(Reichsgesetzblatt 1896, S. 195,
Nr. 21, ausgegeben am 24. 08. 1896, in Kraft seit 01. 01. 1900)
(6. Fassung - Reichsgesetzblatt
1919, S. 285, Nr. 55, ausgegeben am 07. 03. 1919, in Kraft seit 07. 03. 1919 -
Übergangsgesetz)
Bürgerliches Gesetzbuch. Vom 18. August 1896.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser,
König von Preußen etc.
verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter
Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:
Erstes Buch.
Allgemeiner Theil.
Erster Abschnitt.
Personen.
Erster Titel.
Natürliche Personen.
§. 1. Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit
der Vollendung der Geburt.
§. 2. Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung
des einundzwanzigsten Lebensjahrs ein.
§. 3. Ein Minderjähriger, der das achtzehnte Lebensjahr
vollendet hat, kann durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts für volljährig
erklärt werden.
Durch die Volljährigkeitserklärung erlangt der
Minderjährige die rechtliche Stellung eines Volljährigen.
§. 4. Die Volljährigkeitserklärung ist nur
zulässig, wenn der Minderjährige seine Einwilligung ertheilt.
Steht der Minderjährige unter elterlicher Gewalt,
so ist auch die Einwilligung des Gewalthabers erforderlich, es sei denn, daß
diesem weder die Sorge für die Person noch die Sorge für das Vermögen des Kindes
zusteht. Für eine minderjährige Wittwe ist die Einwilligung des Gewalthabers
nicht erforderlich.
§. 5. Die Volljährigkeitserklärung soll nur
erfolgen, wenn sie das Beste des Minderjährigen befördert.
§. 6. Entmündigt kann werden:
1. wer in Folge von Geisteskrankheit
oder von Geistesschwäche seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag;
2. wer durch Verschwendung
sich oder seine Familie der Gefahr des Nothstandes aussetzt;
3. wer
in Folge von Trunksucht seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag oder
sich oder seine Familie der Gefahr des Nothstandes aussetzt oder die Sicherheit
Anderer gefährdet.
Die Entmündigung ist wiederaufzuheben, wenn der
Grund der Entmündigung wegfällt.
§. 7. Wer sich an einem Orte ständig niederläßt,
begründet an diesem Orte seinen Wohnsitz.
Der Wohnsitz kann gleichzeitig an mehreren Orten
bestehen.
Der Wohnsitz wird aufgehoben, wenn die
Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben.
§. 8. Wer geschäftsunfähig oder in der
Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, kann ohne den Willen seines gesetzlichen
Vertreters einen Wohnsitz weder begründen noch aufheben.
§. 9. Eine Militärperson hat ihren Wohnsitz am
Garnisonorte. Als Wohnsitz einer Militärperson, deren Truppentheil im Inlande
seinen Garnisonort hat, gilt der letzte inländische Garnisonort des
Truppentheils.
Diese Vorschriften finden keine Anwendung auf
Militärpersonen, die nur zur Erfüllung der Wehrpflicht dienen oder die nicht
selbständig einen Wohnsitz begründen können.
§. 10. Die Ehefrau theilt den Wohnsitz des
Ehemanns. Sie theilt den Wohnsitz nicht, wenn der Mann seinen Wohnsitz im
Ausland an einem Orte begründet, an den die Frau ihm nicht folgt und zu folgen
nicht verpflichtet ist.
Solange der Mann keinen Wohnsitz hat oder die Frau
seinen Wohnsitz nicht theilt, kann die Frau selbständig einen Wohnsitz haben.
§. 11. Ein eheliches Kind theilt den Wohnsitz des
Vaters, ein uneheliches Kind den Wohnsitz der Mutter, ein an Kindesstatt
angenommenes Kind den Wohnsitz des Annehmenden. Das Kind behält den Wohnsitz,
bis es ihn rechtsgültig aufhebt.
Eine erst nach dem Eintritte der Volljährigkeit des
Kindes erfolgende Legitimation oder Annahme an Kindesstatt hat keinen Einfluß
auf den Wohnsitz des Kindes.
§. 12. Wird das Recht zum Gebrauch eines Namens dem
Berechtigten von einem Anderen bestritten oder wird das Interesse des
Berechtigten dadurch verletzt, daß ein Anderer unbefugt den gleichen Namen
gebraucht, so kann der Berechtigte von dem Anderen Beseitigung der
Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so
kann er auf Unterlassung klagen.
