt. Ohne ihn iſt der
Gewerbsbetrieb der Völker in civiliſirterem Zuſtande nicht denkbar.
Es bleibt 1) beim Binnenhandel die Koſtenerſtattung für die
Handelsgüter im Preiſe blos zwiſchen den Inländern. Er iſt daher
zwei inländiſchen Gewerbsklaſſen und -Capitalien zugleich förderlich
und iſt bei großer Blüthe Eines der ſicherſten Zeichen großen Volks-
wohlſtandes von langer Dauer. Das Handelscapital läuft faſt be-
ſtändig um, ſo daß eine und dieſelbe Summe jährlich mehrmals
umgeſetzt wird. Der Gewinn iſt zwar ſelten ſo groß, wie beim
auswärtigen Handel, aber ſicherer, weil das Wagniß weit geringer
iſt. Als ein Hauptzweig deſſelben iſt beſonders der Kleinhandel
wegen ſeiner Hilfe in der Gütervertheilung wichtig. Er erheiſcht
wenig Capital, bietet manchem Beſitzer kleiner Capitalien Gelegen-
heit zur Gewerbsunternehmung dar, greift in die Fugen des Groß-
handels unterſtützend ein, und erleichtert die Befriedigung der
[619/0641]
Bedürfniſſe nach Luſt, beſter Zeit und in kleinen Quantitäten.
2) Der auswärtige Handel verlangt weit mehr eigenthümliche
begünſtigende Umſtände zu ſeiner Entſtehung und ein ſehr bedeu-
tendes ſtehendes und umlaufendes Capital. Die Aus- und Einfuhr
befördert den Gewerbsfleiß und erleichtert den Gütergenuß. Er
bewirkt eine gegenſeitige Aushilfe unter den Ländern mit ihren
eigenthümlichen Producten. Alle Völker haben dabei dieſen Ge-
winn, obſchon ſeine Einträglichkeit durch manche Hinderniſſe unter-
brochen werden kann. Sehr wichtig iſt das Verhältniß zwiſchen
der Aus- und Einfuhr, um welches ſich der Irrthum des Merkan-
tilſyſtems dreht in der Lehre von der Handelsbilanz. Seine
Grundanſicht iſt, daß ein Volk einen Ueberſchuß der Ausfuhr über
die Einfuhr haben könne und daß hierin der Gewinn liege, welchen
eine Nation im auswärtigen Handel mache. Allein aus der Theorie
der Gegenſeitigkeit des Handels, nämlich daraus, daß kein Tauſch
und Handel ohne gegenſeitige Abtretung gleicher Tauſchwerthe
Statt finden kann, wenn man keine Ueberliſtung ſtatuirt, ergibt
ſich leicht, daß in der That kein ſolcher Ueberſchuß beſtehen kann,
ſondern Ein- und Ausfuhr dem Tauſchwerthe nach gleich ſind.
Ergeben die ſtatiſtiſchen Berechnungen doch einen ſolchen, ſo iſt
dies eine Folge davon, daß man bei der Zuſammenſtellung einen
Stillſtand annimmt, obſchon im Verkehre nie ein ſolcher exiſtirt,
daß viele Arten der Aus- und Einfuhr Statt finden, die man gar
nicht berechnen kann, und daß die Angaben über die beſtimmbaren
Punkte unrichtig ſind. Die Erſtattung der Gegengabe geſchieht
zudem auf ſo manchfache, Baarſendungen entbehrlich machende,
Arten (§. 341–345.), und zufällige Störungen ſind dabei ſo leicht
möglich, daß man ſich auf die Berechnungen der Aus- und Einfuhr
nicht verlaſſen kann. Nichts deſto weniger iſt die Erörterung des-
ſelben wegen des Einfluſſes auf das Gewerbsweſen ſehr wichtig;
allein die ſtatiſtiſchen Mittel reichten bis jetzt zu einer vollſtändigen
Kenntniß deſſelben nicht hin. Denn der Wechſelcurs, der ſich noch
nach andern Umſtänden als nach der bloßen Ein- und Ausfuhr
richtet, berechtigt noch nicht zu einem Schluſſe auf dieſe (§.
350.) und die Zollliſten ſind an ſich wegen Verheimlichung und
Ungenauigkeit unzureichend. 3) Der Zwiſchenhandel übt einen
mittelbar förderlichen Einfluß auf die Gewerbſamkeit des Landes,
welchem der Kaufmann angehört und wodurch der Waarenzug geht.
Er erheiſcht viele Capitalien, iſt aber leicht durch Hinderniſſe der
Abſperrung, Abgaben u. dgl. mehr zu unterbrechen. 4) Der Co-
lonialhandel iſt für das Mutterland und die Colonien bei freiem
Betriebe hauptſächlich darum ſehr vortheilhaft, weil er die Ver-
[620/0642]
mittelung zwiſchen einem in friſcher Jugendkraft und Entwickelung
befindlichen und einem gewerblich ſehr ausgebildeten ältern Lande
macht und durch Aus- und Einfuhr das Gewerbsweſen hebt1).
¹⁾ S. §. 319. N. 7. A. smith Inquiry. II. 152. 203. 209. 304. say Cours.
II. 204. III. 280. Ueberſ. von v. Th. II. 151. III. 217. storch Cours, Ueberſ.
von Rau. II. 216. 246. 269. 331. Ganilh Des systemes. II. 226. simonde de
sismondi Rich. Commerc. I. 189. Murhard Theorie des Handels. S. 167 folg.
222 folg. Kraus Staatsw. IV. 28–64 V. 259. Lotz Handb. I. 428. 439 bis
453. II. 205–227. Rau polit. Oeconom. I. §. 406. Krauſe Syſtem. I. 256.
Ricardo Principles. p. 135. Mill Elements. p. 118. 125. Torrens On the Pro-
ductioni pag. 147. 195. 228. 248. Th. smith An Attémpt to define. pag. 104.
J. Pr. smith The science of Money. p 208. Wheatley An Essay on the Theory
of Money. p. 84. 158. Mac-Culloch Principles. p. 119. Ueberſ. von v. Weber.
S. 94. Derſelbe Ueber Handel. S. 11. 55. Deſſelben Dictionnary of Com-
merce. Ueberſ. I. 756. 778. Gioja Nuovo Prospetto. II. 118–176. Algarotti
saggio sopra il Commercio = Economisti. P. mod. T. I. 290. Belloni sopra il
Commercio = Economisti. P. mod. II. p. 33. Zanon Lettere. (§. 434.) p. 124.
Deſſen Apologia della Mercatura = Economisti. P. mod T. XIX. 5 sqq.
Genovesi Lezioni = Economisti. P. mod T. X. p. 40. Beccaria Elementi. II 80.
Briganti Essame economico. I. 273. D'Arco Dell' Influenza del Commercio
= Economisti. P. mod. T. XXXI. p. 5 sqq. Palmieri sulla pubblica felicità.
p. 147. Della Ricchezza nazionale. pag. 242. Carli sopra i bilanci economici
delle nazioni = Economisti. P. mod. T. XIV. p. 321. Verri Meditazioni. p. 177.
Derſelbe Degli Elementi del Commercio = Economisti. P. mod. T. XVII. 349.
Mengotti Colbertismo. p. 395.
§. 436.
2) Das Leihgeſchäft.
Das Leih- oder Rentgeſchäft iſt volkswirthſchaftlich von ſehr
großer Bedeutung, da es mit ſeinen Capitalien viele fruchtbare
Unternehmungen unterſtützt oder die Genüſſe erleichtert. Es kann
erſt nach entwickeltem Gewerbsweſen, das Capitalerſparungen mög-
lich macht, entſtehen. Seine Ausdehnung hängt von der Größe
des Capitalbeſitzes und von der Geſuchtheit der Capitalien in pro-
ductiven Gewerben ab und es fördert die Volkswirthſchaft am wei-
teſten, wenn die meiſten Capitalien in dieſen Letztern angelegt
ſind. Es gibt aber, beſonders in den Geldgeſchäften, leicht
Stockungen, welche den Producenten oder Rentnern ſehr viel
Schaden verurſachen können, indem der Zinsfuß entweder zu hoch
ſteigt, oder tief ſinkt.
Viertes Hauptſtück.
Von den Dienſtgewerben, als Zweig der
Volkswirthſchaft.
§. 437.
In welcher Beziehung man auch (§. 372. 373.) die Klaſſe der
Dienſtleiſtenden betrachten will, wie ſie uns vom gemeinſten Arbeiter
[621/0643]
bis zum höchſten Künſtler, Gelehrten und Staatsbeamten erſchei-
nen, ſo müſſen ſie immer volkswirthſchaftlich als ſehr wichtig gelten.
Ihre Leiſtungen ſtehen mit dem Volkswohlſtande im unmittelbarſten
Zuſammenhange ſowohl in Betreff der Production als des Genuſſes,
und ihre ſtandesmäßige Exiſtenz iſt eine der wichtigſten Bedingungen
des Beſtandes der Staaten. Eine zu große Menge ſolcher Staats-
glieder ſenkt bei freier Concurrenz den Lohn und bringt dann Miß-
verhältniſſe zufolge von Nahrungsloſigkeit hervor, welche, wenn
der Bildungsgrad dieſer Klaſſe auch noch ſehr niedrig iſt, die
öffentliche und allgemeine Ruhe ſowie das Eigenthum auf das
Höchſte gefährden. Anderſeits aber dient die Lebensart und Be-
handlung der Arbeiter, beſonders in den Fabrikländern, öfters
dazu, eine ſchwächliche, unſittliche und geiſtig ganz verwahrloste
Bevölkerung zu creiren, ein Umſtand, der um ſo gefährlicher iſt,
je mehr die Gewerksarbeit die Oberhand über die Urgewerbe hat.
Niemals wird ſich in ſolchen Ländern eine gleichmäßige Güter-
vertheilung, und eben ſo wenig ein wohlhabender Mittelſtand von
Bedeutung herſtellen.
Zweite Abtheilung.
Volkswirthſchaftliche Betriebslehre.
Einleitung.
§. 438.
Die Aufgabe dieſes Theiles der Nationalöconomie iſt bereits
oben (§. 394.) erörtert. Obſchon derſelbe nicht bloße Staatswiſ-
ſenſchaft iſt, ſo gehört doch zum Theile ſein Gegenſtand unter die
Objecte der Staatsverwaltung, und es iſt nothwendig, den Grund-
ſatz feſtzuſetzen und feſtzuhalten, von dem die Regirung in der
Leitung der Volkswirthſchaft auszugehen hat. Derſelbe, ſo be-
ſtritten er auch iſt, ergibt ſich ſehr leicht aus dem Weſen und
Gehalte der Staatsverwaltung. Denn dieſe kann nur auf zwei
Hauptmaſſen Bezug haben, nämlich auf die Rechte und auf die
Güter (§. 37. 38.). Dieſe Scheidung rechtfertigt ſich von ſelbſt,
weil die Letzteren auch im Einzelleben der Menſchen vorhanden
ſein können, während die Rechte erſt ein Product des Zuſammen-
lebens der Menſchen ſind, aus welchem ſich das Rechtsgeſetz ergibt,
und weil die Rechte ſich nur auf Güter beziehen können. Was
den Erwerb, die Erhaltung und den Gebrauch von Rechten und
Gütern anbelangt, ſo ſtehen der Staat, als Totalität, die Ge-
[622/0644]
meinden, die Einzelnen, Geſellſchaften und Stiftungen einander
als ſelbſtſtändige Perſonen gegenüber. Jede derſelben verſchafft
ſich ihr Rechts- und ihr Gütergebiet. Die Thätigkeit und Sorge
für das ausſchließliche Gütergebiet von Tauſchwerth iſt die Wirth-
ſchaft, welche als Privat-, Gemeinde-, Volks- und Staatswirth-
ſchaft (Finanzwirthſchaft) erſcheint. Demnach hat die Staats-
gewalt objectiv drei Hauptrichtungen, nämlich die Juſtiz, Finanz,
und diejenige, welche ſich auf das Güterweſen der Einzelnen, Ge-
ſellſchaften, Stiftungen, Gemeinden und des Complexes dieſer
vier Letztern, nämlich des Volkes, bezieht und Polizei genannt
wird. In allen dreien tritt ſie oberaufſehend, geſetzgebend und
vollziehend auf. Die Strafgewalt ergibt ſich aus der Natur der
Geſetze und Menſchen von ſelbſt, wie die Strafe, als nothwendig,
und gehört allen drei Staatsgewalten im objectiven Betrachte an.
Die Polizei, ihrem wahren Begriffe nach und nicht in der zum
Theile nothwendigen zum Theile zufälligen Vermengung mit der
Juſtiz und Finanz genommen, hat keine Sorge für Rechte auszu-
üben, obſchon ſie beſtändig mit ſolchen eben ſo gewiß in Berührung
kommen muß, als in der bürgerlichen Geſellſchaft Güter und
Rechte nicht zu trennen ſind. Sie iſt vielmehr die nach den Prin-
zipien des Rechts, der Sittlichkeit und der Klugheit beſchränkte
Staatsſorge (entſpr. Staatsgewalt) für die Entwickelung und
Beförderung des Güterweſens der Nation nach ihren ſo eben ange-
gebenen Beſtandtheilen. Näher bezeichnet, ſie iſt die ſo begränzte
Staatsſorge für den Erwerb, die Vertheilung, Erhaltung und
Anwendung der Güter der Nation, als Geſammtheit der Einzelnen,
Geſellſchaften, Stiftungen und Gemeinden. Bringt man ihren
Inhalt nach den genannten Thätigkeiten in eine logiſche Ueberſicht,
ſo ergibt ſich eine Erwerbs-, Vertheilungs-, Erhaltungs- oder
Sicherheits- und eine Gebrauchspolizei. Führt man aber die lo-
giſche Trennung ihres Gehaltes nach den Objecten durch, auf
welche ſich dieſe Thätigkeiten beziehen, ſo ergibt ſich von ſelbſt eine
Polizei für die inneren Güter (Bildungs- und Sitten- und
Religionspolizei), für die wirthſchaftlichen äußeren Güter
(Wirthſchaftspolizei) und für die nicht wirthſchaftlichen
äußeren Güter, welche Einer von den genannten polizeilichen Thä-
tigkeiten anheim fällt, da ſie nur in ihrer Beziehung auf Bildung,
Geſittung, Sittlichkeit, Religion und Wirthſchaft Bedeutung haben,
weil das Weſen des Gutes in ſeiner Brauchbarkeit für die Men-
ſchenzwecke liegt. In jedem dieſer letztgenannten Zweige tritt die
Polizei als Erwerbs-, Vertheilungs-, Sicherheits- und Gebrauchs-
polizei auf, denn die entſprechenden Thätigkeiten der Nation beziehen
[623/0645]
ſich auf Bildung, Sitten und Religion, wie auf das Vermögen.
Die hier abzuhandelnde Volkswirthſchaftspflege (Gewerbspolizei)
iſt nichts anderes als die Wirthſchaftspolizei in Verbindung mit
demjenigen Theile der Bildungspolizei, der die gewerbliche Bildung
zum Gegenſtande hat. Sie ſteht alſo unter dem Prinzipe der Po-
lizei überhaupt, und dieſe unter dem letzten Grundſatze des Staats1).
Der Staat iſt eine hiſtoriſche Nothwendigkeit und umfaßt die Zwecke
der Menſchheit, aus einem Geſichtspunkte betrachtet, in welchem
ſie vom Einzelnen nicht erreichbar ſind. Wäre dies nicht, ſo würde
er nicht beſtehen. Die Staatsgewalt hat daher auch nur dort und
dann einzuſchreiten, wo und wann die Kräfte und der Wille der
Einzelnen nicht zuverläſſig iſt und nicht mehr zureicht, um einen
vernünftigen Zweck zu erreichen. Im Uebrigen ſteht dem Einzelnen,
zwar nicht Willkühr und Laune, ſondern rechtliche Freiheit zu.
Hieraus geht von ſelbſt hervor, daß die Wirkſamkeit des Staats
je nach dem Grade der Entwickelung der Nation verſchieden ſein
muß, und daß er in denjenigen Dingen am wenigſten einzuſchreiten
hat, worin vorausgeſetzt werden muß, daß der Einzelne, ohne
Andere zu beeinträchtigen, aus eigener Einſicht das Beſte wählt
und thut. Weil dies nun im Rechtsgebiete nicht zu erwarten ſteht,
ſo lange man eine Civiliſation nicht verwirklicht ſieht, für welche
kaum die Einbildungskraft Raum gibt, ſo wird der Staat auch
ſtets in jenem am meiſten einzuſchreiten haben. Am wenigſten wird
er dies bedürfen in den Wirthſchaftsangelegenheiten, in welchen
die eigene Einſicht und der Vortheil die Baſis bildet, auf welcher
ſich die Völker frei entwickeln. Hier reicht es hin, wenn er, mit
Geſtattung der Freiheit, nur einwirkt, wo Kraft, Einſicht oder
Willen der Einzelnen zur Erreichung eines guten Zweckes mangelt,
und es ſtehen demſelben, je nach der Natur der Gegenſtände, Hilfs-
anſtalten, Belehrung, Ermunterung, Hinwegräumung von Hinder-
niſſen, und, je nach der Dringlichkeit des Zweckes, auch Zwang
als Mittel zu Gebote2).
¹⁾ Ueber die allmälige Ausbildung des Begriffs der Polizei bis zur Einführung
dieſes Wortes ſ. §. 23. Die verſchiedenen Verſuche, das Weſen der Polizei zu
beſtimmen, mußten mißlingen, da man nicht genug auf die hiſtoriſche Entwickelung
des Begriffs Rückſicht nahm und ſie entweder blos nach der Staatspraxis und Be-
hördenorganiſation einzelner Staaten oder nur nach ſtaatswiſſenſchaftlichen Syſtemen
zu definiren ſuchte. Es möchte ſich aus Obigem ergeben, daß man ihren Begriff
allerdings poſitiv beſtimmen kann, und daß die Meinung, ſie könne nur negativ
definirt werden, blos daher kommt, daß man keine reinen Polizeibehörden in unſern
Staaten hat, weil der Behördenorganismus keine Folge von theoretiſchen Syſtemen,
ſondern von praktiſcher Zweckmäßigkeit iſt. Die Begriffsanarchie war jedoch von
weſentlichen Folgen für das Staatsleben, weil man in dem Gebiete der Polizei
auch zu keinem allgemeinen Prinzipe kommen konnte und ſich in allen Zweigen der-
ſelben von Widerſpruch zu Widerſpruch wälzte.
[624/0646]
²⁾ Dieſe Sätze ſind die Grundpfeiler aller polizeilichen Thätigkeiten im Staate.
Nach ihnen muß auch die Richtigkeit und Unrichtigkeit der zwei ſich entgegenſtehenden
Anſichten entſchieden werden, ob nämlich der Staat blos negativ oder ob er auch
poſitiv zur Leitung der Volkswirthſchaft einſchreiten ſoll. Beide Anſichten ſind
übertrieben worden, indem man die Erſte der Sorgloſigkeit, die Zweite aber des
Zuvielregirens beſchuldigte; jene iſt das Prinzip des phyſiocratiſchen, dieſes der
Grundſatz des mercantiliſchen Syſtems. Auch A. Smith iſt ein Anhänger des
Syſtems der Negativität, aber in dem oben bezeichneten Sinne, indem er vom
Geſichtspunkte der ganzen Volkswirthſchaft und des Verbandes der einzelnen Gewerbe
als Beſchäftigungen beſtimmter Bürgersklaſſen ausgeht, und alſo jede wirthſchafts-
polizeiliche Maaßregel, welche dieſen Geſichtspunkt verliert, für fehlerhaft erklärt.
Es folgt daraus, daß die Regirung Alles zu verhüten hat, was eine Klaſſe vor der
andern begünſtigt oder benachtheiligt. Dies iſt die wahre Bedeutung des Prinzips
der Negativität nach A. Smith, und nicht, daß der Staat keine Anordnungen
und Anſtalten zur Förderung der Volkswirthſchaft im Ganzen und des Gewerbs-
weſens insbeſondere treffen dürfe. Es gibt in der Volkswirthſchaft wirklich ſchädliche
Einrichtungen und Verhältniſſe, es kann etwas Unrichtiges beſtehen und etwas
Richtiges mangeln; beide Umſtände ſind als Hinderniſſe hinwegzuräumen, ſei dies
direct oder indirect ausführbar. Erklärt man das Smith'ſche Prinzip für das
indirect negative, ſo iſt dies ein Irrthum, denn er behauptet auch das direct nega-
tive, welches man fälſchlich immer für das mercantiliſche oder poſitive ausgab.
Denn er iſt ganz für directe Hilfsanſtalten, für Ermunterung, für gewerbliche
Bildungsanſtalten u. dgl. So und nicht anders iſt auch die Stelle im Inquiry II.
274–275. zu verſtehen.
Erſtes Buch.
Allgemeine Grundſätze.
Erſtes Hauptſtück.
Vom Betriebe des volkswirthſchaftlichen Er-
werbs.
Erſtes Stück.
Einwirkung auf die Hervorbringung.
§. 439.
1) Beförderung der Benutzung der Naturkräfte.
Die Benutzung der Naturkräfte zur rechten Zeit und in der
rechten Art iſt ein ſehr großer Gewinn für die Production, denn
ſie ſind dauernd, wie weder die menſchliche Kraft noch das Capital.
Es ſind aber noch ſo viele Seiten der Natur nicht erforſcht, daß
man von den Naturwiſſenſchaften und der Mechanik, ſo weit ſie
jetzt auch gediehen ſind, mehr als von jeder andern ſagen kann,
ſie ſeien Stückwerk. Jede neue Entdeckung und Erfindung von
Wichtigkeit verdient daher eine wirthſchaftspolizeiliche Anerkennung
und es iſt ein Verdienſt, dieſelben, ſei es durch Preiſe, Unter-
ſtützung mit Apparaten, zu Reiſen u. dgl. mehr zu befördern, und
zu verbreiten. Noch wichtiger ſind aber die Erfindungen, um die
[625/0647]
neu entdeckten phyſikaliſchen, chemiſchen und mathematiſchen Geſetze
in der Wirthſchaft productiv anzuwenden. So berührt z. B. die
Entdeckung der Elaſtizitätsgeſetze des Dampfes das Gewerbsweſen
nicht ſo nahe, wie die Erfindung der Dampfmaſchine.
§. 440.
2) Beförderung der Arbeit.
Für die Beförderung der Arbeit iſt wichtig: a) die Sorge
für die rechtliche Sicherheit des Eigenthums und der
Perſonen, denn wo dieſe aus irgend was für Urſachen nicht be-
ſteht, da fehlen faſt alle wirkſamen Mittel der Gewerb- und Be-
triebſamkeit, als Arbeitsluſt, Capital, Kredit, guter Bürgerſtand,
Genuß u. dgl. b) Die Freiheit der Arbeiterklaſſe, alſo
Aufhebung der Sclaverei, Leibeigenſchaft und Hörigkeit (§. 67.)1).
c) Mittel zur Erhöhung ihrer Geſchicklichkeit, für die
verſchiedenen Gewerbe, mit der Rückſicht, daß die Arbeiter doch
wenigſtens zwei verſchiedene Geſchäfte erlernen. Es gehören hier-
her nicht blos die Elementar-, Induſtrie-, Real- und ge-
wöhnliche Gewerbsſchulen für Arbeiter und Handwerksleute,
ſondern auch die techniſchen Lehranſtalten und polytechniſchen
Inſtitute für alle verſchiedenen Gewerbe, in denen eine höhere
Bildung zu erlangen, die für den Fabrikanten, techniſchen Staats-
beamten u. dgl. nöthig iſt2). d) Die Begünſtigung der Errich-
tung von Kaſſen zur Unterſtützung untauglicher Arbeiter, deren
Wittwen, Waiſen und ſonſtigen Angehörigen3). e) Geſetzliche
Beſtimmungen über die Behandlung der arbeitenden Kinder
in den Fabriken, um ſie vor Mißbrauch, Mißhandlung, und gei-
ſtiger und ſittlicher Vernachläſſigung zu bewahren4). f) Ermun-
terung zur Einführung von guten Lohnſyſtemen (§. 312.
N. 2. §. 315. N. 3.) und zur Abſchaffung der verſchiedenen
Gewerbsmißbräuche (§. 375. 376.)5).
¹⁾ Glücklicherweiſe für Deutſchland von keinem praktiſchen Intereſſe mehr.
²⁾ Natorp, Grundriß zur Organiſation allgemeiner Stadtſchulen. Duisburg
1804. (Jeſſen) Verf. der öffentl. Erziehungsſchulen in Städten. Altona 1818.
Dingler, Nothwendigkeit der Gründung einer polyt. Academie ꝛc. Augsb. 1821.
Hermann, Ueber polytechn. Inſtitute. Nürnb. 1826. Brougham, Observations
upon the Education of the working classes and their employers. London. 20th.
Edit. 1825. Ins Deutſche überſ. von Klöden. Berlin 1827. Kern, Einrichtung
der Bürgerſchulen. Berlin 1828. Köhler, Zweckmäßigſte Einrichtung der Gewerbe-
ſchulen und polytechn. Inſtitute. Gött. 1830. Kriegſtötter, Wichtigk. techniſcher
Bildungsanſtalten. Tübingen 1831. Nebenius, Ueber techniſche Lehranſtalten.
Carlsruhe 1833. Lehmus, die Gewerbſchule als Staatsanſtalt. Nürnberg 1833.
v. Klöden, Ueber die Fortbildung der Gewerbtreibenden, außer der Schule. Ber-
lin 1827. Verbreitung von techniſchen Kenntniſſen durch Journale; Pfennigmaga-
zine; Geſellſchaft für Verbreitung nützlicher Kenntniſſe.
Baumſtark Encyclopädie. 40
[626/0648]
³⁾ Wittwen- und Waiſenkaſſen; Lebensverſicherungsbanken, §. 121. 4. Errich-
tet vom Staate oder Geſellſchaften.
⁴⁾ In der neueſten Zeit hat man in England, Frankreich und Preußen hier-
auf beſondere Aufmerkſamkeit verwendet.
⁵⁾ Aber nicht durch Zwang, denn ſie ſind zu tief eingewurzelt. S. über faſt
alle dieſe Punkte Rau polit. Oeconom. II. §. 11–21. §. 220–224. §. 368. u.
369. (Ein Theil ſeiner polit. Oeconom., in welchem man nicht leicht nach einer
vor a. 1827 bekannten wirthſchaftspolizeilichen Maaßregel nachſchlagen wird, ohne
gehörige materielle und literariſche Belehrung zu finden.) Mohl Polizeiwiſſenſchaft.
(Tübingen 1832 u. 1833. II Bde.) I. 93 (Bevölkerung). 443. 452 (Unterricht).
II. 4. 10. (Sklaverei und Leibeigenſchaft). v. Jacob, Grundſätze der Polizeigeſetz-
gebung (Halle und Leipzig 1809. II Bde.). I. 61 (Bevölkerung). 167 (Leibeigen-
ſchaft, Sklaverei). 265 (Unterricht). Lotz Handbuch. II. 43 (Bevölkerung).
55 (Unterricht). 68 (Sklaverei ꝛc.).
§. 441.
3) Beförderung des Capitalſammelns und Anwendens.
Der freie Verkehr ſchafft die Capitalien, beſonders jene von
Geld, von ſelbſt an die Orte, wo ſie ſich am beſten rentiren.
Zur Anſammlung von Capitalien dienen die Sparkaſſen1) und
Aufmunterung zur Sparſamkeit. Der Capitalumſatz und die Capi-
talanlage wird aber befördert durch gute Bankerottgeſetze und
zweckmäßige Einrichtung des Hypothekenweſens2). Was aber
die Art der Capitalanlage in Gewerben anbelangt, ſo ſteht dem
Staate nicht die Befugniß zu, hemmend einzuſchreiten3).
¹⁾ Sparbanken, saving-Banks. Richardſon, Annalen der Sparkaſſen. Aus
d. Engl. überſ. von Krauſe. Breslau 1821. Bernoulli Schweizeriſches Archiv.
I. 1–28. Krug Staatswirthſch. Anzeigen. I. 1–30. Rau polit. Oeconom.
II. §. 365. storch Cours, Ueberſ. von Rau. III. 391.
²⁾ Reck, das deutſche Hypothekenweſen mit beſonderer Berückſichtigung des
hannov. und braunſchw. L Rechts. Gött. 1830 u. 1832. II Hefte.
³⁾ Es gehört hierher die Frage über Beſchränkung des Maſchinenweſens, und
jene über die Freiheit in der Wahl und im Betriebe von Gewerben. Jeder Schritt,
der hierin zu hindern den Zweck hat, iſt eine Ungerechtigkeit, und widerſpricht dem
freien Entwickelungsgange der Volkswirthſchaft. S. Lotz Handb. II. 63.
Zweites Stück.
Einwirkung auf die Vertheilung.
Erſter Abſatz.
Beförderung des Güterumlaufes.
§. 442.
1) Das Geldweſen. a) Münzweſen.
Das Münzweſen iſt ein Gegenſtand von der größten praktiſchen
Wichtigkeit, weil, wenn es hierin an Zuverläſſigkeit fehlt, der
[627/0649]
ganze Verkehr darunter leidet und nach Umſtänden erſchüttert wer-
den kann. Es ſteht daher nothwendig unter der unmittelbaren
Leitung der Regirung und unter ſtrengen Staatsgeſetzen1). Die
Sorge des Staats hat ſich nicht blos auf die inländiſchen, ſon-
dern auch auf die ausländiſchen Münzen zu erſtrecken. Es ob-
liegen daher (mit Bezugnahme auf §. 290. 328. und 413.) der
Münzgeſetzgebung beſonders folgende Punkte:
1) Die Münz-Aus- und Einfuhr. Man hat lange nach
den Grundſätzen des Mercantilſyſtems der Anſicht gehuldigt, daß
es in der Macht der Regirung liege, die Münzmenge zu beſtimmen.
Allein die Erläuterung des Geldumlaufs hat das Gegentheil ge-
zeigt, woraus hervorgeht, daß die Münzaus- und Einfuhrverbote
ihren Zweck nicht erreichen. Die einzige Aufſicht, welche der Staat
in dieſer Hinſicht zu führen hat, iſt die, daß er die eingehenden
ausländiſchen Münzen valvirt, d. h. ihren Werth beſtimmt und
durch Valvationstabellen bekannt macht, und daß er mit
benachbarten Staaten Verträge über ein gleichförmiges Münzſyſtem
abſchließt, um das Land vor dem Eingange ſchlechter Münzen zu
ſichern, welche die guten Münzſtücke aus dem Umlaufe treiben und
Falſchmünzerei verurſachen, ſobald ſie einen häufigen Umlauf haben.
In großen Staaten ſind dieſe Maaßregeln weit weniger nöthig als
in kleinen, weil ſie im Stande ſind, ein eigenthümliches Münz-
ſyſtem zu bewahren. Die kleinen und mittleren Staaten befinden
ſich in der Regel, was dies anbelangt, ſchlimm, wegen Mangels
an Selbſtſtändigkeit und wegen der Umgebung mehrerer Staaten
von reell und nominal oder blos reell verſchiedenen, aber nominal
gleichen Münzſyſtemen. Für ſie kann eine Münzvereinigung nur
vortheilhaft ſein.
2) Der eigene Münzfuß für das Inland. Derſelbe muß
Beſtimmungen enthalten über alle (§. 290.) erwähnten Münzver-
hältniſſe. a) Die Form und das Gepräge ſollen ſchön und gut,
die Größe aber nicht unbequem, nicht zu groß und nicht zu klein
ſein. b) Die Münzmetalle ſelbſt betreffend, ſo iſt (aus §. 413.)
klar, daß es in einem Lande thatſächlich keine zwei Münzmetalle
geben kann, die zugleich eigentliches Umlaufsmittel ſind, ſondern
daß vielmehr je nach dem Stande des Verkehrs blos Eines der-
ſelben wirkliches Tauſchmittel, ein anderes aber blos zur Aushilfe
beſtimmt iſt. Weil man dieſe Wahrheit nicht erkannte, weil man
meinte, ohne Einwirkung des Staats könne ſich kein feſtes Tauſch-
werthsverhältniß der Münzmetalle gegenſeitig bilden und weil man
eine andere als geſetzliche Beſtimmung deſſelben unter den Münzen
gegenſeitig nicht für möglich hielt, ſo gab man ſtaatsgeſetzliche
40 *
[628/0650]
Werthsverhältniſſe der Metalle an2). Allein für Gold und
Silber, welche im Weltverkehre ſich leicht ausgleichen, iſt dies
ganz unnöthig und darum ſchädlich, weil man auf längere Zeit
das Handelsverhältniß nicht treffen kann. Beim Kupfer iſt dies
nicht ſo der Fall, zum Theile weil es ſich auf den Metallmärkten
nicht ſo leicht vertheilt, wie die Edelmetalle und weil die Kupfer-
münzen neben goldenen und ſilbernen ſtets mehr den Charakter als
bloße Münzzeichen annehmen3). Was c) die Legirung anbelangt,
ſo hat der Staat in ihr zwar ein Mittel zu Münzverſchlechterung
in Händen, aber ſie erſcheint zur gehörigen Härte der Münzen
nothwendig4), ſie erſpart Reinigungskoſten, weil das Edelmetall
in der Regel nicht rein vorkommt, und bei Scheidemünzen geringer
Art von Silber dient ſie zur Vergrößerung des Münzſtückes, wäh-
rend bei ihnen ohnehin eine hohe Feinheit nicht ſo nothwendig iſt,
wie bei Grobcourant, da ſie im Inlande und immer mehr mit
Charakter als Münzzeichen circuliren, je kleiner ſie ſind. d) Der
Schlagſchatz und das Remedium müſſen geſetzlich beſtimmt
werden. Beide ſind nothwendig wegen der Münzfabrication, und
jener jedenfalls bei Scheidemünzen größer, als bei den andern.
Es iſt kein Grund vorhanden, keinen Schlagſchatz zu nehmen;
denn die Münze als Fabricat verurſacht Fabricationsarbeit und
-Koſten, folglich ſteigt ihr Tauſchwerth und es kann auch füglich
ihr Preis ſteigen. Sie muß als Münze, um nicht zu häufig ein-
geſchmolzen zu werden, mehr Tauſchwerth haben als das bloße
Metall und der Staat würde bei freier Münzung nicht blos ver-
lieren, ſondern auch dem Handel nicht einmal einen beſondern
Dienſt leiſten5). e) Bei der Stückelung, wovon auch das
Schrot abhängt, iſt es räthlich, ein bequemes Rechnungsſyſtem
zu wählen. Das Decimalſyſtem hat darum ſehr viel für ſich. Mit
ihr iſt auch zugleich die Währung gegeben. Sehr zweckmäßig iſt,
in Veränderungen wenig gegen nationale Gebräuche und Gewohn-
heiten ſich zu verſtoßen. Ein einmal angenommener Münzfuß iſt
möglichſt unverändert zu bewahren, weil Münzveränderungen immer
eine Reform oder Revolution im ganzen Verkehre zur Folge haben,
da ſich alle Preiſe verändern und die Geldcapitalwerthe nicht die-
ſelben bleiben. Am verwerflichſten ſind aber die geheimen, als
Finanzmaaßregel benutzten, Münzverſchlechterungen, weil ſie in jener
Hinſicht ganz zwecklos, aber für das Inland nur ſchädlich ſind,
indem ſie alles gute Geld aus dem Umlaufe vertreiben, den Inlän-
dern bei ausländiſchen Zahlungen Verluſte verurſachen, die Schuld-
ner auf Koſten der Gläubiger bereichern, das Zutrauen allgemein
untergraben und der Falſchmünzerei freies Feld machen6).
[629/0651]
¹⁾ Die Literatur ſ. m. in den oben citirten §§. Außerdem: Preuß. Staats-
zeitung. Jahrg. 1832. Nro. 133 folg. Drei Aufſätze über das Münzweſen. Berlin
1833. Dagegen ſ. m. Aufſätze in der Allgem. Zeitung von 1833. Außerord. Beil.
Nr. 267. 343. Mohl Polizeiwiſſ. II. 408–418. v. Jacob Polizeigeſetzgebung.
II. 597–619. Lotz Handb. II. 327–354. storch Cours, Ueberſ. von Rau.
I. 458–475. say Cours. II. 398. 418 sqq. Ueberſ. von v. Th. II. 296. 311
folg. Ganilh Des systemes. II. 84–146. Rau polit. Oeconom. II. §. 249–262.
²⁾ Ueber die Falſchheit der Anſicht von Wheatley Essay on the Theory of
Money I. 122, daß das weniger werthvolle und nicht das werthvollere Edelmetall
das Tauſchmittel ſei, ſ. m. Meine Verſuche S. 133–139.
³⁾ Das churſächſiſche Münzgeſetz von 1763, das niederländiſche von 1816 und
das ſiciliſche von 1818 haben dieſe Werthsfixirungen aufgegeben. S. Klüber, das
Münzweſen in Deutſchland. S. 207.
⁴⁾ Neuerdings iſt Hofmann in den genannten Aufſätzen (Preuß. Staatszei-
tung von 1832 Nr. 133.) dieſer Anſicht entgegengetreten, indem er zeigt, daß die
Legirung mit Kupfer die Abnutzung befördere, zum Theile wegen Vergrößerung der
Fläche und wegen des Grünſpanziehens beim roth legirten Silber. Derſelbe erklärt
auch das reine Gold für das beſte Münzmetall (Nr. 136. a. a. O.).
⁵⁾ Schlagſchatz ſind blos die Prägekoſten. Ein Münzgewinn über dieſe hinaus
iſt eine Verſchlechterung der Münze. Gegen die Erhebung eines Schlagſchatzes z. B.
v. Jacob Staatsfinanzwiſſ §. 415. S. dagegen Meine Verſuche. S. 156.
⁶⁾ Ueber die Arten der Münzverſchlechterungen und deren Folgen, nach hiſtori-
ſchen Thatſachen ſ. m. Meine Verſuche. S. 111 folg.
§. 443.
Fortſetzung. b) Papiergeldweſen.
Die Aufſicht des Staats auf das Papiergeldweſen1) iſt zum
Theile nothwendig aus den im vorigen §. beim Münzweſen für die
Wirkſamkeit der Polizeigewalt angegebenen Gründen, zum Theile
aus beſondern im Papiergelde ſelbſt liegenden Urſachen; denn das
Papiergeld iſt leichter vermehrbar ohne bedeutende Koſten, es er-
ſcheint zugleich als ein Staatsfinanzmittel, das zu allem Miß-
brauche bereit liegt, und die Folgen eines im Curſe geſunkenen
oder entwertheten Papiergeldes ſind weit ſchrecklicher noch als die
der Münzverſchlechterungen, ſie bewirken aber, wenn die Letzteren
noch hinzukommen, zuſammen eine unbeſchreibliche Zerrüttung des
ganzen geſelligen Lebens bis in ſeine letzten Aederchen und Nerven2).
Die ganze Politik in Betreff des Papiergeldes iſt in dem Grund-
ſatze enthalten, demſelben ſeinen Gleichwerth mit dem Metallgelde
zu bewahren. Es iſt daher a) die Papiergeldemiſſion weder zu
geſtatten noch vom Staate ſelbſt vorzunehmen, wenn die Anfor-
derungen eines lebhaften Verkehres ſeinen Gebrauchswerth nicht
begründen, und alſo entweder bloße Gewinnſucht von Privaten
oder Geldverlegenheiten des Staates den Antrieb zur Emiſſion ab-
geben; b) die Menge deſſelben nicht nach dem zu erzielenden Ge-
winne der Emittenten oder nach den außerordentlichen Bedürfniſſen
des Staats, ſondern lediglich nach dem volkswirthſchaftlichen Be-
[630/0652]
darfe an Umlaufsmitteln zu richten und nicht mehr auszugeben3);
c) beſtändig offene Kaſſe zum Behufe der augenblicklichen Honori-
rung des präſentirten Papiergeldes zu halten und ſelbſt die falſchen
Scheine oder Noten einzulöſen; d) in der Stückelung deſſelben nie
ſo weit zu gehen, daß es die Scheidemünzen vertritt und eher ſelbſt
die geringſten Stücke des Grobcourant noch unvertreten zu laſſen;
e) die Form und das Gepräge deſſelben ſo unnachahmlich als mög-
lich zu machen; f) mit allen zu Gebote ſtehenden Mitteln dafür zu
ſorgen, daß das geſunkene Papiergeld ſo ſchnell als möglich einge-
zogen, und daß ihm wieder ſein wahrer Werth verſchafft werde4);
g) die Münzen und Barren, womit es eingelöst werden ſoll, in
demjenigen guten Zuſtande unverändert zu laſſen, in welchem ſie
bei der Papiergeldemiſſion waren, und wenn eine Münzveränderung
als unumgänglich erſcheint, dieſe öffentlich zu bewerkſtelligen und
auch das Papiergeldweſen danach neu zu reguliren5).
¹⁾ Ueber die Literatur und die Grundſätze des Papiergeldweſens ſ. m. §. 329.
414. Außerdem: Rau polit. Oeconomie. II. §. 263. Lotz Handbuch. II. 354.
v. Jacob Polizeigeſetzgebung. II. 619. v. Cöverden, Verſuch einer Entwicke-
lung der nachtheiligen Folgen einer zu großen Maſſe Staatspapiergeldes. Göttingen
1805. Krünitz Encyclop. Bd. 107. S. 248. v. Jacob, Ueber Rußlands Papier-
geld. Halle 1817.
²⁾ Folgen des geſunkenen Papiergeldes: Steigen aller Preiſe von Gütern,
Nutzungen und Leiſtungen; Entwerthung aller früher ſtipulirten Geldſummen und
Mißverhältniß zwiſchen Einnahmen und Ausgaben bei denjenigen, welche ihr Ein-
kommen in feſten Summen beziehen, z. B. bei den Arbeitern, Beamten, Capitali-
ſten; Verſchwinden der Münzen aus dem Verkehre, um Vermögen zu ſichern;
ſchädliche Vertheurung aller ausländiſchen Producte; allgemeines Mißtrauen u. dgl.
S. hiſtoriſche Belege in Meinen Verſuchen. S. 259–271. 281–282.
³⁾ Daraus folgt aber nicht, daß man, wenn das Papiergeld wegen der Hono-
rirung ſtark herbeiſtrömt, die Emiſſion unterlaſſen muß. S. gegen dieſe Anſicht
oben §. 414. N. 6. Meine Verſuche. S. 276.
⁴⁾ Es gibt dafür drei Methoden: Allmälige Einlöſung gegen Münzen und
Barren, blos bei nicht tief und kurze Zeit geſunkenem, aber nicht bei tief und lange
her entwerthetem Papiergelde anwendbar, weil bei Letzterem der Schaden gar nicht
liquidirt werden kann, wenn man es auch für voll umlöst; bei Staatspapiergeld eine
Einlöſung deſſelben gegen verzinsliche Staatsſchuldſcheine, eine Maaßregel, deren
Beurtheilung in die Finanzwiſſenſchaft gehört: die Fixirung ſeines Werthes und
möglichſt ſchnelle Zurücknahme gegen Erſtattung des Erſteren in Baarſchaft, die
kürzeſte und zweckmäßigſte Maaßregel. S. Nebenius, der öffentl. Credit. I. 493.
Meine Verſuche. S. 362. v. Malchus Finanzw. I. §. 87. v. Jacob Finanz-
wiſſenſchaft. §. 909. Fulda Finanzw. §. 270.
⁵⁾ Beiſpiele aus der Finanzgeſchichte ſ. m. in Meinen Verſuchen a. a. O.
§. 444.
2) Die Kreditanſtalten.
In Betreff der Kreditanſtalten, welche den Umlauf befördern,
iſt zu bemerken, daß auch ſie im Volke von ſelbſt entſtehen, wenn
ſich das Bedürfniß darnach zeigt. So hat der Staat: a) nachdem
[631/0653]
das Wechſelinſtitut entſtanden war, nur für ſtrenge Wechſel-
geſetzgebung und bindigen Wechſelprozeß zu ſorgen; b)
wenn ſich Anſtalten zum Abgleich von Forderungen und Leiſtungen
bilden, dieſelbe, nachdem die Statuten geprüft und genehmigt
ſind, in polizeiliche Aufſicht zu nehmen (§. 344.); c) wenn ſich
Geſellſchaften zu Bankanſtalten vereinigen, ihre Charte zur
Prüfung zu verlangen und blos mit den gehörigen Abänderungen
derſelben zu ſanctioniren, aber ſich vor der eigenen Unternehmung
oder Uebernahme einer Bankanſtalt zu hüten, weil ſich an ſich
ſolche Geſchäfte für den Staat nicht eignen, die Verführung zur
geheimen Benutzung ihrer Fonds als außerordentliche Quellen zu
groß iſt und die Folgen für den Staats- ſowie Volkshaushalt
äußerſt verderblich ſein können1). Der Staat beſchränkt ſich deß-
halb auf die bloße Beaufſichtigung dieſer Inſtitute entweder durch
ſelbſtgewählte Directoren oder durch bloße beigegebene Control-
beamte oder durch wöchentliche, monatliche, viertel-, halb- und
ganzjährliche Vorlagen des Rechnungs- und Kaſſenſtandes, um ſo
etwaigen Nachtheilen für das Volk vorzubeugen. Die Prinzipien,
wonach die Prüfung der Bankſtatuten vorgenommen wird, ſind jene
des Geldumlaufes, jene des Metall- und Papiergeldes, und des
Zweckes der Banken insbeſondere mit ſtetem Vergleiche zum Volks-
wohlſtande2). Die Verwaltung der Banken ſelbſt, von welcher
unter übrigens gleichen Umſtänden alles abhängt, geht nach den
oben (§. 330. u. 345.) angegebenen Grundſätzen vor ſich. Einer
beſondern Beachtung verdient aber die wichtige Maxime, daß ſich
dieſelben nicht auf Darleihen aus ihren Fonds an den Staat zu
tief einläßt, denn dies bringt die Banken ſehr leicht in Zahlungs-
verlegenheit, wie die Erfahrung zeigt und ganz natürlich iſt, da
die Regirung im Nothfalle nicht ſo ſchnell, als es die Bank er-
heiſcht, die Baarſchaft herbeibringen kann und daher leicht zu
außerordentlichen Bankrechten und Autoriſation von Gewaltsſtreichen
die Zuflucht nimmt3).
¹⁾ Die Bankgeſchichte zeigt dies. S. Meine Verſuche an den im vorigen §
a. O. Ueber dieſe ganze Bankfrage ſ. m. die im vorigen, und in den oben
citirten §§. angegebene Literatur, außerdem aber noch: Lotz Handbuch. II. 380.
v. Jacob Polizeigeſetzgebung. II. 645. Mohl Polizeiwiſſ. II. 418. Spittler
Vorleſungen über Politik. S. 399.
²⁾ Einer beſonderen Beachtung verdienen hier die in Großbrittannien üblichen
zwei Bankſyſteme, nämlich das ſchottiſche und das engliſche. In England hat
nämlich die Bank von England in London das ausſchließliche Privilegium; in
Schottland aber gibt es viele kleinere Banken von freier Concurrenz. Beide emit-
tiren Noten, aber die Letztern unterſtützen die einzelnen Gewerbsunternehmer,
namentlich die geringeren, weit mehr und beherrſchen den Verkehr nicht ſo, wie
eine ausſchließlich privilegirte Bank. S. eine Vergleichung im Quarterly Review.
T 43. p. 342–366. Auch die Schrift: das Reformminiſterium und das refor-
[632/0654]
²⁾ mirte Parlament. Nach der 9ten Ausg. überſetzt aus dem Engl. Carlsruhe 1834.
S. 27–33 (über die Erneuerung des Bankprivilegiums v. a. 1833). Mac-Cul-
loch Dictionary of Commerce, deutſche Bearb. I. 103.
³⁾ Ueber den Zuſammenhang des Staatskredits mit dem Notenweſen und
Papiergelde ſ. m. Meine Verſuche. S. 249.
Zweiter Abſatz.
Geſetzliche Beſtimmungen der Preiſe oder
Polizeitaxen.
§. 445.
Die noch jetzt allenthalben eingeführte Maaßregel, daß man
von Seiten der Polizei gewiſſen Gewerben die Preiſe ihrer Pro-
ducte feſtſetzt, verträgt ſich mit den Grundſätzen der Gewerbsfreiheit
nicht. Am gewöhnlichſten iſt dies bei den Bäckern, Fleiſchern,
Bierwirthen u. dgl., überhaupt bei ſolchen Gewerben, welche die
gewöhnlichen Lebensbedürfniſſe liefern1). Daß die Polizei wegen
der Sicherheit vor ſchlechten Nahrungsmitteln eine Aufſicht hält,
iſt nothwendig. Aber die Aufſtellung ſolcher Polizeitaxen oder
Zwangspreiſe rühren aus der Zeit her, in welcher die ſtädtiſchen
und ländlichen Gewerbe ſtreng geſchieden und in den Städten be-
ſonders eine ſtrenge Zunftverfaſſung beſtand, welche, die freie
Gewerbsconcurrenz hindernd, und nur eine beſtimmte Meiſterzahl
zulaſſend, ein Monopol mit den nöthigſten Lebensbedürfniſſen ver-
anlaßte, das die Conſumenten, namentlich die niedere Klaſſe, ſehr
beeinträchtigte und ungleichförmige Preiſe verurſachte, ſo lange
die Polizei nicht zu einem gegenwirkenden Zwangsmittel dieſer Art
ihre Zuflucht nahm. Es konnte aber nicht fehlen, daß dieſe Taxen
ſelten recht, einmal zu hoch, ein andermal zu niedrig waren, da
man wenige zuverläſſige Mittel2) zu ihrer Feſtſetzung hat und die
Verhältniſſe ſich häufig verändern. Wäre die Concurrenz zwiſchen
Stadt und Land frei und das Zunftweſen aufgehoben, ſo müßten
dieſe Polizeiſchranken fallen und könnten es auch ohne Schaden.
Da dies nicht der Fall iſt und auch Erſtere deßhalb nicht völlig
eintreten kann, weil die ſtädtiſche Lebensweiſe einen höheren Ar-
beitslohn und Gewerbsgewinn als die ländliche nöthig macht, alſo
ſchon der Koſtenſatz der Producte dort höher als auf dem Lande
iſt, und folglich wenigſtens von ländlichen Producten beim Ein-
gange in die Städte eine verhältnißmäßige Ausgleichungsſteuer
entrichtet werden müßte, um die ſtädtiſchen Gewerbe zu ſichern:
ſo werden auch ſolche Polizeitaxen nicht leicht abgeſchafft werden
können3).
[633/0655]
¹⁾ Bergius P. und C. Magazin. Art. Biertaxe. Brauprobe. Brod-
taxe und Backprobe. Fleiſchtaxe. Polizeitaxen. Rau polit. Oeconom.
II. §. 293. Rüdiger Staatslehre. Halle 1795. II. 127. Lotz Handb. II. 250.
simonde de sismonde Rich. Commerc. II. 107. 120. Murhard Politik des
Handels. S. 261. Wachtler in Morſtadt's Nationalöconom. 1834. H. III. 169.
²⁾ Die Berechnung geſchieht nach den Koſten- und Gewinnſtſätzen. Daher die
Back-, Mahl- und Brauproben u. dgl.
³⁾ Ein Auskunftsmittel, z. B. im Großh. Baden in den Hauptſtädten ange-
wendet, iſt das, wenn man die Preiſe durch die Gewerksleute ſelbſt für jeden Monat
beſtimmen läßt und dieſe dann beibehält.
Dritter Abſatz.
Einfluß des Staats auf die Einkommenszweige.
§. 446.
Diejenigen Einkommensarten, welche die Natur des Preiſes
haben, alſo die ausbedungenen Renten, ſind von ſolcher Natur,
daß man ſie auch, ſo wie die Waarenpreiſe geſetzlich fixiren kann.
In früheren Zeiten begann man auch mit polizeilichen Taxen hierin
und wandte ſie beſonders an: 1) Beim Arbeitslohne, um im
Intereſſe der Lohnherrn ein Höherſteigen deſſelben zu verhüten.
Dieſe Taxen ſind durchaus verwerflich, weil ſie dieſe zum Nach-
theile der Arbeiter bevortheilen, und ganz bei Seite ſetzen, daß
hoher Arbeitslohn des Landes Wohlſtand begründet; weil die
Dienſte ſo verſchiedener Art ſind, daß allgemeine Taxen nicht gut
ausgeführt werden können; und weil keine ſo kleine Concurrenz
von Arbeitern zu erwarten iſt, daß der Lohn zu hoch ſteigen wird.
2) Beim Zinsfuße, um die Borgenden vor Bedrückung zu ſichern
und dem Wucher entgegenzuarbeiten1). Die Gebote und Verbote
in dieſer Hinſicht zuſammengenommen heißen Wuchergeſetze2).
Der Wucher, erſt durch die Geſetze einer Definition fähig gemacht,
iſt aus ſittlichen Gründen verhaßt, und dieſe haben die Wucher-
geſetze noch mehr motivirt, als Gewerbsrückſichten. Von dem freien
volkswirthſchaftlichen Standpunkte aus betrachtet kann es keinen
Wucher geben, denn die verſchiedenſten Umſtände beſtimmen den
Zinsfuß ſo, wie den Preis, und das Verbot hoher Zinſen ſteht
daher unter demſelben Geſichtspunkte, wie das Verbot hohen Ar-
beitslohnes. Allein Mangel an Capitaliſten auf einzelnen Plätzen,
Hartherzigkeit und Gewiſſenloſigkeit derſelben, welche ihnen geſtat-
ten, einen Borgenden zu überliſten und von deſſen Noth ſo viel
als möglich Gewinn zu ziehen, ſind Gründe, aus welchen in ein-
zelnen Fällen übermäßig hohe Zinſen hervorgehen können, die man
[634/0656]
Wucherzinſen nennt3). Hieraus ergibt ſich, a) daß die gewöhn-
lichen Wuchergeſetze verwerflich ſind. Denn die Fixirung eines
Zinsfußes widerſpricht dem Verkehre, beeinträchtigt die Capitali-
ſten, beſonders die geringeren, verhindert manche Unternehmungen,
die ſehr einträglich ſein können und den Borgenden dazu vermögen,
gerne einen höheren Zins zu geben, und iſt nicht durchzuführen,
weil, namentlich den größeren Capitaliſten, die verſchiedenſten
Mittel zur Umgehung des Geſetzes zu Gebote ſtehen, und weil die
Verheimlichung vieler Geldgeſchäfte dadurch veranlaßt wird. Es
iſt vielmehr am zweckmäßigſten b) daß man die Concurrenz der
Capitaliſten ſo viel als möglich zu vermehren ſucht, daß man durch
allerlei Mittel das Borgen erleichtert4), daß man allen ſelbſtſtän-
digen Perſonen die Verwendung ihrer Capitalien ſobald als möglich
frei läßt, daß man mit dem Ausleihen möglichſt wenige Sicher-
heitsformalitäten verbindet, daß man die möglichſte Einfachheit,
Sicherheit, Klarheit und Leichtigkeit der Geldgeſchäfte einzuführen
ſucht, daß der Staat außer der Vermehrung der Concurrenz alle
andern Umſtände begünſtiget, die einen niedern Zinsfuß bewirken,
daß er ſchon im Jugendunterrichte über die Darleihegeſchäfte für
Aufklärung ſorgt und den Unfähigen die freie Verwaltung ihrer
Capitalien nicht überläßt. Nur hierin liegen die Mittel, um den
Wucher ſicher zu verhüten.
¹⁾ Rau polit. Oeconom. II. §. 319. Lotz Handb. II. 256. v. Jacob Poli-
zeigeſetzgebung. II 521. storch Cours, Ueberſ. von Rau. II. 25. say Cours.
IV. 242. Ueberſ. von v. Th. IV. 185. Spittler Vorleſ. über Politik. S. 412
-424 (ausgezeichnet). Galiani Della Moneta. II. 239. 251. Genovesi Lezioni.
III. 157 sqq. Vasco L'Usura Libera = Economisti. P. mod. XXXIV. 121. 230.
Gioja Nuovo Prospetto. V. 18. 43. 62. Turgot Mém sur le Prèt à intérét.
Paris 1789 (geſchrieben a. 1769 = Deſſen Oeuvres. V. 262.). J. Rentham Defense
of Usury. Lond. 1787. Deutſch von Eberhard. Halle 1788. Günther Verſuch
über Wucher. Hamburg 1790. v. Kees, Ueber Aufhebung der Wuchergeſetze.
Wien 1791.
²⁾ Sie verbieten in der Regel einen gewiſſen hohen Zins, das Abziehen des
Zinſes ſogleich bei der Auszahlung des Anleihens, andere Abzüge an dem Capitale,
die Zinszinſen, das Auflegen läſtiger Bedingungen u. dgl.
³⁾ Die Menſchen ändern ihre Meinung hierüber allmälig, man hält z. B. jetzt
die Zinszinſen nicht mehr für Wucher. Oft hat man ſchon Wucher vermuthet, wo
blos der Mangel an perſönlicher und ſachlicher Sicherheit einen hohen Zins nöthig
oder billig machte, z. B. bei Darleihen auf bloßen perſönlichen Kredit, an unſelbſt-
ſtändige Menſchen, die Wuchergeſetze ſelbſt veranlaſſen ſo heimliche hohe Zinſen ꝛc.
Der Wucher iſt am leichteſten möglich bei Anleihen aus Noth, am wenigſten bei
Anleihen zu Gewerbszwecken, weil der Unternehmer niemals mehr zu geben geneigt
iſt, als er ſelbſt Zins einzunehmen vermag.
⁴⁾ Sie werden unten bei der Lehre von der Beförderung des Leihgeſchäftes
angeführt werden.
[635/0657]
Zweites Hauptſtück.
Vom Betriebe der volkswirthſchaftlichen
Hauswirthſchaft.
Erſtes Stück.
Sorge für die Erhaltung des Volksvermögens
und Einkommens.
Erſter Abſatz.
Vorbeugungsmittel.
§. 447.
1) Gegen Gewitter-, Erdbeben- und Hagelſchaden.
Zur Verhütung ſolcher zerſtörender Naturgewalten iſt nichts
zu thun möglich, aber zur Entkräftung oder Verhütung ihrer
ſchädlichen Wirkungen. 1) Zur Sicherung gegen Gewitterſchaden
dienen die Blitzableiter1), deren Anlage jedoch nicht erzwungen
werden kann, weßhalb Ermahnung, Unterricht und gutes Beiſpiel
an Staats- und Gemeindegebäuden die wirkſamſten gerechten Mittel
ſind, ſie zu verbreiten; ferner das Unterlaſſen aller Gebräuche und
Bauten, welche das Einſchlagen des Blitzes möglich machen2).
2) Bei Erdbeben kann man blos durch ſchleunige Verſuche zur
Rettung des beweglichen Eigenthumes und das Gebot des ſchnellen
Auslöſchens der Hausfeuer, um bei etwaigen Einſtürzen den Feuer-
ausbruch zu verhüten, ſichernd wirken. Das Verbot hoher Gebäude
in Gegenden, die einem ſolchen Unglücke ausgeſetzt ſind, iſt leicht
ein zu großer Eingriff in die Privatrechte. 3) Um gegen Hagel
zu ſichern, iſt es noch nicht mit der Erfindung von Hagelablei-
tern3) gelungen. Das Eigenthum iſt daher der Zerſtörung durch
dieſe Naturerſcheinung immer noch ſehr ausgeſetzt.
¹⁾ Gilly Anleitung, Blitzableiter anzubringen. Berlin 1798. Achard Anl.,
Gebäude ꝛc. vor Gewitterſchaden ſicher zu ſtellen. Berlin 1798. Hehl Anleit. zur
Errichtung und Erhaltung von Blitzableitern. Stuttg. 1827. Dingler polytechn.
Journal. Bd. XVI. 145 (vorzügl. Anleitung nach dem Unterrichte der franzöſiſchen
Academie). Gehler Phyſical. Wörterbuch. 2te Auflage. Art. Blitzableiter.
Prechtl Technolog. Encyclopädie. Art. Blitzableiter. Buſch, Handbuch der
Erfindungen. 4te Aufl. Bd. II. Abthl. 2. S. 69. Frank medizin. Polizei. IV. 168.
v. Berg, Handbuch des teutſchen Polizeirechts. III. 32.
²⁾ Z. B. das Läuten auf Thürmen, Verbrennen geweihter Kräuter auf den
Heerden, Wetterfahnen mit Metallſpitzen, Wetterdächer ꝛc.
³⁾ Riecke, Ueber Errichtung von Hagelableitern im Correſpondenz-Blatte des
würtemb. landw. Vereins. Bd. VII. (1825) S. 225. Lapoſtolle, Ueber Blitz-
und Hagel-Ableiter aus Strohſeilen. Aus d. Franz. Weimar 1821. Bernoulli,
Schweitzeriſches Archiv. III. 56.
[636/0658]
§. 448.
2) Gegen Feuerſchaden.
Es laſſen ſich die Maaßregeln zur Verhütung von Feuerſcha-
den1) in zwei Hauptgattungen theilen. 1) Die wirklichen Ver-
hütungsmaaßregeln beziehen ſich theils auf phyſiſche und che-
miſche Urſachen von Feuer2), theils auf den Bau der Häuſer3),
theils auf Anwendung von Anſtrichen und Ueberzügen der brenn-
baren Theile an Gebäuden4), theils auf Handlungen, welche
Feuersbrünſte bereiten können5). Dagegen betreffen 2) die Feuer-
löſchanſtalten die verſchiedenen Löſchmittel6), die Feuerge-
räthe7), das Feuerperſonale8) und die Löſchordnung9). Hierin
hat die Polizei einen ihrer weiteſten Wirkungskreiſe, ſie befiehlt,
belehrt, ermuntert, belohnt, ſtraft und zwingt, und zwar dies
Alles, weil die Gefahr eine allgemeine iſt, bei welcher die Maaß-
regeln von einem Centralpunkte ausgehen müſſen.
¹⁾ Krügelſtein, Syſtem der Feuerpolizei. Leipzig 1798–1800. III Bde.
Steinbeck Feuer-, Noth- und Hülfsbuch. Leipzig 1802. Balentiner, Ueber
zweckmäßige Brandanſtalten in großen Städten. Hamburg 1798. Steinbeck,
Handbuch der Feuerpolizei für Marktflecken und Dörfer. Jena 1805. Henſoldt,
Brandwehr- und Rettungsanſtalt für Dörfer. Hildburghauſen 1827. Everat,
Feuerbuch für Stadt- und Landgemeinden, aus dem Franzöſ. überſetzt von Petri.
Ilmenau 1829. Teichmann, Feuersnoth- und Hülfsbuch. Leipzig 1831. Mohl
Polizeiwiſſ. II. 62. Tedeſchi. Was iſt beſſer, Feuersbrunſt zu löſchen oder zu
verhüten. Wien 1824. v. Berg Handbuch. III. 19–46. VI. Abthl. II. 627–823.
Bergius P. u. C. Magazin. Art. Feuer-Anſtalt-Ordnung, Viſitation.
²⁾ Schließbarkeit der Oefen, Verbot des Holzauflegens, Verhütung der Ent-
zündung brennbarer Gasarten (beſonders in Bergwerken, §. 99.), Behutſamkeit mit
Gläſern, Brillen, Fenſtern ꝛc., Waſſer bei ſtarken Reibungen in Fabriken, Bewah-
rung ſelbſtentzündlicher und leicht feuerfangender Gegenſtände (bergmänniſche Gruben-
brände ſ. Brand Grundriß der Bergbaukunde. S. 371. Dingler polytechniſches
Journal. XXXV. 213.).
³⁾ Kein neuer Hausbau ohne Anzeige bei der betreffenden Polizeibehörde:
(v. Heyde Repertorium der preuß. Polizeigeſ. IV. 404.). Entfernung von brenn-
baren Dachrinnen, von Erkern, Schindel- und Strohdächern, hölzernen Geſimſen,
Getäfel außen am Hauſe, Wetterdächern; Aufſicht auf den Bau der Backöfen (Ge-
meindebacköfen: Bergius Magazin. Art. Backöfen. Wehr Oeconom. Aufſätze.
S. 150. Hannöv. Magazin. Jahrg. 1788. S. 31. 57. Krünitz Oec. Encyclop.
III. 370.), Schornſteine, auf Anlage der Keſſel, Darren, Rauchkammern, Ge-
werbsöfen, Oefen bei Dampfmaſchinen, Kohlenmagazinen; Verbindung der Häuſer
durch Feuer- oder Brandmauern; Bau der Magazine, landw. Gebäude, Schau-
ſpielhäuſer, gefährlichen Fabrikhäuſer, Pulvermagazine (Eberhard, Vorſchläge zur
Anlegung von Pulvermagazinen. Halle 1771.).
⁴⁾ Angegeben ſolche bei Krügelſtein. I. 198–267. Prechtl Technolog.
Encyclopädie. I. 291. Dingler polytechn. Journal. XVII. 465. Tedeſchi a.
a. O. S. 59.
⁵⁾ Im häuslichen Leben, auf Feld und im Walde; Aufſicht auf boshafte,
rachſüchtige, blöd- und wahnſinnige Menſchen; Verbot des Haushütens durch Kinder.
S. über locale Feuerordnungen außer den angef. Schr. noch v. d. Heyde Repert.
II. 723. IV. 345. Döllinger, Repertorium der Staatsverwaltung des König-
reichs Baiern. V. 112. Des Essarts Dictionnaire de Police (blos 8 Bde. 4.). V. 319.
[637/0659]
⁶⁾ Erde, Sand und Aſche (Helfenzrieder, Vom Gebrauche der Erde, Sand
und Aſche, als Löſchmittel. 1788.), Miſt und Schlamm; Waſſer; Schwefel und
Pulver; Allaun, Pottaſche, Lauge und Kochſalz. Krügelſtein. I. 555–592.
⁷⁾ Solche, die den Zugang zum Feuer bequem machen, als Leitern, Aexte,
Haken, Stoßeiſen, Ketten, Laternen (Hermereck in Dingler polyt. Journal.
XVI. 1.); ſolche zur Sicherung anſtoßender Gebäude, als Segeltücher und Blech-
ſchirme (Krügelſtein. I. 618.); ſolche zum Schutze rettender Menſchen, als
blecherne Schilde, lederne Kleider, Hemden und ganze Kleider von Asbeſt, Stiefeln,
Hauben von Blech (Dingler polytechn. Journal. XXXV. 364. Allgem. Zeitung.
Jahrg. 1833. Nr. 124.); endlich ſolche zur Feuerdämpfung, als Wurfmaſchinen,
Kübel, Bütten, Eimer, Schläuche, Feuerſpritzen (Dingler polytechn. Journal.
X. 167. XIII. 281. XXXVI. 258.).
⁸⁾ Entdeckungsperſonale, als Nachtwächter, Thürmer u. dgl.; Feuerlärmper-
ſonale, Trommler, Läuter, Telegraphiſten, Reiter u. dgl.; Löſcharbeiter, als
Sprützenleute, Waſſerträger, Steiger (Zimmerleute u. dgl.); Wachperſonale im
Orte; Hilfsperſonale zum Retten von Gegenſtänden und Perſonen; Militair,
Gensdarmerie.
⁹⁾ Ganz local und temporell. Alle dieſe Dinge müſſen in Localverordnungen
genau beſtimmt ſein.
§. 449.
3) Gegen Waſſerſchaden.
Gegen die Anſammlung vielen Waſſers in den Fluß- und
Strombetten, Teichen, Seen und Canälen iſt urſächlich kein Mit-
tel in menſchlicher Gewalt1). Was die Polizei hier zu thun ver-
mag, beſteht zum Theile in einer ſichernden Einrichtung der ver-
ſchiedenen Waſſerbauten2), in Maaßregeln zur möglichſt ſchadloſen
Ablaſſung des Waſſers bei bloßen Ueberſchwemmungen und Eis-
gängen3), und in Verſuchen zur Rettung der Menſchen und des
Eigenthums bei ſolchen Ereigniſſen und anderen Gefahren zu
Waſſer, als Stranden, Schiffbruch u. dgl.4).
¹⁾ Röſſig Waſſerpolizei. Leipzig 1789. Rouſſeau, Beiträge zur Deich-
und Flußbau-Polizeigeſetzgebung. Nürnberg 1820. Wagner, Anweiſung zur Er-
haltung der Dämme bei Stromergießungen und Eisgängen. Grimma 1827. Mohl
Polizeiwiſſ. II. 75. v. Berg Handbuch. III. 76. VI. Abthl. II. S. 822.
²⁾ Durchſtiche; Verhütung von Waſſerbauten, welche den Waſſerlauf hemmen;
Ausräumung verſteinter, verſandeter und verſchlämmter Fluß-, Strom- und Bach-
betten, und Verbot des Hineinwerfens von Schutt; Erhöhung der Schnelligkeit des
Waſſerlaufes; Hinwegräumung von Felſen durch Sprengen u. dgl. (ein äußerſt
ſinnreiches Mittel hierzu, das in America angewendet wird, ſ. bei Babbage Ma-
ſchinenweſen §. 38. beſchrieben). Die wichtigſte Stelle nehmen hier die Deich-
oder Dammbaue ein, worüber ſchon von Alters her eigene Deichordnungen
exiſtiren, für deren Verfaſſung die größte Sorgfalt nöthig iſt. Sie erſtrecken ſich
über: Bau, Höhe, Stärke und Material der Deiche, Feld- und Fluthgräben,
Verbot von Offenſivbauen, die den natürlichen Waſſerlauf hemmen, Deichaufſicht
und Perſonale, Deichkaſſe und Beitragspflicht der Einzelnen, periodiſche Deichſchau,
Deichbaue und Reparaturen, Bau und Handhabung der Schleußen, Anſchaffung und
Aufbewahrung des Deichinventariums (Bretter, Stampfen, Schlägel, Faſchinen,
Laternen, Karren, Kähne ꝛc.), Benutzung der Deiche zum Gehen, Fahren, Land-
bau, Weide u. dgl., Anfahren von Schiffen, Kähnen und Flößen. v. d. Heyde
Repertor. III. 1. IV. 376. Preuß. LandR. Thl. I. Tit. 8. Thl. II. Tit. 15. 20.
[638/0660]
³⁾ Beſonders bei Eisgängen: Aufeiſen an den Ufern, an Waſſerbauten: Zer-
trümmern großer Eisſchollen an Brücken u. dgl.; Eisbrecher, Eisbäume, Pfeiler;
Verhinderung des Eisſchiebens; Sprengung der gebildeten Eisſchützen.
⁴⁾ Prämien für Rettung; Waſſerlärm, Boten, Nothſchüſſe; Rettungsboote;
Zuſchießen von Rettungsſeilen an Pfeilen, Bomben, Rettungstonnen u. ſ. w.
§. 450.
4) Gegen Thierſchaden.
Der Thierſchaden geſchieht entweder durch Thiere oder an
Thieren. a) Die ſchädlichen Thiere in Haus, Feld und Wald
nehmen zuweilen ſo überhand, daß oft ganze Ernten auf unge-
heuren Strecken zernichtet und für die Menſchen der empfindlichſte
Mangel verurſacht wird. Vereinzelte Maaßregeln helfen nicht, es
muß hier der Allgemeinheit wegen die Polizei einſchreiten durch
Befehlen von Vorbeugungs- und Vertilgungsmitteln1). Unter
demſelben Geſichtspunkte ſtehen b) die Thierkrankheiten, welche
entweder von Außen ins Land gebracht werden können2), oder im
Lande ſelbſt entſtehen und anſtecken3), oder blos epizootiſch (allge-
mein herrſchend, aber nicht anſteckend) ſind4). Ohne allgemeine,
von einem Centralpunkte geleitete Anſtalten ſind ſie nicht leicht ab-
zuhalten oder zu heilen.
¹⁾ Mäuſe, Ratten, Hamſter; Maulwürfe; Raupen; Vögel; Forſtinſekten u.
dergl.; Heuſchrecken. S. darüber auch in der Land- und Forſtwirthſchaftslehre.
Hamſter-, Ratten-, Maulwurffänger; Schonung der ſolchen Thieren nachſetzenden
Vögel; Vertilgen der Raupenneſter; Verpflichtung der Bürger, täglich oder wöchent-
lich eine gewiſſe Menge zu fangen u. dgl.
²⁾ Sperranſtalten, Quarantänen, Anweiſung beſtimmter Straßen für durch-
ziehende Thiere, Entfernung der inländiſchen Thiere davon, Einimpfen des Gift-
ſtoffes (noch nicht hinlänglich erprobt).
³⁾ Beförderung der Thierarzneikunde, Anſtellung tüchtiger Thierärzte, Unter-
ſuchung vorkommender Krankheitsfälle, Strafe wegen Nichtanzeige, Abſchließung von
ſo heimgeſuchten Plätzen und Gegenden, Abthun der kranken unheilbaren Thiere,
periodiſche Siſtirung naher Thiermärkte, Vergraben der ganzen gefallenen Thiere.
⁴⁾ Nicht immer ſind allgemeine Maaßregeln nothwendig.
§. 451.
5) Gegen Raub, Diebſtahl und Betrug. a) Im Allgemeinen.
Die Aufmerkſamkeit und Erfahrung der Einzelnen reicht mei-
ſtens nicht hin, um vor Raub, Diebſtahl und Betrug ſicher zu
ſein; die ſich mit ſolchen Handlungen beſchäftigenden Menſchen
überziehen oft planmäßig ganze Gegenden; ihre Aufenthaltsorte
ſind oft ſehr ſchwer zu finden; ihre Macht iſt zuweilen ſehr bedeu-
tend; es treten allgemeine Ereigniſſe ein, wobei ſie ſich beſonders
gerne einfinden. Aus dieſen und vielen andern Gründen iſt die
[639/0661]
Polizeiaufſicht hierin nothwendig. Die allgemeinen Polizeimaaß-
regeln in dieſer Hinſicht betreffen zum Theile die gefährlichen und
verdächtigen Perſonen ſelbſt1), zum Theile die beſonderen Gele-
genheiten und Plätze, wo ſie zu wirken pflegen2). Die Aufſicht
und vorkommenden Verhaftungen geſchehen durch die Polizeidiener
und Gendarmen.
¹⁾ Nämlich a) Landſtreicher, Vagabunden oder Gauner, d. h. Geſindel
beiderlei Geſchlechts, das gewerblos auf Bettel, Raub, Diebſtahl und Betrug um-
herzieht und öfters mit anſäßigen Familien und Individuen in Verbindung ſteht
(v. d. Heyde Repertor. I. 17. II. 181. III. 569. Döllinger Repertor. VI. 266.
v. Berg Handb. I. 284. IV. 604. Colquhoun Polizei von London. I. 152.).
b) Herumziehendes Geſindel, welches zwar Gewerbe treibt, aber ſolche, die
gerne von jener Klaſſe zum Scheine getrieben werden (Hauſirer, Lohnarbeiter,
Muſiker gemeinſter Art, Seiltänzler, Guckkäſtler, Glücksſpieler, Thierführer, Seil-
tänzer, Marionettenſpieler u. dgl.). Blos richtige Päſſe, Wanderbücher und Er-
laubnißſcheine inländiſcher Behörden gewiſſen zur Ertheilung derſelben beauftragten
Ranges, und unnachſichtige Strenge gegen unlegitimirte ſind die einzigen Mittel,
das Geſindel abzuhalten (Bai. Reg. Blatt v J. 1802. S. 176. 236. v. d. Heyde
Repertor. IV. 19. 507. 524.). c) Die Bettler von der niederſten bis zur vor-
nehmen Klaſſe, vom Kindes- bis zum Greiſenalter, die aus dem Betteln ein Ge-
werbe machen. Die Aufſicht, Verhaftung, Landesverweiſung als Ausländer,
Transportirung, Beſtrafung u. dgl. nützen nur, wenn das Land zugleich gute
Armenanſtalten hat (ſ. unten Drittes Stück). d) Räuberbanden und ähnliche
Verbindungen. Gegen dieſe verſchiedenen Arten von gefährlichen Menſchen helfen
die Aufſpürungen ihrer Schlupfwinkel, Streifzüge, Entdeckung ihrer Verbindungen
mit Anſäßigen, Bewachung der Straßen, Nachtwächter, Tagwächter im Sommer
auf dem Lande, Straßenbeleuchtung, Nachtzettel, Aufſicht auf Diebswirthe u. dgl.,
Lichtung der Wälder und Gebüſche, Zurückhalten der Waldungen von beſuchten
Straßen. S. v. Berg Handbuch. I. 257. 424. II. 183. III. 46. 437. IV. 650.
v. d. Heyde Repertor. IV. 20. 81. Döllinger Repertor. VI. 75. 165 246.
²⁾ Zuſammenläufe bei Volks- und Staatsfeſten, wegen Polizeimaaßregeln;
Aufſicht auf Plätzen, wo große Waarenmaſſen öffentlich angehäuft werden, z. B.
Lagerhäuſer, Ladungs- und Landungsplätzen, Poſt- und Packhöfe. Ein Hauptver-
hütungsmittel iſt die Aufſicht auf die Allerhandskrämer, Antiquare, Juweliere,
Gold- und Silberarbeiter, Mäkler und Leihhäuſer, damit ſie Bücher führen und
nichts Geſtohlenes ohne Anzeige ankaufen, und auf die Hehler vom Handwerk.
S. Colquhoun Polizei von London. I. 53. 60. 197. v. Berg Handb. I. 379.
§. 452.
Fortſetzung. b) Insbeſondere nach den Arten der Diebſtähle.
Was aber die Maaßregeln gegen die beſondern Arten des
Diebſtahls anbelangt, ſo kann man ſie, wenn der Kürze halber
ein logiſcher Fehler verziehen werden dürfte, unter folgenden
Nummern betrachten. 1) Gegen Hausdiebſtähle ſichert die
Verpflichtung der Hausherrn und Familienvorſteher, niemals unle-
gitimirtes und mit ſchlechten Zeugniſſen verſehenes Geſinde anzu-
nehmen, in Ertheilung von Zeugniſſen bei deſſen Entlaſſung ſtreng
und gewiſſenhaft zu ſein; ferner die Anempfehlung der Schließung
der Häuſer, Magazine, Keller u. ſ. w. während der Nacht und
[640/0662]
bei Tag; Ordnungen für Geſindemäkler1); Beaufſichtigung der
Handwerksmeiſter und Geſellen, welche in die Häuſer und geheimen
Gemächer Eintritt haben müſſen, und namentlich polizeiliche Auf-
ſicht auf die Schloſſer, Schlüſſelentwendungen und Schlüſſelver-
käufe. 2) Gegen Felddiebſtähle ſichert man durch eine hinrei-
chende Anzahl tüchtiger Feldſchützen, und genaue Feldordnungen,
welche Beſtimmungen enthalten müſſen: über das Verrücken von
Gränzen, über das Begehen und Befahren der Felder und Gärten
nach und vor ſeiner beſtimmten Tagesſtunde gerade vor und zur
Leſe- und Erntezeit, über die Hamſter- und Maulwurffänger,
über die Aufſicht auf die Hirten, über das Aehrenleſen u. dgl.2).
3) Gegen Walddiebſtähle ergreift man ungefähr dieſelben Maaß-
regeln, und überläßt die Wache dem Forſtperſonale. Die Polizei
hat aber das Vorurtheil von der Nichtunſittlichkeit und Nicht-
ungerechtigkeit der Forſt- und Wilddiebereien zu bekämpfen, das
Begehen fremder Reviere mit Hieb-, Fang- und Schießinſtru-
menten zu verbieten, die nicht conceſſionirten Holz- und Wildpret-
händler zum Beweiſe des rechtmäßigen Erwerbs anzuhalten, ähn-
liche Legitimationen von den Holzſchnitzlern, Beſenbindern u. dgl.
zu verlangen, und mit Nachbarſtaaten über Gegenſeitigkeit der
betreffenden Geſetze Verträge zu bewirken3). 4) Gegen Poſt- und
Frachtdiebſtähle hat man folgende Mittel: Aufſicht auf Poſt-
güter und Paſſagiere, Errichtung von Paſſagierſtuben mit Wäch-
tern, Warnung der Reiſenden, Abhaltung unſicherer Leute beim
Ab-, Auf- und Umpacken, ſtrenge Ordnung im Beſteigen und
Ausſteigen aus den Poſtwagen, berittene Begleitung der Packwagen,
Abweiſung nicht gehörig verwahrter, addreſſirter und declarirter
Frachtſtücke, Ertheilung von Empfangs- und Cautionsſcheinen,
ſtationsweiſes Unterſuchen, Abwägen, Zählen und Vergleichen der
Packete mit den Packliſten und Declarationen, Eintragen der Packete
in die Poſt- und Frachtbücher, und in die Bücher der Austräger
zum Behufe der Beſcheinigung der Ueberlieferung, Nummeriren
und Stempeln der Päcke4). 5) Gegen Thierdiebſtähle ſichert
man durch die Verordnung, daß über jeden Thierkauf oder -Ver-
kauf ein beſonderer ſchriftlicher Kaufcontrakt von einer obrigkeit-
lichen dazu beſtellten Perſon (Gemeindeſchreiber, Polizeiämter)
ausgefertigt und beiderſeits unterſchrieben werde, daß jeder Kauf
ohne ein ſolches Inſtrument ungiltig ſei, daß die Verfälſcher be-
ſtraft werden, daß jeder Verkäufer den rechtmäßigen Beſitz des
Thieres nachweiſe, und daß man bei Ein- und Ausfuhr von Thie-
ren und auf Thiermärkten dieſelben Maaßregeln beſonders ſtreng
handhabe5). Solche Verträge ſind zugleich wegen Seuchen und
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Zolldefraudationen wichtig. 6) Gegen Funddiebſtähle dient die
Verordnung, daß derjenige, welcher einen gemachten Fund nicht
in einer gewiſſen Anzahl von Tagen bei der Polizei anzeigt, als
Dieb oder Diebshehler betrachtet wird. 7) Gegen Seeräuberei,
welche übrigens für Deutſchland weniger gefährlich, als für andere
Staaten iſt, müſſen Seeexpeditionen, diplomatiſche Verhandlungen
und die oben (§. 359.) angegebenen Mittel ergriffen werden6).
¹⁾ v. d. Heyde Repertor. II. 502. III. 577. Döllinger Repertor. V. 91.
Bair. Reg. Bl. v. J. 1812. p. 1952.
²⁾ v. Berg Handb. III. 255. v. d. Heyde Repertor. III. 314.
³⁾ Z. B. Preuß. Geſetzſamml. J. 1822. Nro. 2.
⁴⁾ Döllinger Repertor. II. 130.
⁵⁾ v. d. Heyde Repertor. I. 220. III 689. IV. 88.
⁶⁾ Beſonders ſ. m. Colquhoun Polizei von London. II. 37.
§. 453.
Fortſetzung. Nach den Arten des Betrugs.
Der Betrug iſt öfters noch ſchwerer zu verhüten und zu ent-
decken als der Diebſtahl. Indeß kann die Polizei, wenn die Bür-
ger und andere Einwohner nicht ſelbſt auf der Hut ſind, hierin
nur wenig wirken. 1) Gegen Betrug in der Haus- und Ge-
werbswirthſchaft können die im vorigen §. unter 1. angegebenen
Maaßregeln dienen. Aber 2) gegen Betrug im Handel ſteht es
in der Macht der Polizei, durchgreifende Maaßregeln zu verordnen.
Um im Waarenhandel Betrug zu verhüten, ſo erſtreckt ſich die
Aufſicht auf die Qualität und auf die Quantität der Waaren.
Während in erſter Beziehung je nach der Schwierigkeit der Erken-
nung auf Märkten und Meſſen u. dgl. geſchärfte Aufſicht geübt
werden muß und ſonſt am meiſten durch Androhung von Strafen
zu wirken iſt, weil die Polizei nicht überall zugegen ſein darf und
kann; ſo hat ſie in der zweiten Hinſicht für gute und unverfälſchte
Maaße und Gewichte zu ſorgen, regelmäßig eine Meſſung und
Abwägung derjenigen öffentlich verkäuflichen Waaren vornehmen,
welche im Handel in gewiſſem Maaße und Gewichte verkauft wer-
den1), und beeidigte Meſſer und Wäger aufzuſtellen. Gegen den
Betrug im Effectenhandel ſichert hauptſächlich die Aufſicht auf
Börſen und die Behutſamkeit, den Privat-, Gemeinde- und
Staatsobligationen, den Actien, Wechſeln, Anweiſungen, Billets
und dem Papiergelde eine möglichſt unnachahmliche Form zu geben,
ſie mit Nummern, Stempeln u. dgl. Kennzeichen zu verſehen und
Baumſtark Encyclopädie. 41
[642/0664]
allen Handeltreibenden die größte Aufmerkſamkeit hierauf anzu-
empfehlen. Gegen Betrug im Geldhandel mit ſchlechten Münzen
iſt ein vorzügliches Münzweſen, ſo daß die Münzen nicht mit Vor-
theil, ohne erkannt zu werden, nachgemacht, verfälſcht und be-
ſchnitten werden können, das allerſicherſte Mittel. Gegen Einlaufen
ſchlechter Münzen muß ſich der Empfänger ſelbſt ſicher halten.
3) Der Betrug in Gewerken kann unendlich manchfaltig ſein.
In Gewerken, welche ein vom Eigenthümer geliefertes Material
verarbeiten, wie z. B. in Mühlen jeder Art, Bleichanſtalten,
Webereien, Färbereien, bei Kleidermachern, Waſchanſtalten u. dgl.
iſt der Betrug weit ſtrafbarer, als in ſolchen, welche für ſich ar-
beiten und Producte verkaufen, wie z. B. bei Gold- und Silber-
arbeitern, Uhrenmachern u. dgl. Je nach der Wichtigkeit des
Gewerbes und der Schwierigkeit der Entdeckung des Betrugs kann
die Polizei für ſolche Gewerke eigene Verordnungen erlaſſen2).
¹⁾ Z. B. Brod, Backſteine u. dgl. m. Die Maaße und Gewichte ſollen nur
in öffentlich beſtellten Fabriken unter Polizeiaufſicht verfertigt werden; die Händler
damit ſind von Zeit zu Zeit Viſitationen zu unterwerfen; man unterſucht die
Maaße und Gewichte auf Märkten und Meſſen, und verbietet den Gebrauch unge-
ſtempelter Maaße und Gewichte; der Stempel muß ſchwer nachzuahmen ſein; jede
Ortspolizei muß Normalmaaße und -Gewichte haben v. d. Heyde Repertor. I.
190. III. 574. IV. 91. Döllinger Repertor. II. 105. VI 45. Dumont Manuel
des Maires. II. 178. Bergius P. u. C. Magazin. Art. Maaß.
²⁾ Z. B. Mühlenordnungen beſtehen in den meiſten Staaten. v. Berg Handb.
III. 462. Döllinger Repertor. VI. 56. Bair. Geſetzſamml. v. 1784. S. 863.
Bair. Reg. Bl. v. J. 1808. S. 2420. Preuß. LandR. Thl. II. L. 15. §. 245.
322. 15. Preuß. Geſetzſamml. von 1819. Nro. 22. S. 250. Großh. Bad. Müh-
lenordnung v. 18. März 1822. Bergius Magazin. Art. Mühlenweſen. Eine
ältere Einrichtung, die hierher gehört, ſind die Schauanſtalten zur Unterſuchung
und Stempelung der zu verkaufenden Waaren, und auch das Gebot einer beſtimm-
ten Productionsweiſe und Beſchaffenheit der Waaren. Dieſe Eingriffe in die bürger-
lichen Rechte können, da ſie auch noch dazu ganz unnöthig ſind, nicht mehr geduldet
werden. Rau II. §. 217. Mohl II. 234. Murhard Pol. des Handels. S. 213.
v. Jacob Pol. Geſetzg II. 523. Kraus Staatswirthſch. V. 204.
§. 454.
6) Gegen Beſchädigung des Eigenthums durch Menſchen.
Dieſe geſchehen theils in böslicher Abſicht, theils aus Muth-
wille. Geſchärfte Aufſicht, Androhung von Strafen und Anem-
pfehlung der Verwahrung, wo ſie möglich iſt, ſind die Mittel
dagegen. Man muß die Orts-, Feld- und Waldfrevel, die
nicht in den Begriff von Diebſtahl gehören, hierher zählen. Solche
Verletzungen des allgemeinen Zutrauens verdienen die größten
Polizeiſtrafen und müſſen nach Umſtänden criminell behandelt
werden.