§. 13. Wer verschollen ist, kann nach Maßgabe der
§§. 14 bis 17 im Wege des Aufgebotsverfahrens für todt erklärt werden.
§. 14. Die Todeserklärung ist zulässig, wenn seit
zehn Jahren keine Nachricht von dem Leben des Verschollenen eingegangen ist.
Sie darf nicht vor dem Schlusse des Jahres erfolgen, in welchem der
Verschollene das einunddreißigste Lebensjahr vollendet haben würde.
Ein Verschollener, der das siebzigste Lebensjahr
vollendet haben würde, kann für todt erklärt werden, wenn seit fünf Jahren
keine Nachricht von seinem Leben eingegangen ist.
Der Zeitraum von zehn oder fünf Jahren beginnt mit
dem Schlusse des letzten Jahres, in welchem der Verschollene den vorhandenen
Nachrichten zufolge noch gelebt hat.
§. 15. Wer als Angehöriger einer bewaffneten Macht
an einem Kriege Theil genommen hat, während des Krieges vermißt worden und
seitdem verschollen ist, kann für todt erklärt werden, wenn seit dem
Friedensschlusse drei Jahre verstrichen sind. Hat ein Friedensschluß nicht
stattgefunden, so beginnt der dreijährige Zeitraum mit dem Schlusse des Jahres,
in welchem der Krieg beendigt worden ist.
Als Angehöriger einer bewaffneten Macht gilt auch
derjenige, welcher sich in einem Amts- oder Dienstverhältniß oder zum Zwecke
freiwilliger Hülfeleistung bei der bewaffneten Macht befindet.
§. 16. Wer sich bei einer Seefahrt auf einem
während der Fahrt untergegangenen Fahrzeuge befunden hat und seit dem
Untergange des Fahrzeugs verschollen ist, kann für todt erklärt werden, wenn
seit dem Untergang ein Jahr verstrichen ist.
Der Untergang des Fahrzeugs wird vermutet, wenn es
an dem Orte seiner Bestimmung nicht eingetroffen oder in Ermangelung eines
festen Reiseziels nicht zurückgekehrt ist und wenn
bei Fahrten
innerhalb der Ostsee ein Jahr,
bei Fahrten
innerhalb anderer europäischer Meere, mit Einschluß sämmtlicher Theile des
Mittelländischen, Schwarzen und Asowschen Meeres, zwei Jahre,
bei Fahrten, die über außereuropäische Meere
führen, drei Jahre
seit dem Antritte der Reise verstrichen sind. Sind
Nachrichten über das Fahrzeug eingegangen, so ist der Ablauf des Zeitraums
erforderlich, der verstrichen sein müßte, wenn das Fahrzeug von dem Orte
abgegangen wäre, an dem es sich den Nachrichten zufolge zuletzt befunden hat.
§. 17. Wer unter anderen als den in den §§. 15, 16
bezeichneten Umständen in eine Lebensgefahr gerathen und seitdem verschollen
ist, kann für todt erklärt werden, wenn seit dem Ereignisse, durch welches die
Lebensgefahr entstanden ist, drei Jahre verstrichen sind.
§. 18. Die Todeserklärung begründet die Vermuthung,
daß der Verschollene in dem Zeitpunkte gestorben sei, welcher in dem die
Todeserklärung aussprechenden Urtheile festgestellt ist.
Als Zeitpunkt des Todes ist, sofern nicht die
Ermittelungen ein Anderes ergeben, anzunehmen:
in den Fällen des §. 14 der Zeitpunkt, in welchem
die Todeserklärung zulässig geworden ist;
in den
Fällen des §. 15 der Zeitpunkt des Friedensschlusses oder der Schluß des
Jahres, in welchem der Krieg beendigt worden ist;
in den
Fällen des §. 16 der Zeitpunkt, in welchem das Fahrzeug untergegangen ist oder
von welchem an der Untergang vermuthet wird;
in den
Fällen des §. 17 der Zeitpunkt, in welchem das Ereigniß stattgefunden hat.
Ist die Todeszeit nur dem Tage nach festgestellt,
so gilt das Ende des Tages als Zeitpunkt des Todes.