[643/0665]
Zweiter Abſatz.
Entſchädigungsmittel.
§. 455.
1) Im Allgemeinen.
In früheren Zeiten iſt es üblich geweſen, die Schäden der
genannten Arten durch Collecten, Unterſtützung aus den Staats-
kaſſen, durch die Gnade des Landesherrn, durch Errichtung von
Lotterien und durch Ertheilung von Collectirbriefen (woher der
Name Brandbrief) zu decken. Aus ſo edelmüthigen Gründen
ſolche Unterſtützungen, wie ſie auch jetzt noch dargeboten werden,
auch immer fließen mögen, ſo ſind ſie doch in den wenigſten Fällen
zureichend und bieten keine hinreichende allgemeine Sicherheit dar,
während insbeſondere mit der Collectirerlaubniß mehr oder weniger
Unfug getrieben werden kann1). Es iſt daher ein ſchöner Zug des
neuern Volksgeiſtes, daß man ſich zu Anſtalten zu vereinigen ſucht,
welche die Verſicherung gegen ſolche Schäden vermöge Vertrags
beſtimmt möglich machen und es iſt Eine der erfolgreichſten Staats-
maximen, ſolche Aſſecuranz- oder Verſicherungsanſtalten
oder -Geſellſchaften nicht blos zu begünſtigen, ſondern auch
unmittelbar unter ſeinen Schutz zu nehmen. Es iſt zwar nicht zu
läugnen, daß ſolche Anſtalten die Zahl der Unglücksfälle, inſoweit
dieſe von Sorgloſigkeit und böslicher Abſicht der Menſchen, die
verſichert ſind, abhängen, vermehren können; allein ſie behalten
trotz eines ſolchen ſchmählichen Mißbrauchs ihren volkswirthſchaft-
lichen Werth, nicht, weil ſie den für das Volksvermögen verlorenen
Werth erſetzen ſollen, denn dies iſt nicht möglich, ſondern weil ſie
den außerordentlichen Schaden Einzelner auf Viele repartiren und
deſſen Tragung erleichtern. Entweder vereinigen ſich zum Behufe
gegenſeitiger Entſchädigung aus gemeinſamer Kaſſe die Intereſ-
ſenten eines Landes, einer Gegend oder einer Gemeinde und be-
zahlen verhältnißmäßige Beiträge; oder es tritt eine Geſellſchaft
von Perſonen zuſammen, um Andern eine Entſchädigung dieſer Art
gegen eine vorausbezahlte Summe (Prämie) zuzuſichern, ſo daß
Verſicherer und Verſicherte ganz verſchiedene Perſonen bilden; oder
endlich es vereinigen ſich Leute in eine Geſellſchaft dieſer Art eines
Theils, um ſich eintretende Schäden zu erſetzen und den periodiſch
ſich ergebenden Gewinn wieder unter einander zu theilen. Dieſe
letzteren Vereinigungen ſind aber im Ganzen von den erſteren nicht
verſchieden, außer in der Annahme, daß ſie den Kaſſenreſt als
Gewinn austheilen, während ihn jene in der Kaſſe behalten, was
41 *
[644/0666]
aber nur ein ſcheinbarer Unterſchied iſt, da im Falle des Gewinnes
jeder Theilnehmer an ſeinem jährlichen Beitrage um ſo weniger
bezahlt, wie bei jenen die jährlichen Beiträge nach dem Stande
des Kaſſenvorrathes geringer ausfallen können, wenn man nicht
auf dieſem Wege allmälig ein größeres Geſellſchaftscapital ſammeln
will, um es zinſend anzulegen. Bei der erſten Art werden die
Beiträge entweder jährlich bezahlt oder nur im Falle eines beſon-
deren Schadens2); bei der zweiten Art kann die Entſchädigung
auch entweder auf dieſe letzte Weiſe umgetheilt werden oder es
wird ein Sicherungscapital ein für allemal durch Actien gebildet
und dazu die jährliche Summe der Prämien geſchlagen. Der Be-
ſtand ſolcher Vereinigungen, namentlich der Actiengeſellſchaften,
beruhet auf der Wahrſcheinlichkeitsberechnung, daß unter einer
gewiſſen Anzahl von Dingen von beſtimmtem Geſammtgeldwerthe
in einer gewiſſen Zeit eine Menge theilweiſe oder ganz durch einen
Unglücksfall zerſtört werden kann. Denn vom Verhältniſſe der zu
zahlenden Entſchädigungen zu den jährlichen Einnahmen nach Abzug
der Verwaltungskoſten hängt Gewinn und Verluſt ab. Der Ver-
ſicherte bekommt eine Urkunde (Police), worin die Gegenſtände
der Aſſecuranz, ihr Werth, die Prämie, die Zeit der Verſicherungs-
nahme, die Bedingungen derſelben, der Name des Verſicherten
und die Unterſchrift der Verſicherer oder ihrer Firma angegeben
ſind. Die Geſchäfte werden von einem Directorium und Ausſchuſſe
geführt, welcher jährlich Rechnung abzulegen hat. Im Auslande
haben ſie Agenten. Die Statuten dieſer Verſicherungsanſtalten
enthalten Beſtimmungen über das Verfahren bei der Taxation der
zu verſichernden Objecte3), über die zur urſprünglichen Taxation
gehörigen oder von derſelben ausgeſchloſſenen ſpäteren Veränderun-
gen der Objecte, über Größe und Zahlungszeit der Prämie4),
über die Verbindlichkeit des Verſicherten zu Rettungsverſuchen,
über die Fälle des Verluſtes der Anſprüche auf Entſchädigung,
über das Verfahren nach geſchehenem Unglücke bei der Schätzung
des Schadens durch beeidigte Sachverſtändige, Ortsvorgeſetzte und
Agenten, über die Annahme der beſchädigten oder unbeſchädigt
geretteten Verſicherungsobjecte, über die Bezahlung des Erſatzes,
und über das Außerkrafttreten der Police.
¹⁾ Döllinger Repertor. V. 38. v. d. Heyde Repertor. II. 192. 285. 375.
Krünitz Oeconom. Encyclop. XIII 160.
²⁾ v. Berg Handb. III. 69. 73. Döllinger Repert. II. 19. Bair. Reg.
Bl. 1811. S. 129. Frank, landw. Polizei. II. 313. Wenn dergleichen Kaſſen
vom Staate errichtet werden, ſo kann man nur zum Eintritte zwingen, wenn, die
Nothwendigkeit vorausgeſetzt, ohne Theilnahme Aller die Vortheile nicht zu errei-
chen ſind.
[645/0667]
³⁾ Aus dem Geſichtspunkte des Vertrags, worin kein Theil überliſtet werden
ſoll, folgt, daß die Verſicherung weder eines höheren noch niederern als wirklichen
Werthes der Objecte geſtattet ſein darf. Es könnten daraus die ſchädlichſten
Folgen für die Geſellſchaft, für den Einzelnen und die allgemeine Sicherheit hervor-
gehen. In dem zu geringen Steuercapitalanſchlage der Häuſer liegt z. B. auch ein
Hauptgrund der geringen Wirkung der Staats-Brandkaſſen in den meiſten Ländern.
⁴⁾ Die Größe derſelben richtet ſich nach dem Werthe des Objects und nach der
Wahrſcheinlichkeit der Gefahr. Daher verändert ſich Vertrag und Prämie, wenn
der Gegenſtand in beiden Rückſichten Veränderungen erleidet.
§. 456.
2) Verſchiedene Arten der Aſſecuranz.
Die einzelnen Arten von Aſſecuranzen tragen mehr oder we-
niger das Gepräge der im vorigen §. angegebenen Grundzüge.
a) Die Wetter- und Hagelaſſecuranzen, ſo wünſchenswerth
ſie auch ſind, konnten bisher nicht allenthalben feſten Boden finden,
um Wurzeln zu ſchlagen. Der Hagelſchlag hängt nicht vom Men-
ſchen ab, und iſt darum nicht überall gleich häufig und heftig,
alſo wird eine ſolche Aſſecuranz nur zu geringe Ausdehnung erlangen
können, als daß ſie leicht beſtehen könnte, ſei ſie eine gegenſeitige,
wie gewöhnlich, oder eine Actienverſicherung1). Es wird der
muthmaßliche Ertrag des Feldes nach einer beſtimmten Pflanzung
jährlich in Geld geſchätzt; die Prämie richtet ſich nach Lage des
Feldes und Reifungszeit der Pflanzung. b) Die Brandaſſe-
curanzen können am beſten beſtehen, denn der Feuerſchaden iſt
ein allgemein gleich möglicher, da er außer vom Blitze von noch
vielen geſellſchaftlichen Urſachen herrühren kann. Sie finden daher
am meiſten Theilnahme2). Sie ſind entweder Häuſer- oder
Mobiliaraſſecuranzen oder (ſeltener) Beides zugleich, zum
Theile Staatsanſtalten, zum Theile Privatunternehmungen, und
im erſten Falle bald mit erzwungenem bald freiem Eintritte. Die
Staaten könnten ſich nun allmälig mit Vortheil ſolcher Kaſſenver-
waltungen entſchlagen und mehr auf Stiftung einheimiſcher Feuer-
verſicherungsgeſellſchaften hinwirken. Die Grundzüge der Feuer-
aſſecuranzen ſtimmen mit obigen allgemeinen überein. c) Waſſer-
aſſecuranzen in ähnlichem Sinne gibt es nicht, aber Seeaſſe-
curanzen (ſ. §. 358.). d) Aſſecuranzen gegen Viehſterben ge-
hören zu den wohlthätigſten Anſtalten, deren ſich ein Land zu
erfreuen haben kann; denn ein einziges Unglück dieſer Art kann
einen Landmann wirthſchaftlich zu Grunde richten, während eine
ganz geringe jährliche Verſicherungsprämie, die er ſehr leicht ent-
richten kann, ihm Schadenserſatz zuſichert. Solche Aſſecuranzen
haben das Gute, daß ſie ſchon von Gemeinden errichtet werden
können. Es kommen die verſchiedenen Thiergattungen in verſchie-
[646/0668]
dene Klaſſen. Jeder Verſicherte läßt ſeinen ganzen Viehſtand auf-
nehmen. Im Uebrigen ſtimmen auch ihre Statuten mit den allge-
meinen im vorigen §. überein3). e) Um Aſſecuranzen gegen Raub,
Diebſtahl und Betrug nothwendig zu finden, muß die allgemeine
Sicherheit tief genug geſunken ſein, und doch erzählen Reiſende
von Spanien, daß die Räuberbanden ihre Agenten haben, mit
denen man Verſicherungsverträge gegen Prämien auf Geleite in
den Gebirgen und Wäldern abſchließt, ſo wie von London, daß es
daſelbſt Geſellſchaften gibt, welche Einem das Entwendete gegen
Entrichtung einer Prämie wieder verſchaffen.
¹⁾ Rau polit. Oeconom. II. §. 105. Mohl Polizeiwiſſ. II. 97. Frank
Landw. Polizei. I. 255. Bergius Magazin. Art. Aſſecuranz. v. Berg Handb.
III. 299. Deſſen ſtaatswiſſ. Verſuche. I. 59. Hellmuth, Ueber Zweck und
Nothwend. der Hagelſchlags-Verſich.-Geſellſch. Braunſch. 1823. Grundlage einer
Hagelſchlagsverſicherung. Reutlingen 1824. Bernoulli Schweitz. Archiv. I. 36.
²⁾ Die Pariſer Feueraſſecuranzen haben zuſammen einen Geſammtwerth von
Verſicherungen am 31. Dec. 1832 = 10,170,838,277 frs., blos während 1832
ſtieg derſelbe um 661,250,567 frs., die auf Prämien aſſecurirten Werthe ertrugen
9,015,248 frs. 60 Cent. Prämien, die Entſchädigung darauf war 6,430,976 frs.
59 Cent. (Moniteur 1834. Nro 181.) S. Rau politiſche Oeconomie. II. §. 24.
Mohl Polizeiwiſſ. II. 90. ſ. auch N. 2 des vorigen §. Lotz Handbuch. II. 174.
Gang, Ueber Verſicherungsanſtalten wider Feuerſchaden. Salzb. 1792. Günther,
Entwurf zu einer revid. Ordnung der Hamburger Generalfeuercaſſe. Hamburg 1802.
Dorninger, Ueber F. Verſich. Anſtalten. Wien 1822. Bernoulli, Beleuchtung
der Einwürfe gegen Brandaſſecuranzen. Baſel 1827. Derſelbe Ueber die Vorzüge
der gegenſeit. Br. Aſſecuranzen. Baſel 1827. Bleibtreu Handelswiſſ. S. 228.
³⁾ Rau polit. Oeconom. II. §. 109. Mohl Polizeiw. II. 100. v. Berg
Handb. III. 332. Bergius Magazin. Art. Aſſecuranz. Frank landw. Poli-
zei. III. 82. Ryß, Ueber Viehaſſecuranz-Anſtalten. Würzburg 1831. Stecher,
Geſchichte der Entſtehung der Hofheimer Viehgewährungsgeſellſch. Würzburg 1823.
Benſen, Materialien zur Polizei-, Cameral- und Finanzpraxis (Erlangen 1800
bis 1803. III.). I. 259. 416.
Zweites Stück.
Leitung der Verzehrung des Volkseinkommens.
Erſter Abſatz.
Einwirkung auf die Bevölkerung.
§. 457.
Ein ſehr wichtiger Gegenſtand des volkswirthſchaftlichen Be-
triebes iſt die Größe der Bevölkerung. Man glaubte früher,
von Seiten des Staats je nach dem vermeintlichen Erforderniſſe
hierin hemmend oder erhöhend einſchreiten zu müſſen. Allein man
weiß jetzt, daß ſich dieſelbe nach natürlichen Gründen regulirt,
und daß das beſte Beförderungsmittel die Erhöhung der Production
iſt (§. 427.). Indeſſen iſt es in friſch ſich entwickelnden Ländern
[647/0669]
wichtig, die Bevölkerung durch Beförderung des Einwanderns
zu gründen; allein ſelten wird ſich ſo eine kernhafte Bevölkerung
bilden laſſen, da nicht die Guten und Beſſeren des Auslandes ihr
Vaterland gewöhnlich verlaſſen und die Aclimatiſirung und Gewöh-
nung an fremde Sitten ſchwer iſt1). Daß man aber ehedem das
Auswandern verhütete, das hängt mit den Leibeigenſchaftsver-
hältniſſen zuſammen und verträgt ſich mit den Grundſätzen freier
Staaten nicht2). Allein zur Sicherheit dient das Verlangen einer
Caution aus dem Vermögen der Auswanderer für den Fall der
Rückkehr auf ſo lange, bis die Anſiedelung als hinlänglich begrün-
det und eine Zurückkunft nicht mehr als wahrſcheinlich erſcheint;
das Verbot und die Beſtrafung des Werbens, wegen des möglichen
Betrugs; Belehrung über den Zuſtand der Ausgewanderten, um
gegen irrige Vorſtellungen zu ſichern. Da aber das Auswandern,
wenn es bedeutend iſt, nicht ohne reelle Gründe Statt zu finden
pflegt, ſo arbeitet man am beſten den Urſachen deſſelben entgegen3).
¹⁾ Mittel: Ertheilung von Grundeigenthum, Steuerfreiheit, Capitalvorſchüſſe u. ſ. w.
²⁾ In England war ſogar das Auswandern von Gewerksarbeitern verboten bis
a. 1824. S. Babbage Maſchinenweſen. §. 398. Es muß ſogar im Intereſſe der
Regirungen ſein, den Conſuln in den fremden Einwanderungsländern Inſtructionen
über die Behandlung der Auswanderer zu geben.
³⁾ Die Erleichterung des Heirathens als Bevölkerungsmittel iſt nicht
leicht im gehörigen Maaße und Ziele zu halten, es geſchieht bald zu viel, ſo daß
das leichtſinnige Heirathen und in deſſen Gefolge Armuth und Belaſtung der Ge-
meindekaſſen u. dgl. erleichtert wird, — bald zu wenig, ſo daß arbeitſame tüchtige
Leute aus Mangel am erforderlichen Vermögen daran verhindert werden. Es ver-
dienen daher Kaſſen und Stiftungen für Ausſteuerung braver Mädchen
u. dgl. alle Ermunterung. S. Bergius Polizei- und Cameralmagazin. Art.
Brautcaſſe. v. Berg, Handb. des Polizeirechts. II. 32.
Zweiter Abſatz.
Einwirkung auf die Verwendung ſelbſt.
§. 458.
1) Verſchwendungs- und Luxusgeſetze.
Der Genuß iſt der Zweck der Wirthſchaft. Es gibt aber auch
einen unvernünftigen und ſittenloſen Genuß des Vermögens und
Einkommens. Gerade wegen dieſes Gegenſatzes iſt es nun für
eine Regirung äußerſt ſchwer, in der Ergreifung von Maaßregeln
gegen unproductive Verzehrung das richtige Maaß zu treffen. Man-
gel an Aufmerkſamkeit würde zwar den geſunden Sinn der Mehr-
heit des Volkes nicht verderben, aber doch manche Einzelnen und
Familien ins wirthſchaftliche, von da in das ſittliche Verderben
führen, dem Staate oder den Gemeinden zur Unterhaltung über-
[648/0670]
weiſen und die allgemeine und öffentliche Sicherheit gefährden.
Der Geitzige iſt in der geſunden öffentlichen Meinung gebrand-
markt, wie der Verſchwender. Allein man hat früher geglaubt:
a) durch Luxusgeſetze den Genuß reguliren zu müſſen. Indeſſen
erſcheinen die Gebote über die Gegenſtände der Verwendung als
Eingriffe in das Privatleben, die der Staat nicht durchzuführen
vermag und ein Volk auf alle nur möglichen Weiſen umgehen kann,
abgeſehen davon, daß ſie ungerecht ſind1). Man verſprach ſich
aber in dieſer Hinſicht b) von den Luxus- oder überhaupt Ge-
nußſteuern eine beſondere zugleich für die Staatskaſſe wohlthätige
Wirkung. In erſter Beziehung ſind ſie, namentlich weil ſie, wie
die Luxusgeſetze, nur einzelne Genüſſe treffen, auch verwerflich;
einen erheblichen Vortheil vermögen ſie höchſtens für Gemeinde-
kaſſen, und nur dann für die Staatskaſſe hervorzubringen, wenn
ſie klein genug ſind, um den Luxus nicht zu beſchränken, und
deßhalb über die Erhebungskoſten einen Ueberſchuß geben2). Gegen
übermäßigen Luxus kann nur gewirkt werden c) durch die Volks-
erziehung, durch gutes Beiſpiel von oben, durch Ermunterung
und Gelegenheit zum Sparen, oder Sparkaſſen. Um aber der
ſitten- und ſinnloſen leidenſchaftlichen Verſchwendung zu begegnen,
dazu dienen: d) die Nüchternheits- und Mäßigkeitsvereine,
wie ſolche neuerlich in Großbrittannien und Nordamerika beſtehen3);
e) das Verbot der Glücks- oder Hazardſpiele um Geld, die
polizeiliche Aufſicht auf Ausſpielung anderer Gegenſtände, und die
Aufhebung der in jeder Hinſicht verwerflichen Staatslotterien;
f) die Beſchränkung im Ertheilen von Conceſſionen zu Wirths-
häuſern, Wein-, Bier- und Brandweinſchenken im Verhältniſſe
zur Bevölkerung der Orte; g) die Beſchränkung der ſogenannten
Luſtbarkeiten, ohne die gebührende Gelegenheit zur Erluſtigung zu
verhindern und die Volksthümlichkeit ſchulpedantiſch und neidiſch
zu unterdrücken.
¹⁾ Spittler, Vorleſ. über Politik. S. 430. Rau polit. Oeconom. II. §. 357.
Mohl Polizeiwiſſ. II. 431. v. Jacob Polizeigeſetzgebung. II. §. 59. Genovesi
Lezioni. I. 222. 258. 260. v. Berg Handb. II. 223. Witte, Ueber d. Schick-
lichkeit der Aufwandsgeſetze. Leipzig 1732. say Cours. V. 94. Ueberſ. V. 74.
Pinto Essay sur le Luxe. Amsterdam 1762 (dagegen). Dumont Théorie du Luxe.
Paris 1771 (dafür). Ploucquet, Verſuch über den Luxus. Aus dem Franzöſ.
Leipzig 1789. Gründler, die Unſchädlichkeit des Luxus. Berlin 1789. Rau,
über den Luxus. Erlangen 1817. Penning de luxu et legibus sumtuariis. Lugd.
Bat. 1826. Des Essarts Dict. de Police. VI. 86. Bergius Magazin. Art. Pracht.
²⁾ Dorn, Bemerk. über Luxus und Luxus-Auflagen. Nürnb. 1797. S unten
in der Finanzwiſſenſchaft.
³⁾ Ueber dieſe äußerſt nützlichen Geſellſchaften ſ. m. die herrliche Schrift:
v. Beaumont und v. Tocqueville America's Beſſerungsſyſtem. Aus d. Franz.
überſ. von Julius. Berlin 1833. S. 266. 432. und die dort angegebenen Schrif-
[649/0671]
³⁾ ten. Jeder Eintretende verpflichtet ſich ſchriftlich zur Enthaltſamkeit von jedem
branntweinartigen Getränke. Im J. 1831 beſtanden in Nordamerica 2597 bekannt
gemachte Vereine dieſer Art und zählten 1,200,000 Mitglieder; es ſollen aber deren
gewiß 3000 ſein. Der erſte Verein dieſer Art entſtand a. 1813 in Boſton. Zufolge
dieſer Vereine ſollen in Nordamerica a. 1831 ſchon 1000 Brennereien und 3000
Schenken geſchloſſen worden ſein. Daß ſie aber in ſolchen Ländern nothwendig ſind,
erſieht man aus der ſtatiſt. Angabe, daß der Branntweinverbrauch jedes Einwohners
im Durchſchnitte war:
In England a. 1825–1827 = 2 Berl. Quart = etwa 1 Maaß 5[FORMEL] Bech. n. Bad.
Im vereinigt. Königreiche a. 1829 = 5 — — = — 3 — 8[FORMEL] — — —
In Irland 1826–1829 = 6 — — = — 4 — 6⅒ — — —
In Van Diemens Land = 11 — — = — 8 — 4[FORMEL] — — —
In den vereinigten Staaten
von N. A. 1829 = 24 — — = — 18 — 4[FORMEL] — — —
In Neu-Süd-Walis = 27 — — = — 20 — 7[FORMEL] — — —
§. 459.
2) Theuerungsmaaßregeln.
Unter Theurung verſteht man denjenigen volkswirthſchaft-
lichen Zuſtand, worin die Preiſe der Lebensmittel zufolge eines
Mangels an Angebot und zufolge verſchiedener Geldverhältniſſe in
einem Lande oder Landestheile ſo geſtiegen ſind, daß bei dem
größten Theile der Bevölkerung entweder trotz der Geldvorräthe
oder aus Geldmangel Entbehrungen entſtehen, welche bis zur
ſchrecklichſten Noth (Hungers- und Holznoth) ſteigen können1).
Die Regirung hat in ſolchen Fällen die Pflicht, alle von ſelbſt im
Volke eingeſchlagenen rechtlichen Wege zur Abhilfe, z. B. Unter-
ſtützungsvereine, Collecten u. dgl. zu befördern, und ſelbſt ihrer-
ſeits für Entfernung der Noth zu ſorgen, da ſelten hierin die
vereinzelte Thätigkeit der Einwohner das allgemein Erſprießliche
zu erreichen vermag. Die Polizei hat für ſolche Ereigniſſe nur
zwei Mittel. Sie ſind a) Vorbeugungsmittel. Dieſe richten
ſich nach den Urſachen, aus denen die Theuerung entſtehen kann.
Als Gründe der Theuerung ſind folgende zu betrachten: Unfrucht-
barkeit des Landes, Mißwachs, Vernichtung der Producte durch
Naturgewalten, außerordentliche Conſumtion, wie z. B. in Kriegs-
zeiten, Zeiten allgemeiner Kriegsſpannung und Rüſtung, Störungen
der öffentlichen Sicherheit, z. B. Revolutionen, Aufſtände, in
ihrem Gefolge Sengen und Brennen, ſchlechter landwirthſchaft-
licher Betrieb, Unfreiheit des niedern Volks, unzweckmäßige land-
und forſtwirthſchaftliche Geſetzgebung, natürlicher Mangel an Com-
munication, an Märkten, Zunahme der Metallgeldmenge (natür-
liche Theurung); ferner Monopolien mit Lebensmitteln, Ein- und
Ausfuhrverbote, Erſchwerungen der Communication im Innern
[650/0672]
durch Binnenzölle u. dgl., bedachtes Zurückhalten und Aufkaufen
von großen Vorräthen durch Speculanten (Kornwucher), Un-
ſicherheit auf den Straßen, Marktzwangsrechte, Münzverſchlech-
terungen, Emiſſion zu vielen Papiergeldes und Sinken deſſelben im
Curſe (künſtliche Theurung). Der Hinblick auf dieſe Manchfal-
tigkeit von Theurungsurſachen zeigt, daß Menſchlichkeit, Gerech-
tigkeit, Sicherheit, ächte Wahrung der volkswirthſchaftlichen
Intereſſen der Nation und Förderung der Freiheit und inneren
Entwickelung des Gewerbsweſens die Vorbeugungsmittel der Re-
girung gegen die Theuerung ſind. Sie wirken zwar ſicher, aber
langſam und ſind nicht geeignet, einer augenblicklichen Theuerung
abzuhelfen2). Hierzu ſind b) Abhilfsmittel nöthig. Sie ſind
meiſtens local und temporell verſchieden. Allein als allgemeine
Mittel ſind anzuempfehlen: genaue ſtatiſtiſche Sammlungen über
den jährlichen Erwachs und ſein Verhältniß zur Bevölkerung,
Ermunterung der Gemeinden zu vorſorglichen geräuſchloſen Auf-
käufen und eigener Betrieb des Staats durch Agenten, Befreiung
des Aus- und Einfuhrhandels mit Lebensmitteln, Aufbewahrung
der eigenen Naturaleinnahmen des Staats. Zwangsmaaßregeln
gegen Privatleute, ſie mögen heißen wie ſie wollen, ſind nur bei
Hungersnoth u. dgl. anwendbar; denn nur bei wahrer Gefährdung
ſeiner Exiſtenz hat der Staat das außerordentliche Recht und die
Pflicht, die Rechte der Einzelnen bei Seite zu ſetzen, jedoch gegen
ſpätere Entſchädigung in beſſern Zeiten. Die Errichtung von
Sperren gegen Ausfuhr verurſacht nur größere Theuerung, weil
auch die Einfuhr dadurch gehemmt wird, inſoferne andere Staaten
Repreſſalien ergreifen.
¹⁾ Die Literatur iſt hierüber außerordentlich groß. Es wird darum hier blos
verwieſen auf Röſſig Theuerungspolizei. Leipzig 1802. II Bde. Heinſe, Geiſt
und Kritik der neueſten Schriften über Theuerung. Zeitz 1806. Weber, Ueber
Theuerung und Th. Polizei. Göttingen 1807. Mohl Polizeiwiſſ. I. 244. Rau
polit. Oeconomie. II. §. 139. Lotz Reviſion. I. 172 folg. Handbuch. II. 300.
say Cours. IV. 346. 426. 445. Ueberſ. von v. Th. IV. 265. 323. 338. v. Ja-
cob Polizeigeſetzgebung. II. 695.
²⁾ Was den Getreidewucher und die Gerüchte über Aufkäuferei in
ſolchen Zeiten anbelangt, ſo darf man in der Regel darüber Volksirrthum ver-
muthen. Der Getreidewucher iſt ungefähr wie der Geldwucher (§. 446.) zu be-
trachten. Weder das Eine noch das Andere vermag im wahren Sinne des Wortes
eine Theuerung zu verurſachen, wenn nicht andere wichtigere Umſtände daran Schuld
ſind, und ſelbſt dann kann, im Falle daß die Aufhäufungen volkswirthſchaftlich be-
deutend wären, wegen der Concurrenz nicht anhaltend Theuerung beſtehen. Wö-
chentliche Getreidemärkte ſind dagegen ſehr wirkſame Mittel. Man hat auch
öffentliche Kornmagazine als Mittel gegen Theuerung empfohlen. Allein
mit Recht wurde gegen ſie ihre Koſtſpieligkeit, die Verluſte an Material bei der
Aufſpeicherung, ihre Unzureichenheit in theuren Jahren und die große Verwaltungs-
mühe eingewendet. Auf der andern Seite aber zeigt auch die Erfahrung, daß in
Fällen der Noth freier Kornhandel nicht Alles leiſtet. Darum müſſen ſolche Maga-
[651/0673]
²⁾
zine in beſondern Fällen und in Ländern, welche oft und leicht dem Mißwachſe aus-
geſetzt ſind, allerdings Billigung verdienen. Rau polit. Oeconomie. II. §. 133.
Mohl Polizeiw. I. 273. Lotz Handb. II. 323. Gioja Nuovo Prospetto. V. 127.
Dritter Abſatz.
Sorge für die Armen.
§. 460.
1) Urſachen und Verhütungsmittel der Armuth.
Weil die Armuth ein Mißverhältniß zwiſchen Einnahmen und
Bedarf iſt, ſo kann ſie auch nur aus Gründen entſtehen, welche
jene unter dieſen erniedrigen oder dieſen über jene erhöhen1).
Der Ausdruck arm wird aber im Leben ſo unbeſtimmt gebraucht,
daß, wenn ſich die Volks- und Staatsſorge auf Alle erſtrecken
wollte, die ſo genannt werden, wohl kaum die Mittel zur Armen-
unterſtützung zuſammenzubringen wären und gerade durch dieſe
Letztere die Sorgloſigkeit und der Müſſiggang ebenſo vermehrt als
die allgemeine Sicherheit gefährdet würde. Man hat daher auch
gegen die Armenverſorgungsanſtalten überhaupt dies ſchon einge-
wendet, allein im Allgemeinen gewiß mit Unrecht, weil man dabei
die Gründe und Grade der Armuth und die hiernach entſprechenden
Anſtalten unterſcheiden muß. Blos Armuth und Mangel (§. 73.)
gibt einen wahren Anſpruch auf Unterſtützung, dieſe aber muß ſich
nach den Gründen der Armuth richten. Die allerbetrübendſten
Urſachen der Verarmung ſind der Müſſiggang, die Laſterhaftigkeit,
die Verſchwendung, wirthſchaftliche Ungeſchicklichkeit, leichtſinnige
Verheirathung und Erzeugung unehelicher Kinder; denn hier rächt
ſich die Schuld am Thäter durch immer zunehmendes Verderbniß
und Elend, und der Fluch geht auf die ſchuldloſen Kinder über.
Weniger erſchütternd für den Menſchenfreund iſt die Armuth, wenn
ſie den Menſchen unverſchuldet aus äußern Urſachen trifft, als da
ſind: Arbeitsloſigkeit zufolge der unendlich vielen Urſachen von
Gewerbsſtockungen, Preis- und Gewerbsveränderungen (Krieg,
Revolutionen, allgemeine Aufregung, Ländereiveränderungen, Ma-
ſchinen, Geldverhältniſſe), Verluſt des Vermögens durch beſondere
oder allgemeine Unglücksfälle, Verluſt von Unterſtützung durch Auf-
hebung von Klöſtern, körperliche und geiſtige Untauglichkeit zur
Arbeit, fehlerhafte Staatsmaaßregeln in der Leitung des Ge-
werbsweſens, erdrückende Abgaben, Gerichtswillkühr, ſchleppender
Gang im gerichtlichen Verfahren, hohe Sporteln, Rückſichtsloſig-
keit gegen die Familien eingeſperrter Verbrecher, Tyrannei u. dgl.
mehr. Die auf der Hand liegenden Mittel zu Verhütung dieſer
[652/0674]
Urſachen der Verarmung ſind ebenfalls zwar die ſicherſten, aber
ihrer Natur, die eine Verbeſſerung der bürgerlichen Geſellſchaft
bezweckt, iſt ein langſames Fortſchreiten eigen. Es gibt aber
außerdem noch Anſtalten, welche hierher zu rechnen und eine ſpe-
ziellere Beziehung zur Armuth haben, nämlich die Leihanſtal-
ten2), Lebensverſicherungsbanken3), Wittwen- und
Waiſenkaſſen4). Ihre Errichtung durch Privatvereinigung
unter Staatsaufſicht, oder, wenn dieſe fehlt, durch den Staat
ſelbſt iſt ſehr wohlthätig. Denn die Erſteren bieten in Nothfällen
Unterſtützung und die Letzteren ſichern nach dem Tode den Hinter-
laſſenen ein Vermögen oder Einkommen zu.
¹⁾ Rau polit. Oeconom. II. §. 324. Mohl Polizeiw. I. 283. v. Jacob
Polizeigeſetzgeb. II 652. Spittler Vorleſ. über Politik. S. 254. Bergius
Magazin. Art. Armenverpflegung. v. Berg Handb. III. 178. Erſch und
Gruber, Allgem. Encyclop. Art. Arme (von Richter) und Arm. Polizei (von
Rau). Craig, Grundſ. der Politik. Aus dem Engl. überſetzt von Hegewiſch.
II. 223. Genovesi Lezioni. I. 303. Vasco Mém. sur les Causes de la Mendi-
cité etc. = Economisti P. mod. XXXIII. 295. Ricci Riforma degl Instituti
pii della città di Modena = Economisti. P. mod. XLI. p. 61. Macfarlan, Un-
terſ. über die Armuth. Aus dem Engl. überſ. von Garve. Leipzig 1785. Gar-
ve's Anhang dazu. Ruggle History of the Poor. Lond. 1793 New Edit. 1797.
(Franzöſ. Straßb. 1803). Eden The state of the Poor. London 1797. III.
Malthus, Ueber die Volksvermehrung. II. 51. Reports of the society for Bet-
tering the Condition of the Poor. Lond. 1793–1814. VI. Colquhoun Treatisa
on Indigency. Lond. 1806. Commons Report of the Poor Laws. London 1817.
Ensor The Poor and their Relief. London 1823. Horton An Inquiry into the
Causes and Remedies of Pauperism Lond. 1830. III series. Wetherell The
present state of Poor-Law question. Lond. 1833. Moneypenny Remarks on the
Poor-Laws. Edinb 1834. = Edinburgh Review 1834. July p. 524. Walsh The
Poor-Laws of Ireland. London 1831. 2d. Edit. Report of Evidence from the
select Committee on the state of Poor in Ireland. London 1834. = Edinb.
Review. 1834. April p. 227. Extracts from the Information receiced by the
Commissioners as to the Administration of the Poor-Laws. Published by Au-
thority. Lond. 1833. Reply to the Commissioners for inquiring into the Poor-
Laws. Lond. 1833. Quarterly Review. T. 43. (1830) p. 255. T. 46. (1832)
p. 105. 351. T. 50. p. 351. de Keverberg Essay sur l'Indigence dans la
Flandre orientale. Gand 1819. Fodéré sur la pauvreté des Nations Par. 1825.
Reſewitz, Ueber Verſorgung der Armen. Kopenhagen 1769. v. Rochow, Verſ.
über A. Anſtalten. Berlin 1789. Wagemann, Magazin für Induſtrie und A.
Pflege. Gött. 1789–1803. VI. Deſſelben Materialien für A. Pfleger. Gött.
1794. Wilke, Ueber Entſtehung ꝛc. des Bettels. Halle 1792. Büſch, Ueber
Armenweſen. Hamburg 1792. Ranfft, Verſuch über A. Pflege. Freiberg 1799.
Noſtiz und Jänkendorf, Ueber A. Verſorgung in Dörfern. Görlitz 1801.
Pilat, Ueber A. u. A. Pflege. Berlin 1804. Weber, Verſ. über d. A. Weſen.
Gött. 1807. Gaum, Anl. z. A. P. Einrichtungen. Heidelb. 1807. Krug, die
Armenaſſecuranz. Berlin 1810. Emmermann, Anl. z. Einricht. und Verwalt.
von A. Anſtalten. Gießen 1814. 2te Aufl. Lawätz, Ueber die Sorge des Staats
für ſeine Armen. Altona 1815. Reche, Evergeſia oder ꝛc. Duisburg 1821.
Nagel, Ueber das Armenweſen. Altona 1830. v. Beaumont und v. Tocque-
ville America's Beſſerungsſyſtem S. 260. 423., wo auch americaniſche Literatur
darüber angegeben iſt. Broderſen, die Armuth, ihr Grund und ihre Heilung.
Altona 1833. Gerſtärker oder die Unentbehrlichkeit einer Landesarmenanſtalt.
Leipzig 1833. v. Lüttwitz, Ueber Verarmung, A. Geſetze und A. Anſtalten.
Breslau 1834. Da dieſe Literaturangabe bei Weitem nicht vollſtändig iſt, ſo ſ. m.
[653/0675]
¹⁾ noch Winckelmann Literatur der öffentl. A. und Krankenpflege. Hannover 1802
und bei Erſch Handb. der Lit. Jurisprudenz u. Politik. Nr. 1089–1117. S. 474.
²⁾ Man unterſcheidet hier die eigentlichen Leih- oder Pfandhäuſer, welche
nur gegen Fauſtpfänder darleihen, und die Rettungskaſſen (Inſtitute oder
Aſſiſtenzkaſſen), welche ohne Pfand auf perſönlichen Kredit, ſelbſt ohne Zinſen, Geld
darleihen. Ueber Erſtere ſehe man: Rau. II. §. 332. Bergius Magazin. Art.
Leihbank. Mohl Polizeiwiſſ. I. 347. v. Soden Nation. Oeconom. II. 438.
v. Berg Handb. I. 379. Marperger Montes Pietatis oder Leih-, Aſſiſtenz- und
Hilfshäuſer. Leipzig 1760. 2te Aufl. von Juſti. Gaum Armen-Polizei-Einrich-
tungen. S. 251. Galiani Lettre et Mémoire sur les Monts-de-Piété = Econo-
misti. P. mod. T. VI. 299. Des Essarts Dict. VII. 1. Ueber Letztere aber Rau
II. §. 334. Mohl I. 345. v. Berg III. 199. Gaum S. 252. Wagemann
Magazin. Thl. III. Heft 2. Bd. IV. Weber A. Polizei. S. 167.
³⁾ Der Eintretende bezahlt ein Eintrittsgeld und eine jährliche Prämie, um
nach ſeinem Tode einer oder mehreren beſtimmten Perſonen oder ihren Rechtsnach-
folgern eine gewiſſe Summe auf einmal zuzuſichern. Sie beruhen auf der Wahr-
ſcheinlichkeitsberechnung der menſchlichen Lebensdauer, und mit der Zunahme der
Wahrſcheinlichkeit eines langen Lebens ſinkt die Prämie, die man zu bezahlen hat.
Man ſ. Mac-Culloch Dictionary. Deutſche Bearb. II. 140. Rau II. §. 368.
Mohl I. 336. Juvigny sur les Assurances sur la Vic. Paris. 1820. Babbage,
Darſtellung der verſchiedenen Lebens-Aſſecuranz-Geſellſchaften. Aus dem Engliſchen.
Weimar 1827. Krauſe, Ueber Gemeinnützigkeit der L. V. Geſellſchaften. Ilme-
nau 1830. Bleibtreu, Zweck und Einrichtung der L. V. A. Karlsruhe 1832.
Littrow, die Lebensverſicherungsanſtalten. Wien 1832. Es gibt aber in England
auch ſogenannte freundſchaftliche Geſellſchaften (friendly societies), worin
ſich die Beitragenden eine beſtimmte Summe für beſtimmte Unglücksfälle verſichern.
Richardſon, Annalen der Sparcaſſen. S. 182. Mohl I. 328.
⁴⁾ Auch dieſe beruhen auf demſelben Prinzipe, wie die Lebensverſicherungen,
nur verſichert man ſeiner Frau und Kindern nach ſeinem Tode eine jährliche Rente
zu, die zum Beitrage in geradem Verhältniſſe ſteht. Der Staat kann ſeine Diener
zum Eintritte in ſie, als Staatsanſtalt, zwingen. S. Rau II. §. 368. Mohl
I. 340. Bergius Magazin. Art. Wittwen- und Waiſenverpflegung.
Kaukol, Einrichtung der Wittwen- und Waiſen-Penſionsinſtitute. Wien 1825.
Stelzig Darſtellung, wie eine Verſorgungsanſtalt für Greiſe, Wittwen und
Waiſen begründet werden kann. Prag 1828. Krauſe, Prinzip der Gegenſeitigkeit
der Verſorg. Anſtalten. Prag 1828. Werke über Leibrenten z. B. auch Mac Cul-
loch Dictionary. Deutſche Bearb. II. 162.
§. 461.
2) Armen-Verſorgungsanſtalten.
Es ſollte ſchon im Privatleben bei Ausübung der Wohlthätig-
keit regelmäßiger auf wahre Dürftigkeit und Würdigkeit geſehen
werden. Durch das Gegentheil wird die Armenpolizei ſehr er-
ſchwert. Es iſt daher vor Ertheilung irgend einer Armenunter-
ſtützung nothwendig, daß man über die Verhältniſſe der Perſon
gehörig unterrichtet ſei. Man überläßt deßhalb die Verſorgung
der Orts- und Hausarmen am beſten den Gemeinden, weil die
Gemeindebeamten über jene Verhältniſſe die genaueſten Kenntniſſe
haben müſſen. Ob nun Privatvereine, oder die Gemeinde aus der
Gemeindecaſſe oder eigenen Armenfonds, deren Stiftung ſehr zu
begünſtigen iſt, die Unterſtützungen gewähren, das hängt von localen
[654/0676]
Umſtänden ab. Der Staat muß ſich aber ſtets die Aufſicht vor-
behalten. Man hat übrigens in den Staaten je nach den Gründen
der Armuth und nach den Verhältniſſen der armen Perſonen fol-
gende verſchiedene Einrichtungen zur Verſorgung der Armen:
a) Armentaxen, d. h. geſetzlich gebotene Steuern zur Unter-
ſtützung der Armen. Dieſe Einrichtung hat ſich, namentlich in
England und Schottland, ſchlecht bewährt, aber nicht ſowohl an
ſich, als vielmehr wegen der ſchlechten Verwaltung in Betreff der
Dürftigkeit und Würdigkeit der Armen, wodurch meiſtens aus der
Unterſtützung eine Erniedrigung des Lohns zum Beſten der Fabrik-
herrn verurſacht und die Arbeiter zu Müſſiggängern, Verſchwen-
dern und Starrköpfen gemacht wurden1). b) Armencommiſ-
ſionen in Gemeinden zur Unterſtützung arbeitsloſer Armen von
Kraft und Geſchicklichkeit im Aufſuchen von Verdienſt und Beſchäf-
tigung. Dieſe Einrichtung iſt ſehr zweckmäßig, ſo wie die fol-
gende. c) Armenarbeiten, d. h. Beſchäftigung der Armen in
ihren eigenen Häuſern gegen Lohn, wozu man ihnen das Roh-
material liefert. Der Abſatz ſolcher Producte iſt erſchwert, weil
ſie die Concurrenz anderer nicht wohl aushalten können. Allein
Ausloſungen ſind um ſo mehr anzuempfehlen, als dadurch Gele-
genheit zu nützlichen Wohlthaten gegeben wird2). d) Arbeits-
häuſer, und zwar aus leicht einzuſehenden Gründen, ſowohl
freie als Zwangsarbeitshäuſer. Letztere gränzen an die
Straf- und Beſſerungsanſtalten und haben daher eine ſtrenge
Disziplin. Ihre Koſten ſind ſehr groß, ihre Ausdehnung muß
ſehr weit ſein, wenn ſie viel nützen ſollen; aber die Behandlung
und Beſchäftigung der Arbeiter, um ſie nach der Entlaſſung noch
arbeitſam zu erhalten, iſt ſehr ſchwer3). e) Armencolonien,
indem man Arme ſammt Familie auf einer Colonie ſich anſiedeln
läßt, ihnen das Capital zum Betriebe verſchiedener Gewerbe gegen
die Verpflichtung der Verzinſung und allmäligen Abzahlung übergibt
und ſie wegen Fleiß und Sittlichkeit genau unter Aufſicht hält4).
f) Bezahlung des Schulgeldes für arme Kinder aus den Gemeinde-
oder Stiftungskaſſen, damit ihnen der Unterricht wie Anderen
werden kann, oder Errichtung von Armkinderſchulen zur Er-
ziehung bis zu einem beſtimmten Alter ſo, daß ſie im Stande ſind,
durch eigenen Verdienſt zu leben, weßhalb auf Unterricht im Ge-
werbsweſen, Arbeitſamkeit, Sittlichkeit und ächte Religioſität hin-
gearbeitet werden muß. Sie ſind ohne eigene Fonds oder Do-
tirungen nicht zu erhalten. g) Waiſenhäuſer, ebenſo zur Auf-
ziehung, Erziehung und Gewerbsbildung von Waiſen, entweder
Gewerks- oder landwirthſchaftliche (ſogen. Wehrli-) Schulen,
[655/0677]
wovon die Letzteren den Vorzug verdienen, weil ſie vielfältiger
beſchäftigen und anregen, gefündere Arbeit gewähren und der
Sittlichkeit förderlicher ſind5). h) Rettungshäuſer, d. h. An-
ſtalten für Erziehung und Beſſerung der Kinder, welche wegen
Verbrechen verurtheilt ſind oder von liederlichen Eltern vernach-
läſſigt werden oder für deren Sittlichkeit notoriſch zu fürchten iſt
oder welche heimaths- und elternlos einem böſen Leben nachhän-
gen6). i) Armenhäuſer für die Unterhaltung arbeitsunfähiger
und kränklicher Armen. Sie müſſen noch neben der Haus-Unter-
ſtützung der Armen beſtehen, weil es Arme gibt, die auf letztere
Art nicht verſorgt werden können7). Alle dieſe Einrichtungen ver-
dienen die größte Aufmerkſamkeit des Staats, ſei es durch Unter-
ſtützung und Beaufſichtigung derſelben als Privat- und Vereins-
anſtalten, ſei es durch eigene Errichtung auf Staatskoſten.
¹⁾ Auch Collecten und Strafen können dazu verwendet werden. S. Rau pol.
Oeconom. II. §. 341. A. smith Inquiry. I. 212 (geſchichtlich). Malthus On Po-
pulation. Book III. Chap. 4. 5. Ricardo Principles. p. 319. Mac-Culloch Prin-
ciples. p. 354. Ueberſ. von v. Weber. S. 285. say Cours. V. 3501 Ueberſ.
von v. Th. V. 275. v. Jacob Polizeigeſ. II. 656. v. Berg Handb. III. 232.
Craig Politik. II. 229. Jones On the Distribution of Wealth. p. 309.
²⁾ Rau II. §. 345–347. Ranfft Verſuch. S. 120.
³⁾ Rau II. §. 348. 351. Mohl Polizeiw. I. 309. Macfarlan Unterſ.
S. 90. Weber Verſuch. S. 110. 140. Gaum Armenpolizei E. S. 86. 100.
Ranfft Verſuch. S. 122. Bergius Magazin. Art. Zucht- und Arbeits-
haus. v. Berg Handb. VI. Abthl. 2. S. 921. v. d. Heyde Repertor. II. 225.
v. Salza, Handb. des Polizei-Rechts, mit beſonderer Rückſicht auf Sachſen (Leip-
zig 1825). I. 48. Vieles darüber in der (§. 458. N. 3.) erwähnten Schrift von
v. Beaumont und v. Tocqueville. Lotz, Ueber öffentl. Arbeitshäuſer. Hild-
burghauſen 1810. Harl, Archiv für Staatswiſſ. 1827. III. 20 (von v. Sens-
burg). Auch Vieles in Julius Jahrbücher der Straf- und Beſſerungsanſtalten.
Berlin 1828 folg.
⁴⁾ Die älteſte iſt in den Niederlanden unter Direction des Generals van den
Boſch errichtet. S. Rau polit. Oeconom. II. §. 349. Mohl Polizeiw. I. 321.
van den Bosch, Verhandling over cene Armen-Inrichting, nach dem Manuſcripte
überſ von Keversberg unter dem Titel: De la Colonie de Frederiks-Oord. etc.
Gand 1821. Lavaetz, Ueber A. Colonien. Altona 1821. v. Grouner, Be-
ſchreibung einer Reiſe durch d. K. der Niederlande, verf. von Wimmer. Paſſau
1826. I. 232. Weidenkeller, Wie ... kann ... eine A. Colonie errichtet
werden. Nürnberg 1827. Kirkhoff Mém. sur les Colonies de bienfaisance de
Frederiks-Oord et Wortel Bruxelles 1827. Ueberſ. von Rüder Leipzig 1827.
Kaſthofer, Beiträge zur Beurtheil. der Vorth. der Koloniſation eines Theils der
Alpenweiden. Leipzig 1827. statement of the Objects of a society for effecting
systematic Colonisation. London 1830. statement of the Objects of a National
Colonization society. Ridgway 1830 Extracts of Lettres (§. 139. Note 6).
v. Beaumont und v. Tocqueville America's Beſſerungsſyſtem. S. 251. 418.
Julius Jahrbücher. IV. 319. Ducpetiaux Des Moyens de soulager et de preve-
nir l'indigence et d'éteindre la Mendicité. Bruxelles 1832. = Revue encyclop.
LVI 572. Julius Jahrb. IX. 157.
⁵⁾ Rau II. §. 355. Mohl I. 378. Goldbeck, Ueber Erziehung der W.
Kinder. Hamburg 1791. Rulffs .... Wie ſind W. Häuſer anzulegen. Gött.
1785. Zeller, Briefe über W. Häuſer. St. Gallen 1806. Pfeuffer, Ueber
[656/0678]
⁵⁾ öffentl. Erziehung und Waiſenhäuſer. [Bamb. 1815. Krüger, Archiv für Waiſen-
und Armenerziehung. Hamb. 1825. u. 1828. I. 1. II. 1 (geſchichtlich, unvollendet).
Garve Anhang zu Macfarlan. S. 177. S. Riſtelhuber, Wegweiſer zur Lit.
der W. Pflege, des B. Erziehungsweſens, der A. Fürſorge, des Bettlerweſens und
der Gefängnißkunde. Cöln 1831.
⁶⁾ v. Beaumont und v. Tocqueville America's Beſſerungsſyſtem. S. 178
-209. 390–405. Nathan C. Hart Ducuments relative to the House of Re-
fuge ....... in the City of New-York in 1824. New-York 1832. An Act
concerning Convicts under the Age of 17. Years and other purposes, passed
April 16. 1830. Julius Jahrbücher. IV. 240. V. 294. VII. 153. v. Kamotz,
Jahrbücher für die preuß. Geſetzgebung. Bd. XXIX. 216. Schmidlin, die Orts-
und Bezirks-Erziehungshäuſer für verwahrloſete Kinder im Königr. Würtemberg.
Stuttg. 1828.
⁷⁾ Rau II. §. 356. Mohl I. 362. Weber Verſuch. S. 118. 190.
Noſtitz und Jänkendorf A. Verſorg. Anſtalten. S. 125. u. a. Schr.
Zweites Buch.
Beſondere Grundſätze.
Erſtes Hauptſtück.
Pflege des Urgewerbsbetriebs.
Erſtes Stück.
Der Bergbaubetrieb.
§. 462.
Der Bergbau1) iſt in früheren Zeiten vielfach zu hoch ge-
ſchätzt worden und wird es, was ſehr begreiflich iſt, von den Berg-
leuten jetzt noch. Dieſe Ueberſchätzung hat aber die Folge gehabt,
daß die Staaten Bergbau mit Zubuße getrieben, ſchlecht rentirende
Privatbergwerke mit Capital unterſtützt, den Bergleuten allerlei
Freiheiten von Staatslaſten eingeräumt und andere Unterſtützungen,
als Holz und Lebensmitteln, auf allgemeine Koſten verabreicht
haben. Alle dieſe Unterſtützungen ſtoßen im Allgemeinen gegen die
Grundſätze der Gleichheit der Gewerbe vor dem Richterſtuhle der
Volkswirthſchaft und gegen jene einer vernünftigen Wirthſchaft
überhaupt an und ſind verwerflich2). Der Staat hat vielmehr
blos die Pflicht, den Bergbau zu unterſtützen, aber nicht auf
Koſten der übrigen Gewerbe und Einwohner und nicht, wenn er
nichts erträgt. Dieſe Unterſtützungsmittel laſſen ſich in folgendem
zuſammenfaſſen: 1) Unabhängigkeit des bergmänniſchen Be-
triebs vom Grundeigenthume, denn ein ausgedehnter und nach-
haltiger Betrieb iſt anders nicht möglich, weßhalb der Grundeigen-
thümer verpflichtet iſt, gegen Entſchädigung und billigen Antheil
an der Ausbeute demjenigen, welcher ſchürfen und bauen will, ſo
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weit abzutreten, als es zum Betriebe nöthig iſt. 2) Staatsauf-
ſicht auf den Grubenbetrieb zur Sicherung der Nachhaltigkeit des
Bergbaues, zur Verhütung von Raubbau, und zur Controle der
Rechnungen3). 3) Verhütung des beliebigen Anfangs von Berg-
bauten theils zur Sicherung der Grundeigenthümer, theils zur
Erhaltung guten Betriebs, weßhalb die (§. 122. L. a.) angegebe-
nen Vorſichtsmaaßregeln zu ergreifen ſind. 4) Befreiung des
Bergbaues von allen, denſelben weſentlich hindernden, Laſten, ohne
Begünſtigung vor andern Gewerben, nämlich beſonders vom Berg-
zehnten, deſſen Nachtheile für den Bergbau weit größer ſind, als
die des gewöhnlichen Zehntens in der Landwirthſchaft, wegen des
größern Capitals und Wagniſſes. 5) Begünſtigung und Beaufſich-
tigung von Knappſchaftskaſſen zum Behufe der Unterſtützung
arbeitsloſer und arbeitsunfähiger Bergleute4). Endlich 6) Grün-
dung bergmänniſcher Unterrichtsanſtalten, wenn der Bergbau
des Landes großer Erweiterung fähig iſt, weil ohne genaue berg-
männiſche wiſſenſchaftliche Kenntniſſe nichts Erſprießliches vom
Bergbaue zu erwarten iſt. Sonſt reicht Unterſtützung ausgezeich-
neter junger Männer zu Reiſen hin.
¹⁾ S. oben §. 431. Rau polit. Oeconom. II. §. 33. Mohl Polizeiwiſſ.
II. 218. v. Jacob Polizeiw. I. 468. v. Berg Handbuch. III. 384. Bergius
Neues Magazin. I. 229. de Villefosse De la Richesse Minérale. I. 449. Car-
thäuſer Bergpolizeiwiſſenſchaft. Gießen 1786. Jugel, Vorſchläge zur Beförder.
des Bergbaues. Regensburg 1784. v. Cancrin Bergpolizeiwiſſenſchaft. Frankfurt
1791. v. Voith, Vorſchläge zur Verbeſſerung des Berg- und Hüttenweſens in
Baiern. Sulzbach 1822. Frank Landwirthſchaftliche Polizei. II. 329. Karſten,
Archiv für Bergbau und Hüttenweſen. I. 71. Eſchenmaier Staatsöconomierecht.
I. 452. Schmidt, Sammlung der Berggeſetze der öſterreichiſchen Monarchie.
Wien 1833. Bis jetzt II Bde.
²⁾ Es führt Rau II. §. 42. eine Reihe von Unterſtützungen des Bergbaues
von Seiten des Staats auf, welche ſich mit dem polizeilichen Prinzipe nicht ver-
tragen. Das Bauen von Transportwegen beſonders für die Gruben, die Ueber-
nahme von Kuxen bei Zubußegruben, die Unternehmung von beſonders koſtſpieligen
Bauten, wie z. B. Erbſtollen, alle dieſe Maaßregeln ſind den Geſellſchaften zu
überlaſſen. Das Verabreichen von Getreide und Holz aus Staatsmagazinen um
die beſtimmten Taxen iſt eine finanzielle Maaßregel; in Zeiten der Theuerung ver-
theidigt ſie ſich noch aus andern Gründen. Anſtatt der Vorſchüſſe, welche zuweilen
großen Nutzen bringen können, iſt es beſſer, eine eigene Landesbergkaſſe durch
Beiträge der Gewerkſchaften zu errichten; denn ſie können ſich leicht ſehr hoch belaufen.
Das Treiben des Bergbaues auf Zubuße, wenn kein den Verluſt deckender ſpäterer
Reinertrag zu erwarten ſteht, iſt nur dann zu billigen, wenn dies auf kurze Zeit
das beſte Mittel iſt, um die durch das Verlaſſen einer Grube brodlos werdenden
Bergleute noch zu erhalten, bis ſie andere Arbeit haben.
³⁾ Zu Raubbau wird gerechnet: a) der Ausbruch der oberſten reichſten Lager,
nach welchem die unteren keinen oder wenig Gewinn geben; b) die Wegnahme der
Grubenbefeſtigung und das Unterhöhlen (Verhauen) der Stollen; c) das Verſtürzen
der untern Gänge. Rau II. §. 38. N. b.
Baumſtark Encyclopädie. 42
[658/0680]
Zweites Stück.
Der Landwirthſchaftsbetrieb.
Erſter Abſatz.
Der Feld- und Gartenbau.
§. 463.
A. Urbarmachungen. B. Gutsherrliche Verhältniſſe.
Die Wichtigkeit der Landwirthſchaft iſt in politiſcher Hinſicht
ſo anerkannt, daß es gar keiner beſondern Ausführungen bedarf,
ob der Staat verpflichtet ſei, auf ihre Förderung dieſelbe Aufmerk-
ſamkeit wie auf die der andern Gewerbe zu verwenden. Die
Landwirthſchaftspflege1) iſt einer der wichtigſten Gegenſtände
der Staatsgeſetzgebung und Verwaltung. Die Gegenſtände, worauf
ſich dieſe zu erſtrecken hat, ſind jene des Feld- und Gartenbaues
und der Thierzucht. Was die beiden Erſteren betrifft, ſo unter-
liegen der Staatsſorge folgende verſchiedene landwirthſchaftliche
Verhältniſſe.
A. Die Urbarmachungen (§. 139.). Wenn die Bevöl-
kerung zunimmt, erfolgt das Streben nach Urbarmachungen von
ſelbſt. Da nun außerdem dazu mehr oder weniger Capitalbeſitz
gehört, ſo werden ſie auch nur im Verhältniſſe des vorräthigen
Capitals vorgenommen werden. Daher hat ſich die Regirung ſorg-
ſam vor directen Ermunterungen zu hüten. Kleine Urbarmachungen
von Eigenthum erfolgen im Volke von ſelbſt, aber große, welche
viel Capital und organiſirte Leitung erfordern, können und dürfen
ohne Anzeige bei der Staatsbehörde und ohne deren Aufſicht nicht
vollführt werden. Denn ſie ſind auf die Staatszuſtände vom er-
folgreichſten Einfluſſe in Betreff des Klima, Geſundheitszuſtandes,
der Bevölkerung und des wirthſchaftlichen Wohlſtandes2), und
dürfen deßhalb nicht vom Privateigenthume abhängen, ſondern die
Eigenthümer großer nicht urbarer Strecken ſind verpflichtet, ihr
Eigenthum, wenn ſie es nicht ſelbſt urbar machen wollen, an die
Anderen gegen volle Entſchädigung abzutreten und die vom Staate
revidirten Plane der Urbarmachung ſind unter der Direction von
Staatsbehörden vorzunehmen.
B. Die gutsherrlichen Verhältniſſe. Freies erbliches
Grundeigenthum iſt das erſte Beförderungsmittel des landwirth-
ſchaftlichen Gewerbes (§. 409. 1. §. 208. 5.). Dieſes zu bewirken,
iſt alſo ein Hauptmittel der Erhöhung des Wohlſtandes und Pflicht
des Staats. Allein mit ihr collidirt die Pflicht, zur Sicherung
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geheiligter Privatrechte. Denn jeder Art von gutsbäuerlicher Be-
laſtung ſteht ein wohlerworbenes oder wenigſtens verjährtes guts-
herrliches Recht entgegen. Die hierher gehörigen bäuerlichen Laſten
ſind folgende: 1) das Handlohn, d. h. eine bei verſchiedenen Be-
ſitzveränderungen an den Gutsherrn zu entrichtende Abgabe in Pro-
centen des Gutswerths (Kauf- und Erbhandlohn). Daß das-
ſelbe für den Bauern wegen ſeiner ungleichen Erſcheinung, wegen
öfterer Veränderungen jener Art, wegen ſeiner Beträchtlichkeit im
Vergleiche zum Gutswerthe (5–10 %) ſehr drückend iſt und
ſeine Vermögensverhältniſſe und die darauf folgende Wirthſchaft
zu ruiniren vermag, iſt anerkannt, ebenſo daß es den Verkauf des
Gutes erſchwert und den Bauer zu Schulden zwingt, da er beim
Antritte des Gutes Capital nöthig braucht. Allein beide Parthien
ſind oft in Erwartung, daß ſich die Umſtände bei der Handlohn-
zahlung für ſie günſtig ſtellen würden, gegen die Ablöſung deſſelben
eingenommen. Können ſie ſich dazu verſtehen, ſo geſchieht die Ab-
löſung, indem man vorher aus ſo langer Zeit her als möglich die
Erfahrungen zuſammenſtellt, wie oft im Durchſchnitte eine Kauf-
und eine Erbhandlohnzahlung eintritt und wie groß ihr Durch-
ſchnittsbetrag ausfällt. Dieſer Durchſchnittsbetrag zuſammen mit
dem dermaligen Werthe der unendlichen Reihe von Handlohnzah-
lungen in der Zukunft macht das Ablöſungscapital3). 2) Der
Zehnte, d. h. eine Abgabe des zehnten (auch fünften und dreißig-
ſten) Theiles der Producte des Feldbaues4). Er wird auf die
verſchiedenſten, oft ſehr drückende Arten erhoben; er iſt eine un-
gleiche Steuer, weil er vom Rohertrage bezogen wird, in welchem
je nach der Gutsklaſſe verſchiedene Koſtenſätze enthalten ſein können;
er verſchlingt um ſo mehr vom Reinertrage, je größer die Cultur-
koſten bei gleichem Rohertrage ſind: er iſt um ſo ſchädlicher, in
je kürzerer Zeit die Capitalauslagen wieder erſtattet ſein ſollen;
es wird durch ihn den Bauern die Luſt zu Urbarmachungen und
Vervollkommnungen der Cultur geraubt; er hindert alſo productive
Arbeits- und Capitalanwendung; durch die deßhalb erfolgende
Geringhaltung des Angebotes an landwirthſchaftlichen Producten
wird dem Sinken der Preiſe entgegengewirkt; die Zehntſtreitigkeiten
verurſachen vielen pecuniären und moraliſchen Schaden; die von
den Berechtigten dafür zu thuenden Leiſtungen zu Privat-, Ge-
meinde-, Staats- und Kirchenzwecke werden in der Regel nur
ſchlecht und nach vielen Zänkereien erfüllt; die Zehnterhebungs-
und Verwaltungskoſten verſchlingen einen großen, öfters den größten
Theil ſeines Ertrags; dieſer aber ſchwankt mit der Fruchtbarkeit
der Jahre5). Die Ablöſung deſſelben iſt daher ſehr wünſchenswerth,
42 *
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aber nicht ohne völlige Entſchädigung des Berechtigten und nicht
mit Zwang auf den Pflichtigen, ausgenommen, wenn derſelbe durch
ſeinen Nichtbeitritt dieſe nützliche Maaßregel auf einem größeren
Diſtrikte hinderte. Der Zehnte wird entweder durchſchnittlich von
vielen Jahren her ſeinem Ertrage nach berechnet oder, wenn das
Material dazu fehlt, durch Unpartheiiſche abgeſchätzt; der Reſt
nach Abzug der durchſchnittlichen oder geſchätzten Erhebungskoſten,
in Geld geſchätzt nach mehrjährigen Durchſchnittspreiſen, wozu die
Jahre ſorgfältig zu wählen ſind, bildet, nach der gewöhnlichen
Anſicht, wenn er nach einem gewiſſen Procente capitaliſirt iſt, das
Ablöſungscapital. Man könnte aber in der Ablöſungsrechnung auch
wie beim Handlohne verfahren, indem man den Durchſchnitt der
früheren Zehnterträge mit dem dermaligen Werthe der folgenden
unendlichen Reihe von Zehntzahlungen zuſammen, als abzutragendes
Capital betrachtete. 3) Die Gülten, d. h. unveränderliche Na-
turalabgaben der verſchiedenſten Art in kleinen Beiträgen (§. 7.
N. 6. §. 11. N. 5. §. 22. N. 9.). Sie ſind unbequem und läſtig,
ſo daß gegen deren Ablöſung von beiden Parthien in der Regel
nichts eingewendet wird. Die Ablöſung geſchieht ungefähr wie
beim Zehnten. 4) Frohnen, entweder Staats- oder gutsherr-
liche Frohnen (Roboten, Schaarwerke), d. h. gemeſſene oder un-
gemeſſene Hand- und Spanndienſte, zu leiſten an den Staat oder
Gutsherrn6). Sie hindern den Bauern in der Benutzung ſeiner
Zeit zu landwirthſchaftlichen Geſchäften; ſie verurſachen ihm ſchon
deßhalb Schaden; er muß aber auch oft zu ihrer Leiſtung eigenes
Geſpann halten, das er für ſein Feld nicht brauchte; er leiſtet
die Dienſte ungern und ſchlecht, und bedarf beſtändiger Aufſicht;
die Frohnen ſind daher von nationaler Trägheit und ſchlechter
Landwirthſchaft unzertrennlich; ſie ſchaden daher volkswirthſchaft-
lich weit mehr, als ſie privatwirthſchaftlich nützen. Deßhalb iſt
ihre Ablöſung eine Bedingung der Förderung des Gewerbsweſens7).
Zum Behufe derſelben zählt man die Frohntage zuſammen, ſchlägt
ſie, im Verhältniſſe als ſie weniger werth ſind denn die freien
Dienſte (§. 67. N. 1.), unter dem gewöhnlichen Taglohne an, und
zieht davon die ſchuldige Leiſtung des Berechtigten, z. B. an Koſt
u. dgl. in Geldwerth ab: was ſich ſo ergibt, iſt nach einem gewiſ-
ſen Procent zu capitaliſiren, um das Ablöſungscapital zu finden8).
¹⁾ S. §. 432. Spittler, Vorleſ. über Politik. S. 364 folg. Rau polit.
Oeconom. II. §. 44 folg. Mohl Polizeiwiſſ. II. 109 folg. v. Jacob P. Geſetz-
gebung. II. S. 476 folg. Dithmar, Polizei des Ackerbaues, Ausg. von Schre-
ber Leipzig 1770. A. Young, polit. Arithmetik. Aus dem Engl. Königsb. 1777.
Frank, Syſtem der landw. Polizei. Leipzig 1789–91. III. Bd. Lips, Prin-
zipien der Ackergeſetzgebung. Ir Bd. Nürnberg 1811. Bülau, der Staat und der
[661/0683]
¹⁾ Landbau. Leipzig 1834. v. Berg Handbuch. III. 243. Rüdiger Staatslehre.
II. 22. v. Soden Nat. Oeconom. VI. 39. simonde de sismondi Nouv. Principes.
I. 150. v. Bocholtz, Bericht an die Ritterſchaft des Herzogthums Weſtphalen
über die Beſchwerden und Wünſche des Landmannes. 1830. Stuve, Ueber die
Laſten des Grundeigenthums. Hannover 1830. Lüntzel, die bäuerlichen Laſten im
Fürſtenthum Hildesheim. Hildesheim 1830. Moſer, die bäuerlichen Laſten der
Würtemberger. Stuttg. 1832. Goldmann, Geſetzgebung Heſſens in Beziehung
auf die Befreiung des Grundeigenthums. Darmſt. 1831. Lips, Deutſchlands Nat.
Oeconomie. Gießen 1830. S. 11–312. In der Folge werden dieſe Schriften der
Kürze halber nicht mehr citirt werden, weil ſich in ihnen über die ſämmtlichen
landwirthſchaftlichen Verhältniſſe Abhandlungen finden.
²⁾ Zufolge der Austrocknung von Sümpfen verbeſſerten ſich die Bevölkerungs-
verhältniſſe während 40 Jahren folgender Geſtalt in folgenden engliſchen Grafſchaften.
Dieſe Reſultate ſind Folge der Verbeſſerung der Luft, des Waſſers ꝛc. und der Zu-
nahme der Lebensmittel. S. Fix Revue mensuelle. II. N. 8. p. 167.
³⁾ S. oben §. 22. N. 6. Für Ablöſung v. Rüdt in den Verhandl. der
I. Bad. Kammer von 1831 I. 176. Beil. Heft I. 150. III. 119. Der II. Kammer
VI. 22. Beil. Heft VII. 161. Gegen die Ablöſung v. Soden Nat. Oeconom. VI.
§. 90. und Deſſen Bair. Landtag S. 307 u. 308. Krauſe Syſtem. I. §. 288
(mehr wegen der auf ſolche Laſtablöſungen erfolgenden Güterfreiheit und Güter-
theilung, die er für ſchädlich hält). Der Erſtere beruft ſich auf die Berechtigung
kraft Urverträgen, auf den Druck der durch die Ablöſung erfolgenden fixen Abgabe
des Bauern, auf die Schwierigkeit der Ergründung des Durchſchnittsbetrages, auf
das gerade Verhältniß des Handlohns zum Gutsertrage, was bei der fixen Abgabe
nicht exiſtire, und auf das Intereſſe, welches das Handlohn zwiſchen Lehns-
herrn und Grundholden erhalte. Die Widerlegung iſt nicht ſchwer. Wegen der
vermeintlichen fixen Abgabe ſ. m. unten Note 8.
⁴⁾ Er iſt keine Staatsſteuer, ſondern urſprünglich grundherrliche Abgabe.
Wenn er's auch nicht wäre, ſo iſt er ein wohl begründetes verjährtes Privatrecht.
Eine beſondere Art iſt der Zehnte von Neubrücken (Novalzehnten. §. 139. 1.).
Zur Literatur oben §. 7. N. 4 (hiſtoriſch). Gegen den Zehnten: A. Young
polit. Arithm. S. 24. Thaer engl. Landw. III. 86. Sinclair Grundgeſetze des
Ackerbaues. S. 63. Verhandl. des engl. Unterhauſes a. 1816 = Europ. Annalen.
1818 X. 112. Verhandl. der II. Bad. Kammer von 1819. I. 93. IV. 157. V. 104.
von 1831 Beil. Heft I. 25. V. 155. 224. Heft XVII. 136. 320. 425. (Beſonders
die Vorträge von v. Bökh und Nebenius.); der I. Bad. Kammer. V. 66. 86.
Beil. Heft II. 344. Der II. Kammer von 1833 Beil. H. II. 119. V. 25. H. XII. 12.
330. XIV. 10. 77. 42. Krönke, Ueber die Nachtheile des Zehnten. Darmſt. 1819.
Floret, Darſtell. der Verhandl. der Heſſ. Ständeverſ. 296. Verhandl. der Naſſau.
Deput. Verſ. von 1821. S. 126. 174. Klebe, Grundſ. der Gemeinheitstheilung.
I. 225. G. H. Law (Bishop of Bath and Wells) Reflection upon Tithes, with
a plan for a general Commutation of the same. Wells 1832. = Monthly Review.
January 1833 p. 129. v. Babo und Rau, Ueber Zehntablöſung. Heidelb. 1831.
v. Sensburg, die Abſchaffung der Zehnten. Heidelberg 1831. Ruef, Ueber die
Aufhebung der Zehnten. Freiburg 1831. Krönke, Ueber Aufhebung u. ſ. w. der
Zehnten. Darmſt. 1831. Zachariä, die Aufhebung ...... des Zehnten, nach
[662/0684]
⁴⁾ Rechtsgrundſätzen. Heidelberg 1831. Für den Zehnten: Thibaut in Verhandl.
der I. Bad. Kammer von 1819 = Ueberſicht der ſtänd. Verb. von 1819. II. 37.
v. Seyfried und Föhrenbach in den Verhandl. der II. Kammer deſſelb. Jahrs.
Heft V. 110. 126. Müller, Einige Worte über den Entwurf der Zehntablöſung.
Freiburg 1831. Deſſelben Sendſchreiben an v. Rotteck aus Anlaß ſeiner
Motion ꝛc. ibid. eod. Einige Bedenken gegen Abſchaffung aller Zehnten. Freiburg
1831. v. Alten, Widerlegung der Gründe, welche der Aufhebung ...... der
Zehnten unterlegt worden ſind ꝛc. Hannover 1833. Verhandl. der Bad. I. Kammer
von 1831. Heft V. 50 (Fürſt v. Löwenſtein); von 1833 Bd. I. 251. 326. V. 2.
Beil. Bd. I. 9. 227. III. 85. 352. IV 217 (Theilweiſe auch dagegen).
⁵⁾ Für die Beibehaltung wird angeführt: der Vortheil der müheloſen Ver-
größerung der Zehnteinnahmen, die Unmöglichkeit der Rückſtände, die Verhältniß-
mäßigkeit dieſer Steuer zur St. Fähigkeit des Pflichtigen, die Annehmlichkeit der
Naturalſteuern für den Bauern, und die Nachtheile, die durch die Ablöſung für
Kirche, Schulen, Stiftungen u. dgl. hervorgehen könnten, indem dieſe ſtatt eines
Antheils an den Producten unzerſtörbarer Naturkraft ein im Werthe wandelbares
Geldcapital bekommen. Die Widerlegung dieſer Punkte und der Beweis ihrer ge-
ringern Bedeutung in Vergleich mit obigen Rückſichten fällt nicht ſchwer.
⁶⁾ S. §. 7. N. 8. §. 11. N. 7. §. 18. Benſen, Materialien z. Polizei ....
Praxis I. 303. Floret, Verhandl. der Heſſ. Ständeverſ. von 1820 und 1821
(Gießen 1822). S. 283. Verhandl. der Bad. II. Kammer von 1819. IV. 8. von
1831 Heft VI. 92. II. 5. Beil. Heft II. 117. XII 1. 277. Der I. Kammer Beil.
Heft I. 156. Heft I. 308. Beil. Heft I. 288 IV 239. Weſtfeld, Ueber Ab-
ſchaffung des Herrendienſtes. Lemgo 1773. Gedanken von Abſtellung der Natural-
dienſte. Gött. 1777. Wichmann, Ueber die Mittel, Frohndienſte aufzuheben. 1795.
Nicolai, Ueber Hofdienſte und deren Abſchaffung. Berlin 1799. Mayer, Ueber
Herrendienſte und deren Aufhebung. Celle 1803. Hüllmann, hiſtor. und ſtaats-
wiſſenſch. Unterſ. der Naturaldienſte Berlin 1803. Ebel, Ueber den Urſprung der
Frohnen. Gießen 1823. Block Mittheil. III. (1834) S. 423.
⁷⁾ Dagegen v. Soden Nat. Oeconom. VI. §. 131: der Bauer leiſte lieber
und leichter die Dienſte; die Gutsherrn kämen in ſchwach bevölkerten Gegenden
wegen Mangel an Taglöhnern in Verlegenheit. Allein dieſes Beſorgniß iſt zu ha-
ben, wenn es gegründet ſein ſollte, und jenes iſt nicht immer, ſondern ſelten der
Fall und die Bauern werden auch nicht gezwungen, ausgenommen, wenn die Ab-
löſung noch von der Einwilligung der Minderzahl abhängt.
⁸⁾ Dieſe verſchiedenen gutsherrlichen Laſten können auf vier Arten abgelöſet
werden, nämlich: a) Abkauf durch Bezahlung des Capitalwerthes in Geld,
eine ſchnelle Methode, gut bei kleinen Beträgen, aber ſchwer ausführbar bei großen
Capitalien und deßhalb am wenigſten zu gebieten. b) Abkauf durch Abtretung
von Grundeigenthum deſſelben Ertrages oder Capitalwerthes, anwendbar,
wann die Bauern genug Land beſitzen und eine Arrondirung möglich iſt. c) Ent-
richtung einer gleichförmigen ewigen Rente, ſehr bequem, der bisherigen Leiſtung,
ohne ihre Fehler zu haben, analog, dem Berechtigten entſprechend, wenn ſie ſich ſo
viel als möglich an den Durchſchnittspreis und jeweiligen Marktpreis, alſo auch an
den Erwachs anſchließt, weßhalb eine unveränderliche Naturalrente, eine ſolche
Geldrente und eine Geldrente nach dem Durchſchnittspreiſe der nächſt vorherigen
Periode als ungleich drückend, und bald die eine bald die andere Parthie beein-
trächtigend erſcheint und nur eine aus dem Durchſchnittspreiſe zwiſchen dem jewei-
ligen Markt- und mehrjährigen Durchſchnittspreiſe beſtehende jährliche veränder-
liche Rente am billigſten iſt. d) Entrichtung einer Zeitrente, nach deren
Ablaufe Capital und Zinſen getilgt ſind. Die Regirung kann die Wahl der
Methoden frei ſtellen (wie in Preußen); ſie kann auch eine Tilgkaſſe zum Behufe
der Leitung der Geſchäfte errichten (wie in Baden); ſie ernennt Behörden zur
Regulirung und Ausgleichung. Ob ſie Beiträge aus der Staatskaſſe dazu geben
ſoll und darf, iſt keine Frage des Rechts, ſondern der Billigkeit.
[663/0685]
§. 464.
C. Servitute. D. Gebundenheit der Güter. E. Zurundung
derſelben. F. Gemeinheitstheilung.
Es gehören ferner hierher:
C. Die Servitute, insbeſondere die Weideſervitute, d. h.
die Laſt eines Feldes, daß ein Anderer mit ſeinem Vieh darauf zu
gewiſſen Zeiten Weide halten darf (§. 183.). Sie hindern den
Eigenthümer oder Beſitzer in der beliebigen Bewirthſchaftung des
Gutes und tragen viel zur Verderbung der Pflanzungen bei. Es
iſt daher mit einer bloßen Regulirung nicht viel gethan, ſondern
ihre Abſchaffung iſt unerläßlich. Die Schätzung des Capitalwer-
thes der Weidegerechtigkeit geſchieht entweder nach allgemeinen
Ertragsklaſſen, oder nach der Anzahl von Vieh, das darauf
Nahrung findet und nach der Länge der Weidezeit (§. 463. N. 8.)1).
D. Die Gebundenheit der Landgüter, d. h. derjenige
Zuſtand, kraft deſſen ſie nach Staats- oder Familiengeſetzen nicht
getheilt, ſondern nur als Ganzes verkauft und vererbt oder ver-
ſchenkt werden dürfen, weil man glaubt, daß eine Verkleinerung
derſelben dem Staate oder der Familie nachtheilig ſei2). Es iſt
oben (§. 432. N. 1.) gezeigt, welche Vortheile die mittleren und
kleinen Landgüter vor großen in der Volkswirthſchaft gewähren.
Läßt der Staat dem Gewerbsbetriebe freien Lauf, führt er keine
Beſteuerung des Bodens ein, die den kleineren Grundeigenthümern
unerſchwinglich iſt, und hütet ſich derſelbe überhaupt vor Maaß-
regeln, welche den mittleren und kleineren Bauern Laſten auf-
legen, die ſie nicht wohl tragen können, ſo wird die Theilung des
Grundeigenthums ihren regelmäßigen Gang gehen, und die Bevöl-
kerung muß ſich darnach einrichten. Ebenſo wird der ackerbauende
Theil der Nation auf die Erhaltung größerer Landgüter von ſelbſt
verfallen, wenn es ihr zuträglich erſcheint. Die Feſtſetzung eines
Minimums oder Maximums iſt deßhalb nicht weniger verwerflich,
als Geſetze, welche der einen oder andern Klaſſe den Ankauf oder
Verkauf von Grund und Boden ganz verbieten; denn ſie ſind Ein-
griffe in die Privatrechte ohne Noth und müſſen bald da bald dort
den Privatintereſſen entgegen ſein3).
E. Die Zurundung der Landgüter (Arrondirung). Die
Vortheile der zuſammen in einer Fläche neben einander liegenden
Grundſtücke für den Landwirth ſind anerkannt und leicht einzu-
ſehen, weil die Nachtheile des Gegentheiles klar erſcheinen. Die
Bewirkung einer ſolchen Zuſammenlegung (auch Ackerumſatz,
Schiftung genannt) iſt daher ein ſehr wohlthätiges, aber an ſich,
[664/0686]
wegen vieler Folgen und wegen mancher Vorurtheile ſchwieriges
Geſchäft4). Wo Wieſen, Weiden und Aecker in verſchiedener
Lage vorkommen, da kann ſie auch jedesmal nur jede dieſer drei
Klaſſen beſonders treffen; faſt unmöglich wird ſie oft, wenn es in
der Gemarkung recht verſchiedene Bodenklaſſen hat. Nur die Mi-
norität einer Gemeinde kann, wenn ſie dagegen iſt, zur Theilnahme
an der von der Majorität beſchloſſenen Maaßregel gezwungen werden.
Es folgt dann Klaſſifizirung der Flur, Schätzung der Grundſtücke
der Einzelnen, geometriſche Flurtheilung, Vertauſchung, zuweilen
mit baaren Ausgleichungen, Verlegung der Wohnungen und Er-
neuerung der Unterpfandsbücher auf einander, nach obrigkeitlich
geprüften und genehmigten Planen5).
F. Die Gemeinheitstheilungen, d. h. zum Theile Auf-
hebung gegenſeitiger Weideſervitute der Gemeindeglieder (engl.
Enclosure, Einhängung), zum Theile die Vertheilung der Gemein-
degüter, beſonders der öden Gemeindeweiden unter die Gemeinde-
glieder (§. 388. B., wo die Vor- und Nachtheile derſelben ver-
glichen ſind)6). Es iſt nicht das Intereſſe der großen Viehbeſitzer,
beſonders der Schaafzüchter, welches der Ausführung dieſer Maaß-
regel Hinderniſſe in den Weg legt, denn dieſe können bei der Thei-
lung durch Einrichtung einer Weidearrondirung befriedigt werden;
ſondern vielmehr der Streit über den Theilungsmaaßſtab hat viele
Hinderniſſe verurſacht. Es iſt zum Wundern, daß man, wohl blos
zufolge des Spieles der Partheien, den allernatürlichſten und rück-
ſichtslos gerechteſten Theilungsmaaßſtab, nämlich 1) das rechtliche
Verhältniß der Bürger zur Gemeinde nicht überall annahm, da er
doch mit dem Nutzungsrechte genau zuſammenfällt und die bisherige
Nutzung keinen gerechten Theilungsgrund abgeben kann, ſo billig
es auch ſcheint, der Reicheren wegen eine ungleiche Vertheilung
vorzunehmen7). In der That beruhen die noch übrigen vorge-
ſchlagenen und zum Theile auch angewendeten Maaßſtäbe blos auf
der letzteren Maxime. Sie ſind folgende: 2) der Viehſtand der
Intereſſenten, — jeweilig etwas Zufälliges und im Durchſchnitte
ſchwer zu ermitteln; 3) der Durchwinterungsmaaßſtab, d. h. die
Menge von Vieh, welches der Berechtigte nach ſeinem eigenen zu
ſchätzenden Futtererwachſe durchwintern kann, — erſchwert durch
die Klaſſifizirung, Meſſung und Ertragsſchätzung der Felder eines
Jeden, und für grundbeſitzloſe Bürger unbrauchbar; 4) die Größe
des Grundbeſitzes, — ohne Klaſſifizirung nicht brauchbar, als Er-
tragsmaaßſtab wegen des Capitals und der Arbeit unzureichend;
5) die Beiträge zu den Gemeindebedürfniſſen, — nicht ausführbar,
wegen der verſchiedenen Arten von Steuern8).
[665/0687]
¹⁾ Block Mittheil. III. (1834) S. 406.
²⁾ Mohl Polizeiw. II. 22. 55. Lange, Abhandl. über d. Zerſchlag. der ....
Bauerngüter. Baireuth 1778. Cella, Von Zerſchlag. der B. G. Anſpach 1795.
Der Bauernſtand polit. betrachtet. Berlin 1810. Stüve a. a. O. u. Rau a. a. O.
ſind für die Theilbarkeit, aber nicht unbedingt. Aber unbedingt dafür ſind: Au-
tenrieth, Vertheid. der uneingeſchränkten Vertrennung der B. G. Stuttg. 1779.
Waldeck, Ueber Unzertrennlichkeit der B. G. Gießen 1784. Winckler, Ueber
willkürliche Verklein. der B. G. Leipzig 1794. v. H. Ueber d. Vereinzeln der
Güter. Leipzig 1799. Ueber Güterzertrümmerung und Grundſtückhandel. Erlangen
1816. Weckherlin, Ueber die willkürliche Zertrennung der B. G. in Würtemb.
Stuttg. 1818. Gebhard, Bemerkungen zu v. Soden's Schrift: Der Bairiſche
Landtag vom J. 1819. Erlangen 1822. Morel de Vindé sur le Morcellement de
la propiété territoriale en France. Paris 1822. Hartmann, Ueber Theilung des
Bodens. Hamm 1823. v. Ulmenſtein, Ueber unbeſchränkte Theilbarkeit des
Bodens. Berlin 1827. Schnitzer, Ueber freizugebende Zerſtück. der B. Güter.
Tübingen 1833. Lips, Deutſchlands Nationalöconomie. S. 236. Rudhart,
Zuſtand des Kr. Baiern. I. 228. Edinburgh Review N. 115. April 1833. p. 20.
Dagegen ſind: Meerwein, Ueber den Schaden ... einer willkürlichen Verklei-
nerung der B. G. ..... Carlsruhe 1798. Hagen, Ueber das Agrargeſetz. Kö-
nigsberg 1814. Ueber das Zerſchlagen der Bauern- und größeren Landgüter.
Nürnberg 1819.
³⁾ Die Nothwendigkeit ſolcher Geſetze rührt nur von andern Fehlern der
Staatsverwaltung und Geſetzgebung her. Man mahlt die Folgen zu kleinen Grund-
beſitzes in einem Lande gewöhnlich recht aus, ohne zu fragen, ob es ſo weit mit
der Theilung kommen könne; auch führt man die Feſtigkeit der Verfaſſung durch
große Grundeigenthümer an, ſo wie eine Menge von vortheilhaften Einrichtungen,
welche bei zerkleinertem Grundeigenthume nicht ſo gut, wie bei großen Gütern,
ausführbar ſeien u. dgl. mehr. Allein dergleichen Einwendungen ſind nicht ſchwer
zu entkräften. Die Majorate und die Anhäufung des Grundeigenthums in todter
Hand (Corporationen, Stiftungen, Klöſter etc) ſind Folge von fehlerhaften Staats-
maximen. Sie ſind indirect ſo viel als möglich zu verhüten, z. B. durch Verſagung
aller Steuerfreiheit, Aufhebung der Lehns- und grundherrlichen Verhältniſſe, Be-
ſchränkung der Klöſter, Gleichheit vor den Gerichten u. dgl. mehr. Nur wo der
daraus entſtehende Schaden ſchon gefühlt wird, kann man direct dergleichen verbieten.
Gegen zu große Zerſtückelung wirkt z. B. polizeiliche Aufſicht auf das Heirathen,
geſetzliches Erforderniß beſtimmten Vermögens in Grund und Boden, oder im
Gewerksweſen, um in die Gemeinde aufgenommen zu werden, die ſo eben ange-
führten Mittel u. ſ. w.
⁴⁾ Thaer, Annalen der Fortſchr. der Landw. III. 612. Gebhard, Ueber
Güterarrondirung. München 1817. v. Hazzi, Ueber Güterarrondirung. München
1818. Svaeth, Praxis der Güteranordnung. Nürnberg 1819.
⁵⁾ Die Verlegung der Wohnungen hat Schwierigkeit, und ohne dieſe hat die
Arrondirung Hinderniſſe.
⁶⁾ sartorius de justa in distrib. bonis communibus .... servanda propor-
tione. Wirceb. 1791. Gavard, Betrachtungen über ..... Vertheilung der
Gemeinheitsgüter. Frankf. 1793. Bergius, Neues Magazin. III. 5 (Auszug aus
noch älteren Werken). Meyer, Ueber Gemeinheitstheilung. Celle 1801–1805.
III Bde. Goenner, Ueber .... Vertheilung der G. Weiden. Landshut 1803.
Jacobi, Beſchäftigung mit G. Theilung. Hannover 1803. Niemeyer, Anleit.
zum Verfahren in Gemeinheitstheilungsſachen. Hannover 1808. Burger und
Schachermaier, Ueber Zertheil. der G. Weiden. Peſth 1818. Klebe, Grundſ.
der G. Theilung. Berlin 1821. Krauſe, Ueber Gemeinheitstheilung. S. §.
216. Note 1.
⁷⁾ Die Anſicht von Rau II. §. 92., daß es nicht rathſam ſei, die Gering-
begüterten ſo zu begünſtigen, während die größeren Landwirthe nicht einmal für
ihren bisherigen Genuß entſchädigt, ſondern genöthigt werden, Futter zu kaufen
oder den Anbau verkäuflicher Früchte einzuſchränken, um ſo viel Vieh, als bisher,
zu ernähren, bewirkt daher in der That aus Streben nach Gerechtigkeit und Bil-
ligkeit das platte Gegentheil. Blos das Recht darf hier entſcheiden.
[666/0688]
⁸⁾ Uebrigens ſpricht Rau's Grund (§. 91.), daß die Gemeindeweiden nicht
das geſammte Gemeindevermögen und die andern Gemeindegüter nach andern
Maaßſtäben zu vertheilen ſeien, nicht gegen dieſen Maaßſtab Eine Combination
dieſer verſchiedenen Maaßſtäbe, wie ſie Rau (§. 93.) vorſchlägt, iſt ganz unnöthig.
Ebenſo iſt das Auflegen eines Bodenzinſes (§. 94) ſchädlich.
§. 465.
G. Kredit- und Verſicherungsanſtalten. H. Vereine.
I. Unterrichtsanſtalten.
Endlich ſind noch hierher zu rechnen:
G. Die Verſicherungs- und Kreditanſtalten. Wegen
den Erſteren iſt ſchon oben das Nöthige berührt (§. 455. 456. L. a.).
Von ſehr großer Bedeutung ſind aber die Letzteren, d. h. Anſtalten
(Kaſſen, Inſtitute, Vereine), in welchen die durch Mißverhältniſſe
irgend einer Art, beſonders aber durch zu wohlfeile Preiſe der
Producte, die mit den Capitalauslagen in Mißverhältniß ſtehen
und den landmänniſchen Kredit ſchwächen, bedrückten Grundeigen-
thümer zu billigen Bedingungen Capital aufnehmen können1). Der
Kreditverein tritt in's Mittel zwiſchen den Grundeigenthümern und
Capitaliſten, ſtellt in ſeinem Namen den Capitaliſten die Schuld-
briefe aus und haftet mit dem Geſammtbetrage der verpfändeten
Grundſtücke aller einzelnen Mitglieder für Verzinſung und Capital-
zahlung; er läßt ſich von jedem Schuldner eine hypothekariſche
unter ihrem Werthe geſchätzte Grundverſicherung geben, und bezieht
von ihm die Zinſen, darf aber demſelben nicht aufkündigen, wenn
der Capitaliſt vom Vereine ſein Capital verlangt; es ſtehen ihm
gegen nachläſſige Verſäumung der Zinszahlung Zwangsmittel zu
Gebote: derſelbe führt die Geſchäfte und genaue Rechnung, wofür
die Koſten auch aus den Zinſen genommen werden, und hat alſo,
bei gehöriger Beobachtung des Wirthſchaftsganges der Mitglieder,
immer genaue Einſicht in die Verhältniſſe der Letzteren zum Vereine2).
H. Die landwirthſchaftlichen Vereine3). Sie ſind an-
erkannt eines der mächtigſten Mittel, das landwirthſchaftliche Ge-
werbe zu heben. Allein die Erfahrung hat auch gezeigt, daß ſie,
ſchlecht geleitet, oft nicht nur keinen Nutzen, ſondern ſogar Scha-
den brachten. Es iſt bei ihnen nicht mit Muſterwirthſchaften
und Muſtergütern, die ſie als Pachtungen oder als Eigenthum
beſitzen, eben ſo wenig mit großen landwirthſchaftlichen Gär-
ten gethan, in welchen die größte Manchfaltigkeit von Pflanzen
zu finden iſt; ſondern dieſe Vereine müſſen ſich unter den Bauern-
ſtand mengen, Verſuche im Kleinen vormachen, wenn ſie erprobt
ſind, die Bauern der verſchiedenſten Gegenden ermuntern, ſie im
Freien auf größerem Felde nachzumachen, indem man ihnen die
[667/0689]
Saat u. dgl. verabreicht, gedruckte Formularien zur leichten Be-
richterſtattung mitgibt, und für den Fall des unverſchuldeten Miß-
lingens die Uebernahme eines Theiles vom Schaden, aber für den
Fall beſondern Gelingens Prämien zuſagt. Es ſind daher jähr-
liche öffentliche Preisaustheilungen, mit bloßer Rückſicht
auf das praktiſch Wichtige und nicht auf Seltenheiten und Curioſes,
von dem erheblichſten Nutzen. Davon ſind aber Preiſe für popu-
läre Schriften, und eben ſolche Vereinsblätter durchaus nicht
ausgeſchloſſen. Auch ſind es die Vereine, von welchen die Beför-
derung der verſchiedenen landwirthſchaftlichen Zweige im Einzelnen
ausgehen muß und wofür die landwirthſchaftliche Erfahrung die
Leitungsregeln an die Hand gibt.
I. Die landwirthſchaftlichen Unterrichtsanſtalten.
Sie ſind, in ihrer jetzigen Ausdehnung in einzelnen Ländern, zwar
großartig, aber auch nur für die Bildung großer Gutsbeſitzer ein-
gerichtet. In Deutſchland thut aber der Unterricht für die klei-
neren Gutsbeſitzer Noth, und jene Anſtalten werden nutzlos ſein,
ſo lange nicht der Schullehrerſtand einen eigenen paſſenden
landwirthſchaftlichen Curs auf ſeinen Seminarien durchgemacht
haben muß, um den Sontagsſchulen und ländlichen Ge-
werbsſchulen die Landwirthſchaft zu einem Hauptgegenſtande des
Unterrichts zu machen, — und ſo lange in den Städten keine
Gewerbsſchulen, worin auch Landwirthſchaft gelehrt werden
ſoll, beſtehen.
¹⁾ In Schottland vertritt das dortige Bankſyſtem (§. 444. N. 2.) die Stelle
dieſer Kreditanſtalten, weßhalb es ſich daſelbſt für die landwirthſch. Klaſſe äußerſt
vortheilhaft erwieſen hat. S. über ſolche Vereine: Borowsky, Abriß des prakt.
Cameral- und Finanzweſens in den k. preuß. Staaten Frankf. a. d. O. 1805.
3te Ausg. II. 217. Kraus Staatswirthſch. V. 91. Krünitz Oeconom. Encyclop.
Bd. VIII. Art. Creditſyſtem. v. Struenſee Samml. von Aufſätzen. II. 414.
v. Bülow-Cummerow, Ueber Metall- und Papiergeld. Berlin 1824. S. 143.
v. Soden, Nat. Oeconom. II. 439. Deſſen zwei nationalöconom. Ausführungen,
das idealiſche Getreide-Magazin, und die Nazional-Hypotheken Bank Leipz. 1813.
S. 27. Deſſen Entwurf eines allgem. Creditvereins München 1823. Deſſen
Beleuchtung einiger Bedenken, gegen den von Gr. v. Soden entworfenen Plan ꝛc.
Nürnberg 1824. Lotz Reviſion. II. 264. §. 162 folg. v. Arretin, Ueber Dar-
ſtellung der Bair. Creditvereinsanſtalt. München 1823. Dagegen: Ueber Credit-
vereine. Baſel 1823. v. Hornthal, Ueber das Anlehnsgeſch. der verein. Bair.
Gutsbeſitzer. Bamberg 1824. Gr. v Arco, Auch ein Wort über Creditvereine.
München 1825. (Ein Preuße) Ueber die Errichtung eines Creditvereins im K.
Baiern. Nürnberg 1825. Fahrmbacher, Entwurf einer Nat. Leihanſtalt.
Landshut 1825.
²⁾ Sie befördern aber auch Leichtſinn unter den Landwirthen; es iſt ſchwer,
in den ſchlimmſten Zeiten ſolche Vereine zu halten; ſie können einen großen Druck
auf die Schuldner ausüben; wenn die kleinen Gutsbeſitzer nicht aufgenommen wer-
den, nützen ſie nicht viel; ſie ſind beſonders ſchädlich, wenn ſie nicht die Anleihen
ſelbſt negoziiren, ſondern dies den Mitgliedern überlaſſen, denen ſie die Vereins-
Pfandbriefe gegen Hypotheken übergeben, um ſie an Capitaliſten zu verkaufen, denn
[668/0690]
²⁾ dieſe bezahlen ſie dann öfters unter Pari. Dieſen Uebelſtänden kann aber leicht
abgeholfen werden, wenn man im Vereine zugleich einen Tilgplan anlegt, wozu
Beiträge gegeben werden müſſen u. dgl. mehr.
³⁾ S. Kleinſchrod, Ueber die Beförd. Mittel der Agricultur und des Ge-
werbsweſens in Frankreich. München 1829. Bronn, Ueber Zweck und Einrich-
tung landw. Vereine. Heidelberg 1830. Hundeshagen Zeitbedürfniſſe. I. 145.
Zweiter Abſatz.
Die Viehzucht.
§. 466.
Die Beförderung der Viehzucht hängt insbeſondere ab von den
(§. 463. B.) erwähnten Maximen und Anſtalten, inſoweit ſie die
Viehzucht berühren, z. B. Vieh- oder Blutzehnten, Handlohn in
Thieren u. dgl.; ferner die (§. 464.) erörterten Fragen, weil ſie
auf die Letztere von Einfluß ſind; und endlich ebenſo die im vori-
gen §. angeführten Punkte mit Bezug auf Thierzucht. Die land-
wirthſchaftlichen Vereine haben auch hierin einen ſchönen Wirkungs-
kreis; ſie müſſen mit Unterſtützung von Seiten des Staats die
Thierraſſen nach den Regeln der Thierzucht, die oben mitgetheilt
ſind, und durch Ermunterung verſchiedener Art zu verbeſſern ſuchen.
Drittes Stück.
Der Forſtwirthſchaftsbetrieb.
§. 467.
Die Forſte verdienen als die Quellen Eines der nöthigſten Be-
dürfniſſe um ſo mehr die Aufſicht des Staats, als nicht mit der-
ſelben Zuverſicht allgemeinhin erwartet werden kann, daß die Wirth-
ſchaft der Einzelnen mit dem Volksintereſſe dabei in demſelben
Einklange ſein und verbleiben werde, wie bei der Landwirthſchaft
(§. 433.). Die Staatsaufſicht in gewerblicher Beziehung muß
daher ſtets um ſo nothwendiger erſcheinen, je mehr ſich Waldungen
im Privatbeſitze befinden1). Dieſelbe bezieht ſich aber nach der
Natur der Sache auf folgende Punkte:
A. Die Urbarmachungen und Forſtbetrieb. Dieſe ſind
land- und forſtwirthſchaftlich zugleich ſehr wichtig, denn von dem
Verhältniſſe des Feldbodens zum Waldboden hängen die Fortſchritte
der landwirthſchaftlichen Cultur und der Bevölkerung ab, es iſt
nicht gleichgiltig, welcher Boden zu der einen oder andern Cultur
verwendet wird (§. 257.) und die Rodungen haben einen entſchie-
denen Einfluß auf den klimatiſchen Zuſtand, Waſſervorrath und
die Urbarkeit der Länder. Haben ſie in dieſen Beziehungen zu-
[669/0691]
weilen einen günſtigen Einfluß, ſo ſind doch ſchon öfters Erfahrungen
vom Gegentheile gemacht worden. Die Rodungen könnten wegen
beſonderer Privatvortheile ſo häufig und an Stellen, die für Feld-
bau untauglich ſind, vorgenommen werden, daß das Land einem
Holzmangel entgegenginge; anderſeits aber könnte durch Ankäufe
von Grundeigenthum in todte Hände, für welche ſich Forſtwirth-
ſchaft ſehr eignet, ſo viel Feld in Wald umgewandelt werden,
daß die Bevölkerung von daher Schaden erlitte. In den Händen
der Privaten und Gemeinden könnte eine ſo ungeregelte Wald-
wirthſchaft entſtehen, daß für ſpätere Zeit ein empfindliches Miß-
verhältniß zwiſchen Holzbegehr und Angebot bereitet würde. Es
iſt daher nichts natürlicher, als daß der Staat die Rodungen,
Anlage von Waldungen und die Forſtbetriebswirthſchaft nicht in
die Willkühr der Einzelnen, Gemeinden, Corporationen und Stif-
tungen legt, für die beiden Erſteren die Staatserlaubniß, für die
Letzteren aber die Vorlage und Staatsgenehmigung der Betriebs-
plane befiehlt, und, um einen ſchädlichen Einfluß der Forſtbeamten
zu verhüten, genaue Beſtimmungen über die Fälle der Genehmi-
gung und Nichtgenehmigung feſtſetzt2).
B. Die Waldſervitute in der oben (§. 260. 5.) angegebenen
verſchiedenen Ausdehnung. Da ſich manche dieſer Gerechtſame bei
gehöriger Regulirung ohne Schaden mit dem Waldbetriebe ver-
einigen laſſen und dabei der Viehzucht in manchen Gegenden durch
Mäſtung, Streu und Gras ein großer Vorſchub geleiſtet wird, ſo
iſt es vor Allem wünſchenswerth, daß ſie wenigſtens in der Aus-
übung geregelt und unter polizeiliche Aufſicht geſtellt werden. In
ſehr vielen Fällen aber wird die Ablöſung beſſer ſein. Man be-
dient ſich dabei, nur nach der Eigenthümlichkeit der Forſtwirth-
ſchaft, derſelben Mittel, wie bei der Ablöſung landwirthſchaftlicher
Servitute3).
C. Die Gebundenheit der Forſte. In dieſer Beziehung
verhält ſich die Forſtwirthſchaft gerade entgegengeſetzt zur Bevöl-
kerung, wie die Landwirthſchaft. Ohne Forſtgründe in großer
Flächenausdehnung iſt ein nachhaltiger, das nöthige Holzquantum
ſichernder, Betrieb des Waldbaues nicht möglich, und die Wahr-
ſcheinlichkeit der regelmäßigen Befriedigung des Holzbedürfniſſes
nimmt in demſelben Verhältniſſe ab, als die Zerſtückelung der
Waldflächen zunimmt. Zudem wird durch letztere die Rodung und
die Anſchaffung von Forſteigenthum den Privaten erleichtert, wäh-
rend durch die Gebundenheit der Waldungen dieſelbe erſchwert
und die Anſammlung von Waldeigenthum in den Händen moraliſcher
Perſonen erleichtert wird. Dieſe muß daher Regel bleiben und
[670/0692]
eine Theilung der Forſte kann ohne Staatserlaubniß nicht Statt
finden, dieſe aber darf ohne genügende Sicherung vor Schaden im
Waldbetriebe nicht ertheilt werden.
D. Die Unterrichtsanſtalten. Es iſt nicht wünſchenswerth,
daß ſich viel Waldbeſitz in Privathänden befinde, ausgenommen in
großen Maſſen. Dies aber iſt ſelten thunlich und mit dem Privat-
intereſſe vereinbar. Aber gerade für die Verwaltung der Staats-,
Gemeinde-, Corporations- und Stiftungswaldungen iſt nichts
Heilſames zu erwarten, wenn es keinen gründlich gebildeten
Forſtbeamtenſtand gibt. Hierzu aber ſind Forſtſchulen unumgänglich
nothwendig4).
Die Staatsaufſicht auf die Jagd beſteht im Wildbann, d. h.
in der ſtrengen Feſthaltung der Jagdregeln durch das Geſetz, we-
gen der Hege- und Jagdzeit.
¹⁾ Pfeil und Hundeshagen oben §. 433. N. 1. Rau polit. Oeconom.
II. §. 153. Mohl Polizeiwiſſ. II. 173. 182. v. Jacob Polizeigeſetzgeb. II. 453.
v. Berg Handbuch. III. 134. v. Soden Nat. Oeconom. I. 109. Murhard,
Ideen über wichtige Gegenſtände aus der Nat. Oeconom. S. 108. Hatzel, Grundſ.
der Forſtpolizei. Heilbronn 1802. Neebauer, das Forſtweſen in Bezug auf den
Staat. München 1805. Herfeldt, Iſt die Forſtwirthſchaft der Privaten ....
zu befreien? Regensburg 1818. Wedekind, Forſtverfaſſung im Geiſte der Zeit.
Leipzig 1821. Müller, Begründung eines allgem. Forſt P. Geſetzes. Nürnb. 1825.
Chaveau Code forestjer. Paris 1827. Krauſe, Ueber die Forſtgeſetzgebung in
Deutſchland. Gotha 1834. Behlen u. Laurop, ſyſtemat. Darſtellung der Forſt-
und Jagdgeſetze der deutſchen Bundesſtaaten, von den älteſten bis auf die neueſten
Zeiten. Carlsruhe IIIr u. Vr Bd. Hadamar IIr Bd. Mannheim Ir Bd. 1827–1833.
²⁾ Moreau de Jonnès Recherches sur les changemens produits dans l'Etat
physique des Contrées par la destruction des foréts. Bruxelles 1825. Deutſch.
Tübingen 1828. Castellani Dell' immediata Influenza delle selye sul corso dell'
aqua. Torino 1819 = Heſperus 1825. Nr. 224. Arndt, Ein Wort über Pflege
und Erhaltung des Waldes. Schleswig 1821. Linz, Gränze zwiſchen Feld- und
Waldcultur. Bonn 1821. Niemann Waldberichte. Bd. I. St. 1. S. 3. Kaſt-
hofer, Bemerk. über die Alpenwälder. Aarau 1818. Deſſen Bemerk. auf einer
Alpenreiſe. S. 271 folg. Pfeil, Grundſ. der Forſtwiſſ. I. 180. 206. Reber,
Handbuch des Waldbaues. München 1831. S. 16 folg.
³⁾ S. die Schriften in Note 1. Außerdem: Witzleben, Ueber einige ....
Urſachen des Holzmangels. Frankf. 1800. Hazzi, Aechte Anſichten der Waldungen.
München 1805. Pfeil, Ueber die Befreiung der Wälder von Servituten. Züllichau
1821. Deſſelben Anleitung zur Ablöſung der W. Servituten. Berlin 1828.
Deſſelben Forſtſchutz- und Forſtpolizeilehre. Berlin 1830. S. 232. Hartig,
Beitr. zur Lehre von der Ablöſung der W. Servituten. Berlin 1829. Hundes-
hagen, Ueber Waldweide und W. Streu. Tübingen 1830. Krauſe, Ueber die
Ablöſung der Servituten und Gemeinheiten in den Forſten. Gotha 1833.
⁴⁾ v. Brocken, Gedanken über Errichtung einer Forſtſchule. Hamburg 1792.
Wilcke, Die Bildung des Forſtmannes. Braunſchweig 1801. Orphal, Ueber
Forſt- und Jagdinſtitute. Eiſenach 1805. Medicus, Kann der Unterricht einer
Forſtſchule durch einen Univerſitäts-Unterricht ſurrogirt werden? Landshut 1804.
Pfeil, Ueber forſtliche Bildung und Unterricht. Züllichau 1820. Krutſch, Ueber
forſtliche Bildung. Dresden 1820. Thiriot, Nothwendigkeit der wiſſenſchaftlichen
Ausbildung für den Forſtmann. Gotha 1829. Bronn, Nothwend. der wiſſenſch.
Ausbildung des Forſtmannes. Karlsruhe 1833. Bemerkungen eines Bad. Forſt-
mannes über die Forſtſchule in Karlsruhe. ib. cod.
[671/0693]
Zweites Hauptſtück.
Pflege des Kunſtgewerbsbetriebes.
§. 467.
A. Gewerbsfreiheit.
Der nothwendige Verband der Kunſtgewerbe mit den Urgewer-
ben (§. 434.) und die Vortheile, welche ſie unmittelbar für das
Menſchenleben hervorbringen, machen die Gewerksinduſtrie einer
beſondern Aufmerkſamkeit der Regirung und der bürgerlichen Ge-
ſellſchaft würdig. Sie ſind jedoch auch ſchon überſchätzt worden
und namentlich iſt dies der Grund der verſchiedenen Maaßregeln
des Mercantilſyſtems zur Förderung des Gewerksweſens (§. 397.
N. 3.), als da ſind: Hervorrufen aller möglichen Gewerke, um im
Inlande Alles zu produciren, Begünſtigung durch Privilegien,
Errichtung von Zünften, Vorſchüſſe aus der Staatskaſſe, Prämien
auf die Anlegung neuer Etabliſſements, eigene Etabliſſements auf
Staatskoſten u. ſ. w. Der natürliche Gang der Entwickelung des
Gewerbsweſens zeigt, daß es ſolcher künſtlicher Hervorlockungen
nicht bedarf, weil das Volk in ſolchen Dingen von ſelbſt auf das
Vortheilhafteſte verfällt, und daß dieſelben inſoferne ſchädlich ſind,
als ſie die natürliche Anlage von Arbeit und Capital hemmen, und
oft an die Hervorbringung von Dingen wenden, die man vom
Auslande wohlfeiler und beſſer erhalten kann und folglich das In-
tereſſe der Conſumenten (Urgewerbsleute) jenem der Gewerksleute
aufzuopfern. Es muß auch hier das allgemeine polizeiliche Prin-
zip (§. 438.) feſtgehalten werden. Nach dieſem aber erſtreckt ſich
die Leitung der Gewerke von Seiten des Staats auf folgende
Punkte:
A. Die Gewerbsfreiheit. Dieſe iſt zwar der allgemeinſte
Grundſatz der ganzen Gewerbspolizei, weil ſich nach ihr die Ge-
werbs- und Bevölkerungsverhältniſſe am natürlichſten und zwang-
loſeſten geſtalten. Hier aber muß ſie beſonders erwähnt werden,
weil ſie von jeher in den Kunſtgewerken am wenigſten gehandhabt
wurde, da bei ihnen der Zunftzwang eingeführt iſt (§. 312. 5.).
Es iſt ſehr natürlich, daß das meiſte Große in der Volkswirth-
ſchaft durch Vereinigungen hervorgebracht wird. Die Geſchichte
beſtätigt dies auch auf jedem Blatte, am meiſten aber im Mittel-
alter durch die Handels- und Handwerksgenoſſenſchaften
und die Hanſeverbindungen, und in unſern Zeiten durch die
Actiengeſellſchaften. Der charakteriſtiſche Unterſchied zwiſchen
jenen und den jetzigen Geſellſchaften dieſer Art iſt darin zu finden,
[672/0694]
daß das Ausſchließungsſyſtem im Geiſte der damaligen, das Um-
faſſungs- und Freiheitsſyſtem im Geiſte der jetzigen Zeit liegt.
Es kommt dazu, daß noch jetzt jene Zünfte und Gilden, obſchon
nicht in der alten Schroffheit mit dieſem neuern Gewerbsgeiſte und
mit dieſen freien Geſellſchaften in Concurrenz ſtehen. Allein ſie
ſind mit dem Prinzipe der Verkehrsfreiheit unverträglich und deß-
halb bedeutenden Modificationen zu unterwerfen. Sie hatten bei
ihrer Entſtehung im Mittelalter außer dem Zwecke der politiſchen
Reaction (damals der bedeutendſte, jetzt aber völlig nichtig, aus-
genommen in den momentanen Vereinigungen der Arbeiter unſerer
Zeit), noch die beſondern wirthſchaftlichen der Sicherheit des
Unterhalts der Handwerksklaſſe, der Erhaltung und Erhöhung der
Gewerkskunſt, und den moraliſchen der Pflege der Sittlichkeit und
des Gemeinſinnes der Meiſter, Geſellen und Jungen. Allein ſo
gut auch dieſe Zwecke an und für ſich waren, ſo liegt doch wenig-
ſtens in jetziger Zeit in den dazu angewendeten Mitteln zum Theile
unmittelbarer Schaden, zum Theile aber auch der Fehler, daß ſie
die vorgeſetzten Zwecke nicht ganz erreichen. Denn 1) was die
Sicherheit des Unterhaltes anbelangt, ſo ſpricht gegen die
Zunftſatzungen der Umſtand, daß ſich der Abſatz der Gewerkspro-
ducte aus verſchiedenen Urſachen bei einem Meiſter ſehr erweitern
kann und in Modehandwerken immer erweitert, indem er bei an-
dern ſinkt und ganz verſchwindet, daher auch die Feſtſetzung einer
beſtimmten Meiſterzahl die Sicherheit ihrer Unterhaltung nicht
bewirkt, und, wenn auch vielleicht einmal für die Gegenwart, doch
nicht für die Zukunft. Die Beſchränkungen der Erwerbung des
Meiſterrechtes erreichen wegen der vielen Mißbräuche dabei ihren
Zweck nicht und ſchaden noch inſoferne, als ſie die Concurrenz ver-
mindern, woraus nicht ſelten Verſchlechterung, ſtets aber Ver-
theuerung der Producte hervorgeht. Was 2) die Erhaltung und
Erhöhung der Geſchicklichkeit anbelangt, ſo iſt bei manchen
Gewerken die Lehrzeit zu lang, der Unterricht mangelhaft, die
Behandlung der Lehrlinge ſchlecht, der Gewerbswechſel erſchwert,
die Einführung von Maſchinen gehindert, und das Wandern zwar
nützlich, aber die Prüfung durch das Meiſterſtück unzureichend und
zu viele Partheilichkeit vorherrſchend, ſo daß geſchickte Männer
verdrängt, dagegen viele ungeſchickte zugelaſſen werden. 3) Die
moraliſchen Zwecke ſind ohne Zweifel ſehr gut, allein der er-
wünſchte Gemeinſinn geht in einem verwünſchten Corporationsgeiſt
über und manche Mittel dazu, als Abhaltung der unehelichen
Kinder und Juden vom Handwerke, ſinnloſe und unſittliche Ge-
bräuche der Bruderſchaft, Oppoſitionsgeiſt u. dgl., widerſprechen
[673/0695]
denſelben. Aus dieſen Gründen iſt die Aufhebung, d. h. eine
ſolche Umgeſtaltung der Zünfte nach dem Geiſte der Zeit, daß man
ihnen ihre ſchädlichen Einrichtungen nimmt, rathſam. Man kann
aus ihnen freie Gewerksvereine mit den guten Zunft- und noch
anderen Satzungen machen, wobei die freie Concurrenz Wohlfeil-
heit der Waaren, Erhöhung der Gewerkskunſt durch Nacheiferung
und Güte der Erzeugniſſe bewirkt. Die daher gefürchtete über-
mäßige Beſetzung der Gewerke, nachläſſige Vorbereitung dazu,
Unterdrückung der kleineren Unternehmer (Handwerker) durch die
größeren (Fabrikanten), unchriſtliche Vernachläſſigung des leiblichen
und geiſtigen Wohles der Geſellen und Jungen u. dgl. mehr wird
durch die Concurrenz ſelbſt, durch Beibehaltung der Lehr- und
Wanderjahre, durch ſtrenge Prüfung und durch Gewerbskaſſen u. dgl.
verhütet. Was aber insbeſondere die Unterdrückung der Handwerke
anbelangt, ſo ſind manche derſelben durch Fabriken nicht zu ver-
drängen, es gibt andere Erwerbszweige, die man ergreifen kann,
die Zünfte haben gegen die Unterdrückung der Einzelnen auch nichts
vermocht, die Producentenklaſſe darf nicht auf Koſten der Conſu-
menten ſo bereichert werden und die augenblickliche Arbeitsloſigkeit
Weniger kann nicht die allgemeine Richtſchnur für Staatsmaaß-
regeln geben, die den größten Theil der Bevölkerung in oft ſehr
empfindlichen, Nachtheil bringen. Uebrigens iſt es durchaus un-
klug, ſo veraltete und in die Fugen der bürgerlichen Geſellſchaft
eingeroſtete Schrauben plötzlich und mit Gewalt herauszureißen.
Es ſind vielmehr allmälig mildernde, auflöſende und rüttelnde
Mittel die beſten, weil ſie die entſtehenden Nachtheile für Einzelne
weniger empfindlich machen1).
¹⁾ Literatur: Zur Geſchichte: Wilda, das Gildenweſen im Mittelalter. Halle
1831. Eichhorn, Deutſche Staats- und Rechtsgeſch. II. §. 312. III. §. 432.
Hüllmann, Städteweſen im M. A. I. 315. II. 325. IV. 75. Deſſelben Geſch.
des Urſprungs der Stände. Bd. III. Rau, Ueber das Zunftweſen. Leipzig 1816.
Leuchs, Gewerbe- und Handelsfreiheit. Nürnberg 1827. Für Aufhebung der
Zünfte: A. smith Inquiry. II. 195. 263. say Cours. III. 247. Ueberſ. von v. Th.
III. 193. simonde de sismondi Richesse Commerc II. 250. 274. Encyclop.
méthodique. Art. Finances. Mot. Maîtrises. III. 15. Chaptal De l'Industrie
française. II. 299. Considérations sur le Commerce ...... les Compagnies,
sociétés et Maîtrises. Amsterd. 1758. Campomanes, Von der Unterſtützung der
Induſtrie in Spanien. Aus dem Span. Stuttg. 1778. S. 146. Kraus Staatsw.
II. 46. V. 198. Lotz Handbuch. II. 189. Rau polit. Oeconom. II. §. 178.
Mohl Polizeiwiſſ. II. 228. v. Jacob Polizeigeſetzgeb. II. 420. 507. Mur-
hard, Politik des Handels. S. 192. (Hoffmann) das Intereſſe des Menſchen
und Bürgers bei der beſtehenden Zunftverfaſſ. Königsberg 1803. Maier, Entw.
der Anſichten des Z. Weſens. Augsb. 1814. Niebler, Ueber das Z. Weſen und
die G. Freiheit. Erlangen 1816. Bernoulli, Ueber den nachtheil. Einfluß der
Zünfte. Baſel 1822. Ebers, Ueber Gewerbe. Breslau 1826. Leuchs a. a. O.
S. 94. Peſtalutz, Ueber das Zunft- und Innungsweſen in der Schweitz. Zürich
1829. Bleſſon, Ueber Gewerbs-Ordnungen und G. Freiheit. Berlin 1833.
Baumſtark Encyclopädie. 43
[674/0696]
¹⁾ Bülau, der Staat und die Induſtrie. Leipzig 1834. S. 70. 100. Gegen die
Aufhebung derſelben: (Firnhaber) hiſtor. polit. Betracht. der Innungen. Han-
nover 1782. Mohl und Ortloff, Ueber das Wandern der H. Geſellen. Erlangen
1789. Weiß, Ueber das Z. Weſen. Frankf. 1798. Steingruber, Ueber die
Natur der Gewerbe ꝛc. Landsh. 1815. Rau, Ueber das Zunftweſen. Leipzig 1816
(modifizirte ſpäter ſeine Anſicht). v. Langsdorf, Wie kann .... die Z. Ver-
faſſung .... modifizirt werden? Gießen 1817. Tenzel, Wie kann in Teutſch-
land ..... Landshut 1817. Rehfues, Ueber das Zunftweſen. Bonn 1818.
Ziegler, Ueber Gewerbsfreiheit und deren Folgen. Berlin 1819. Schulz, die
Bedeut. der Gewerbe im Staate. Hamm 1824. Stuhlmüller, Verſuch einer
bedingten G. Freiheit. Nürnb. 1825. Gyſt-Schinz, das Zunft- und Innungs-
weſen. Zürich 1831. Beisler, Ueber Gemeindeverf. und G. Weſen. Augsb. 1831.
v. Soden Nat. Oeconom. II. §. 256. VI. 205. Buchholz N. Monatſchrift.
Jahrg. 1825. S. 64. Ueber Zunftweſen auch Verhandl. der Bad. II. Kammer von
1822. V. 78. 149. I. Kammer III. 406. IV. 85. Beil. Z. 134. = Morſtadt
Nationalöconom. 1834. H. IV. 294.
§. 468.
B. Gewerksprivilegien. C. Gewerksvereine. D. Unterrichts-
anſtalten.
Ein fernerer Gegenſtand der Gewerksleitung des Staates ſind:
B. Die Gewerksrechte und Gewerksprivilegien. Wird
in der Gewerksproduction Jemanden ein Privilegium ertheilt, ſo
entſteht dadurch eine Beengung der freien Concurrenz, mehr oder
weniger eine Beeinträchtigung der Rechte Anderer, und ein Nach-
theil für die Conſumenten, welche einen Monopolpreis bezahlen
müſſen. Aus dieſen Gründen iſt das neue ſtaatswirthſchaftliche
Syſtem dem Grundſatze nach gegen ſolche Privilegien. Von dieſem
Grundſatze weichen aber die jetzigen Staaten theilweiſe noch ab,
indem ſie ſich ſelbſt gewiſſe Gewerkszweige, wie z. B. die Münz-,
Pulver-, Salpeter-, Tabakfabrication als Vorrechte vorbehalten
und indem ſie einzelnen Bürgern wenigſtens auf einige Zeit Ge-
werksvorrechte ertheilen. Erſteres geſchieht aus überwiegenden
Gründen der öffentlichen und allgemeinen Sicherheit oder aus
ſtaatsfinanziellen Urſachen, welche in der Finanzwiſſenſchaft näher
zu unterſuchen ſind. Letzteres aber begreift die Geſetze und Privi-
legien gegen den Nachdruck1) und die Erfindungspatente
(Brevets d'invention, Patents of Invention)2). 1) Wollte
man den Nachdruck, als öffentliche Vertheilung des einem Anderen
Gehörigen, mit dem Eigenthumsrechte des Schriftſtellers oder Künſt-
lers an ſeinem geiſtigen Producte als ein Unrecht erklären, ſo würde
man ſich irren, denn dieſes geiſtige Eigenthumsrecht iſt nichts als
die Autorſchaft, die ihm Niemand entziehen kann, und hat er
ſeine Gedanken und Erfindungen veröffentlicht, ſo ſteht Jedem
deren Benutzung zu Gebote. Eben ſo ſehr aber fehlt man in der
Vertheidigung des Nachdrucks von der rechtlichen Seite damit,
[675/0697]
daß das gekaufte Exemplar, als Eigenthum des Käufers, von die-
ſem beliebig vervielfältigt werden dürfe, denn dies, wie jede Hand-
lung, iſt nur dann geſtattet, wenn Niemand dadurch in ſeinen
wohlerworbenen Rechten gekränkt wird. Eine ſolche Kränkung
findet aber beim Nachdrucke Statt, denn der Autor hat ein Recht
auf alle diejenigen Vortheile, welche ihm aus ſeinem Verfaſſer-
eigenthume an ſeinem unter Anwendung von Arbeit hervorgebrachten
Erzeugniſſe im Verkehre erwachſen können. Beſtünde dieſes Recht
nicht, ſo müßte alle nützliche Arbeit unterbleiben. Er kann dieſe
Vortheile an einen Andern abtreten, ſei es als Geſchenk oder gegen
Vergütung. Wer nun aber ein Druckwerk nachdruckt, der kränkt,
da er es ohne Erlaubniß und Entſchädigung des Verfaſſers thut,
denſelben in ſeinen Rechten und, wenn dieſer ſie an einen Verleger
abgetreten hat, dieſen Letzteren, jedenfalls aber beide zugleich,
wenn, wie gewöhnlich, der Verfaſſer ſein Product nicht als Eigen-
thum, ſondern nur Auflagenweiſe an den Verleger gegeben hat.
Deßhalb iſt ein geſetzliches Verbot, Beſtrafung des Nachdrucks
mit und ohne Nennung des Autors oder unter verfälſchtem Au-
tornamen, und Schadenserſatz unumgänglich nothwendig. Wäre
es dies aber auch nicht, ſo erſcheinen Privilegien gegen den Nach-
druck gewerbspolizeilich nicht blos billig, ſondern nöthig, weil nur
dann in Erfindungen, Schriftſtellerei und Kunſt Leiſtungen und
Unternehmungen möglich ſind, wenn der Unternehmer des Erſatzes
ſeiner Auslagen ſammt Gewinn gewiß iſt. Dies iſt aber beim
Nachdrucke nicht möglich, und die Erfahrung zeigt, daß eine Menge
der nützlichſten Entdeckungen deßhalb gar nicht veröffentlicht werden.
Der wahre Begriff der Concurrenz hört auf, wenn die Verbreiter
einer Erfindung, die eine ungeheuere Anzahl ausmachen können,
mit den ſehr ſeltenen Erfindern in gewerblichen Conflickt kommen;
denn ſie kann nur unter den Verbreitern einerſeits, und unter den
Erfindern anderſeits Statt finden. Aus dieſen Gründen zerfallen
die Vertheidigungsgründe des Nachdrucks, als wie: man müſſe
Gewerbsfreiheit, freie Concurrenz geſtatten, und derſelbe befördere
die Verbreitung nützlicher Kenntniſſe, als ganz nichtig in ſich ſelbſt.
Es folgt aber hieraus, daß der Ausdruck Privilegium in dieſen
Fällen ganz ungeeignet iſt, da der Staat keine Concurrenz beengt,
ſondern vielmehr die Erfinder u. dgl. blos gegen die Uebermacht
der Verbreiter in ihren natürlichen Rechten ſchützt. 2) Daſſelbe
gilt auch von den Erfindungspatenten, d. h. von den ſchrift-
lichen Staatsurkunden, welche Einem auf mehrere Jahre, leider
in der Regel nicht ohne hohe Taxen und Gebühren, ſo daß er den
natürlichen Rechtsſchutz erſt noch beſonders theuer erkaufen muß,
43 *
[676/0698]
die ausſchließliche Benutzung einer Erfindung geſetzlich zuſichern,
unter der ausdrücklichen Bedingung, daß nach Ablauf jener Zeit
ſeine Erfindung allgemein benutzt werden könne. Unbekümmert um
die Zweckmäßigkeit der Erfindung ertheilt ſie der Staat nur unter
der Bedingung der Depoſition einer genauen Beſchreibung der Er-
findung an den ſich Meldenden, ſei dies der Erfinder ſelbſt oder ein
Anderer, der das Nutzrecht geſetzlich von jenem erworben hat, und
beſtraft die dem Patente Zuwiderhandelnden und die Erſchleicher
oder Betrüger um Erfindungen, nach geſchehener Anzeige. Die
Beſtimmung der Geltungszeit des Patentes muß vom Patentnehmer
ausgehen, weil er allein berechnen kann, wann ihm ſeine Auslagen
und ſein Gewinnſt erſtattet ſein werden und weil, wenn er ſeine
vielleicht ſehr nützliche Erfindung nicht veröffentlichen wollte, ihn
der Staat nicht dazu zwingen darf3).
C. Gewerksvereine. In ſolche können an jedem Orte die
Zünfte verwandelt werden. Zudem aber ſind Centralvereine noth-
wendig und nützlich, und ihnen zuſammen ſind die verſchiedenen
Ermunterungsmittel, als da ſind, Austheilung von Preiſen, Kunſt-
und Gewerbsausſtellungen, Ankauf und Verloſung der ſchönſten
und werthvollſten Erzeugniſſe auf Actien, Modellſammlungen,
Maſchinen- und Handwerkzeug-Sammlungen, in die Hand zu legen.
D. Unterrichtsmittel. So wie die gelehrte Bildung, ſo
bedarf auch die Gewerksbildung einer Organiſation von Elementar-,
Mittel- und Hochſchulen (ſ. §. 440.).
¹⁾ Gegen den Nachdruck: say Cours. III. 232. Ueberſ. von v. Th. III. 181.
Mohl Polizeiwiſſ. II. 263. Sonſt eine ſehr zahlreiche beſondere Literatur, wor-
unter beſonders bemerkenswerth ſind: Pütter, der Büchernachdruck. Gött. 1774.
Ehlers, Ueber die Zuläſſigkeit des Büchernachdrucks. Leipzig 1784. Kant, Von
der Unrechtmäßigkeit des B. Nachdrucks. (Berl. Monatsſchrift. Jahrg. 1785. H. 5.)
Becker, das Eigenthum an Geiſteswerken. Leipzig 1789. Luden Nemeſis. II.
H. 2. S. 328. Schmidt, der Büchernachdruck. Jena 1822. Neuſtetel, der B.
Nachdruck. Heidelb. 1824. Paulus Rechtsforſchungen. Heidelb. 1824. 1s Heft.
Kramer, die Rechte der Schriftſteller und Verleger. Heidelberg 1827. Elwers
Themis. Bd. I. H. 2. S. 209. Für denſelben: Reimarus, der Bücherverlag.
Hamb. 1773. Deſſelben Erwägung des Verlagsrechts in Anſehung des Nach-
drucks. Hamb. 1792. Knigge, Ueber Büchernachdruck. Hamb. 1792. Krauſe,
Ueb. B. Nachdruck. Stuttg. 1817. Grieſinger, d. Büchernachdruck. Stuttg. 1822.
²⁾ say Cours. III. 406. Ueberſ. von v. Th. III. 312. Mac-Culloch Dictio-
nary of Commerce. Deutſche Bearb. I. 633. Lotz Handbuch. II. 118. storch
Cours, Ueberſ. von Rau. III. 159. Rau polit. Oeconom. II 203. Mohl Poli-
zeiwiſſ. II. 276. Murhard, Politik des Handels. S. 201. Renouard Traité des
Brevets d'invention. Paris 1825. Report on the Laws relative to Patents of
Invention, ord. by the House of Commons to be printed. London 1825. Ueber
die franzöſ. Patentgeſetze: Vincens Leg. comm. III. 18.; über die engliſchen:
Godson Treatise on the Laws of Patents. Lond. 1823.; über die amerikaniſchen:
Fessenden Essay on the Laws of Patents. Boston 1810.
³⁾ Der wahre Geſichtspunkt dieſer beiden Geſetzgattungen möchte bisher größ-
tentheils mißkannt worden ſein. Denn die bloße Billigkeitstheorie, welche man in
[677/0699]
³⁾ der Regel zu ihrer Vertheidigung zu Hilfe zieht, iſt eine gefährliche. Auch Mohl
wendet ſie an, namentlich beim Büchernachdrucke, da er keinen Rechtsgrund gegen
denſelben erkennt. Lotz und viele Andere ſtimmen nur mit Mühe für die Erfindungs-
patente, weil ſie dieſelbe für Störungen der freien Concurrenz anſehen.
Drittes Hauptſtück.
Pflege des Umſatzgewerbsbetriebes1).
§. 469.
I. Waaren-, II. Effecten-, III. Geldhandel.
Die Leitung des Handels hat mehr Schwierigkeiten als die
jedes andern Gewerbszweiges. Darum hat man es in manchen
Staaten vorgezogen, in den Haupthandelsplätzen Collegien von frei
gewählten Gliedern des Handelsſtandes (Handelskammern) zum
Behufe der Berathung in beſondern Fällen der Handelsgeſetzgebung
zu bilden. Was aber die verſchiedenen Handelsarten ſelbſt anbe-
langt, ſo bieten ſie ſich in folgenden verſchiedenen Beziehungen als
Gegenſtände der Staats- und Volksſorge dar:
I. Der Waarenhandel kann 1) ohne gute und gleiche
Maaße und Gewichte nicht gedeihen (§. 323. 324. 453.). Der
Staat muß daher für ein bequemes, wenigſtens im Lande gleich-
förmiges, und unveränderliches Maaß- und Gewichtsſyſtem Sorge
tragen, deßhalb die Urmaaße von einer feſten Größe nehmen und
ſorgſam aufbewahren. 2) Das Zunftweſen iſt beim Handel noch
mehr zu verwerfen, als bei den Gewerken, weil es mehr oder we-
niger ein Monopol begründet. 3) Die Monopolien aber ſind
verwerflich, da ſie die Monopoliſten auf Koſten der Conſumenten
begünſtigen, die Handelsbetriebsgeſchäfte lähmen, den Gewerbseifer
unterdrücken, und die größere volkswirthſchaftliche Vortheilhaftigkeit
eines Handelsgeſchäftes wegen Verbots der Concurrenz verhindern.
II. Der Effectenhandel iſt ſchon ſeit mehr als hundert
Jahren der Aufmerkſamkeit der Regirung im höchſten Grade wür-
dig. Denn, während er für ſich einerſeits der nützlichen Beſchäf-
tigung viele Hände und Capitalien entzieht, iſt er wegen der in
ihm Statt findenden übertriebenen Speculationen äußerſt häufig
der Grund nicht blos wirthſchaftlicher und geiſtiger Zerrüttung
Einzelner, ſondern ganzer Familien (§. 348–350.). Man mag
über die rechtliche Natur der Papiergeſchäfte beliebiger Meinung
ſein2), ſo bleibt ſo viel gewiß, daß es der Staat nicht ungeſtraft
dulden ſollte, wie einige Wenige blos aus ihrem Privatintereſſe
Intriguen, auch der ſchändlichſten Art, zu Hilfe nehmen und, in-
dem ſie den Curs der Papiere heben oder herabdrücken, Tauſende
in Verluſt und Armuth verſetzen.
[678/0700]
III. Der Geldhandel, größtentheils Folge der Lebhaftigkeit
der andern Handelsarten, bedarf keiner andern Aufſicht, als jener
auf ein gutes Münzweſen.
¹⁾ Dieſes Hauptſtück iſt das letzte dieſer Abtheilung. Denn die Sorge für die
Dienſtgewerbe fällt mit §. 440., und jene für das Leihgeſchäft mit §. 441. in Eins
zuſammen, wenn man die vielen, in anderer Hinſicht auch wichtigen Anſtalten und
Maaßregeln in der Volkswirthſchaft abrechnet. Zur Literatur: Büſch Darſtellung.
Ausg. von Normann. I. 445. Rau polit. Oeconom. II. §. 231. Mohl Poli-
zeiwiſſ. II. 319. v. Jacob Polizeigeſetzgeb. II. 530. Lotz Handbuch. II. 185 folg.
Kraus Staatswirthſch. V. 248. Murhard Politik des Handels. Göttingen 1831.
Meißner Staatshandelswiſſ. Breslau 1804. Mac-Culloch, Ueber Handel und
Handelsfreiheit. Aus dem Engl. von Gambihler. Nürnb. 1834. Deſſen angef.
Dictionary of Commerce. Deutſche Ueberſ. I. 755–855. simonde de sismondi
Rich. commerc. II. 143. Vincens Exposition de la legislation commerciale.
Paris 1821. Condillac Le Commerce et le Gouv. Paris 1795. II Tom. Vital-
Roux sur l'Influence du Gouv. sur le Commerce. Paris 1801. II Tom. Deutſch
von Tritſchler. Dresd. 1806. 2te Aufl. Ferrier Du Gouv. dans ses rapports
avec le Commerce. Paris 1804. S. §. 435. Werden ſpäter nur ausnahmsweiſe
citirt.
²⁾ S. die Schriften in der Note 1 des §. 336. und die bei Rau II. §. 316.
erwähnten kl. Schriften.
§. 470.
IV. Einzel-, V. Geſellſchafts-, VI. Binnen- und
VII. Zwiſchenhandel.
IV. Der Einzelhandel bedarf in der Eigenſchaft als Eigen-
handel keiner beſondern Staatsſorge, aber als Commiſſionshandel
bedarf er einer Garantie über die Perſonen und Geſchäftsführung
der Commiſſionaire. Da nun die Mäkler die öffentlichen Commiſ-
ſionaire ſind, ſo iſt eine Mäklerordnung unumgänglich.
V. Der Geſellſchaftshandel oder eine große Handels-
geſellſchaft (§. 352. 3.) hat Alles dasjenige für ſich, was über-
haupt Vereinigungen von Perſonen und Capital zu großen Ge-
werbsunternehmungen für ſich haben, nämlich leichte Betreibung
großer Geſchäfte, Bezug großer Vortheile, bequeme Deckung der
Verluſte, Errichtung großer koſtſpieliger Anſtalten u. dgl. Allein
deßhalb, wie früher geſchah, ſie durch ausſchließliche Privilegien
zu begünſtigen, widerſpricht dem Prinzipe der Gewerbsfreiheit und
der Wirthſchaftspolizei und verurſacht dem Lande alle Nachtheile
der Monopolien (§. 469. I. 3.), und eine Abziehung der Capitalien
und Arbeitskräfte von ihrer natürlichen Anwendung, was natürlich
in manchfacher Hinſicht nachtheilig iſt. Die Geſchäftsverwaltung
bekommt alle Schaden, welche aus der Adminiſtration einer mo-
raliſchen Perſon durch Beamte und Diener verſchiedenen Grades
erwachſen können, nämlich Verſchwendung, Unordnung, Nachläſ-
ſigkeit, aus Mangel an Controle beſonders in fernen Ländern,
[679/0701]
Eigennutz und Bereicherungsſucht der Angeſtellten, Veruntreuung
und große Schulden. Am ſchrecklichſten aber ſind die Folgen für
das Land, in welchem die Geſellſchaft ihre Geſchäfte macht, wenn
ihr auch die Staatsverwaltung deſſelben überlaſſen iſt, denn ihr
letztes Prinzip iſt der Monopolsgeiſt, nach ihm muß ſich alles
Gewerbsweſen erzwungen richten, es tritt rückſichtsloſe Ausſaugung
durch Naturalabgaben und Geldſteuern an die Stelle eines erträg-
lichen Steuerſyſtems, Willkühr an die Stelle der Gerechtigkeit in
der Gerichts- und Polizeipflege, Vernachläſſigung der geiſtlichen
und ſittlichen Cultur der Unterthanen folgt von ſelbſt und im
Gefolge von dieſen Verhältniſſen alles wirthſchaftliche und häus-
liche Elend bis zu häufigen Hungersnöthen und verheerenden Krank-
heiten1). Dies hat die Erfahrung bewährt und mit Recht iſt man
gegen das Ertheilen ſolcher Privilegien jetzt in hohem Grade ab-
geneigt. Thun ſich Handelsgeſellſchaften von freien Stücken auf,
ſo wird ihnen der Staat nach Prüfung der Statuten und mit
Erhaltung völliger Handelsfreiheit ſeine Genehmigung nicht ver-
ſagen können.
VI. Der Binnenhandel iſt hier als Klein- und Großhandel
zu betrachten. Wenn derſelbe gedeihen ſoll, ſo iſt die Errichtung
von Wochen- und Jahrmärkten und die Aufhebung aller
Binnenzölle und Abſchließungen zwiſchen Provinzen in jedem
Lande nöthig. Die Meſſen und Börſen mit eigenen Meſſen-
und Börſenordnungen ſind nur in größeren Handelsſtaaten und
Handelsſtädten erforderlich. Ein lebhafter Binnenhandel mit er-
leichterter Communication macht ſie durchaus weniger weſentlich.
Eine beſondere Aufmerkſamkeit der Regirung erheiſcht der Trödel-
und Hauſirhandel gegenüber dem Kramhandel, allein weit
mehr in ſicherheitspolizeilicher als gewerbspolizeilicher Hinſicht
(§. 451.). Denn beide ſind an ſich ſo ehrliche Handelsgeſchäfte
als alle andern, ſie verſchaffen der ärmeren Klaſſe ihren Bedarf
an Kleidern u. dgl. wohlfeil, erſparen ihnen die Beziehung von
Märkten und die damit verknüpften Auslagen, befördern (nament-
lich der Trödelhandel) die Sparſamkeit in allen Ständen, und
halten die zu ſchnelle unproductive Conſumtion auf. Der öftere
mehr oder weniger allgemeine Eifer gegen den Hauſirhandel insbe-
ſondere iſt in der Regel Folge des Brodneides der Krämer, weil
der Hauſirer, zufrieden mit geringem Gewerbsgewinne, ſeine Waa-
ren zum Vortheile der Käufer wohlfeiler gibt. Dieſe Vortheile
des Hauſirhandels ſind entſchieden, und am meiſten bei zerſtreuter
Lage der Wohnplätze; die Nachtheile deſſelben in ſicherheitspolizei-
licher Hinſicht ſind blos möglich; derſelbe muß aber von ſelbſt
[680/0702]
verſchwinden, je mehr ſich die Bevölkerung auf dem Lande ver-
dichtet und ſich dann Krämer anſetzen, wie auch die Erfahrung
der letzten paar Jahrzehnte zeigt. Ein Verbot des Hauſirhandels
iſt daher ungerecht, unnütz und dazu noch faſt unausführbar, und
es bleibt die Garantie gegen Sicherheitsſtörung dadurch vermittelſt
des Gebots der Löſung von Hauſirpatenten, aber dann unnach-
ſichtige Strenge gegen die Nichtpatentiſirten das paſſende polizei-
liche Mittel in Betreff deſſelben2). — Für die Kleinhändler bedarf
es keiner weiteren Bildung als des Elementar- und niederen
Gewerbsunterrichts, mit welchem der Lehrling zugleich ſeine
Lehrzeit verbinden kann. Zur Bildung des Großhändlers ſind aber
größere Handelsſchulen nothwendig, weil ſie einen Grad von
Wiſſenſchaftlichkeit erfordert (§. 440.).
VII. Der Zwiſchenhandel iſt begreiflicher Weiſe mit dem
Binnenhandel ſehr nahe verbunden. Für beide, beſonders aber in
einem Lande, das dieſen beſitzt, ſind 1) Poſt-, Fracht- und
Speditionsanſtalten im höchſten Grade vortheilhaft. Allein
der Staat braucht ſich um deren Errichtung nicht zu bekümmern,
weil, wenn ſie ein einträgliches Geſchäft abgeben können, ſich ſchon
von ſelbſt Leute dazu veranlaßt finden. Auffallend iſt es, daß man,
während hierüber in Betreff der beiden Letztern und der Fahrpoſt
kein Zweifel mehr obwaltet, in Betreff der Brief- und Packpoſt
noch das Vorurtheil hat, blos der Staat könne die erforderliche
Garantie gegen Verletzung des Briefgeheimniſſes und wegen der
ſichern Ueberlieferung gewähren, blos er vermöge die Anlage der
Poſtcurſe zu machen und die Verbindung mit dem Auslande zu
erhalten. Einiges Nachdenken zeigt das Gegentheil hiervon. Fer-
nere Mittel zur Hebung des ſehr nützlichen Zwiſchenhandels ſind
2) die Freihäfen, d. h. Häfen, die frei von Einfuhrzöllen ſind;
3) die Niederlagen (Packhöfe, Lagerhäuſer, Entrepôts): 4) die
Privatlager (Entrepôts fietifs), d. h. die Einrichtung, daß
der Kaufmann die eingehenden Waaren in ſein eigenes Lager unter
der Verantwortlichkeit niederlegen darf, daß er, wenn ſie nicht
werden aus dem Lande gehen, den Einfuhrzoll bezahlt. 5) Die
möglichſte Abgabenfreiheit deſſelben, da durch Tranſitozölle
nichts bewirkt, als zum Beſten der Staatskaſſe der Zwiſchenhandel
erſchwert, oder gar zuletzt dem Lande entzogen wird. Bei Anlage
der Straßen- und Brückengelder, Waſſerzölle, Hafengelder u. dgl.
iſt daher der Tranſitohandel ſorgfältig zu bedenken, wenn man aus
finanziellen Gründen ihn nicht ganz frei laſſen kann. Beſtehen
aber Ein- und Ausfuhrzölle und inländiſche Conſumtionsſteuern
für eingehende Waaren, ſo ſind die Tranſitogüter denſelben nicht
[681/0703]
unterworfen. Man hat daher die Rückzölle (Draw-backs),
d. h. die Zurückzahlungen der entrichteten Eingangszölle, wenn
die Güter ganz oder theilweiſe das Land wieder verlaſſen, ange-
ordnet und faſt eben ſo bequem gefunden, wie die genannten Nie-
der- und Privatlager.
¹⁾ Am meiſten hat dieſe die engliſch-oſtindiſche Geſellſchaft bewährt, deren
Privilegium aber a. 1833 durch eine neue Charte gebrochen wurde. S. das Reform-
miniſterium und das reform. Parlament. S. 33. Es ſind viele Streitſchriften in
England deßhalb erſchienen. S. Geſchichtliches und Statiſtiſches darüber bei Rau
polit. Oeconom. II. §. 236 (auch über die anderen Geſellſchaften d. A.). Fix Revue
mensuelle. I. p. 264. Blätter aus der Gegenwart. Jahrg. 1833. Nro. 11 u. 12.
Buchanan in dem, ſeine Zugaben enthaltenden, IV. Bande ſeiner Ausgabe von
A. smith Excurse. XII. p. 208. = Hermes N. XIII. S. 154 folg. A. smith
IV. 18. III. 228. Mac-Culloch Dictionary Deutſche Bearb. II. 390. S. auch
noch Lotz Reviſion. I. 479. Handb. II. 235. simonde de sismondi Rich. com-
merc. II. 299. Mac-Culloch Dictionary. Deutſche Bearb. I. 414. 782. Mur-
hard Politik d. H. S. 250. Mohl Polizeiwiſſ. II. 335. say Cours. IV. 12. 21.
Ueberſ. von v. Th. IV. 9. 16. Ganilh des syst. II. 253.
²⁾ Bergius Magazin. Art. Hauſiren. Rüdiger Staatslehre. II. 101.
Benſen Materialien. I. 99. Leuchs Gewerbfreiheit. S. 350. Mac-Culloch
Dictionary. I. 871. Die andern oben angef. Schriften von Rau, Mohl u. ſ. w.
Verhandlungen der II. Bair. Kammer v. J. 1822, der Bad. II. Kammer v. J.
1822, Sitzungsprotocoll der Naſſau. Deput. Verh. v. J. 1822, Verhandlungen der
Darmſtädter II. Kammer v. J. 1831.
§. 471.
VIII. Colonial- und IX. Auswärtiger Handel.
VIII. Der Colonialhandel iſt ſchon im Alterthume von
hoher Bedeutung geweſen. Die Colonien der Phönizier und
Carthager waren aus Handelsintereſſe geſtiftet. Für die Grie-
chen waren ſie mehr eine freiwillige Ableitung der Bevölkerung,
obſchon der Handel damit in Verbindung ſtand. Die Römer ver-
pflanzten in ihre eroberten Ländereien kraft beſtimmter Staats-
beſchlüſſe Inländer, zu kriegeriſchen Zwecken oder zur Verſorgung
Armer und Entfernung Unzufriedener. Der Urſprung der abend-
ländiſchen neueren Colonien liegt im Streben nach Handelsgewinn,
und erſt in der neueſten Zeit haben unſere Staaten angefangen,
Armen- und Verbrechercolonien anzulegen. Der Beſitz fremder
Producte um geringen Preis, das Acclimatiſiren der Erzeugniſſe
anderer Erdtheile, das Monopol des Colonialhandels, hiermit die
Eröffnung von Productions- und Reichthumsquellen, politiſche
Kraft und Anſehen waren die Triebfedern zum Erwerbe von Co-
lonien. Aus dieſen Urſachen entſprang eine Colonialpolitik, welche
das Ausſchließungsſyſtem auf die Spitze trieb, indem aller Handel
der Colonien mit fremden Ländern ſtreng unterſagt und denſelben
gewiſſe Productionszweige ge- und verboten wurden, ſo daß das
[682/0704]
Mutterland allein allen Gewinn aus denſelben zu ziehen und für
ſeine Producte einen vortheilhaften Abſatz zu erhalten ſuchte. Die-
ſes Ausſaugungsſyſtem, verbunden mit unerhörtem Schleichhandel
und ungeheuerem Verwaltungsaufwande ward ſo weit getrieben,
bis endlich Nordamerica den Befreiungskrieg begann und ſiegreich
vollendete. Dieſes welthiſtoriſche Ereigniß machte zuerſt darauf
aufmerkſam, daß die Colonien ein ſehr unſicherer Beſitz ſind, in-
dem mit der Zunahme der Bildung und Selbſtſtändigkeit, mit dem
Gefühle des Beginnes einer Nationalität, und mit dem Steigen
des Reichthums der Drang nach Unabhängigkeit nothwendig in den
Coloniſten von ſelbſt entſtehen muß; und dann zeigte daſſelbe, daß
das Mutterland bei freiem Handel mit den Colonien und möglichſt
ſelbſtſtändiger Verfaſſung und Verwaltung derſelben aus ihnen
einen weit größeren Vortheil bezieht, während es anderſeits alle
Verwaltungskoſten erſpart. Hiernach hat ſich nun die neuere Co-
lonialpolitik ganz zu ändern angefangen1).
IX. Der auswärtige Handel. Dieſer Gewerbszweig iſt
es, in welchen die Staaten von jeher am meiſten fördernd und
hindernd eingegriffen haben. Die verſchiedenſten mercantiliſchen
Einrichtungen beſtehen noch jetzt mit allen den künſtlichen Richtun-
gen, welche ſie in der ganzen Volksinduſtrie hervorgebracht haben.
Eine plötzliche Aufhebung derſelben müßte die größte Verwirrung
und manchfaltiges Elend hervorrufen, weil eine Menge von ge-
ſchehener Arbeit und gemachten Capitalauslagen verloren gehen,
viele Capitalien aus Etabliſſements herausgezogen werden, eine
Menge von Unternehmern in Geſchäfts-, und eine Unzahl von
Arbeitern in Brodloſigkeit gerathen müßten und überhaupt ſämmt-
liche Preisverhältniſſe ſich verändern und Mißverhältniſſe zwiſchen
Bedarf und Anſchaffungsvermögen entſtehen würden. So unver-
nünftig nun eine plötzliche Verwirklichung des Wunſches nach
Handelsfreiheit ſchon in dieſer, und nebenbei erſt noch in ſtaats-
finanzieller Hinſicht ſein würde, ſo ſehr verlangt die Staatsklugheit,
nach den beſondern Staatszuſtänden allmälig durch einen weiſen
Mittelweg dem Ziele der Handelsfreiheit, das übrigens in unſern
Staaten nie verwirklicht werden wird, immer näher zu kommen.
Denn der freie Handel findet nicht blos diejenigen Zweige auf,
worin der einheimiſchen und ausländiſchen Bevölkerung der größte
Dienſt geleiſtet wird, weil der Handelsmann ſich durch die Nach-
frage nach Producten beſtimmen läßt; ſondern er weißt zugleich
der inländiſchen und ausländiſchen Gewerbſamkeit die natürlichſten
und vortheilhafteſten Anlagsarten für Arbeit und Capital am ſicher-
ſten und ungezwungenſten an. Es bedürfen daher folgende Gegen-
[683/0705]
ſtände einer beſondern Aufmerkſamkeit der auswärtigen Handels-
politik: 1) die Ein- und Ausfuhrprämien2) zur Begünſtigung
des Ein- oder Ausfuhrhandels mit gewiſſen Gewerbsproducten, alſo
eigentlich zur Begünſtigung gewiſſer Arten von producirenden Ge-
werben. Können ſolche Gewerbe die Concurrenz des Auslandes
nicht ertragen oder bedürfen ſie, um angefangen zu werden und
beſtehen zu können, ſolcher Begünſtigungen, dann iſt dies ein
ſicheres Zeichen, daß weder Zeit noch Umſtände für ſie ſind. In
dieſem Falle iſt die Bewilligung von Prämien an ſich und als Be-
raubung des größten Theils der Bevölkerung zu Gunſten von
Wenigen, die es dazu auch nicht verdienen, ganz verwerflich, in
jedem andern Falle aber wären ſie es noch mehr. Einmal bewil-
ligte Prämien dürfen aber nicht plötzlich aufgehoben werden, weil
dadurch die auf ſie hin gemachten Etabliſſements bis zum Unter-
gange Noth leiden würden. 2) Die Handelsconſulate in den
Haupthandelsplätzen des Auslandes. Sie ſind ein weſentliches,
äußerſt nützliches Beförderungsmittel des auswärtigen Handels,
als Unterſtützung der inländiſchen Kaufleute an fremden Plätzen
und zum gegenſeitigen Verſtändniſſe der Regirungen in Handels-
ſachen. 3) Die Handelsverträge mit auswärtigen Staaten3).
Bezwecken und bewirken ſie auf irgend eine Art die Erleichterung
und Befreiung des gegenſeitigen Handels, ſo können ſie nur för-
derlich ſein. Haben ſie, wie früher, die Ausſchließung gewiſſer
Artikel oder anderer Länder vom Handel zum Zwecke, ſo ſind ſie
verwerflich. Unter dieſem letzteren Geſichtspunkt kann es aber
nicht gerechnet werden, wenn die Einfuhr von Gegenſtänden, die
zu Regalien gehören, verſagt, von den eingehenden Waaren die
im Lande gewöhnliche Conſumtionsabgabe verlangt, und gewiſſe
bisher durch Einfuhrzölle mercantiliſch geſchützte Gewerbe fernerhin
auch noch durch Eingangsabgaben geſchützt werden4). 4) Die
Ein- und Ausfuhrzölle. Da der erſte Grund des Mercantil-
ſyſtems für die Anlage von ſolchen Zöllen, nämlich die Bewirkung
einer günſtigen Handelsbilanz, auf einer ganz falſchen Anſicht
vom auswärtigen Handel beruht (§. 435. 2), ſo bedarf es hier
keines Beweiſes, daß deßhalb keine Zölle angelegt werden ſollen
und daß, wenn dies geſchieht, das wahre Handelsgleichgewicht ge-
ſtört wird, indem für jede erſchwerte oder verbotene Aus- und
Einfuhr entſprechend eine Ein- und Ausfuhr abnimmt oder ganz
ſtockt. Da ferner der zweite Grund für die Erhebung der Zölle,
nämlich um einen bedeutenden, ja den größten Theil der Staats-
einnahmen aus ihnen zu ziehen, erſt in der Finanzwiſſenſchaft er-
örtert werden kann, ſo bleibt hier nur der dritte Grund derſelben,
[684/0706]
nämlich Schutz und Begünſtigung des inländiſchen Gewerbsweſens
und Leitung der vaterländiſchen Conſumtion hier zu erwägen übrig.
a) Die Ausfuhr von Urproducten wird durch Zölle erſchwert,
entweder um die Kunſtgewerbe, welche ſie verbrauchen, zu begün-
ſtigen (z. B. Wolle, Haare, Flachs, Hanf, Gold und Silber,
andere Metalle, Taback u. ſ. w.) oder aus Furcht vor einem Man-
gel an ſolchen, die zu den gewöhnlichen Bedürfniſſen gehören (z. B.
Vieh, Getreide). Erſteres iſt eine ungerechte Benachtheiligung
der einen Gewerbsklaſſe zum Vortheile der andern, indem dadurch
aus unverhältnißmäßigem Angebote eine bedeutende Erniedrigung
der Preiſe veranlaßt wird, ſo daß nur zwiſchen Verluſt und Ver-
laſſen des betreffenden Urgewerbes die Wahl übrig bleibt, alſo im
günſtigſten Falle eine Mißleitung von Arbeit und Capital erfolgt.
Aus dem zweiten Grunde gingen die Korngeſetze5) hervor. Die
Erſchwerung der Kornausfuhr hat aber jedenfalls die ſo eben an-
gegebenen Folgen für die Gewerke und die genannten Nachtheile
für den Feldbau, welcher im günſtigen Falle dann dem Wieſen-
und Weidenbaue für Erweiterung der Viehzucht weichen muß (wenn
die Viehausfuhr nicht auch erſchwert iſt), ſo daß die beabſichtigte
Wohlfeilheit des Getreides nicht nur nicht erreicht wird, ſondern zu-
folge der erſchwerten Ausfuhr Getreidemangel entſtehen kann. Die-
ſelbe, als Maaſregel gegen Getreidemangel betrachtet, iſt in getreide-
reichen Ländern ganz unnöthig und jedenfalls ſchädlich; in Ländern
von weniger günſtiger Getreideproduction, aber von der Lage und
Beſchaffenheit, daß Getreide leicht eingeführt werden kann, gilt
dies ebenfalls; in Ländern endlich, denen auch dieſe letzte Wohlthat
fehlt, bleibt freilich blos die Wahl zwiſchen Erſchwerung der Korn-
ausfuhr und den oben (§. 459.) erwähnten Mitteln. Ob bei der
Wahl der Erſteren die Kornausfuhr permanent oder blos momentan
und wie ſehr erſchwert werden ſoll, bedarf einer beſondern ſorg-
ſamen Erwägung nach den ſpeziellen Verhältniſſen. Im erſten
Falle wird bei einem gewiſſen Preiſe die Ausfuhr entweder ganz
unterſagt oder ſie bleibt geſtattet, aber der Ausfuhrzoll ſteigt mit
dem Preiſe. b) Die Einfuhr von Urproducten wird erſchwert,
um die Urgewerbe zu begünſtigen. Dies begründet für dieſelben ein
Monopol zum Nachtheile der Conſumenten und der Gewerke, und
erleidet daher alle Einwendungen gegen dieſes (§. 469. 3.). Der
Einfuhrzoll erhöht den Waarenpreis. Wenn die Urproducenten die
Concurrenz der Ausländer nicht ertragen können, ſo kann dies von
Mängeln im Gewerbsbetriebe, von äußern Hinderniſſen oder von
geringer Wirkſamkeit der Natur herrühren, weßhalb man vorerſt
die beiden erſteren Hinderniſſe heben muß, während beim dritten
[685/0707]
Mangel die Frage entſteht, ob die betreffenden Gewerbe wichtig
genug ſind, um einen ſolchen Schutz zu verdienen. Insbeſondere
gehören hierher die Getreideeinfuhrzölle, welche bloß nach
dieſen Sätzen zu beurtheilen ſind. Führt man ſie ein, ſo beſtimmt
man in der Regel, daß der Zoll im Verhältniſſe des Sinkens der
Preiſe ſteigt. Allein alle dieſe künſtlichen Leitungen (a u. b) ſind
mit ſo vielen Schwierigkeiten verbunden und deßhalb ſo ſelten
treffend, daß der natürliche Weg der Handelsfreiheit immer der
vorzüglichere bleiben wird, ſo lange nur irgend andere Mittel zur
Beſeitigung einer Gefahr vorhanden ſind. c) In Anſehung der
Aus- und Einfuhrzölle von Gewerkswaaren gilt gerade das
bisher Geſagte, nur ſtellt ſich das Verhältniß zwiſchen den Kunſt-
und Urgewerben umgekehrt, aber die Conſumenten leiden jedenfalls
auf der einen oder andern Seite. Dient ein Gewerkserzeugniß
einem andern Gewerke wieder als rohes Material, dann wirkt der
Zoll, wie jener auf Urproducte6). Es geht aber aus dieſen
ſämmtlichen Erörterungen hervor, a) daß Handelsfreiheit der na-
türlichſte und nützlichſte Zuſtand der Länder iſt, da die Länder von
der Natur wechſelſeitig ſchon auf einander wegen ihrer eigenthüm-
lichen Erzeugniſſe angewieſen ſind; b) daß das Abhaltungs- oder
Prohibitivſyſtem, d. h. das Verbot aller Einfuhr oder die verbots-
ähnliche Erſchwerung derſelben, mit Ausnahme von Gütern, die
dem innern Gewerbsbetriebe als Rohmaterial dienen, in der Ab-
ſicht, im Lande alle Productionszweige hervorzurufen, ſchon dem
Zwecke nach, dann aber auch wegen ſeiner Koſtſpieligkeit, des
Schleichhandels und der ſchlimmen Folgen auf die Sittlichkeit des
Volkes, durchaus verwerflich iſt (ſ. oben 1 u. 3); c) daß mäßige
ſchützende Zölle, wenn ſie bisher beſtanden, Gewerbe im Lande
hervorgerufen und erhalten haben, noch behalten werden müſſen,
um ſie allmälig, ohne die Unternehmer in plötzlichen Schaden zu
ſetzen, erniedrigend aufzuheben.
¹⁾ A. Smith Inquiry. I. 140 II. 267. III. 92–234. Ueberſ. von Garve.
II. 216. say Cours. III. 411. Ueberſ. von v. Th. III. 315. simonde de sis-
mondi Rich. commerc. II. 329. Nouv. Principes. I. 389. Moreau de Jonnés Le
Commerce du 19 siècle. I 202. Mac-Culloch Dictionary. Deutſche Bearbeit.
I. 358–412. Ganilh des syst. II 293. Will. Ruſſel, Geſch. des gegenwärt.
Streits zwiſchen England und ſeinen Colonien. Aus dem Engl. Leipzig 1780.
Ricardo Principles. p. 427. Mill Elements. p. 208. Torrens On production. p. 228.
²⁾ A. smith Inquiry. II. 266. III. 10. Ueberſ. von Garve. II. 342.
Ricardo Principles p. 375. Mill Elements. p. 197. Mac-Culloch, Ueber
Handel. S. 147. Deſſen Dictionary. I. 791. say Cours. III. 397. Ueberſ. von
v. Th. III. 305. Lotz Reviſion. I. 448. Handb. II. 227. Ganilh des syst. II. 261.
³⁾ A. smith Inquiry. III. 72. Ueberſ. von Garve. II. 398. Mac-Cul-
loch, Ueber Handel. S. 152. Deſſen Dictionary. Deutſche Bearb. I. 792–856.
say Cours. III. 387. Ueberſ. von v. Th. III. 298. simonde de sismondi Rich.
[686/0708]
³⁾ commerc. II. 378 Chaptal sur l'industrie franc. II. 238. Rau polit. Oeconom.
II. §. 307. v. Soden Nat. Oeconom. II. 283. VI. 351. Lotz Reviſion. I. 490.
Handb. II. 247. Mohl Polizeiwiſſ. II. 339. Murhard Polit. d. Hand. S. 280.
⁴⁾ Eine, Deutſchland eigenthümliche, aber unter dieſen und den ſpäter anzu-
gebenden Bedingungen der Zollanlage höchſt nützliche Erſcheinung ſind die Zoll-
vereine, insbeſondere der neue preußiſche. Die Anzahl der Monographien über
denſelben macht eine ganze Bibliothek aus. Es würde zu viel Raum koſten, ſie
hier zu nennen.
⁵⁾ A. smith Inquiry. II. 181. III. 12. Ueberſ. von Garve. II. 167. say
Traité d'Econ. polit. Ueberſ. von Morſtadt. I. §. 196. Mill Elements. p. 201.
Ravenstone A few Doubts. p. 405. Lotz Handb. II. 264. v. Soden Nat. Oec.
I. 199. Young polit. Arithmetik. S. 34. Lowe, Ueber den gegenw. Zuſtand
von England. Aus dem Engl. überſ. von Jacob. S. 364. Thaer engl. Landw.
II. Bd. 2te Abthl. S. 114. Rau polit. Oeconom. II. §. 122. Mohl Poliz.
Wiſſ. I. 256. Mac-Culloch Dictionary. Deutſche Bearb. II. 74–117. Spitt-
ler, Vorleſ. über Politik. S. 372. Die Anzahl der Monographien iſt erſtaunlich
groß. Als die wichtigeren ſind folgende zu empfehlen: Reimarus, Von der freien
Aus- und Einfuhr des Getr. Hamb. 1771. Hennings Oeconom. und cameraliſt.
Schriften. Bd. II. Kopenhagen 1787. Reimarus, Freiheit des Getr. Handels.
Frankfurt 1791. Normann, Freih. des G. H. Hamburg 1802 (dagegen; Fiſch-
bach, Wider die Freih. des G. H. Berlin 1805.). Crome, Ueber Ackerbau,
Getreidehandel ꝛc. Hildesh. 1808. (v. Schuckmann) Gutachten über G. Ausfuhr-
Verbote. Leipzig 1809. Koch-Sternfeld, Verſ. über Nahrung und Unterhalt.
Salzburg 1813. 2te Aufl. Weinreich, die Getr. Sperren. München 1817.
Häcker, Ueber die Getr. Theurung a. 1816 u. 17. Nürnberg 1818. Knobels-
dorf, Vorſchläge zur Erreichung mittlerer feſtſteh. Getreidepreiſe. Berlin 1824.
v. Soden, Anonariſche Geſetzgebung. Nürnberg 1828 (enthält ein 95 S. langes
Verzeichniß der betreffenden Literatur). Herbert sur la Police des Grains. Berlin
1755. Deutſch von Hall 1756. (Chamousset) Observv. sur la liberté du Com-
merce des Grains. Paris 1759. Dupont De l'exportation et de l'importation des
Grains. Paris 1764. Chamousset Principes sur la lib. etc. Paris 1768. Necker
La legislation ...... des Grains. Paris 1775. Paris sur les meilleurs Moycos
de prévenir la disette des Blés. Paris 1819. Galiani Dialognes sur le Commerce
des Grains. Paris 1770. Deutſch von Beicht. Glogau 1802. = Economisti
italiani. P. mod. T. V. 5 (dagegen: Morcelet Refutation de l'ouvrage sur le
Commerce etc. London 1770). Bandini Discorso economico. = Economisti. P.
mod. T I. p. 162. Paoletti J veri mezzi di render felici la societa, o sia dell'
Annona = Economisti. P. mod. T. XX. 113. 233. Genovesi Lezioni. II. 82.
Carli Del libero Commercio de Grani = Economisti. P. mod. T XIX. 363.
Beccaria Elementi. I. 177. Verri sulle leggi viocolanti nel Commercio dei
Grani = Economisti. P mod. T. XV. 32. Ejusdem Meditazioni. p. 80. D'Arco
Dell' Annona = Economisti. P. mod. T. XXX. 213. Mengotti JI Colbertismo.
p. 251. Cantaluppo Annona o sia piano economico di pubblica sussistenza =
Economisti. P. mod. T. XL. p 7. Caraccioli Riflessioni su l'economia e l'estra-
zione de' frumenti = ibid. p. 203. serofani Memoria sulla libertà del Comm.
dei Grani = ibid. p 259. Nero Discorso sopra la materia frumentaria = Eco-
nomisti. T. XLIX. 9. Gioja Nuovo Prospetto. V. 115. 134. 143. 162. 195.
(Fabroni) Dei provvedimenti annonari. Firenze 1817. ed. 2. Dixom An Inquiry
into the Corn-Laws etc. Edinb. 1796 (Auszug bei Thaer a. a. O.). Campbell
On the ..... Alteration of the C. Ls. Lond. 1814. Jacob Considerations on
the protection required by British Agriculture. Lond. 1814. Ejusdem Report on
the Trade in foreign Corn. London 1826. A secoud Report. London 1828.
Beide deutſch. Aachen 1826. Hamburg 1828. Torrens On the influence of the
external Corn-Trade. London 1820. Ricardo On the protection of Agriculture.
Lond. 1822. Dagegen: Reynolds Observations on Ricardo's Principles etc. Lond.
1822. Whitmore On the state and prospects of Agriculture. London 1822.
Edinburgh Review. 1824 Octob. 1826 septemb. 1834 January. Quarterly Review.
1826 Decemb. 1834. March. Recueil des Precis, relatives à la liberté illimitée
[687/0709]
⁵⁾ du Comm. des Grains. A la Haye 1823. Ueber Handelsfreiheit und Verbotſyſtem
in den Niederlanden, gegründet auf eine Darſtellung des Getreidehandels. Amſterd.
und Leipzig 1828. Humes Vortrag im engl. Unterhauſe am 6. März 1834.
⁶⁾ Ueber dieſe ganze Prohibitiv- und Zollfrage: Für Handelsfreiheit: A.
smith Inquiry. II. 268. 301. 327. say Cours. III. 333–386. Ueberſ. von v. Th.
III. 256–297. simonde de sismondi Rich. Commerc. II. 156. S. oben §. 435.
Note 1. Murhard, Politik des Handels. S. 215. 264. 118–188. Mac-Cul-
loch, Ueber Handel. S. 51. Lotz Handbuch. II. 232. Reviſion. I. 367–448.
Rau polit. Oeconom. II. §. 260. 297. Derſ. in Erſch und Gruber Allgem.
Encyclopädie. Art. Handelsfreiheit. Geier, Charakteriſtik des Handels. S.
113. 137. Mohl Polizeiwiſſ. II. 327. 295. Leuchs, Gew. und H. Freiheit.
S. 249. Weber, Beiträge zur Gewerbs- und Handelskunde. II. 4. III. 7.
v. Jacob P. Geſetzgeb II. 530 folg. Brunner, Was ſind Mauth- und Zoll-
anſtalten ꝛc. Nürnberg 1816. Gegen dieſelbe und für Zölle: Büſch, Darſtellung
der Handl. I. 584. Chaptal de l'Industr. franc. II. 412. Moreau de Jonnés Le
Commerce du 19 siècle. I. 126. 330. Stuhlmüller, Verſ. zu d. Entw. eines
...... Zollſyſtems. München 1825. Gans v. Putlitz, Syſtem der Staats-
wirthſch. Leipzig 1826. S. 56. Hopf, Meinungen von der Handelsfreiheit.
Wien 1823. Kaufmann de falsa A. smithii circa bilanciam mercatoriam Theoria.
Heidelb. 1827. Kaufmann Unterſuchungen. 2te Abthl. Bonn 1830. Fränzl,
Ueber Zölle, H. Freiheit und H. Vereine. Wien 1834.
§. 472.
X. Land- und XI. Waſſerhandel.
X. Der Landhandel bedarf, wenn er die für den Volks-
wohlſtand nöthige Blüthe erreichen ſoll, guter Landſtraßen1)
und Brücken2). Ihre Errichtung obliegt, wenn ſie nicht Privat-
unternehmung von Geſellſchaften, wie jetzt allein in England bei
einigen Straßenzügen, ſind, dem Staate und den Gemeinden. Bei
ihrer Anlage iſt von Wichtigkeit ihre Richtung (Trace, Zug),
ihre Bauart, ob Steinwege, oder Pflaſter, oder Eiſenbahnen3),
die Erhaltung in gutem Stande, weßhalb ein Straßenbauperſonale
erfordert wird, und die Hinſtellung verſchiedener Nebenanſtalten an
Straßen, als Weg- und Meilenzeiger, Wehren u. dgl.
XI. Der Waſſerhandel oder die Schifffahrt hängt zu-
nächſt ab 1) von dem Vorhandenſein der natürlichen Waſſer-
ſtraßen, nämlich der Meere mit ihren verſchiedenen Unterſtützungs-
anſtalten, als Leuchtthürmen, Feuertonnen, Baken, Baien, Flag-
gen und Lootſen, Häfen mit eigener Polizei, Deichen, Krahnen
u. dgl., der Flüſſe und Ströme in möglichſt fahrbarem Zuſtande,
mit Leinpfaden, Ueberwinterungshäfen u. dgl.; 2) von der Errich-
tung künſtlicher Waſſerſtraßen oder Kanäle, wo dieſelben
nothwendig oder nützlich, von einem lebhaften Handelszuge begün-
ſtigt, nach der Art des Bodens leicht anzulegen, und gut mit
Waſſer zu verſehen ſind4); 3) von der möglichſten Befreiung der
Schifffahrt von hemmenden Abgaben und Gerechtſamen anliegender
Städte, nämlich Waſſerzöllen5), Stapel- und Umſchlags-
[688/0710]
rechten6). 4) Von der Erhaltung der freien Concurrenz unter
den Schiffern des eigenen Landes und des Auslandes, alſo von
Aufhebung der Schiffergilderechte und Prohibitiv-Schiff-
fahrtsgeſetze7). Endlich 5) von der Errichtung von Seeaſſe-
curanzen, ſtrenger Aſſecuranzrechte und Regulirung des Strand-
rechtes (§. 358.).
¹⁾ Wiebeking, Anl. zur Ausführung der ..... Landſtraßen. Wien 1804.
Schemerl, Anweiſ. zur Entwerfung ..... dauerhafter und bequemer Straßen.
Wien 1807. III Bde. v. Alten, Anl. z. Anleg. der Kunſtſtraßen. Berlin 1816.
v. Langsdorf, Anl. z. Straßen- und Brückenbau. Heidelberg 1817. Cordier
Essais sur la Construction des routes, ponts suspendus etc. extraits de divers
Ouvrages Anglais. Lille 1823. Arnd, der Straßen- und Wegebau. Darmſt. 1827.
Umpfenbach, Theorie des Neubaues ...... der Kunſtſtraßen. Berlin 1830.
Anweiſung zum Bau und zur Unterhaltung der Kunſtſtraßen. Berlin 1834. fol.
(offiziell). (Bequey) statistique des routes de France. Par. 1824. = Moniteur
1824. N. 317. suppl. Mac-Adam Remarks on the present syst. of road-making.
London 1819–1822. VI Auflagen. Deutſch. Darmſtadt 1825. Dupin, Gros-
brittanniens Handelsmacht. I. S. 1. v. Gerſtner Mechanik. I. §. 529. Diction.
techn. V. 138. Rau. II. §. 270. Mohl. II. 343.
²⁾ Beſonders hängende oder Kettenbrücken. S. Navier Mém. sur les ponts
suspendus. Paris 1823. seguin Des ponts en fil de fer. Paris 1826. 2e Edit.
Dufour in der Bibl. universelle. sect. sciences et Arts. XXIII. 305. XXXI. 81.
v. Gerſtner Mechanik. I. §. 395. Prechtl, Jahrbücher des polyt. Inſtituts.
V. 306. Dingler polyt. Journal. XX. 316. Ueber Brücken überhaupt: Gauthey
Traité de la Construction des Ponts, publié p. Navier. Paris 1809 et 1813.
II voll. 4. Wiebeking, Beiträge zur Brückenbaukunde. München 1809. 4.
Dict. technolog. XVI. 442. Ueber den Tunnel unter der Themſe von Brunel ſ.
Löhmann, die Fahrſtraße unter dem Waſſer. Leipzig 1825.
³⁾ Cordier I. c. Palmer Description of Rail-ways on a new Principle.
London 1824. stevenson Essays on Rail-roads. Edinb. 1824. v. Gerſtner,
Ueber die Vortheile der Anlage einer Eiſenbahn zwiſchen der Moldau und Donau.
Wien 1824. Ueberſ. von Terquem in den Mémoires sur les grandes routes etc. —
précédé d'une introduction par Girard. Paris 1827. Woad Essay on Rail-roads.
London 1825. sylvester Report of the Rail-roads. Liverpool 1825. Tretgold
Traité sur les chemins en fer. Trad. par Ducerne. Paris 1826. Navier de
l'Etablissement d'un ch. d. f. entre Paris et Havre Paris 1826. v. Bader,
Ueber die Vortheile einer verbeſſerten Bauart von Eiſenbahnen und Wagen. Mün-
chen 1826. Oeynhauſen und Dechen, Ueber Schienenwege in England. Berlin
1829. Moreau und Notré, Beſchreib. .... der Eiſenbahn zwiſchen Liverpool
und Mancheſter. Weimar 1832. Newhouſe, Vorſchlag zur Herſtellung einer
Eiſenbahn .... von Mannheim bis Baſel und an den Bodenſee. Karlsruhe 1833.
vrgl. Rau's Gutachten darüber in der Verhandl. der I. Bad. Kammer v. J. 1833.
Eiſenbahnen, aber keine Dampfwagen. Berlin 1834. Erſter und zweiter Bericht
des E. B. Committé zu Leipzig 1834. A. Kühne, Ueber die Anlegung und Con-
ſtruktion der verſchiedenen Arten von Eiſenbahnen. Quedlinburg und Leipzig 1834.
v. Gerſtner Mechanik. II. §. 552. Prechtl Technolog. Encyclopädie. V. 45.
Dict. technologique. V. 145. Dingler polytechn. Journal. XVI. 120. Prechtl
Jahrb. IV. 99. Mohl II. 351. Rau II. §. 272.
⁴⁾ Mohl II. 361. Rau. II. §. 275. Arnd, die Gewäſſer und der W.
Bau der Binnenländer. Hanau 1831. Georg. hiſtor. Beſchr. der Kanäle. Köln 1802.
Wiebeking, theor. prakt Waſſerbaukunſt. III. 1 (München 1814). IV. 133 (1817).
v. Maillard, Anl. z. Entwurfe und Ausführung ſchiffbarer Canäle. Peſth 1817.
Huerne de Pommeuse Des canaux navigahles. Paris 1822. Girard sur les canaux
et le mode de leur concession. Paris 1824. Cordier Hist. de la navigation in-
térieure, trad. de l'ouvrage anglais de Philipps. Paris 1819. II Tom. Fairbairn
[689/0711]
⁴⁾ Remarks on Canal Navigation. London 1821. = Dingler pol. Journ. XLI. 173.
Düpin, Grosbritt. Handelsmacht. I. 133. v. Gerſtner Mechanik. II. §. 353.
Dingler polytechn. Journal. XXI. 379. Dict. technologique. IV. 115. Mac-
Culloch Dictionary. Deutſche Bearbeitung. I. 311 (Canäle). 450–544 (Docks).
Eine Vergleichung dieſer verſchiedenen Communicationswege iſt nationalöconomiſch
wichtig. S. auch Nadault Consid. sur les trois systémes de Communications.
Paris 1829. Viel Zerſtreutes in Dinglers Journal.
⁵⁾ Und Canal- und Schleußengelder. Ihr Ertrag iſt ſo viel möglich auf die
Erhaltungs- und Erhebungskoſten zu beſchränken, gerade ſo wie die Höhe der
Straßen- und Brückengelder. Für den Binnenhandel ſind ſie wie Binnenzölle, für
den Durchfuhrhandel wie Tranſitzölle zu betrachten. So weit ſind dieſe Zölle und
Gelder gerecht und werden auch billig entrichtet. Die längs eines Flußufers lie-
genden Staaten ſind ſehr dabei intereſſirt, und verſtändigen ſich gemeinſchaftlich über
die Zollſätze, -Plätze, -Erhebung u. dgl. in einem Schifffahrtsvertrage.
⁶⁾ Erſteres iſt das Recht, die paſſirenden Waaren in der Stadt zum Verkaufe
auszuſetzen, das Zweite die Befugniß, die herankommenden Waaren umzuladen und
auf den Fahrzeugen der Schiffergilde zu verfahren.
⁷⁾ Daher keine Navigationsacten, wodurch auswärtigen Schiffen die
Einfuhr fremder Waaren unterſagt oder mit einem Zolle erſchwert iſt. Denn ſie
veranlaſſen in der Regel Retorſion. Rau. II. §. 283. Murhard, Politik
des Handels. S. 257. A. Smith Inquiry. II. 284. III. 158. Lotz Handb. II. 244.
Zweiter Abſchnitt.
Staatswirthſchaftslehre.
Einleitung.
§. 473.
Die Staatswirthſchaftslehre (Finanzwiſſenſchaft) iſt die
Wiſſenſchaft von der Wirthſchaft des Staats (§. 44.), d. h. die
wiſſenſchaftliche Darſtellung der Grundſätze und Maximen, nach
welchen der Staat, gegenüber dem Volke, ſein für ſeine Bedürf-
niſſe nöthiges Einkommen auf eine die Bürgerrechte und den Volks-
wohlſtand am wenigſten gefährdende Weiſe am ſicherſten, vollſtän-
digſten und wenigſt koſtſpieligen erwerben, zu den Zwecken des
Staatshaushaltes am ſicherſten bereit halten und inſoweit verwen-
den ſoll, als die Verwendung in das Gebiet der Wirthſchaft ge-
hört (§. 40. I. N. 2.). An dieſer Wiſſenſchaft hat ſich mehr als
an jeder andern gezeigt, nicht blos wie ſchwer ſich eine ſolche aus
der Praxis hervorbildet, ſondern auch wie unumgänglich dieſer
Entwickelungsgang iſt und wie unpaſſend theoretiſche Erörterungen,
ſogenannte wiſſenſchaftliche Begründungen, ſich im Staatsleben
darſtellen. Dieſelbe iſt vorherrſchend praktiſch und es iſt zu wün-
ſchen, daß ſie ſich immer mehr in dieſer Weiſe befeſtige1). Ein
Blick auf das Alterthum findet zwar keine finanzwiſſenſchaftlichen
Baumſtark Encyclopädie. 44
[690/0712]
Werke, noch weit weniger als über die Volkswirthſchaft, aber es
ſcheint doch auch hier Behutſamkeit nöthig zu ſein, ehe man, wie
bisher aus wiſſenſchaftlichen Gründen geſchah, jenen Staatsmän-
nern ſo geradezu faſt alle finanzielle Einſicht abſpricht. Auch hierin
ging Alles einen rein nationalen Weg, und es ſollte, wenn wir
bei den alten Völkern finanzielle Mißgriffe bemerken, uns zuerſt
die unüberſehbare Menge von Fehlern der ſpäteren Regirungen in
dieſer Beziehung wenigſtens im Urtheile mild machen, wenn wir
auch wirklich das zur Beurtheilung ihrer Finanzſyſteme Nöthige
wüßten2). Was den Weg anbelangt, welchen ihre Finanzgeſchichte
nahm, ſo iſt er von dem der ſpätern Völker nicht verſchieden,
denn auch bei ihnen finden wir ein Dienſt-, Domänen- und Na-
turalabgaben-, Regalien- und Geldſteuerſyſtem auf einander folgen,
aber ſo viel als nur möglich an die Volkscharaktere anſchließen.
In jedem dieſer Syſteme treten bei ihnen dieſelben Verwaltungs-
arten, wie in den ſpäteren abendländiſchen Staaten auf und ein
Blick auf die Steuerſyſteme jener und unſerer ſpäteren Zeiten iſt
wenigſtens in keinem Falle geeignet, unſere Regirungen bei den
weit größeren und manchfaltigeren zu Gebote ſtehenden Hilfsmit-
teln, als ſie die Alten hatten, in ein beſonders glänzendes Licht
zu ſtellen. Was die abendländiſchen neueren Staaten vor den
Alten beſonders hochſtellen ſoll, das iſt der Umſtand, daß dieſelben
aus dem Finanzweſen auch eine Wiſſenſchaft gemacht haben. Wie
dies allmälig geſchah, iſt bereits oben (§. 7 folg.) überſichtlich
gezeigt und es geht daraus hervor, daß erſt mit dem Smith'ſchen
Syſteme (§. 31. 397.) die Finanzwiſſenſchaft beginnt3). Allein
wunderlich muß es immer ſcheinen, daß man an einer ſolchen
Wiſſenſchaft, für welche man geradezu aus der Geſchichte ſchöpfen
muß, wenn etwas wahrhaft praktiſch Erſprießliches geleitet wer-
den ſoll, durch Ausſpinnung der Smith'ſchen Prinzipien fort-
cultivirte, anſtatt, worauf A. Smith ſelbſt genug verweist, ihr
durch eine Bearbeitung der Finanzgeſchichte4) eine praktiſche
feſte Baſis zu geben. Denn die wahre Finanzwiſſenſchaft kann nur
aus der Finanzgeſchichte mit beſtändigem Entgegenhalten der na-
tionalöconomiſchen Prinzipien, aber nicht blos durch das Streben,
dieſe allein in die Finanzwiſſenſchaft überzutragen, welches von
jeher geſcheitert iſt, geſchaffen werden5). Sie bildet mit der
Nationalöconomie und Statiſtik die Haupthilfswiſſenſchaft
für die Finanzverwaltung6), während die philoſophiſche und poſi-
tive Staatswiſſenſchaft und die Gewerbslehre nur die
Linien ziehen, nach welchen die Letztere die finanzwiſſenſchaftlichen
Sätze auszuführen hat.
[691/0713]
¹⁾ Erſt v. Malchus hat dieſe genaue Begränzung des Finanzweſens nach der
Praxis gegeben. Vor ihm wurde Vieles hineingezogen, was nicht dahin gehörte.
Die Finanzwiſſenſchaft iſt daher etwas ganz anderes als die Finanzpolitik eines
Staates, oder das Finanzſyſtem eines F. Miniſters.
²⁾ Von den Griechen handelt in dieſer Hinſicht Böckh Staatshaushalt der
Athener. Berlin 1817. II Bde. 8. O. Müller, Heeren in den oben (§. 413.
N. 2. §. 319. §. 132.) erwähnten Werken und Reynier sur l'Economie publ. et
rurale des Grecs. Genéve 1825. p 271–334. Von den Römern dagegen die
zwei, freilich ſehr Vieles zu wünſchen übrig laſſenden, Werke: Voſſe, Grundzüge
des Finanzweſens im röm. Staate. Braunſchw. und Leipzig 1804. II Bde. Hege-
wiſch, hiſtor. Verſuch über das röm. Finanzweſen. Altona 1804., und neuerlich
Schulz, Grundlegung zu einer geſchichtlichen Staatswiſſ. der Römer. S. 205. 458.
603. Das meiſte Weſentliche iſt unerforſcht.
³⁾ Zur Literatur der Finanzwiſſenſchaft gehört: a) Aus der nationalöcono-
miſchen Literatur: A. smith Inquiry. III. 310 sqq. (V. Book) oder Bd. III. der
Garve'ſchen Ueberſetzung. say Traité d'Econom polit. Liv. III. chap. 6–9.
Neue 3te Bearb. von Morſtadt. Bd. III. 119–192. 257–446. Cours d'Econ.
polit. V. 111 sqq. et VI. p. 1–206. Ueberſ. von v. Th. V. 87 folg. VI. 1–159.
Krauſe, Verſ. eines Syſt. der Nat. und Staatsöconomie. IIr Bd. Murhard,
Politik des Handels. S. 293. Lotz, Handbuch der Staatswirthſchaftslehre. IIIr Bd.
Schmalz Staatswirthſchaftslehre. Bd. II. 152 folg. Harl, Handbuch der Staats-
wirthſch. und Finanzwiſſ. IIte Abthlg. b) Aus der ſtaatswiſſ. Literatur: Behr,
Syſtem der angewandten Staatslehre (1810). III. 348. Craig Elements of poli-
tical science. T. III. Deutſche Ueberſ. Leipzig 1816. v. Arretin, Staatsrecht
der conſtitut. Monarchie, fortgeſ. von v. Rotteck. II. 295 (1827). Zachariä,
Vierzig Bücher vom Staate. Bd. V. Abthlg. 2. S. 366. (S. 369–628 von
v. Ekendahl's Staatslehre Bd. II. iſt eine bloße Abſchrift dieſes Vten Bandes,
jedoch ohne Bemerken des Verfs). Pölitz Staatswiſſ. II. 263 folg. (2te Ausg.
1827.) Die jetzt erfolgende Fortſetzung von v. Rottecks Lehrbuch des Vernunft-
rechts und der Staatswiſſenſchaften, nämlich von Bd. III. an, wird auch die Finanz-
wiſſenſchaft enthalten. c) Eigentliche Fachliteratur: v. Juſti, Syſtem des Finanz-
weſens. Halle 1766, blos der Ite Thl. iſt erſchienen. v. Sonnenfels, Grundſätze
der Polizei, Handlung und Finanz. Wien 1te Ausg. 1765. 7te Ausg. 1804, der
IIIte oder letzte Band. (v. Pfeiffer) Grundr. des Finanzweſens. Leipzig 1781.
Jung, Lehre der Finanzwiſſ. Leipzig 1789. Röſſig, die Finanzw. Leipzig 1789.
Stockar von Neuforn, Handbuch der Finanzw. Rothenb. a. d. T. 1807. II Bde.
v. Soden Staatsfinanzwiſſ. Bd. VI. ſeiner Nat. Oecom. Leipzig 1811. v. Jacob
Staatsfinanzwiſſ. Halle 1821. II Bde. (S. Hermes St. 16 [1822]). Behr,
die Lehre von der Wirthſch. des Staats. Leipzig 1822. Fulda, Handbuch der
Finanzw. Tübingen 1827. v. Malchus, Handbuch der Finanzw. und Finanzver-
waltung. Stuttg. 1830. II. (vorzüglich). Schön, Grundſätze der Finanz. Breslau
1832. Rau, Grundſätze der Finanzwiſſ IIIr Bd. der polit. Oecon. Heidelb. 1832.
⁴⁾ Material zu einer Finanzgeſchichte für Deutſchland enthalten die in der
Einleitung oft citirten Schriften. Man hat gerade bei uns äußerſt wenige Quellen;
m. ſ. aber außer den landſtänd. Verhandlungen: J. J. Moſer, Von dem
Reichsſtändiſchen Schuldenweſen. Frankf. und Leipzig 1774. 4. Beitr. z. Finanz-
literatur in den preuß. Staaten. Leipzig 1779. I. Stück. S. 167. v. Mal-
chus, Verwalt. d. Finanzen des K. Weſtphalen. Stuttgart 1814. Ueber Grund-
ſteuer, und Abriß der weſtphäl. Finanzgeſchichte. Ohne Angabe des Verf. und Ver-
lagsortes. 1814. II Bde. Höck, Grundlinien der Kameralpraxis. Tübingen 1819.
Deſſen Materialien zu einer Finanzſtatiſtik der deutſchen Bundesſtaaten. Schmalk.
1823. Borowski, Abriß des prakt. Kameral- und Finanzweſens in den k. preuß.
Staaten. Berlin 1805. 3te Ausg. II Bde. Benzenberg, Preußens Geldhaushalt
und neues Steuerſyſtem. Leipzig 1820. Ueber Preußens Geldhaushalt. Berlin 1821.
Rudhart, Ueber den Zuſtand des K. Baiern. Erlangen 1827. III Bde. v. Boſſe,
Darſtellung des ſtaatsw. Zuſtandes in den deutſchen Bundesſtaaten ꝛc. Braunſchw.
1820. Ubbelohde, Ueber die Finanzen des Kr. Hannover und deren Verwaltung.
Hannover 1834. Hofmann, Beiträge zur wahren Kenntniß der Geſetzgeb. und
Verwaltung des Gr. Heſſen. Gießen 1832. Für Frankreich die verſchiedenen
44 *
[692/0714]
⁴⁾ Memoiren aus der franz. Geſchichte, de Forbonnais Recherches et Considérations
sur les Finances de la France depuis 1595–1721. Bále 1758. II Tom. 4°.
Liége 1758. VI. 8°. (ſehr gut). Arnould Hist. générale des Finances de la
France. Paris 1806. 4. (ſehr kurz). (de Monthion) Particularités et Observations
sur les Ministres des Finances de la France les plus célébresdepuis1660–1791.
Paris 1812 (ſehr gut). Ganilh Essai polit. sur le Revenu publie. Paris 1806.
II Tom. (auch engliſche Finanzen, aber leichte Arbeit). Bresson Histoire financiére
de la France. Paris 1828. II T. (erbärmlich, obſchon Plagiat aus Forbonnais und
Monthion). Bailly Hist. financiére de la France. Paris 1830. II T. (bis 1786).
Necker De l'Administration des Finances. .... Paris 1785. III T. Encyclop.
méthodique. Art. Finances. III Tom. 4. Boſſe, Ueberſ. der franzöſ. Staats-
wirthſch. Braunſchw. 1806–1807. II Bde. 8. Wehnert, Ueber den Geiſt der
neuen franz. Finanzverwaltung. Berlin 1812. Ganilh De la science des Finance
ot du Ministére de Vilèle. Paris 1825. de Gerando Instituts du droit administra-
tif francais. Paris 1830. III. et IV. Rapport au Roi sur l'Administration des
Finances, par Chabrol. Paris 1830. 4. Den Moniteur. Für Großbrittannien
die Parlamentsacten, sinelair History of the public Revenue of the British Empire.
London 1803. III T. 3th. Edit. (gibt noch viele Literatur an). v. Raumer,
das britt. Beſteuerungsſyſtem. Berlin 1810. Lowe, England nach ſ. gegenwärt.
Zuſtande, nach dem Engl. von Jacob. Leipzig 1823. Dupin syst. de l'Admini-
stration britannique en 1822. Paris 1823. Parnell On financial Reform. London
1830. 2. Edit. statistical Jllustrations. London 1827. 3. Edit. Colquhoun On
the ..... British Empire. London 1815. 4. Deutſch von Fick. Nürnberg 1815.
II Bde. 4. P. Pebrer Taxation, Revenue, Expenditure, Power, statistics and
Debt of the British Empire. London 1833. Franzöſ. Ueberſ.: Hist. financière de
l'Empire Britannique. Traduit de l'Anglais par Jacobi. Paris 1834. II Voll.
Für die Niederlande: (Oſiander) Geſchichtl. Darſtellung der niederl. Finanzen
ſeit 1813. Amſterd. u. Leipzig 1829. v. a. 1830 — Ende 1834. Stuttg. 1834.
Für verſchiedene europäiſche Staaten: Cohen Compendium of Finance. London 1822
(ſollte genauer ſein). Canga Arguelles Diccionario de Haciènda London 1826–27.
V Tom. Für Spanien: Borego De la Dette publique et des Finances de la
Monarchie Espagnole. Paris1884, Auch v. Malchus Finanzw. II. Bd., Werke
über Spezialgeſchichte und Statiſtiken älterer bis neueſter Zeit.
⁵⁾ Daß man dies nicht mit der Routine zu verwechſeln habe, bräuchte eigent-
lich kaum hier erwähnt zu werden, wenn es nicht um die Wahrheit zu thun wäre,
daß weder der Routinier noch der blos wiſſenſchaftlich gebildete Finanzmann zum
praktiſchen Dienſte wahrhaft tauglich iſt. Rau polit. Oeconom. III. §. 15–17.
⁶⁾ Man ſuchte den Zweck der Finanzwiſſenſchaft auf verſchiedene Methoden zu
erreichen: a) Auf dem hiſtoriſchen Wege, wie Ganilh De la science des Fi-
nances p. 20. 38. meint, indem er die Verwaltung verſchiedener Finanzminiſter
zuſammenzuſtellen anräth; allein in dieſer Art angebracht, würde die F. Geſchichte
mehr Unordnung in der F. Wiſſenſchaft durch zu viel Spezielles und Widerſprechen-
des hervorbringen, als nützlich ſein. Die F. Geſchichte ſoll das Manchfaltige im
Verlaufe der Volks- und Staatswirthſchaft unter allgemeine geſchichtliche Geſetze
bringen und ſo der Finanzwiſſenſchaft als Grundlage, der F. Verwaltung aber mit
praktiſchen Haltpunkten dienen. Es möchte daher v. Malchus Finanzwiſſ. I.
Einl. S. 8. zu weit gegangen ſein, da er ſagt, ein ſolcher Gang könne in keiner
Hinſicht als Grundlage für die Begründung der Finanzwiſſenſchaft dienen. b) Auf
rationellem Wege durch allgemein giltige, blos aus der Nationalöconomie ab-
ſtrahirte, Prinzipien für die Finanzwirthſchaft, wie z. B. von Juſti, Jacob,
Soden, Lotz geſchehen iſt; allein ein ſolches Verfahren verträgt ſich mit dem
finanziellen Prinzipe gar nicht, deſſen Weſenheit immer die nationalöconomiſchen
Grundgeſetze wandelbar, d. h. zu bloßen Maximen macht, an deren Verwirklichung
in allen Fällen nicht zu denken iſt. c) Auf beiden Wegen in Verbindung, wie
v. Jacob verſucht und v. Malchus mit großem Glücke durchgeführt hat, da
Vernunft und Erfahrung die beiden Grundlagen der praktiſchen Politik überhaupt
ſind. v. Malchus Finanzw. I. Einl.
[693/0715]
Erſte Abtheilung.
Staats-Erwerbswirthſchaftslehre.
§. 473. a.
Die Staats-Erwerbswirthſchaftslehre oder Finanz-
wiſſenſchaft im engeren Sinne (auch Finanzwirthſchaftsl.) lehrt blos
die theoretiſchen Grundſätze des Staatserwerbes an ſich, ohne
Rückſicht auf den Zweck der Verwendung der Staatseinkünfte, auf
die Aufſtellung eines Syſtems der Finanzverwaltung oder auf den
Zuſammenhang der einzelnen Zweige derſelben.
Erſtes Buch.
Allgemeine Grundſätze.
§. 474.
1) Leitende Finanzmaximen.
Man hat es vielfach verſucht, der Finanzwirthſchaft unum-
gängliche Geſetze zu Grunde zu legen und nahm ſie von verſchie-
denen Seiten her, von wo ſie dictatoriſch verlangt werden, aber
deßhalb mit dem Finanzprinzipe im geradeſten Widerſpruche ſtehen.
So hat man vereinzelt bei verſchiedenen Schriftſtellern folgende
Grundſätze aufgeſtellt gefunden: 1) Den Grundſatz der unbeding-
ten Gerechtigkeit, kraft deſſen jede Finanzmaaßregel abſolut
verwerflich erſcheint, welche nur im Geringſten den Einzelnen in
ſeinem Rechtsgebiete ſtört1). Allein eine ſolche Forderung, ſo
nothwendig ſie auch ſcheint, iſt unmöglich zu erfüllen; denn Un-
gleichheiten und Unregelmäßigkeiten in der Vertheilung der Staats-
laſten und Erhebung des Staatseinkommens ſind unvermeidlich,
bei zu kleinlicher Berückſichtigung jedes Einzelnen iſt keine Sicher-
heit vorhanden, daß der Staatszweck der Geſammtheit nicht leide,
und die Finanzwirthſchaft bringt die letzten zur Staatsexiſtenz
unerläßlichen Mittel herbei, weßhalb leicht und oft der Fall ein-
treten muß, daß der Einzelne ſeine Rechtsanſprüche dem Allgemei-
nen aufopfern muß2). 2) Den Grundſatz der Volkswirth-
ſchaft, d. h. Schonung der Quellen des Wachsthums des Natio-
nalvermögens, Zweckmäßigkeit und Sparſamkeit in den Finanz-
anlagen3). Allein das Finanzprinzip, nämlich dem Volkseinkom-
men Theile für öffentliche Zwecke zu entnehmen, ſteht in directem
Widerſpruche mit dem Grundſatze der Nationalöconomie. Dieſer
würde, in ſeiner vollen Ausdehnung angewendet, überhaupt for-
[694/0716]
dern, daß der Volkswirthſchaft keine der Güterquellen geſchmälert
oder ganz entzogen werde, damit die Production nicht leide, fer-
ner daß durch die Finanzmaaßregeln keine Gewerbsklaſſe vor der
andern benachtheiligt oder bevortheilt werde, ferner daß die Fi-
nanzgeſetze keine ungleichmäßige Gütervertheilung begünſtigen oder
veranlaſſen, dann daß ſie der Gewerbsfreiheit nicht in den Weg
treten, und endlich daß durch die Finanzanſtalten die Conſumtion
nicht erſchwert oder beſchränkt werde. Allein ein Blick auf die
Finanzverwaltung zeigt, daß ſchon durch die beſte Beſteuerung des
Reinertrags die Capitalanſammlung und Conſumtion gehemmt und
wegen Mangel an Genauigkeit in der Ermittelung der Steuer-
objecte eine Gewerbsklaſſe oder ein Bürger vor dem andern begün-
ſtigt, durch Verausgabung des Staatseinkommens, ſelbſt bei der
kleinlichſten Sparſamkeit, in die Vertheilung des Volkseinkommens
eingegriffen wird, daß das Aufgeben des Betriebes mancher Ge-
werbszweige, z. B. der Domänenwirthſchaft, der Forſtwirthſchaft
u. dgl., wodurch der Staat die Gewerbsfreiheit mehr oder weniger
hemmt, in den meiſten Fällen unthunlich iſt4). 3) Den Grund-
ſatz der Wohlfeilheit, d. h. möglichſt geringen Aufwand für die
Staatszwecke und Lieferung der Staatsvortheile für den Bürger
um den möglichſt billigen Preis5). Allein dieſe Forderung iſt kein
Grundſatz, ſondern eine bloße Maxime, bei welcher der Finanz-
verwaltung noch ein ſehr weiter Spielraum gelaſſen wird6). Und
durch den manchfaltigen Anſtoß, welchen die übrigen Prinzipien in
der Wirklichkeit erleiden, entſteht eine Neutraliſirung, ſo daß ſie,
beim wahren Lichte betrachtet, nur als Maximen erſcheinen können,
von denen in beſonderen Fällen abgewichen werden darf7). Auf
dieſe Weiſe geſellt ſich dann nothwendig zu jenen drei Maximen
noch 4) jene der Sicherheit, nicht blos in Beziehung auf das
ſchon im Beſitze des Staats befindliche Vermögen und Einkommen,
ſondern auch in Betreff der nationalöconomiſchen Güterquellen,
deren Nachhaltigkeit, ſchon nach dem Finanzintereſſe, möglichſt be-
wahrt werden ſoll.
¹⁾ v. Jacob Staatsfinanzw. §. 35–40. Fulda Finanzw. §. 16.
²⁾ Sehr wichtig iſt daher hier die Frage über die Statthaftigkeit eines Ober-
eigenthumsrechtes des Staats. Eine Unterſuchung dieſer Theorie und eine
verſuchte Widerlegung der verſchiedenen dafür erklärten Meinungen ſ. m. in Meinen
Verſuchen über Staatskredit. S. 395–430.
³⁾ Auch v. Jacob und Fulda a. a. O. Schön Grundſätze der Finanz
S. 10–19, welcher Letztere der Anſicht iſt, daß die Nationalöconomie kein poſi-
tives, ſondern blos ein negatives, alſo deßhalb ein abſolutes, Prinzip für die
Finanzwiſſenſchaft enthalte. S. dagegen Meine Recenſion über dieſes Werk in den
Heidelb. Jahrbüchern Jahrg. XXVI. Heft 6. S. 596. Es ſtellt v. Soden
Staatsfinanzw. S. 20. 30. das nationalöconom. Prinzip dar als die Pflicht, die
[695/0717]
³⁾ Centraliſirung, d. h. die Erhebung des Staatseinkommens aus dem Volkseinkommen,
ſo zu organiſiren, daß ſie, wenn ſchon das Nationalvermögen nicht in Maſſe zu
erheben ſei, doch das Nationalvermögen in Maſſe treffe, alſo nicht das von einem
Nationalmitgliede beſeſſene und verwahrte Vermögen durch unmittelbare Entreiſſung
verringere. Allein die Verworrenheit und Unausführbarkeit davon liegt auf plat-
ter Hand!
⁴⁾ v. Jacob will das Prinzip der Nationalöconomie nicht für unbedingt aus-
führbar erklären. Allein offenbar wirft er dadurch auch die Unbedingtheit ſeines
Prinzips der Gerechtigkeit um, weil der Bürger ein Recht auf die Verwirklichung
der volkswirthſchaftlichen Wohlſtandsgeſetze hat. Wahrſcheinlich hierdurch aufmerkſam
geworden, erklärt Schön a. a. O. die Aufſtellung eines Prinzips der Gerechtigkeit
für ganz unnöthig, weil mit dieſem die Nationalöconomie nicht in Colliſion kommen
könne und das Rechtsgeſetz auch der Staatsthätigkeit, wie jeder Handlung, als
Leitſtern diene. Allein gibt man Letzteres auch zu, ſo iſt es anderſeits nur zu
wahr, daß das volkswirthſchaftliche Geſetz nur zu oft in unſerer Zeit mit wohl-
erworbenen Privatrechten in Widerſpruch geräth, z. B. bei Zehntrechten, Frohnd-
rechten, Leibeigenſchaft u. dgl. mehr. S. Meine Recenſion a. a. O. S. 597.
⁵⁾ Lotz Handbuch. III. 50. Auch wohl v. Juſti Syſtem des Finanzweſens.
§. 19. 37.
⁶⁾ Gegen dieſe Maxime, als leitendes Prinzip, ſpricht ſich v. Malchus Fi-
nanzw. I. Einl. S. 14. entſchieden aus, weil jede Aufwandsgröße etwas Relatives
ſei und die Möglichkeit ſeiner Beſchränkung vom Zwecke und überhaupt von den
Umſtänden abhänge. Allein daß dadurch die fortwährende Wirkſamkeit jener Maxime,
wo ſie nur immer ausführbar iſt, nicht aufgehoben werden kann, verſteht ſich von
ſelbſt. Ganilh De la science des Finances. Introduct. p 41. geht ſogar ſo weit,
der Finanzwirthſchaft auch noch aufzuerlegen, daß ſie dem Steuerpflichtigen die
Mittel zur Steuerzahlung verſchaffe. Dies iſt eine Verwechſelung der Aufgabe der
Wirthſchaftspolizei mit jener der Finanzverwaltung.
⁷⁾ S. über dies Alles v. Malchus Finanzw. I. Einl. S. 11–15.
§. 475.
2) Zuſammenſtellung und Kritik der Staatserwerbsarten.
Nach den ſo eben angegebenen Maximen iſt die Zweckmäßigkeit
der verſchiedenen Arten des Staatserwerbs zu beurtheilen, allein
man hat ſich in deren Beurtheilung vor einem theoretiſchen Ab-
ſprechen, ohne Hinblick auf die praktiſchen Staatsverhältniſſe, zu
hüten. Denn es kann Manches nationalöconomiſch ſeine Richtig-
keit, aber doch unberechnete Hinderniſſe im praktiſchen Staatsleben
haben. Die Finanzgeſchichte zeigt, daß die Art der Befriedigung
der Staatsbedürfniſſe mit der Ausdehnung dieſer Letzteren und mit
der Entwickelung des Volks- und Staatslebens wechſelt. Ehe man
alſo über die Vorzüge der einen oder andern Methode abſpricht,
müſſen wenigſtens dieſe Umſtände erwogen werden. Man unter-
ſcheidet folgende verſchiedene Arten des Erwerbs und Einzugs der
Staatseinkünfte:
A. In Betreff des Erwerbs iſt die Verſchiedenheit vorhanden,
daß die Staaten entweder aus Gewerbsbetrieb oder aus dem
Beſteuerungsrechte oder aus der Benutzung ihres Kredits
Einkünfte beziehen. Die erſte Art, am ausgedehnteſten in noch
[696/0718]
wenig entwickelten Staaten zu finden, ſetzt voraus, daß der Staat
jedenfalls Arbeit, Grund und Boden und ein eigenes ſtehendes
Capital gewerblich anwendet, indem er entweder mit den Bürgern
frei concurrirt oder ſie von Gewerben, die er ſich allein zu wirth-
ſchaftlichem Vortheile vorbehalten hat (Finanzregalien), aus-
ſchließt. Die zweite Art, ſchon eine höhere Culturſtufe des Staats
vorausſetzend, unterſcheidet die Staatswirthſchaft weſentlich von
der Privat- und Gemeindewirthſchaft (§. 383.), und hat das Ei-
genthümliche, daß ſie kein ſtehendes Capital und keinen Grund und
Boden braucht, ſondern blos Arbeit zur Erhebung und Verwaltung
nöthig hat, die Staatseinkünfte blos als umlaufendes Capital oder
Conſumtionsvorrath in Circulation erhält und die freie Concurrenz
im Gewerbsweſen nicht ſtört. Die dritte Art endlich, erſt bei
der höchſten Ausbildung des Staatsweſens im Gebrauche, hat das
Gute, daß ſie nur dort Einkünfte erhebt, wo ſich Vermögen in
hinreichender Menge angeſammelt findet, und hat im Uebrigen die
Vortheile der zweiten Art. Man könnte hiernach in Verſuchung
gerathen, die Erſte für unbedingt für verwerflich zu erklären und die
Letzte unter allen Dreien vorzuziehen. Aber um die durch die
Letzte eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen, bedarf man
immer eine der beiden erſteren Arten, und die erſte Art iſt ſehr
häufig aus polizeilichen und ſtaatsrechtlichen Gründen nicht nach
Belieben zu entfernen. Das Nähere darüber wird im nächſten
Buche erörtert.
B. In Betreff des Einzugs gibt es ein Natural- und ein
Geldwirthſchaftsſyſtem, je nachdem der Staat ſeine Einkünfte in
Natur oder in Geld erhebt. Das Erſtere iſt von der oben ge-
nannten erſten Erwerbsart unzertrennlich und findet ſich zuweilen
auch bei der zweiten Art. Der Staat verwickelt ſich dadurch in
alle Müheſeeligkeit, Koſten und Gefahren der längeren Aufbe-
wahrung und macht daher ſein Einkommen und die Befriedigung
ſeiner Bedürfniſſe im höchſten Grade unſicher, was bei dem Geld-
ſyſteme nicht der Fall iſt. Es wird aber natürlich dabei voraus-
geſetzt, daß der Verkehr ſchon ſo weit gediehen und der Gebrauch
des Geldes ſo allgemein iſt, daß man das Letztere einführen kann.
In dieſem Falle zerfällt die gewöhnliche Einwendung für das
Naturalſyſtem, daß der Bürger leichter in Natur als in Geld
Abgaben bezahle, ganz als unhaltbar und mit dem Staatsvortheile
nicht übereinſtimmend, in ſich ſelbſt.
[697/0719]
Zweites Buch.
Beſondere Grundſätze.
Erſtes Hauptſtück.
Vom Erwerbe des Staats aus Gewerben.
Erſtes Stück.
Vom Urgewerbsbetriebe des Staates.
§. 476.
Vorbemerkungen.
Sämmtliche Urgewerbe des Staats ſind von der Art, daß er,
frei mit den Bürgern, Geſellſchaften und Gemeinden concurrirend,
ſie mit eigenem Vermögensfonds an Boden, Gebäuden, Geräth-
ſchaften, privatrechtlichen Gerechtſamen, Güter- und Geldvorräthen
(Betriebsfonds) betreibt. So wenig es auch den Anſchein hat,
ſo übt der Staat dennoch wegen des in der Regel ſehr ausgedehn-
ten Betriebes und wegen der Menge von verkäuflichen Producten,
worin ihm leicht nicht Jemand nahe kommt, eine Art von Monopol
aus. Jedenfalls wird durch das Staatseigenthum der National-
wirthſchaft ein bedeutender Fonds entzogen, und es liegt im Staats-
intereſſe, alsdann die Gewerbsfreiheit zurückzuhalten, ſo lange der
Staat ganz oder größtentheils durch dieſe eigenen Einkommens-
quellen vom Volke unabhängig iſt. Allein aus dieſen Gründen er-
ſcheint dieſer Gewerbsbetrieb im Allgemeinen noch nicht für ver-
werflich, weil es auf den Staatszuſtand ankommt. Die Befriedi-
gung der Staatsbedürfniſſe iſt nur in früheren Zeiten durch dieſe
Erwerbsquellen allein möglich, und dieſer Zuſtand verleiht ſicher-
lich der Regirung eine große Unabhängigkeit von der Nation, die
aber leider zu leicht auch in Unbekümmertheit übergehen kann.
Mit dem ſteigenden Staatsbedarfe ſchleichen ſich die Steuern und
Schulden von ſelbſt ein, und ſetzen die Regirung in immer größere
Abhängigkeit vom Volke, das ſtets mehr ſeinen rechtlichen Anſpruch
auf allſeitige Beförderung ſeines Wohles (die wahre Volksſou-
verainetät) geltend macht.
§. 477.
I. Der Staatsbergbau.
Der Staat kann eigene Bergwerke beſitzen und dieſelben be-
treiben. Der Bergbau bietet mehrere Verſchiedenheiten von den
andern Gewerben dar. Nämlich die Grundrente gelangt nicht an
[698/0720]
den Grundeigenthümer, da der Bergbau nicht vom Grundeigen-
thümer abhängt; derſelbe iſt an eine beſtimmte Oertlichkeit fixirt,
man iſt nicht im Stande, nach freiem Willen die Ausbeute zu ver-
mehren, da er nur das von der Natur Gegebene fördert; der Be-
trieb iſt nicht ſo theilbar, das nöthige Capital nicht ſo klein, die
Nothwendigkeit, einſtweilen Verluſte zu tragen, nicht ſo ſelten und
unbedeutend und die erforderliche Bildung nicht ſo gering, daß ein
Jeder ſich demſelben widmen könnte1). Aus dieſen Gründen der
Verſchiedenheit ergibt ſich ſogleich, daß der Staatsbergbaubetrieb
nicht wie der eines jeden andern Gewerbes betrachtet oder verwor-
fen werden kann, beſonders da es ſich dabei um die Lieferung von
ſehr nothwendigen und nützlichen Producten handelt (§. 431.).
Es concurrirt daher in dieſen Fragen ſchon das finanzielle mit dem
nationalöconomiſchen Prinzipe. Die finanzielle Klugheit mißräth
den Fortbau von Bergwerken, welche keinen Gewinn geben, das
nationalöconomiſche aber, mehr den Rohertrag in Betracht ziehend,
mißräth blos denjenigen, welcher das Product nicht ſo wohlfeil,
als das Ausland, liefert, es gebietet die Erwägung, daß beim Fort-
betriebe alsdann das Capital doch inländiſche Arbeit beſchäftige,
dagegen beim Verlaſſen der Grube größtentheils verloren gehe,
und daß ſie nach einiger Zeit der Zubuße wieder mit Ausbeute ge-
baut werden2) könne und zeigt Fälle, in welchen der Fortbetrieb
ſelbſt mit Verluſt einige Zeit nothwendig iſt (obigen §.). Es iſt
daher ein Unterſchied zu machen zwiſchen dem Bergbaubetriebe ohne
finanziellen Gewinn und ſolchem mit Verluſt3), und es bleiben
alſo für den erſten Fall immer noch die Fragen über die beſte
Betriebsart zu beantworten. 1) Gegen den Selbſtbetrieb
wendet man ein: die Verwerflichkeit alles monopoliſtiſchen Drucks,
die größere Zweckmäßigkeit des Privatbetriebs, die vortheiligere
Verwerthung der Producte durch Privatunternehmer, die Ueber-
häufung des Staats mit vielen Nachtheilen eines großen Geſchäfts-
details und Aufwandes, die Luſt der Staatsbergbeamten nach Ver-
ſuchen und Bauten, die keinen Nutzen, aber Schaden bringen,
und die aus der übertriebenen Werthſchätzung der Edelmetalle her-
vorgehende falſche Meinung der Staaten, daß der Betrieb auch
ohne Gewinn der Metalle ſelbſt willen fortgeſetzt werden müſſe4).
Allein die beiden letzten Gründe verlieren in unſere Zeit alle
Kraft; die genannte Ueberhäufung kann zwar nicht geläugnet wer-
den, allein zur Verhütung von Monopolien und Uebervortheilungen
beim Verkaufe ſo wie zur Erleichterung des Berghandels ſind die
Berghandlungen ſehr zweckdienliche Inſtitute; bei dem Staatsberg-
baue findet wegen des Baues mehrerer Bergwerke eine Combination
[699/0721]
und Ausgleichung Statt, welche die Einträglichkeit der Capitalien
zuſammengenommen und die Möglichkeit des ſchadloſen Fortbaues
weit mehr ſichert, als dies in Privathänden bei jener Vereinzelung
der Fall iſt5). 2) Für die Verpachtung hat man geltend ge-
macht: das Verſchwinden obiger Nachtheile des Selbſtbetriebs und
die Befreiung eines umlaufenden Capitals, welches der Staat
früher in den Bergbau verwendete, aber jetzt anders nutzbringend
anwenden kann. Allein ſie iſt nur anwendbar, wo ſich Kenner,
Liebhaber und Capitaliſten für ſolche Unternehmungen finden, je-
denfalls nur bei Bergwerken, von deren Ertrage man hinreichende
ſichere Kenntniß und Vermuthungen hat, und bei kleinen verein-
zelten Betrieben6). Aus dieſen verſchiedenen Erörterungen möchte
ſich nun ergeben, daß die meiſten Umſtände 3) für die Verlei-
hung an Gewerkſchaften (§. 122.) ſprechen, denn dieſe Me-
thode vereinigt die Vortheile des Staats- und Privatbetriebs,
indem der Staat die Oberaufſicht behält, den Betrieb leitet, Frei-
kuren vorbehält, die für ihn brauchbaren Metalle zu einem be-
ſtimmten Preiſe den Gewerkſchaften abnimmt, und zuweilen auch
für die großen Capitalauslagen ſorgt, wofür er mehrere Abgaben,
als Zehnten, Stollenneuntel, Rezeß- und Quatembergelder, Poch-
und Hüttenzins u. dgl. bezieht7). Welche dieſer Betriebsarten
man aber auch wählen mag, ſo wird darnach die Wirthſchaft an-
dere Regeln zu befolgen haben. Nämlich a) bei dem Selbſtbe-
trieb darf nur nach den bergmänniſchen Grundſätzen und Regeln
verfahren werden. b) Bei der Verpachtung iſt die Fertigung
des Pachtcontraktes das Wichtigſte, und es iſt dazu nothwendig
ein Pachtanſchlag, eine vollſtändige bergmänniſche Beſchreibung
des Bergwerkes ſammt ihrem Zugehör, eine Ermittelung des Er-
trags im Durchſchnitte mehrerer Jahre, eine Wahrſcheinlichkeits-
berechnung der Dauer des Bergwerkes oder die Ermittelung der-
jenigen Periode, innerhalb welcher der Pachter ſein Capital ſammt
Zins erſtattet haben kann, und Beſtimmungen über Quantität und
Qualität des Pachtzinſes8). c) Bei der Verleihung (Admo-
diation) entſchlägt ſich der Staat der Gemeinſchaft mit dem ſpezi-
ellen Geſchäftsdetail. Die wichtigſten Punkte ſind die geſchärfte
Aufſicht und die verſchiedenen Leiſtungen der Gewerkſchaft, deren
Abſchaffung, weil ſie den Ertrag bedeutend und unverhältnißmäßig
ſchmälern, immer wenigſtens wünſchenswerth iſt9).
¹⁾ Es führt v. Malchus Finanzw. I. §. 20. außerdem noch als Eigenthüm-
lichkeiten des Bergbaubetriebes auf: a) daß er ohne Beeinträchtigung anderer Ge-
werbszweige zur Vermehrung des Volks- und Staatseinkommens weſentlich beitrage;
b) daß er im Falle großer und langer Zubuße bei ausgedehntem Betriebe die erfor-
derlichen Zuſchüſſe, z. B. aus einem Reſervefonds, ſelbſt ſchaffe, ohne daß der
[700/0722]
¹⁾ Staat andere Gewerbe in Anſpruch zu nehmen brauche; c) und, was am weſent-
lichſten und wichtigſten ſei, daß derſelbe die für ſeinen Betrieb erforderlichen Capi-
talien in der Regel aus und durch ſich ſelbſt ſchaffe, folglich ſein reines Einkommen
als der Zins eines Capitals erſcheine, welches der Staat ohne Anſchaffungskoſten
erworben habe. Allein das Erſte findet nur unter den günſtigſten ſtaats- und volks-
wirthſchaftlichen Umſtänden Statt, wenn der Bergbau als freies Gewerbe ohne
Staatszuſchüſſe u. dgl. in Aufnahme kommt, und begründet daher keinen Unterſchied
zwiſchen dem Bergbaue und andern Gewerben. Das Zweite hat mit demſelben
jedes andere unter günſtigen Umſtänden betriebene Gewerbe gemein. Endlich im
Dritten liegt etwas Unverſtändliches. Wenigſtens muß jedes, nicht mit Nachtheil
betriebene Gewerbe, ſo wie der Bergbau, das Capital d. h. das ganze umlaufende
und durch den Erſatz das nach und nach abgenutzte ſtehende Capital erſetzen und
außerdem durch den Zins die Capitalanſammlung möglich machen. Daß der Staat
gerade zur Erwerbung des im Boden liegenden Erzcapitals keinen Aufwand zu
machen habe, widerlegt jeder Bergbau deſſelben. Daß er, etwa kraft eines Regals
im poſitiven Staatsrechte, ohne Entſchädigung der Grundeigenthümer überall allein
Bergbaue anlegen kann, das kommt dem Bergbaue, als Gewerbe, für ſich nicht zu
Gute, ſondern dem Staate.
²⁾ Rau polit. Oeconom. III. §. 175. 176.
³⁾ v. Jacob Staatsfinanzw. §. 357 folg. iſt der Anſicht, der Staat ſolle, ſo
lange es auch Privatleute nicht für vortheilhaft und ausführbar hielten, ein Berg-
werk zu unternehmen, um die in der Erde verborgenen Mineralien zu fördern, dies
nicht als einen Schaden anſehen, daß dieſe ungefördert liegen, und deßhalb auch
keinen Betrieb beginnen. Allein in dieſer Ausdehnung möchte das Geſchehen- und
Geltenlaſſen wenigſtens hierbei der Nation nicht immer zum Nutzen ſein. Denn die
Staats- und Nationalvortheile, die durch den Abbau zu beziehen wären, können
auch entſchieden ſein, allein es kann den Einzelnen Muth, Vereinigung, Kenntniß
und Capital dazu fehlen, und es iſt Erfahrungsſatz, daß ſich Zubußen in einem
Bergwerke bei der Combination mehrerer Baue durch die Ausbeute bei andern wie-
der ausgleichen. S. Hermes St. XVI. 151. v. Malchus Finanzw. S. 89.
⁴⁾ v. Jacob Finanzw. §. 284. Lotz Handb. III. 127. 129. Rau polit.
Oeconom. III. §. 174.
⁵⁾ Es führt v. Malchus Finanzw. I. S. 91. N. *** die niederſchlagenden
Ergebniſſe der ſüdamericaniſchen Bergbauunternehmungen zum Beweiſe an, daß die
Unterſtellung eines beſſern Betriebs durch Privaten nicht ſo haltbar ſei, als man
vorgebe. Allein rechnet man zuſammen, daß Bergwerke auf edle Metalle ſtets
weniger günſtig ſind, als auf unedle, daß die früheren Zehntabgaben den Betrieb
äußerſt drückten, und was die Zerſtörungen im ſüdamericaniſchen Revolutionskriege
ruinirten, — und vergleicht man dies mit den großen Capitalauslagen, ſo darf
dieſer Beweis nicht als vollgiltig erſcheinen. Allein daß die Organiſation der Ver-
waltung vielfach ſchlecht war, darf auch nicht verhehlt werden. S. Quarterly Re-
view. T. 43 (1830). p. 168–173. nach Temple Travels in Peru (London 1830).
II. 30. 251.
⁶⁾ Alſo nicht die Bergwerke, wobei die Gefahr einer Ertragsſchmälerung zu
groß iſt, z. B. auf Gold, Silber, Diamant, ſelbſt auch noch bei Blei-, Zink-,
Kupfergruben, — dagegen bei Torf, Stein- und Braunkohlen. v. Jacob Staatsf.
§. 294. Ganz anders ſind auch die Salzwerke zu beurtheilen. Sie erſcheinen
mehr als ein Fabricationszweig, deſſen Ertrag, abhängig von der willkürlichen Pro-
duction und Abſatzgelegenheit, ebenſo wie dieſe beiden Letztern und der Aufwand,
leicht zu beſtimmen und als bleibend angenommen werden können. Die Verpachtung
iſt alſo bei ihnen ſehr wohl anwendbar. S. aber unten §. 481. 483.
⁷⁾ v. Malchus Finanzw. I. S. 93. Rau polit. Oeconom. III. §. 182.
Fulda Finanzw. §. 112. de Villefosse Rich. minérale. I. 71. Aber v. Jacob
Finanzw. §. 290. glaubt dieſe Betriebsart eben denſelben Gefahren ausgeſetzt, wie
den Staatsſelbſtbetrieb, weil die Gewerkſchaften auch Gemeinheiten ſind und der
einzelne Actionair ſich um die Aufſicht auf die Verwaltung nicht kümmere Allein
eine gute Organiſation der Actiengeſellſchaft ſchützt vor ſolchen Mängeln.
[701/0723]
⁸⁾ v. Malchus I. §. 22. iſt der Anſicht, man ſolle den Pachtzins in Geld
fordern und ſich ihn ſo, ſelbſt wenn er in Rohproducten fixirt ſei, bezahlen laſſen.
Allein dieſe Regel muß als zu allgemein erſcheinen, weil es dabei auf ganz beſon-
dere Umſtände ankommt und der Staat ſelbſt mancher Metalle (Gold, Silber,
Kupfer) bedarf.
⁹⁾ Die genannten Abgaben ſind bedeutende Beläſtigungen für den Betrieb.
Insbeſondere iſt der Zehnte, als Abgabe von Rohertrage, dem Bergbaue weit
ſchädlicher als dem Landbaue, weil das Mißverhältniß der Ausgaben zu den Ein-
nahmen bei jenem häufiger und größer, überhaupt das ganze Geſchäft gewagter iſt.
Hier alſo ſollte die finanzielle Rückſicht unbedingt der nationalöconomiſchen weichen.
Ferner iſt die Verpflichtung der Pachter oder Gewerkſchaften, ihre Producte um
einen niedrigeren als um den Concurrenzpreis an den Staat zu liefern, ſehr drückend
und unbillig, es entſteht daraus unmittelbarer Schaden für dieſelben, beſonders
wenn man ihnen noch die andern Abgaben aufhalst. Endlich erſcheinen, man
mag ſie anſehen, wie man will, die Freikuren durchaus als nichts anderes, denn
als Beſteuerungen des Rohertrages. Es iſt daher zu wünſchen, daß dieſe Abgaben
entweder in Verzicht gerechnet, oder aber anders regulirt werden. Das Erſtere
verlangt v. Jacob St. Finanzw. §. 373. Allein v. Malchus I. S. 98–99. iſt
gegen die Verzichtleiſtung, weil dieſe Verpflichtungen auf den ganzen Betrieb und
Haushalt weſentlichen Einfluß geübt haben, alſo durch Jene bedeutende Veränderungen
hierin erfolgen würden, und weil ſie durch Gegenleiſtungen vom Staate, z. B.
unentgeltliche Holz- und Eiſenlieferung, Lieferung von Pulver, Talg, Oel, Getreide
u. dgl. zu niedrerern als Concurrenzpreiſen abgeglichen werden. Das Letztere erſcheint
jedoch volkswirthſchaftlich als verwerflich, in Betreff des Erſteren iſt nicht abzuſehen,
warum es gerade bei allen dieſen Abgaben der Fall ſein ſollte, und man würde
ſchon in den meiſten Fällen durch angemeſſene Regulirung hinreichend durchgreifen
können.
§. 478.
II. Die Staatslandwirthſchaft.
Landgüter (Domänen, Kammergüter, Kaſten- und Chatoull-
güter, oder wie man ſonſt, ohne weiter zu unterſcheiden, dieſelben
nennt) beſitzt der Staat als Eigenthum oder ſie ſind unter dem
Vorbehalte des Letztern vom Fürſten den Staatsdomänen zur Ver-
waltung einverleibt (§. 207.). Sie erſcheinen der Finanzwirth-
ſchaft als etwas Gegebenes, mit welchem ſie zu wirthſchaften hat,
um daraus den möglichſt großen Vortheil zu ziehen. Die Unter-
ſuchung, welche hier darüber Statt finden ſoll, hat ſich daher
über die beſte Bewirthſchaftungsart derſelben zu verbreiten. Da
aber mit denſelben verſchiedene Gerechtſame verbunden ſind, ſo
ſcheidet man die Fragen in zwei Hauptabtheilungen, wie folgt1).
A. Bewirthſchaftung der Staatslandgüter ſelbſt. Es
gibt auch verſchiedene Arten derſelben, und die haben Manches
gegen und für ſich (§. 209.). 1) Die Selbſtbewirthſchaftung
auf Staatsrechnung hat als Nachtheile gegen ſich: den geringen
Ertrag und großen Aufwand als Folge des Mangels an Aufſicht
und Intereſſe der Beamten für den Betrieb und der Unthunlich-
keit, die Verwalter für alle Fälle und Ereigniſſe mit nöthigen und
genügenden Verhaltungsbefehlen zu verſehen, ferner die Auslage
[702/0724]
eines großen Capitals aus der Staatskaſſe, das Unterbleiben oder
wenigſtens unſorgſame Leiten nöthiger Verbeſſerungen von Seiten
der Verwalter oder aus Mangel an Capital zur gehörigen Zeit
und die völlige Unthunlichkeit der Adminiſtration kleiner vereinzelter
Güter. Sie iſt daher nur noch bei Gütern, deren Ertrag meiſtens
aus Gefällen beſteht, bei Domänen, die eines größern Capitals
zur Wiederherſtellung ihres guten Zuſtandes bedürfen, als ein
Privatwirth aufwenden könnte, bei Muſtergütern, und bei Gütern,
die den landesherrlichen Hofhalt umgeben, angewendet2). 2) Für
die Zeitpacht ſpricht im Allgemeinen die Beſtimmtheit des Ein-
kommens für die Staatskaſſe, die Befreiung des Staats von allen
Einzelheiten der Bewirthſchaftung und Gefällerhebung, ſo wie
außerdem von allen Nachtheilen der Selbſtverwaltung und die
Sicherheit der Staatskaſſe vor allen ſchlimmen Wechſelfällen des
Ertrags. Dagegen aber wird eingewendet die Häufigkeit und
Leichtigkeit der Gutsverſchlechterung durch die Zeitpächter, der
Ausſchluß der Staatskaſſe von den Vortheilen, welche dem Unter-
nehmer durch günſtige Verhältniſſe im Reinertrage bereitet werden,
und die leicht mögliche Bedrückung der Gutsunterthanen durch die
Pächter, wenn dieſe zugleich die bäuerlichen Leiſtungen zu empfan-
gen haben3). Da bei jener Meinung ein guter, bei dieſer aber
ein ſchlechter Betrieb vorausgeſetzt wird, ſo kommt dabei offenbar
alles auf den Pachtcontrakt an (§. 209. N. 3.). Es bleibt aber
dann noch die Frage übrig, ob die Spezial- (Separat-)
Pacht, d. h. in einzelnen Gütern und Parzellen, oder die Ge-
neralpacht, d. h. in großen Gütercomplexen mit allem Zugehöre
an Gerechtſamen und Gewerkseinrichtungen vorzuziehen ſei. Für
dieſe ſprechen die Vortheile großer Landgüter (§. 432.), die
größere Fähigkeit großer Gutspächter zur Ertragung von Unglücks-
fällen ohne Staatsremiſſionen und die beſondere Vereinfachung der
Staatsdomänenverwaltung; dagegen aber wird geltend gemacht
die geringere Concurrenz der Pächter für ſo große Güter, daher
der Verluſt der aus großer Concurrenz erfolgenden Steigerung des
Pachtzinſes, die Schwierigkeit der Trennung und Aufhebung der
bäuerlichen Laſten, der dem Pachter gegebene Spielraum zur Aus-
übung ſeiner Gewalt und Laune auf die Unterthanen, die Unaus-
führbarkeit einer gleichen Sorgfalt für alle, beſonders die entfern-
teren, Gutstheile und die Ungegründetheit der Hoffnung auf die
leichtere Ertragung von Unglücksfällen durch Generalpächter. Für
die Spezialpacht ſpricht aber geradezu das Verſchwinden aller Be-
ſorgniſſe wegen der Generalpacht, der Vortheil kleiner Landgüter
für den Volkswohlſtand, beſonders bei ſtarker Bevölkerung und
[703/0725]
geeigneter Lage der Grundſtücke. Es kommt alſo Alles auf beſon-
dere Umſtände an, und es dürften auch hier die bereits (§. 379.
N. 3.) angegebenen Beziehungen entſcheiden. 3) Die Erbpacht
gegen Entrichtung eines jährlichen Zinſes (Kanons) und eines
Erbbeſtandgeldes beim Erbantritte hat große Vorzüge, weil der
Erbpachter ſein Gut gerade ſo wie ſein Eigenthum behandelt und
der Staat, frei von den Mängeln und Läſtigkeiten der eigenen
Verwaltung, einen ſichern feſten Zins bezieht, bei der Verſicherung,
daß das Gut mit Wiſſen des Pachters nicht verſchlechtert wird.
Es wird aber gegen ſie auch eingewendet: die zu große Beſchrän-
kung des Erbpachters in der Behandlung des Gutes, der Verluſt
des Dispoſitionsrechtes über das Gut auf Seiten des Staats, die
Entbehrung des Vortheils aus der möglichen Steigerung des Pacht-
zinſes nach Ablauf der Pachtzeit bei der Zeitpacht, die nothwen-
dige Verzichtung des Staats auf die Theilnahme an dem aus
irgend einem Grunde geſteigerten Gutsertrage, und der Schaden,
welcher für die Staatskaſſe aus einem unveränderlichen Kanon
hervorgeht, wenn der Geldwerth ſinken und der Preis der Güter
ſteigen würde5). Allein dieſe Einwendungen ſind zum Theile that-
ſächlich unrichtige Behauptungen und zum Theile von der Art,
daß ihnen im Erbpachtsvertrage ſehr leicht begegnet werden kann6).
4) Die Erbzinsverleihung, d. h. Ueberlaſſung des vollſtändigen
erblichen Eigenthums der Nutzung am Gute unter Vorbehalt des
Obereigenthums, zu deſſen bloßer Anerkennung eine ſich nicht nach
dem Gutsertrage oder üblichen Pachtzinſe richtende Abgabe (Erben-
zins) jährlich bezahlt werden muß. Sie iſt finanzwirthſchaftlich
nicht zu vertheidigen, obſchon ſie aus vielen andern Gründen Aner-
kennung verdienen könnte. 5) Die Gewährsadminiſtration,
ein Mittelding zwiſchen Pacht und Selbſtbetrieb, indem der Guts-
übernehmer an den Staat eine feſte Summe bezahlt, und gewiſſe
Capitalauslagen und Laſten übernimmt, dafür aber am Reinertrage
einen gewiſſen Antheil bezieht und über die Bewirthſchaftung des
Guts, nur Hauptveränderungen abgerechnet, frei dispinoriren kann.
Die Vortheile dieſes Betriebs für den Staat, nämlich Sicherheit
und Feſtigkeit des Einkommens, Befreiung von mehreren Laſten,
Theilnahme an der Ertragserhöhung zufolge des geſchickten Betriebs
des Gewährsadminiſtrators und anderer Umſtände, Verringerung
des Verluſtes in Unglücksfällen und Sicherung vor Gutsverſchlech-
terung, ſind ſo groß, daß es nicht leicht Concurrenten für eine
ſolche Uebernahme gibt7).
B. Bewirthſchaftung der Gutsgefälle und Gerecht-
ſame (§. 463.). Dieſelbe richtet ſich ganz nach der gewählten
[704/0726]
Betriebsart der Domänenwirthſchaft. In manchen Fällen haben
aber die Staaten faſt oder ganz ausſchließlich ſolche zu beziehen
und anzuſprechen. Die Gefälle, beſonders die Zehnten, ſind dabei
am wichtigſten. Es iſt hierbei die Selbſterhebung die mühe-
ſeeligſte und koſtſpieligſte Verwaltungsart, deßhalb ſuchte man ihr
auszuweichen, und nahm entweder zur Verpachtung auf dem
Wege der Verſteigerung oder zu einer Abfindung mit den Be-
treffenden über eine jährliche durchſchnittliche Geſammtleiſtung
ſeine Zuflucht8).
¹⁾ Gaſſer, Einl. zu den .... Cameralwiſſenſchaften. Cap. 1–11 (ſ. §.
28. N. 10). Schreber, Abhadl. v. d. Kammergütern. Leipzig 1754. 2te Aufl. 4.
(Borgſtede) Juriſtiſch öconom. Grundſ. von Generalverpachtungen .... in den
preuß. Staaten. Berlin 1785. Nicolai, Oeconom. juriſt. Grundſ. der Verwaltung
des Domänenweſens in den preuß. Staaten. Berlin 1802. II Bde. (noch ſehr
brauchbar). Wehnert, Ueber die vortheilhafteſte Benutzung .... der Domänen.
Berlin 1811. Sturm, Lehrbuch der Kameralpraxis. Bd. I. Strelin, Reviſion
der Lehre von Auflagen und Benutzung der Domänen. Erlangen 1821. S. 209 folg.
v. Seutter, Ueber die Verwaltung der Staatsdomänen. Ulm 1825. v. Liech-
tenſtern, Ueber Domänenweſen. Berlin 1826. Bergius, P. u. C. Magazin.
Art. Domainengüter. Hüllmann, Geſch. der Domänenbenutzung in Deutſch-
land. Frankfurt a. d. O. 1807. Die betreffenden Abſchnitte der Bücher über Fi-
nanzwiſſenſchaft. Spittler, Vorleſungen über Politik. S. 328.
²⁾ Sturm Kameralpraxis. I. 193. v. Jacob St. Finanzw. §. 88. Fulda
Finanzw. §. 61. v. Malchus Finanzw. I. §. 7. Rau polit. Oeconom. III.
§. 105. 106. Nicolai Grundſätze. I. 232.
³⁾ Bergius Magazin. Art. Pacht. S. oben §. 209. N. 2. Nicolai
I. 234. II. 156. v. Jacob Finanzw. §. 93. Fulda Finanzw. §. 63. Rau
III. §. 110. v. Malchus I. §. 9. A. v. Neukirchen, Spez. Würdigung des
Syſtems der Zeitpacht. Prag 1833 (wenig Blätter, aber Vieles aus der Erfahrung).
⁴⁾ Die Zeitpacht auf das Leben (Vitalpacht) hat daher Vortheile für das
Gut, den Staat und Pachter, ebenſo wie die Zuſage des Uebergangs der Pacht auf
die Erben, unter gewiſſen Bedingungen. v. Soden St. Finanzw. §. 69.
⁵⁾ Lotz Handb. III. 102.
⁶⁾ Sturm Kameralpraxis. I. 273. Nicolai I. 246. v. Jacob Finanzw.
§. 176. §. 187 folg. Fulda §. 69. Rau III. §. 180. v. Malchus I. §. 10.
Kraus Staatswirthſch. V. 13. Krauſe, Syſtem einer Nat. und Staatsöconom.
I. 351. II. 231. Auch hier iſt die Frage über die Größe der zu vererbpachtenden
Stücke. Eine Vererbpachtung im Kleinen (Dismembration, Abbau, Zer-
ſchlagung) iſt nach den Vortheilen kleiner Landgüter zu beurtheilen. Man wen-
det gegen ſie in der Regel ein: die Verminderung der Staatseinnahmen im Ver-
gleiche mit der Generalerbpacht, da große Güter mehr ertrügen als kleine; die
Verlegenheit wegen Subſiſtenzmitteln in Mißjahren, die Schmälerung des Werths
und Ertrags mancher landw. Nutzungen, z. B. Schäferei, Brennerei, Brauerei,
die ohne große Güter nicht möglich ſind, das Unterbleiben von Güter- und andern
landw. Verbeſſerungen, die größere Holzconſumtion wegen Entſtehung mehrerer
Familien, die Schmälerung der Ausfuhr landwirthſchaftlicher Producte, und die
Koſtſpieligkeit des Häuſerbaues auf die kleinern Güter. (Nicolai I. Abthl. 3. §. 6.)
Allein die Unbegründetheit der meiſten dieſer Einwendungen, und die theilweiſe
Uebertreibungen in denſelben ſind eben ſo leicht darzulegen, als der geſchichtliche und
ſtatiſtiſche Beweis von den Vortheilen wirklich ausgeführter Zerſchlagungen.
S. Kamphövener Beſchr. der vollführten Niederlegungen königl. Domänengüter
in den Herzogth. Schleswig und Holſtein. Kopenhagen 1787. Noeldechen, Briefe
über das Niederoderbruch. Berlin 1800. Krug, Nat. Reichth. des preuß. Staats.
[705/0727]
⁶⁾ II. 418. Rau III. §. 132. Hüllmann, Geſchichte der Domänenbenutzung.
S. 93. 96. 100. 120.
⁷⁾ Das ſogenannte Intendanturſyſtem iſt keine beſondere Bewirthſchaf-
tungsart, ſondern nur die Beſtallung eines Oberaufſehers (Intendanten) über meh-
rere Wirthſchaften, Pächte, Gefällerhebungen u dgl. mehr. Als koſtſpielig und
drückend für die Pächter und Unterthanen ſind ſie in Preußen, wo ſie eingeführt
waren, alsbald wieder abgeſchafft worden. Nur bei vereinzelten neu zugefallenen
Gütern, von welchen man keine Kenntniß hat, um ſie zu verpachten, mögen ſie
von Nutzen ſein, wenn man die alten Pächter nicht ſogleich entlaſſen kann. S.
Nicolai I. 244. v. Malchus I. §. 11.
⁸⁾ Rau III. §. 155. 162. Im Falle a) der Selbſtbewirthſchaftung
der Domänen und Zugehör muß dieſe nach den Regeln der Landwirthſchaftslehre
geführt werden. b) Bei der Verpachtung kommt Alles auf die Wahl des Pach-
ters, den Pachtanſchlag und Pachtcontrakt an. Es iſt daher die Frage wichtig, ob
die Methode der Privatverpachtung oder jene der öffentlichen Verſteigerung
(Lizitazion), und ob die Verpachtung in Pauſch und Bogen nach ungefährer Schätzung
oder auf den Grund eines vollſtändigen Ertragsanſchlages geſchehen ſoll. Die Privat-
verpachtung ſtellt dem Staate die Wahl unter den Pachtluſtigen frei und iſt deßhalb
nicht mit ſo großen Gefahren für das Gut und die Staatskaſſe verknüpft, als die
Verſteigerung, wobei mehr das höchſte Gebot entſcheidet und die Pachtluſtigen ſich
überbieten. Bei großen Gütern iſt jene vorzuziehen und ein Ertragsanſchlag uner-
läßlich, bei kleinen vereinzelten Grundſtücken genügt in der Regel ſchon ein Ueber-
ſchlag in Pauſch und Bogen und iſt die Verſteigerung nicht ſo nachtheilig, wie bei
großen Complexen. v. Malchus I. §. 12. Rau III. §. 114. 121. Oben §. 216.
u. 217. Bergius P. und C. Magazin. Art. Pachtanſchlag. Block, Mit-
theilungen landwirthſchaftlicher Erfahrungen. Bd. III. (1834) vrgl. §. 132. Note 5.
§. 479.
III. Die Staatsforſtwirthſchaft.
Daß der Staat zum Betriebe der Forſtwirthſchaft vorzüglich
geeignet iſt, wurde bereits (§. 261.) gezeigt. Die Staatsforſte
unterliegen deßhalb, alſo in letzter Analyſe, wegen ihrer eigenen
Natur, ganz andern Grundſätzen als die Landgüter. Was nun:
A. Die Hauptnutzung betrifft, ſo ſpricht 1) für die Selbſt-
verwaltung die Natur des Waldeigenthums, die Sicherheit des
Genuſſes der Vortheile günſtiger Verhältniſſe für den Waldbau
und die Verwerthung der Producte deſſelben, die Wichtigkeit der
Forſtwirthſchaft für den Volkswohlſtand und die Seltenheit der
gehörigen techniſchen Kenntniſſe, wenn ſich der Staat nicht der
Bildung eigener Forſtleute annimmt, die Abwendung der Nachtheile
zu hohen Holzpreiſes für das allgemeine Wohl, welche von Pri-
vaten nicht zu erwarten iſt, und die Unthunlichkeit einer ſolchen
Beſchränkung der Pächter, wie es die Wirthſchaftspolizei er-
heiſchte1). Dieſelbe wird darum ſtets der ſicherſte Weg ſein. Nichts
deſto weniger hat aber 2) die Verpachtung derſelben für ſich:
das Hinwegfallen eines bei der Selbſtbewirthſchaftung nothwendi-
gen, lange Zeit ſich nicht rentirenden, Capitalvorſchuſſes und ſon-
ſtigen Wirthſchaftsaufwandes aus der Staatskaſſe, da dies dann
Baumſtark Encyclopädie. 45
[706/0728]
Alles der Pachter auszulegen haben würde, wenn nur nicht immer
ein bedeutendes Staatsforſtperſonale zur Beaufſichtigung des Be-
triebes der Pachter nothwendig und vom Staate zu beſolden wäre2)
und wenn ſich nur Privaten von ſolchem Capitalbeſitze und den
ſonſtigen erforderlichen Eigenſchaften fänden. Jedenfalls wäre aber
bei Privaten nur die Vererbpachtung anzuwenden. Allein eine
Verpachtung an Gemeinden würde wohl alle Vortheile der Pacht
darbieten, eine für den Waldbau ſich eignende Perſon zum Pachter
haben, und die nothwendigen wirthſchaftspolizeilichen Garantien
gewähren, welche ein Privatmann nie gewähren kann, beſonders
da der Staat ſich das Oberaufſichtsrecht über die Gemeindewirth-
ſchaft vorbehält und alſo auch die Anſtellung tüchtiger Gemeinde-
förſter befehlen kann (§. 380.). — Was aber
B. Die Nebennutzungen, namentlich die Jagd, anbelangt,
ſo eignet ſich für ſie die Zeitpacht unter Vorausſetzung der
Staatsoberaufſicht auf den regelmäßigen Betrieb der Jagd am
allerbeſten3).
¹⁾ v. Malchus Finanzw. I. §. 15–18. Fulda Finanzw. §. 71 folg.
v. Jacob St. Finanzw. §. 213. Rau III. §. 145 folg. Bergius P. und C.
Magazin. Bd. III.
²⁾ Dies wirkt abſchreckend auf die Pächter und erniedrigend auf den Pachtzins.
S. Rau III. §. 144. Pfeil Grundſ. II. 24. 39.
³⁾ Im Falle der Selbſtbewirthſchaftung geſchieht der Betrieb ganz nach den
Regeln der Forſtwirthſchaft. Eine der wichtigeren Fragen iſt die über die Ver-
werthung des Holzes. S. oben §. 264. N. 3. Hundeshagen Encyclopäd. III.
360 (2te Aufl.). v. Jacob St. Finanzw. §. 266. Dagegen v. Malchus I. §. 17.
Rau III. §. 151. Ueber Holztaxen: Hundeshagen Encyclop. III. 367. Deſ-
ſen Beiträge. Bd. II. Heft 2. Hartig Archiv. II. Bd. 3. Heft. König Holz-
taxation (Gotha 1813). §. 54. Linz, Ueber die Regulirung einer Holztaxe.
Kreuznach 1816. Vehlen, Beitrag zur Lehre von den Taxen der Forſtproducte.
Aſchaffenburg 1828.
Zweites Stück.
Vom Kunſtgewerbsbetriebe des Staates.
§. 480.
Vorbemerkungen.
Zum Behufe der ungeſtörten Ausübung der Staatsgewalt hat
der Staat verſchiedene Hoheitsrechte (Regalien), welche ſich
aus ſeinem Weſen ſelbſt ergeben und poſitiv in verſchiedenen Staa-
ten auch verſchieden beſtellt ſind. In objectiver Beziehung ſind es
die Juſtitz-, Finanz- und Polizeihoheit, in ſubjectiver dagegen die
oberaufſehende, geſetzgebende, vollziehende (mit der richterlichen)
Gewalt. Man nennt ſie weſentliche (höhere, innere). Die
[707/0729]
Finanzhoheit iſt das weſentliche ausſchließliche Recht und die ent-
ſprechende Pflicht des Staats, für die Herbeiſchaffung und Ver-
waltung der zu den Staatsbedürfniſſen nöthigen wirthſchaftlichen
Einkünfte zu ſorgen. Unter andern Mitteln, dieſes Recht und
dieſe Pflicht zweckmäßig auszuüben und zu erfüllen, hat es den
Fürſten und fürſtlichen Beamten zum Theile beliebt, zum Theile
gut geſchienen, ſich das ausſchließliche Betriebsrecht gewiſſer Ge-
werbe zuzueignen, und jedesmal ſuchte man dieſes Ausſchlußrecht
mit Gründen des Volkswohlſtandes, der allgemeinen Sicherheit
und der Unzulänglichkeit der Privatkräfte zu begründen. Dieſe
verſchiedenen Vorrechte, auf die verſchiedenſte Art entſtanden1),
nennt man auch Hoheitsrechte oder Regalien, aber unweſent-
liche (niedere, äußere, nutzbare) oder Finanzregalien zum
Unterſchiede von den Erſteren. Sie erſcheinen für die Staats-
erwerbswirthſchaft, ebenſo wie die Staatsforſte und -Landgüter,
als etwas Gegebenes, das auf die möglich beſte Art benutzt werden
ſoll. Dieſelben ſind zum Theile Regalien in Urgewerben (Berg-
werks-, Forſt-, Jagd- und Fiſchereiregal), deren Bewirthſchaf-
tung nach den (im §. 477. u. 479.) vorgetragenen Regeln geſchieht
und alſo hier nicht mehr erörtert zu werden braucht, hauptſächlich
aber Regalien in Kunſt-, Umſatz- und Dienſtgewerben, wie ſie in
den folgenden Abſchnitten abgehandelt werden.
¹⁾ Hüllmann, Geſchichte des Urſprungs der Regalien in Deutſchland. Frank-
furt a. d. O. 1806. Mittermaier, Deutſches Privat R. II. §. 257. Rau
III. §. 166. S. Einl. oben §. 11. 16. 22.
§. 481.
I. Das Staatshüttenweſen. II. Die Staatsſalpeterien.
Unter den verſchiedenen zum Hüttenweſen gehörenden Ge-
werken iſt keines für ſich allein zu betrachten, weil ſie ſämmtlich
mit dem entſprechenden Bergbaubetriebe unmittelbar zuſammen-
hängen und gerade die Combination dieſer Gewerke mit dem ei-
gentlichen Bergbaue den Ertrag des Letztern erhöht. So iſt es
der Fall beim eigentlichen Hüttenweſen (§. 279. b. 280.) und bei
den Siedewerken (§. 284.). Allein für ſich und als trennbar von
dem eigentlichen Bergbaue angeſehen unterliegen ſie ganz andern
Grundſätzen in der Beurtheilung, als dieſer. Denn ſie ſind Ge-
werke, demnach in der Production, wenn ſie auch local ſind, doch
nicht ſo von der Natur abhängig wie der Bergbau, vorausgeſetzt,
daß gehörige Capitalien, Arbeiter und Abſatzgelegenheiten vorhan-
den ſind, und endlich ſind ſie bei weitem nicht mit dem Wagniſſe
verbunden, wie jener. Ihr jährlicher Ertrag, folglich auch ein
45 *
[708/0730]
Pachtanſchlag, läßt ſich unter Annahme gewiſſer Wirthſchaftsver-
hältniſſe, Betriebseinrichtungen und -Methoden wie von jedem an-
dern Gewerke berechnen. Daher eignen ſie ſich, beſonders die
Siedwerke (ſ. auch §. 477. N. 6.), in hohem Grade zu Verpach-
tung, und der Staat muß dann aus ihnen alle diejenigen Vor-
theile beziehen, welche bisher ſchon einige Male als Folgen der
Verpachtung zuſammengeſetzter und koſtſpieliger Gewerbe angeführt
wurden. Da wo die Verpachtung nicht Statt finden kann, aber
auch die Verleihung ſammt dem Bergwerke nicht ausführbar iſt,
wird die Selbſtverwaltung nach den techniſchen und werkmänniſchen
Betriebsregeln geleitet.
Weit mehr noch als bei den Hütten- und Siedewerken gilt
dies bei den Salpeterſiedereien, denn dieſe ſind an keine
Oertlichkeit geknüpft, erheiſchen weder großes Capital noch beſon-
dere techniſche Kenntniſſe, ſie ſind des Abſatzes auf den verſchie-
denſten Wegen gewiß, und können alſo von jedem Privatmanne
betrieben werden. Die Verpachtung iſt deßhalb um ſo mehr
anzurathen, als dieſes Gewerke ſelten in einer ſehr bedeutenden
großen Ausdehnung getrieben werden kann1).
Was aber die Vorſichtsmaaßregeln bei der Verpachtung ſolcher
Gewerke anbelangt, ſo iſt hierbei die Gefahr vor Verderbniß u.
dgl. nicht in dem Lichte zu betrachten, wie bei den Landgütern,
denn, was an Realitäten mit verpachtet wird, iſt Capital und
muß in nutzbarem Stande erhalten werden, und der Staat kann
zur Controle einen eigenen Commiſſair im Etabliſſement er-
halten (§. 213.).
¹⁾ Nur iſt in dieſem Falle ſehr zu wünſchen, daß der Staat auch das Ver-
kaufsrecht zu niedrigerem als dem Concurrenzpreiſe aufgebe und fernerhin nicht mehr
kraft Regals verſtatte, daß die Saliter überall das Recht zum Salpetergruben haben.
Denn man bereitet jetzt auch den Salpeter künſtlich.
§. 482.
III. Das Staatsmünzweſen.
Wie wichtig das Münzweſen und wie nöthig deßhalb iſt, daß
es unmittelbar unter der Leitung der Regirung ſtehe, iſt bereits
(§. 442.) gezeigt. Ebenſo iſt dargethan, welche Anforderungen
die Gerechtigkeit und der Volkswohlſtand an die Münzen machen.
Es folgt aus alle dem, daß der Staat das Münzweſen nicht als
eine Finanzquelle anſehen darf und es in dieſer Eigenſchaft keinen
Platz mehr in der Finanzwiſſenſchaft findet1). Die Finanzverwal-
tung hat vielmehr daſſelbe nur noch als ein Geſchäft zu betrachten,
worin ſich Ausgaben und Einnahmen ausgleichen, und nur geſtrebt
[709/0731]
werden muß, bei Lieferung möglichſt vollkommener Producte den
Aufwand immer mehr zu verringern. Glücklicherweiſe findet ſich
auch in faſt allen chriſtlichen Staaten Europas das Münzgeſchäft
im Budget nicht mehr als eine Reinertragsquelle. Allein es iſt
begreiflich, weßhalb nichts deſto weniger das Münzweſen einen
wichtigen Gegenſtand der Finanzwiſſenſchaft macht. Es handelt
ſich um gute Münzen, Verringerung der Verwaltungsgeſchäfte und
Herabſetzung der Münzkoſten (des Präge- oder Schlagſchatzes).
Die Erhebung dieſer Letztern geſchieht auf verſchiedene Arten,
nämlich zuweilen ſchon beim Ankaufe des Metalls, indem der
Staat kraft Verkaufsrechtes oder beſonderer Vertragsartikel mit
den inländiſchen Bergwerken daſſelbe unter dem Concurrenzpreiſe
acquirirt, — eine volkswirthſchaftlich und rechtlich verwerfliche
Methode, da ſie einer Bürgerklaſſe ohne Grund zum Vortheile der
Geſammtheit etwas entzieht —, in der Regel aber erſt bei der
Fabrication, indem die Münzſtätte, wenn es erlaubt iſt, daß jeder
Privatmann darin für ſich ſein Metall nach Geſetzesvorſchrift aus-
münzen laſſen darf, demſelben um ſo weniger freies Metall als er
gebracht hat, in den Münzen zurückgibt, als der Schlagſchatz be-
trägt, oder indem ſie, wenn jenes nicht geſtattet iſt, folglich der
Staat ſelbſt das Metall ankauft und ausmünzt, von jedem Abneh-
mer der Münze den betreffenden Schatz bezahlen läßt. Daß das
Verzichten auf den Schlagſchatz volkswirthſchaftlich kein Nutzen iſt,
wurde ebenfalls weiter oben ſchon gezeigt; allein hier braucht nun
kaum noch erwähnt zu werden, daß es einen Verluſt für die
Staatskaſſe verurſachte, der ganz ohne Erfolg bliebe. Es kann
ſich alſo hier blos noch darum handeln, ob der Selbſtbetrieb
des Münzweſens oder die Verpachtung der Münzfabrication unter
der ausdrücklichen Bedingung der Staatscontrole die vorzuziehende
Bewirthſchaftungsart ſei. Die Münzverwaltung iſt ſehr koſtſpielig,
denn ſie erheiſcht ein großes koſtbares ſtehendes Capital, große
Beſoldungen für die Beamten und viele andere Auslagen. Sie
aus der Staatsverwaltung, ſo weit als ohne Schaden für die
Münzen möglich iſt, hinwegzubringen, kann daher nur zu wünſchen
ſein. Man hat daher die Verpachtung aus dieſen Gründen und
darum angerathen, weil dann der Staat noch ein reines Einkom-
men beziehe. Allein dies Letztere ſoll er nicht, weil die Münzung
kein auf Gewinn zu betreibendes Staatsgewerbe iſt2), und die
Controlirung iſt dabei mit vieler Mühe und Koſten verknüpft, —
ja wohl ſelbſt unmöglich. Alſo iſt die Verpachtung in dieſer Art
noch verwerflicher als die Selbſtverwaltung. Allein eine Verpach-
tung oder Vergebung der Münzung an Privaten unter Staats-
[710/0732]
controle, gegen eine gewiſſe Zahlung von Seiten der Regirung,
iſt ein ſehr paſſender, die Regirung der Münzgeſchäfte, ſelbſt,
wenn ſie will, der Metallkaufgeſchäfte überhebender, und die Mün-
zung ſehr verwohlfeilernder Ausweg, denn die Privatinduſtrie weiß
dergleichen Anſtalten und Geſchäfte immer ſparſamer als der Staat
einzurichten und zu vollführen3). Will man dieſen Weg nicht ein-
ſchlagen, ſo bleibt blos die Selbſtadminiſtration übrig. Dieſe aber
hat ſich in der neueren Zeit auch ſehr bedeutend verwohlfeilert4).
¹⁾ Münzverſchlechterungen, heimliche und öffentliche, ſind früher häufig als
Finanzoperationen benutzt worden. Sie ſind vor der Rechtlichkeit und Klugheit
gleich verwerflich. S. im oben angef. §. Meine Verſuche S. 107. Auch Rau
III. §. 199. 200.
²⁾ v. Malchus I. 115. Dies iſt ſchon im Reichsabſchied von 1570 §. 132.
ausgeſprochen. S. Meine Verſuche S. 159.
³⁾ So in Frankreich in 13 Münzſtätten, wovon jeder eine Commiſſion beige-
geben und auferlegt iſt, von ihren Münzungen eine beſtimmte Anzahl Exemplare
zur Prüfung an die Münzcommiſſion nach Paris zu ſchicken. Der Staat zahlt
1,5% Prägeſchatz für Silber und 0,29% für Gold (nicht 0,0029%, wie bei
Rau III. §. 202. N. a. ſteht). Klüber, das Münzweſen. S. 100 folg. Cleyn-
mann Aphorismen. S. 83. 94. 107. 479. Deſſen Materialien. S. 250.
Meine Verſuche. S. 168–169. v. Malchus I. 116.
⁴⁾ England ſeit 1816 = 0,69% bei Gold und 6[FORMEL]% bei Silber
(Schulin niederländ. und großbritt. Münzgeſetze. Frankfurt a. M. 1827. S. 438.).
Rußland bei Gold 0,35%, bei Silber 2,95%. In Sizilien bei Gold ¾%
Prägekoſten (Klüber Münzweſen. S. 105.). S. v. Malchus I. S. 117–119. 122.
Drittes Stück.
Vom Umſatzgewerbsbetriebe des Staats.
§. 483.
I. Die Staatshandelsgeſchäfte.
Auch gewiſſe Handelsgeſchäfte hat ſich der Staat ausſchließlich
(als Staatsmonopolien) vorbehalten. Der Grund dafür iſt
hauptſächlich darin zu ſuchen, daß der Staat die Gegenſtände des
Monopols mit einer Steuer belegen will. Weil er ſich aber das
Monopol angeeignet hat, ſo floß das Fabricationsregal mit dem-
ſelben in Eins zuſammen. Es gehört hierher:
1) Das Pulvermonopol (Schießpulverregal), kraft deſſen
der Staat allein befugt iſt, Pulver zu fabriciren und zu verkaufen
oder beide Geſchäfte an beſtimmte Perſonen zu vergeben und die
Pulvereinfuhr zu verbieten1).
2) Das Branntweinmonopol, d. h. das ausſchließliche
Recht des Staats, Brennereien zu halten und den Branntwein
auszuſchenken oder beides an beſtimmte Perſonen zu verleihen2).
[711/0733]
3) Das Tabacksmonopol (Tabacksregie), kraft deſſen
der Staat allein das Recht des Tabacksbaues, der Tabackbereitung
und des Tabackverkaufs im Lande hat, oder, wenn er es Andern
geſtattet, dieſelben der läſtigſten Controle unterwirft3).
4) Das Salzmonopol (Salzregal), vermöge deſſen der
Staat jedem In- und Ausländer das Salzſieden und den Salz-
handel im Innern des Landes verbieten kann und nur gewiſſen
Leuten die Befugniß dazu ertheilt4).
Die Selbſtverwaltung dieſer Monopolien iſt mit vielem Detail,
großer Mühe und ſehr großem Koſtenaufwande verbunden. Sie
ſelbſt aber haben alle böſen Folgen des Monopols im höchſten
Grade (§. 469.), und ſind Gewerbe, welche ohne allen Zweifel
von den Privaten beſſer und weniger koſtſpielig, als vom Staate,
getrieben werden können und deren Reinertrag gut zu veranſchlagen
iſt. Es iſt daher ihre Verpachtung ohne beläſtigende Aufſicht, wo
es nur immer thunlich iſt, höchſt wünſchenswerth. Die Sicher-
heitspolizei hat in Betreff des Gebrauches des Schießpulvers viele
Mittel zur Verhütung von Gefahr, und der Staat kann wegen
Pulvermangels nicht in Verlegenheit kommen, denn je mehr die
Pächter abſetzen, um ſo mehr produciren ſie. Dieſer und die an-
deren Artikel werden von der Privatinduſtrie wohlfeiler geliefert.
Allein man wendet ein, daß ein ſo großes Einkommen, wie aus
der Selbſtverwaltung dieſer Monopolien, für die Staatskaſſe auf
andere Art nicht bezogen werden könne5). Aber bei ſolchen Fragen
darf die Entſcheidung nicht blos nach der finanziellen Rückſicht ge-
geben werden, weil die volkswirthſchaftliche wichtiger und auch
ohnedies eine Beſteuerung ſolcher Gegenſtände möglich iſt (ſ. unten
§. 499.). Jedoch man macht beſonders beim Salzmonopole den
Einwand, daß es für den Volkswohlſtand äußerſt nützlich ſei, im
ganzen Lande einen gleichförmigen Salzpreis zu erhalten und daß
dies vorzüglich durch die Salzſteuer, wenn der Staat die Regie
nicht habe, erſchwert werde, weil die Koſten der Verſendung, die
Haltung der Magazine und der Pachtzins einen weit größeren
Aufwand begründen müſſe, als die Regiekoſten des Staats betrü-
gen, und der deßhalb und durch die Steuer ſteigende Salzpreis
die Conſumtion des Salzes und den Steuerertrag vermindern, ſo
wie die Luſt zum einſchwärzen vergrößern werde6). Allein, wo
dies der Fall iſt, bleibt die Salzregie das Vortheilhafte7), übri-
gens iſt in der That nicht einzuſehen, warum zwar in dem eigent-
lichen Salinenweſen der Private wohlfeiler8), aber bei der Ver-
ſendung des Salzes u. ſ. w. theurer wirthſchaften ſoll, als der
Staat. Es iſt vielmehr eine Verwohlfeilerung des Salzes durch
[712/0734]
den Debit auf Privatwegen zu erwarten9), ohne daß darum der
Staat ſeine Salzſteuer aufzugeben nöthig hat, welcher wirklich an
ſich Vorzüge nicht abzuſprechen ſind.
¹⁾ So in Frankreich.
²⁾ Nämlich in Rußland in 29 Gouvernements des eigentlichen Rußlands.
Rau III. §. 204. N. a.
³⁾ v. Malchus I. S. 111. und §. 69. Fulda Finanzw. §. 129. v. Ja-
cob §. 434 folg. Rau III. a. a. O. N. b. Noch in Frankreich, Oeſterreich und
Spanien. Ehemals auch in Preußen, Baiern und Würtemberg. S. Necker, De
l'administration des Finances. II. 70. Herbin, statistique de la France. II. 122.
Chaptal, De l'Industrie franç. I. 167. Verhandl. der franz. Dep. Kammer vom
6. März 1824 (überhaupt Moniteur 1824 Nr. 99. 134 folg.) und 20. März 1829.
Ueber den Tabackshandel in Würtemb. Stuttg. 1815. Ernſte Worte über Finanz-
maaßregeln. 1815. Verhandl. der Würtemb. Kammer von 1821, außerord. Beil.
Heft. I. Abthl. S. 60; von 1826 H. 1. S. 112.
⁴⁾ v. Malchus I. S. 101 folg. 341. Fulda §. 127. v. Jacob §. 299.
376. 983. Rau III. §. 184 folg. So in den deutſchen Bundesſtaaten, der
Schweitz und Frankreich. Ueber die früheren franz. Salinenverhältniſſe ſ. Baum-
ſtark, Sully's Verdienſte um das franz. Finanzweſen. §. 33–46.
⁵⁾ v. Malchus I. S. 110. 111. Finanziell genommen iſt ein Ausfall dieſer
Art höchſt wichtig, und ehe man andere beſſere Erſatzwege hat, iſt es allerdings
immer bedenklich, ſolche Quellen ganz oder theilweiſe aufzugeben.
⁶⁾ v. Malchus I. S. 103.
⁷⁾ Ob dies aber allgemein der Fall ſein werde, iſt noch nicht dargethan.
⁸⁾ S. oben §. 477. N. 6. v. Malchus I. S. 100–101.
⁹⁾ Der Staat dürfte ſich das Salz um einen gewiſſen Preis liefern laſſen und
dann ſelbſt beſteuern und verkaufen, oder aber der inländiſche Verkauf verbliebe auch
den Pächtern, ſie bezahlten die Salzſteuer auf Vergütung von den Conſumenten
voraus, und würden verpflichtet, auf die Methode des Staats, einen gleichförmigen
Preis zu erhalten.
§. 484.
II. Die Staatsleihgeſchäfte.
1) Staatscapitalien und deren Anlage ſind ſeltener als
Staatsſchulden. Auch ſtimmt alle ſo weit getriebene Einnahme-
erhöhung des Staates, daß ſich vorhergeſehene Ueberſchüſſe in der
Staatskaſſe befinden und anſammeln, mit dem Weſen der Staats-
wirthſchaft nicht überein, denn dieſe hat blos die Staatsbedürf-
niſſe zu befriedigen, und der Privatinduſtrie die Capitalanſammlung
zu überlaſſen, da der Staat ſicher ſein kann, daß die Capitalien
dort die vortheilhafteſte Anwendung finden. Alſo ſind alle auf jene
Weiſe entſtehenden Staatscapitalien geradezu, und die Capital-
anſammlungen, wenn ſie auch durch außerordentliche Einnahmen,
z. B. Entſchädigungen u. dgl., entſtehen, um ſo mehr verwerflich,
als ſich in allen Staaten Mängel genug vorfinden, zu deren Ab-
hilfe man außerordentliche Ueberſchüſſe anzuwenden weiſe thut.
Es verſteht ſich indeſſen von ſelbſt, daß Capitalanſammlungen zu
beſtimmten Staatszwecken, die längere Zeit fortlaufende Ausgaben
[713/0735]
erheiſchen, z. B. zum Behufe der Unterſtützung der Bürger bei
Ablöſung drückender Gewerbslaſten, Zehnten u. dgl., hierunter
nicht begriffen ſind, da ſie mehr als laufende Ausgaben erſcheinen
und nicht unproductiv angewendet werden. Doch hat man Anga-
ben, daß kleinere Staaten, namentlich Kantone der Schweitz,
bedeutende Schätze beſitzen, und es entſteht natürlich hier die Frage
über ihre beſte Anlage1), wenn gerade keine Landesverbeſſerungen
thunlich oder nöthig ſein, was indeß kaum einmal der Fall ſein
dürfte. Man hat die Wahl zwiſchen der Anlage im Auslande und
jener im Inlande. Letztere iſt wegen der den Bürgern und Ge-
werben dadurch zu leiſtenden Unterſtützung vorzuziehen, wenn der
Staat nicht mit Beſtimmtheit auf die Zinseinnahmen rechnet;
denn ſonſt würden ſich mit ſeinem Budget Zinsrückſtände nicht ver-
tragen und ſtrenge Maaßregeln zur Eintreibung derſelben die
Schuldner mehr in Verlegenheit ſetzen, als Privatgläubiger. Die
Darleihen an Gemeinden eignen ſich daher vorzüglich hierzu und
auch die Errichtung von Kreditkaſſen (§. 465.) gehört hierher.
Die Anlage im Auslande, in Staatspapieren und ausländiſchen
Actien u. dgl. entzieht dem Inlande die Nutzung der Capitalien in
der Induſtrie und ſetzt den Staat mehr Verluſten aus.
2) Unternehmungen von Banken durch den Staat, um
daraus Gewinn zu ziehen, ſind dem Weſen und der Wirthſchaft
des Staates zuwider, compliziren die Staatsverwaltung, entziehen
den Bürgern die Gelegenheit der freien Capitaliengeſchäfte, und
ſind für die Regirung in außerordentlichen Geldverlegenheiten zu
verführeriſch, von ihrer Gewalt Gebrauch zu machen (§. 444.).
3) Die Staatslotterien ſind aber als ein Bankgeſchäft zu
betrachten, welches der Staat zum Regale erhoben hat. Es gibt
verſchiedene Arten der Ausübung deſſelben, nämlich das Lotto
(die Zahlenlotterie, Lotto di Genua), die Lotterie (Zahlen-
lotterie) und die Spielbanken (Hazardſpiele)2). Sie ſind
ſämmtlich ſchon wegen der Beförderung des wirthſchaftlichen und
ſittlichen Verderbens eines bedeutenden Theils der Bevölkerung im
höchſten Grade verwerflich, ſie ſind es aber eben ſo, als Mittel
zur Vernichtung nicht blos aufgeſparten Vermögens, ſondern der
Luſt zur Sparſamkeit überhaupt, als Gelegenheiten, der Volks-
betriebſamkeit Arbeitskräfte und Capital zu entziehen. Ihre allge-
meine Abſchaffung iſt alſo Eines der wichtigſten Bedürfniſſe, be-
ſonders jetziger Zeit3). Wo ſie noch nicht aufgehoben ſind, da iſt
ihre Verwaltung ſo unſchädlich als möglich zu machen. Durch
eine Verpachtung des Lotto, des allerverderblichſten unter die-
ſen Spielen, weil es wegen des geringen Einſatzes den Aermſten
[714/0736]
zum Spiele Gelegenheit gibt, am meiſten die Einbildungskraft
verrückt, Müſſiggang und Laſterhaftigkeit verbreitet, würde der
Staat ſeine unſelbſtſtändigen Unterthanen in die Netze und Fall-
ſtricke der Pachter und ihrer Agenten überliefern. Hier iſt es
wirklich begründet, daß der Staat aus polizeilichen Gründen den
Spielbanker macht, und doch lehrt die tägliche Erfahrung auch
hier die traurigſten Vorfälle. Eine Verpachtung der Lotterie
iſt, ſo wie ſie ſelbſt, weniger gefährlich, weil hier alle jene Um-
ſtände nicht in ſolchem Grade obwalten. Die Spielbanken in
großen Städten und Badeorten können billig verpachtet werden
und ſie ſind auch unter ſämmtlichen Anſtalten dieſer Art die un-
ſchädlichſten. Allein ohne Staatsaufſicht dürfen ſie nicht ge-
laſſen werden.
¹⁾ A. Smith Inquiry. IV. 160 folg. v. Jacob Finanzw. §. 48. Rau
III. §. 165.
²⁾ Beim Lotto werden unter 90 Nummern jedesmal 5 gezogen, und man
kann jedesmal 1–5 Nummern beſetzen. Nach der Zahl der Beſetzung ſteigt der
Einſatz und der zu erwartende Gewinn. Daher die Namen ſimpler Zug (1),
Ambe (2), Terne (3), Quaterne (4) und Quinterne (5). Die Wahr-
ſcheinlichkeit des Gewinnes nimmt mit jeder Combination ab, aber die Gewinnſte
nehmen nicht im nämlichen Verhältniſſe zu. Darin, nämlich in den Abzügen am
Gewinnſte, liegt die Ungerechtigkeit und Täuſchung, ſo daß die Spieler zuſammen
nicht mehr als ⅔ ihres Geſammteinſatzes als Gewinnſte beziehen und der Bank-
halter 25 bis 30% reinen Gewinn zieht. — Bei der Lotterie wird auf eine
gewiſſe Anzahl Looſen eine gewiſſe Summe und Anzahl von Gewinnſten nach einer
Skale ausgeſpielt. Die Einſätze ſind ſehr hoch, aber theilbar und man erleichtert
die Theilnahme dadurch, daß man die Ziehung nicht auf einmal, ſondern in
Perioden (Klaſſen) jährlich vornimmt, auf deren jede Looſe genommen werden
können. — S. Berechnungen bei Rau III. §. 220–226. v. Malchus I. §. 65.
Vorzüglich bei Müller, Arithmetik und Algebra nebſt Abhandlungen der juriſt.,
polit., kameraliſt., ſo wie überhaupt prakt. Rechnungen (Heidelberg 1833, ſehr zu
empfehlen). S. 505 folg. Auch im Moniteur 1821. Nr. 197. S. auch Bergius
Magazin. Art. Lotterie. Des Essarts Dict. de Police. VI. 62.
³⁾ Intereſſante, obſchon traurige Belege gab Dupin in der Deput. Kammer
vom 22. März 1828. = Moniteur 1828. Nr. 83.
Viertes Stück.
Von dem Dienſtgewerbsbetriebe des Staats.
§. 485.
Die Staatspoſtanſtalt.
Unter den Dienſtgewerben hat ſich der Staat nur die Poſt-
anſtalt1) als Regale zugeeignet und verbietet kraft des Letztern
einem jeden Andern die Haltung der Poſtanſtalt, ſo wie in gewiſſer
Ausdehnung die Benutzung anderer Transportangelegenheiten. Die
Wichtigkeit der Poſten für den Volkswohlſtand und das Staats-
leben bedarf keiner weiteren Auseinanderſetzung, ſie iſt der für die
[715/0737]
Regalität dieſes Gewerbes angegebene Grund, aber hat in ihrem
Gefolge zugleich die Vortheile eines bedeutenden Staatseinkommens
daraus. Man unterſcheidet die Fahr-, Pack- und Briefpoſt.
Man iſt jetzt allgemein für die Selbſtverwaltung der Poſten,
indem man glaubt, die Zwecke und Eigenſchaften einer guten
Brief-Poſtanſtalt könnten im Falle der Verpachtung nicht er-
reicht werden, wenn dies auch bei der Fahrpoſt und gewiſſer-
maßen bei der Packpoſt möglich ſei. Die Anforderungen an eine
Briefpoſtanſtalt ſind folgende: 1) Schnelligkeit der Ueberlie-
ferung, von der nicht wohl zu erweiſen ſein möchte, daß ſie blos
oder am beſten der Staat erreiche. Denn die Mittel dazu, als da
ſind, zahlreiche Poſtcurſe, Abſendung der Briefe auf kürzeſtem Wege,
ſchnelle Weiterbeförderung auf den Stationen, und ſchnelles Aus-
geben der Briefe iſt auch Privaten möglich2). 2) Sicherheit
und Garantie der Ueberlieferung und Bewahrung des Poſtgeheim-
niſſes. Damit will man in der Regel für die Selbſtverwaltung
Alles beweiſen. Aber die Verzeichnung der aufgegebenen Gegen-
ſtände (Inchartirung, Einſchreibung in die Poſtcharte), die
Verſendung einer Abſchrift derſelben mit den Effecten, die Ver-
gleichung dieſer beiden, die genaue Verpackung, hinreichende Be-
wachung der Poſten und Wagen und die ſtrenge Controle der Poſt-
offizianten kann auch von Privatunternehmern geſchehen. Ver-
ſicherungen und Verſendungen weit ſchwierigerer Art, durch Pri-
vaten beſorgt, beweiſen dies. Die Geſchichte der Bewahrung des
Poſtgeheimniſſes von Seiten der Staaten iſt keineswegs ein glän-
zender Spiegel von Treue und Glauben, während, wenn die Poſt
in Privathänden zu Betrug u. dgl. benutzt würde, wenigſtens kein
Grund zur Milderung der Unterſuchung und ſtrengen Beſtrafung
ſolcher Verbrechen aufzufinden ſein würde3). 3) Wohlfeilheit
des Transports, welche auch von Privaten in demſelben Grade,
wie vom Staate, erreichbar iſt, da mit der Verwohlfeilerung des
Transports auch die Häufigkeit des Gebrauchs der Poſt zunimmt
und dieſe einträglicher macht. Wenigſtens haben unſere Staaten
dieſe Eigenſchaft ihrer Poſtanſtalt noch nicht zum Schaden der
Staatskaſſe auf die Spitze getrieben4). 4) Möglichſte Einheit
in der Anordnung und vollſtändige Combination der
Curſe. Hiervon hängt die Erreichung der obigen Erforderniſſe
ab, ſie iſt alſo die weſentlichſte Eigenſchaft der Poſtanſtalt. Es
liegt jedoch nichts mehr im Intereſſe der Privatunternehmer der
Poſten in verſchiedenen Provinzen und Ländern, als dieſes, denn
die Benutzung und Einträglichkeit hängt davon ab. Bei der Ver-
pachtung müßte die Uebereinkunft der Pächter in dieſen Punkten
[716/0738]
bedungen werden, und die Regirung müßte ſchon wegen des allge-
meinen großen Intereſſes der Poſten ihre auswärtigen Verbindun-
gen zur Beförderung des Poſtverbandes mit dem Auslande auf-
bieten5). Außer dieſen Anforderungen an eine Poſtanſtalt iſt ein
weſentlicher Grund für die Selbſtverwaltung derſelben durch den
Staat noch in der Einträglichkeit derſelben für die Staatskaſſe
zu ſuchen. Der Staatsaufwand für dieſelbe iſt aber höchſt bedeu-
tend und es läßt ſich, wenigſtens was das Gewerbliche anbelangt,
mit Gewißheit vorausſetzen, daß er in Privathänden geringer wer-
den müßte. Je höher aber derſelbe iſt, um ſo weniger kann der
Tarif ſinken und um ſo mehr wird die Benutzung der Poſt er-
ſchwert. Die Verpachtung der Poſt iſt alſo wohl an ſich thunlich
und könnte erheblichen Nutzen für den Verkehr hervorbringen,
während ſie dem Staate Aufwand und Verwaltungsmühe erſparte,
ohne ihm ein Einkommen zu entziehen6). Allein es kann mit ihr
nach der Theorie nicht immer und überall ſogleich vorgeſchritten
werden. Denn ein Hinderniß können die angränzenden Staaten
ſein, inſoferne ſie nicht auf dieſelbe Grundlage die Poſt organi-
ſirten; ferner der Umſtand, daß das Poſteinkommen auf anderem
Wege wirklich nicht ſo leicht und ſchadlos erhoben werden könnte;
und endlich die Erſcheinung, daß der Staat die Poſtanſtalt wie
Münze und Straßen betrachtete, als eine Anſtalt, an der kein
Gewinn gemacht werden darf, ſondern blos die baaren Auslagen
vergütet werden müſſen7). Es verſteht ſich aber von ſelbſt, daß
der Staat nach möglichſter Ermäßigung der Tarife ſtreben und die
Benutzung anderer Transportanſtalten ſo wenig als thunlich er-
ſchweren ſoll8).
¹⁾ v. Jacob Finanzw. §. 417. Fulda Finanzw. §. 99. v. Malchus
Finanzw. I. §. 29. Rau III. §. 205. Mohl Polizeiwiſſ. II. .... Bergius
P. und C. Magazin. Art. Poſtweſen. Des Essarts, Dictionnaire de Police. VI.
440–614. Klüber, das Poſtweſen in Deutſchland. Erlang. 1811. (v. Imhof)
Ueber Poſtanſtalten nach ihrem Finanzprinzip. Halle 1817. S. §. 25. Note 1.
Craig Politik. III. 240.
²⁾ Beſonders befürchtet man zu häufige Umſpedition, Schwierigkeit der gegen-
ſeitigen Berechnung und Vergütung, deßhalb leichtes Verlorengehen der Effecten
(Rau III. §. 208.). Allein dieſe Verhältniſſe brauchen nicht nothwendig in Privat-
händen ſchlimmer zu ſein als in denen des Staats, und der Schadenserſatz an Geld
für einen verlorenen Brief iſt von Seiten des Staats, da er in Geld beſteht, nicht
vollſtändig. Eine Zerſplitterung der Curſe und des ganzen Geſchäftes iſt nicht noth-
wendig, denn die Poſt kann von einem Einzelnen oder von einer Geſellſchaft im
ganzen Lande übernommen werden.
³⁾ say Cours. VI. 93. Ueberſ. von v. Th. VI. 73. Allein man iſt der
Meinung, es ſeien wenige Menſchen ſo vermögend und einflußreich, daß man ihnen
die Poſt anvertrauen könne, und ein Privatunternehmer würde jeden anſehnlichen
Monopolgewinn in Anſpruch nehmen, während der Staat einen kleinen Pachtzins
erhalten würde und die Benutzer der Poſt hohes Porto bezahlen müßten; auch
[717/0739]
³⁾ könnten Privatunternehmer fremdem Einfluſſe zugänglich ſein und die Staats-
correſpondenz belauern (Rau III. §. 210.). Erſteres iſt durch die Erfahrung wi-
derlegt, das Zweite machen die Staaten nicht anders, und das Letzte gilt auch von
den Staatspoſtbeamten.
⁴⁾ v. Malchus I. S 133 glaubt, ſchon aus der mit der Ueberlaſſung an
Privaten nothwendig verbundenen Zerſtückelung des Areals und der Curſe gehe ein
größerer Poſtaufwand bei dieſen, als in den Händen des Staats hervor; allein wie
wenig dies, wenn an dem ſo wäre, als Grund für die Selbſtverwaltung entſcheidet,
iſt bei ihm S. 135 ſelbſt zu erſehen, wo derſelbe behauptet, der jetzige hohe Poſt-
tarif rühre von der Zerſtückelung des Areals in Deutſchland her (ſ. auch Rau III.
§. 211). Ob nun Regirungen ſich über gemeinſchaftliche Maaßregeln im Poſtweſen
eher verſtändigen, als es von Privatunternehmern zu erwarten iſt, möchte nach
dieſem Sachbeſtande und nach der Erfolgloſigkeit des Poſtcongreſſes in Heidelberg
wenigſtens nicht zu bejahen ſein. Die Uebernahme von Seiten der Privaten darf
nur in großen Parthien geſchehen, und iſt dies der Fall, ſo iſt auch eine Combi-
nation zwiſchen ſtark und ſchwachbevölkerten Provinzen ausführbar, um eine Aus-
gleichung des Ertrags zu bewirken. Wenn dies nicht möglich iſt, ſo verſteht ſich
von ſelbſt, daß eine Verpachtung nicht ausgeführt werden kann. Es meint aber
Rau III. §. 210., es ſei nicht abzuſehen, wie ein Privatmann die Verwaltung
ſparſamer als der Staat einrichten könne, während jener im Falle eines Wider-
ſtreits zwiſchen dem Intereſſe der Poſt und des Verkehrs ſich nicht zu Opfern ent-
ſchließen werde. Allein es bedarf keines beſonders ſchweren Rechenexempels, um
Erſteres zu zeigen und in Betreff des Letztern möchten die großen Aufopferungen der
Regirungen, die ein Privatmann nicht machen würde, ſchwer aus der Geſchichte zu
erweiſen ſein.
⁵⁾ Die Leitung könnte in kleineren Staaten von einem Centralpunkte und in
größeren von einem Committee der Unternehmer ausgehen.
⁶⁾ Der Oberaufſicht darf ſich aber der Staat nicht für enthoben achten.
⁷⁾ So in Nordamerica. Rau III. §. 213. N. b. Für eine ſolche Beſchrän-
kung iſt Craig Politik. III. 242. v. Jacob §. 422. Dagegen v. Malchus I.
S. 134, weil der Staat das Recht habe, für die Benutzung ſolcher Anſtalten von
dem Benutzenden Beiträge zu verlangen. Allein nicht um das Recht, ſondern um
die Klugheit einer Erhebung ſolchen Einkommens über den Koſtenbedarf handelt es
ſich. Ein Mehr nimmt die Natur der Steuer an, und es handelt ſich dann nur
um die Vorzüge einer ſolchen vor einer andern Beſteuerung.
⁸⁾ v. Malchus I. 139. Rau III. §. 314 folg. geben Näheres über die
Einrichtung des Poſtweſens an.
Zweites Hauptſtück.
Vom Erwerbe des Staats aus Steuern.
Erſtes Stück.
Allgemeine Grundſätze der Beſteuerung.
§. 486.
1) Grundgeſetze der Beſteuerung.
Staatsſteuern (Steuern, Schatzungen) ſind Abgaben der
Staatsunterthanen an den Staat zufolge der allgemeinen und
gleichen Bürgerpflicht und nach dem Maaßſtabe ihrer Vermöglich-
keit umgelegt1). Das Recht des Staats, Steuern zu erheben
und die Pflicht der Unterthanen, ſolche zu entrichten, fließen Beide
[718/0740]
aus der Staatshoheit (§. 438.), d. h. dem Rechte und der Pflicht
der Regirung, die Staatsangelegenheiten und die dazu nöthigen
Mittel zu beſorgen und der Theilnahme der Staatsbürger an den
Vortheilen des Staatsverbandes2). Dieſe Berechtigungen und
Verpflichtungen ſind allgemein, nach rechtsphiloſophiſchen und
chriſtlichen Prinzipien für alle Bürger gleich, und die oberſten
Maximen der Finanzwirthſchaft (§. 474.) machen der Letztern die
möglichſte Schonung der Volkswirthſchaft zur Pflicht, aber dieſe
liegt im finanziellen Prinzipe ſchon von ſelbſt, da bei Mangel an
dieſer Schonung die Finanzquellen ſelbſt verſiegen könnten. Es
ergeben ſich daher folgende Grundgeſetze der Beſteuerung:
A. Das Geſetz der Allgemeinheit (alle Staatbürger ſind
mit ihrer Vermöglichkeit der Steuerpflicht unterworfen). Daſſelbe
erſcheint in doppelter Beziehung, nämlich als ſubjective (per-
ſönliche) und objective (ſachliche) Allgemeinheit3).
B. Das Geſetz der Gleichheit (alle Staatsbürger ſind mit
ihrer Vermöglichkeit gleicher Steuerpflicht unterworfen). Es folgt
auch, abgeſehen von obigen Prinzipien, aus dem Geſetze der Allge-
meinheit, denn mit dem ungleich ungetheilten Theile der Steuer-
hauptſumme iſt gegen das Letztere gefehlt. Dieſes Geſetz kann
doppelt ausgelegt werden. Man kann es ſo verſtehen, daß die zu
erhebende Steuerſumme bei allen Staatsbürgern (numeriſch) gleich
ſein müſſe, — und ſoviel folgt aus dem Geſetze der ſubjectiven
Allgemeinheit —; man kann es aber auch ſo auslegen, daß die
durch die zu erhebende Steuer auf die Zuſtände eines jeden
Staatsbürgers entſtehende Wirkung (paſſiv) gleich ſein müſſe, —
und ſoviel ergibt ſich aus dem Geſetze der objectiven Allgemeinheit.
Erſteres iſt die abſolute (ſubjective, numeriſche), Letzteres die
relative (objective, paſſive) Gleichheit4).
C. Das Geſetz der Größe (alle Staatsbürger ſind nur, aber
beſtimmt, zur Deckung des ſtreng berechneten Staatsbedarfes ſteuer-
pflichtig). Daſſelbe folgt daraus, daß der Staat, als moraliſche
Perſon, blos Bedürfniſſe zu befriedigen hat (§. 49.), daß der
Staatsbürger blos zu wirklichen vernünftigen Staatszwecken mit-
zuſteuern verpflichtet iſt, und daß eine Verweigerung der Steuer
in dieſer Größe den Staat in ſeinen Pflichten hemmen würde5).
D. Das Geſetz der Volkswirthſchaft (alle Staatsbürger
ſind mit den möglichſt geringen Störungen in ihren wirthſchaft-
lichen Erſtrebungen der Steuer zu unterwerfen). Daſſelbe folgt
aus der Pflicht des Staates, den Bürgern in ihren ſämmtlichen
vernünftigen Erſtrebungen die möglichſte rechtliche Freiheit und,
wo es die Wichtigkeit des Zweckes und die Mangelhaftigkeit der
[719/0741]
Kräfte der Einzelnen fordert, Unterſtützung angedeihen zu laſſen
(§. 474. 2). Die beſtmögliche Löſung des Widerſpruchs zwiſchen
dem Finanz- und dieſem nationalöconomiſchen Prinzipe iſt die Auf-
gabe der Finanzwirthſchaft auch im Steuerweſen6).
¹⁾ Ueber Steuern s. m. A. smith Inquiry. IV. 164. say Cours d'Econom.
polit. VI. 1–128. Ueberſ. von v. Th. VI. 1–98. steuart Pol. Economy. B. V.
Craig Politik. III. 13–238. Spittler, Vorleſungen über Politik. S. 335.
Pölitz Staatswiſſ. II. 363 folg. Zachariä, Vierzig Bücher v. Staate. V. 400 folg.
Ricardo Principles of Pol. Economy. Chap. VIII.-XVII. p. 169–318 (ausge-
zeichnet ſcharf). Lotz Handbuch. III. 142–370. Reviſion. IV. S. 96. §. 269.
Krauſe, Syſtem der Nat. und Staatsw. II. 247–398. v. Soden Nat. Oec.
III. §. 526. V. §. 107. Büſch, Vom Geldumlaufe. I. 352. v. Jacob Finanzw.
§. 451. 990. Fulda Finanzw. §. 131. v. Malchus Finanzw. I. §. 32 folg.
v. Sonnenfels Grundſätze. III. 260. Bergius P. und C. Magazin. Art.
Steuerweſen, Abgaben. Rau III. 2te Abthl. (noch nicht erſchienen, wird
aber in Bälde kommen). Spittler, Vorleſ. über Politik. S. 335 folg. simonde
de sismondi Rich. Commerciale. II. 1 sqq. Deſſelben Nouv. Principes d'Econ.
polit. II. 153. Murhard, Politik des Handels. S. 302. Schön, Grundſ. der
Finanz. Kap. 5–7. v. d. Lith, Betracht. über die ... Steuern. Berlin 1751.
Deſſelben Abhandl. von den Steuern. Ulm 1766. Eſchenmayer, Vorſchlag
zu einem St. Syſteme. Heidelberg 1808. Monthion, Quelle influence ont les ...
impôts sur la moralité etc. etc. Paris 1808. Krönke, das Steuerweſen ꝛc.
Gießen 1810. v. Raumer, das brittiſche Beſteuerungsſyſtem. Berlin 1810 (ſehr
gut). Sartorius, Ueber die gl. Beſteur. ... des Königr. Hannover. Hannov.
1815. Krehl, das Steuerſyſtem. Erlangen 1816. Keßler Abgabenkunde. Tüb.
1818. Krönke, Grundſätze einer gerechten Beſteuerung. Gießen 1819. Krehl,
Beiträge zur Steuerwiſſenſch. Stuttg. 1819. v. Kremer, Darſtellung des Steuer-
weſens. Wien 1821 (recht gut, ſ. auch Hermes St. 15. [1822] S. 127–170.).
Strelin, Reviſion der Lehre von Auflagen. Erlangen 1821. Breitenſtein, Nur
eine Steuer! Gotha 1826. v. Seutter, die Beſteurung der Völker. Speyer 1828.
v. Kalkreuth, der ſyſt. Begriff der Abgaben. Leipzig 1829. v. Sensburg,
Ideen über Probleme im Steuerweſen. Heidelberg 1831. Murhard, Theorie und
Politik der Beſteurung. Göttingen 1834 (nichts als Meinungen Anderer, die der
Verf. mit einander kämpfen läßt, als ruhiger Zuſchauer). Wegen des geſchichtlichen
Urſprungs der Steuer ſ. m. die Einleitung oben.
²⁾ v. Soden Nat. Oeconom. V. §. 118. Schön Grundſätze S. 61. und mit
ihm Murhard Th. u. P. der Beſteurung S. 24. wenden gegen den Staatsſchutz
und die Theilnahme an den Staatsvortheilen als Grund der Beſteuerung ein, daß
auf dieſe Art der Dürftige mehr bezahlen müſſe, als der Reiche. Dies iſt ein
Irrthum. Denn in Betreff der Perſon ſind alle auf gleichen Schutz berechtigt, in
Betreff des Vermögens aber ergibt ſich eine Theilnahme an den Staatsvortheilen in
verſchiedenen Graden. S. aber oben §. 383.; beſonders N. 3.
³⁾ Es meint zwar Schön Grundſ. S. 69. das Geſetz der Beſteuerung habe
ſeine Unbedingtheit und Allgemeinheit verloren, weil ſich das ſubjective Prinzip nach
und nach materialiſirt habe. Wenn der Verf. ihn recht verſteht, ſo liegt in dieſer
Anſicht eine Unrichtigkeit und ein Widerſpruch. Denn darin, daß die Steuern nach
der Vermöglichkeit umgelegt werden, liegt kein Materialiſiren des Prinzips der
Subjectivität. Dies könnte nur von einer Beſteuerung des Vermögens ohne Rück-
ſicht auf den Erwerb daraus gelten, aber nicht von jener des Einkommens, das
als Folge der Subjectivität des Wirths und als ſolche des Capitals zu betrachten
iſt. Wenn aber der Satz immer mehr praktiſch ausgeführt wird, daß man nur
dort Steuern erhebt, wo ſich ein Steuerobject findet, ſo geht deßhalb das Steuer-
prinzip nicht nur nicht verloren, ſondern es wird allgemeiner. Ueberhaupt ſind
ſolche unbeſtimmte philoſophiſche Schulredensarten hier bei der Steuerlehre und in
der ganzen Finanzwiſſenſchaft gar nicht an ihrem Orte. Das Geſetz der ſub- und
[720/0742]
³⁾ objectiven Allgemeinheit beſteht alſo fort und fort. Es folgt aus ihm, daß es
weder eine ſubjective noch eine objective Steuerfreiheit geben darf.
⁴⁾ Die abſolute Gleichheit iſt immer eine relative Ungleichheit. Eine relative
Gleichheit iſt aber, was die Wirkung der Steuer auf die Zuſtände des Bürgers
anbelangt, eine ſubjective Gleichheit, denn der übrig bleibende Reſt oder die zu
tragende Laſt iſt für Jeden ungefähr nach ſeinen Verhältniſſen gleich. Es folgt aus
dieſen Geſetzen: 1) daß die Steuerquote oder das Steuerprocent nicht bei jeder
beliebigen Größe des Betrages des Steuerobjects gleich ſein darf, ſondern mit der
Letztern ſteigen muß, weil Erſteres eine mehr abſolute Steuergleichheit veranlaßte
(Craig Politik. III. 22–23. Schön Grundſätze. S. 58–62. Dagegen
v. Haller, Reſtauration der Staatswiſſ. VI. 133. Edinburgh Review. 1833.
April. p. 162–163. und mit ihnen Murhard Th. u. P. der Beſteur. S. 541.,
aber blos mit dem unwahren Grunde, daß die Steuer ſo ungleich würde und die
Reichen beraubte). Die Verhältniſſe der Progreſſionen ſind Sache der Finanzpolitik
in jedem Staate. 2) Daß das Steuerprocent nicht bei jeder Art von Vermögen
oder Einkommen daſſelbe ſein darf, ſondern ſich vielmehr nach deſſen Unzerſtörbarkeit
und Sicherheit oder deſſen Quelle und deren Natur richten muß, weil nur auf letzte
Art die relative Gleichheit zu erringen iſt (Craig Politik. III. 19–22.). Es iſt
in dieſen Beziehungen z. B. ein großer Unterſchied zwiſchen Grundeigenthum und
Grundeinkommen, Capital und Capitaleinkommen, Gewerbsvermögen und Gewerbs-
einkommen, und Einkommen aus perſönlichen Dienſten; gleiches Steuerprocent für
dieſelben wäre in der That eine ungleiche Beſteuerung. 3) Daß blos das reine
Einkommen beſteuert werden darf. Denn eine Beſteuerung des bloßen Vermögens
wäre eine blos objective (N. 3), alſo ungleiche, — eine abſolut gleiche, denn
gleiches Vermögen iſt verſchieden nach ſeiner Wirkung auf den Wirthſchaftszuſtand
der Bürger, nach ſeiner Natur, ſeinen Beſtandtheilen und ſeinem Ertrage, der
nach der Abnahme der Steuer übrig bleibende Reſt würde daher verſchiedene
Wirkung haben, alſo die Steuerlaſt ungleich ſein. Eine Beſteuerung des rohen
Einkommens aber iſt auch mehr eine abſolut gleiche, folglich relativ ungleiche, weil
in ihm Vermögensſteuer enthalten iſt, nicht bei gleichem Roheinkommen gleiche
Ausgaben ſind und daher gleiches wahres Einkommen ungleich und ungleiches
abſolut gleich beſteuert würde. 4) Daß man ſolche Objecte zur Beſteuerung nehmen
muß, von welchen man der Beſteuerung des reinen Einkommens gewiß ſein kann.
Dies kann nur geſchehen, indem man das ermittelte reine Einkommen unmittelbar
oder das vermuthliche reine Einkommen durch die Beſteuerung des Genuſſes trifft.
Alſo Einkommens- und Genußſteuern ſind die grundſätzlich richtigſten, wenn
ſie in der angegebenen Art umgelegt ſind (§. 428.).
⁵⁾ Am meiſten iſt dieſes Geſetz unbeachtet geblieben, verkannt und mißkannt
worden. 1) Man hat ſchon behauptet, die Steuern ſeien an ſich und als Förder-
mittel des Geldumlaufs etwas Gutes (Weishaupt, Ueber Staatsausg. u. Aufl.
S. 114. Bailleal Situation de la France. p. 484.), und ſie ſeien wohlthätig, als
Anregungsmittel der Induſtrie (Lüder, Ueber Nationalinduſtrie. III. 505. Büſch
Geldumlauf. I. 453.). Allein ſolche Abſurditäten bedürfen kaum mehr einer Wider-
legung S. deßhalb Lotz Reviſion. IV. 97. Handb. III. §. 124. und mit ihm
Murhard Th. und P. der Beſteur. S. 40. 50. 54. 2) Die Verweigerung der
Steuern durch die Landſtände aus äußeren Gründen, die alſo nicht in der Steuer
ſelbſt liegen, iſt daher ein Angriff auf den Beſtand des Staats oder Revolution und
eine Verfaſſungsurkunde, welche ſie geſtattet, gegen die Grundſätze einer vernünf-
tigen Politik. Verächtlich aber aus dem Geſichtspunkte der Sittlichkeit, des Rechts,
der wahren Weisheit und Klugheit ſind die Regirungen, welche die Bürger über
den wahren Staatsbedarf mit Steuern belaſten.
⁶⁾ Dieſes Geſetz iſt nicht ſo zu verſtehen, als ob blos die Volkswirthſchaft als
Ganzes und nicht die Einzelwirthſchaften zu berückſichtigen ſeien. Denn jene kann
fortſchreiten, indem eine große Anzahl der Letztern durch eine ſchlechte Beſteuerung
dem ſicheren Verderben entgegengeht. Hier muß von der Einzelwirthſchaft ausge-
gangen werden, denn der Einzelne iſt auch der Steuerpflichtige. Es folgt aber aus
dieſem Geſetze 1) auch, daß nur das reine Einkommen und der Genuß beſteuert
werden darf, weil durch die Beſteuerung des Vermögens oder des rohen Einkommens
[721/0743]
⁶⁾ das Capital angegriffen, alſo die Production Einer ihrer Quellen beraubt und weil
durch dieſelbe die zum Lebensunterhalte und zur Production nöthige Conſumtion
geſchmälert werden kann. 2) Daß alſo blos der über die Erhaltung der Bürger
hinausreichende Theil des reinen Einkommens zum öffentlichen Bedarfe verwendet
werden ſoll. Dies folgt aus dem vorhergehenden Satze. Es irrt aber Schön
Grundſ. S. 55–57 ſehr, wo er behauptet, hiernach wäre vor der Staatsconſumtion
kein Vermögensüberſchuß, z. B. an Erbſchaften, Geſchenken, Schätzen u. ſ. w.
ſicher. Denn es müſſen nicht, ſondern es können und dürfen nur nöthigen-
falls obige Ueberſchüſſe von der Steuer verſchlungen werden und zudem ſind die
angeführten Beiſpiele kein reines Einkommen in obigem Sinne, ſondern Capitalien.
3) Daß dem Einzelnen aber doch ſo wenig als möglich vom reinen Einkommen
entzogen werden ſoll, weil mit jedem Mehr ſeine Genüſſe oder Capitalanſammlung
verkürzt werden. Deßhalb und wegen des Wechſels in dem Verhältniſſe des Staats-
bedarfs zum reinen Einkommen aller Einzelnen zuſammen genommen iſt die Fixirung
eines Maximums oder Minimums auf eine andere als die angegebene Weiſe un-
thunlich (ſ. v. Juſti Finanzw. §. 732. Bielfeld Institutions politiques. ch. 7. §. 27.
Schmalz, Encyclop. der Kameralwiſſ. §. 785. Monthion Quelle influence etc.
p. 354. v. Soden Nat. Oeconom. V. §. 416. Pölitz Staatswiſſ. II 275.
Dagegen v. Malchus I. S. 158 und mit ihm Murhard Th u. P. der Beſteur.
S. 109.). 4) Daß die Steuer das reine Einkommen jedes Staatsbürgers ohne
eine andere Rückſicht auf ſeine Natur und Entſtehung, als die in der Note 4 unter
Nr. 2 angegebene, treffe. Denn eine vorgeſchlagene Unterſcheidung zwiſchen ur-
ſprünglichem und abgeleitetem Einkommen und bloße Beſteuerung des Erſteren oder
derjenigen, welche ein ſolches beziehen, hat die falſche Anſicht zu Grunde, daß das
Volkseinkommen im Ganzen ſteuerpflichtig ſei, während es doch der Einzelne iſt;
ſie widerſpricht auch dem Geſetze der Allgemeinheit und Gleichheit (ſ. v. Jacob
Finanzw. §. 500. 508. Lotz Handb. III. 161. v. Malchus I. S. 152. oben
§. 421.). 5) Daß das ſteuerbare Object mit den wenigſt läſtigen Formen und mit
der geringſten Störung im häuslichen und wirthſchaftlichen Leben ermittelt, dieſes
nur ſo ſelten es möglich wiederholt, und ein Object immer, wenn es nur thunlich
iſt, blos mit einer Steuer belegt werden ſoll. 6) Daß man aber in der Wahl
der ſteuerbaren Gegenſtände ſchon jene Regel befolge, aber nicht ohne beſtändig auch
das Finanzintereſſe, nämlich die Erhebung eines großen Ertrags mit möglichſt we-
nigen Mitteln und auf möglichſt wenigen Wegen, im Auge zu haben. 7) Daß
man zwar mit den weſentlich veränderten Wirthſchaftsverhältniſſen und Lebensweiſe
auch eine Veränderung des Steuerweſens, da wo es nothwendig iſt, eintreten laſſen,
aber doch das Steuerſyſtem ſo gleichförmig und ſtätig als möglich erhalten ſoll,
denn der Einfluß deſſelben auf den ganzen Verkehr iſt zu bedeutend, als daß nicht
Veränderungen darin dieſem andere Geſtaltungen und Richtungen geben und, häufig
eingeführt, Unſicherheit in Vermögen und Wirthſchaft verurſachen ſollten.
§. 487.
2) Eintheilung und Arten der Steuern.
Nach den Erörterungen des vorigen Paragraphen kann es nur
vier Hauptklaſſen von Steuern geben, nämlich a) ſolche, die blos
nach den Subjecten oder Perſonen umgelegt ſind (Perſonal-
ſteuern); b) ſolche, die das bloße Vermögen zum Objecte haben
(Vermögensſteuern); c) ſolche, welche vom Einkommen erhoben
werden (Einkommensſteuern); und d) ſolche, die ſich an die
Genüſſe anſchließen (Genußſteuern). Da man aber ſonſt in der
Praxis und in der Wiſſenſchaft andere Eintheilungen hat, ſo ver-
dienen ſie mit dieſer verglichen zu werden. Man theilt ſie nämlich
auch ein: 1) nach den Steuerobjecten in Real-, Induſtrial-
Baumſtark Encyclopädie. 46
[722/0744]
und Perſonalſteuern1), je nachdem ihnen blos das Vermögen
ohne perſönliche Thätigkeit oder mehr die perſönliche Erwerbung
und der daraus fließende Genuß, als der bloße Beſitz, unterworfen
iſt. Die ſchwachen Füße dieſer logiſchen Unterſcheidung fallen ſo-
gleich in die Augen; 2) nach der Art der Umtheilung in Ver-
theilungs- (Repartitions-) und Quotitätsſteuern (Impôts
de repartition et de quotité), je nachdem eine gewiſſe zu erhe-
bende Geſammtſteuerſumme auf die Steuerpflichtigen umgetheilt
oder blos von Jedem eine gewiſſe Quote erhoben wird, aus deren
Addition man die Geſammtſteuerſumme erſt erwartet; 3) nach der
Erhebungsart in directe und indirecte Steuern, je nachdem
ſie derjenige ſogleich zahlen muß, den ſie treffen ſoll oder je nach-
dem ſie Einer vorauslegend bezahlt und ſich dann von demjenigen,
den ſie treffen ſoll, wieder erſtatten läßt2). So verſteht man aber
in der Praxis dieſe Wörter nicht, wo man die Perſonal-, Ver-
mögens- und Einkommensſteuern directe, die Genußſteuern aber
indirecte nennt3), obſchon es an Beiſpielen leicht klar zu machen
iſt, daß es auch directe Genußſteuern gibt4). Ein Streit hierüber
iſt ein bloßer Wortſtreit, aber er muß leider erwähnt werden, weil
von directen und indirecten bald in der einen, bald in der andern,
bald in noch andern Bedeutungen5) geſprochen wird.
¹⁾ Fulda Finanzwiſſ. §. 154. 155. 183. v. Jacob Finanzwiſſ. §. 514.
v. Sonnenfels Grundſätze. III. 267.
²⁾ Ein Streit hat ſich erhalten darüber, ob die Steuern abwälzbar ſein ſollen,
d. h. ob Einer ſie dem Andern im Verkehre aufhalſen, ſich ſie vom Andern erſtatten
laſſen ſoll oder nicht. Gerade ſo als ob es vom Beſchluſſe der Naturlehrer abhinge,
ob der Mond erſcheine oder nicht. Schön Grundſätze S. 67 iſt der Anſicht, daß
eine Steuer nicht übergewälzt werden dürfe, wenn ſie richtig ſein ſolle; aber S. 72
erklärt er alle Steuern für abwälzbar. Auch Murhard Th. u. P. der Beſteur.
S. 135 müht ſich gegen die Abwälzbarkeit der Steuern ab, ſo wie v. Jacob
Staatsfinanzw. §. 715. und Fulda Finanzw. §. 146. dagegen ſind. Allein was
der Verkehr bewirkt, dem iſt nicht zu widerſtreiten; es gibt gar keine Steuer, die
nicht abgewälzt werden könnte. Man laſſe den freien Verkehr gewähren; — was
er macht, iſt wohlgethan. Aber die Abwälzbarkeit zum Steuerprinzip zu erheben,
und in der Hoffnung auf die Verkehrsausgleichung Steuerungleichheiten anzuordnen
oder nicht möglichſt zu verhüten, ſo abſurd iſt man noch nicht geweſen. S. v. Mal-
chus I. S. 156–157.
³⁾ So auch v. Malchus I. 169., und Canard Principes d'Econom. polit.
p. 154., weil die meiſten Genußſteuern indirect ſind. S. auch v. Soden Nat.
Oeconom. III. §. 566. V. §. 366. Der andern Anſicht iſt v. Jacob Finanzwiſſ.
§. 514. 707. Lotz Handb. III. 177. Preuß. Staatszeitung. 1829. Nr. 304.
⁴⁾ Z. B. die Acciſe für den eigenen gezogenen Trinkwein, für hausgeſchlach-
tetes Vieh u. dgl.
⁵⁾ Hermes Stück XVI. S. 161 nimmt ſie nicht gleichbedeutend mit mit-
telbarer und unmittelbarer Steuer. Fulda Finanzw. §. 154 ſagt, die
indirecten Steuern ſeien ſolche, die bei einer Ausgabe erlegt werden müſſen (offen-
bar zu weit!). Krönke Grundſätze §. 15 verwechſelt dieſe Eintheilung mit jener
in Repartitions- und Quotitätsſteuern.
[723/0745]
Zweites Stück.
Von den einzelnen Steuerarten.
I. Perſonalſteuern.
§. 488.
Die Kopf- und Rang- oder Klaſſenſteuer.
Die Perſonalſteuern1), ſie mögen einen ſpeziellen Namen und
Charakter haben, wie ſie wollen, ſind grundſätzlich unrichtige
Steuern. Denn blos das Prinzip der ſubjectiven Allgemeinheit,
abſoluten Gleichheit und der Größe iſt dabei beobachtet, während
jenes der objectiven Allgemeinheit, relativen Gleichheit und der
Nationalöconomie ganz vernachläſſigt iſt, indem die Steuer, nu-
meriſch gleich, blos nach Perſönlichkeit, ohne die geringſte Rück-
ſicht auf Vermögen und Wirthſchaft, umgelegt wird. Die zu ihrer
Vertheidigung unterſchobene Rückſicht, daß jeder Menſch gewiſſen
Alters und drüber ein beſtimmtes Einkommen erwerbe oder erwer-
ben könne, iſt ſpätere Erfindung2). Man unterſcheidet aber zwei
Arten. Entweder wird die Steuer blos nach der Perſönlichkeit,
ohne Rückſicht auf den Standpunkt des Pflichtigen in der Geſell-
ſchaft, ganz gleich auf Jeden gelegt (Kopfſteuer), oder ſie
wird mit Rückſicht auf die Abſtufung der Stände in verſchiedenen
Quoten erhoben (Rang- oder Klaſſenſteuer)3). Weder die
Perſon an ſich noch der Rang geſtattet einen Schluß auf ein be-
ſtimmtes Einkommen. Drum ſind dieſe Steuern auch in dem letz-
teren Prinzipe ungegründet4). Es läßt ſich indeß nicht läugnen,
daß ihre Erhebung äußerſt mühe- und koſtenlos iſt, daß eine Kopf-
ſteuer in erſt friſch ſich entwickelnden Ländern, wo der Arbeitslohn
wegen der großen Nachfrage darnach hoch ſteht, auf die untere
Klaſſe weniger Druck übt, als in jedem andern Lande, und daß
ſie daſelbſt dann auch einen beträchtlichen und höheren Ertrag gibt,
als ſonſt und ſpäter. In dieſen Ländern tritt dann auch der Fall
ein, daß die Kopfſteuer von dieſer Arbeiterklaſſe auf jene der Lohn-
herrn übergewälzt werden kann, ein Umſtand, der die Kopfſteuer
zugleich zu einer indirecten Steuer auf die Reichen macht. Allein,
wenn dies auch der Fall iſt, — was aber in vielen andern Län-
dern nicht ſo ſein wird, wo die Concurrenz der Arbeiter ſehr groß
iſt, — ſo bleibt gegen dieſe Steuer immer der Vorwurf, daß der
Arme zur Vorauslage der Steuer der Reichen angehalten iſt. Als
Hauptſteuer und an ſich wird ſie daher immer verwerflich ſein,
aber als eine Aushilfsſteuer zur Ausgleichung der Steuerlaſt zwi-
46 *
[724/0746]
ſchen Stadt und Land in kleinen Quoten wird ſie ihre ſchädliche
Wirkung weniger äußern.
¹⁾ A. Smith Inquiry. IV. 237. Büſch, Vom Geldumlaufe. I. 404.
v. Sonnenfels Grundſätze. III. 333. Lotz Reviſion. IV. §. 286. S. 219.
Handb. III. 307. v. Soden V. §. 373. v. Jacob §. 561. Fulda §. 184.
v. Malchus I. §. 41. v. Juſti Finanzw. S. 409. Bergius P. u. C. Maga-
zin. Art. Kopfſteuer. (v. Struenſee) Sammlung von Aufſätzen. II. 32.
Abhandlungen. I. 202. Monthion Quelle Influence. p. 66. 112. Sartorius,
Gl. Beſteuerung. S. 276. Krehl Steuerſyſtem. S. 141. Murhard Th. u. P.
der Beſteur. S. 183. Deſſelben Politik des Handels. S. 394. Krauſe
Syſtem. II. §. 271. Spittler, Vorleſ. über Politik. S. 338.
²⁾ v. Buquoy, Theorie der Nat. Wirthſch. S. 487. vrgl. 483. und Behr,
Wirthſch. des Staats §. 151. meinen, ſie ſtimme mit den Steuerprinzipien darum
überein, weil der Bürger den Staatsſchutz für ſeine Perſon bezieht. Allein die
Steuergrundſätze verwerfen jede ſubjectiv gleiche Beſteuerung, weil ſie nothwendig
abſolut gleich und dagegen relativ ungleich iſt.
³⁾ Es gibt aber noch eine Klaſſenſteuer in einem andern Sinne. S. un-
ten §. 490.
⁴⁾ v. Malchus a. a. O. ſucht ſie trotz dieſer Mängel doch gegen den Vor-
wurf der gänzlichen Prinziploſigkeit und Ungleichheit zu vertheidigen. Allein, wie
es ſcheint, nicht mit Glück. S. die Widerlegung in Meinen Verſuchen über
Staatskredit. S. 205–206.
II. Vermögensſteuer.
§. 489.
Die auf das Vermögen überhaupt umgelegte oder Vermö-
gensſteuer1) iſt den erſten Steuergeſetzen entgegen (§. 486. N. 4.
Nr. 3. N. 6. Nr. 1.). Sie iſt aber von jeher gerade mit dem Ge-
gentheile, nämlich mit ihrer Allgemeinheit, mit ihrer Gleichheit-
lichkeit, mit der Größe ihres Ertrages, mit der Leichtigkeit der
Umlage und Erhebung und mit ihrer nicht blos gering nachthei-
ligen, ſondern ſogar ſehr vortheilhaften Wirkung auf die Privat-
und Volkswirthſchaft angeprieſen und vertheidigt worden. Daß ihr
die beiden erſten Eigenſchaften nicht gebühren, ergibt ſich aus der
angeführten Stelle. Die Größe des Ertrags derſelben kann aber
um ſo weniger, wenn ſie auch wirklich beträchtlich wäre, für ihre
Einführung entſcheiden, als alle folgenden Eigenſchaften derſelben
in der That nicht exiſtiren. Denn die Schätzung des Vermögens
und die Beſteuerung deſſelben nach einer einmaligen Schätzung iſt,
vorausgeſetzt, daß man alle Mittel und Wege, wie nicht, dazu
habe und kenne2), dennoch unbrauchbar und ungerecht, weil der
Werth des Vermögens zu wandelbar, und Vermögen von gleichem
Geldwerthe nicht an ſich von gleichem Gebrauchs- und Tauſchwerthe
iſt (§. 486. N. 4. Nr. 2.). Ergibt ſich hieraus von ſelbſt die größte
Schwierigkeit der Umlage, ſo kann ihre ſchädliche Wirkung in
volkswirthſchaftlicher Hinſicht unzweifelhaft ſein, beſonders da ihre
[725/0747]
Nichtübereinſtimmung mit den Steuergeſetzen der Allgemeinheit und
Gleichheit nach Obigem unzweideutig iſt.
¹⁾ Für dieſelbe als Hauptſteuer: Harl Steuerhandbuch. II, 84. Strelin
Reviſion. S. 173. v. Seutter Beſteur. der Völker. §. 66. vrgl. mit §. 41–45.
Breitenſtein, Nur eine Steuer! S. 160. Mathy, Vorſchlag einer Vermö-
gensſteuer. Karlsruhe 1831. Means for paying of half the National Debt. Lond.
1831. scheme for a graduated property Tax. Lond. 1812. suggestions for the
Relief of the public burdens. London 1833. Für ſie in Verbindung mit einem
Steuerſyſteme: Büſch Gelduml. I. 396. simonde de sismondi Nouv. Principes.
II. 199. Dagegen: Edinburgh Review 1833. April. p. 143 sqq. Hermes St.
XV. (1822) S. 139. v. Malchus I. §. 39. Fulda §. 177. v. Jacob §. 566.
Lotz Handb. III. 312. Krauſe Syſtem. II. §. 264. v. Sonnenfels Grundſ.
III. 324. v. Juſti, Syſtem des Finanzw. §. 894. (v. Struenſee) Samml.
von Aufſätzen. II. 40 Bergius, P. u. C. Magazin. Art. Vermögenſteuer.
v. Haller, Reſtaur. der Staatswiſſ. VI. 131. Schmalz Staatswirthſch. 197. 319.
Krehl Steuerſyſtem. S. 146–164. und nach ihnen Murhard Th. und P. der
Beſteur. S. 197. 201. 208. ſ. auch Meine Verſuche S. 207–211. Man ver-
weist zu ihren Gunſten auch auf das Alterthum (Bökh, Staatshaushalt der
Athener. II. 46. Hegewiſch, Verſuch über die römiſchen Finanzen. S. 48.) und
auf die alten Reichsſtädte (v. Schlötzer Staatsanzeigen. X. 187. Bergius P.
und C. Magazin. Art. Loſung. Büſch Geldumlauf. I. 398.).
²⁾ Die Schätzung des Vermögens durch Dritte, z. B. Staatsbeamte oder
Nachbarn, macht ein ſehr läſtiges Eindringen in die Vermögens- und Haushaltungs-
angelegenheiten nothwendig, die Selbſtſchätzung ſelbſt unter der Auflage der
Beeidigung iſt eine Methode, welche das Privat- dem Staatsintereſſe voranſetzt,
ohne die Rechtmäßigkeit der Schätzung prüfen zu können, ſo daß die Ehrlichen zum
Vortheile der Unehrlichen, und diejenigen, welche ihr Vermögen ſchon wegen ſeiner
Natur nicht verheimlichen können, zum Vortheile der Andern ſtark überſteuert wer-
den. Zudem wird ein ſehr großer Theil der Staatsbürger gar nicht im Stande
ſein, eine Schätzung ſelbſt richtig vorzunehmen. Eine Verbindung beider
Schätzungsmethoden zum Behufe der Controle würde nur die ſchädliche Wirkung
beider über den Bürger verhängen, aber keine Vortheile, nicht einmal jenen der
Controle ſchaffen. Denn die Grundſätze der Schätzung ſind nicht zu ermitteln, weil
das Vermögen aus zu verſchiedenartigen Beſtandtheilen zuſammengeſetzt, und ein
jeder von dieſen im Ertrage vom andern verſchieden, ja mancher davon ganz ohne
Ertrag iſt. Es entſtehen daher immer die bisher noch nicht für die Vermögens-
ſteuer entſchiedenen Fragen: Iſt das bewegliche Vermögen wie das unbewegliche zu
ſchätzen und zu beſteuern? Iſt dies auch der Verbrauchsvorrath, wie das Capital?
Nach welchen Regeln ſollen die Verbeſſerungen des Bodens und des ſtehenden Capi-
tals geſchätzt und beſteuert werden? Wie mittelt man die Größe und den Werth
des umlaufenden Capitals, namentlich die Geldcapitalien aus? Wird blos das
Vermögen beſteuert, das einen Ertrag gibt, oder auch das andere? und wie ſcheidet
man in der Schätzung dieſe beiden von einander? Soll blos Materielles oder auch
Immaterielles als Ertrag angeſehen werden? Wird nur das reine Vermögen
(nach Abzug der Schulden) oder das rohe beſteuert? — Ueber dieſe Fragen ſind
die Empfehler der Vermögensſteuer ſelbſt uneinig. Krönke (Grundſätze §. 17.)
will durchaus auch die Mobilien beſteuern, weil ihr Gebrauch auch ein Ertrag ſei.
v. Seutter §. 43. 62. will bei der Beſteuerung blos auf den Werth, aber nicht
auf den Ertrag Rückſicht nehmen. Mathy §. 9. und Breitenſtein S. 171.
wollen blos das ſchuldenfreie Vermögen beſteuert wiſſen. v. Seutter §. 66. iſt
entgegengeſetzter Meinung. Derſelbe §. 67. will Selbſtſchätzung unter Androhung
von Eid und Strafe und Breitenſtein S. 159. will der ſummariſchen Schätzung
vor der detaillirten unbedingt den Vorzug geben u. dgl. m.
[726/0748]
III. Einkommensſteuern.
§. 490.
A. Allgemeine Einkommensſteuer.
Mit dem Hinblicke auf die Verwerflichkeit und Unausführbar-
keit der Vermögensſteuer und auf die Nothwendigkeit der Be-
ſteuerung des Einkommens kam man auf den Vorſchlag einer
allgemeinen Einkommensſteuer1), mittelſt welcher überhaupt
alles Einkommen der verſchiedenſten Art, welches ein Bürger be-
zieht oder verdient, beſteuert werden ſoll. Man fand dieſe Steuer
um ſo empfehlenswerther, als ſie ſchon in ihrem Namen das Geſetz
der Allgemeinheit als ihr Grundgeſetz verräth, als das Geſetz der
Gleichheit offenbar in ihrer Anlage ſchon liegt, da ja auf alles
Einkommen eine gleiche Steuer umgelegt wird, als das Geſetz der
Größe gewiß realiſirt wird, indem dieſe Steuer ein beträchtliches
Einkommen für die Staatskaſſe bewirkt und endlich als ſie dem
Geſetze der Volkswirthſchaft in hohem Grade entſpricht, weil ſie
die Steuerſumme auf einmal erhebt, nicht die läſtigen Schätzungs-
maaßregeln wie andere Steuern erheiſcht, und blos vom wahren
reinen Einkommen nach Abzug aller Ausgaben für das Gewerbe
und Familienleben erhoben wird. Allein faſt keine dieſer Unter-
ſtellungen iſt wirklich wahr. Denn die Ausmittelung des reinen
Einkommens in jener Art iſt eine reine Unmöglichkeit2), weil die
paſſenden Wege und zuverläſſigen Mittel dazu ganz fehlen. Kann
dies nicht bezweifelt werden, ſo iſt eine nothwendige Folge, daß
der Steuer manches Einkommen entgeht, und manches zu hoch
geſchätzt, alſo gegen das Geſetz der Allgemeinheit und Gleichheit
gefehlt wird. Das Letztere und das Geſetz der Volkswirthſchaft
wird durch ſie vernachläſſigt, indem das aus verſchiedenen Quellen
fließende Einkommen ganz gleich beſteuert wird (§. 486. N. 4. Nr. 2.
und N. 6. Nr. 4.), und bei der Schätzung jede Sicherheit mangelt,
ob denn auch wirklich blos das reine und nicht das rohe Einkom-
men beſteuert werde (i. a. §. N. 4. Nr. 3.). Denn die Schätzung
ſoll allgemeinhin geſchehen. Wollte man aber eine Spezialſchätzung
der verſchiedenen Klaſſen von Reineinkommen vornehmen, ſo wäre
weiter kein Vortheil im Vergleiche mit der Steuerumlage nach den
verſchiedenen Einkommenszweigen zu erreichen, und die allgemeine
Einkommensſteuer beſtünde nur dem Namen nach3).
¹⁾ Für eine ſolche als Ideal der Beſteuerung und einzige Steuer: Zachariä,
Vierzig Bücher vom Staate. V 425. Hermes Stück XV. (1822) S. 141–150.
Lips, Ueber die allein wahre und einzige Steuer, die Einkommenstaxe. Erlangen
1812. Keßler, Finanzſyſtem ...... mit dem Geſetzplane zu einer allgemeinen
Einkommensſteuer. Stuttg. 1821. Auch die beiden letzten der drei genannten eng-
[727/0749]
¹⁾ liſchen Schriften in der N. 1. des vor. §. Dagegen: Edinburgh Review 1833.
April p. 153. Lotz Reviſion IV. 211. Handb. III. 322. Fulda §. 185. v. Mal-
chus I. §. 39. simonde de sismondi Nouv. Princ. II. 171. Sartorius Gl.
Beſteur. S. 263. v. Raumer britt. Beſteuer. Syſtem S. 136. flg. 229. und mit
ihnen Murhard Th. u. P. der Beſteur. S. 492. 554. 570. Auch kann hierher
als ein unausführbares Curioſum v. Sodens allg. Productenauflage gerechnet wer-
den. S. deſſen Nat. Oec. V. §. 423–453. Dagegen v. Jacob §. 585. Lotz
Handb. III. 180. und auch Murhard Th. u. P. der Beſteur. S. 665., der auf-
fallend genug, dieſe Steuer als ein viertes Syſtem neben dem merkantiliſchen, phy-
ſiocratiſchen und ſmithiſchen Steuerſyſteme erwähnt. Auch hier wird auf das Alter-
thum verwieſen. Bökh Staatshaushalt der Athener. II. 28. Hegewiſch Verf.
üb. d. röm. Finanzen. S. 49. Boſſe Grundz. des F. W. im röm. Staate I. 20.
Niebuhr röm. Geſch. II. 446. Dagegen Schultz Grundleg. ꝛc. S. 205. flg.
²⁾ Man hat auch hier die in der Nr. 2. des vor. §. erwähnten Schätzungs-
methoden, nämlich die Selbſtſchätzung, gegenſeitige Schätzung der Ge-
meindebürger und jene durch Staatsbeamte. Von der Erſteren gilt das be-
reits Geſagte. Die Zweite fußt auf der ſchon durch die tägliche Erfahrung wider-
legten Meinung, der eine Nachbar kenne das Einkommen des andern, und es wäre
nicht einmal nöthig, darauf aufmerkſam zu machen, wie verſchieden ſchwer die Schä-
tzung beim Landwirthe, Gewerksunternehmer, Gaſtwirthe, Handelsmanne, Capitali-
ſten, Arzte, Advocaten u. ſ. w. iſt, wie ungleich alſo ſchon hiernach die Schätzung
an ſich werden müßte, wenn man ſich auch über den Schätzungsmaaßſtab vereinigt
hätte, und wie ſehr eine Bürgerclaſſe vor der andern benachtheiligt würde, je feſter
ihr jährliches Einkommen zu berechnen wäre oder vor Augen läge. Die dritte Schä-
tzungsmethode zum Behufe einer allgemeinen Ausmittelung des Einkommens muß
nothwendig in Willkühr ausarten, wenn ſie nicht durch ſpezielles Eindringen in die
Wirthſchaftsverhältniſſe läſtig werden ſoll, ſo daß alſo hier blos zwiſchen zwei großen
Uebeln die Wahl bleibt. Was mag alſo hier eine Verbindung beider oder aller
drei unſichern Methoden, wovon keine gegen die andere beweisführend ſein kann,
für Nutzen gewähren, da doch eine die andere controliren ſoll? — Und doch hat ſie
Murhard Th. u. P. der Beſteur. S. 531., nachdem er die andern Methoden S.
509. 515. 522. für verwerflich und unausführbar erklärt hatte, für zweckmäßig be-
funden.
³⁾ Als Hauptſteuer muß ſie daher für durchaus verwerflich erſcheinen. Als
Aushilfeſteuer, auf Selbſtfaſſion baſirt, kann ſie aber, weil ihre Folgen wegen ge-
ringeren Betrages der Quote unſchädlicher ſind, um ſo mehr eingeführt werden, als
in den meiſten Ländern ſchon beſondere Einkommensſteuern beſtehen, deren Reſultate
dafür zuſammengefaßt werden könnten. Auf die erſte Art erſcheint die engliſche
Einkommensſteuer (Properly-tax genannt), welche bei Raumer a. a. O. be-
ſchrieben iſt. (S. auch Craig Politik III. 18. flg. Lowe, Gegenw. Zuſtand von
England S. 426. v. Malchus I. S. 180.) Auf die andere Art dagegen erſcheint
die großherzogl. badiſche Klaſſenſteuer, allein ſie iſt höchſt mangelhaft und drük-
kend, weil ſie auf das Einkommen überhaupt ohne Rückſicht auch nur auf den Le-
bensbedarf umgelegt iſt, und darum Mancher, der nicht einmal den achten Theil
ſeines Lebensbedarfes erwirbt, vom Gulden einen Kreutzer Steuer bezahlen muß.
§. 491.
B. Beſondere Einkommensſteuern. 1) Allgemeine Blicke
über die jetzigen Einkommensſteuern.
Nach dieſen Bemerkungen über die Unausführbarkeit einer all-
gemeinen Einkommensſteuer, ohne Eindringen in die einzelnen Ein-
kommensverhältniſſe der Bürger, ergibt ſich die Nothwendigkeit der
Beſteuerung der verſchiedenen Einkommensarten, wenn ſie mit den
Steuergrundſätzen in Einklang ſteht, von ſelbſt. Das Streben der
[728/0750]
neueren Staaten geht auch dahin, allein die dazu eingeſchlagenen
Wege ſind meiſtentheils fehlerhaft. Die allgemeinen und Haupt-
mängel der neueren Steuerverfaſſung, ganz abgeſehen von den ört-
lichen und eigenthümlichen eines jeden Landes, ſind folgende: 1)
der Mangel an Uebereinſtimmung mit den veränderten Gewerbs-,
Verkehrs-, und Zeitverhältniſſen, weil ſie nämlich in Zeiten gege-
ben wurde, nach welchen ſich dieſe drei durchaus umgeſtaltet ha-
ben1). 2) Der faſt durchgängige Mangel an Rückſicht auf die
Natur und Quelle des Einkommens und die daher rührende wirk-
lich mehr abſolut gleiche Beſteuerung, weil das verſchiedenartigſte Ein-
kommen mit ganz gleichem Steuerprozente belegt und dieſes auch
bei den verſchiedenſten Maſſen von Einkommen gleich iſt2). 3) Der
Umſtand, daß ſchon der Anlage nach und durch die veränderten
Verhältniſſe die Einkommensſteuern eigentlich von Anfang bereits
Vermögensſteuern waren, oder es allmählig mehr geworden und
es noch ſind3), 4) die zum Theile höchſt unvollkommene, zum Theile
ganz unterlaſſene Berückſichtigung des für den Bürger und ſeine
Familie nothwendigen Lebensunterhaltes, deſſen Abzug vom reinen
Einkommen unumgänglich iſt, wenn die Steuer nicht ungleich und
antinationalöconomiſch ſein ſoll4). 5) Der Mangel an einer gehöri-
gen Trennung der verſchiedenen Einkommenszweige zum Behufe
der Beſteuerung, und an der erforderlichen Berückſichtigung der
Wirkung derſelben und der entſprechenden Einkommensſteuer auf
den Volkswohlſtand5). Aus dieſem Allen ergibt ſich, wenn man
die Grade der Steuerlaſt in verſchiedenen Ländern vergleicht6),
daß nicht die Höhe der Steuern, ſondern vielmehr ihre Umlage
die manchfachen Klagen verurſacht, wo den Letzteren ein reeller
Grund und nicht blos Einbildung und gefliſſentliche Uebertreibung
zu Grunde liegt.
¹⁾ Welche Veränderungen ſind nicht in allen Gewerben, ſowohl was die Per-
ſonal, als was die Realverhältniſſe anbelangt, erſt in den letzten zwei Jahrzehnten
eingetreten! Welche Veränderungen in den Verhältniſſen der Stände, in den bürgerli-
chen Rechten, in den Verfaſſungen, in der Denkart und in den Forderungen an die Un-
terthanen! Welche Veränderungen in der Lebensweiſe, in den Güterpreiſen, im Geld-
weſen, in den Communicationsmitteln u. dgl.!
²⁾ Das Einkommen aus Urgewerben iſt zwar mehrentheils anders beſteuert,
als jenes aus Kunſt-, Umſatz- und Dienſtgewerben. Allein dafür ſind die drei Letz-
teren auch unter ein Syſtem geworfen, ein Umſtand, der die größte Ungleichheit der
Steuerlaſt zur Folge haben muß. Dabei muß aber der ärmere Bauer, Handels- und
Gewerbsmann und der Taglöhner daſſelbe Steuerprozent von ſeinem äußerſt ſpärlichen
Reineinkommen bezahlen oder mit dieſem eine weit größere Laſt tragen, als der
Reichere aus dieſen Klaſſen.
³⁾ Z. B. eine nach dem Kaufpreiſe umgelegte Grundſteuer, eine nach dem Geld-
werthe, nach Fenſtern, Schornſteinen u. ſ. w. umgelegte Häuſerſteuer, eine nach der
Arbeiterzahl und dem Capitale umgelegte Gewerbſteuer u. dgl. mehr. Sie ſind ſämmt-
[729/0751]
³⁾ lich Vermögensſteuern. Je größer aber das Mißverhältniß zwiſchen Steuer und
Einkommen, oder je unſicherer die Schätzung des Letzteren wird, deſto mehr nähert
ſich die Steuer der Natur der Vermögensſteuer.
⁴⁾ Dies iſt mehr oder weniger bei allen directen Steuern, namentlich bei den
Klaſſen- und Perſonenſteuern, der Fall, aber Einer von den größten Fehlern, denen
man die Ungleichheiten der Beſteuerung zu verdanken hat. Welche Mißverhältniſſe
beſtehen zwiſchen der Familie und dem Einkommen bei der ärmern Klaſſe im Ver-
gleiche mit den Reicheren.
⁵⁾ Hierin liegt eine bedeutende Unvollkommenheit. Man ſtrebt immer mehr
dahin, die nationalöconomiſchen Einkommenszweige, wie ſie weiter oben dargeſtellt
worden ſind (§. 421. flg.), rein und abgeſondert zu beſteuern, ohne zu bedenken, daß
dies nach der Natur der Sache und nach unſeren Kenntniſſen unmöglich iſt. Als
Hauptſteuern vom Einkommen kennen wir nur die Grund- und Gewerbeſteuer. An-
genommen, ihre Umlage ſei ſo weit den Steuergrundſätzen gemäß, wie ſehr iſt dabei
der Unterſchied der verſchiedenen Einkommenszweige nicht vernachläſſigt! Wie ſehr
ſind die Grundrente, Arbeitsrente, Capitalrente und Gewerbsgewinn durcheinander
geworfen! Allein man gebe ſich nur nicht der Täuſchung durch die Theorie hin, wel-
che verlangt und für möglich hält, daß man jede derſelben beſonders beſteure. Dies
iſt unmöglich, ebenſo wie es unmöglich iſt, nach Einer der Güterquellen ganz allein
ein Einkommen zu beziehen. Die Beſteuerung des Einkommens muß alſo vom Er-
werbe oder Gewerbe ausgehen. Die Einkommensſteuern müſſen Gewerbſteuern
ſein. Denn die Steuern ſind nur gleich, wenn die Steuerlaſt gleich iſt, aber noch
nicht, wenn das Steuerprozent daſſelbe iſt. Die dem Prozente nach gleiche Steuer-
laſt aber wird verſchieden ſein, je nach der Schwierigkeit des Erwerbes (alſo nach
der Quelle des Einkommens) und nach dem Verhältniſſe deſſelben zum Leben des
Bürgers nebſt Familie. Eine richtige Verſchiedenheit der Beſteuerung des Ein-
kommens oder als Folge hiervon, eine wahre relative Gleichheit der Beſteuerungs-
laſt kann nur erzielt werden durch die Abtheilung und verſchiedene Beſteuerung nach
den Gewerben, weil in ihnen die Güterquellen auf die verſchiedenſte Art und in
den verſchiedenſten Graden wirkſam ſind, ohne getrennt werden zu können. Näher
bezeichnet, es ſollte eine Urgewerbs-, Kunſtgewerbs-, Handels-, Leih-
gewerbs-, und Dienſtgewerbsſteuer geben, nicht, weil in einem kameraliſti-
ſchen Syſteme dieſe Einleitung beliebte, ſondern weil in der Natur der Sache eine
weſentliche Verſchiedenheit dieſer Gewerbe nach der Schwierigkeit des Erwerbes und
nach dem Verhältniſſe des möglichen Einkommens zum Lebensbedarfe gegründet iſt.
Je mehr die Natur und das Capital bei dem Erwerbe wirkt, um ſo leichter, je
mehr aber die Arbeit des Menſchen dabei thun muß, um ſo ſchwerer iſt der Er-
werb. Da die Höhe des Steuerprozentes mit der Schwierigkeit des Letztern in um-
gekehrtem, mit deſſen Leichtigkeit aber in geradem Verhältniſſe ſtehen muß, ſo folgt
hieraus, daß das Prozent der Dienſtgewerbſteuer das niedrigſte ſein und rückſichtlich
der Höhe dieſem in zunehmender Progreſſion das Steuerprozent der Handel-, Kunſt-
gewerb-, Urgewerb- und Leihgewerbſteuer folgen müßte. Die Ermittelung des
Ertrages einer jeden dieſer Gewerbsarten unterliegt ſo verſchiedenen Regeln, daß
ſchon darum ein Zuſammenwerfen derſelben unter eine Vorſchrift ein großer Fehler
iſt. Aber nach Ermittelung derſelben muß auch der Grundſatz des ſteigenden Steuer-
prozentes bei den verſchiedenen Größen des Reinertrages klaſſenweiſe bei jeder einzel-
nen Steuerart angewendet werden.
⁶⁾ S. v. Malchus. Bd. II. in den Tabellen. Meine Verſuche S. 203
Tabelle.
§. 492.
2) Einzelne Arten der Einkommensſteuern. a) Urge-
werbſteuer.
Der Urgewerbſteuer ſind die Land- und Forſtwirthe und
die Bergbauer mit dem Reinertrage ihrer Gewerbe unterworfen,
[730/0752]
ohne einen Unterſchied zwiſchen der Grundrente, Capitalrente und
dem Gewerbsgewinnſte zu machen. Die Schätzung geſchieht nach
den gewöhnlichen Regeln der Ertragsſchätzung bei dieſen Gewer-
ben. Wer in der Landwirthſchaft ſein Eigenthum bewirthet, iſt
für den ganzen reinen Gewerbsertrag ſteuerpflichtig; wer aber den
Boden gepachtet hat, iſt zu einem Abzuge des üblichen Pachtzinſes
vom Ertrage berechtigt. Die beſondere Rückſicht iſt jedoch nur zu
nehmen nothwendig, wo das Pachtſyſtem häufig iſt oder als Regel
erſcheint und kurze Verpachtungen kleiner Stücke, wenn ſie in der
Gegend notoriſch eine Ausnahme bilden, können nicht berückſichtigt
werden. Dieſe Steuer hat die meiſte Aehnlichkeit mit der gewöhn-
lichen Grundſteuer1), welche man wegen ihrer verſchiedenen An-
lagsmethoden nur als die Steuer vom Grund und Boden bezeich-
nen kann2). Die Leichtigkeit der Schätzung, die Unerſchöpflich-
keit der zu Grunde liegenden Einkommensquelle, die Thunlichkeit
einer ſehr ſtarken Belaſtung3), die Offenheit aller Veränderungen
mit derſelben, die leichte Möglichkeit einer Verfolgung derſelben
durch die Steuer, der hohe Ertrag dieſer Abgabe und die Einfach-
heit und verhältnißmäßig geringe Koſtſpieligkeit der Umlage und
Erhebung haben dieſe Steuer zur beliebteſten und Hauptſteuer bei
den Regirungen gemacht. Trotz dem aber iſt ſie in den meiſten
Staaten ganz fehlerhaft angelegt. Man hat folgende Anlagsme-
thoden: 1) Nach der Flächenausdehnung des Bodens. Allein
ſo iſt ſie eine Vermögensſteuer der ſchlechteſten Art, weil von der
Bodenfläche auf den Ertrag nimmermehr geſchloſſen werden kann,
da außer der Güte des Bodens noch eine Menge anderer Umſtände,
die zum landwirthſchaftlichen Gewerbe gehören, auf denſelben von
Einfluß ſind4). Dieſe Steuer widerſpricht daher allen Steuer-
grundſätzen. 2) Nach der natürlichen Güte oder Productionsfä-
higkeit des Bodens. Allein von ihr findet kein richtiger Schluß auf
den Ertrag deſſelben Statt, da das Capital, die Bewirthſchaftung und
die ſonſtigen äußern Verhältniſſe den Letzteren ſo beſtimmen, daß
das Ergebniß oft umgekehrt iſt, d. h. ſchlechterer Boden einen beſ-
ſern Ertrag gibt als guter5). 3) Nach dem Capitalwerthe
des Bodens, wodurch dieſe Steuer eine ganz gewöhnliche Vermö-
gensſteuer vom Grund und Boden wird, folglich auch alle Fehler
und Nachtheile der Letzteren hat. Dieſen Capitalwerth glaubt man
auf zwei Methoden zu finden, nämlich durch Capitaliſirung
des ermittelten durchſchnittlichen Reinertrages oder durch den durch-
ſchnittlichen Kaufpreis, da man vorausſagte, daß derſelbe ſich
nach dem Werthe des Bodens genau richte6). Allein die Erſtere,
eigentlich ganz unnöthig, nachdem man den Reinertrag kennen ge-
[731/0753]
lernt hat, gibt darum den Capitalwerth nicht richtig, weil der Rein-
ertrag nicht blos aus Grundrente, ſondern auch aus Gewerbs- und
Capitalgewinn beſteht; der Andere iſt aber unbrauchbar dazu, weil
die manchfachſten Umſtände den Preis beſtimmen. (§. 420.) 4) Nach
der Pachtrente, weil man von dieſer geradezu auf den Reiner-
trag ſchließen zu können wähnte. So hat dieſe Steuer etwas von
der Natur einer Ertragsſteuer, alſo nicht die Mängel einer Ver-
mögensſteuer. Allein eine genaue Betrachtung des Weſens der
Grundrente (§. 422.) zeigt die Unrichtigkeit dieſer Meinung ganz
genau und zudem iſt die Grundrente nicht der ganze landwirth-
ſchaftliche Reinertrag, da dieſer auch Capital- und Gewerbsgewinn
enthält7). 5) Nach dem Rohertrage des Bodens, weil man
davon auf den Reinertrag ſchließen zu können glaubte. Allein die
Fehlerhaftigkeit dieſer Methode geht ſchon aus den allgemeinen
Erörterungen der Steuergrundſätze (§. 486. St. 4. Nr. 3.) hervor,
da der für gut gehaltene Schluß ganz unrichtig iſt8). 6) Nach
dem mittleren Reinertrage unter Vorausſetzung der landüb-
lichen Bewirthſchaftungsweiſe9). Dieſe Methode entſpricht unter
ſämmtlichen am meiſten den Steuergrundſätzen, wenn ſie richtig
ausgeführt und dabei nicht gegen die Letztern und die Folgeſätze
aus denſelben gefehlt wird. Auf dieſe Art durchgeführt iſt die
Grundſteuer eine landwirthſchaftliche Urgewerbſteuer. Allein man
iſt ſchon in Betreff der Reinertragsſchätzung, obſchon ſie von eini-
gen Staaten mit großem Erfolge bis ins Einzelne vollführt wurde,
noch verſchiedener Meinung10).
¹⁾ A. Smith Inquiry IV. 168. 183. Craig Politik III. 24. Ricardo Prin-
ciples p. 176. 201. 211. simonde de sismondi Nouv. Princip. II. 181. Rich.
commerciale II. 1. v. Sonnenfels III. 280 Bergius Magazin Art. Steuer-
weſen §. 3–17. Büſch Gelduml. I. 466. Monthion Quelle Influence p. 83.
Lotz Reviſion IV. §. 280. S. 157. Handb. III. 199. Spittler Vorleſ. S. 345.
v. Jacob §. 588. Fulda §. 156. v. Malchus I. §. 42–51. Strelin
Einleit. §. 80. (dagegen aber deſſelben Reviſion §. 43). Krehl das Steuer-
ſyſtem S. 291. 327. 378. Krauſe Syſtem II 247. Krönke Grundſätze S. 80.
Benzenberg Ueb. das Kataſter. Bonn 1818. Späth Ueb. die Grundſteuer.
München 1818. Grävell Grundſt. und deren Kataſter. Lpzg. 1821. Kremer
Steuernweſen I. 121. Muntz über das Bonitiren und Claſſifiziren d. Grundſtücke.
Neuſtadt 1828. v. Sensburg Probleme S. 1–15. v. Groß Reinertragsſchä-
tzung des Grundbeſitzes ꝛc. Neuſtadt 1829. Murhard Th. u. P. der Beſteuer.
S. 263. folg.
²⁾ Man hat es auch ſchon im Grosh. Heſſen verſucht, die landeswirthſchaft-
liche Gewerbſteuer von der Grundrentenſteuer zu trennen. Allein ſolche Verſuche
werden immer vergeblich bleiben, weil man die Grundrente nicht genau vom Ge-
werbsgewinne ſcheiden kann. Dieſe Steuerſonderung vermehrt die Mühe der Umlage
und Erhebung, aber ſie erhöht auch den Druck auf den Landwirth. S. v. Mal-
chus I. 245.
³⁾ v. Malchus I. 187. meint, dieſelbe würde ſelbſt, wenn ſie den größten
Theil der Rente abſorbirte, nur eine Hemmung des größeren Aufſchwungs, nicht aber
[732/0754]
³⁾ des Fortbetriebs des landw. Gewerbes und außerdem noch zur Folge haben, daß ein
Theil der Steuer auf die Conſumenten falle. Allein abgeſehen davon, daß dieſe
Eigenſchaft der Grundſteuer aus der Unentbehrlichkeit der landw. Producte herrühret,
und alſo eine zu hohe Beſteuerung des Bodens in jeder Hinſicht die ausgedehnteſten
ſchlimmen Folgen haben muß, ſo iſt bei jener Anſicht das landw. Gewerbseinkom-
men und die Rente im Grundſatze nicht geſchieden. Trifft die zu hohe Steuer jenes,
ſo kann allerdings ein Verlaſſen des landw. Gewerbes erfolgen; trifft ſie aber die Letztere
ſo wird der Grundeigenthümer ſein im Boden ſtehendes Capital anders anzuwenden
ſuchen. Welche Folgen dies für die Production hat, bedarf hier keiner beſonderen
Beweisführung. S. Ricardo Principles p. 201. Murhard Politik des Han-
dels. S. 317.
⁴⁾ Z. B. in Holſtein nach Pflügen, in Dännemark nach der Ausſaat. Dafür:
(Hazzi) Iſopſephos. München 1802. Nachtrag dazu ebend. 1804. Dagegen:
Elleboros für d. bair. Iſopſephos. Frkf. u. Lpzg. 1803. Antwort des Elleboros
an den Zweifler, ebendaſ. 1803. Breitenſtein Nur eine Steuer: S. 13. und
Krauſe Syſtem II. §. 229., welche beide aber falſch berichten, daß in England
dies die Steuergrundlage ſei.
⁵⁾ Z. B. in Baiern nach dem Kammerbeſchluſſe v. 1828. S. dagegen v. Seut-
ter Beſteur. der Völker S. 111. 123. v. Malchus I. 190. Dafür: Krug
Abriß der ſtaatswirth. Geſetzgbg. Preußens II. 514. Schwierigkeit der Ermittelung.
⁶⁾ Z. B. im Grosherzogth. Baden, Naſſau, Tyrol. S. dafür: Groß Rein-
ertragsſchätzung S. 7. Krehl Beiträge S. 234. vgl. S. 145. v. Sensburg
Ideen S. 9. 13. Breitenſtein Nur eine Steuer: S. 25. Dagegen: v. Mal-
chus I. 193. 195. und Andere Schwierigkeit der Ermittelung.
⁷⁾ Z. B. die Landtaxe in England. Dafür: v. Schlötzer Anfangsgründe
d. Staatswirthſch. II. §. 171. v. Buquoy Theorie d. Nationalwirthſch. S. 464. Da-
gegen: Fulda §. 165. v. Malchus I. §. 45. Craig Politik III. 47–57.
Kraus Staatsw. III. 165. v. Raumer britt. Beſteur. Syſt. 105. 219. Schwie-
rigkeit der Schätzung.
⁸⁾ Z. B. früher in Baiern, auch bei Wieſen und Waldungen nach dem Geſ.-
Entwurfe v. 1828. §. 5. Dagegen: v. Seutter Beſteur. S. 122. Späth
a. a. O. Craig Politik III. 57. v. Malchus I. §. 46. Lotz Handb. III. 212.
u. A. Dafür die Schrift: Beweis daß die in 8% des Rohertrags ausgeſproch.
Grundſteuer gerecht .... ſei, und der Rohertrag ........ zur Grundlage
..... angenommen werden könne. München 1815.
⁹⁾ Der mittlere Reinertrag: um eine möglichſte Ausgleichung und Stabilität
der Grundſteuer zu erhalten. Was aber die Veränderlichkeit und Unverän-
derlichkeit derſelben anbelangt, ſo ſind die Anſichten getheilt Gegen die Erſtere
wird angeführt, ſie beraube den Steuerpflichtigen eines dem Steuerbetrage entſpre-
chenden Capitaltheils, nehme der Grundſteuer die wohlthätige Wirkung einer Grund-
laſt, und mache den Preis der Grundſtücke ſchwankend, indem ſich derſelbe nach dem
Ertrage richte, und hemme die Vervollkommnung des Landbaues, weil ſie von Ver-
beſſerungen und neuer Capitalanwendung abhalte, während dies Alles bei der Un-
veränderlichkeit nicht eintrete, bei welcher übrigens die befürchtete Steuerungleichheit
nur ſcheinbar oder ſo ſei, daß ſich der Beſitzer nicht darüber beklagen könne, denn
nach dem erſten Verkaufe bleibe der Preis des Gutes, wie er einmal durch die
Steuer geſenkt ſei, ſich fernerhin gleich, und es ſei die Sache jedes ferneren Käufers
die Steuer zu berückſichtigen. (Murhard Politik des Handels S. 327. Th. u. P.
der Beſteur. S. 329. Struenſee Abhandlungen II. 90. Young polit. Arithmet.
S. 9. Sartorius Gl. Beſteur. S. 59. 92. Fulda Finanzw. §. 170) Allein
abgeſehen davon, daß die Geſchichte die Folgen der Unveränderlichkeit der Landtaxe
in England abſchreckend genug darlegt, ſo hängen die Grade der Erſteren von dem
jeweiligen Zuſtande der Landwirthſchaft bei der Anlage der Grundſteuer ab (ſ. Meine
Verſuche S. 218–222). Die Widerlegung des zweiten der obigen Gründe ergibt
ſich aus einer Unterſuchung der verſchiedenen Regulatoren des Preiſes von ſelbſt; ein
Schluß vom Ertrage auf den Gutsgeldwerth findet, wie gezeigt, nicht Statt, alſo
auch die zuerſt angeführte Beraubung nicht, ſo lange die Steuer nicht übermäßig iſt,
[733/0755]
⁹⁾ ſo daß der Landwirth den Capitalgewinn nicht ganz bezieht; die Grundlaſten ſind
überhaupt nicht, und am wenigſten als unveränderlich, eine Wohlthat, und gerade
dieſe ſenken den Preis des Bodens für immer; hieraus folgt, daß, wo dies der Fall
war, jeder folgende Gutsbeſitzer gewiſſermaaßen ſteuerfrei iſt; dies Privilegium ver-
urſacht unter den Gewerbsklaſſen eine große Steuerungleichheit, ebenſo aber auch
noch unter den Landwirthen ſelbſt, je nachdem der Eine mehr Capital zur Verbeſſe-
rung ſeines Gutes und ſeiner Wirthſchaft verwenden kann, als der Andere; der
Staat entzieht ſich durch die Unveränderlichkeit, wenn er ſie durch neue Steuern
nicht illuſoriſch macht, Eine der erſten Steuerquellen, inſoweit als er die höhere Be-
ſteuerung des ſteigenden landw. Einkommens ganz aufgibt. (A. Smith IV. 168.
v. Raumer britt. Beſteur. Syſt. S. 105. 219. 221. Lotz III. 200. 241. v.
Jacob §. 1174. v. Malchus I. §. 50. Krehl Beiträge S. 92. Benzenberg
Ueb. d. Cataſter II. 203. Krönke Grundſätze S. 281. simonde de sismondi
Nouv. Princ. II 196. Craig Politik III. 39., welchen Murhard fälſchlich als
Gegner der Veränderlichkeit der G. St. anführt).
¹⁰⁾ Der mittlere Reinertrag, d. h. jener Durchſchnitt des Reinertrags, der
nicht blos aus längerer Zeit und aus Durchſchnittspreiſen, ſondern auch aus einem
im Durchſchnitte nach den Landesverhältniſſen angewendeten Capitale und Gewerbs-
fleiße berechnet iſt, macht, wenn er im ganzen Lande berechnet werden ſoll, eine
Detailvermeſſung der Arealgröße des Landes, eine Bonitirung und Klaſſifizirung der
Grundſtücke, eine Berechnung des durchſchnittlichen Rohertrags, und den Abzug der
mittleren Koſten nothwendig. Die dabei eintretenden Geſchäfte ſind in den verſchie-
denen Staaten, wo die Vermeſſung zu dieſem Behufe vorgenommen wurde, verſchie-
denartig angeordnet. S. Recueil méthodique des lois .... et decisions sur le Ga-
dastre de la France. Paris 1811. II. T. 4. (Auszüglich in Benzenberg Ueb.
das Cataſter ſ. v.). Mémoires du Duc de Gaëta T. II. Carli Ueb. Mailands
St. Verfaſſung. A. d. Ital. überſ. v. Wikoſch. Wien 1818. Tarantola Dar-
ſtell. der Mailänd. St. Regulirung. Jena 1821. Kremer Steuerweſen. Bd. II.
(Oeſterreich. Provinzen). Würtemberg. Inſtruktion für das Landmeſſerperſonale v.
30. März 1819. Würtemb. Jahrbücher v. 1822. 1. Heft S. 36. Verhandl. der
Kammern v. J. 1820. v. Groß Reinertragsſchätzung S. 192. v. Malchus I.
S. 209–214.). Aber über zwei Punkte iſt man beſonders verſchiedener Meinung.
Nämlich: 1) In Betreff der Detailvermeſſung. Dieſe wurde wegen ihrer Koſt-
ſpieligkeit, langen Dauer, Schwierigkeit, leichter Möglichkeit von Fehlern, und wegen
Mangels an geſchickten Arbeitern mißrathen. (v. Soden bair. Landtag S. 208.
Lotz Handb. III. 228.). Allein der Mangel an guten Cataſtern, und an hinrei-
chender Kenntniß der Arealgröße des Landes und der Gemeindsbanne, die durch die
lange Dauer entſtehende Erleichterung im Aufbringen und Tragen der Meßkoſten
und die Nützlichkeit einer ſolchen Vermeſſung in jeder anderen Hinſicht, als in jener
auf die Gleichheit der Grundſteuer, möchte die Nützlichkeit der Detailmeſſung außer
Zweifel ſetzen, wenn auch die ſpeziellen Erfahrungen Frankreichs darüber nicht ſo
unwiderſprechlich ihr das Wort redeten. (v. Malchus I. 226. v. Groß a. a. O.
S. 19.) 2) In Betreff der Abzüge vom Rohertrage. Darüber, daß die ei-
gentlichen Gewerbsauslagen in Abzug kommen müſſen, iſt man einig. Aber ob man
auch die Zinſen der Capitalien abrechnen müſſe, iſt beſtritten. Es muß geſchehen, eben
ſo wie d. Abzug des Gewerbsgewinns und Arbeitslohnes, wenn die Grundrente allein be-
ſteuert werden ſoll. Ebenſo iſt es beſtritten, ob die Zinſen der Hypothekenſchulden
abzuziehen ſeien. Die Nothwendigkeit des Letztern folgt unmittelbar aus jener des
Abzuges der Capitalzinſen, wenn die Schuld wegen des Grundſtückes contrahirt iſt,
ſonſt aber nicht. Es möchte daher v. Malchus I. §. 49. nicht Recht haben, wenn
er die Schuldzinſen überhaupt als eine perſönliche Laſt des Schuldners anſieht, und
darum, ſowie auch weil, wenn die Grundſtücke auch die Hypotheken bilden, dieſe
noch nicht die Zinſenlaſt zu tragen haben, ſie vom Rohertrage nicht abgezogen wiſ-
ſen will. Ebenſo muß auch die Anſicht derjenigen, welche die Grundlaſten nicht
abgezogen wiſſen wollen (v. Groß a. a. O. S. 32. Sartorius Gl. Beſteur.
S. 90. 149.) verwerflich ſein. Denn ſie ſind Schmälerungen der Grundrente und
des Reinertrages (S. unten §. 494.). Jedoch alle dieſe Controverſen finden ihren
Entſtehungsgrund in dem Streben, die bloſe Grundrente zu beſteuern, deſſen Un-
[734/0756]
¹⁰⁾ richtigkeit an ſich mit der Unmöglichkeit oben bewieſen wurde. Schlüge man den
weit natürlicheren Weg der Urgewerbsſteuer ein, ſo könnte über dieſe Abzüge kein
Streit entſtehen. Denn das ganze reine Urgewerbseinkommen wäre alsdann be-
ſteuerbar, folglich vom rohen Alles in Abzug zu bringen, was den Reinertrag nothwen-
dig ſchmälert, alſo alle Auslagen, die im Durchſchnitte für den Gewerbsbetrieb und
für den Lebensunterhalt des Unternehmers und ſeiner durchſchnittlichen Familie no-
toriſch nothwendig ſind. Die Zinſen eines jeden auf die Wirthſchaft verwendeten
Anleihens erſcheinen daher wie eine Grundlaſt und es muß der jährlichen Steuer-
reviſion oder St. Peräquation überlaſſen werden, wie andere ſo auch die Verände-
rungen in dieſer Hinſicht nachzutragen.
§. 493.
Fortſetzung. b) Kunſtgewerbſteuer.
Der Kunſtgewerbſteuer ſind die Reinerträge aller derjeni-
gen im Staate von Bürgern getriebenen Gewerbe, welche die Roh-
ſtoffe veredelnd verarbeiten, alſo aller Gewerke unterworfen. Sie
hat das Eigenthümliche, daß der Grund und Boden als Erwerbs-
quelle bei dieſen Gewerben meiſtens eine untergeordnete mittelbare
Rolle ſpielt. Die Veranſchlagung iſt bei dieſen Gewerben wegen
der größeren Verſteckheit der Quellen und Hilfsmittel an ſich ſchon,
aber mehr noch wegen ihrer Manchfaltigkeit weit ſchwerer als bei
den Urgewerben, wo die Haltpunkte meiſtens offen da liegen. Dieſe
Steuer bildet einen Zweig der gewöhnlichen Gewerbſteuer1),
welcher aber in unſern Staaten außer den Handwerken, Manufac-
turen und Fabriken auch noch die Arbeiterklaſſe und der Handels-
ſtand und ſelbſt die Producenten (§. 492. Nr. 3.) unterworfen ſind,
indem man dieſe zuſammen den Grundeigenthümern gegenüber
ſtellte. Wie viele Mängel dieſe ſchon im Allgemeinen hat2), iſt
bereits gezeigt (§. 491. Nr. 5.), allein die Methoden der Schätzung
des Einkommens und der Steuerumlage, die bei der Letzteren ge-
bräuchlich ſind, verdienen, als anwendbar auch bei der Kunſtge-
werbſteuer, einer beſondern Betrachtung. Man hat zwei Metho-
den, nämlich jene der Patentiſirung und jene der eigentlichen
Gewerbſteuer. Die Patentſteuer3), welche ſich zunächſt an
die ertheilte Befugniß zum Betriebe eines Gewerbes der genannten
Art anſchließt, wird nach Klaſſen bezahlt, die nach der vermuth-
lichen Ausdehnung des Gewerbes feſtgeſetzt ſind, und in welche
man ſich durch die Löſung eines Patentes und jährliche Steuer-
zahlung als Gewerbsberechtigten gleichſam einkauft. Sie hat die
Unnöthigkeit des Eindringens in die beſondern Gewerbsverhält-
niſſe, die Ungehindertheit des Betriebs, überhaupt die möglichſte
Druckloſigkeit für den Unternehmer, die Begünſtigung völliger Ge-
werbefreiheit und die große Einfachheit in der Steuerverwaltung für
ſich. Gegen dieſelbe aber ſpricht die Unhaltbarkeit der Schätzungs-
[735/0757]
norm für den Ertrag, da man dieſen in ein gerades Verhält-
niß mit der Bevölkerung des Wohnortes ſetzt, alſo die Willkühr-
lichkeit der Klaſſifizirung und der Steuerſätze, und die daher fol-
gende Steuerungleichheit, da bei den meiſten Gewerben das ange-
nommene Verhältniß zwiſchen Ertrag und Ortsbevölkerung gar
nicht exiſtirt. Die Gewerbeſteuer dagegen ſucht dieſen letzteren
Fehler zu vermeiden, indem ſie das aus Naturkräften, Kapital,
Arbeit, Abſatz und Lebensweiſe ſich entwickelnde Gewerbseinkommen
rein und ſo genau als möglich durch die Steuer zu erfaſſen ſtrebt.
Man hat darum folgende Arten angewendet, um das reine Ein-
kommen zu treffen: a) die Umlage nach dem Gewerbscapitale,
ſowohl dem ſtehenden, w. z. B. Mahlgänge, Webſtühle, Keſſel,
Brennhelme und dgl., als auch dem umlaufenden w. z. B. Ver-
brauch an Rohſtoffen, Menge der Arbeiter u. dgl.4). Allein dieſe
Umlage iſt einſeitig und ungleich, weil mehr als Capitalanlagen
die Betriebſamkeit des Unternehmers und der Abſatz das reine Ein-
kommen bei dieſen Gewerben beſtimmen und das umlaufende Ca-
pital ungleich ſchwerer als das ſtehende zu ermitteln iſt, folglich
bei gleichem ermitteltem Capitale der Reinertrag doch höchſt ver-
ſchieden ſein kann. b) Die Umlage nach dem muthmaßlichen Ab-
ſatze und Umſatze. Allein die Ermittelung des Abſatzes iſt nur
durch gewaltige Eingriffe in die Betriebswirthſchaft, z. B. Ein-
ſicht der Bücher und dgl. möglich, dagegen ein Schluß auf deſſen
Größe von der Größe und Bevölkerung des Wohnorts der Unter-
nehmer in den meiſten Fällen grundfalſch. Um aber vom Capital-
umſatze auf den Reinertrag zu ſchließen, iſt nicht blos die Er-
mittelung ſeiner Häufigkeit, ſondern auch der Größe des umlau-
fenden Capitals und des jedesmaligen Zinsprocentes beim Umſatze
nöthig, und von dem gewonnenen Produkte die Abnutzung des ſte-
henden Capitals, die Umſatzkoſten und das ſonſtige umlaufende Ca-
pital abzuziehen, — ein unreichbares Ideal von Ertragsſchätzung.
c) Die Umlage nach dem auf dieſe verſchiedenen Haltpunkte und
beſonderen Gewerbsverhältniſſe in Verbindung ermittelten durch-
ſchnittlichen Gewerbsreinertrage, die beſte, obſchon mit mehr
Mühe und Schwierigkeiten verbundene Methode. Sie iſt noch
nicht praktiſch in Anwendung, aber ſie würde der obigen Kunſt-
gewerbſteuer am nächſten führen, wenn man außer den gewöhnli-
chen Wirthſchaftsausgaben den nothwendigen Lebensbedarf der Fa-
milie des Unternehmers im Durchſchnitte und die Zinſen der Ge-
werbsanleihen in Abzug brächte, und die betreffenden Veränderun-
gen jedes Jahr nachtrüge. Es findet aber bei der Anlage dieſer
[736/0758]
Gewerbſteuer in der Praxis mehr oder weniger eine Klaſſifica-
tion Statt.
¹⁾ A. Smith Inquiry IV. 210. v. Sonnenfels III. 337. u. Juſti Fi-
nanzw. S. 468. Staatswirthſch. II. §. 352. v. Pfeiffer Grundr. d. Finanzw.
S. 234. 259. Bergius Magazin Art. Gewerbſteuer. Büſch V. Gelduml
I. 446. v. Jacob §. 663. 1063. Fulda S. 188. v. Malchus I. §. 53.
Lotz Reviſion IV. §. 284. S. 191. Handb. III. §. 137. Krauſe Syſtem II. 294.
Sartorius Gl. Beſteur. S. 310. Krehl St. Syſtem §. 114. 140. 163. 178.
Krönke Anleit. §. 45. Eſchenmayer Vorſchlag S. 30. Murhard Politik
des Handels S. 341. Deſſelben Th. u. P. der Beſteur. S. 370. 378. 385.
Hermes St. XV. (1822) S. 155. simonde de sismondi Rich. Commere. II.
88. Nouv. Princip. II. 167. Monthion Quelle Influence p. 119. 344. Craig
Politik III. 218. 226. Mac-Culloch Dict. of Commerce. Deutſche Bearb. II. 195.
Ricardo Principles p. 244.
²⁾ Die gegen die Gewerbeſteuer gewöhnlich gemachten Einwürfe z. B. bei v.
Sonnenfels und im Hermes, beziehen ſich nur auf die Schwierigkeit ihrer An-
lage. S. dagegen v. Malchus I. S. 241–243. Der wichtigſte Einwurf gegen
ihre bisherige Einrichtung liegt aber offenbar in der oben ſchon erwähnten Verſchie-
denheit der unter ſie gelegten Gewerbe und Stände, die nichts deſto weniger gleich
beſteuert werden. S. auch v. Malchus I. 247.
³⁾ Z. B. die Lizenzen in England (ſ. Craig, v. Raumer, Mac-Culloch,
A. Smith), die Patentſteuer in Frankreich (ſ. Simonde, Lotz Reviſion, v. Mal-
chus, Krönke Anleitung, mit Bezug auf Crome u Jauv Germanien, eine Zeit-
ſchrift. B. II. H. 1. S. 39.), die Induſtrial- und Gewerbſteuer in den öſterreich.
deutſchen Provinzen (ſ. Kremer, v. Malchus) und die Gewerbſteuer in Hannover
(ſ. v. Malchus).
⁴⁾ Z. B. die Gewerbſteuer im Grosh. Baden und Heſſen, im Königr. Wür-
temberg und Baiern, jedoch ſo, daß ſie auch zu der unter c folgenden Methode ge-
rechnet werden können, weil ſie auch den perſönlichen Erwerb neben demjenigen aus
dem Capitale berückſichtigen. Ganz eigenthümlich, dieſen Methoden gar nicht ange-
hörend, und manche Ausſetzungen möglich machend, iſt die königl. preußiſche Ge-
werbſteuer. S. über dies Alles v. Malchus I. 263–268.
§. 494.
Fortſetzung. c) Handelſteuer. d) Leihgewerbſteuern.
Der Handelſteuer, welche jedoch in der Praxis immer
noch ein Zweig der Gewerbſteuer, und nach der Methode derſel-
ben umgelegt iſt, ſind die Reinerträge der verſchiedenen Handels-
gewerbe und Schifffahrtsgeſchäfte zu unterwerfen. Man kann zu
ihrer Anlage die bei der Gewerbſteuer erwähnten Methoden eben-
falls anwenden, allein ſie unterliegen hier derſelben Kritik. Nur
mit dem Unterſchiede, daß man bei Kleinhandelsgewerben (aber
nicht beim Großhandel u. A.) von der Ortsbevölkerung mit mehr
Sicherheit auf den Abſatz und von dieſem auf den Betrieb und
Gewinn ſchließen kann, als bei den Kunſtgewerben, und daß man
bei der Ermittelung des Durchſchnittsertrages je nach der Natur
des Handelsgeſchäftes mehr das Wagniß berückſichtigen muß.
Die Leihgewerbſteuer umfaßt das reine durchſchnittliche
Einkommen aller derjenigen Bürger, welche aus der Verleihung
[737/0759]
von Grundſtücken und Capitalien (umlaufenden, und ſtehenden) ein
Gewerbe machen. Die in dieſe Gewerbsklaſſe gehörenden Gewerbe
ſind für die Beſteuerung in der Praxis ganz zerſplittert. Die
Grundeigenthümer und Verpachter ſollen von der Grundſteuer ge-
troffen werden; verſchiedene Leihgeſchäfte mit ſtehendem Capital
und Conſumtionsgegenſtänden, z. B. Leihanſtalten für Mobilien,
Bücher, Muſikalien unterliegen der Gewerbſteuer; die Gefällberech-
tigten, z. B. Zehntherrn ſind zum Theile gar keiner, zum Theile
einer Grundgefällſteuer unterworfen; die Hausbeſitzer ſind beſon-
ders hausſteuerpflichtig; und wegen der Geldcapitalſteuer ſtreitet
ſich die Praxis mit der Theorie, während ſie von Erſterer als un-
ausführbar anerkannt iſt. Bei ſo vielen Gegenſtänden, die offen-
bar unter ein Prinzip gehören, herrſcht eine ſolche Manchfaltig-
keit von Anſichten, Umlagsmethoden und Steuerſätzen. Sie muß
die größte Ungleichheit zur Folge haben. Eine nähere Betrach-
tung zeigt dies ganz klar. 1) Das reine Einkommen aus verpach-
tetem Grundeigenthume wird auf eine müheloſe Art bezogen, weß-
halb ſeine höhere Beſteuerung, abgeſehen von allen Rechts- und
politiſchen Gründen, als eine billige Forderung der übrigen, be-
ſonders Gewerbe betreibenden, Bevölkerung erſcheint. Es iſt aber
bei einem ſcharfen Blicke auf das Weſen der Grundrente leicht er-
ſichtlich, daß durch eine ſolche Steuer nicht blos dieſe, ſondern
auch Capitalrente getroffen wird, da ſehr ſelten, wo das Pacht-
ſyſtem eingeführt iſt, blos Grund und Boden ohne Capital ver-
pachtet wird. Daß man dabei den üblichen Pachtzins zu Grunde
legt, verſteht ſich um ſo mehr von ſelbſt, als dieſe Steuer nur in
Ländern, wo Pachtungen häufig ſind, in Anwendung kommt (§. 492.).
2) Wer durch die Beziehung von Gefällen am Ertrage des Grund
und Bodens Antheil nimmt, erſcheint wenigſtens wie ein Verpach-
ter, ja er bezieht ſein Einkommen ſehr oft in bedeutender Maſſe,
wo die Art des Erwerbs einer ſolchen Berechtigung ſchon ganz
verwiſcht, und nie von einem Eigenthume an dem pflichtigen Boden
die Rede geweſen iſt. Eine Gefällſteuer (Dominicalſteuer,
ſogenannt im Gegenſatze der Grund- oder Ruſticalſteuer) von
höherem Satze als die Grundſteuer iſt daher eine rechtliche wie
auch billige Forderung1). 3) Die Häuſer ſind ein Nutzcapital
(§. 55. N. 1.) und Leihcapital. Sie eignen ſich daher und nach
ihrer Natur in hohem Grade zur Beſteuerung, beſonders in Städ-
ten, wo ſie häufig mit großem Vortheile, theils im Ganzen, theils
in Abtheilungen, theils mit Mobilien, theils ohne ſolche vermiethet
werden. Die Häuſerſteuer2) iſt auf die verſchiedenſte Art ſchon
angelegt worden. a) Die Anlage nach der Grundfläche iſt nicht
Baumſtark Encyclopädie. 47
[738/0760]
paſſend, um den Ertrag der Wohnhäuſer zu beſteuern; denn, wenn
gleich nicht zu läugnen iſt, daß die Lage eines Hauſes demſelben
verſchiedenen Werth gibt und die Miethe höher ſtellt, ſo kann man
doch von der Grundfläche allein weder auf den Capitalwerth noch
auf den Ertrag der Häuſer ſchließen, und beſonders irrig iſt die Mei-
nung, man könne den Hausertrag mit der Rente des beſten Acker-
landes von der Grundfläche des Hauſes gleichſetzen, da hier jeden-
falls das Baucapital, die innere Einrichtung, die Ortsbevölkerung
u. dgl. gänzlich unberückſichtigt bleiben würde3). b) Der Anlage
nach dem Capitalwerthe und Kaufpreiſe der Häuſer kann
mit den entſprechenden Abänderungen das ſchon (§. 492. Nr. 3.)
Geſagte entgegengeſtellt werden, weil beim Häuſerkaufe außeror-
dentlich viel von der individuellen Neigung der Käufer abhängt,
und alſo der durchſchnittliche Kaufpreis, wenn er irgendwo auch
leicht zu ermitteln wäre, nicht als ein dem Miethsertrage ſolcher
Häuſer überhaupt entſprechendes Capital erſcheint4). c) Die An-
lage nach den Beſtandtheilen der Wohnungen z. B. nach An-
zahl der wohnbaren Räume, Stockwerke, Fenſter, Heerde, Schorn-
ſteine, Thüren hat das für ſich, daß man aus der Größe und Ein-
richtung des Hauſes auf den Reichthum des Beſitzers oder Be-
wohners mit ziemlicher Sicherheit ſchließen kann, aber ob auch
ebenſo auf den Ertrag, — das muß im Allgemeinen verneint wer-
den, wenn es auch an einzelnen Orten der Fall ſein möchte. Am
meiſten läßt ſich leicht in dieſer Hinſicht für die Zimmer und Stock-
werke als Steuernorm ſagen, aber alle ſonſtigen Normen, denen
man Thür-, Fenſter-, Heerd- u. dgl. Steuern zu verdanken
hat, ſind begreiflicherweiſe ganz untauglich und verurſachen nicht
blos einen außerordentlichen Druck auf die niederen Klaſſen in
wirthſchaftlicher Hinſicht, ſondern ſie können auch, weil man die
Anlage ſolcher Theile an den Häuſern wegen der Steuer unter-
läßt, in Betreff des Geſundheitszuſtandes ſehr verderblich werden5).
Endlich d) die Anlage nach dem Miethzinſe hat in der Theorie
ohne Zweifel am meiſten für ſich, weil man nach Abzug der Un-
terhaltungskoſten und allmähligen Abnutzung den wirklichen durch-
ſchnittlichen Reinertrag der Häuſer am ſicherſten treffen würde6).
Allein, ganz unanwendbar in Orten, wo Hausmiethen ſelten ſind,
alſo auf dem Lande und in Landſtädten, hat dieſe Methode ſelbſt
an den anderen Plätzen Schwierigkeiten wegen der Auffindung je-
nes mittleren Miethsertrages ſowie wegen der Aufſtellung einer
auch nur einigermaßen ſichern Norm für die beiden Abzüge vom
Rohertrage. Die beſte Häuſerſteuer wird aus dieſen Gründen alſo
diejenige ſein, wobei man eine den ländlichen und ſtädtiſchen Ver-
[739/0761]
hältniſſen möglichſt entſprechende Combination aller dieſer Metho-
den, mit Ausnahme der ganz verwerflichen anwendet. Noch ſind
aber 4) die Geldcapitalien oder Capitalien im engeren Sinne zu er-
wähnen, auf deren Reinertrag oder Zins nach den gehörigen Abzügen
man aus theoretiſchen Gründen eine Steuer gelegt wiſſen will, weil
man darin eine Ungerechtigkeit findet, daß Grund- und Arbeits-
rente, aber nicht die leicht zu erwerbende Capitalrente beſteuert
werde. Die Capitalienſteuer7) hat inſoweit die Theorie für
ſich, um ſo mehr, wenn in den Gewerbſteuern auch die Zinſen der
Betriebscapitalien mitbeſteuert werden, aber auch um ſo weniger,
wenn man dort dieſe Zinſen als Abzüge abrechnet. Allein, wenn
man auch zugeben muß, daß einer ſolchen Steuer der durchſchnitt-
liche Zinsfuß jeder Provinz zu Grunde gelegt werden kann, ſo ſteht
dieſer Steuer die Unmöglichkeit der Ausmittelung des Capitalei-
genthums, die mit der Größe des Letztern und der Ausdehnung
der Capitalgeſchäfte des Beſitzers zunehmende Leichtigkeit und Un-
entdeckbarkeit der Verheimlichung, die Unergründlichkeit der Arten
dieſe Steuer zu umgehen, die Leichtigkeit der Abwälzung dieſer
Steuer auf die ſchuldenden Gewerbsunternehmer, unter den läſtig-
ſten Bedingungen, die Verdrängbarkeit der Capitalien in das Aus-
land und die Abhaltung der ausländiſchen vom Inlande, die da-
her unvermeidliche Steuerungleichheit, und der unausweichliche
Druck auf die kleinen Capitaliſten, welche ſich der Steuer nicht
wie die großen in Wechſel-, Actien- und Staatspapiergeſchäften
entziehen können, in ihrer Ausführung ganz entgegen, ſo daß alle
Verſuche ſie einzuführen ſcheitern und auf die Induſtrie ſchädlicher
wirken, als die vermeintliche Steuerfreiheit der Capitaliſten8).
¹⁾ Z. B. in Würtemberg und Baden. S. v. Malchus I. §. 49. Fulda
§. 172. Allein v. Groß und Sartorius (ſ. §. 492. N. 10.) wenden gegen die
Rechtmäßigkeit dieſer Steuer ein, das Tragen dieſer Steuerlaſt durch die Bauern be-
ruhe zum Theile auf beſonderen Verträgen mit dem Grundherrn, und anderſeits
brächten die Erbverhältniſſe der deutſchen Bauern die Tragung ſolcher Laſten als
eine Pflicht der Letzteren mit ſich. Jedoch muß Erſteres bewieſen werden und das letztere
Verhältniß iſt es eben, was bekämpft wird. Es ſpricht übrigens v. Varnbühler
Annal. der würtemb. Landw. Bd. II. H. 4. S. 323. für eine Erniedrigung der
Gefällſteuerſätze. Aber ſeine Gründe, welche v. Malchus I. S. 217–221. be-
ſonders widerlegt hat, an ſich nicht ſchlagend, beruhen auf der falſchen Anſicht, als ob,
wo ſolche Gefällpflichtigkeit beſteht, der Berechtigte eigentlich Eigenthümer des Bo-
dens ſei und ſich hierauf ſein Antheil am Ertrage rechtlich gründe. Von den Er-
hebungsarten dieſer Steuer iſt die directe, nämlich vom Berechtigten ſelbſt, der in-
directen, nämlich vom Pflichtigen, der ſie ſich von jenem erſtatten laſſen ſoll, vor-
zuziehen, weil ſie offenbar dem Letzteren zum Nachtheile iſt.
²⁾ v. Sonnenfels III. 523 v. Juſti Finanzw. §. 792. 818. Bergius
Magazin Art. Steuerweſen §. 18. A. Smith IV. 189. Craig Politik
III. 99 Ricardo Principles p. 238. v. Jacob §. 636. Fulda §. 176. v. Mal-
chus I. §. 51. Krehl St. Syſtem §. 125. 157. 173. Monthion Quelle Influ-
ence p. 105.
47 *
[740/0762]
³⁾ Z. B. vor a. 1822 in Naſſau. A. Smith unterſcheidet die Grund- und
die Baurente und iſt für dieſe Anlagsmethode, da in England die Grundfläche und
das Haus verſchiedenen Eigenthümern gehören. S. dagegen beſonders Craig Po-
lit. III. 104. Ricardo, v. Malchus. Lotz Handb. III. 284., welcher jedoch
den nicht ganz richtigen Grund anführt, daß gerade darin, wenn ein Boden zu
Hausplatz genommen werde, der Beweis liege, wie er zu ſonſt nichts beſſerem taug-
lich ſei.
⁴⁾ Z. B. ſeit a. 1822 zum Theile in Naſſau, Grosh. Heſſen, Baden. Hier
wendet man eine -Klaſſifizirung nach Capitalien an, in welche man die Häuſer ein-
ſchätzt z. B. in Würtemberg.
⁵⁾ Z. B. nach Zimmern und Stockwerken in Oeſterreich klaſſenweiſe. (v. Kre-
mer Darſtell. II. 132. Tarantola Mailänd. Steuerregul. S. 14.) Ehemals
in Frankreich (simonde de sismondi Rich. commerc. II. 91.) jetzt noch in Eng-
land nach Thüren und Fenſtern. (v. Raumer britt. Beſteur. Syſt. S. 127. 228.
Craig Politik III. 118. 125. Edinburgh Review 1833. April p. 164–166.
Das Reformminiſterium S. 21., in welchen Schriften ſie zum Theile vertheidigt wird.
Es kommt ohne Zweifel ſehr auf die ſpeziellen Steuergeſetze an, ob und wie ſie
drückend wirkt). Mit der öſterreichiſchen Anlagsmethode ſtimmen die beſondern Vor-
ſchläge von v. Jacob §. 1040. flg. überein. Die Anſicht von Lotz Reviſion IV.
§. 282. S. 174. Handb. III. §. 139. S. 276., daß die Häuſerſteuer Conſumtions-
ſteuer ſein, und nach dem Bau- und jährlichen Unterhaltungsaufwande umgelegt wer-
den ſolle, ſtimmt mit dem Prinzipe der Fenſterſteuer u. dgl. überein. Aber das
Prinzip, wovon er (Reviſion IV. 175.) ausgeht, iſt ganz falſch; denn nicht blos das
urſprüngliche, ſondern auch das abgeleitete Einkommen iſt ſteuerbar (§. 486. N. 6.
Nr. 4.) Da aber Lotz (im Handb. III. 161. 278.) hierin ſeine Anſicht geändert
hat, ſo iſt um ſo weniger zu erklären, wie dennoch obige Behauptung ſtehen geblie-
ben iſt. Auch Murhard Th. u. P. der Beſteur. S. 584. führt die Wohnungs-
ſteuer als eine verwerfliche Gebrauchsſteuer auf, weil ſie das Vermögen treffe.
⁶⁾ Z. B. zum Theile in Naſſau ſeit 1822. und in Oeſterreich, und in Frank-
reich. S. auch Craig Politik III. 109. Man glaubte ſogar, daß blos die ver-
miethbaren Häuſer zu beſteuern ſeien. Allein hiermit ſind die nicht vermie-
theten keineswegs von der Steuer frei.
⁷⁾ v. Sonnenfels III. 330. Bergius Magazin Art. Zinſen. §. 2.
Jung Finanzwiſſ. §. 69. Turgot Reflections sur la formation et distribution des
Richesses. § 96. sqq. A. smith IV. 201 Lotz Reviſion IV. 203. Handb. III.
269. Craig Politik III. 67. v. Jacob §. 645. 1054. Fulda §. 180. v. Mal-
chus I. §. 58. Krehl St. Syſt. §. 118. 151. 168. Strelin Reviſion S. 40.
Krönke Anleit. S. 35. Grundſätze S. 114. Eſchenmayer Vorſchlag S. 54.
Monthion Quelle Influence p. 59. 70. 108. simonde de sismondi Nouv. Princ.
II. 167. 175. 200. Hermes St. XVI. 171. XVII. 200. Murhard Th. u. P.
der Beſteur. S. 396. 405. Meine Verſuche S. 213–218. Verhandl. d. bad. II.
Kammer v. 1831. Beil. Heft VIII. 1–23. XIII. 145. 152. 155. v. Sens-
burg Probleme S. 16.
⁸⁾ Vermeintlich! denn ſie werden indirect beſteuert, weil ſich der Capital-
zins in ſeinem urſprünglichen Satze nach dem Ertrage richtet, welchen der Anwen-
der deſſelben nach Vorausnahme des Gewerbsgewinnes noch bezieht. Die Steuer
erſcheint aber dem Gewerbsmanne als ein Abzug vom Reinertrage. Es befürchtet
nun Krönke Grundſätze §. 18. Anleitung §. 19., eine unmittelbare Beſteue-
rung der Capitaliſten gebe dem Schuldner ſo viele Erleichterung, daß das Schulden-
machen zu häufig werden und den Zinsfuß ſteigern könnte. Deshalb ſchlägt er eine
mittelbare Beſteuerung auf Vorausbezahlung durch die Schuldner vor. Allein
ſeine Grundanſicht iſt, wie aus einer Betrachtung der Wirkungen der Capitalſteuer
zu erſehen iſt, ganz falſch; außerdem aber würde die Ausführung ſeines Vorſchlags
die Schuldner ganz der Willkühr der Capitaliſten überliefern.
[741/0763]
§. 495.
Fortſetzung. e) Dienſtgewerbſteuer.
Die Dienſtgewerbſteuer endlich trifft das am müheſamſten
errungene, und, was die Erſparniſſe zur Sicherung der Dienſtlei-
ſtenden in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, ſowie der Familie nach
dem Tode deſſelben anbelangt, unſicherſte reine Einkommen. Es
iſt daher höchſt fehlerhaft, daß man die dienſtleiſtende Klaſſe mit
den eigentlichen Unternehmern in gleiches Steuerverhältniß ſetzt.
Hierzu ſteuerpflichtig erſcheinen alle Dienſtleiſtende vom gemeinſten
Arbeiter bis zum höchſten Künſtler, Gelehrten und Staatsbeamten,
unter der Vorausſetzung, daß nach Abzug des ſtandesmäßigen Le-
bensunterhaltes für den Diener und ſeine Familie nach Durch-
ſchnittsſätzen noch ein reines Einkommen übrig bleibt. Man hat
aber noch näher die Privat- und die Staatsdienſtleiſtenden
zu unterſcheiden. Die Beſteuerung der Erſteren, oder, wie man
ſonſt ſich ausdrückt, des Arbeitslohnes erſcheint als gerecht,
wenn ſie das reine Einkommen trifft1), wenn der richtige, d. h.
niedrigſte Steuerſatz gewählt, und wenn die Umlagsmethode zweck-
mäßig iſt2). Die Andere oder Beſoldungsſteuer3) darf mit
jener dem Grundſatze nach nicht verwechſelt werden, denn das
rechtliche Verhältniß der Staatsdiener zum Staate, zugleich als
Geſetzgeber und Dienſtherrn, iſt ein ganz anderes, als jenes zwi-
ſchen dem Arbeiter und Lohnherrn4), die Anſtellungen und Ver-
ſetzungen der Staatsdiener gehen nach andern Geſetzen und Rück-
ſichten als nach freier Concurrenz vor ſich und die Fixirung und
Auszahlung der Beſoldungen geſchieht mit möglichſter Anpaſſung an
die ſtandesmäßigen Bedürfniſſe der Staatsdiener, ſo daß die po-
litiſche oder finanzielle Frage nur diejenige iſt, ob die Beſol-
dung der Staatsdiener hoch genug iſt, um einen ſteuerbaren rei-
nen Ueberſchuß über jene möglich zu machen, und ob es nicht beſ-
ſer ſei, die Umlags- und Erhebungskoſten einer ſolchen Abgabe zu
erſparen, indem man die Beſoldungen ſo hoch ſtellt, daß eine Steuer
nicht mehr erhoben werden kann. Während alſo jeder Staats-
diener mit ſeinem als Staatsbürger bezogenen Einkommen und
für ſeine Genüſſe wie jedes andere Staatsglied ſteuerpflichtig iſt,
ſo wird die Beſteuerung ihrer Beſoldung ſtets aus demſelben Ge-
ſichtspunkte zu betrachten und unnöthig ſein, wie die Beſteuerung
der Staatskaſſe, ſie muß aber um ſo mehr als ungerecht erſchei-
nen, als der Staat ſeinem Beamten die Belohnung, welche er als
Geſetzgeber und contrahirender Dienſtherr denſelben unter der Be-
dingung zugeſagt hat, daß ſie ſeinem Dienſte ihre Kräfte aus-
[742/0764]
ſchließlich widmen müſſen, ohne Schmälerung zu verabreichen ver-
bunden iſt5).
¹⁾ Alſo Abzug des ſtandesmäßigen Aufwandes, um ein ſolches Auskommen zu
gewähren. Anderer Anſicht, nämlich daß der Bürger ſein Leben nach dem Reſte ein-
richten ſoll, der ihm von ſeinem Vermögen oder Einkommen erſt nach Abzug
der Steuern übrig bleibt, iſt Krönke Grundſätze §. 4. Allein eine ſolche An-
ſicht, in dieſer Allgemeinheit ausgeſprochen, verdient keine Widerlegung durch die
Schrift.
²⁾ Der beſte Maaßſtab iſt der übliche Preis der Arbeit der betreffenden Klaſſe
von Privatdienſtleiſtenden, und die Koſten der üblichen Lebensweiſe, um den Rein-
ertrag zu finden. Dies iſt aber mit ſehr großen Schwierigkeiten verknüpft. Die
niedere Klaſſe, bei welcher eine Schätzung thunlich iſt, kommt gegen die höhere im-
mer in Nachtheil, weil bei dieſer ein anderer Weg als Selbſteinſchätzung in be-
ſtimmte Klaſſen, bei deren Aufſtellung erſt noch Willkühr herrſcht, nicht wohl an-
wendbar iſt. S. v. Jacob §. 1072. Dagegen v. Malchus I. S. 248. N. 2.
S. aber auch oben §. 490. N. 3. Krehl St. Syſtem. §. 117. 149. 167. 121.
154. 171. A. smith IV. 230. Ricardo Principles p. 258. Folgen einer ſolchen
Steuer in volkswirthſch. Hinſicht.
³⁾ Für Beſoldungsſteuer: v. Jacob §. 671. 1069. Fulda §. 201. Krehl
St. Syſtem §. 90. 120. 153. 170. Hermes St. XV. 131. v. Seutter Be-
ſteur. der Völker S. 197. Murhard Th. u. P. der Beſteur. S. 361. Staats-
wirthſch. Blätter. 1822. Heft IV. S. 15. Dagegen: v. Malchus I. §. 57. (be-
ſonders S. 273–276 gegen die Gründe in jenen Blättern). v. Struenſee Ab-
handl. I. 211. Lotz Handb. III. 275. Krönke Anleit. S. 105. Grundſätze §. 5.
(wo er aber für den Staatsdiener den ſtandesmäßigen Aufwand geſtattet). Sarto-
rius Gl. Beſteur. S. 296.
⁴⁾ v. Seuffert V. d. Verhältniſſe des Staats u. der Diener. Würzb. 1993.
Dagegen: v. d. Becke V. Staatsämtern und Dienern. Heilbronn 1797. v. Gön-
ner der Staatsdienſt ꝛc. Landshut 1808.
⁵⁾ Ein ganz anderes Verhältniß begründen außerordentliche Staatslaſten, z. B.
Kriegslaſten. Dergleichen Staatszuſtände begründen außerordentliche Pflichten, wes-
halb über die Beitragspflicht der Staatsbeamten als ſolche kein Zweifel ſein kann,
ſ. Krönke Grundſ. §. 6. v. Drais Ueb. den Beizug der Staatsbeſoldungen zu
außerord. Staatslaſten. Carlsruhe 1816. v. Sensburg Probleme S. 19–28.
IV. Genußſteuern.
§. 496.
A. Allgemeine Betrachtung.
Die Steuern, welche von den Genüſſen erhoben werden, unter-
ſcheiden ſich weſentlich von den genannten dadurch, daß ſie eine
perſönliche und ſachliche Beſteuerung zugleich ſind, indem durch ſie
nicht blos Theile des Einkommens entzogen, ſondern immer die
Genüſſe etwas erſchwert werden. Je mehr ſie nun Perſonal- und
Vermögensſteuern, je weniger ſie Reinertragsſteuern ſind, um ſo
weniger ſtimmen ſie mit den Steuergeſetzen überein. Je mehr ſich
aber annehmen läßt, daß ſie blos das reine Einkommen treffen,
um ſo vorzüglicher ſind ſie, und haben unſtreitig den Vorzug vor
den andern Steuern, wenn ſie nicht mit läſtigen Formen der Er-
[743/0765]
hebung verknüpft ſind. Es gibt zwei Klaſſen davon, nämlich ſol-
che, welche der Staat von denjenigen, welche Staatsanſtalten be-
nutzen, im Verhältniſſe dieſer Nutzung erhebt (Gebrauchsſteu-
ern), und ſolche, welche er von den mehr oder weniger nothwendi-
gen Verzehrungen und Genüſſen der Bürger überhaupt im Ver-
hältniſſe dieſer erhebt (Verbrauchs- oder Verzehrungs-,
Zehr- oder Conſumtionsſteuern, auch indirecte Abgaben
genannt).
§. 497.
B. Gebrauchsſteuern.
Die Gebrauchsſteuern1) ſind verſchiedener Art. Entweder
lehnen ſie ſich an beſtimmte Handlungen im bürgerlichen Verkehre,
oder ſie werden bei Erlaubnißertheilungen und Verleihungen ande-
rer Art von Seiten des Staats erhoben, oder bei der Annahme
der Dienſte der Staatsbehörden bezahlt, oder für die Benutzung
anderer materieller Staatsanſtalten entrichtet. Sie ſind folgende:
1) Stempelſteuern, erhoben, indem der Staat zu gewiſſen Ein-
gaben bei den Behörden und zu Ausfertigungen dieſer Letztern ge-
ſtempeltes Papier, wobei der Stempel in verſchiedenen Beträgen
(Klaſſen- und Gradationsſtempel je nach der Wichtigkeit
der Urkunden oder nach der Größe der darin ausgeſprochenen Sum-
men geſetzlich vorgeſchrieben iſt. Wer ſolches Papier verkauft,
der bezahlt die Steuer voraus, alſo iſt ſie indirect. Nicht über-
einſtimmend mit den Steuergrundſätzen ſind ſie bei großer Mäßig-
keit der Anſätze, Stempelfreiheit der Armen und Ermäßigung der
Umgehungsſtrafen eine Abgabenart, die ſich durch Kleinheit der
Quoten unempfindlich erhält, durch Gewohnheit weniger läſtig iſt,
und einen nicht geringen Beitrag zu den Staatsbedürfniſſen ab-
wirft2). 2) Eintrags- oder Regiſtergebühren, Abgaben für
die vom Staate als zur Gültigkeit von Privatverträgen erforder-
lich erklärten Urkunden und Eintragungen in Bücher. Ganz den
Steuergrundſätzen entgegen, ſind dieſelben als bloſe Forderungen
der Willkühr des Staats zu betrachten, da ſie an ſich zur innern
Gültigkeit eines ſolchen Geſchäftes unnöthig ſind. Sie ſind um
ſo verwerflicher, wenn ihr Betrag unmäßig hoch und die Umge-
hungsſtrafen bedeutend ſind, und erſcheinen ſtets als ein ſehr er-
hebliches Hinderniß des Verkehrs3). 3) Taxen für die Erthei-
lung von Patenten zu Anſtellungen, Standeserhöhungen und Ge-
werbsbetrieben (Conceſſionen und Erfindungspatenten), und von
Dispenſationen verſchiedener Art. Sie gehören gar keinem der
Steuerprinzipien an, im Gegentheile ſie fallen meiſtens auf das
[744/0766]
Vermögen und ſind als Hinderniſſe in manchen Beziehungen des
bürgerlichen und Gewerbslebens zu betrachten, aber auch Verhü-
tungsmittel gegen Petitionsunweſen. 4) Sporteln bei Gerich-
ten und Verwaltungsbehörden. Es iſt nicht ungerecht, von dem
dieſe Behörden in Anſpruch Nehmenden einen verhältnißmäßigen
Beitrag zur Erhaltung derſelben und desfalſigen Anſtalten zu er-
heben, wenn auch beſſer wäre, dafür gar nichts zu entrichten. Alſo
an ſich läßt ſich von rechtlicher Seite nichts gegen ſie einwenden,
und die politiſche Frage iſt nur die über die Erhebungsart und
Höhe derſelben; denn dadurch werden ſie läſtig und ein Hinderniß
für Aermere, dieſe Behörden, die für Alle vorhanden ſind, in An-
ſpruch zu nehmen. Die Meinung, daß ſie immer als Vermögens-
ſteuern zu betrachten ſeien, iſt nicht richtig; denn es kommt ſehr auf
die zu verhandelnde Frage und äußere Umſtände an4). 5) Stra-
ßen-, Weg-, Brückengelder, Waſſerzölle, und was derglei-
chen hierher gehört. Dieſe Abgaben können mit den Steuergrund-
ſätzen in Einklang gebracht werden Das Geſetz der Volkswirth-
ſchaft verlangt möglichſte Freiheit des Verkehrs, alſo müſſen dieſe
Gelder nicht ſo hoch ſein, daß ſie die Benutzung ſolcher Anſtalten
verhindern (§. 472.). Das Geſetz der Größe erheiſcht, da der
Staat mit ſolchen Anſtalten kein Gewerbe treibt, daß er ſich nicht
mehr als den zur Erhaltung dieſer Anſtalten nöthigen Aufwand
durch ſolche Abgaben vergüten laſſe5). In manchen Staaten trägt
eine ſolche Steuer nicht einmal ſoviel ein, weßhalb es erklärlich
genug iſt, daß ſolche Dinge nicht überall der Privatinduſtrie über-
geben werden können. Das Geſetz der Allgemeinheit und Gleichheit
findet bei derlei Anſtalten am gerechteſten die Anwendung, daß
vorerſt alle diejenigen, welche ſolche Anſtalten benutzen, im Ver-
hältniſſe, als ſie den Erhaltungsaufwand nothwendig machen hel-
fen, zur ihrer Unterhaltung relativ gleichviel beitragen, und dann,
daß, wenn noch ein Reſt ungedeckt bleibt, alle Staatsbürger, weil
ſämmtlichen ſolche Einrichtungen mittelbaren Nutzen bringen, zu
deſſen Deckung mitwirken. Aus keinem Grunde aber ergibt ſich,
daß der Staat die Benutzung ſolcher Anſtalten ganz frei zu geben
und auf eigene Koſten möglich zu machen verpflichtet ſei. Nur
dann möchte die Räthlichkeit einer ſolchen Befreiung anzuerkennen
ſein, wenn man, nachdem ein Abgabennachlaß beſchloſſen iſt, keine
drückendere Steuer dazu hat, oder wenn, ohne jene Abſicht, für
ſolche Gelder eine weniger drückende Erſatzſteuer eingeführt wer-
den kann. Allein bei kluger Mäßigkeit ſolcher Steuern werden
ſich ſolche Fälle ſelten finden6).
[745/0767]
¹⁾ Lotz Reviſion. IV. §. 287. Handb. III. 292. Krauſe Syſtem. II. 303.
Murhard Th. u. P. der Beſteur. S. 236 folg. v. Malchus I. §. 62–64.
Rau polit. Oeconom. III. §. 227–246., bei welchen beiden alle hierher gehören-
den Abgaben beurtheilt ſind.
²⁾ In allen Staaten, aber verſchieden eingerichtet. In Frankreich ein Di-
menſionsſtempel, nämlich nach der Dimenſion oder Flächengröße des nöthigen
Papieres, von 6 Stufen. v. Raumer britt. Beſteur. Syſtem. S. 21. 192.
³⁾ In Baden Acciſe von Immobilien (ſ. Verhandl. der II. Kammer
von 1831. H. IV. 69. XXI. 253. Beil. Heft VII. 56.); in Frankreich die Droits
d'Enregistrement, welche in Droit fixe und proportionnel zerfallen. Auch gehören
hierher die Droits d'Hypothèques daſelbſt. Hier iſt auch die Erbſchafts- und
Kaufſteuer zu erwähnen. S. Craig Politik. III. 82. 92. 205. Monthion I. c.
pag. 214. simonde de sismondi Rich. commerc. II. 97.
⁴⁾ In Frankreich ſind es zum Theile die Droits de Greffe. Auch gehören
hierher die Beförſterungskoſten für Gemeinde-, Stiftungs- und Privatwal-
dungen, wenn nämlich die Staats forſtleute bei ihrer Bewirthſchaftung benutzt werden.
Ueber die Erhebungsart der Sporteln ſ. m. Welcker in den Verhandl. der Bad.
II. Kammer von 1831. Heft IV. 3. Beil. H. VII. 65. Heft XXIII. 4. Bairiſche
L. T. Verhandl. von 1831. Beil. XLIII. S. auch Craig Politik. III. 147.
Monthion pag. 170.
⁵⁾ v. Malchus I. S. 311–312 ſagt freilich, es gäbe keinen Rechtsgrund,
der den Staat auf die bloße Erhebung dieſes Aufwandes beſchränke. Dies iſt nicht
zu läugnen, denn der Staat iſt berechtigt, die Steuern da und ſo zu erheben, wo
und wie es ihm am zweckmäßigſten ſcheint. Allein der Staat ſteht nicht, wie
Malchus meint, gleich den Privatunternehmern ſolcher Anſtalten, denn er iſt zu
ihrer Herſtellung und Erhaltung als Staat verpflichtet, wenn ſie auf dem Privat-
wege nicht gehörig hingeſtellt werden, und muß die Koſten aus der Staatskaſſe
decken, wenn die für ihren Gebrauch aufgelegte Steuer nicht genug einträgt. Indeß
trennt v. Malchus ferner den Vortheil der unmittelbaren Benutzung ſolcher Anſtalten
von dem aus ihnen für die Geſammtheit erwachſenden Nutzen und will aus dem Letzteren
die Berechtigung des Staates ableiten, ſich durch jene Gebrauchsſteuern mehr als
den bloßen Unterhaltungsaufwand zu verſchaffen, indem derſelbe dieſes Mehr als
eine Steuer vom Ertrage anſieht. Allein dieſer Schritt iſt zu weit, denn es folgt
hieraus blos, daß der Staat, nachdem er jenen Vortheil beſteuert hat, auch dieſen
Nutzen beſteuern kann. Die nächſte Frage iſt alsdann aber, wie dies am beſten in
Uebereinſtimmung mit den Steuergrundſätzen geſchehen könne. Fände ſich, daß dieſe
Beſteuerung am beſten durch Erhöhung der Gebrauchsſteuern dieſer Art verwirklicht
würde, ſo müßte freilich dieſe Wahl getroffen werden, ſonſt nicht. Und es möchte
ſich die Vorzüglichkeit dieſer Methode nach keinem einzigen Steuergrundſatze beweiſen
laſſen. Jedoch ein anderer Irrthum liegt der Anſicht von v. Malchus zu Grunde,
nämlich als ob der Vortheil, den der Einzelne aus der Benutzung ſolcher Anſtalten
bezieht, der Beſteuerungsmaaßſtab ſei. Wie ſollte dieſer Vortheil ermittelt wer-
den? — Dies iſt unmöglich, alſo der Grad der Mitwirkung der Einzelnen zur
Abnutzung ſolcher Anſtalten iſt der Maaßſtab für dieſe Steuern.
⁶⁾ Die Surrogirung des Weggeldes durch eine Viehſteuer iſt nicht geglückt und
kann es wohl auch nicht. Lotz Reviſion. IV. §. 283. Handb. III. 288. Krauſe
Syſtem. II. 290.
§. 498.
C. Verbrauchsſteuern. 1) Im Allgemeinen. a) Ihre Vor-
und Nachtheile.
Gegen keine Gattung von Steuern iſt ſo viel ſchon geſtritten
worden, wie gegen die Verbrauchs- oder Conſumtionsſteu-
ern1), und gerade in jetziger Zeit gehört dieſer Streit zu den
wichtigſten, theils weil die unteren Volksklaſſen ihre Laſten zum
[746/0768]
Nachtheile der höheren und reicheren abzuſchütteln ſtreben, theils
weil ſich die Wünſche nach Verkehrsfreiheit lauter als jemals er-
heben. Allein, muß man zugeſtehen, daß dieſe Steuergattung ſo
wenig als eine andere nicht ohne Laſt denkbar iſt, und darf aus
den Bedürfniſſen unſerer Staaten geſchloſſen werden, daß die Con-
ſumtionsſteuern ganz unentbehrlich ſind2), ſo kann man bei ruhiger
vorurtheilsfreier Ueberlegung dieſelben bei weitem nicht in dem
Grade drückend, ſchädlich und an ſich fehlerhaft finden, als ander-
wärts von ihnen behauptet wird. Man wendet gegen ſie ein: die
Unmöglichkeit einer Vorausberechnung ihres Ertrags für die Staats-
kaſſe, die daher rührende Unſicherheit der Einnahmen der Letzteren,
die Koſtſpieligkeit und Schwierigkeit der Erhebung, ihren böſen
Einfluß auf die Moralität, die Unthunlichkeit einer gleichen Be-
ſteuerung je nach dem Verhältniſſe des Reichthums und der Dürf-
tigkeit, die Unbrauchbarkeit der Verzehrung als Maaßſtab des Ein-
kommens, die Unausweichlichkeit der Beſteuerung des Capitals, der
nothwendigſten Bedürfniſſe und des rohen Einkommens mit allen
ihren ſchädlichen Folgen für die Induſtrie, die daher rührende
unerträgliche Bedrückung der Armen, den ſchädlichen Einfluß der
Verſchiebung der Steuerzahlung bis zur Verzehrung auf den Ver-
kehr, auf die Gütervertheilung und auf die Preiſe der Artikel,
die Hemmniſſe für den regelmäßigen Fortgang der Betriebſamkeit
je nach der Art der Erhebung, die bei dieſer Art der Beſteuerung
den Bürgern gelaſſene Wahl zwiſchen dem Beitrage oder Nichtbei-
trage zu den Staatsbedürfniſſen, und den Umſtand, daß, wo ſie
eingeführt ſind, der Bürger mehr als einfach, beſteuert wird.
Allein der im Ganzen wenig veränderliche Stand der Conſumtion
läßt die Staatskaſſe um ihre Einnahme nicht in Ungewißheit. Die
koſtſpielige und ſchwierige Erhebung kann nicht geläugnet werden,
allein die in manchen Staaten und bei einzelnen Steuern in dieſer
Hinſicht getroffene Einrichtung, welche dieſen Vorwurf in hohem
Grade verdienen dürfte, kann nicht dieſen Steuern überhaupt zu-
geſchrieben werden. Die Immoralität, als Folge dieſer Steuern,
iſt nicht nothwendig ein Ergebniß derſelben überhaupt, ſondern
vielmehr ihres zu hohen Betrages, der den Betrug vortheilhaft
macht, aber auch bei andern Steuern kommt dieſer vor. Von der
Verzehrung läßt ſich im Durchſchnitte allerdings auf ein im ge-
raden Verhältniſſe mit ihr ſtehendes Einkommen ſchließen; um nun
alle Bürger möglichſt relativ gleich zu beſteuern, muß man die zu
beſteuernden Artikel richtig wählen und dazu ſteht eine große Anzahl
zu Gebote; die Wahl iſt faktiſch hie und da ungünſtig, aber bei
der beſten Einrichtung ſind da und dort Ungleichheiten unvermeid-
[747/0769]
lich und nur in äußerſt ſeltenen Fällen iſt zum Theile jener be-
drückte Zuſtand der ärmeren Klaſſe in dem Grade vorhanden, als
er von den Gegnern dieſer Steuern ausgemahlt wird. Jede Steuer,
die das Capital verringert und die Befriedigung der Bedürfniſſe
erſchwert, iſt allerdings verwerflich; allein daraus, daß eine ſolche
auf die Conſumtion gelegt wird, folgt jenes noch nicht, es kommt
vielmehr auf den Steuerartikel und die Höhe der Steuer an. Es
iſt wahr, wer die indirecte Steuer lange vor der Verzehrung vor-
auszahlt, der läßt ſich im Preiſe des Artikels auch die Zinſen ſeiner
Vorauslage mitbezahlen und ſo ſteigt derſelbe; allein dieſe lange
Vorausbezahlung iſt in der Steueranlage zu vermeiden und keines-
wegs eine von ihr unzertrennliche Begleiterin der Verbrauchſteuern.
Uebrigens ſteigt der Preis dieſer Artikel nur um ſo viel höher
zufolge der Verbrauchsſteuer, und alles andere Steigen deſſelben
iſt Folge von anderen Urſachen. Irgend ein Hemmniß iſt jede
Steuer für den Verkehr und die Gewerbſamkeit, alſo iſt dies bei
den Verbrauchsſteuern auch unvermeidlich; allein abgeſehen davon,
daß es bei dieſer Frage am meiſten auf die gewählte Umlags- und
Erhebungsmethode ankommt, ſo iſt nicht zu läugnen, daß eine andere
Erhebung derſelben Summen, welche jetzt durch die Verbrauchsſteuern
bezogen werden, weit mehr und weit größere Nachtheile auf den
Verkehr und die Induſtrie ausüben würde, als es jetzt geſchieht.
Daran ſind gerade die Umſtände Schuld, welche fernerhin noch
als ſchädliche Eigenheiten der Verbrauchsſteuern angeführt wurden.
Nämlich die Zahl der Contribuenten iſt größer, die Steuerquote
äußerſt klein und wird nur allmälig erhoben, gerade indem der
Pflichtige Genußausgaben macht, bei nicht abſoluten Bedürfniß-
artikeln kann ſich jeder je nach Art und Größe der Conſumtion
ſelbſt beſteuern und die ganze Steuerſumme, welche er jährlich zu
bezahlen hat, wird nicht auf einmal erhoben, was, da es gerade
auf dieſe Art geſchieht, die Steuerzahlung ſehr erleichtert.
¹⁾ Zur Literatur: Steuart Political Economy Book V. A. Smith Inquiry.
IV. 240. v. Sonnenfels III. 341. (v. Pfeiffer, Berichtigungen berühmter
Kameralſchriften. I. 288.). Büſch, Vom Geldumlauf. I. 413. v. Juſti Finanz-
weſen. §. 821. Finanzmaterialien. Stück I. Anh. 1. Bergius Magazin. Art.
Acciſe u. folg. Lüder, Ueber Nationalinduſtrie. S. 30. Spittler, Vorleſ.
über Politik. S. 340. Craig Politik. III. 154. Ricardo Principles. p. 298.
Necker, De l'Administration des Finances. I. 129. Turgot Oeuvres. IV. 208.
Canard, Principes d'Economie polit. p. 154. simonde de sismondi Rich. Com-
merc. II. 33. 63. Nouv. Principes. II. 206. say Traité. Ueberſ. von Mor-
ſtadt §. 579. Cours VI. 74. Ueberſ. von v. Th. VI. 59. Monthion Quelle
influence. p. 56. 127. v. Raumer, Britt. Beſteur. Syſtem. S. 32. 194. Mac-
Culloch Dict. of Commerce. Deutſch I. 6. 206. 249. 693. II. 11. 199. 253. u.
a. a. O., wo die in England accisbaren Artikel angeführt ſind. Krehl Steuer-
ſyſtem. §. 124. 126. 127. 159. 160. 174. 175. Krönke Grundſätze. S. 141.
v. Soden Nat. Oeconom. III. 124. V. 100. 112. Lotz Reviſion IV. 143. Hand-
[748/0770]
¹⁾ buch III. 175. Krauſe Syſtem. II. 319. v. Jacob §. 683. 1102. Fulda
§. 202. v. Malchus I. §. 60 u. 61. 66–75. Murhard, Politik des Han-
dels. S. 363. Th. u. P. der Beſteur. S. 387. Eſchenmayer, Ueber die Con-
ſumtionsſteuer. Heidelberg 1813.
²⁾ S. Meine Verſuche S. 201–204, wo der Beweis ſtatiſtiſch geführt iſt.
§. 499.
Fortſetzung. b. Wahl der Verbrauchsartikel.
Es gibt abſolute und relative Bedürfnißartikel und Luxus-
gegenſtände, welche der Verbrauchsſteuer unterworfen werden kön-
nen. Die Wahl muß auch auf alle drei zugleich fallen, weil es
nur auf dieſem Wege möglich iſt, die untere, mittlere und höhere
Klaſſe der Staatsangehörigen gleichmäßig zu beſteuern. Allein die
Verbrauchsſteuer von abſoluten Bedürfniſſen hat ſtets gegen ſich,
daß von den Letztern nicht auf ein reines Einkommen geſchloſſen
werden kann, daß dieſelben vielmehr als erſte wirthſchaftliche Aus-
lagen erſcheinen, die im Preiſe der Producte, Nutzungen und Lei-
ſtungen nothwendig erſtattet werden müſſen, daß folglich eine ſolche
Steuer Alles andere vertheuert, von der Arbeiterklaſſe nur voraus-
bezahlt, ſpäter aber ihr von den Lohnherrn, periodiſche und locale
Ausnahmen abgerechnet, wieder erſtattet wird, und daß ſie die
Befriedigung der Bedürfniſſe erſchwert. Dies Alles findet bei der
Beſteuerung der anderen Bedürfniſſe und des Luxus nicht Statt,
ſie beſchränkt, wenn ſie hoch geſpannt iſt, höchſtens den Genuß.
Es iſt daher Grundſatz, durch das Verbrauchſteuerſyſtem ſowohl
dies Letztere als auch die Erſchwerung der Bedürfnißbefriedigung
zu verhüten. Dies iſt aber nur möglich durch die kluge Auswahl
der Artikel1), durch Mäßigkeit der Steueranſätze, dadurch, daß
man die Steuer möglichſt kurz vor dem Verbrauche erhebt und
durch thunlichſte Einfachheit und Wohlfeilheit der Erhebung2).
Allein dies Alles iſt Sache der Finanzpolitik, welche ſich zu dieſem
Behufe ſtreng an die Statiſtik des Landes halten muß.
¹⁾ Etwas Anderes iſt die Menge, etwas Anderes die Gattung und Art
der Steuerartikel. Was die Erſtere betrifft, ſo hat man ſich jetzt in der Praxis
für eine Ermäßigung entſchieden, weil mit der Anzahl der Artikel keineswegs, wie
man wähnte, die Gleichheit in der Vertheilung der Steuerlaſt, ſondern vielmehr
die Ungleichheit derſelben zunimmt, in der That keine größere Schonung der Be-
dürfniſſe bewirkt wird, aber jedenfalls die Verwickelung und Koſtſpieligkeit der
Erhebung unverhältnißmäßig zunimmt. Was aber die Letzteren anbelangt, ſo hat
Canard (Principes p. 177.) die Meinung gehegt, blos die abſoluten Bedürfniſſe
ſollten beſteuert werden, weil die Steuer ſonſt ungleich würde. Allein, daß dadurch
eine abſolute Gleichheit, alſo wahre Ungleichheit der Steuervertheilung, entſtünde,
iſt nicht im Geringſten zu bezweifeln. Der beſte iſt der gehörige Mittelweg zwiſchen
dem Entbehrlichen und Nothwendigen jeder Bürgerklaſſe, die Freilaſſung der Ge-
werbscapitalſtoffe, und die Herausſuchung ſolcher Gegenſtände, welche am meiſten
[749/0771]
¹⁾ auf die Reineinnahme und den Wohlſtandsgrad der Conſumenten ſchließen laſſen und
die Steuererhebung nicht zu ſchwer und nicht zu koſtſpielig machen.
²⁾ Man muß zwiſchen der directen und indirecten Beſteuerung unterſcheiden.
Jene findet nicht, wie v. Malchus I. S. 323. meint, blos bei Gebrauchs-
gegenſtänden, z. B. Meubles, Bedienten, Equipagen, Gold- und Silbergeſchirr
u. dgl., ſondern auch bei Verbrauchsartikeln Anwendung, z. B. Schlachtſteuer
und Weinacciſe für eigene Conſumtion. Nach den Gegenſtänden richtet ſich auch
die Wahl der Beſteuerungsart. Wenn die directe Verbrauchsſteuer nicht in den
meiſten Fällen eine allzu läſtige Erhebung nöthig machte, ſo wäre ſie der indirecten
vorzuziehen, weil ſie nicht, wie dieſe, eine Vertheuerung der Artikel zufolge der
Vorauslage ſammt Zinſen verurſacht.
§. 500.
2) Beſondere Arten. a) Acciſe.
Das Verbrauchsſteuerſyſtem beſteht daher aus drei Hauptſteuer-
gattungen, nämlich Acciſen, Zöllen und Luxusſteuern. Sie
erſcheinen hier nicht von ihrer nationalöconomiſchen Seite (§. 458.
IX. 4.), allein bei einem guten Steuerſyſteme muß in dieſem an
ſich, ſo wie zwiſchen der nationalöconomiſchen und finanziellen
Rückſicht dieſer Steuergattungen ein ſorgfältiger verſtändiger Zu-
ſammenhang beobachtet werden. — Unter die Acciſe, d. h. Ver-
brauchsſteuern von inländiſchen Fabrikaten, rechnet man ziemlich
allgemein folgende Abgaben: 1) Die Mahlſteuer (Mehl- oder
Brodacciſe), welche ſich durch die Allgemeinheit, leichte Ausglei-
chung, den hohen Ertrag bei geringem Anſatze, und die Leichtigkeit
der Erhebung in Städten ſehr, auf dem Lande aber gar nicht
empfiehlt1). 2) Die Schlachtſteuer (Fleiſchacciſe) hat als
ſtädtiſche Staatsſteuer dieſelben Gründe um ſo mehr für ſich, als
das Fleiſch kein abſolutes Bedürfniß, wie Brod, iſt und je nach
ſeiner Qualität eine Stufung der Steuerſätze und höhere Be-
ſteuerung der höheren Conſumenten möglich macht, aber als Steuer
auf dem Lande hat ſie dieſe Vortheile nicht2). 3) Die Bier-
ſteuer (Bieracciſe) trifft ein Gewerbsproduct, deſſen Güte und
Quantität im Belieben des Brauers liegt, der aber von der Nach-
frage darnach in der Production beſtimmt wird. Es eignet ſich
das Bier um ſo mehr zur Beſteuerung, weil es an ſich nicht als
abſolutes Bedürfniß erſcheint und doch allgemein in großer Quan-
tität conſumirt wird3). 4) Die Branntweinſteuer (Brannt-
weinacciſe) hat noch weit mehr Gründe für ſich, als jene, weil
der Branntwein in der That als ein, ſogar ſchädlicher, nicht noth-
wendiger Genußartikel erſcheint, deſſen Conſumtion aber ſehr be-
trächtlich iſt und wegen der verſchiedenen Feinheit der Branntweine
und Liqueurs Abſtufungen der Steuerſätze in mehrfacher Hinſicht
geſtattet4). 5) Die Weinſteuer (Weinacciſe) von Obſt- und
[750/0772]
Traubenwein erſcheint noch weniger als eine Bedürfnißſteuer und
eignet ſich auch wegen der verſchiedenen Qualität des Weines
ſehr zur Conſumtionsſteuer, aber in einer Hinſicht findet eine Ver-
ſchiedenheit Statt, nämlich ſeine Güte und Menge hängt nicht
vom Belieben des Producenten ab und ſein Gebrauchs- und Tauſch-
werth ſo wie ſein Preis nimmt mit ſeinem Alter zu, Umſtände,
wodurch deſſen Beſteuerung ſehr erſchwert wird5). 6) Die Ta-
backsſteuer trifft in keiner Hinſicht ein wahres Bedürfniß, aber
ſie kann ein bedeutendes Einkommen gewähren, wo der Verbrauch
des Tabacks allgemein iſt, und wirkt in keinem Falle an ſich
drückend6). Endlich 7) die Salzſteuer iſt eine der geeignetſten
Zehrſteuern, wegen des ausgedehnten Salzverbrauchs im Hauſe,
in der Viehzucht, Landwirthſchaft und in den Gewerken, wegen
des geringen Bedarfs für die einzelne Perſon, wegen der geringen
Gewinnungskoſten, die einen bedeutenden Steuerzuſchlag geſtatten,
ohne Druck auf den Conſumenten, und endlich wegen der leichten
koſtenloſen Erhebung. Die Einwendungen gegen dieſelbe betreffen
ſie, mit Ausnahme des Umſtandes, daß ſie alle Familien blos nach
ihrer Größe beſteuert, alſo die Armen härter trifft, als die Rei-
chen, nicht an ſich, ſondern nur ihre vermeintliche oder auch wirk-
liche Höhe und die gleiche oder auch nur um Weniges verſchiedene
Beſteuerung und Preishöhe des Koch-, Vieh-, Dung- und Ge-
werksſalzes. Hiergegen ſind aber ſehr leicht Maaßregeln zu
ergreifen7).
¹⁾ Erhebung indirect in der Mühle. Nach Einführung von Gemeindebacköfen
könnte man ſie in dieſen erheben, beſonders auf dem Lande, wo ſie jetzt wegen des
Hausbackens und wegen der zerſtreuten Lage der Wohnungen nicht wohl ohne viele
Bedrückung und Mühe eingeführt werden kann.
²⁾ Mehr noch als das Backen, geſchieht das Schlachten im Hauſe, beſonders
auf dem Lande, eine directe Fleiſchacciſe aber hat viele Bedrückung zur Folge. Wo
Schlachthäuſer vorhanden ſind, iſt die indirecte Erhebung ſehr erleichtert, ſonſt wird
ſie gerade von den Schlächtern erhoben.
³⁾ Man hat folgende Methoden der Beſteuerung, nämlich nach dem Maaße
des verbrauten Malzes- oder nach dem cubiſchen Inhalte der Gefäße oder bei freier
Fabrication nach den verkauften Quantitäten beim Bierhändler. v. Malchus I. §. 68.
⁴⁾ Methoden der Beſteuerung: entweder nach der Menge des verbrauchten
Schrotes, oder nach dem kubiſchen Gehalte des Maiſchfaſſes, oder nach jenem der
Branntweinblaſe, oder beim Abſatze des Branntweins nach Menge und Güte.
S. Krauſe Syſtem. II. §. 288 (beſonders Preußens Erfahrungen darüber).
Ferber, Beiträge zur Kenntniß des gewerblichen Zuſtandes der preuß. Monarchie
(Berlin 1829). S. 219. Deſſen Neue Beiträge (Berlin 1832). S. 109.
Förſter, Anleitung zur Kenntniß der Geſetzgebung des Branntweinb. Berlin 1830.
⁵⁾ Nicht der Weinbauer und nicht der Weinhändler ſollen hierdurch beſteuert
werden, — denn dieſe ſind es ſchon durch die Grund- und Gewerbeſteuer, — ſon-
dern der Conſument. Entweder wird ſie ſchon vom Moſte (Moſtſteuer) oder
vom mehr oder weniger ausgebildeten Weine, wenn er von den Händlern abgeſetzt
wird, erhoben (Weinſteuer). — Man glaubte aber, alle dieſe Getränkeſteuern,
anſtatt wie angezeigt, in allgemeinen Averſalſätzen beſſer erheben zu können.
[751/0773]
⁵⁾ Allein dieſe Methode hat große Einwürfe und Hinderniſſe gegen ſich. S. dafür
Sartorius, Gleiche Beſteuerung. S. 200. 211. Dagegen aber das ausgezeich-
nete Gutachten von Nebenius in den Verhandl. der Bad. II. Kammer von 1831.
Heft XXIV. S. 165–175. Die Discuſſion von S. 162–224.
⁶⁾ Das Monopol (§. 483.) iſt zur Steuererhebung nicht nothwendig, denn es
ſteht dem Staate die Beſteuerung in den Fabriken und der Eingangszoll zu Gebote.
⁷⁾ Die Salzſteuer bedarf an ſich des Salzmonopols nicht (§. 483.), denn die
Beſteuerung kann auch in Siedwerken geſchehen, die Privaten überlaſſen ſind. —
Aber die Surrogirung dieſer indirecten Salzſteuer durch ein directes Salzgeld
nach Kopfzahl und Klaſſen u. dgl. hebt die Nachtheile der Erſteren nicht auf, aber
vermehrt die Mühe und Koſten der Erhebung. S. dafür v. Langsdorf, Ueber
die Herabſetzung der Salzpreiſe in Deutſchland. Heidelberg 1822. Benzenberg,
Preußens Geldhaushalt. S. 238. Dagegen v. Malchus I. S. 340–341.
Rau polit. Oeconomie. III. §. 188.
§. 501.
Fortſetzung. b) Zölle. c) Luxusſteuern.
Das Zollweſen iſt von ſeiner nationalöconomiſchen Seite
bereits (§. 471.) erörtert. Aber, iſt es ſchon in jener Beziehung
Einer der ſchwierigſten Gegenſtände der Staatsverwaltung, ſo wird
es noch weit verwickelter, indem die finanzielle Rückſicht, nämlich
die Erhebung eines Einkommens aus der Beſteuerung der Conſumtion
ein- und ausgehender Waaren, noch hinzutritt. Aber die Wiſſenſchaft
vermag, weil die Verhältniſſe der Länder zu verſchieden ſind,
hierin nicht viel mitzuſprechen. Die Auswahl der zollbaren Waa-
ren, Bildung des Tarifes und Anlage der Zolllinien iſt lediglich
Gegenſtand der Finanzpolitik. Allgemeine wiſſenſchaftliche Sätze
klingen hier immer hohl und ungenügend.
Es iſt leicht einzuſehen, daß unter den Acciſen und Zöllen
ſchon Luxusſteuern im allgemeinen Sinne enthalten ſind. In
beſonderer Bedeutung verſteht man unter ihnen die directen Luxus-
ſteuern, z. B. für das Halten von Dienern, Equipagen, Luxus-
Pferden, Hunden, Wappen u. dgl. Mit Ausnahme der Hundſteuer,
nur in großen Staaten von Bedeutung, erſcheinen ſie als die am
wenigſten drückenden Abgaben.
Drittes Hauptſtück.
Vom Erwerbe des Staats aus ſeinem Kredite.
Erſtes Stück.
Verſchiedene Arten der Benutzung des
Staatskredites.
§. 502.
A. Zwangskreditgeſchäfte.
Der Staatskredit oder Kredit des Staats (§. 343.) iſt eine
der wichtigſten Einkommensquellen des Letztern, welche, da ſie auf
[752/0774]
dem Zutrauen zum Staate beruhet, der ſorgſamſten Pflege bedarf1).
Die neueren und neueſten Staatsregirungen haben von demſelben
einen außerordentlich großen Gebrauch gemacht, ſo daß man eines
Theils viele Erfahrungen über die beſte Art der Benutzung des-
ſelben gemacht und andern Theils die größte Aufmerkſamkeit nöthig
hat, um die beſten Mittel und Wege zu finden und anzuwenden,
wie derſelbe erhalten und die durch deſſen Benutzung entſtandenen
Laſten und Uebelſtände entfernt werden können2).
Die verſchiedenen Arten der Benutzung deſſelben laſſen ſich
folgendermaßen zuſammenſtellen:
A. Zwangskreditgeſchäfte, d. h. Benutzung des Staats-
kredits unter Ausübung von mehr oder weniger Zwang. Es ge-
hören hierher:
I. Die Benutzung der bei den Staatskaſſen niedergelegten
Cautionsgelder und anderen Depoſiten, ja auch der Sum-
men in der Spar-, Leih-, Stiftungs-, Gemeindekaſſen u. dgl. Da
die Erſteren doch bezahlt werden müſſen und in großen Staaten
erhebliche Summen ausmachen, ſo ſteht ihrer Benutzung, wenn
der Staat ſie regelmäßig landüblich verzinst und zu ihrer Zeit
anheimzahlt, gar nichts entgegen. Aber gewaltſame Eingriffe in
die genannten Kaſſen ſind als Ungerechtigkeiten, als Störungen
der allgemeinen Sicherheit und Untergrabungen des Kredits durch-
aus verwerflich.
II. Die Bewirkung von Ausgaberückſtänden, der natür-
lichſte und kürzeſte Weg, Schulden zu machen, aber unvereinbar
mit einer gerechten und klugen Staatswirthſchaft, weil ſie auf ge-
waltiger Täuſchung aller derjenigen beruht, die an den Staat zu
fordern haben, weil ſie einen großen Theil der Letzteren in Ver-
legenheit ſetzt und, einmal begonnen, nach und nach die Finanz-
verwaltung in unerträgliche Unordnungen verſetzt.
III. Die Erhebung von Zwangsanleihen, indem man von
den Reichen oder von Geſellſchaften oder Gemeinden u. dgl. oder
von allen Staatsbürgern Darleihen erzwingt. Allein der Zwang
verträgt ſich mit dem Zutrauen nicht, und dieſe Anleihen ſind,
abgeſehen hiervon, ſelbſt wenn die einſtige Verzinſung und Heim-
zahlung verſprochen wird, ſchon deßhalb verwerflich, weil niemals
eine vollſtändige Entſchädigung Statt findet.
IV. Die zwangsweiſe Emiſſion von Kreditpapieren, näm-
lich entweder von Gutſcheinen (franz. Bons. engl. Bills. im
Deutſchen auch Schatz- und Treſorſcheine genannt) oder von
Papiergeld. Was das Letztere anbelangt (§. 414. u. §. 443.),
ſo geht ſchon aus ſeiner Natur hervor, daß es, als Staatseinkom-
[753/0775]
mensquelle benutzt, den Keim von einer tiefen Zerrüttung der
Volks- und Staatswirthſchaft in ſich trägt und es kommt dem
Staate ſchwer an, die Mittel zur Honorirung deſſelben immer in
Bereitſchaft zu halten, während, wenn er ſie bereit hält, ihm die
Mittel zur vortheilhaften Benutzung der Capitalien nicht ſo gut
zu Gebote ſtehen, wie den Privatbankern, und, wenn er das bei-
ſtrömende Papiergeld nicht honoriren kann, ſein Kredit ſinkt und
der Volkswohlſtand untergraben wird. Die Gutſcheine dagegen,
für welche Zinſen bezahlt werden und welche ausgegeben werden in
der Abſicht, ſie in der nächſten Zeit, z. B. innerhalb eines Jahres,
wieder einzuziehen, erſcheinen, wenn treu an der Verzinſung und
Einziehung gehalten wird, als ein ſehr bequemes Mittel, unter
Erſparniß an Baarſchaft Ausgaben zu decken, denen man nicht
ausweichen kann. Ihre erlaubte Summe wird durch ein Geſetz
beſtimmt, und alle bedeutendere europäiſche Staaten haben ſie im
Gebrauche.
V. Die zwangsweiſe Anticipation, indem nämlich der
Staat von ſeinen Unterthanen die Steuern, welche ſie in der näch-
ſten Finanzperiode erſt zu entrichten hätten, ſchon zur Verwendung
in der jetzigen voraus erhebt. Außer einem großen Drucke auf
die Steuerpflichtigen und den öftern ſchädlichen Folgen für das
Gewerbscapital derſelben verurſachen die Anticipationen unaus-
weichlich Unordnung in der Finanzwirthſchaft und ein baldiges
Vertrocknen der vornehmſten Einkommensquellen des Staats.
¹⁾ Der Staatskredit hängt alſo von Allem ab, was auf das Vermögen und
den Willen des Staats von Einfluß iſt oder darüber wahr oder fälſchlich die öffent-
liche Meinung beſtimmt. Er richtet ſich alſo nach dem Beſtande, nach den Ver-
änderungen und Beurtheilungen des intellectuellen, moraliſchen und wirthſchaftlichen
Zuſtandes der Nation, des rechtlichen Zuſtandes und politiſchen Standes des Staats,
und aller finanziellen Verhältniſſe, insbeſondere des Schuldenweſens deſſelben.
²⁾ S. die Literatur im §. 336. Note 1. Außerdem Zachariä, Ueber das
Staatsſchuldenweſen des heutigen Europa. Leipzig 1830, aus den Jahrbüchern der
Geſchichte und Staatskunſt von Pölitz beſonders abgedruckt. Hisgen, Kurze Be-
leuchtung der Zachariä'ſchen Schrift über St. Sch. Weſen. Trier 1832. Fulda,
Ueber Staatskredit. Tübingen 1832. Bernoulli, Was iſt von Staatsſchulden zu
halten? Baſel 1832., Deſſelben Beiträge zur Würdigung der Staatsanleihen.
Karlsruhe 1833. S. auch oben §. 339. N. 1, wozu bemerkt werden muß, daß
von Feller's Schrift jetzt a. 1834 eine 2te vermehrte Auflage erſchienen iſt.
S. auch Fulda Finanzw. §. 226 folg. (wovon ſeine oben genannte Schrift ein
bloßer Abdruck iſt). v. Jacob Finanzw. §. 746. 890. v. Malchus I. §. 88 folg.
Lotz Handb. III. 401. Spittler, Vorleſungen über Politik. S. 304. A. smith
Inquiry. IV. 303. Craig Politik. III. 248. say, Cours d'Econ. polit. VI. 128.
Ueberſ. von v. Th. VI. 99. Deſſelben Traité Ueberſ. von Morſtadt. §. 601.
Schön, Grundſätze der Finanz. S. 118. Büſch, Vom Geldumlauf. I. 325.
(Pinto) Traité de la Circulation et du Crédit. Amsterd. 1771. = Struenſee,
Sammlung von Aufſätzen. Liegnitz 1776. I. Deſſelben Abhandlungen. I. 258.
Baumſtark Encyclopädie. 48
[754/0776]
²⁾ Hume, Political Essays. Ess. VIII. J. Pr. smith, The science of Money. p. 399.
Hamilton Inquiry, concerning the Rise and Progress etc. of National Debt.
Edinburgh 1813.
³⁾ Hiſtoriſche Belege in Meinen Verſuchen. S. 236–249. Ausgedehnterer
Gebrauch von Papiergeld iſt angerathen von Schön Grundſätze. S. 111. Man ſ.
dagegen Meine Verſuche. S. 498. N. 16. Noch weit greller, ganz verwirrt und
ohne reelle Baſis, ſogar zur Tilgung von Staatsſchulden vorgeſchlagen, tritt das
P. Geldſyſtem hervor in v. Knobloch Staatswirthſch. Vorſchläge. Berlin 1834. I.
§. 503.
B. Freie Kreditgeſchäfte.
B. Freie Kreditgeſchäfte des Staats, d. h. Benutzung
des Staatskredits kraft beſtimmter Verträge mit Gläubigern. Sie
ſind folgende:
I. Zwangsloſe Anticipitationen, d. h. Voraufnahmen
von Staatseinkünften bei Pächtern von Steuern oder Domänen
oder Regalien gegen Zinſen und unter der Zuſicherung der Befug-
niß, ſich bei der Fälligkeit der betreffenden Einnahme bezahlt zu
machen. Außer den Nachtheilen der Zwangsanticipationen haben
ſie auch noch den, daß der Staat enorme Zinſen entrichten muß
und die Finanzverwaltung nach und nach ganz in die Hände dieſer
Pächter geräth1).
II. Eigentliche Staatsanleihen (§. 336.). Jeder Schuld-
ner, und am meiſten der Staat in jener Eigenſchaft wegen ſeiner
großen ordentlichen und außerordentlichen Bedürfniſſe, ſucht ſich
ſchon im Anleihensvertrage ſeine Verbindlichkeiten zur Verzinſung
und Tilgung, beſonders bei großem und ſteigendem Betrage der
Schuld, ſo viel als möglich zu erleichtern. Aus dieſem Streben
gingen geſchichtlich folgende Arten von Staatsanleihen hervor:
1) Gegenſeitig aufkündbare Staatsanleihen mit getrenn-
ter Tilgung und Verzinſung, ſo wie ſie im gewöhnlichen Leben
auch vorkommen. Sie können den Staat durch die Kündigung von
Seiten des Gläubigers in die größte Geldverlegenheit verſetzen und
dem Gläubiger durch die Kündigung von Seiten des Staats, be-
ſonders bei großen Summen, höchſt unangenehm ſein. Man fand
daher ein ſehr angenehmes Gegenmittel, nämlich 2) die Annui-
täten (Zeitrenten, engl. Annuities), wobei eine beſtimmte Anzahl
von Jahren eine jährliche Rente an den Staatsgläubiger bezahlt
wird, welche außer dem feſten Zinſe für das jedesmal noch ſtehende
Anleihenscapital auch noch einen Theil des Letztern ſelbſt enthält,
ſo daß, wie der Zinsbetrag bei gleichbleibendem Zinsfuße eben
wegen der allmäligen Abzahlung des Capitals ſinkt, im nämlichen
Verhältniſſe der Tilgbetrag der Rente und mit ihm die Schnellig-
[755/0777]
keit der Tilgung zunimmt. Der Staat ſeinerſeits und der Gläu-
biger anderſeits glaubte aber auch, was Verzinſung und Tilgung
anbelangt, noch durch den Unterſchied zwiſchen der wirklichen und
wahrſcheinlichen Lebensdauer der Gläubiger Gewinn zu machen,
und ſo entſtanden 3) die Leibrenten (franz. Rentes viagères,
engl. Life Annuties), nämlich Annuitäten, welche ſo berechnet
ſind, daß durch Bezahlung der beſtimmten Rente die Schuld nach
Ablauf der wahrſcheinlichen Lebensdauer des Gläubigers ſammt
Zinſen getilgt iſt. Lebt nun der Letztere wirklich länger, ſo muß
ihm der Staat mit Schaden die Rente bis zum Tode fortbezahlen
und jener gewinnt; ſtirbt er aber früher, ſo erliſcht auch die
Rentenzahlung und der Staat gewinnt. Jedoch ſo ganz vereinzelt
war es ſchwerer, Gläubiger auf dieſe Anleihensart zu finden, als
wenn ſich Geſellſchaften dazu vereinigten, und zudem mußte der
Ertrag ſolcher Anleihen auch größer ſein. Daher verfiel man auf
4) die Tontinen, d. h. Leibrenten für eine ganze Gläubigergeſell-
ſchaft, die aus verſchiedenen Altersklaſſen beſtehen kann, mit der
Einrichtung, daß die Geſellſchaft als moraliſche Perſon den ganzen
Rentenbetrag für die Schuld bezieht, folglich, wenn ein Mitglied
nach dem andern ſtirbt, immer die perſonell ledig gewordene Rente
wieder dem Reſte der Geſellſchaft zufällt, bis ſie endlich ganz aus-
geſtorben iſt2). Bei dieſen drei letztgenannten Anleihensarten aber
gibt der Staat ganz aus der Hand, den Zinsfuß, wenn er indeſſen
ſinken ſollte oder wenn jener in den Stand käme, Anleihen zu ge-
ringeren Zinſen aufnehmen zu können, herabzuſetzen. Bei den
Annuitäten verrechnen ſich oft die Gläubiger und die kleinen Be-
träge der Renteinnahme ſind ihnen zum Behufe der Capitalanſamm-
lung nicht angenehm. Bei Leibrenten und Tontinen verliert in der
Regel der Staat, weil die Lebensdauer der Rentner wirklich größer
zu ſein pflegt, als die Wahrſcheinlichkeit lehrt. Wegen dieſer und
der früher angegebenen Unbequemlichkeiten verfiel man auf neue
Einrichtungen der Staatsanleihen, und es gingen endlich noch
folgende drei Arten hervor, nämlich 5) die Lotterieanleihen,
d. h. ſolche, wobei der Staat die Zinszinſen oder einen Theil der
Zinſen oder ſelbſt einen Theil des Capitals zurückhält, um daraus
einen Fonds zu bilden, welcher in verſchiedene Gewinnſte abgetheilt
wird. Entweder bezahlt derſelbe die Zinſen jährlich aus oder
ſchlägt ſie zum Capital einer jeden Obligation (Loos genannt).
Im erſten Falle wird blos das Capital ſammt den Gewinnſten, im
zweiten aber das Capital und der Zins für die ſämmtlichen rück-
ſtändigen Jahre ſammt den Gewinnſten ausbezahlt, wie es die
vorher geſchehene Verlooſung jedesmal anzeigt, ſo daß der ge-
48 *
[756/0778]
ringſte Bezug des Gläubigers im erſten Falle aus dem bloßen
Capitale, im zweiten dagegen aus dem Capitale ſammt rückſtändigen
Zinſen, aber alle höheren Bezüge aus dem Einen oder Andern
ſammt dem auf das Loos gefallenen geringeren oder höheren Ge-
winnſte beſteht. Für die Gläubiger als Mittel der Capitalanſamm-
lung und als Weg zu großen Gewinnſten ſehr paſſend, haben die-
ſelben aber für den Staat keinen andern Vortheil, als daß er
leichter Anleihen zuſammenbringen kann, während er dagegen die
freie Verfügung über Capital und Zinſen aufgibt und leicht dabei
verlieren kann, wenn die Wirklichkeit der Berechnung nicht ent-
ſpricht. Dieſen und den anderen Unbequemlichkeiten und Nach-
theilen ſind 6) die Renten nicht ausgeſetzt, welche jetzt am allge-
meinſten üblich ſind. Der Staat verſpricht nämlich denjenigen,
welche ihm Geld leihen wollen, eine jährliche Rente und beurkun-
det dies Verſprechen mit einem auf die Capitalſumme von 100
(Nominalwerth) geſtellten Papiere, oder er frägt, wie viel er
für eine Zahlung von 100 Capital an Rente und Nominalwerth
verſchreiben müſſe. Er bietet dieſe Papiere, welche ihren Beſitzern
jedenfalls dieſes Capital ſichern, aus und die Capitaliſten geben
ihm für ein jedes entweder gerade jene 100 oder weniger oder
mehr (Realwerth), überhaupt nur ſo viel, als ſie im Privat-
verkehre Geld ausleihen müßten, um die verſprochene Rente als
Zins zu bekommen. Iſt die Tilgung dieſer Anleihen vertragsmäßig
vorausbeſtimmt oder ſind ſie vom Staate einſeitig aufkündbar, ſo
heißt man ſie geradezu Renten mit Angabe des Prozents. Hat
aber auch der Staat auf die Aufkündigung verzichtet, und ſich
nur vorbehalten, nach ſeinem Belieben und Vermögen dieſe Obli-
gationen aus dem Verkehre einzeln frei aufzukaufen, ſo heißen ſie
immerwährende Rente (franz. Rentes perpétuelles, engl.
Perpetual Annuities). Der Staat hat dabei alle Freiheiten in
Betreff der Verzinſung und Tilgung, aber er kann verlieren, wenn
die Obligationen im Curſe höher geſtiegen ſind, als der Realwerth
beträgt, welchen er von Capitaliſten dafür empfangen hat. Allein
ſtieg der Preis, weil der allgemeine Zinsfuß gefallen iſt, alſo für
eine Rente auch ein größeres Capital bezahlt werden kann, ſo ſteht
ihm auch das Mittel der Zinsreduction zu Gebote3).
¹⁾ Geſchichtliche Belege ſ. in Meinen Verſuchen. S. 551 folg.
²⁾ Berechnungen bei: Müller Arithmetik und Algebra. S. 543. Tetens,
Einl. zur Berechnung der Leibrenten. Leipzig 1785–1786. II Thle. Auch oben
§. 460. N. 3.
³⁾ Ueber die Vor- und Nachtheile dieſer Anleihen iſt man gerade jetzt in großem
Streite begriffen. S. Nebenius I. S. 360. Meine Verſuche. S. 292 folg.
[757/0779]
Zweites Stück.
Negoziation und Formen der Staatsanleihen.
§. 504.
Wenn der Staat ein Anleihen contrahiren will, ſo kommt das
Meiſte auf die Unterhandlung dabei an. Was 1) die Arten der
Unterhandlung betrifft, ſo verdient die Methode der Subſcription,
wobei Liſten zu letzterem Zwecke aufgelegt werden, in die ſich die
einzelnen Capitaliſten ſammt ihren Miſen einzeichnen, keineswegs
von jener der Negoziation oder Adjudication, wobei der Re-
girungsbevollmächtigte mit einigen ſich dazu meldenden Bankern,
die ihre Anerbietung entweder verſchloſſen oder offen machen, un-
terhandelt und dem Meiſtbietenden den Zuſchlag gibt (das Anlei-
hen adjudicirt), den Vorzug. Denn das letztere Verfahren iſt
für den Staat müheloſer, ſicherer und ſchneller. 2) Die Bedin-
gungen und Garantien für Staatsanleihen betreffend, ſo be-
ziehen ſich Erſtere hauptſächlich auf die Termine der Lieferung von
Seiten des Bankers, auf den Adjudicationscurs (Uebernahmspreis
oder Realwerth), auf die Geldart, worin das Anleihen geliefert,
verzinst und getilgt werden ſoll, die Art des Anleihens, ſeine in-
nere Einrichtung, die Art und Termine der Verzinſung und Til-
gung; beſondere Garantien anderer Staaten ſind nur in ſeltenen
Fällen nöthig und räthlich, der Hypotheken aber bedarf es nicht,
weil die Staaten zur Verzinſung und Tilgung gewiſſe Staatsein-
künfte oder die Ueberſchüſſe der Einnahmen über die Ausgaben an-
weiſen und ein befriedigender Blick auf die Finanzverwaltung mehr
Sicherheit darbietet, da in den meiſten Staaten die Schul-
den mehr betragen, als ſie zur Hypotheke anzubieten vermöchten.
In Bezug auf 3) die beim Anleihen zuzulaſſenden Perſonen
hat man ebenfalls einem Ausſchließungsſyſteme folgen und die
Ausländer davon abhalten zu müſſen geglaubt. Allein die Sache
finanziell betrachtet, ſo möchte die möglichſt freie Concurrenz dem
Staate am leichteſten billige Bedingungen ſichern, während, wenn
man ſie nationalöconomiſch, d. h. aus dem Geſichtspunkte des
Geldumlaufs nimmt, an ſich klar iſt, daß der Staat überhaupt
gar kein Hinderniß der freien Concurrenz in den Weg legen kann,
weil der Negoziant aus allen Capitalmärkten her das Geld bezieht,
und daß es immer beſſer iſt, wenn der Staat durch Anleihen der
einheimiſchen Induſtrie ſo wenig als möglich Hände und Capitalien
entzieht1). 4) Die Zeit für die Negoziirung eines Staatsanlei-
hens iſt ſehr wichtig. Denn je mehr durch beſondere Ereigniſſe
[758/0780]
Capitalien vorräthig oder diſponibel geworden ſind und je mehr
ſich der Wechſelcurs gegen das Ausland zu Gunſten des Staats
geſtellt hat, um ſo vortheilhafter werden die Bedingungen und das
Anleihen ſelbſt ſein2). 5) Endlich iſt der Zweck des Anleihens,
nämlich ob ſeine Verwendung wirthſchaftlich productiv oder unpro-
ductiv iſt, für deſſen Negoziation von hoher Bedeutung. Denn der
Kredit des Staats wird hiernach wirklich oder blos in der Meinung
der Capitaliſten ſteigen oder ſinken, nach dieſem aber richten ſich
die Bedingungen, unter denen der Staat ſein Anleihen auszu-
geben vermag.
Wird nun ein Staatsanleihen contrahirt, ſo ſtellt der Staat
ſeinem Negozianten die Hauptſchuldverſchreibung oder Ge-
neralobligation aus. Dieſer zieht dann von ſeinen verbündeten
Capitaliſten, die Antheil am Anleihen nehmen, die Darleihen ein.
Zu dieſem Behufe werden in England, Frankreich und andern
Ländern Papiere (Certificate) ausgegeben, worauf man die
Termine der Einzahlung, die ſtreng feſtzuhalten ſind, aufgezeichnet
hat; ſie heißen, ſo lange das Anleihen nicht geſchloſſen iſt, Scrip;
da aber zuweilen für ein Hundert, welche der Capitaliſt zahlt,
verſchiedene Renten und Capitalien verſchrieben und verſchiedene
Papiere ausgegeben werden, ſo ſtellt man ſie zum Behufe der
Veräußerung doch ſämmtlich zuſammen und ein ſolcher Geſammt-
betrag heißt Omnium; curſirt und hat, wenn das Anleihen geſucht
iſt, einen Curs über Pari (§. 349.); das Prozent, um welches er
über Pari ſteht, heißt Bonus. In Deutſchland werden für die in
der Generalobligation ausgeſprochene Summe Partialobliga-
tionen von verſchiedenem Werthe ausgegeben. Dieſe werden aus
verſchiedenen Gründen in Reihen (Serien) nach Buchſtaben,
und dieſe wieder in Nummern abgetheilt. Die Obligationen lau-
ten entweder auf den Inhaber (au porteur), d. h. ſie enthalten
nicht den Namen eines beſtimmten Gläubigers, oder ſie enthalten
den Letztern. Im letzten Falle heißen ſie Inſcriptionen, weil
ſie und jede Beſitzveränderung in ein großes Buch eingeſchrieben
werden. Letztere Methode iſt in Deutſchland nicht üblich.
¹⁾ Nebenius I. 403 iſt der andern Anſicht. S. dagegen Meine Verſuche.
S. 306 folg.
²⁾ Gegen die Anſicht von Nebenius I. 395. 408. über die Wirkung des
Wechſelcurſes ſ. m. Meine Verſuche. S. 317 folg.
[759/0781]
Drittes Stück.
Verzinſung und Tilgung der Staatsſchulden.
§. 505.
1) Verzinſung.
Die Verzinſung der Staatsſchuld iſt eine heilige Pflicht des
Staats, nicht blos, weil er ſie vertragsmäßig verſprochen hat,
ſondern weil er auch ſelbſt den Schutz des Rechts und Volkswohl-
ſtandes als Staat, ſo weit er in ſeiner Gewalt ſteht, zu gewähren
verpflichtet iſt. Der Staat muß den Zins ſeiner Schulden mit
voller Sicherheit, in ſeiner verſprochenen Größe und Geldſorte
ohne öffentliche und geheime Schmälerung, zur bedungenen Zeit
und am beſtimmten Orte den ſich meldenden und zu ſeinem Bezuge
berechtigten Gläubigern ausbezahlen. Zur Erleichterung und Con-
trole der Zinszahlung ſind die Quittungen dafür (Coupons) den
Obligationen ſchon beigegeben, ſo daß ſie der Inhaber nur einzeln
für jeden Zinstermin (franz. fin) an die zahlende Kaſſe abzugeben
braucht. Die Verzinſung geſchieht, wenn ſie nicht zum Capitale
geſchlagen wird, viertel- oder halbjährlich entweder in der Haupt-
ſtadt oder auch in Provinzialſtädten oder gar auf ganz fremden
Börſen. Wenn ſich der Curs der Staatspapiere wegen des Sinkens
vom allgemeinen Zinsfuße ſehr hoch geſtellt hat, oder wenn der
Staat ein Anleihen zu geringerem Zinſe, als das ältere einen
bezahlt, bekommen kann, ſo kann er eine Zinſenreduction vor-
nehmen, d. h. den älteren Gläubigern geringere Zinſen unter der
Freiſtellung der Wahl anbieten, ob ſie ihr Capital lieber ausbezahlt
haben wollen. Unter dieſen Bedingungen erſcheint ſie durchaus
nicht als eine Ungerechtigkeit, wofür man ſie ſonſt ſchon im Allge-
meinen oder dann erklären wollte, wenn der neu angebotene Zins
unter dem durchſchnittlichen ſtehe1).
¹⁾ Dieſer Anſicht iſt noch Nebenius I. 297. mit vielen Andern. S. dage-
gen Meine Verſuche. S. 325 folg.
§. 506.
2) Tilgung.
Die Pflicht des Staats, die Steuerlaſt der Unterthanen bald
und möglichſt zu vereinigen; die Forderung der Klugheit, daß er
ſich die Verwaltung ſo leicht und einfach mache, als es ohne
reellen Schaden in den Staatszwecken geſchehen kann; und der
Schuldvertrag fordern vom Staate die Tilgung ſeiner Schulden.
Eine theilweiſe oder gänzliche eigenmächtige Vernichtung oder
[760/0782]
Streichung oder Nichtanerkennung früher contrahirter Schulden,
eine Erklärung der theilweiſen oder völligen Zahlunfähigkeit, eine
ſolche Einſtellung der Schuldzahlungen auf immer oder unbeſtimmte
Zeit (d. h. ein theilweiſer oder vollſtändiger Staatsbankbruch)
zerſtört mehr oder weniger ſeinen Kredit und den Volkswohlſtand1).
Er iſt nur durch gehörige Sorge für die Tilgung (Amortiſation)
ſeiner Schulden hiervor zu bewahren. Durch dies neue Renten-
ſyſtem bei Staatsanleihen haben ſich die Regirungen die Tilgung
ſchon ſehr bequem gemacht. Doch hat jeder Staat bei der Schul-
dentilgung folgende Punkte in Erwägung zu ziehen. 1) Die
Quellen zur Schuldentilgung. Sie ſind entweder außerordentliche
oder ordentliche. Jene ſind nicht genügend, wo die Tilgung termin-
weiſe zum Voraus beſtimmt iſt und geſchehen muß. Man mag alſo noch
ſo ſehr überzeugt ſein, daß die Anwendung ordentlicher Tilgmittel
wenig oder gar keine reelle, ſondern nur eingebildete Wirkung habe,
ſo viel muß man eingeſtehen, daß dieſe Anſicht nicht allgemein
praktiſch ausführbar iſt. Die Verwendung jährlicher beſtimmter
Einkünfte des Staats (½-2% der betreffenden Staatsſchuld)
zur Tilgung vermittelſt einer eigenen, beſonders operirenden, Tilg-
oder Amortiſationskaſſe iſt das Weſentliche der Tilgplane,
welche auf den Geſetzen der Zinszinſen beruhen und wonach die
Zeit beſtimmt werden kann, innerhalb welcher eine Schuld getilgt
ſein muß, ebenſo wie die Größe des Tilgfonds, um bei gegebenem
Zinsfuße die Schuld in beſtimmter Zeit tilgen zu können2). Iſt
die Schuld auf einen beſtimmten Tilgfonds geſetzt, ſo heißt ſie
fundirt (franz. Dette fondée, engl. Funded Debt); iſt ſie es
nicht, ſo heißt ſie ſchwebend (franz. Dette flottante, engl.
Floating Debt). 2) Die Größe des Tilgfonds. Je größer der-
ſelbe iſt, deſto ſchneller geht die Tilgung unter übrigens gleichen
Umſtänden von Statten. Allein der Volkswohlſtand verträgt nicht
wohl eine ſo große Laſt, als ein Tilgfonds, z. B. von 2% für die
Schulden der meiſten europäiſchen Staaten nöthig machte. 3) Die
Zeit der Tilgung. Sie ſteht mit der Größe des Tilgfonds und
bei gleichem Tilgfonds mit der Größe des Zinſes der Schuld in
umgekehrtem Verhältniſſe. Blos die Friedenszeit iſt zu einer
wirkſamen Schuldentilgung günſtig3). 4) Die Mittel der Schul-
dentilgung. Sie muß in demſelben Umlaufsmittel geſchehen, worin
die Schuld contrahirt und die Tilgung verſprochen iſt, ohne offen-
bare oder geheime Schmälerung, — dies verlangt das Recht, die
Staatsklugheit und namentlich der Staatskredit4). Endlich 5) die
Arten der Schuldentilgung. Die ſchwebende Schuld, z. B.
Gutſcheine, Bons, Bills, Schatzkammerſcheine, wird zur beſtimmten
[761/0783]
Zeit baar bezahlt und eingezogen, oder in fundirte Schuld ver-
wandelt, oder zum Theile ſo, zum Theile ſo behandelt. Die Pa-
piergeldſchuld wird am beſten nur auf die erſte Methode getilgt.
Iſt das Papiergeld aber bedeutend im Curſe geſunken, ſo kann der
Staat daſſelbe, da die Entſchädigung Aller, welche daran verloren
haben, unmöglich iſt, außer auf die bereits (§. 443. N. 4.) ge-
nannten zwei andern Methoden auch noch hinwegſchaffen, indem er
es gegen verzinsliche Staatsobligationen einlöst, bis ſich der Curs
des Reſtes wieder gehoben hat, — eine Methode, wodurch ſich
aber der Staat eine enorme Schulden- und Zinslaſt aufladet5).
Die fundirte Schuld wird getilgt entweder durch freien Aufkauf
der Obligationen auf der Börſe durch Regirungscommiſſaire oder
durch Heimzahlung der Schuldcapitalien nach dem Tilgplane, wie
ſie das Loos bei der deßhalb Statt findenden Ziehung trifft.
¹⁾ Zachariä, Ueber das Staatsſchuldenweſen S. 37, meint dies nicht. S.
dagegen Meine Verſuche S. 496. Man ſ. aber über Staatsſchuldentilgung außer
den im §. 501. angeführten Werken noch die Verhandl. der franzöſ. Kammern von
1833. = Moniteur 1833. No. 145. 146. 155. 158. 163. 167. de Gasparin et
Reboul De l'Amortissement. Paris 1834.
²⁾ Die in den angeführten Verhandlungen und in der genannten Schrift ſo
wie von Andern neuerdings aufgeſtellte Meinung, daß dieſe Tilgplane blos Rechnung
und Chimäre ſeien, weil ſie in Frankreich und England, wie die Geſchichte zeige,
bei weitem nicht geleiſtet haben, was man erwartete und wünſchte, und daß man
deßhalb die neue engliſche Methode, nämlich blos mit etwaigen Ueberſchüſſen der
Einnahmen über die Ausgaben zu tilgen, zum Geſetze machen ſolle, iſt ohne hin-
reichende hiſtoriſche Baſis. Denn, während ſolche Tilgplane in Deutſchland und
Nordamerica recht gute Dienſte thaten, mußten ſie in jenen Ländern, wegen der
weit größeren ordentlichen und außerordentlichen Staatslaſten, die immer wieder
neue Schulden nöthig machten, weit weniger wirken; weit ſchlimmer muß die
Tilgung unter der anempfohlenen Tilgmethode beſtellt ſein, weit langſamer vor-
ſchreiten, von weit mehr Zufälligkeiten abhängen und den Staatskredit weit ärger
blosſtellen. Der ganze Unterſchied zwiſchen beiden Methoden, wenn ſie ohne Fehler
ausgeführt werden, beſteht blos darin, daß der Staat nach der Erſteren jährlich
einen beſtimmten Ueberſchuß über die anderen Staatsausgaben, die Staatsſchuld-
zinſen eingeſchloſſen, macht, während er deſſen Wirklichkeit und Größe nach der
Andern dem Zufalle überläßt. — Ueber zwei verwerfliche Tilgplane ſ. m. Meine
Verſuche S. 343. 345. Auch gehört hierher die Frage über die Vorzüge und Nach-
theile der General- oder Spezialdotirung der Tilgkaſſe, d. h. der Beſtim-
mung eines Tilgfonds für die ganze Staatsſchuld oder verſchiedener Tilgfonds für
die verſchiedenen Arten der Schuld. S. Vieles darüber in obigen Verhandlungen.
³⁾ Ueber die Frage, ob man in Kriegszeiten mit der Tilgung fortfahren ſoll,
während man neue Anleihen contrahiren muß, oder nicht, ſ. m. Nebenius I. 443.
Meine Verſuche. S. 353.
⁴⁾ Gegen die Anſicht von Nebenius I. 387. hierüber ſ. m. Meine Ver-
ſuche. S. 356.
⁵⁾ Nebenius I. 493. nennt dies Verfahren ungerecht, weil die Steuer-
pflichtigen, die ſchon am Papiergelde verloren haben, jetzt erſt noch deßhalb neue
Beiträge zur Staatskaſſe liefern müſſen. S. dagegen Meine Verſuche. S. 363.
[762/0784]
Zweite Abtheilung.
Staats-Hauswirthſchaftslehre.
§. 506. a.
Die Staats-Hauswirthſchaftslehre oder Finanzverwal-
tungslehre (§. 44. §. 473. a.), der eigentlich praktiſche Theil der
Staatswirthſchaftslehre, deſſen Maximen nach den beſonderen
Staatsverhältniſſen wandelbar ſind, lehrt die Leitung des Finanz-
weſens als eines Ganzen, die Zuſammenhaltung aller einzelnen
Zweige der Staatswirthſchaft, das Bereithalten der Staatsein-
künfte zu den Staatszwecken und die Verwendung derſelben, inſo-
weit ſie die Finanzwirthſchaft angeht (§. 386. a.).
Erſtes Hauptſtück.
Von der Beſtellung der Staatshaus-
wirthſchaft.
§. 507.
Die Finanzverwaltung iſt das tiefſte Lebenselement der ganzen
Staatsverwaltung. Ihre innere Perſonalorganiſation iſt zwar in
den einzelnen Staaten verſchieden, aber im Ganzen doch folgende.
An der Spitze derſelben ſteht:
1) Das Finanzminiſterium, oberſte Central- oder Ge-
neral-Centralbehörde. Daſſelbe erſcheint daher in zwei Be-
ziehungen, nämlich da es außer der poſitiven Leitung ſeines eigenen
Verwaltungsreſſorts noch eine negative Wirkſamkeit auf die Ge-
ſchäftskreiſe aller anderen Miniſterien inſoweit ausübt, als dieſe
wegen der materiellen Mittel für ihre Zwecke auf das Finanz-
miniſterium zurückkommen müſſen, das, wenn es dieſelben geſtattet,
in allen Einrichtungen eine Controle ausübt. Daher kommt es,
daß das Finanzminiſterium die größte Verantwortlichkeit unter
ſämmtlichen Miniſterien trägt und die meiſten ſpeziellen Geſchäfte
zu beſorgen hat. Denn es hat neben der oberſten geſetzgebenden
und vollziehenden Leitung des Domänen-, Regalien-, Steuer-
und Staatsſchuldenweſens, kurz aller Quellen des Staatseinkom-
mens, und der ganzen Staatshauswirthſchaft (deren Gegenſtände
in den folgenden Hauptſtücken näher bezeichnet werden ſollen),
[763/0785]
auch noch die Controle über die Geſetzmäßigkeit der Verwendung
in allen Zweigen der Staatsverwaltung. Unter demſelben ſtehen:
2) Die Spezial-Centralbehörden, d. h. die Behörden
für einzelne Hauptzweige der Finanzverwaltung, nämlich für die
Bergwerke, Domänen, Forſte, einzelne Regalien, z. B. Münz-
und Poſtenweſen, für die Steuerverwaltung, für die Staatsſchuld.
Sie ſind in den verſchiedenen Staaten verſchieden co- und ſub-
ordinirt und haben verſchiedene Geſchäftskreiſe. Jedenfalls aber
erſcheinen ſie wieder als Centralbehörden für
3) Die Unterbehörden eines jeden dieſer beſondern Fächer,
welche entweder reine Finanzbehörden in Einem dieſer genannten
Felder oder gemiſchte ſind, welche zugleich unter andern Mini-
ſterien ſtehen1).
¹⁾ Rehberg, Ueber die Staatsverfaſſung teutſcher Länder. Hannover 1807.
v. Malchus, Der Organismus der Behörden für die Staatsverwaltung. Heidelb.
1821. 1 Bd. Text und 1 Band Tabellen. Oder ſein ſpäteres größeres, auch aus-
gezeichnetes Werk: Politik der inneren Staatsverwaltung. Heidelb. 1823. III Bde.
Deſſelben Finanzw. II. §. 1–4. 30–32. Fulda Finanzw. §, 271–277.
v. Jacob St. Finanzw. §. 965. 1272. — Eine beſondere Unterſuchung bedarf es,
ob eine ſolche Spezialiſirung der Behörden den Vorzug vor der Centrali-
ſirung verdiene oder nicht, und ob in den Behörden ſelbſt nach dem einen oder
andern Syſteme eine collegialiſche oder eine Büreauverfaſſung vorzuziehen
ſei. — Man warf dem Spezialiſationsſyſteme die ſchädliche Unabhängigkeit
der Spezialcentralbehörden von der Generalcentralbehörde, die ſchädliche Abhängigkeit
der Unterämter von jenen Erſteren, und zu große Einförmigkeit in den Verwal-
tungsgeſchäften vor, weil ſie ſich ganz nach den Anſichten und Befehlen der Central-
behörden richten müßten. Allein ein näherer Blick in die Wirklichkeit zeigt zum
Theile die Unrichtigkeit der Behauptung, daß die oberen Behörden von der oberſten
unabhängig und daß die unteren von den oberen zu abhängig ſeien, und zum Theile
die Nothwendigkeit einer beziehungsweiſen Abhängigkeit und Freiheit derſelben, ſo
wie einer einzigen die ganze Verwaltung der Finanzen durchdringenden und zuſam-
menhaltenden Seele und Idee. Was aber das Collegial- und Büreauſyſtem
anbelangt, ſo kann im Allgemeinen geradezu weder für noch gegen das Eine oder
Andere geſprochen werden. Denn die Schattenſeite des Erſteren zeigt Getheilt-
heit des Willens und der Meinungen, Mangel an Energie und wirklicher Verant-
wortlichkeit, großen Aufwand, Berathung unnützer und unwichtiger Dinge mit
Hintanſetzung anderer, Ermüdung der Aufmerkſamkeit durch Relationen, Ungründ-
lichkeit der Erörterungen, Mangel an Einheit der Anordnungen, ſchleppender Ge-
ſchäftsgang, Schlendrian und Pedanterie, während ſeine Lichtſeite Gelegenheit
zu vielſeitiger Erörterung, Strenge der Controle der einzelnen Arbeiter, Beſchrän-
kung ihrer Willkühr, Garantie und Integrität ihrer Handlungen, Concentrirung
der Geſchäfte, Verminderung von Mißgriffen, Widerſprüchen und Colliſionen vor-
weist. Die Lichtſeite des Andern läßt dagegen Einheit der Maaßregeln, Energie
und Conſequenz in ihrer Durchführung, nähere Verbindung der einzelnen Verwal-
tungsbeamten, directe Einwirkung derſelben auf die Geſchäfte und reelle Verant-
wortlichkeit der Vorſtände oder Chefs der Büreaux hervorleuchten, wogegen aber
ſeine Schattenſeite leichte Möglichkeit der oberflächlichen Geſchäftsbehandlung,
leichtes Einfließen von Mißgriffen und falſchen Anſichten, Schwierigkeit ihrer Ent-
deckung, allzu große Abhängigkeit des Geſchäftserfolges von der Perſönlichkeit des
Chefs und Willkühr des Letztern mit ihren vielen Nachtheilen hervorhebt. v. Mal-
chus Politik. I. 7–11. Deſſelben Organismus. S. 6. Rehberg S. 3. 51 folg.
[764/0786]
Zweites Hauptſtück.
Von der Erhaltung des Staatsvermögens.
§. 508.
I. Veräußerlichkeit der Staatsdomänen.
Zu dem Staatsvermögen gehören hauptſächlich nicht blos die
Bergwerke, Domänen und Forſte des Staats, ſondern auch die
verſchiedenen mit denſelben verbundenen Gerechtſame gutsherrlicher
Natur und die Finanzregalien. In der Staatshauswirthſchafts-
lehre iſt daher die Frage über Veräußerung oder Nichtveräußerung
dieſer Vermögenstheile abzuhandeln, denn ihre Löſung hängt von
beſondern Landes- und Staatsverhältniſſen ab.
Ueber die Veräußerung der Staatsdomänen herrſchen
zwei Hauptanſichten. Für die Veräußerung derſelben führt man
an: daß ihre Verwaltung koſtbar ſei, daß der Ertrag bei der Ver-
pachtung derſelben nicht ſo groß ſei, als wenn ſie von Eigenthü-
mern bewirthſchaftet würden; daß kleine Landgüter immer volks-
wirthſchaftlich mehr Vortheile als große gewährten (§. 431. N. 1.)
und eine Zerſchlagung hauptſächlich nur bei einer Veräußerung
zu Eigenthum den rechten Erfolg habe; daß alſo die Nation nicht
blos den ſonſtigen Mehrertrag, ſondern auch noch den jetzigen We-
nigerertrag verliere; daß folglich durch die Beibehaltung die Ent-
wickelung der Volkswirthſchaft und des Volkswohlſtandes gehemmt
werde, folglich die Productenpreiſe nicht auf die ſonſtige Tiefe
ſinken könnten; daß der Staat als Landwirth ein gefährlicher Con-
current der Bürger ſei, und folglich leicht ſein Intereſſe dem der
Nation voranſetzen könnte; daß die Domänen im Beſitze des Staats
keineswegs die Bürgerlaſten erleichtern, weil dieſe beſtimmt um
das Defizit in der Production für die Staatskaſſe wüchſen; und
endlich, daß man den Erlös aus dem Domänenverkaufe zu verſchie-
denen Staatsverbeſſerungen, z. B. Schuldentilgung, Ablöſung von
Grundlaſten, Fundirung landwirthſchaftlicher Kreditanſtalten nütz-
licher anwenden könne. Gegen die Veräußerungen führt man
aber an: daß der Domänenbeſitz die Abgaben verringere, die Re-
girung vom Volke unabhängiger mache, mehr Anhänglichkeit an
dieſelbe erwecke, ein ſicheres Einkommen gewähre, als Hypotheke
dienen könne, den übeln Eindruck der Steuererhebung verhüte, die
Staatsrechnungen einfacher und klarer mache, eine Verpachtung
in kleinen Parthien zu Erbe zulaſſe, welche ſo gut wie als Pri-
vateigenthum erſcheine, und alle Vortheile der zerſchlagenden Ver-
äußerung gewähre; daß die angeführten Beſorgniſſe nur von einer
[765/0787]
Regirung zu machen ſeien, die überhaupt die Volkswohlfahrt nicht
vor Augen habe; daß man wohl zwiſchen Staatsdomänen und Land-
gütern des Landesfürſten unterſcheiden müſſe, daß der Gewinn des
Pachters das ſteuerbare Einkommen vermehre, daß der Erlös aus
dem Verkaufe ſchnell verſchwinde und deſſen nutzbare Anwendung
ſehr precär ſei; daß man Domänen zu Muſterhöfen haben müſſe;
daß Domänen dort, wo eine Zerſtückelung des Grundbeſitzes nach-
theilig werden könnte, ein Vorbeugungsmittel ſeien; daß das Ein-
kommen aus denſelben mit der Preiserhöhung der Bodenerzeugniſſe
ſteigen könne. Allein es läßt ſich gegen beide Anſichten im Einzel-
nen wieder ſo viel entgegnen, daß ſich am Ende als Reſultat die
allgemeine Unlösbarkeit dieſer Fragen ergibt, und daß man zum
Behufe ihrer Entſcheidung in einem beſtimmten Lande die Ver-
hältniſſe des Volkswohlſtandes, der Induſtrie, der Bevölkerung,
der Fortſchritte des Volkes in beiden, das Verhältniß der Bevöl-
kerung und des Domänenbeſitzes zum ganzen urbaren und nicht ur-
baren Flächeninhalte des Landes, und deſſen Beſchaffenheit berück-
ſichtigen muß, denn davon hängt die Nachfrage nach Ländereien,
der Stand ihrer Preiſe, die erforderliche Größe der Landgüter,
und die Art der Bodenbenutzung ab1).
Was die verſchiedenen Gefälle und andern gutsherrlichen
Gerechtſame anbelangt, ſo iſt es Pflicht des Staats, durch Er-
klärung ihrer Ablösbarkeit mit gutem Beiſpiele voran zu gehen,
und dieſelbe beim Domänenverkaufe zur Bedingung zu machen.
¹⁾ S. über die ganze Frage die oben (§. 478. N. 1.) angeführten Schriften.
Iſt aber die Veräußerung beſchloſſen, ſo ſind Beſchreibungen und Anſchläge derſel-
ben zu fertigen; die Veräußerung geſchieht auf dem Wege der Lizitation; blos auf
gehörige Legitimation und Caution darf man als Steigerer zugelaſſen werden. Der
Staat behält ſich bis zu gänzlicher Abtragung des Kaufſchillings das Eigenthumsrecht
vor, auch kann deſſen Abtragung in Zeitrenten erlaubt werden. Münch Ueb. Do-
mänen-Verkauf. Darmſtadt 1823. Rau III. §. 100. 101.
§. 509.
II. Veräußerlichkeit der Staatswaldungen.
Auch über die Veräußerung der Staatswaldungen herr-
ſchen zwei verſchiedene Anſichten1). Gegen dieſelbe führt man
den abſoluten Werth des Holzes, die Nothwendigkeit einer natio-
nalöconomiſchen nachhaltigen Waldwirthſchaft, die möglichſte Ent-
fernung zu hoher Holzpreiſe, die Verhütung von Holzwucher, als
polizeiliche Zwecke an, welche nicht erreichbar werden könnten,
wenn die Wälder und die Waldwirthſchaft nicht im Beſitze des
Staats ſeien; außerdem aber legt man ein beſonderes Gewicht auf
die Vortheile, welche die Staatskaſſe aus der mit der Bevölkerung
[766/0788]
ſteigenden Einnahme aus der Forſtwirthſchaft ohne Mühe und grö-
ßere Aufopferung beziehe, ſo wie auch darauf, daß der Staat aus
der Veräußerung nicht einmal erheblichen Nutzen beziehen werde,
da für große Waldflächen die Concurrenz der Käufer gering und
bei kleinen Parzellen ein nachhaltiger Betrieb nicht gut möglich
ſei. Die Anſicht für die Veräußerung derſelben läugnet geradezu
die ſo eben angeführten Behauptungen, ſo wie auch den Satz, daß
der Staat für das Holzbedürfniß der Nation Sorge tragen müſſe,
und behauptet dagegen, der Reinertrag der Waldungen müſſe nach
ihrer Veräußerung größer ſein, das in den Staatswaldungen
ſteckende fixe Capital müſſe nach derſelben beſſer angewendet wer-
den können, der Vortheil der Privateigenthümer erfordere es ſchon,
daß ſie ſich die nöthigen Forſtkenntniſſe erwerben, und einen nach-
haltigen Betrieb einführen, der Staat habe blos die Oberaufſicht auf
dieſes Gewerbe, aber nicht die Pflicht, der Nation das Holz zu
liefern, er enthebe ſich durch die Veräußerung der Waldungen vie-
ler Verwaltungsmühe und Auslagen, und vereinfache ſeine ganze
Verwaltung. Allein eine genaue nationalöconomiſche und polizei-
liche Unterſuchung (§. 433. 467. 479.) ſtellt die Wichtigkeit der
für die Beihaltung der Staatswaldungen als Staatseigenthum
angeführten erſten Gründe außer allen Zweifel; dagegen aber er-
gibt ſich aus ihr auch als Reſultat, daß nicht blos der Staat,
ſondern namentlich auch Gemeinden für die Waldwirthſchaft taug-
liche Perſonen ſind, und folglich aus jenen Gründen an ſich allein
die Unveräußerlichkeit der Staatswaldungen noch keineswegs2),
ſondern blos folgt, daß dieſelbe nicht in Privathände kommen ſoll-
ten. Erſtere Folgerung wird aber ſtets dadurch gerechtfertigt wer-
den können, daß ſelten die Gemeinden-, Stiftungen und dgl. zu
Waldkäufen das erforderliche Capital vorräthig haben, und der
Staat auch nach der Veräußerung ein Forſtperſonale zur Oberauf-
ſicht über die Privat-, Gemeinde- und Stiftungswaldungen und
deren Bewirthſchaftung halten muß, wenn nicht ſelbſt hier polizei-
liche Gefahr befürchtet werden ſoll3). Erſcheint nun deßhalb die
Veräußerung der Staatswaldungen im Allgemeinen keineswegs als
wünſchenswerth, ſo kann dennoch in der Wiſſenſchaft darüber nicht
entſchieden werden, ſondern es iſt in jedem beſondern Lande, wo
die vorſtehende Frage aufgeworfen wird, in Erwägung zu ziehen:
die Größe des vorhandenen unbedingten Waldbodens, ihr Verhält-
niß zum Bedarfe des Volkes bei nachhaltiger Bewirthſchaftung,
die Reſultate der Vergleichung der früheren und jetzigen Durch-
ſchnittspreiſe des Brenn-, Bau- und Werkholzes, (denn nach dem
Preiſe kann man auf das Holzbedürfniß ſchließen), die bisherige
[767/0789]
und jetzige Vertheilung der ganzen Waldfläche des Landes unter
den Staat, die Gemeinden, Stiftungen, Corporationen und Pri-
vaten, die übliche Bewirthſchaftung der Wälder durch die vier
Letzteren, die daher rührenden Zuſtände der Waldungen derſelben,
und der von ihnen beibehaltene Holzpreis. Das Reſultat genauer
Unterſuchungen und Vergleichungen in Betreff dieſer Punkte muß
nothwendig für oder wider die Veräußerung ſprechen4).
Was die Waldgerechtſame und dergleichen betrifft, ſo gilt hier
dasſelbige, was die Volkswirthſchaftslehre in Betreff ihrer Regu-
lirung und Ablöſung fordert, als Regel. Auch hier ſoll der Staat
ein gutes Beiſpiel geben.
¹⁾ S. die oben (§. 479.) angegebene Literatur. Außerdem aber noch Hazzi
Aechte Anſichten der Waldungen. München 1805. III. Vergl. mit Grünberger
Anſichten von dem Forſtweſen ....., mit Bemerkungen über die ächten An-
ſichten. München 1806. Schenk Bedürfniſſe der Volkswirthſch. II. §. 182. 183.
Hundeshagen Encyclopädie der Forſtw. III. (Forſtpolizei) §. 16–40. Bülau
der Staat und die Induſtrie. S. 82.
²⁾ Es iſt daher ganz wunderlich, daß Lotz (Handb. III. 111.) die Anſicht äu-
ßert, aus denſelben Gründen, warum man die Nothwendigkeit der Staatsforſtwirth-
ſchaft erweiſen zu können glaube, ergebe ſich auch die Nothwendigkeit, daß der Staat
ausſchließlich Ackerbau treibe. Man kann von dieſer Anſicht nicht einmal ſagen, daß
ſie eine theoretiſche ſei.
³⁾ v. Malchus I. S. 71. muß daher Unrecht haben, wenn er die müheloſe
Vergrößerung des Staatseinkommen durch die Forſte zu Folge der ſteigenden Be-
völkerung als leitende Maxime bei der Frage über die Beibehaltung derſelben im
Staatseigenthume anführt. Der Staat könnte damit gerade bewirken und rechtfer-
tigen wollen, was er in der Privatforſtwiſſenſchaft für verwerflich erachtet.
⁴⁾ Das Verfahren bei der Veräußerung unterliegt im Allgemeinen denſelben
Regeln, wie bei der Domänenveräußerung.
§. 510.
III. Entäußerlichkeit der Finanzregalien.
Die eigentlichen Finanzregalien, nämlich Regalien, welche nicht
kraft des Oberaufſichtsrechtes ſich in den Händen des Staats be-
finden, oder als wirkliche weſentliche Staatshoheiten zu betrachten
ſind, verdanken ihre Entſtehung entweder einem ſogenannten Ober-
eigenthumsrechte, oder grundherrlichen Verhältniſſen, oder ſie ſind
Gewerbsbetriebe, welche, obgleich als für den Volkswohlſtand ſehr
wichtig erkannt, indeſſen von dem Volke aus Mangel an Capital
u. dgl. nicht ergriffen, und deßhalb, oder ſolche, welche blos des
finanziellen Gewinns wegen vom Staate angeeignet wurden. Als
ein Ausfluß des Kriegshoheitsrechtes wurde ſeit der Erfindung des
Schießpulvers das Salpeterregal betrachtet. Ein Finanzregal iſt
das Münzweſen nie mit Recht geweſen, und auch jetzt nicht mehr
als ſolches anerkannt. Finanzregalien zufolge eines gewiſſen Ober-
eigenthumsrechtes ſind das Bergwerks-, das Jagd-, Fiſcherei und
[768/0790]
Salzregal. Die zwei mittleren ſind aber auch als Ausflüſſe der
Gutsherrlichkeit zu betrachten, ſowie das früher behauptete, aber
jetzt entſchieden verworfene Forſtregal. Als Regalien aus Ver-
kehrs- und Wohlſtandsrückſichten ſind das Poſt- und das Lotterie-
regal angeführt worden. Aus rein finanziellen Gründen wurden
die Monopolien mit Taback, Salz, Schießpulver, Branntwein und
dgl. regaliſirt, obſchon man ſie auch ſchon aus andern Rückſichten
z. B. der öffentlichen und allgemeinen Sicherheit, der Bedürfniß-
befriedigung u. dgl. vertheidigt hat. Mit dem Hinwegfallen der
Gründe der Regalität muß dieſe ſelbſt ein Ende nehmen. 1) Das
Münzregal wird daher immer als ein unveräußerliches anzuſe-
hen ſein. 2) Das Salpeterregal iſt durchaus unnöthig, denn ab-
geſehen davon, daß die Salpeterſiederei ein von Jedermann betreib-
bares Geſchäft iſt, ſo folgt aus der Kriegshoheit ſonſt nichts, als
daß der Staat das Kriegsmaterial herbeiſchaffen muß. Da dies
aber die Finanzverwaltung angeht, ſo tritt ſie mit der Verpflich-
tung auf, jenes ſo wohlfeil als möglich und mit der geringſten
Störung der Volksbetrieb- und Gewerbſamkeit zu thun. Zu dieſem
Zwecke iſt die Regaliſirung der falſche, und nur Freilaſſung des
Gewerbs der rechte Weg1). Daſſelbe gilt von dem mit dieſem in
Verbindung ſtehenden Pulverregal. 3) Das Bergwerksregal
rührt aus den Zeiten her, wo man Gold und Silber ihrem Werthe
nach noch überſchätzte, und deßhalb um ſo mehr durch rechtsge-
lehrte Diſtinktionen dem Staate ein Obereigenthumsrecht über das
unter der Erdoberfläche Befindliche zuſchreiben zu müſſen glaubte,
als es den Einzelnen an Capital zum Betriebe des Bergbaues
fehlte. Weil aber nun der erſte und dieſer letzte Grund gänzlich
verſchwunden iſt, und bei genauer hiſtoriſcher und ſtaatsrechtlicher
Unterſuchung der Begriff eines ſolchen Obereigenthums ganz hin-
wegfällt, zudem aber die Staaten ſelbſt immer mehr einſehen, wie
wenig ſich Gewerbsbetrieb im Allgemeinen für ſie eignet, ſo iſt
nicht mehr daran zu zweifeln, daß man auch dieſes Regal nach
und nach aufgeben, und den Bergbau der Privatinduſtrie unter
Staatsoberaufſicht überlaſſen wird. 4) Das Jagd- und Fiſche-
reiregal ſteht unter demſelben Geſichtspunkte, um ſo mehr, als
es jetzt nichts als die Verjährung für ſich hat. Denn das alte
moſaiſche, römiſche und deutſche Recht iſt weit davon entfernt, ein
ſolches Recht zu geſtatten2). Dem Staate ſteht ſeiner Natur nach
hierbei nichts als das Wildbannrecht zu. 5) Das Salzregal iſt,
was ſeine Entäußerlichkeit anbelangt, nicht wohl vom Salzmo-
nopole getrennt zu betrachten. Denn der wichtigſte Grund, den
man jetzt für ſeine Erhaltung geltend macht, iſt das Monopol,
[769/0791]
welches nicht ohne das Regal beſtehen könne, und die Vortheile
allein habe, daß der Staat im ganzen Lande einen gleichförmigen
Salzpreis erhalten und die Salzſteuer erheben könne. Kraft des
Obereigenthums kann dies Regal nur Beſtand haben, inſoferne
dieſer unrichtige Rechtsbegriff ein poſitives Geſetz iſt, es zerfällt
mit ihm. Die Salzbereitung als Gewerbszweig bedarf, um be-
trieben zu werden, des Staatsbetriebs und der Regaliſirung nicht,
ebenſo wenig der Salzhandel einer Monopoliſirung. Ueber das
fernere Beſtehen des Salzregals und Monopols entſcheidet daher
die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Erhaltung eines gleichför-
migen Salzpreiſes und der Erhebung einer guten oder beſſern Er-
ſatzeinnahme für die Salzſteuer. Auch dies bleibt der Zeit und
den Fortſchritten in der Finanzverwaltung anheimgeſtellt; denn
ſo iſt die Frage rein praktiſch. 6) Das Lotterieregal beruht
auf dem ſeinen Vorderſätzen widerſprechenden Schluſſe, daß, weil die
Lotterie dem Volke ſchädlich ſei, der Staat ſie allein halten dürfe.
Seine Aufhebung und das Verbot der Glückſpiele um Geld iſt da-
her gleiche Forderung des wirthſchaftlichen wie des ſittlichen Wohles
einer Nation. Daran iſt bereits kein Zweifel mehr. 7) Ueber die
Entäußerung des Poſtregals hat in mehreren Staaten die öffent-
liche Meinung und Staatsklugheit ſchon zum Theile entſchieden.
Blos die Briefpoſt wird noch als Regal für unabweislich erklärt.
Allein die Gründe für und wider ihre Verpachtung, ſo wie die
Löſung der Frage, ob das reine Einkommen aus demſelben durch
eine beſſere Einnahme erſetzt werden könne oder nicht, müſſen auch
hier entſcheiden. 8) Das Tabackmonopol ſcheint, mit Ausnahme
des weiter nicht mehr zu erwähnenden Branntweinmonopols, offen-
bar am wenigſten für ſich zu haben. Denn es hat alle Einwürfe
gegen das Monopolweſen im höchſten Grade gegen ſich, indem es
hemmend in ein Urgewerbe, Kunſtgewerbe und in den Handel zu-
gleich einſchreitet3).
¹⁾ Eine intereſſante Discuſſion darüber findet ſich in der franzöſ. Deput. Kam-
mer von 1829. Moniteur 1829. No. 183. Hier davon nur folgendes aus The-
nard's Angaben. Frankreich conſumirte a. 1800–1814 = 12,212,000 Kilogr.
Pulver (etwa 24,424,000 Pfd. preuß.), alſo damals im Durchſchnitte jährlich =
814,133 Kilogr. ohne den Verbrauch der Marine, mit dieſer aber 1,114,133 Kilogr.
(2,224,266 Pfd.) Für 14 Jahre wird alſo wohl rund gerechnet ein Verbrauch von
15,400,000 Kilogr. (30,800,000 Pfd.) nicht zu wenig angenommen ſein. Man
fand aber a. 1829. in den Magazinen einen Pulvervorrath von 10,000,000 Kilogr.,
und einen Vorrath von Salpeter = 11,000,000 Kilogr. Paris allein liefert 650,000
Kilogr, (1,350,000 Pfd.) Salpeter. Der vorhergehend 5jährige Preis des indiſchen
Salpeters in Bourdeaux und Havre war 70 frs. p. Quintal metrique. Setzt man
90 frs. und wegen des Geldcurſes ſogar 94 frs, ſo koſtet er noch nicht die Hälfte
des franzöſiſchen, der auf 200 frs. zuſtehen kommt.
²⁾ Genesis Kap. 1. V. 26. Kap. 9. V. 2. J. Caesar de Bello gall. lib. IV.
cap. 1. VI. 21. Tacitus De Mor. Germ. cap. 15. 25. Lex salica tit. 36. §. 1.
Baumſtark Encyclopädie. 49
[770/0792]
²⁾ L. Ripuar. tit. 42. L. Visigoth. lib VIII. tit. 4. §. 22. Sachſenſpiegel II. 61.
Schwabenſpiegel Kap. 237. Lib. feudor. II. 56. Riccius Jagdrecht. §. 15. 17.
Runde Priv. Recht. §. 151. Mittermaier d. Priv. R. §. 270.
³⁾ Daß in Frankreich 20 Jahre hindurch bei freiem Tabackbaue doch nicht mehr
Boden als vorher für ihn verwendet wurde, wie v. Malchus I. §. 69. für das
Tabacksmonopol anführt, kann auf keinen Fall für daſſelbe ſprechen: ebenſo möchte
ſchwer zu erweiſen ſein, daß, wie derſelbe a. a. O. ebenfalls behauptet, völlige Cul-
turfreiheit des Tabacks, wenn nicht Abſatzgelegenheiten nachgewieſen ſeien, ein ver-
derbliches Geſchenk für den Landwirth, und die Beſteuerung des Tabacks ohne Mo-
nopol nicht thunlich und ſo vortheilhaft ſei, als wie unter dem Monopole. Ueber
dieſe Frage wegen der Regalien ſ. m. auch Bulau der St. u. d. Induſtrie. S. 77.
Drittes Hauptſtück.
Von der Verwaltung der Einkommensquellen
des Staats.
§. 511.
Elementarverwaltung der Domänen, Forſte und Regalien.
Die Verwaltung der verſchiedenen Einkommensquellen im Ein-
zelnen ſelbſt, oder die Elementarverwaltung iſt in den ver-
ſchiedenen Staaten ebenfalls ſehr abweichend eingerichtet.
I. Die Domänenverwaltung iſt verſchieden complicirt, je
nach der Art der Bewirthſchaftung, alſo darnach, ob das Syſtem
der Selbſtadminiſtration oder jenes der Verpachtung und welche
Art der Letzteren eingeführt iſt. Im Allgemeinen gehört, außer
den techniſchen Wirthſchaftsgeſchäften, in ihr Bereich die Verfer-
tigung der Inventarien, und Aufſtellung der Dienſt- und Gefäll-
kataſter, jene der Präſtationsregiſter über die ſtändigen und un-
ſtändigen Gefälle, der Regiſter über die Hand- und Spanndienſte
und Dienſtgelder, der Ertragsanſchläge mit allen Spezialtaxatio-
nen, Protocollen und Rechnungsauszügen, die Fertigung der Pacht-
contracte für Domänen und Gefälle, nämlich Zehnten, und endlich
der Geldgefäll- und Naturalhebregiſter. Die Verrechnung macht
entweder eine jährliche, Trimeſtral- (am Schluſſe jedes Quartals)
oder monatliche Einſendung des Rechnungsſtandes an die Central-
behörde nothwendig1).
II. Die Staatsforſtverwaltung fußt auf dem Prinzipe
der Selbſtadminiſtration und muß alſo in die Einzelheiten der Forſt-
wirthſchaft eindringen. Man unterſcheidet daher auch die innere
Forſtverwaltung (das eigentlich Wirthſchaftliche) und die äußere
(die Forſtdirection, nämlich die F. Hoheit, F. Geſetzgebung, F.
Gerichtsbarkeit, und formelle F. Einrichtung). Die Verwaltungs-
geſchäfte treffen daher zum Theile die techniſchen Behörden (ſtati-
ſtiſche Revierüberſichten, Waldregiſter, Klaſſifications- und Taxa-
[771/0793]
tionsregiſter, allgemeine und periodiſche Nutzungsplane, Aufnahme-
und Fällungsregiſter u. ſ. w.) zum Theile die Finanzbehörden
(Forſtnaturaletat zum Behufe eines Forſthauptgeldetats, mit den
Spezialetats und Nachweiſungen). Die Verrechnung geſchieht
durch die Forſtcaſſirer und Forſtrechner, welchen entweder der Na-
tural- und Geldertrag, oder beſſer jener allein übertragen iſt, in
welchem letzteren Falle der Geldertrag einer andern Kaſſenverwal-
tung zugetheilt wird. Die Förſter führen ihr Materialmanual, wel-
ches von den Oberförſtern controlirt wird, weßhalb dieſe ein eige-
nes Controlbuch über Materialeinnahme und Ausgabe führen.
III. Die Regalienverwaltung iſt in den verſchiedenen
Staaten nach ihren einzelnen Zweigen verſchiedenen Verwaltungs-
behörden zugetheilt. Das Münz-, das Berg-, Hütten- und Salinen-
weſen und die Poſtanſtalt bilden jedoch jedes für ſich öfters eine
beſondere Verwaltung. 1) Die Berg- und Hüttenverwaltung
iſt meiſtens ſo eingerichtet wie die Forſtadminiſtration. Die Ein-
künfte fließen entweder aus dem eignen Bergbaubetriebe, oder aus
Abgaben von Gewerkſchaften und Eigenlehnern. Von jedem ein-
zelnen Bergwerke müſſen Spezialetats- und Natural- und Geld-
rechnungen zur Feſtſtellung der Generaletats und Rechnungen ge-
fertigt werden. Es gibt Quartal- und Jahresrechnungen. 2) Die
Münzverwaltung iſt eigentlich kein Finanzverwaltungszweig,
ſondern die etwaigen Einkünfte ſind für die Staatskaſſe nur mehr
zufällig. 3) Die Poſtverwaltung ſteht unter einer mehr oder
weniger ſelbſtſtändigen, zuweilen dem Miniſterium der auswärtigen
Angelegenheiten zugetheilten Oberbehörde oder Direction, welche
die Poſtcurſe zu beobachten und zu fördern, die Tariffe und Taxen
zu beſtimmen, und die untere Verwaltung zu controliren hat. Iſt
die Poſt in Lehen gegeben, ſo verbleibt dem Staate nur die Poſt-
geſetzgebung, Polizei, Gerichtsbarkeit und die Strafrechtspflege.
¹⁾ Für badenſche Domänenbeamten ſ. m. Wehrer die Kameraldomänenadmi-
niſtration ...... mit Formularien. Carlsruhe 1633. Ueber alle Verwaltungs-
zweige des Finanzweſens ſ. v. Malchus Finanzw. II. §. 4. 5. Deſſen Orga-
nismus I. §. 40–62. Deſſen Politik I. §. 36. folg. II. §. 86. folg.
§. 512.
Elementarverwaltung des Steuerweſens und der
Staatsſchuld.
IV. Die Steuerverwaltung iſt natürlicher Weiſe je nach
dem herrſchenden Steuerſyſteme und nach den Methoden der An-
lage ſehr verſchieden eingerichtet und hat verſchiedene Geſchäfte
in ihrem Reſſort. Da man in der Praxis die Eintheilung der
49 *
[772/0794]
Steuern in directe und indirecte allgemein angenommen hat, ſo
muß ſich die Erörterung über die Steuerverwaltung auch billig
daran halten. Die Geſchäfte derſelben zerfallen in zwei Haupt-
zweige nämlich:
A. Die Cataſtergeſchäfte. Bei den verſchiedenen 1) di-
recten Steuern (Grund-, Gefäll-, Häuſer- und Gewerbſteuer)
betreffen ſie die Anlage oder Aufnahme der Cataſter und die Evi-
denthaltung derſelben, d. h. die Erhaltung derſelben in vollſtändig
brauchbarem Stande durch Ab- und Zuſchreiben der jedes Jahr
im Beſitz- und Einkommensſtande vorgehenden Veränderungen. Die
Cataſter ſind entweder gebundene Bücher mit beſondern Journalen
zum Nachtrage jener Veränderungen, oder ſie beſtehen aus zuſam-
mengelegten Steuerzetteln, aus deren Zahl man die unbrauchba-
ren ausſtoßen und leicht erneuern kann. Bei den 2) indirecten
Steuern betreffen ſie die Anlage und Fertigung der Tariffe, wozu
eine außerordentliche Manchfaltigkeit von verſchiedenen Geſchäften
und praktiſchen Rückſichten gehört, welche von der Wiſſenſchaft
nicht wohl zu erörtern ſind, aber ſich nach der Verſchiedenartigkeit
der Steuern, Steuerobjecte und Anlagsmethoden richten.
B. Die Einzugsgeſchäfte. An die Erhebung der Steuern
macht man im Allgemeinen die Forderungen, daß die Normen und
Formen derſelben feſt, aber zugleich möglichſt einfach ſeien, über
den Steuerbetrag kein Zweifel herrſchen könne, die Hebungstermine
ſich möglichſt an die Perioden der Zahlfähigkeit der Pflichtigen
anpaſſen, der Einzug und die Verrechnung möglichſt controlirt und
ſo wohlfeil als möglich ſei, und endlich, daß geſetzlich mit Rück-
ſicht auf die Schonung des Gewerbsbetriebs und Lebensunterhal-
tes genau beſtimmt ſei, worauf ſich die Zwangsbeitreibung der
Steuer mit ihrem Beſchlage ausdehnen darf1). Man hat auch
hiernach die Methoden der Erhebung überhaupt zu beurtheilen.
1) Die Erhebung durch Corporationen oder Gemeinden oder
Landſtände wurde beſonders mit der ſchonenderen Wirkung der-
ſelben auf die Pflichtigen, und mit der größeren Vollſtändigkeit
des Einzugs vertheidigt. Allein dieſe gefällige Seite einer ſolchen
Erhebungsart muß dagegen verſchwinden, daß von jenen Erhebern
die Gewalt leicht mißbraucht wird, die Gemeindebeamten ſchon
mit ihren Hebgeſchäften ſehr überladen ſind, und in ihrem Inte-
reſſe liegt, überall zuerſt die Gemeindebeiträge zu erheben, daß der
Staat leicht die Ueberſicht über die Größe der Steuerlaſt, und den
aus der Größe der Steuerfonds fließenden Steuermehrertrag ver-
liert, daß dadurch eine Ungleichheit der Steuervertheilung entſteht,
nebenbei aber der Staat an Erhebungskoſten nicht gewinnt, und
[773/0795]
dagegen jene Erheber zu ihrem eigenen Nachtheile leicht um Vor-
ſchüſſe angeht, welche eine Verſchuldung derſelben zur Folge haben
können. 2) Der Erhebung durch Steuerpächter iſt bereits durch
die Geſchichte der Stab gebrochen, ſo daß ſie nur als ſeltene Aus-
nahme angewendet wird. Man hat ſie zwar damit vertheidigen
zu können geglaubt, daß der Staat auf dieſe Art ein ſicheres zu-
verläßiges Einkommen ohne Ausfall habe, daß die Pächter nicht
blos die Erhebung wohlfeiler beſorgen, ſondern auch der Zunahme
der Erwerbsquellen zum Behufe der Beſteuerung mehr nachſpüren
können, als die Regirung, daß der Staat eine nähere Einſicht in
die Grade bekomme, bis zu welchen eine Steuerhöhung getrieben
werden könne, und daß er nicht blos ſeine Finanzverwaltung ſehr
vereinfache, ſondern auch an den Steuerpächtern eine ergiebige
außerordentliche Einkommensquelle beſitze. Allein es muß an die-
ſen Anſichten ſogleich die Blosſtellung der Steuerpflichtigen bei
dieſer Erhebungsmethode auffallen, welcher gegenüber durch ſie der
verderblichſte fiscaliſche Geiſt die kräftigſte Nahrung findet; die
Ausfälle in der Steuerhebung werden von den Pächtern in der
Pachtſumme ſchon berechnet, und die Begünſtigung der Antizipa-
tionen durch das Pachtſyſtem iſt ein Uebel, das die Finanzen zer-
rüttet. 3) Es bleibt daher die Erhebung durch die Staatsbe-
amten ſelbſt um ſo mehr der beſte Weg, als er die Nachtheile
der beiden andern nicht hat, und vielmehr die angeblichen Vor-
theile des Pachtſyſtems ſehr gut in ſich vereinigen läßt2). Auf
dieſe Methode ſollen daher in der Regel die directen und indirec-
ten Steuern erhoben werden. Für den Einzug der Erſteren wer-
den beſondere Heberollen oder Hebregiſter nach den Cataſtern
und deren Veränderungen gefertigt, wonach derſelbe geſchieht. Für
die Beitreibung der Andern aber werden andere und weit manch-
faltigere Einrichtungen nothwendig. Man unterſcheidet hier die
eigentlichen Hebgeſchäfte, welche bei den verſchiedenen Ge-
brauchsſteuern, Acciſen, Zöllen und Luxusſteuern nach Natur und
Anlage außerordentlich von einander abweichen, und die Hebcon-
troleinrichtung oder das Zettelweſen, d. h. die Einrichtung,
daß in dem den Einnehmern übergebenen paginirten oder numerir-
ten Buche auf der einen Seite die Declaration und auf der an-
dern die zu löſenden, abzuſchneidenden und dem Steuerentrichter
einzuhändigenden Scheine oder Quittungen enthalten ſind3).
V. Die Staatsſchuldverwaltung hat wegen der Forde-
rung des Kredits, daß zur Verzinſung und Tilgung der Staats-
ſchuld beſondere Plane entworfen und ſpezielle Einkünfte ausge-
ſetzt werden müſſen, eine Trennung von den übrigen Zweigen der
[774/0796]
Finanzverwaltung nöthig gemacht. Ihre Geſchäfte erklären ſich
leicht nach der Natur der Staatsanleihen, Verzinſung, Tilgung
und Speculation mit Staatspapieren. Denn nach dieſen Verhält-
niſſen ſind ſie verſchiedenartig, verſchieden ſchwer und wichtig.
¹⁾ A. smith Inquiry IV. 164. Monthion Quelle Influence p. 293. sqq.
v. Sonnenfels III. 160. Necker Admini stration de s Finance s I. 47. Lotz
Reviſion IV. §. 272. 273. 275. 276. Handb. III. 167. v. Jacob Finanzw. §. 1197.
Fulda Finanzw. §. 221. v. Malchus I. §. 76. Krehl Steuerſyſt. 270. Kre-
mer Darſtellung I. 101. Murhard Th. u. P. der Beſteur. S. 153.
²⁾ Ueber dieſe Methoden insbeſondere v. Sonnenfels III. 125–160.
Bergius Neues Magazin. Art. Acciſeverwaltung. Bd. I. S. 84. (Targot)
sur le s Finance s, Ouvrage posthume de Pierre André ..... Londre s 1775.
Deutſch von Benzler. Lpzg. 1780. Monthion I. c. p. 285. Würtemb. II. Kam-
mer. Verh. v. 1826. Heft II. 227. Lotz Handb. III. 445. v. Jacob §. 1256.
Fulda §. 225. v. Malchus I. §. 77. Politik der innern Verwalt. II. 134.
Monte squieu E sprit de s loi s. Liv. XIII. chap. 19. Encyclopéd. méthodique. Art.
Fermier, Adjudicataire.say Cour s VI. 90. Ueberſ. von v. Th. VI. 70. A.smith
Inquiry IV. 295. Baumſtark Sülly's Verdienſte §. 47–49. Verſuche über
Staatskredit. S. 223.
³⁾ So muß der im Buche von ſelbſt geleiſtete Kredit in Papieren der erhobe-
nen oder abzuliefernden Geldſumme gleich ſein und die Verwendung der Zettel durch
die Declarationen und bei den Acciſen durch Abgabe am gehörigen Controlorte be-
wieſen werden. Die Rechnungsabſchlüſſe und Ablieferungen geſchehen monatlich.
Viertes Hauptſtück.
Von der Verwendung des Staatseinkommens.
§. 513.
Staatsausgaben.
Der Staatsaufwand kann zum Behufe ſeiner Abtheilung von
verſchiedenen Seiten genommen werden. In Bezug auf ſein Ein-
treten iſt er ordentlich und auſerordentlich (§. 390.), und,
wenn man ſo weit gehen will, der Erſtere nach Beſtimmtheit oder
Unbeſtimmtheit der Größe ſtändig und unſtändig. In Betreff
ſeiner Allgemeinheit für den ganzen Staat oder ſeiner Beſonder-
heit für einzelne Gebietstheile und Gegenſtände allgemein und
beſonder, in Hinſicht darauf, ob er für das allgemeine Staats-
dienerperſonale oder für die Gegenſtände der Verwaltung und folg-
lich auch für das Staatsgewerbsperſonale gemacht wird Perſo-
nal- und Realaufwand. Da jedoch alle dieſe Eintheilungen
nur gewiſſe Beziehungen des Staatsaufwandes herausheben, ſo
können ſie zu einer Ueberſicht deſſelben bis ins Einzelne nicht wohl
dienlich ſein. In Uebereinſtimmung mit der Praxis kann man
ihn zu dieſem Behufe folgendergeſtalt eintheilen:
A. Verfaſſungsaufwand, nämlich für den Regenten
(Präſidenten) oder die ſogenannte Civilliſte, für die Ständever-
[775/0797]
ſammlungen und für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Staats
als Mitglied einer Staatenverbindung.
B. Verwaltungsaufwand, den man am beſten nach den
Miniſterialdepartements eintheilt, nämlich in jenen für das
I. Juſtitzdepartement, — Miniſterium, Gerichte und Ge-
richtshöfe, Gefängniſſe, Strafanſtalten.
II. Polizeidepartement oder Dep. des Innern, Mini-
ſterium oder Miniſterien, Kirchenſachen, Unterrichtsangelegenheiten,
Sicherheitspolizei, Geſundheitsweſen, Wirthſchaftspolizei.
III. Militairdepartement — Miniſterium, Truppenſold,
Naturalverpflegung, Pferdefutter, Bekleidung, Bewaffnung, Kaſer-
nen, Remonte, Artillerie, Genieweſen, Sanitätsweſen, eigene Ge-
richtsverwaltung.
IV. Politiſches Departement oder Dep. der auswär-
tigen Angelegenheiten — Miniſterium, Geſandtenbeſoldung,
Reiſe- und Einrichtungskoſten, außerordentliche Miſſionen, Kuriere,
Geſchenke u. ſ. w.
V. Finanzdepartement — Miniſterium und ſeine Bran-
chen, allgemeine keinem der obigen Departements zugehörige Staats-
anſtalten, eigentlicher Aufwand für den Finanzhaushalt, Ausgaben
für allgemeine Staatsverbindlichkeiten. (Nämlich wenn A nicht
beſonders herausgehoben wird, ſo kommt es hierher, denn dieſes
Departement hat jenen Aufwand unter ſich.)
Die Finanzverwaltung hat über die Größe des zu machenden
Staatsaufwandes nicht weiter zu entſcheiden, als ſo, daß ſie über-
all das Prinzip der Sparſamkeit mit Energie anwende. Ihre
Grundſätze und Regeln bei Beſtimmung deſſelben ſind alſo keine
andern, als jene der allgemeinen Wirthſchaftslehre (§. 71. 73. 74.).
Mehr als dies kann die Wiſſenſchaft hierüber nicht ſagen, denn
das Ausgabenweſen iſt lediglich Sache der Praxis. Nach dieſen
Prinzipien iſt der Staatsaufwand mit unaufhörlicher Rückſicht auf
die praktiſchen Staatsverhältniſſe feſtzuſetzen1).
¹⁾ v. Malchus I. §. 9–14. v. Jacob §. 826–964. Fulda §. 19–40.
Rau III. §. 24–81. Krauſe Syſtem II. S. 1–222. (handelt zugleich auch
die Lehre von der innern Einrichtung der Staatsanſtalten ab). say Cour s V. 111.
Ueberſ. von v. Th. V. 87. A. Smith Inquiry III. 310. IV. 1–150. (Beide
Letztere ganz vorzüglich.)
§. 514.
Einnahme. Verwendung. Ueberſchüſſe.
I. Den ordentlichen und außerordentlichen Ausgaben
müſſen auch ſolche Einnahmen entſprechen. Die Einkünfte erſter
[776/0798]
Art beſtehen aus einer Combination der Ergebniſſe der verſchiede-
nen Staatsgewerbe mit einer beſtimmten durch Steuern zu erhe-
benden Summe, welche aber nicht blos auf den wirklichen ſtreng
berechneten Bedarf allein beſchränkt zu ſein braucht, ſondern wohl
dieſen um Einiges überſchreiten muß, theils um unvorhergeſe-
hene Fälle zum Voraus zu bedenken theils um einen angemeſ-
ſenen Reſervefonds (nicht Staatsſchatz) zu erhalten1). Für
die außerordentlichen Einnahmen ſind außerordentliche Quel-
len (Reſſourcen) nöthig. Man hat dazu verſchiedene, nämlich
die Bildung eines Staatsſatzes2), die Erhöhung der Staatsabga-
ben3), die Veräußerung von Staatseigenthum4) und die Benu-
tzung des Staatskredits (§. 501. 502.)5). Während aber das erſte
Mittel als durchaus unbrauchbar, das Dritte aber nur als zufäl-
lig erſcheint, ſo wird in der Regel nur zwiſchen den beiden andern
die Wahl bleiben, aber unter ihnen auch nur nach praktiſchen Ver-
hältniſſen getroffen werden können.
II. Eine ſehr wichtige Frage iſt die über die Ausſcheidung ge-
wiſſer Gattungen von Aufwand aus dem allgemeinen als be-
ſondere Laſt einzelner Landestheile und die Verpflichtung der
Letztern, ſie mit beſonderen Einnahmen zu decken (Spezialiſirung),
ſo wie jene über die Ausſetzung beſonderer Fonds für ſpezielle
Zwecke (Dotation). Was 1) die Spezialiſirung betrifft, ſo
könnte mit Recht nur in den Fällen davon die Rede ſein, wenn
und ſo lange neu acquirirte Gebietstheile mit den alten in Betreff
der Verwaltung noch nicht aſſimilirt ſind6), oder wenn für eine
Provinz (einen Kreis u. dgl.) Einrichtungen und Anſtalten beſte-
hen und errichtet werden, die ganz ausſchließlich ihr allein zukom-
men und nützlich ſind; in jeder andern Beziehung iſt ſie von recht-
licher Seite verwerflich, denn eine bloſe Eintheilung des Landes-
gebietes zum Behufe der Erleichterung der Verwaltung ſchließt die
Provinzen, Kreiſe und Bezirke nicht ſo gegenſeitig gleichſam indi-
vidualiſirt ab, wie ſich die Gemeinden einander gegenüberſtehen,
bei denen eine ſolche Spezialiſirung nothwendig iſt (§. 378. 391.).
Von der politiſchen Seite betrachtet hat man ſie aber ſchon ver-
theidigt, indem man als von der Centraliſirung nicht dargereichte
Vortheile derſelben die größere Klarheit des Grundes der Steuer-
pflicht, des Nutzens der Staatsausgaben, die Gewährleiſtung einer
verſtändigeren Gleichheit der Steuervertheilung, einer leichtern Ver-
hütung der Ueberlaſtung der Unterthanen, und einer zweckmäßige-
ren Anwendung der Steuereinkünfte, die größere Einfachheit und
Ueberſichtlichkeit der Verwaltung, die größere Generaliſirung der
Geſchäfte der Centralbehörden und als Folge hiervon die beſſere
[777/0799]
Vollführung derſelben anführte. Allein ein Rückblick auf die frü-
her erörterte Steuerlehre und eine unbefangene Anſicht der wirk-
lichen Staatsverhältniſſe muß zeigen, daß die erwähnten Vortheile
auf ganz andern Urſachen als auf der Spezialiſirung beruhen und
beim Centraliſationsweſen ebenſo gut zu erreichen ſind, das noch
zu alle dem die Einheit des Staats erhält, die durch die Spezia-
liſirung im höchſten Grade gefährdet wird7). 2) Die Dotatio-
nen anbelangend, ſo zerſplittern ſie ohne Zweifel die Verwaltung,
erhöhen den Verwaltungsaufwand, erleichtern die Verſchwendung
und Verſchleuderung, bewirken Verluſte an den Fonds, und er-
ſchweren die Controle und Ueberſicht. So ſpricht die Erfahrung,
leider noch täglich, denn überall beſtehen noch ſolche Dotationen.
Allein ihrer Abſchaffung ſtehen die manchfaltigſten Staatsrückſichten
entgegen. Bei der Staatsſchuld iſt ſie ein nothwendiges Erforder-
niß der ungeſtörten Wirkſamkeit des Zins- und Tilgfonds8).
III. In Betreff des Perſonalaufwandes oder der Be-
amtenbeſoldung iſt der Staat in ſeiner doppelten Eigenſchaft
(§. 495.) den Staatsdienern gegenüber verpflichtet,
1) den aktiven Dienern eine ihrem Stande angemeſſene hin-
reichende (§. 423.) Beſoldung zu geben. Ueber ihre Regulirung
beſtehen verſchiedene Anſichten. Früher beſtanden ſie größtentheils
in Naturalien, jetzt aber ſind die ausſchließlichen Geldbeſoldungen
zur Regel gemacht9).
2) Den untauglich gewordenen Dienern einen ebenſo ent-
ſprechenden Ruhegehalt zu verabreichen, der ihnen nicht als Gnade,
ſondern als Recht zuſteht. Es beſtehen in dieſer Hinſicht manch-
fache Anordnungen in den einzelnen Staaten10).
3) Die Witwen und Waiſen derſelben ſo ſicher zu ſtellen,
daß der Staatsdiener wegen der Zukunft der Erſteren nach ſeinem
Tode hinlänglich geſorgt ſieht. Es dienen hiezu Witwen- und Wai-
ſenkaſſen, errichtet aus freiem Zuſammentritte beſtimmter Catego-
rien von Staatsdienern, oder geſtiftet und zum Theile auch unter-
ſtützt vom Staate. (§. 460).
¹⁾ Ueber das Maaß der zu erhebenden Einnahmen beſtehen die verſchiedenſten
und dunkelſten Anſichten. Man hat auch ſchon ein philoſophiſches Problem aus ih-
rer Beſtimmung gemacht. (Schön Grundſätze S. 20. Lotz Handb. III. 81.), als
ob ſo praktiſche Fragen, bei denen die manchfachſten Verhältniſſe wirkſam ſind, aus
der Speculation, mathematiſch und abſolut zu löſen wären. Ungereimtheiten und
Unbrauchbarkeiten ſind der Erfolg. Sparſamkeit iſt Alles, was man den Be-
ſtimmern der Staatseinnahmen zum Principe machen kann. Wer dieſe nicht ver-
ſtehen und anwenden kann oder will, taugt nicht zu jenem Amte. Der Begriff der
Staatsbedürfniſſe iſt ein ebenſo relativer als jener von Bedürfniß überhaupt (§. 47
-49.). Eine weiſe und kluge Wahl unter ihnen zur Befriedigung nach den prak-
tiſchen Staatsverhältniſſen wird von der Sparſamkeit erfordert. Was dieſe Wahl
[778/0800]
¹⁾ anbelangt, ſo kann die Beſchränkung auf den möglich geringſten Aufwand nicht zum
Geſetze erhoben werden, wohl aber, was die Einrichtung der Ausgaben für die Zwecke,
deren Verſorgung anerkannt iſt, betrifft. v. Malchus II. §. 2. v. Jacob §. 833.
Rau III. §. 24 flg.
²⁾ Im Alterthume entſtand die Nothwendigkeit der Staatsſchätze, weil die
Völker deſſelben den Krieg als Einkommensquelle betrachteten, eine ſo regelmäßige
Abgabenerhebung wie unſre Staaten nicht kannten, und die Kenntniß von nutzbrin-
gender Anlegung von Capitalien nicht hatten, wie ſie bei uns allgemein iſt. (Bökh
Staatshaushalt der Athener. I. 172. 472. Hegewiſch Ueb. d. römiſch. Finanz.
S. 62. 131. Boſſe Finanzw. im röm. Staate. I. §. 68. Ganilh Essay pol.sur
le revenu public. I. 51.). Im Mittelalter entſtand der Gedanke an Staats-
ſchätze wegen der Seltenheit des Geldes, wegen der Naturalwirthſchaft der Staaten
und wegen der Verſchmelzung des fürſtlichen Eigenthums mit dem Staatseigenthume
von ſelbſt. In neuerer Zeit iſt jenes Alles nicht der Fall, und die Staatsſchätze
ſind verwerflich, weil ſie der Volkswirthſchaft Capital und Capitaleinkommen entzie-
hen, ſie alſo in ihrer Entwickelung hemmen; weil jetzt zu außerordentlichen Staats-
ausgaben in Privathänden genug Geld bereit liegt; weil ſchon ſehr bedeutende
Staatsſchätze beim Eintritte außerordentlicher Bedürfniſſe nicht zureichen. S. Für
ſolche: v. Struenſee Abhandl. I. 216. Samml. v. Aufſätzen. II. 43. v. Jacob
§. 731. Bodinus De republ. lib VI. p. 1051. Hume polit. Verſuche S. 163.
v. Juſti Staatswirthſch. II. §. 528. Bergius Magazin. Art. Schatz des Re-
genten und Staats. Gegen ſolche: Lotz Reviſion IV. 113. Handb. III. S. 390.
v. Soden Nat. Oec. V. §. 304. Fulda §. 227. v. Sonnenfels III. 392.
A. Smith Inquiry II. 258. IV 305. Spittler Vorleſ. über Politik S. 290.
v. Malchus I. §. 81.
³⁾ Ueber die Vor- und Nachtheile derſelben entſcheidet die wahrſcheinliche Wir-
kung einer Erhöhung der alten oder Umlage von neuen Steuern auf die Volkswirth-
ſchaft. Dabei iſt neben der Größe der zu deckenden außerordentlichen Ausgabe zu
erwägen, daß man den Gewerben vieles entzieht, was nutzbar verwendet würde; daß
ſo große Steuerſummen derſelben oft unerſchwinglich ſind; daß ſich ſolche Ausgaben
in der Regel wiederholen; daß man ſuchen ſoll, ſolche plötzliche Laſten ſoviel als
möglich zu vertheilen, ſo ſchnell, mühelos und wohlfeil als thunlich zu erheben, was
bei Steuerumlagen nicht der Fall iſt, und daß man das ganze Steuerſyſtem in Er-
wägung ziehe. S. Für Erhöhung v. Jacob §. 736. v. Soden V. §. 307.
Dagegen v. Sonnenfels III 383. S. aber auch v. Malchus I. §. 82.
v. Struenſee Samml. v. Aufſätzen II. 20. Es haben zwar Ricardo (Principles
of pol. Econ. p. 301–306.) und Nebenius (Oeff. Credit I. 661), die Steuer-
erhöhung, jener für ein beſſeres, dieſer für ein gleich gutes Mittel als wie die
Staatsanleihen erklärt; auch Zachariä Staatsſchuldenweſen S. 41. meint, bei
dieſer Frage ſei Gegenwart und Zukunft eins. Allein m. ſ. die Widerlegung dieſer
Anſichten in Meinen Verſuchen S. 514–520. Merkwürdig iſt das Beiſpiel
Englands von a. 1688–1824. S. darüber ebendaſelbſt S. 539–549. Lowe
England nach ſ. gegenw. Zuſt. S. 17. flg.
⁴⁾ Der ſchnelle Verkauf bei außerordentlichen Bedürfniſſen iſt ein unzuverlä-
ßiges unzureichendes zu langſames Mittel. Aber man weiſt zur Dotation der Schul-
dentilgcaſſe jährlich zu verkaufende Domänen und Waldungen aus; oder emittirt
Kreditpapiere im Geſammtwerthe ſolcher zum Verkaufe ausgeſetzter Güter und be-
dingt beim ſpätern Verkaufe die Zahlung des Kaufſchillings in denſelben. S. v. Mal-
chus I. §. 84. v. Jacob §. 744. Ganilh Des systemes I. 343.
⁵⁾ Die Lobredner der Staatsſchulden ſ. m. im §. 415. N. 2. Die Saint-
ſimoniſten haben neuerlich ſogar die Deckung des ganzen Staatsaufwandes durch An-
leihen vorgeſchlagen. Decourdemanche Aux Industriels. Lettres sur la Legisla-
tion. Paris 1831. p. 61. Dagegen Meine Verſuche S. 442. 459. Staatsſchulden
ſind das prompteſte Mittel zur Deckung außerordentlicher Bedürfniſſe, und verthei-
len die Laſt ſo drückender Art auf längere Zeit, damit ſie erträglich wird. Allein
ihre Einwirkung auf die Privat- und Volkswirthſchaft, die Staatsverfaſſung, Mo-
ralität und Bildung des Volks, auf die geſammte Staatsverwaltung und auf den
[779/0801]
⁵⁾ Zuſtand der Völkerſtaaten iſt mehr verderblich als wohlthätig. S. Nebenius der
öff. Credit I. 668. Meine Verſuche S. 487.-536. Craig Politik III. 250. 277.
⁶⁾ Man hat zur Ausgleichung der Abgabenverhältniſſe zwiſchen ſolchen Provin-
zen ſchon das Areal, die Bevölkerung, die Häuſerzahl, den Viehſtand, das Capital
der beiden Letztern, die bisher bezahlten Abgaben oder eine Combination dieſer
Haltpunkte theils vorgeſchlagen theils angewendet. Allein die Lehre von der Be-
ſteuerung muß ſie alle für unbrauchbar erklären, und erkennt nur das wirkliche
durchſchnittliche reine Nationaleinkommen als das Maaß der Ausgleichung an. Wie
ſchnell und wie die Ausgleichung bewerkſtelligt werden ſoll, und ob es überhaupt
räthlich, eine ſolche Gleichſtellung zwiſchen neuen und alten Provinzen vorzunehmen,
darüber hat die praktiſche Politik zu entſcheiden. S. v. Malchus I. §. 6. Ver-
handl. der großh. Heſſ. II. Kammer von 1821. H. XV. 82. XVI. 3. 58. Außer-
ordentl. Beil. S. 460. 530.
⁷⁾ v. Malchus II. §. 7. Dagegen Rau III. §. 53. v. Jacob §. 828.
985. Fulda §. 21. Verhandl. der Bair. II. Kammer von 1828. Bd. I. V. XII.
XIV. Beil. 58. 82.
⁸⁾ v. Malchus II. §. 8.
⁹⁾ Bei der Geldbeſoldung leidet der Beamte von Erhöhungen der Preiſe der
Lebensmittel; bei Naturalbeſoldungen hat er Unbequemlichkeiten. Eine Combination
beider, ſo daß ein kleiner Theil der Beſoldung in Naturalien oder deren Preiſen
bezahlt würde, hat für ihn den meiſten Vortheil. Rau III. §. 57–61.
v. Malchus II. §. 11. Verhandl. der Bad. II. Kammer. v. 1831. Beil. H. V. 1. XIII.
296. Sehr zweckmäßig iſt eine Sonderung des Gehaltes in Standes, und
Dienſtgehalt, wie in Baiern, und zum Theile in Naſſau. S. auch
v. Malchus Politik. I. 17.
¹⁰⁾ v. Malchus II. §. 12. 13 (Civil- und Militairpenſionen). Rau III.
§. 62. Klüber, Oeffentl. Recht des teutſchen Bundes. §. 407. v. Malchus
Politik. I. 19.
Fünftes Hauptſtück.
Von den Voranſchlägen der Staatsausgaben
und -Einnahmen.
§. 515.
Zum Behufe der Begründung, Darſtellung und Vergleichung
iſt eine Ueberſicht der Staatseinnahmen und -Ausgaben nothwendig.
Dazu dienen die Voranſchläge (Etats) für die beſtimmte Fi-
nanzperiode (Etats- oder Finanzjahr). Man unterſcheidet
dem Umfange nach die Spezialetats, d. h. von einzelnen Ele-
mentarverwaltungen, benannt nach den Gegenſtänden, die Haupt-
etats, d. h. theils für Hauptzweige der Verwaltung, theils für
geographiſche Verwaltungsbezirke, und den Hauptfinanzetat
(das Staatbudget), d. h. für die Geſammteinnahme und Aus-
gabe des Staats, zum Theile das Product, zum Theile die Quelle
jener genannten. Die Form derſelben iſt in den einzelnen Staa-
ten verſchieden. Die Begründung derſelben geſchieht durch die
einem jeden Verwaltungszweige zu Grunde liegenden ſpeziellen
Papiere und allgemeinen Ueberſichten. Zur Erläuterung des
[780/0802]
Budgets dienen die den Etats beigefügten Erläuterungsproto-
colle und das beigegebene Notabilien- oder Etatsbuch1).
Der Entwurf der Etats wird von den entſprechenden Behörden,
das Budget aber vom Finanzminiſterium gemacht, das auch auf
deſſen Erfüllung ausſchließlich wacht. Die Einnahmen unterliegen
ganz ſeiner Dispoſition, die Ausgaben der einzelnen Departements
blos ſeiner Controle. Jeder Departementschef oder Vorſtand eines
Miniſteriums bekommt auf die Staatskaſſe einen gewiſſen Kredit,
über den er geſetzlich in ſeiner Verwaltung disponirt, und er iſt
hierin nur ſo weit beſchränkt, als Ueberſchreitungen der für die
Perioden durch periodiſche Repartitionsetats beſtimmten Summe
nicht erlaubt ſind. In wiefern jeder Vorſtand über dieſe Repar-
titionsetats frei oder bedingt verfügen darf, hängt von beſonderen
Beſtimmungen ab. Disponirt der Finanzminiſter allein über die
Staatskaſſe, ſo muß ſich jeder andere Chef ſeine Anweiſungen von
demſelben realiſiren laſſen. Die Sanction des Budgets geſchieht
in Repräſentativſtaaten durch das gleichlautende Finanzgeſetz, das
ebenfalls vom Finanzminiſter entworfen wird.
Zur Einſicht in das Verwaltungsweſen während des Finanz-
jahres werden, von den untern Behörden wechſelſeitig vorbereitend
bis zur höchſten, monatlich Situationsetats gefertigt, welche
die Einnahmen und Ausgaben des entſprechenden Monats im Ver-
gleiche mit den früheren, und den ſich ergebenden Kaſſenbeſtand
anzeigen. Den Hauptſituationsetat macht die Staatshaupt-
kaſſenverwaltung, den Haupt-Staatshaushalts-Situations-
etat aber die Staatsbuchhalterei, bei welcher das ganze Detail
der Bruttoeinnahmen und ſämmtliche Ausgaben immer nach Be-
lieben in Büchern eingeſehen werden kann2).
¹⁾ Ganz abgeſondert ſind die Militair- und Staatsſchuld-Etats.
Letztere ſind in jedem Staate anders eingerichtet. In der Militairverwaltung fer-
tigt man die Etats entweder nach den Corps, aus deren Spezialetats der Hauptetat
zuſammengeſtellt wird, oder nach den Corps blos die Geldetats, dagegen die übrigen
Etats in Totalbeträgen für das ganze Militair, oder endlich nach allgemeinen
Rubriken und Summen ohne Unterſcheidung der Corps.
²⁾ Ueber dieſe ganze Materie ſ. m. v. Malchus Finanzw. II. §. 15–20.
Deſſen Organismus. I. §. 63–71. Deſſen Politik. II. §. 116. 124. 125. v. Juſti
Staatswirthſch. II. §. 408. Eſchenmayer Staatsrechnungsweſen. Heidelb. 1807
(nicht zu empfehlen). Peterſen, Ueber Wirthſchaftsanſchläge und Budgets.
Göttingen 1811 (Vermengung, unpraktiſch). v. Schuckmann, Ideen zu Finanz-
verbeſſerungen. Tübingen 1818 (zu allgemein). Feder, Handbuch des Staats-
rechnungs- und Kaſſenweſens. Stuttg. 1820 (manches Unrichtige und Unausführbare).
Hoch Finanzkaſſenetats. Rottenburg 1820. Kieſchke, Grundzüge zur zweckmäßigen
Einrichtung des Staatskaſſen- und Rechnungsweſens. Berlin 1821 (zweckmäßig).
Arnold, Verſuch eines Staatsrechnungsſyſtems. Petersburg 1824. Die den Schrif-
ten beigefügten Urtheile ſind von v. Malchus; denn da dieſer in ſolchen praktiſchen
Dingen außerordentlich gewandte und erfahrene Mann dieſe Schriften beurtheilt hat,
geziemt es dem Theoretiker nicht, auch zu richten.
[781/0803]
Sechstes Hauptſtück.
Vom Staats-Kaſſen- und -Rechnungsweſen.
§. 516.
Die materielle Verwaltung der Einkünfte und die Nachweiſun-
gen geſchehen durch die Kaſſen und Kaſſenverwaltung. Die
Anzahl der Kaſſen ſoll nicht zu groß ſein; ſie ſind auf einen ohne
beſondere Vollmacht nicht zu überſchreitenden Etat geſtützt. Blos
auf die Hauptkaſſe dürfen die zur Dispoſition befugten Behörden
Anweiſungen zur Realiſation geben, welche auch nur jene un-
mittelbar ſelbſt realiſirt oder auf Anweiſung durch Elementarkaſſen
realiſiren läßt, aber nur auf ihre eigene Rechnung und zum Ab-
zuge von ihrem Beſtande. Die bei den Kaſſenfunctionen obwalten-
den Formen ſind in den Staaten ganz verſchieden1). Die äußere
und innere Sicherheit der Kaſſen wird einſeits durch Geſetze
und Inſtructionen für die Beamten, anderſeits wegen der Geſchäfts-
ſicherung durch Cautionen der Beamten und durch periodiſche, auch
außerordentliche Reviſionen gepflegt, welche ſich auf die ſpeziellſte
Vergleichung des Kaſſenſtandes beziehen und von einem Protocolle
begleitet werden. Die Controle des Kaſſendienſtes iſt von der
größten Wichtigkeit. Die Reſultate der Kaſſenverwaltung werden
am Ende des Jahres durch Rechnungen beurkundet, mit deren
Ablieferung bei Strafe der geſetzliche Termin feſtgehalten werden
muß. In mehreren Staaten werden (mehr zu ihrer Erläuterung)
von den entſprechenden Verwaltungsbehörden Reviſionen vorge-
nommen2).
Was das Rechnungsweſen (die Comptabilität) anbelangt,
ſo beruht es auf folgenden Hauptgrundſätzen. Jedes Jahr macht
für ſich ein Ganzes. Daher wird für dieſe zwölf Monate, d. h.
über die darin Statt gehabt habenden Einnahmen und Ausgaben
ein Abſchluß ausgearbeitet. Es geht jedoch weder Einnahme noch
Ausgabe vor ſich, wie man ſich's denkt, ſondern es wird oft nach
den zwölf Monaten erhoben und ausgegeben, was während der-
ſelben hätte eingenommen und verausgabt werden ſollen. Daher
geht das Rechnungsjahr, d. h. nicht jenes gewöhnliche auf 12
Monate, ſondern jenes auf den völligen Abſchluß der Einnahmen
und Ausgaben für das Zwölf-Monat-Jahr einige Zeit nach und
liefert endlich den zweiten förmlichen und gänzlichen Rech-
nungsabſchluß (finalen und definitiven Abſchluß). Derſelbe
muß alle Einnahmen nach Verſchiedenheit der Quellen und ihrer
Kaſſen, jede Ausgabe mit Bezeichnung der Zwecke und der ſie
[782/0804]
machenden Kaſſe genau, die Erſtere nach den Hauptetats, die
Letztere nach den Miniſterialdepartements, angeben. Die Zeit des
Abſchluſſes iſt verſchieden nach der innern Verwaltung. Er ſelbſt
muß durch ein Geſetz ſanctionirt ſein; ſo lange er es nicht iſt,
bleibt die Rechnung ungeſchloſſen.
In manchen Staaten (beſonders mit Repräſentativverfaſſung)
werden von den Departementschefs Rechenſchaftsberichte über
die Verwendung ihrer Einnahmen nach geſetzlichen Bedingungen
zur Vorlage (vor die Ständeverſammlung) verlangt. Sie enthal-
ten im Detail die Darſtellung des Verwaltungsganges und Stan-
des und die Begründung etwaiger Abweichungen von den geſetz-
lichen Beſtimmungen. Der Rechenſchaftsbericht des Finanzminiſters
muß aber außer der Darſtellung ſeiner Verwaltung zugleich eine
urtheilende Auseinanderſetzung aller Einnahmequellen in Betreff
ihrer Natur, Benutzung, möglichen Erweiterung und Nachläſſe, ſo
wie eine ſolche vom ganzen Staatsaufwande und den Mitteln zu
ſeiner Verringerung enthalten. Hieran reiht ſich dann von ſelbſt
die Begründung des Staatsbudgets, welches derſelbe vorlegt.
¹⁾ Die zu haltenden Bücher ſind: das Journal, zur chronologiſchen Aufzeich-
nung aller Ausgaben mit ihren Zwecken und aller Einnahmen mit ihren Quellen;
das Manual, dem die Einzelheiten der Etats zu Grunde liegen, und welches
unter Angabe des entſprechenden Folio im Journale alle Einnahmen und Ausgaben
in vollſtändiger Rechnung enthält; das Controlbuch und die erforderlichen Hilfs-
regiſter, welche bei den Ergebniſſen der Kaſſen vorkommen. Sind die Ein-
nahme- und Zahlkaſſen getrennt, ſo haben beide dieſelben Bücher.
²⁾ Die Reviſionsgeſchäfte ſind: a) die Reviſion ſelbſt, d. h. arithmetiſche
und materielle Unterſuchung; b) die Juſtification, d. h. endliche Entſcheidung
über die bei der Reviſion gemachten Bemerkungen und Ausſtellungen (Reviſions-
notaten). Eine jede Erinnerung wird in das eigens dazu beſtimmte Reviſions-
protocoll geſchrieben, welches ſammt der revidirten Rechnung dem Rechnungsführer
zur Rechenſchaft (Beantwortung) in beſtimmter Friſt zugeſchickt wird. Nach Rück-
einlauf deſſelben ſammt Rechnung und Beantwortung wird zur Juſtification ge-
ſchritten. Sind alle zweifelhaften Punkte erklärt, ſo erhält der Rechnungsführer
eine Decharge entweder im Rechnungsabſchluſſe oder als eigene Urkunde; iſt
Erſteres nicht der Fall, ſo wird ſie noch einmal revidirt, und iſt die Erläuterung
nicht vollſtändig zu geben, ſo fallen die Defecte dem Rechnungsführer zur Laſt.
v. Malchus Finanzw. II. §. 23. 27. Deſſelben Organismus. I. §. 71–76.
Deſſelben Politik. I. §. 40. II. §. 128.
[[783]/0805]
Regiſter.
A.
Abandon, Abandonniren §. 358.
Abbau, der Domänen §. 478.
Abplaggen §. 223.
Abrechnen §. 344.
Abſäugen §. 194. N. 2.
Abſatz, an Gewerkswaaren §. 312.
Abſchlitzen §. 109.
Abſchlußwechſel §. 337.
Abſchwülen §. 223.
Abteufen §. 95.
Abtriebſchlag §. 227.
Acceptant, Acceptation §. 337.
Acciſe, Urſprung §. 22, von Immobilien
§. 497 N. 3. Ueberhaupt §. 500.
Accord §. 369.
Ackergeräthe §. 140.
Actie, Actionair, Actiengeſellſchaft §. 335.
Actiencurs, — Geſchäfte, — Handel, —
Pari §. 348.
Actio dome stica §. 12.
Activcapitalien, der Gemeinden §. 382.
des Staats §. 484.
Activhandel §. 253.
Actore s §. 7. 12.
Adäration §. 17.
Adjudication, der Staatsanleihen §. 504.
Adjuſtiren §. 290.
Adjutorien §. 17.
Adler §. 255.
Adminiſtration §. 25. 29.
Admiralſchaft, Admiralitätspolize §. 359.
Admodiation, der Staatsbergwerke §. 477.
Adoha §. 17 N. 2.
Affretement §. 355.
Afterbrunſt §. 252.
Aftern §. 280.
Agio §. 347.
Agricultur, mechaniſche §. 139. chemiſche
§. 145.
Agronomie §. 134. 184.
Ahorn §. 240.
A la hau s se und
A la Bai s se §. 366.
Alaunſiederei §. 284.
Albergaria §. 7. N. 8.
Alcohol §. 300 Note 2. Alcolometer §.
324 Note 8.
Aller Orte zahlbare Wechſel §. 337.
Almendgut, Vertheilung §. 379. Note 1.
Bewirthſchaftung N. 2. Steuerfreiheit
§. 385. N. 5.
Altthier §. 252.
Aluvium §. 85.
Amalgamation §. 283.
Amortiſationskaſſe §. 336. 505.
Amtmann §. 16. Amtshauptmann, Amts-
kellner, Amtsſchreiber §. 24. Amtsver-
walter §. 16. 24.
Angaria §. 7. N. 8.
Annuitäten §. 503.
Anquicken §. 283.
Anſchläge, bergmänn. §. 129. landwirthſch.
§. 216. werkmänn. §. 318. kaufm. §. 371.
Anſtand, b. d. Jagd §. 251. Anſtandsbrief
§. 369.
Anticipationen §. 502. 503.
Anweiſung §. 338.
Anwurf §. 290.
Anzeigen, nutzbarer Mineralien §. 86.
Apocrifiariu s §. 8.
Appoint, Appunto-Wechſel §. 337.
Aquavit §. 300 N. 2.
Aräometer §. 324.
Arbeit §. 53. Güterquelle §. 409. Beför-
derung §. 440. Arbeitstheilung u. Ver-
bindung §. 409. Arbeitslohn §. 324.
als Gegenſtand der Staatsſorge §. 446.
Arbeitshäuſer §. 461. Arbeitsrente §. 413.
Arbeiter, ſchaden ſich ſelbſt §. 375.
Arbitragen §. 349. 350.
Archicapellanu s §. 8.
Arme, Armencolonien, -Commiſſarien,
-Arbeiten, -Häuſer, -Kinderſchulen,
-Taxen §. 461.
Armuth §. 73. Urſachen §. 460.
Arrondirung der Grundſtücke §. 464.
Arſenikofen §. 281. N. 6.
Aſſecuranz, z. See §. 358. gegen Hagel,
Brand u. Viehunglück §. 456. im All-
gemeinen §. 455. Aſſecuranzgeſchäft mit
[784/0806]
Staatspapieren §. 349. A. Kaſſen, A.
Geſellſchaft §. 455. A. Prämie, A. Po-
lize §. 358.
Aſſociation, der Arbeiter und Lohnherrn
§. 312. N. 2.
Atzung §. 18.
Aufbereitung, der Erze §. 280.
Aufdecken §. 109.
Aufkäuferei §. 459.
Aufkratzen des Bodens §. 223.
Aufſchlag §. 22. 285.
Aufzug §. 306.
Ausbeißen §. 90.
Ausbeute §. 127.
Ausfuhrhandel §. 353.
— — Prämie §. 471.
— — Zölle §. 471.
Ausgaberückſtände §. 502.
Ausgehendes §. 86. 90.
Ausklengen, des Saamens §. 237.
Auskommen §. 73.
Ausmärker, Steuerpflicht §. 283. 285.
Ausſchlagen, der Erze §. 280.
Ausſetzbetrieb §. 262.
Ausſteuerkaſſe §. 457.
Austrageſtempel §. 280.
Austrecken §. 285.
Auswärtiger Handel, Zweig der Volks-
wirthſch. §. 435. Gegenſt. der Staats-
ſorge §. 471.
Auswandern §. 457.
Averie §. 356.
Averſalſätze, bei Conſumtionsſtern §. 500.
Note 5.
Aviſo, bei Wechſel §. 337. in der Spedi-
tion §. 363.
B.
Bache §. 252.
Balance §. 82. B. Buch §. 81.
Balancier §. 273 N. 4.
Bank §. 330. 416 N. 1. Gegenſtand der
Staatsſorge §. 444. B. Bruch, Bankerott
§. 369. Bankerottgeſetze §. 441. B. Fuß,
B. Geld §. 345. B. Geſchäfte §. 330
N. 3. B. Noten, B. Zettel §. 329. 330.
B. Scontro §. 370.
Banker §. 347. Bankers Notes §. 338.
Banco, Bankothaler §. 328. N. 3. §. 345 N. 2.
Bänke §. 87.
Bändermaſchine §. 303 N. 5.
Banndienſte §. 18.
Bannire §. 10.
Bannus regalis §. 10. 11.
Baratto §. 320.
Baſtpflanzen §. 167.
Baukunſt §. 310.
Baumfeldbetrieb §. 262.
— Garten §. 193. 194.
Baumkrankheiten §. 233.
— Meſſer §. 264. N. 2.
— Schule §. 193. 194.
Baumwolle, B. Spinnerei, B. Weberei
§. 306.
Bayſalz, Boyſalz §. 286 N. 2.
Bedarf §. 49. im häusl. Leben §. 75–77.
Bedürfniß, Begriff §. 46. Arten §. 47–49.
Beede, Urſprung §. 7 N. 2. B. Mund
§. 17 R. 11.
Beförſterungskoſten §. 497 N. 4.
Befrachter §. 355.
Behacken §. 151 N. 3.
Behäufeln §. 151 N. 3.
Beitragspflicht, der Gemeindeglieber zum
Gemeindebedarf §. 383.
Beitzvögel §. 250.
Beneficium §. 9.
Berg- und Hüttenverwaltung §. 511.
Bergbau §. 83. Zweig der Volkswirthſch.
§. 431. Gegenſt. der Staatsſorge §. 462.
Bergbohrer §. 92.
Bergelohn §. 358.
Bergen §. 107.
Bergmühle §. 115 N. 2.
— Schulen §. 462.
— Zehnten §. 462.
Bergwerksregal, Entſtehung §. 16. Ent-
äußerlichkeit §. 510.
Beſchickung §. 290 N. 2. 328 N. 7.
Beſchneiden, der Pflanzen §. 189.
Beſoldung §. 514 N. 9.
Beſoldungsſteuer §. 495.
Beſtätigungsjagd §. 251.
Beſtandtheile des Bodens, Erden §. 135.
Metalle, Salze, Humus §. 136.
Beſteuerungsrecht, Anfang §. 25 N. 2.
Betrieb, bergmänn., Bedürfniſſe §. 120. 121.
Arten §. 124. landw., Bedürfn. §. 207.
208. Arten §. 210. 211. forſtw., Be-
dürfn. §. 257–260. Arten §. 262.
werkmänn., Bedürfn. §. 311. 312. Arten
§. 314. kaufmänn., Bedürfn. §. 363.
Arten §. 366. Dienſtgewerbsbetr. §. 375.
Betriebsausgaben, bergmänniſche §. 126.
landw. §. 213. forſtw. §. 264. werk-
männ. §. 315. kaufmänn. §. 367.
Betriebseinnahmen, bergmänniſche §. 127.
landw. §. 214. forſtw. §. 264. werk-
männ. §. 316. kaufmänn. §. 368.
Betrug, Maaßregeln dagegen §. 451. 453.
Bevölkerung, Regulatoren §. 427. Gegen-
ſtand der Staatsſorge §. 457.
Bezahlung §. 342.
Bielbrief §. 355.
Bienenzucht §. 204.
Bier, Arten, Brauerei §. 299.
— Steuer §. 500.
[785/0807]
Billet, à ordre, à domicile, au porteur
§. 338.
Billion §. 328 N. 2.
Bills of Exchequer etc. §. 502.
Binnenhandel §. 353. Zweig der Volksw.
§. 435. Gegenſt. der Staatsſorge §. 470.
Birke §. 239. B. Huhn §. 254.
Blaufarbenofen §. 282.
Bleichen, des Wachſes §. 303 N. 5. der
Zeuge §. 306. der Seide §. 307. der
Lumpen §. 309.
Bleiofen, Villacher §. 282.
Bleiſeigerofen §. 282.
Bleiſtiftfabrication §. 293.
Blitzableiter §. 447.
Blumengärtnerei §. 191.
Blutzehnten §. 466.
Bodenbearbeitung §. 141. 223.
Bodenklaſſen §. 138.
Bodenkunde §. 134. 184.
Bodenmiſchung §. 145.
Bodmerei, B. Brief §. 357.
Böhnhaaſe §. 312.
Bohne §. 157.
Bohrgerüſte §. 94. B. Geſchäft §. 123.
B. Röhrenwerk, B. Stand §. 93.
Bons §. 502.
Bonus §. 504.
Boulton's Münzwerk §. 290 N. 8.
Brache §. 143.
Bracke §. 250.
Brand §. 158. 166. B. Aſſecuranz §. 456.
B. Brief §. 455. B. Hain §. 223 N. 5.
Branntſalz §. 287.
Branntwein, B. Brennerei §. 300. B
Monopol §. 483. Steuer §. 500.
Brechmaſchine, für Hanf u. Flachs §. 309.
Brechkämme §. 305 N. 5.
Bremsſchacht §. 105.
Brennen, der Zeuge §. 306.
Brennofen §. 285 N. 5.
Briefcopirbuch §. 370.
Brodacciſe §. 500.
Brodenfang §. 287.
Bruchbau §. 117.
Brückenbau §. 472.
Brückenfrohnden §. 18.
Brückengeld, der Gemeinden §. 385. des
Staats §. 497.
Brückenwage §. 324 N. 6.
Bruttogewicht §. 363. N. 4.
Buche §. 238.
Buchführung, bergmänn. §. 128. landw.
§. 215. forſtw. §. 265. werkmänn. §. 317.
kaufmänn. §. 370. dienſtgewerbliche §. 317.
Buchhaltung, einfache, doppelte, italieni-
ſche §. 79. 80. engliſche §. 370 N. 1.
Budget des Staats §. 515.
Budtheil §. 17. N. 11.
Bureauſyſtem §. 507.
Bürgerausſchuß, B. Meiſter §. 387.
Bürſten der Tücher, Bürſtmaſchine §. 305.
Burgunder Rübe §. 161.
Buſchiren §. 251.
Buße, königliche §. 10.
Butzenwerke §. 87.
C.
Cabotage §. 358.
Calcinirofen §. 281. N. 6.
Calculation §. 366.
Cambio marino §. 357.
Camerarius §. 8.
Canagium §. 17 N. 7.
Capitain, des Schiffs §. 355.
Capital §. 54. Arten §. 55. Anlagen §.
362. Güterquelle §. 410. C Rente, C.
Zins §. 424. C. Conto §. 82.
Capitalbock, C. Schaufler §. 252.
Capitalſteuer §. 494.
Capitularien §. 8.
Cargo, Cargadeur §. 355.
Casco, Aſſecuranz auf, §. 358 N. 1.
Caſſabuch §. 80. 81
Cataſtergeſchäfte §. 512.
Cautionsgelder, Benutzung durch den Staat
§. 502.
Cavalcade, eine Steuer §. 17 N. 6.
Cavelinen §. 367.
Census §. 7–11.
Centenarius §. 7.
Centgraf §. 7.
Centraliſationsſyſtem §. 514.
Centraliſirung §. 507.
Certepartie §. 355.
Certificate §. 504.
Cespitaticum §. 7 N. 7.
Chatoullgüter §. 478.
Checks §. 338.
Churos §. 200 N. 1.
Circulation §. 412.
Clearinghouse §. 344 N. 1.
Coccons §. 307.
Collecte, Steuer § 7 N. 13.
Collegien, Regirungs- §. 25.
Collegialſyſtem §. 507.
Colonialhandel §. 353. Zweig der Volksw.
§. 435. Gegenſt. der Staatsſorge §. 471.
Comes §. 7. C. Palatii §. 8.
Commandite §. 352.
Commiſſionshandel, Commiſſionair, Com-
mirtent §. 351. Commiſſionsbuch §. 351.
370.
Compagnie, Handels- §. 352. C. Handel,
Gegenſtand der Staatsſorge §. 470.
Compaß, Markſcheide-, Gruben- §. 89.
Compenſiren §. 344.
Compoſt, Dünger §. 147. 149.
Baumſtark Encyclopädie. 50
[786/0808]
Comptabilität §. 516.
Concurs §. 369.
Conjuncturen §. 366.
Connoſſement §. 355.
Conſignation §. 368. Conſigniren §. 357.
Conſtables §. 23 N. 1.
Conſumtion, Zweck und Art §. 428. Ver-
hältniß zur Production §. 429.
Conſumtionsſteuern §. 498. 499.
Conti §. 80. 81. C. finti §. 366.
Conto corrente§. 370 N. 2.Contocor-
rent-Buch §. 81. 370.
Contrajagd §. 251.
Contrapoſition §. 344.
Contremineurs §. 366.
Controlbuch §. 516 N. 1.
Conventus palatini §. 16.
Convon §. 359.
Copuliren, der Bäume §. 194 N. 3.
Couvons §. 504.
Courant §. 328 345.
Courtage §. 363 N. 4.
Covent §. 299 N. 11.
Credit §. 80.
Cubiktafeln, zur Berechnung der Baum-
ſtämme §. 264 N. 2.
Cubicularius §. 8.
Cultivator, Ackergeräthe §. 140.
Culturſachen, a. 534–888. §. 10 N. 1.
Cupuloofen §. 282.
Curs, Curszettel, des Geldes §. 347. der
Actien §. 348. der Staatspapiere §. 349.
der Wechſel §. 350.
Cylindergebläſe §. 276.
Cylinderofen §. 281 N. 6.
D.
Dach §. 90
Dachs §. 253. D. Hunde §. 250.
Damhirſch, D. Schaufler, D. Wild §. 252.
Dampfmaſchine, Theile u Arten §. 277.
Darmſaitenſpinnerei §. 302.
Darrofen §. 282.
Datowechſel §. 337.
Daumwelle §. 273 N. 4.
Davy's Sicherheitslampe §. 99.
Debet §. 80.
Decanus villae §. 7.
Decatiren §. 305.
Decharge der Rechnungen §. 516 N. 2.
Degraſiren §. 301 N. 12.
Degummiren, der Seide §. 307.
Deichordnung §. 443.
Del Credere §. 351.
Dendrometer §. 264 N. 2.
Depoſitenbank §. 330 N. 3.
Depoſitengelder, benutzt v. Staate §. 502.
Deſtilliren, der Erze §. 287.
Detailliſt §. 366.
Devalpation §. 328 N. 8.
Dickenwuchs, der Bäume §. 264 N. 1.
Dickrübe §. 161.
Diebſtahl, Maaßregeln dagegen §. 451. 452.
Dienſt, Dienſtgewerbe §. 372. 373. Zweig
der Volksw. §. 437. Dienſtgeld §. 18.
D. Betrieb §. 374.
Dienſtgewerbſteuer §. 495.
Differenzgeſchäft §. 349 N. 3.
Diluvium §. 85.
Dimenſionsſtempel §. 497 N. 2.
Dinkel §. 155.
Directe Steuern §. 487.
Disconto §. 342. 347. Discontiren §. 350.
Discontobank §. 330 N. 3.
Dismenbration, der Domänen §. 478.
Dispache, Dispacheur §. 356.
Dividende §. 335.
Docinaſie §. 83.
Docke §. 94.
Domänen a. 534–888 §. 11.; a. 888-
1272 §. 16.; a. 1272–1518 §. 22.
Bewirthſchaftungsarten §. 478. Veräu-
ßerlichkeit §. 508.
Domänenverwaltung §. 511.
Domesticus §. 7. 12.
Dominicalſteuer §. 494.
Domizilirter Wechſel §. 337.
Dornſalz §. 286 N. 10.
Dotationen, überhaupt §. 514.
Dotirung der Tilgkaſſe §. 505.
Dotter §. 171.
Doubliren, Doublirmaſchine §. 305. 307.
Drahtzieherei §. 289.
Dreifelderwirthſchaft §. 211.
Dreiläufer §. 252.
Dreſchen, Dreſchmaſchinen §. 153.
Dreſſiren, der Zeuge §. 306.
Drillmaſchine §. 140.
Drillwirthſchaft §. 144.
Droit fix, et proportionel §. 497 N. 3.
Droſſel §. 254.
Droſſelmaſchine §. 306.
Druſen §. 87.
Duckelbau §. 117.
Düngen §. 145. Dünger §. 148.
Dürftigkeit §. 73.
Dunkelſchlag §. 227.
Durchforſten §. 227.
Durchfuhrhandel §. 353. Gegenſtand der
Staatsſorge §. 470.
Durchſchneiden §. 290.
Dux §. 7.
Dynamometer §. 324 N. 7.
E.
Edelthier, E. Wild §. 252.
Effecten §. 334. E. Kunde §. 339. E.
Handel, Maaßregeln gegen Betrug darin
§. 453. Staatsaufſicht §. 469.
[787/0809]
Eggen §. 140.
Eiche §. 238. Eichhorn §. 253.
Eigene Wechſel §. 337.
Eigenlehner §. 122.
Einbanſen §. 182.
Einfuhrhandel §. 353. E. Prämie, E.
Zölle §. 471.
Eingewinne §. 109.
Einkommensſteuer, allgemeine §. 490.
Einkommenszweige §. 421.
Einnahme, Brutto-, Netto-, Roh-,
Rein- §. 62.
Einſchußgarn §. 305. 306.
Einwandern §. 457.
Eiſenbahn §. 472.
Eiſenbratofen, Eiſenfriſchofen §. 282.
Eisnetz §. 256.
Elementarverwaltung §. 511.
Emballage §. 363 N. 4.
Encyclopädie §. 2–4.
Engern, Engergeld §. 18.
Engliſches Syſtem §. 211.
Enregistrement §. 497.
Entenfuß, Ackergeräthe §. 140.
Entſümpfung, Maſchinen §. 139 N. 3.
Entwäſſerung, Maſchine §. 139 N. 3.
Erbpacht, landw. §. 209. forſtw. §. 261.
bei Domänen §. 478. bei Staatsforſten
§. 479.
Erbſchaftſteuer, Urſprung §. 22.
Erbſen §. 157.
Erbzehnten §. 22 N. 2.
Erbzinsverleihung §. 478.
Erdapfel §. 162.
Erdarten §. 135.
Erdbeben, Maaßregeln §. 447.
Erdbohrer §. 92.
Erfindungspatente §. 468.
Erhaltung, allgem. Regeln §. 70.
Erhebung, der Steuern §. 512.
Erkälter §. 299. 300.
Erle §. 239.
Erläuterungsprotocoll §. 515.
Ernte §. 152. 190.
Erübrigen §. 72.
Erwerb, Erwerben §. 45. 56. E. Arten
des Staats §. 475. E. Stamm §. 54.
E. Werth §. 402. 417.
Erzklein §. 280.
Eſche §. 240.
Escurial, Heerde §. 200 N. 1.
Eſparſette, Eſper §. 178.
Estantes §. 200 N. 1.
Etatsbuch §. 515.
Etatsweſen des Staats §. 515.
Eulen §. 255.
Ewige Rente §. 336.
Extirpator, Ackergeräthe §. 140.
F.
Fabrik §. 314. 434.
Factorei §. 352 N. 3.
Factura §. 351. F. Buch §. 81.
Fällungsplan §. 263.
Färbepflanzen §. 173. 175.
Fahnlehen §. 14 N. 2.
Fahrtanſtalten §. 98.
Fallen, der Lagerſtätten §. 88. Inſtru-
mente, um es zu beſtimmen §. 89.
Falliment §. 369.
Falſche Wechſel §. 337.
Fangjagd §. 251.
Faſan, Faſanerie §. 254.
Federviehzucht §. 203.
Federwage §. 324 N. 7.
Federwild §. 254. 255.
Fegemühle §. 153 N. 5.
Fehmelbetrieb §. 262.
Fehmgericht §. 21.
Feimen §. 159.
Feingehalt §. 290 N. 2.
Feinſpinnen, Feinſpindelbank §. 306.
Feldbauſyſteme §. 210. 211
Felddiebſtahl §. 452. F. Frevel §. 454.
Fenſterſteuer §. 494.
Fettwolle §. 305.
Feudalismus §. 13.
Feuerſchaden, F. Löſchmittel ꝛc. §. 448.
F. Aſſecuranz §. 456.
Fichte §. 243.
Fimmelbetrieb §. 262.
Finanz, F. Collegien, die erſten §. 22.
F. Verwaltung vor a. 534 §. 7.; a.
534–888 §. 11.; a. 888–1272 §. 16.;
a. 1272–1518 §. 22.; a. 1518–1648
§. 25. F. Wirthſchaft, F. Geſchichte
§. 473. F. Maximen, allgem. §. 474.
F. Regalien §. 480. Entäußerlichkeit
derſelben §. 510. F. Miniſterium §. 507.
Finanzetats §. 515.
Fingirte Wechſel §. 337.
Finiſſiren, der Zeuge §. 306.
Fiscaliſche Rechte §. 16. 22.
Fiſchereiregal, Entäußerlichkeit §. 510.
Fiſche, F. Teiche, F. Zucht §. 205. Fi-
ſcherei §. 256. F. Ottern §. 253. F. Weh-
ren, Weiden, Porte, Zäune §. 256.
Fiſolen §. 157.
Flachs §. 168. F. Röſten §. 169. F. Spinn
maſchine §. 308.
Flaggmaſchine §. 306.
Flammenofen §. 282.
Flaſchenmaſchine §. 306.
Fleiſchacciſe §. 500.
Flintmaſchine §. 306.
Flößerei §. 258. 259. F. Gelder §. 385.
Flötzgebilde §. 85.
[788/0810]
Floretſeide §. 307.
Flüſſe, Fahrbarmachen §. 472.
Flugſand §. 139.
Förderung, Arten §. 104–106.
Förſtenbau §. 114.
Förſter a. 534–888. §. 12.
Foresta, Forestarii a. 534–888 §. 12.
Formen, der Staatsſchuldſcheine §. 504.
Forſt, F. Betrieb §. 262. 467. F. Etat,
Rechnungsweſen §. 265. F. Schutz, Un-
kräuter, Unthiere §. 233. F. Statik §.
264. F. Statiſtik §. 263. F. Taxation
§. 266. 267. F. Wirthſchaft §. 219. als
Zweig der Volksw. §. 433. als Gegenſt.
der Staatsſorge §. 467.
Fracht, F. Brief, F. Fahrer §. 363. N. 4
F. Diebſtahl §. 452. F. Anſtalten, ein
Beförderungsmittel des Verkehrs §. 470.
Fräuleinſteuer §. 22.
Freihäfen §. 470.
Friſchling §. 252.
Friſiren der Zeuge §. 306.
Frohnden, vor a. 534 §. 7., a. 534–888.
§. 11., a. 888–1272. §. 18. Ablöſung
§. 463.
Fuchs §. 253.
Fürſtengericht §. 17.
Funddiebſtahl §. 452.
Fundirte Schuld §. 505.
Fuſti §. 867.
Futtergeld §. 17.
Futter, F. Gräſer, F. Kräuter, F. Pflan-
zen §. 177. 179.
G.
Gabelbock §. 252.
Gabelmaaß §. 264 N. 2.
Gabler §. 252.
Gänge §. 87. 88. 107.
Galeerenofen §. 281 N. 6.
Garantie, bei Staatsanleihen §. 504.
Garenen §. 256.
Garheerd §. 282.
Gartenbau §. 183. a. G. Arbeit §. 186.
G. Gewächſe §. 185.
Gastaldio §. 7. 12.
Gebieten, frühere Bedeutung §. 10.
Gebläſe, Kaſten- oder Cylinder-Gebl., hy-
doſtrat. oder baderſches Gebl. §. 276.
Gebrauch §. 71. Gebrauchswerth §. 39. 57.
402. 417. als Maaßſtab des Vermögens
§. 403.
Gebrauchsſteuern §. 497.
Gebundenheit, der Landgüter §. 464. der
Forſte §. 467.
Gedingarbeit §. 68.
Gefälle, im Hüttenweſen §. 280. auf Land-
gütern des Staats, Verwaltung §. 478.
Gefällſteuer §. 494.
Geheimbuch §. 80. 81.
Geier §. 255.
Geitz §. 72.
Geld, als Tauſchmittel §. 60. als Waare
§. 236. G. Stoff §. 329. G. Münze §.
328. G. Kunde §. 331. G. Handel, G.
Curs, G. Curszettel, G. Pari §. 347.
G. als Umlaufsmittel §. 413. als Ge-
genſtand der Staatsſorge §. 442. G. Han-
del, Maaßregeln gegen Betrug in dem-
ſelben §. 453. Gegenſt. der Staatsſorge
§. 469. G. Wirthſchaft im Staatsfinanz-
weſen §. 475.
Geleitsgeld, Urſprung §. 22. zur See §. 359.
Geleuchte §. 101.
Gemachte Wechſel §. 337.
Gemeinde, Entſtehung und Entwickelung
§. 387. G. Obligationen §. 336. G. Fel-
der, Güter, Liegenſchaften §. 379. Ver-
theilung derſelben z. Nutzung N. 1. Ver-
waltung derſelben N. 2. Steuerfreiheit
derſelben §. 385. Veräußerung, Verpfän-
dung, Ankauf derſelben §. 388. G. Wal-
dungen, Gebäude §. 380. G. Gerechtſa-
me §. 381. G. Frohnden §. 283. 385.
G. Umlagen §. 383–385. G. Kredit,
Schulden §. 386. G. Rath, Förſter, Ver-
rechner, Verſammlung §. 387. G. Aus-
gaben §. 390. Einnahmen §. 391. deren
Erhebung §. 389. G. Ueberſchüſſe §. 391.
G. Cataſter, Kaſſenweſen §. 389. G.
Etats §. 392. G. Verrechnung §. 393.
Gemeinheitstheilung §. 464.
Gemeinſchaft, häusliche §. 64.
Gemüſebau §. 192.
Generalobligation §. 504.
Generalpacht §. 478.
Genußſteuern, als Mittel gegen den Luxus
§. 458. als Quelle v. Staatseinkommen
§. 496.
Geognoſie, Geologie §. 83.
Gepräge §. 328.
Geräthſchaften, chemiſche §. 271.
Gerbelut §. 367.
Gerberei 301.
Gerſte §. 155.
Gerichtsbarkeit vor a. 534. §. 7., a. 534
-888. §. 10., a. 888–1272. §. 15.,
a. 1272–1518. §. 21.
Gerichtsdienſte §. 18.
Geſchenke, als Abgaben §. 7. N. 6.
Geſchirr, b. Papiermachen §. 309.
Geſenke §. 95.
Geſinde §. 67.
Geſtänge §. 95.
Geſtein, Arten nach Feſtigkeit und Textur
§. 102.
Geſümpfe §. 116.
Getreide §. 154. Unfälle deſſelben §. 158.
[789/0811]
G. Bau, G. Ernte §. 155. G. Mühle
§. 294. G. Wucher §. 459.
Getriebe §. 273.
Gewächshäuſer §. 189.
Gewährsadminiſtration §. 478.
Gewerbe §. 45. G. Freiheit §. 467. G.
Mißbräuche, Schulen §. 440. G. Poli-
zei §. 438. G. Gewinn §. 425. G. Be-
trieb, Maaßregeln gegen Betrug in dem-
ſelben §. 453.
Gewerbſteuer §. 493.
Gewerke §. 45. als Zweig der Volksw. §.
434. G. Pflanzen §. 176. Maaßregeln
gegen Betrug in den Gewerken §. 453.
Einwirkung der Staatspolizei auf ſie §.
467. G. Vereine 468.
Gewerkſchaft §. 122.
Gewicht, abſolutes, ſpeziviſches G. Stöcke
§. 324. G. und Maaßkunde §. 325.
Gewitter, Anſtalten gegen ſeine Schaden.
§. 447.
Gewürzpflanzen §. 164.
Gezähe §. 101.
Gipsabgießerei §. 291.
Gipsen §. 149.
Girant, Giratar, Giro, Giro in bianco §.
337. Girobank §. 345.
Glas, Arten, Bereitung §. 292.
Gleucometer §. 324 N. 8.
Glücksſpiele, z. verbieten §. 458.
Gölthier §. 252.
Göpel §. 274.
Gold §. 328. Werthsverhältniß z. Silber N. 5.
Gradationsſtempel §. 497.
Gradbogen §. 89.
Gradirung, der Soole §. 286.
Graf §. 7. Grafenſchatz §. 7. 18. Graf-
ſchaft §. 9. 14.
Graphit §. 293.
Graupen, im Hüttenweſen §. 280. v. Ge-
treide §. 294.
Graviones, Greviones §. 7.
Grobcourant §. 328 N. 10.
Grobſpindelbank, Grobſtuhl §. 306.
Grosaventurei §. 357.
Großhandel §. 366. Zweig d. Volksw. §. 435.
Groſſiſt §. 366.
Grosvogt §. 24.
Grubenmauerung §. 97.
Grubenriſſe §. 125.
Grubenzimmerung §. 96.
Grützmühle §. 294.
Grummet §. 182.
Grundbuch §. 212.
Grundrente, Arten, Regulatoren §. 422.
Grundſteuer, Anfang §. 7. Beurtheilung
§. 492.
Guadeloupe, Heerde §. 200 N. 1.
Gülten §. 22. Ablöſung §. 463.
Güter, Begriff §. 37. Arten §. 38. 398.
G. Quellen §. 53. 54. 407–410. G.
Umlauf, Vertheilung §. 412.
Gutſcheine §. 502.
Gutsgefälle, der Domänen §. 478.
Gutsherrliche Verhältniſſe, Gegenſtand der
Staatsſorge §. 463.
H.
Haarwild §. 252. 253.
Haaſe §. 252.
Haben §. 80.
Habſucht §. 72.
Hackwaldbetrieb §. 262.
Häuſerſteuer §. 494.
Hafer §. 155.
Hagel, Anſtalten dagegen, Hagelableiter §.
447. H. Aſſecuranz §. 456.
Hageſtolzenrecht §. 17. N. 11.
Hainbuche §. 240.
Hainen, Hainhacke §. 223.
Hacken, Ackergeräthe §. 140.
Halbhochhofen §. 282.
Halbzeug §. 309.
Halmfrüchte §. 155. 156.
Handel §. 319. 320. auf Lieferung, auf
Prämie §. 315. Zweig der Volksw. §.
435. Gegenſt. der Staatsſorge §. 469.
H. Bilanz §. 435. H. Billet §. 338.
H. Compagnie §. 352. H. Conſuln §. 471.
H. Kredit §. 343. H. Syſtem §. 397.
H. Unkoſtenbuch §. 370. H. Verträge
§. 471. H. Würdigkeit §. 322. Hand-
lung §. 320.
Handelſteuer §. 494.
Handlohn, Urſprung §. 22. Ablöſung §. 463.
Handſcheiden §. 280.
Handſpinnrad §. 308.
Handwerk §. 314. Vergl. mit d. Fabrik §. 434.
Hanf §. 168. H. Röſten §. 169.
Harfen, für's Getreide §. 159.
Harz, Arten §. 296. H. Reißen §. 237.
Haſelhuhn §. 254.
Haſpel §. 273. 274.
Hatzjagd §. 251. H. Haude §. 250.
Haubarkeit der Wälder §. 234.
Haufwerk §. 280.
Hauptbuch, Hauptbücher §. 80. 81.
Hauptrecht §. 17. N. 11.
Hauptſchuldverſchreibung §. 504.
Hauptſchwein §. 252.
Hausarme, Verſorgung §. 461.
Hausbuch §. 80. 81.
Hausdiebſtahl, Maaßregeln dagegen §. 452.
Hauſirhandel, H. Patent §. 470.
Hauskinder, Mutter, Vater §. 65.
Hauswirthſchaft §. 63. Organiſation der
häusl. Geſchäfte §. 69. Maaßregeln ge-
gen Betrug in derſelben §. 453.
[790/0812]
Haverei §. 356.
Hazardſpiele, z. verbieten §. 458.
Heber, Steh- u. gekrümmter §. 276.
Heberollen, Hebregiſter §. 512.
Hechel, H. Maſchine §. 308. N. 4.
Heckenwirthſchaft §. 231.
Heerbann, Heribanus §. 9.
Heerdſteuer §. 494.
Heerfahrtsdienſte §. 18.
Hegen, des Wildes §. 249.
Heidſchnucke §. 200. N. 2.
Heintzen, §. 182.
Heirathen §. 457.
Herbergen §. 18.
Herrendienſte §. 18. H. Frohnden, Urſprung
§. 7. N. 8.
Hervorbringung, Weſen §. 50. Beziehun-
gen §. 51. 52. 404. Zweige 405. Ver-
hältniß z. Verzehrung §. 429.
Heuernte §. 182.
Herzogthum §. 9. 14.
Hieb, Arten §. 228. 234. 235.
Hirſch §. 252.
Hirſe §. 156.
Hobelpflug §. 140.
Hochofen §. 282.
Hochwald §. 227.
Höhenmeſſer, H. Wuchs §. 264.
Hoffnungskauf §. 349.
Hofgerichte §. 15. 21.
Hofrath §. 25.
Hofrichter §. 13. 15.
Holländer §. 309.
Holz, H. Pflanzen Organismus §. 226.
H. Pflanzung §. 225. H. Saat. §. 224.
H. Sortiment §. 236. H. Säure §. 296.
H. Eſſigſäure §. 298. H. Transport §.
258. H. Verkauf §. 254. H. Taxen §.
479. N. 3.
Hopfen §. 165. 166.
Hühnergeld, H. Vogt §. 17. N. 11.
Hülſenfrüchte §. 157.
Hüttenkunde, H. Weſen §. 279. b.
Humus §. 136. H. Boden §. 137.
Hunde zur Jagd, verſchiedene §. 250.
Hundekorn, H. Steuer §. 17.
Hydrauliſche Wage, Hydrometer, Hydroſta-
tiſche Wage §. 324.
Hypothekenweſen §. 441.
I.
Jagd §. 246. a. Mittel §. 250. Arten §.
251. J. Hunde, H. Vögel §. 250. Re-
gal, Entäußerlichkeit §. 510.
Jägergeld §. 17. N. 8.
Jäten §. 151.
Jennymaſchine §. 306.
Iltiß §. 253.
Impoſt §. 22.
Inchartirung §. 485.
Incisura §. 17. N. 13.
Indirecte Steuern §. 487.
Indoſſament, Indoſſant, Indoſſator §. 337.
Indult §. 369.
Induſtrialſteuern §. 487.
Induſtrieſchulen §. 440.
Infantado, Heerde §. 200. N. 1.
Inferenda §. 7. N. 9.
Information §. 216. 217.
Inſcription §. 336. 504.
Interimswechſel §. 337.
Intermedirender Betrieb §. 262.
Intervention zu Ehren §. 337.
Inventarium §. 217. 314.
Inzucht §. 195.
Journal, kaufmänn. §. 81.
Iranda, Heerde §. 200 N. 1.
Judenſchutzgeld §. 11. 17.
Judices §. 7.
Juſtification der Rechnung §. 516 N. 2.
Juſtizverwaltung, Verfaſſung vor a. 534.
§. 7.; a. 534–888. §. 10.; a. 888-
1272. §. 15.; a. 1272–1518. §. 21.
K.
Kämmerer §. 8.
Kalander §. 396. N. 19.
Kalkboden §. 137.
Kalkgruben, der Gemeinden §. 380.
Kameralwiſſenſchaft, hiſtor. Entwickelung
§. 26. Entſtehung §. 27. Studium §. 28.
Bearbeitung §. 29. engere Bedeutung
§. 29. Einfluß der Staatswiſſenſchaft,
Geſchichtsforſchung und der Theorie des
Volksvermögens auf ſie §. 30–34.
Schriftſteller §. 35. 36. Begriff §. 39.
Syſtem §. 40. 44. K. Collegien §. 24.
K. Güter. Begriff vor a. 534. §. 7.; a.
888–1272. §. 16. Verwaltung derſel-
ben §. 378. K. Meiſter §. 24. K. Ver-
waltung vor a. 534. §. 7.; a. 534-
888. §. 11; a. 888–1272. §. 16-
18.; a. 1272–1518.; §. 22–24.; a.
1518–1648. §. 25.
Kammer, Bedeutung des Wortes §. 5–6.
im kaufmänn. Sinne §. 367.
Kammmaſchine §. 306.
Kanäle §. 472.
Kanariengras §. 156.
Kanzler §. 13.
Karavane §. 354.
Kardätſchen §. 305.
Kartoffelbau §. 162. 163.
Kaſſenſcontro §. 370.
Kaſſenweſen des Staats §. 516.
Kaſtengebläſe §. 276.
Kaſtengüter §. 7.
Katze, wilde §. 253.
[791/0813]
Kegelölmühle §. 295.
Keiler oder Keuler §. 252.
Kellerwechſel §. 350.
Keſſeljagd §. 251.
Kette, Kettgarn §. 306.
Kichererbſe §. 157.
Kiefer, §. 243.
Kienöl §. 296.
Kienrußſchwelerei §. 296.
Kinder, arbeitende, Behandlung §. 440.
Kitze §. 252.
Kladde §. 80. 81.
Klaftermaaß §. 264. N. 2.
Klaſſenſtempel §. 497.
Klaſſenſteuer §. 488. 490 N. 3.
Klauben, Klaubbühne §. 280.
Klee §. 178.
Kleincourant §. 328. N. 10.
Kleinhandel §. 366. als Zweig der Volks-
wirthſchaft §. 435. Gegenſtand der Staats-
ſorge §. 470. VI.
Knappſchaftskaſſen §. 462.
Knieſtreichen §. 305. N. 5.
Knollengewächſe §. 160.
Königspfennig §. 7. 18. K. Steuer §. 17.,
außerordentliche K. Steuer §. 7. 11.
Körnmaſchine §. 303 N. 5.
Kohlen, Kohlenklein §. 116. K. Brennerei
§. 298.
Kohlrabe, Kohlrübe §. 161. Kohlreps §. 171.
Kopfholzwirthſchaft §. 230.
Kopfſteuer, Urſprung §. 17. Beurtheilung
§. 488.
Koppelhunde §. 250.
Koppelwirthſchaft §. 211.
Korn, im Münzweſen §. 290. Berechnung
§. 328 N. 7.
Korn, das Getreide §. 155. K. Geſetz §. 471.
K. Magazine, K. Wucher §. 459.
Krähen §. 255.
Krämerwage §. 324 N. 4.
Kräuſel §. 163.
Kraftmeſſer §. 324 N. 7.
Kramhandel §. 470.
Krankheiten, des Getreides §. 158. d. Kar-
toffel §. 164. d. Gewürzpflanzen §. 166.
der Baſtpflanzen §. 169. d. Färbepflanzen
§. 175. der Futterpflanzen §. 179. der
Gartenpflanzen §. 189. d. Pferde §. 198.
des Rindviehes §. 199. der Schaafe §.
201. der Schweine §. 202. der Bienen
§. 204. der Fiſche §. 205. d. Seiden-
raupe §. 206.
Krapp §. 174.
Kratzen §. 305. Kratzmaſchine §. 306.
Krautfrüchte §. 157.
Kredit §. 343. als Umlaufsmittel §. 415.
K. Anſtalten, landw. §. 465. K. Ein-
richtungen §. 416.
Kreißen §. 251.
Krempeln §. 305. K. Maſchine §. 306.
Kreutzen §. 195.
Kriegsverwaltung, Verfaſſung vor a. 534.
§. 7., a. 534–888. §. 9., a. 888-
1272. §. 15., a. 1272–1518. §. 31.,
a. 1555. §. 25. N. 2.
Kronausdehnung der Bäume §. 264. N. 1.
Krummhölzerbau §. 111.
Krummholzöl §. 296.
Krummofen §. 282.
Küſte, im Hüttenweſen §. 280.
Küſtenhandel §. 355.
Kunſt, Kunſtgewerbe §. 41. 268. Zweig
der Volksw. §. 434. Gegenſt. der Staats-
ſorge §. 467.
Kunſtgewerbſteuer §. 493.
Kunſtkreutz §. 273 N. 4.
Kunſtröſte §. 308.
Kupferbrand §. 166.
Kurbel §. 273.
Kura §. 122.
L.
Lachter §. 90.
Lactometer §. 324.
Lärche §. 243.
Läuferölmühlen §. 295.
Läutern, Läuterwäſche §. 280,
Lager §. 87.
Lagerbücher §. 212.
Lagerhäuſer §. 470.
Landesbergkaſſe §. 462 N. 2.
Landesdienſte §. 18.
Landesdomänen §. 11.
— Gerichtsbarkeit a. 1272–1518 §. 21.
— Hauptleute §. 23 N. 1. §. 24.
— Herrlichkeit §. 14.
— Regirung a. 1518–1648. §. 25
N. 3.
— Schatzung §. 22.
— Steuern §. 17.
— Verfaſſung a. 1272–1818. §. 19. 20.
Landfolge §. 18.
— Gerichte §. 15.
— Güter, große u. kleine, verglichen §. 432.
— Handel §. 354. Gegenſtand der Staats-
ſorge §. 432.
— Hute §. 18.
— Münze §. 328 N. 2.
— Stände a. 888–1272. §. 13., a. 1272
-1518. §. 20.
— Straßen §. 472.
— Wehr, eine Steuer §. 17. N. 13.
— Wirthſchaft §. 132. Zweig der Volksw.
§. 432. Gegenſt. der Staatsſorge §.
363–365. Landw. Verſuche §. 210.
Landſchaftsgärtnerei §. 244. a.-246.
Langſchubhauen §. 113 N. 2.
[792/0814]
Lanzknechte §. 21.
Lappenjagd §. 251.
Lasreidel §. 228. 229.
Laternenbank e. §. 306.
Laubholzbau §. 238. 242. L. Sträucher
§. 242.
Laufrad §. 274.
Laugenprobe §. 304.
Lebensverſicherungsanſtalten §. 460.
Leckſalz, L. Stein §. 286. N. 10.
Legirung §. 290.
Lehen a. 534–888. §. 9., Lehensmiliz §.
15. L. Verfaſſung a. 534–888. §. 13.
Lehmgrube, der Gemeinden §. 388.
Leibbeede §. 17. N. 12.
Leibeigenſchaft, abzuſchaffen §. 67.
Leibespflichten §. 17.
Leibgeld, L. Korn, Pfenning, Schilling,
Zins §. 17 N. 12. L. Rente §. 336
503. L. Steuermeiſter §. 17 N. 11.
Leihanſtalten, L. Häuſer §. 460. L. Bank
§. 330. N. 3. L. Geſchäft §. 360. als
Zweig d. Volksw. §. 436.
Leihgewerbſteuer §. 494.
Leimen, der Wolle §. 306.
Lein §. 168. 169. Lein-Webſtuhl §. 308.
Leinewandſpinnerei, Weberei 308.
Leithunde §. 250.
Leoneſiſche Raſſe §. 201 N. 1.
Lerche §. 254.
Lichtſchlag §. 227.
Liebnuß §. 7 N. 6.
Liegende Stöcke §. 87.
Linde §. 241.
Linſe §. 157.
Lizent, Urſprung §. 22.
Lizenzen §. 493 N. 3.
Lochholz §. 93.
Löhnung, der Arbeiter §. 312 N. 2. §. 315.
Löthigkeit des Silbers §. 290. der Salz-
lauge §. 286 N. 4.
Lohe §. 301 N. 3.
Lotterie §. 484 N. 2.
— — Anleihen §. 503.
— — Looſe §. 336.
— — Regal §. 484. Entäußerlichkeit §. 510.
Lotto §. 484 N. 2.
Luchs §. 253.
Lumpenſchneider §. 309. L. Siebmaſchine
N. 5. Waſchmaſchine N. 3.
Luſtbarkeiten, Gegenſt. d. Staatsſorge §. 458.
Luxus §. 42. Ob verwerflich §. 72. 428.
L. Geſetze §. 458 L. Steuern, als Mit-
tel gegen Luxus §. 458.
Luzerne §. 178.
M.
Maaße §. 523. M. und Gewichtskunde
§. 325.
Maceriren, der Lumpen §. 309. N. 6.
Mächtigkeit der Lager §. 90.
Mähen, Mähemaſchine §. 152. 190.
Mählbrief §. 355.
Makler §. 363 N. 4. M. Ordnung §. 470.
Mäßigkeitsvereine §. 458.
Mäſtung §. 197.
Mahlmühle §. 294.
Mahlſteuer §. 500.
Mais §. 156.
Maiſche, Maiſchen §. 299. 300.
Majer, Major §. 7. N. 12. Major domus §. 8.
Malz, Arten §. 299.
Mangel §. 73.
Mangen §. 306.
Manifeſt §. 355.
Manual §. 80. 81.
Manufactur §. 314. vergl. mit Handwerk
§. 434.
Maréchaussée §. 23 N. 1.
Marder §. 253.
Mark, kölniſche, franzöſiſche, engliſche §.
290 N. 2.
Markſcheidekunſt §. 125.
Marktrechte, der Gemeinden §. 381 N. 3.
Maſchinen §. 272. Vor- und Nachtheile
für den Unternehmer §. 312. in Volks-
wirthſch. Hinſicht §. 410. N. 8. M. Theile
§. 273.
Maſſenzunahme des Holzes §. 264 N. 2.
Maßholder §. 240.
Materialienkunde, techniſche §. 269.
Mederheder, Mederhederei §. 355.
Meerhuhn §. 254.
Mehl, Getreide, Arten §. 294.
Mehlacciſe §. 500.
Mehlfuhren, b. Hüttenweſen §. 280.
Memorial §. 80. 81.
Mengemittel, landw. §. 147. 149.
Mercantilſyſtem §. 397.
Mergeln §. 147. 149. M. Gruben, der
Gemeinden §. 380.
Merinos §. 200 N. 1.
Meſſingbereitung §. 288. M. Ofen §. 282.
Meßbrief §. 355. M. Buch §. 370. M.
Schnur §. 264 N. 2. M. Wechſel §. 337.
Metallgeld §. 60. 328. als Umlaufsmittel
§. 413.
Metis §. 200 N. 1.
Miethzins §. 360. Beſtandtheile §. 361.
Milch, v. Kühen §. 199. v. Schaafen §. 200.
M. Meſſer §. 324. N. 8.
Militairfrohnden §. 18.
Mineralogie §. 83.
Minirer §. 366.
Miniſterium, von a. 534–888. §. 8., v.
a. 888–1272. §. 12.
Miſe §. 335.
Missaticum §. 7 N. 8.
[793/0815]
Missus regius §. 12. 14.
Miſt §. 145. M. Beete §. 187.
Mittelgraben, beim Schlämmen §. 280.
Mittelſtempel, b. Pochwerken §. 280.
Mittelwald §. 229.
Moder §. 136.
Möhren §. 161.
Mohn §. 171.
Moorhirſe §. 156.
Meratorium §. 369.
Moſtſteuer §. 500 N. 5.
Moſtwage, M. Meſſer §. 324 N. 8.
Mühlenordnung §. 453 N. 2.
Münze, Münzfuß §. 328. Gegenſt. d. Staats-
ſorge §. 442. Münzkunde §. 332. M.
Füße N. 2. M. Aus- und Einfuhrverbote,
M. Geſetze §. 442. Münzregal, Urſprung
§. 7. 11. 16. Verwaltung §. 511. Ent-
äußerlichkeit §. 510. M. Schienen, M.
Fabrikation §. 290.
Mulemaſchine §. 306.
Muſtergüter, M. Wirthſchaft §. 465.
Muſterrolle §. 355.
Muthen, Muthſchein, M. Zettel §. 122.
Mutterlauge §. 284.
N.
Nachbier §. 299 N. 6.
Nachdruck §. 468.
Nachhaltsbetrieb §. 262.
Nachſteuer, Urſprung §. 22.
Nachtfelden §. 18.
Nadelholzbau §. 243. N. Sträucher §. 244.
Nationalcapital §. 410. Einkommen §. 411.
Sein Verhältniß zum Aufwande §. 430.
Nationalöconomie §. 394. Geſchichtliches
§. 395. 396.
Natur, Güterquelle §. 408. N. Rente §. 422.
N. Kräfte, Förderung ihrer Benutzung
§. 439.
Naturaldienſte, Urſprung, N. Verpflegung,
öffentlicher Beamten im Mittelalter §. 7.
11. N. Wirthſchaft des Staats §. 475.
Navigationsacte §. 472.
Nebenbücher §. 81.
Nebenforſtnutzung §. 237.
Nebengang §. 87.
Nebengeſtein §. 87.
Negociation der Staatsanleihen §. 504.
Negretti, Heerde §. 200 N. 1.
Neſter §. 87.
Nettogewicht §. 363.
Neubruchzehnte §. 463.
Niederlagen §. 470.
Niederwald §. 228.
Nieren §. 87.
Noliſſement §. 353.
Nominalwerth, d. Actien §. 348. d. Staats-
papiere §. 349. §. 503.
Noppen, N. Eiſen, N. Maſchine §. 305.
Notabilienbuch §. 515.
Notenbank §. 330. verſchiedene in Europa
und America §. 333 N. 1.
Nothadreſſe §. 337.
Nothreißen §. 7. N. 8.
Novalzehnte §. 463.
Nüchternheitsvereine §. 458.
Nutzbare Mineralien, Anzeigen davon §. 86.
O.
Oberamtmann §. 24.
Oberhöfe §. 21.
Oberholz §. 229.
Oberſtänder §. 229.
Obſt §. 194 N. 1. O. Bau §. 193. O. Gar-
ten, ebendaſelbſt.
Oculiren §. 194. N. 3.
Octroi, ſtädtiſches §. 385 N. 3.
Oeconomie §. 39 N. 5.
Oelmühle §. 295.
Oelpflanzen §. 170. 172.
Oenometer §. 324 N. 8.
Omnium §. 504.
Ordentliche Steuer v. Nichtlehnsleuten §. 17.
Organſinſeide §. 307.
Ortsarme, Verſorgung §. 461.
Ortsfrevel §. 454.
Oryctognoſie §. 83.
P.
Paarung §. 195.
Packhöfe §. 470.
Pacht, P. Contrakt, landw. §. 109 N. 3.
Forſtw. §. 261 N. 1. P. Zins, Weſen
§. 360. 422. Beſtandtheile §. 361. Re-
gulatoren 422.
Panſterrad §. 275 N. 3.
Papier, gewöhnliches und ohne Ende, P.
Form, Leim, Maſchine, Mühle, Preſſe §. 309.
Papiergeld §. 160. 329. P. Kunde §. 333.
Daſſelbe als Umlaufsmittel §. 414. als
Gegenſt. der Staatsſorge §. 443.
Pappel §. 339.
Parangaria, Parata, Paravedi §. 7 N. 8.
Parforcejagd §. 251. P. Hunde §. 250.
Pari, des Geldes §. 347. der Actien §. 348.
d. Staatspapiere §. 349.
Partialobligationen §. 504.
Pascuarium §. 7.
Paſſivhandel §. 353.
Paſtinacke §. 161.
Patentſteuer §. 493.
Patricius §. 7.
Patron, des Schiffs §. 355.
Paular, Heerde §. 200 N. 1.
Pech, Arten, P. Griefen, P. Schwelerei §. 296.
Pedagium §. 7. N. 7.
Perſonalaufwand §. 514.
Perſonalſteuer, Urſprung §. 7. 17. Beur-
theilung §. 487. 488.
Pfalzgraf §. 8. 13. 16.
Baumſtark Encyclopädie. 51.
[794/0816]
Pfandhäuſer §. 460.
Pfannenſtein 3. 287.
Pfeilerbau §. 110. 111.
Pferdehacken §. 140. Pf. Wirthſchaft §. 144.
Pferde, Pf. Raſſen, Pf. Zucht §. 198.
Pfingſttänze §. 18.
Pflanzung §. 150. 188.
Pflanzbohrer, Pf. Kamp. §. 225 N. 3.
Pflaſtergeld, der Gemeinden §. 385 N. 4.
Pflückmaſchine §. 307.
Pflüge §. 140. Pflügen §. 142.
Pflugſteuer §. 17.
Pfropfen §. 194 N. 3.
Pfuhl §. 145.
Pfund, Sterling, Pf. Vlämiſch §. 328.
Phyſiocratie, phyſiocratiſches Syſtem §. 397.
Piacerewechſel §. 337.
Pingenbau §. 109.
Placita, placitare §. 11 N. 8. §. 12.
Pläntern, dunkles §. 227. Plänterhieb §. 262.
Pochen, Pocherz, P. Gänge, P. Mehl, P.
Sohle, P. Trog, P. Werke, P. Werks-
trüben §. 280.
Pönhaaſe §. 312.
πολιτεια§. 23. §. 7.
Polizei, Entſtehung §. 23. Begriff u. Theile
§. 438. ſtädtiſche §. 23 N. 1.
Polizeitaxen §. 445.
Polytechniſche Schule §. 440.
Pontaticum §. 7 N. 7.
Poſt, P. Anſtalt, Entſtehung §. 25. Gegen-
ſtand der Staatsſorge §. 470. P. Dieb-
ſtahl, Maaßregeln dagegen §. 452. P.
Regal §. 485. P. Entäußerlichkeit §. 510.
P. Verwaltung §. 511.
Präcipitivkaſten §. 284.
Präciswechſel §. 337.
Prägſchätz §. 290 N. 2. Berechnung §. 328.
N. 7.
Prämiengeſchäft §. 349 N. 3.
Präſentant §. 337.
Prätſchmaſchine §. 306.
Preis §. 57. 417. Regulatoren §. 58. 59.
418. 419. Arten §. 61., im Handel §. 340.
als Maaßſtab des Vermögens §. 403.
420. P. Mittel §. 60. P. Courant §. 366.
Preſſen, hydrauliſche, von Bramah u. Real
§. 275.
Preßdorf §. 108.
Primawechſel §. 337.
Privatcapital §. 410.
— Lager §. 470.
— Obligationen, Schuldbriefe §. 335.
Probirkunſt §. 83.
Productenkunde, techniſche §. 279.
Production §. 50. Beziehungen §. 51. 52.
404. 405. 409.
Productivität der Gewerbe §. 406.
Prolongirter Wechſel §. 337.
Promisory Notes §. 338.
Proprehandel §. 351.
Proteſt §. 337.
Proviſion §. 337.
Pürſchen, Pürſchgang, §. 251.
Pulveragium §. 7 N. 7.
Pulverregal §. 483. 510.
Pumpe, Saug- und Druck. §. 276.
Putzen §. 87.
Q.
Quartalwechſel §. 337.
Queckſilberofen §. 281 N. 6.
Queerbau §. 115.
Quetſchölmühle §. 295.
Quetſchwerke §. 280.
Quotitätsſteuern §. 487.
R.
Rabatt §. 342. Rabatten §. 191.
Raben §. 255.
Rad, an der Welle §. 273. Gegnerſches
§. 275 N. 2. Räder, verzahnte §. 273. N. 5.
Rammmaſchine §. 93.
Rangſteuer §. 488.
Raps §. 171.
Raub, Maaßregeln dagegen §. 451. R. Bau
§. 462 N. 3. R. Wild §. 253. 255. 256.
Rauhen des Tuchs, Rauhmaſchine §. 305.
Realaufwand §. 514.
Realſchulen §. 440.
Realſteuern §. 487.
Realwerth, der Actien §. 348. der Staats-
papiere §. 349. 503.
Reaſſecuranz §. 358.
Rebhuhn §. 254.
Rechenſchaftsbericht §. 516.
Rechnungsabſchluß §. 82. R. d. Staats §. 516.
Rechnungsjahr §. 516.
Rechnungmünze §. 328. Berechnung N. 3.
Recken, des Tuchs §. 305.
Rectification, Rectificator §. 300.
Referendarius, im Mittelalter §. 8.
Refractie §. 367.
Refrigerator §. 299 N. 9. §. 300.
Regalien, Urſprung §. 16. 22. Weſen §. 480.
Regalienverwaltung §. 511.
Regirung, Regirungen, Regirungscollegien,
R. Sachen §. 25.
Regiſtergebühren §. 497.
Reh §. 252.
Reibmühle §. 308.
Reichsdienſte §. 18. R. Domänen §. 11. R.
Gerichtsbarkeit §. 21. R. Güter §. 16.
R. Lehenhof. §. 25 N. 3. R. Polizeiord-
nung §. 25 N. 2. R. Schatzung §. 22.
R. Steuern §. 17. R. Tage, R. Stände
a. 534–888. §. 8., a. 888–1272. §.
13., a. 1272–1518. §. 19. 20. R. Un-
mittelbare §. 14. R. Vögte §. 14. R.
Kammergericht, Stiftung deſſelben §. 21.
Reichthum §. 39 N. 2. §. 73.
Reinmachsgraben §. 280.
[795/0817]
Reitzmittel, landw. §. 146. 149.
Religionsſachen, Verwaltung a. 534–888.
§. 10 N. 1.
Remedium §. 290 N. 5.
Remittent §. 337.
Rente, Rentner §. 360. Renten, Staats-
obligationen §. 336. 503.
Repartitionsetat §. 515.
Repartitionsſteuern §. 487.
Reps §. 171.
Reſervefonds §. 514.
Reſpecttage §. 337.
Rettungskaſſen §. 460. R. Häuſer §. 461.
Reußen §. 256.
Reverberirſchmelzofen §. 282.
Reviſion, R. Notaten, R. Protocoll, bei
Staatsrechnungen §. 516 N. 2.
Rezipiß §. 363 N. 4.
Rheder, Rhederei §. 355.
Ricke §. 252.
Rimeſſenbuch §. 370.
Rindviehraſſen, Zucht §. 199.
Riskontro §. 344.
Riſtorno §. 358 N. 1.
Rivaticum §. 7 N. 7.
Röhrenofen §. 281 N. 6.
Römiſche Wage §. 324. N. 5. 6.
Röſchhäuptel §. 280.
Röſten, der Erze, Röſtofen §. 281. Röſten
des Flachſes u. Hanfes §. 308 N. 2.
Roggen §. 155.
Roieſtab §. 328 N. 2.
Rollquetſchölmühle §. 295.
Rollſchacht §. 105.
Rothgerberei §. 301.
Rothtanne §. 243.
Rothwild §. 252.
Rüben §. 161.
Rübſen §. 171.
Rücklauf §. 349 N. 3.
Rückwechſel §. 337.
Rückzoll §. 470.
Rührpflug §. 140.
Rüſter §. 240.
Rüttelkaſten §. 284.
Runkelrübe §. 161.
Ruſticalſteuer §. 494.
S.
Saamenſchlag §. 227.
Saat §. 150.
Saatkamp §. 225 N. 3.
Saatrübe §. 161.
Saccharometer §. 299 N. 2.
Sägemühle F. 297.
Sämiſchgerberei §. 301.
Saflor §. 174.
Safran §. 174.
Saldo, S. Buch §. 81. 82.
Salinen, Salzſiederei, S. Kothen §. 286. 287.
Salpeterregal, Entäußerlichkeit §. 510.
Salzregal §. 483. 510.
Salzwerksbau §. 118.
Salzſteuer §. 500.
Sandboden §. 137.
Sandgruben, der Gemeinden §. 380.
Sandröhren §. 93.
Schaaf, Sch. Raſſe, Sch. Wolle, Sch. Zucht
§. 200.
Schaalenwage §. 324 N. 4.
Schacht §. 95. Schachtofen §. 282.
Schälpflug §. 139.
Schaffner §. 7. 12.
Schaffwerth §. 402. 417.
Schatzſcheine §. 502.
Schatzſteuer §. 22.
Schatzung §. 17 N. 3. §. 22.
Schauanſtalten §. 453 N. 2.
Scheeren oder Schieren der Kette, §. 305.
306. Scheeren des Tuchs, Scheermaſchine
Sch. Mühle §. 305.
Scheibe, excentriſche §. 275 N. 4.
Scheidemünzen §. 328 N. 7.
Schicht §. 122.
Schiffergilden §. 472.
Schifffahrt §. 355. Sch. Geſetze, Verträge
§. 472. Zölle der Gemeinden §. 385 N. 2.
Schiffslaſt, Sch. Parte, Sch. Tagebuch §. 355.
Schiftung §. 464.
Schlachtſteuer §. 500.
Schlagſchatz §. 270 N. 2. Berechnung §.
328 N. 7.
Schlagſtellung §. 227.
Schlagwaldbetrieb §. 262.
Schlamm, Schlämmgraben, Schl. Küſte,
Sch. Schlieg §. 280. Schlammkaſten §, 284.
Schlechten §. 87.
Schleichbetrieb §. 262.
Schlichten §. 305. 306.
Schlieg §. 280.
Schlußzettel §. 363 N. 4.
Schmalthier §. 252.
Schmelzofen §. 282.
Schnaar §. 254.
Schneegans §. 254.
Schneideln §. 230.
Schneidemühle §. 297.
Schnellwage §. 324 N. 5. 6.
Schnepfe §. 254.
Schnitt §. 152. 190.
Schnüre §. 273 N. 5.
Schöffen §. 10.
Schoß §. 17 N. 13.
Schraube §. 273 N. 5.
Schröpfer, Ackergeräthe §. 140.
Schrot, im Münzweſen §. 290 N. 2. Be-
rechnung §. 328 N. 7.
Schrot, v. Getreide, Schrotmühle §. 294.
Schrubbeln §. 305.
Schürfen §. 91.
Schüttboden §. 159.
Schuldbuch §. 81.
[796/0818]
Schuldentilgung, Sch. Tilgkaſſe §. 336.
Schußgerinne §. 280.
Schußjagd §. 251.
Schwänzel §. 280.
Schwarzwild §. 252.
Schwebende Schuld §. 505.
Schwefelläuterofen, Sch. Treibofen §. 281.
N. 6.
Schweineraſſen, Sch. Zucht §. 202.
Schweißhund §. 280.
Schwingkugeln, Sch. Rand §. 273 N. 6.
Schwingmaſchine §. 308 N. 2.
Scontriren §. 344.
Scrip §. 504.
Sechſender §. 252.
Secundawechſel §. 337.
Sedimentiren, Sedimentirkaſten §. 284.
Seeaſſecuranz §. 358.
Seehandel §. 355.
Seeraben, z. Fiſchen gebraucht §. 255.
Seeräuberei §. 452.
Seeſalz §. 286.
Seewechſel §. 357.
Segoviſche Raſſe §. 200. §. 1.
Seide, Seidenhaspel, S. Spinnerei, S.
Weberei, Webſtuhl, Zwirnmaſchine §. 307.
Seidenzucht §. 206.
Seife, S. Siederei, S. Siederlauge §. 304.
Seigerheerd, S. Ofen §. 282.
Selbſtverwaltung, landw. §. 209. Forſtw.
§. 261. der Staatsbergwerke §. 477.
der Staatsdomänen §. 478. der Staats-
forſte §. 479. der Staatsmünze §. 482.
der St. Poſt §. 486.
Senkwage §. 324. N. 8.
Sendgraf §. 12. 14.
Sendkoſten §. 18.
Sengen, Sengmaſchine §. 306.
Senſale, Senſarie §. 363 N. 4.
Serien bez. Staatspap. §. 504.
Serjantes §. 17 N. 6.
Servitium §. 17 N. 4. Servitia Comitiae §. 18.
Servitute, Ablöſung F. 463. 467.
Setzarbeit, S. Schlamm §. 280.
Seynbrief §. 359.
Sibiriſcher Ofen §. 282.
Sicherheitslampe, v. Davy §. 99.
Sichtwechſel §. 337.
Siebarbeit §. 280.
Siedpfanne §. 287.
Silber §. 328. Werthsverhältniß z. Gold,
Berechnung N. 5.
Silo §. 159.
Sinter §. 286 N. 10.
Situationsetat §. 515.
Skarrifikator, Ackergeräthe §. 140.
Sklaverei, aufzuheben §. 67.
Smith'ſches Syſtem §. 397.
Soggen, Soggpfanne, Soggenſtiel §. 287.
Sohle §. 90. Sohlenſalz §. 286.
Solawechſel §. 337.
Soldmilitz §. 16.
Solidus §. 7. N. 10.
Soll §. 80.
Sorianiſche Raſſe §. 200 N. 1.
Spaccio §. 337.
Sparkaſſen §. 441.
Sparſamkeit §. 73.
Speculation, kaufm. §. 366.
Spediteur, Spedition, Speſen §. 363 N. 4.
Speditionsbuch §. 363 N. 4. §. 370. Spe-
ditionsanſtalten, wichtig für den Ver-
kehr §. 470.
Spelz §. 155.
Spergel §. 178.
Spezialiſationsſyſtem §. 514.
Spezialiſirung, der Verwaltung §. 507.
Spezialpacht §. 478.
Spielbanken §. 484.
Spießbock, Spießer §. 252.
Spießglanzſeigerofen §. 282.
Spillenrad §. 274.
Spindel §. 324 N. 5. Sp. Bank §. 306.
Spinnen, Spinnrad, Sp. Maſchine §. 305.
Sporco, Gewicht §. 363 N. 4.
Sporteln, Urſprung §. 11. Beurtheilung §. 497.
Spulen, Spulrad, Spulmaſchine §. 305. 306.
Staatsabgaben, Erhöhung derſelben, als
außerordentliche Quelle §. 514 N. 3.
— anleihen §. 305. 336.
— Ausgaben, Arten §. 513.
— Banken §. 444. 484.
— Bankerott §. 505.
— Bergbau §. 477.
— Betriebsfonds §. 476.
— Capitalien §. 484.
— Diener, Steuerpflicht zu Gemeindebedürf-
niſſen §. 385 N. 2.
— Eigenthum, deſſen Veräußerung als
außerordentl. Finanzquelle §. 514 N. 4.
— Einnahmen, Verwendung §. 514.
— Forſtverwaltung §. 511.
— Forſtwirthſchaft §. 579.
— Hüttenweſen §. 481.
— Kaſſenweſen §. 516.
— Kredit §. 502.
— Landgüter §. 478.
— Lotterie, abzuſchaffen §. 458. 484.
— Monopolien §. 483.
— Münzweſen §. 482.
— Obligationen, Papiere §. 336.
— Papiergeld §. 329. Tilgung §. 505.
— Papierhandel §. 349.
— Rechnungsweſen §. 516.
— Salpeterien §. 481.
— Schatz §. 514 N. 2.
— Schulden, als außerordentl. Finanz-
mittel §. 514 N. 5.
— Schuldverwaltung §. 512.
— Steuerweſen §. 486 folg.
— Vormundſchaft, über Gemeinden §. 378.
— Waldungen, Veräußerlichkeit §. 509.
[797/0819]
Staatswirthſchaft §. 473.
Städtegerichtsbarkeit §. 21.
Stämme, Berechnung ihres cubiſchen Ge-
halts §. 264.
Stände, im Volke §. 426.
Stallfütterung §. 196. der Schaafe §. 200.
Stampfölmühle §. 295.
Stange, gezahnte §. 273 N 4.
Stapel §. 200.
Stapelrecht, abzuſchaffen §. 472.
Status §. 369.
Steinbruch §. 109. Steinbrüche der Ge-
meinden §. 380.
Stempelſteuer §. 497.
Steuerlaſt, deren Ausgleichung in verſchied.
Landestheile §. 514 N. 6.
Steuerpacht §. 512.
Steuerrecht, Urſprung §. 22. 486.
Steuerverwaltung §. 512.
Steuerweſen a. 888–1272 §. 17. Grund-
geſetze der Beſteur. §. 486.
Stichelhaare §. 200.
Stichtorf §. 108.
Stock, Stöcke ſtehende, Stockwerke §. 87.
Stockwerksbau §. 116.
Stockente §. 254.
Stocksjobbery §. 349 N. 3.
Störpfanne §. 287.
Stoffkunde, techniſche §. 269.
Stollen §. 95.
Stoßbau §. 112 N. 1.
Stoßſpaten §. 225 N. 3.
Straberrad, Strauberrad §. 275 N. 3.
Strandrecht §. 358.
Straßenfrohnden §. 7 N. 8.
Straßengeld §. 497.
Strazze §. 80. 81.
Strebebau §. 110.
Strecke §. 95.
Strecken §. 305.
Streichen, Streichmaſchine §. 305. 306.
Streichen, der Lagerſtätten §. 88. Inſtru-
mente, um es zu beſtimmen §. 89.
Ströme, Fahrbarmachung §. 472.
Stroßenbau §. 113.
Stückelung §. 290 Note 2. Berechnung
§. 328 N. 7.
Stückgüter, Aſſecuranz auf, §. 358 N. 1.
Stückkohl §. 116.
Stücklohn §. 68.
Stufferz §. 280.
Sublimiren, der Erze §. 281. Sublimir-
ofen §. 281 N. 6.
Subſcription, bei Staatsanleihen §. 504.
Subſidien, subsidium regium §. 17.
Sumpfſchlamm §. 280.
Supercargo §. 355.
Superinventarium §. 314.
Supplement, eine Steuer §. 17 N. 3.
Syſteme der Volkswirthſchaft §. 397.
T.
Taback §. 165. 166.
Tabacksmonopol, Entäußerlichkeit §. 510.
Tabacksſteuer §. 500.
Taglöhner §. 68.
Tagskauf §. 349 N. 3.
Talglichtzieherei §. 303.
Tallie §. 17 N. 13.
Tanne §. 243.
Taſſen, des Heues §. 182.
Taube, wilde §. 254.
Tauſch §. 320. T. Mittel §. 60. T. Werth
§. 39. 57. 402. 417. Derſelbe als Maaß-
ſtab des Vermögens §. 403. T. Syſtem,
in der Löhnung §. 315.
Taxen §. 497.
Techniſche Schulen §. 440.
Technologie §. 268.
Templinöl §. 296.
Tertiärgebilde §. 85.
Tertiawechſel §. 337.
Teufe §. 90.
Teufel §. 306.
Thaler, Banco §. 328 N. 3.
Thara, Gewicht §. 363 N. 4.
Theer, Th. Schwelerei §. 296.
Theuerung, Th. Polizei §. 459.
Thier §. 252. Thiere, ſchädliche in der
Landw. §. 151 N. 4. in d. Forſtw. §. 233.
Th. Diebſtahl, Maaßregeln dagegen §. 452.
Th. Garten §. 248. Th. Krankheiten, ſ.
Krankheiten, Th. Maſchinen §. 274.
Th. Schaden, Maaßregeln dagegen §. 450.
Th. Zucht §. 194 a.
Thonboden §. 137.
Thorſperrgeld §. 385 N. 4.
Thürſteuer §. 494.
Tiegelofen §. 282.
Tilgung, der Staatsanleihen §. 505. Tilg-
kaſſe, T. Plan, T. Fonds §. 505.
Tonne, Schiffsgewicht §. 355.
Tontine §. 336. 503.
Topinambour §. 162.
Torfgräberei §. 108.
Torfmoore der Gemeinden §. 380.
Tractatoria §. 7. N. 8.
Tragewerk §. 95.
Tramſeide §. 307.
Transhumantes §. 200 N. 1.
Tranſithandel §. 353. Zweig der Volksw.
§. 435. Gegenſt. d. Staatsſorge §. 470.
Trappe §. 254.
Traſſant, Traſſat §. 337.
Tratte, Tratte für fremde Rechnung §. 337.
Trattenbuch §. 370.
Trauben §. 194 N. 1.
Treckbütte §. 285.
Treibhäuſer §. 189.
— Heerd §. 282.
— Jagd §. 255.
[798/0820]
Treibſalz §. 287.
Treſorſcheine §. 502.
Tretrad, T. Scheibe §. 274.
Tribut §. 17 N. 13.
Trilling §. 273 N. 5.
Triſten §. 159.
Trockenkammer §. 287.
Trockene Wechſel §. 337.
Trödelhandel §. 470.
Tuchweberei §. 305.
Tüdern §. 196.
U.
Uebergang, von einer Waldwirthſchaft zur
andern §. 232.
Uebergangsgebilde §. 85.
Ueberröſchen §. 91.
Ueberſchuß §. 73. Verwendung §. 78.
Ulme, im Bergbau §. 90.
Ulme, der Baum §. 240.
Umlagsrecht, der Gemeinden §. 383.
Umlaufsmittel §. 413.
Umſchlagsrecht §. 472.
Ungenoſſengeld §. 17 N. 11.
Univerſitäten, Stiftung §. 23 N. 6.
Unkräuter, landw. §. 151 N. 4.
Unterholz §. 228.
Unterrichtsanſtalten, bergmänn. §. 462.
landw. §. 465. forſtw. §. 466.
Unterſchurſtempel §. 280.
Urbarmachen §. 139. 222. 463. 467.
Urgebilde §. 85.
Urgewerbe §. 41. Urgewerbſteuer §. 492.
Uſancen §. 367.
Uſowechſel §. 337.
V.
Valuta, veränderliche und unveränderliche
beim Geldcurszettel §. 347. beim Wech-
ſelcurszettel §. 350.
Valvation, Valvationstabellen §. 328.
Ventile §. 273 N. 4.
Verbindungen der Arbeiter und Lohnherrn
gegen einander §. 312 N. 2.
Verbrauch §. 71. V. Vorrath §. 54. 402.
417. V. Steuer §. 498.
Verdämmen §. 100.
Veredelung der Pflanzen §. 189. der Thiere
§. 195.
Vereine, landw. §. 465. gewerkliche §. 468.
Verheurer, Verheuerung §. 355.
Verkehr §. 37.
Verklarung §. 358 N. 2.
Verleihung, der Staatsbergwerke §. 477.
Vermögen §. 39. 399. Vermögensſtamm,
todter §. 54. Maaßſtab des Vermögens
§. 403. Vermögensſteuer §. 489.
Verpachtung, landw. §. 209. forſtw. §. 261.
der Domänen §. 478. der Staatsforſte
§. 479. des Staatshüttenweſens, der
Staatsſalinen, St. Salpetrien §. 481.
483. des Staatsmünzweſens §. 482. der
St. Lotterien §. 484. d. St. Poſt §. 485.
Verſatzgeſchäft §. 349.
Verſchreibungen §. 334.
Verſchwendung §. 72.
Verſicherung, im Allg. §. 455. Arten §. 458.
Verſuche, techniſche §. 314.
Verwendung §. 71 72. 74.
Verwittern, der Erze §. 280.
Verzehrung, Zweck u. Arten §. 412. Ver-
hältniß zur Production §. 439.
Verzinſung, der Staatsſchuld §. 505.
Viehaſſecuranz §. 456.
Viehſteuer §. 497 N. 6.
Viehzucht, Gegenſt. der Staatsſorge §. 446.
Vierfelderwirthſchaft §. 211.
Villa §. 12.
Villicus §. 7. 12.
Virement §. 344.
Viſirſtab §. 323 N. 2.
Vitriolſiederei §. 285.
Vizedom §. 24.
Vließ §. 200.
Vögel zur Jagd §. 250.
Vogeldienſte §. 18. V. Geld §. 17 N. 8.
Vogt §. 16.
Volkseinkommen §. 411. Verhältniß deſſel-
ben zum V. Verbrauche §. 430. V. Be-
triebſamkeit, V. Gewerbſamkeit §. 394.
N. 1. V. Gemeinden §. 8. V. Rechte §. 7.
N. 1. V. Vermögen §. 399. 401. Beſtand-
theile deſſelben §. 400. V. Wirthſchaft
§. 394. Geſchichtliches von derſelben §.
395. 396. V. Wirthſchaftspflege §. 438.
Vorſpinnen, Vorſpinnmaſchine §. 306.
W.
Waare §. 320 a. Waarencalculationsbuch
§. 370. W. Handel §. 346. Maaßregeln
gegen Betrug in demſelben §. 453. Ge-
genſt. der Staatsſorge §. 469. W. Kunde
§. 325. W. Lehre §. 321. W. Skontro §. 370.
Wachsfaß §. 284.
Wachslichtzieherei §. 303.
Wachtel, W. König §. 254.
Wägemaſchine §. 324 N. 6.
Währungen §. 328.
Wärmpfanne §. 287.
Wagbaum §. 273 N. 4.
Wagen, Arten §. 324.
Waid §. 174.
Waiſenhäuſer §. 461.
Waiſenkaſſen §. 460.
Walken, W. Mühle §. 306.
Wald, Wälder, Waldungen, für weſſen
Beſitz ſie ſich eignen §. 261. W. Boden,
abſoluter, relativer §. 257. W. Diebſtahl
§. 452. W. Feldbetrieb §. 262. W. Fre-
vel §. 454. W. Schnepfe §. 254. W. Ser-
vitute §. 467.
Walzölmühle §. 295.
[799/0821]
Walzwerke §. 280.
Wartung der Gartenpflanzen §. 189.
Waſcharbeit, W. Erz, W. Heerd §. 280.
W. Wolle §. 305.
Waſſerfurchenpflug §. 139 N. 3.
Waſſerhandel §. 355. Gegenſt. der Staats-
ſorge §. 472.
Waſſerhebung, W. Loſung §. 100.
Waſſermaſchinen, W. Räder, W. Säulen-
maſchine §. 275.
Waſſerſchaden, Maaßregeln dagegen §. 449.
Waſſerſeige §. 95.
Waſſertracht §. 353.
Waſſertrommel §. 99.
Waſſerzölle §. 472. 497.
Watermaſchine §. 306.
Wau §. 174.
Weberdiſtel §. 176.
Webſtuhl §. 305.
Wechſel §. 337. 416 N. 1. falſche und ver-
fälſchte §. 337. W. Copien §. 337. W. Co-
pirbuch §. 370. W. Curs §. 350. W. Du-
plicate §. 337. W. Geſchäfte, W. Handel
§. 350. W. Geſetze §. 444. W. von der
Hand, W. Proteſt §. 337. W. Prozeß
§. 444. W. Reiterei §. 350. W. Skontro
§. 370. W. Valuta §. 337.
Wechſelſyſtem §. 211.
Weggeld, Urſprung §. 18. der Gemeinden
§. 355 N. 4. des Staats §. 497.
Wehrliſchulen §. 461.
Weidebau §. 183.
Weidegang §. 196.
Weiden §. 241
Weinacciſe §. 500.
Weinbau §. 193 N. 2. §. 194 N. 2.
Weingeiſt §. 300 N. 2.
— Steuer §. 500.
Weinwage §. 324 N. 8.
Weiſat §. 22.
Weißbuche §. 240.
Weißgerberei §. 301.
Weißſieden der Münzen §. 290 N. 6.
Weißtanne §. 243.
Weitungsbau §. 117.
Weitzen §. 155.
Werfgeld §. 356.
Werft §. 306.
Wergg §. 308.
Werkzeuge §. 272.
Werth §. 39. 57.
Wetter, im Bergbaue, W. Führung, W.
Loſung, W. Wechſel §. 99.
Wicke §. 157.
Wieſel §. 253.
Wieſenbau §. 181. 182.
Wild, Wildpret §. 252. 254. 256. W.
Bahn §. 246 a. Arten §. 247. 248.
W. Dieberei §. 452. W. Ente §. 254.
W. Katze §. 253. W. Schwein §. 252.
W. Taube §. 254.
Wildfangsrecht §. 7 N. 11.
Winde §. 274.
Windflügel §. 276.
Windhandel §. 349 N. 3.
Windhund §. 250.
Windofen §. 282.
Wirthſchaft §. 39. W. Polizei §. 438.
Wirthſchafter, auf d. Domänen im Mittel-
alter §. 7. 12.
Wismuthſeigerofen §. 282.
Wittwenkaſſe §. 460.
Wolf, das Raubthier §. 253.
Wolf, die Maſchine §. 305. 306.
Wohlſtand §. 73.
Wolle, Klaſſen, W. Wäſche §. 200. W.
Spinnerei, Weberei §. 305.
Wuchergeſetze §. 446.
Wühlpflug §. 140.
Würze §. 299.
Wurzelgewächſe §. 160.
Z.
Zähhäuptel §. 280.
Zainen §. 290.
Zausmaſchine §. 305.
Zehnte, Entſtehung §. 7. 11. Ablöſung
§. 463.
Zeigerwage §. 324 N. 6.
Zeitkauf §. 349 N. 3.
Zeitpacht, landw. §. 209. forſtw. §. 261.
der Domänen §. 488. der Staatsforſte
§. 479.
Zeitrenten §. 336.
Zerſchlagung der Domänen §. 478.
Zeugjagd §. 251.
Zettel, der, §. 306.
Zettelbank §. 330.
Zettelweſen §. 512.
Zeynbrief §. 359.
Zinkofen §. 281 N. 6.
Zinnfloßheerd §. 281 N. 6.
Zins, Census §. 7. 22.
Zins, v. Capital §. 360. Beſtandtheile §. 361.
Zinsfuß, Gegenſt. der Staatsſorge §. 446.
Zinſenreduction §. 336. 505.
Zoll, Zölle, Entſtehung §. 7. 11. 22. volks-
wirthſchaftlich §. 471. finanziell §. 501.
Zollvereine §. 471 N. 4. Zollregal §. 16.
Zopfende §. 264.
Zubuße §. 127.
Zunder, Sinter §. 286 N. 11.
Zunftweſen, Einrichtung §. 312. Gegenſt.
der Staatsſorge §. 467.
Zurücklegen §. 72.
Zurundung, der Grundſtücke §. 464.
Zuſchlag §. 385.
Zwangsanleihen §. 502.
Zweifelderwirthſchaft §. 211.
Zwirnen, Zwirnmaſchine §. 306. 307.
Zwiſchenhandel §. 353. Zweig der Volksw.
§. 435. Gegenſt. der Staatsſorge §. 470.
[[800]/0822]
Druckfehler.
S. 5 N. 1 Z. 13 lies mulctetur ſtatt muletctur.
— 6 N. 2 Z. 15 l. victualia ſt. victulia.
— 8 §. 8 Z. 8 l. der Dienſt des ſt. der Referendarius.
— 17 §. 15 Z. 22 l übte ſie der ſt. übte der.
— 32 §. 26 Z. 14 l. Strafverhältniſſen ſt. Staatsverhältniſſen.
— 32 §. 26 Z. 29 l. lebenden ſt. leben.
— 33 §. 27 l. Amthor ſt. Anthor.
— 35 Zeile 1 l. der König von Schweden ſt. Schweden.
— 57 Z. 33 iſt 2) zu ſtreichen.
— 57 Z. 58 l. wenigſten ſt. wenigſtens.
— 63 §. 43 Z. 5 l. erhoben wird ſt. erhoben.
— 71 §. 50 N. 2 Z. 4 l. ſtatt 3, sub 2.
— 71 §. 50 N. 5 Z. 2 l. ſtatt 3, Note 4.
— 73 §. 53 Z. 7 ſtreiche man ſind.
— 76 §. 55 Z. 2 von unten l. körperlichen ſt. bürgerlichen.
— 127 §. 99 Z. 8 l. Gruben ſt. Gräben.
— 128 Z. 21 l. ihre ſt. ſeine.
— 139 §. 110 Z. 3 l. den ſt. dem, und fallenden ſt. fallende.
— 143 §. 114 Z. 7 hinter u. ſ. w. ein an.
— 187 N. 4 l. mehrmals Podewils ſt. Padewils.
— 191 Z. 11 ſtreiche man 6) und ſetze es beim Punkte der Z. 14 ein.
— 203 §. 159 Z. 7 l. Feimen ſt. Frimen.
— 222 §. 181 Z. 10 l. Schröpfen ſt. Schröfen.
— 225 Z. 19 l. Schaafe nicht vor ſt. Schaafe vor.
— 247 ſtatt l. 4 und 5, 3 und 4.
— 278 Z. 2 von unten l. ſein ſtatt geſchehen.
— 280 §. 230 Z. 2 l. den Kopf ſt. dem Kopfe.
— 281 §. 232 Z. 1 l. Beſtockung ſt. Beſteckung.
— 320 Z. 4 von unten l. den ſt. der.
— 335. 336. 337 l. mehrmals mécanique ſt. mechanique.
— 344 N. 1 Z. 7 l. verſchiedenen ſt. verſchiedene.
— 430 §. 309 Z. 14 l. kommt ſt. wird.
— 435 Z. 24 l. einen ſt. einem
— 437 Z. 17 l. Gilden ſt. Gülden.
— 444 §. 318 Z. 1 l. Gewerben ſt. Gewerken.
— 447 N. 7 Z. 6 l. jenen ſt. jener.
— 447 N. 7 Z. 13 ſtreiche 40me.
— 455 §. 326 N. 1 Z. 1 lies §. 290 ſtatt §. 200.
— 462 §. 332 N. 1 und S. 463 §. 333 N. 1 l. Novack ſt. Nopack.
— 463 §. 333 N. 1 Z. 6 lies §. 332 ſtatt §. 327.
— 472 §. 342 N 1 Z. 5 u. 9 lies [FORMEL] ſtatt [FORMEL]
— 512 N. 3 Z. 14 l. Raub ſt. Staub.
— 534 Z. 10 l. eines ſt. ein.
— 549 §. 401 N. 3 Z. 3 l. bezogen ſt. beziehen.
— 555 N. 2 Z. 8 l. unterſcheidet ſt. ſpricht.
— 557 §. 408 N. 1 Z. 1 lies §. 86 ſtatt §. 31.
— 558 Z. 12 von unten l. Arbeitsfähigkeit ſt. Arbeitsunfähigkeit.
— 560 N. 2 Z. 11 l. 5⅓ ſtatt 2⅔.
— 575 N. 6 Z. 30 l. geſchehen ſt. erſcheinen.
— 582 N. 3 Z 1 l. beruhendes ſt. berechnendes.
— 592 Z. 10 l. geſtattete ſt. geſtaltete.
— 631 Z. 26 l. dieſelbe ſt. dieſelben.
— 666 §. 465 Z. 3 l. der ſt. den.
— 703 Z. 10 von unten l. disponiren ſt. dispinoriren.
— 720 N. 4 Z. 7 von unten l. rohes ſt. wahres.
— 757 §. 504 Z. 6 l. vor ſt. von.
— 759 §. 506 Z. 2 l. verringern ſt. vereinigen.
[[801]/0823]
[[802]/0824]
[[803]/0825]