§. 19. Solange nicht die Todeserklärung erfolgt
ist, wird das Fortleben des Verschollenen bis zu dem Zeitpunkte vermuthet, der
nach §. 18 Abs. 2 in Ermangelung eines anderen Ergebnisses der Ermittelungen
als Zeitpunkt des Todes anzunehmen ist; die Vorschrift des §. 18 Abs. 3 findet
entsprechende Anwendung.
§. 20. Sind Mehrere in einer gemeinsamen Gefahr
umgekommen, so wird vermuthet, daß sie gleichzeitig gestorben seien.
Zweiter Titel.
Juristische Personen.
I. Vereine
1. Allgemeine Vorschriften
§. 21. Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen
wirthschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch
Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts.
§. 22. Ein Verein, dessen Zweck auf einen
wirthschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt in Ermangelung
besonderer reichsgesetzlicher Vorschriften Rechtsfähigkeit durch staatliche
Verleihung. Die Verleihung steht dem Bundesstaate zu, in dessen Gebiete der
Verein seinen Sitz hat.
§. 23. Einem Vereine, der seinen Sitz nicht in
einem Bundesstaate hat, kann in Ermangelung besonderer reichsgesetzlicher
Vorschriften Rechtsfähigkeit durch Beschluß des Bundesraths verliehen werden. 1
§. 24. Als Sitz eines Vereins gilt, wenn nicht ein
Anderes bestimmt ist, der Ort, an welchem die Verwaltung geführt wird.
§. 25. Die Verfassung eines rechtsfähigen Vereins
wird, soweit sie nicht auf den nachfolgenden Vorschriften beruht, durch die
Vereinssatzung bestimmt.
§. 26. Der Verein muß einen Vorstand haben. Der
Vorstand kann aus mehreren Personen bestehen.
Der Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und
außergerichtlich; er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Der Umfang
seiner Vertretungsmacht kann durch die Satzung mit Wirkung gegen Dritte
beschränkt werden.
§. 27. Die Bestellung des Vorstandes erfolgt durch
Beschluß der Mitgliederversammlung.
Die Bestellung ist jederzeit widerruflich,
unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung. Die
Widerruflichkeit kann durch die Satzung auf den Fall beschränkt werden, daß ein
wichtiger Grund für den Widerruf vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere
grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung.
Auf die Geschäftsführung des Vorstandes finden die
für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§. 664 bis 670 entsprechende
Anwendung.
§. 28. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen,
so erfolgt die Beschlußfassung nach den für die Beschlüsse der Mitglieder des
Vereins geltenden Vorschriften der §§. 32, 34.
Ist eine Willenserklärung dem Vereine gegenüber
abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Mitgliede des Vorstandes.
§. 29. Soweit die erforderlichen Mitglieder des
Vorstandes fehlen, sind sie in dringenden Fällen für die Zeit bis zur Hebung des
Mangels auf Antrag eines Betheiligten von dem Amtsgerichte zu bestellen, in
dessen Bezirke der Verein seinen Sitz hat.
§. 30. Durch die Satzung kann bestimmt werden, daß
neben dem Vorstande für gewisse Geschäfte besondere Vertreter zu bestellen
sind. Die Vertretungsmacht eines solchen Vertreters erstreckt sich im Zweifel
auf alle Rechtsgeschäfte, die der ihm zugewiesene Geschäftskreis gewöhnlich mit
sich bringt.
§. 31. Der Verein ist für den Schaden
verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstandes oder ein anderer
verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm
zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatze verpflichtende
Handlung einem Dritten zufügt.
§. 32. Die Angelegenheiten des Vereins werden,
soweit sie nicht von dem Vorstand oder einem anderen Vereinsorgane zu besorgen
sind, durch Beschlußfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. Zur
Gültigkeit des Beschlusses ist erforderlich, daß der Gegenstand bei der
Berufung bezeichnet wird. Bei der Beschlußfassung entscheidet die Mehrheit der
erschienenen Mitglieder.
Auch ohne Versammlung der Mitglieder ist ein
Beschluß gültig, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschlusse
schriftlich erklären.
§. 33. Zu einem Beschlusse, der eine Aenderung der Satzung
enthält, ist eine Mehrheit von drei Viertheilen der erschienenen Mitglieder
erforderlich. Zur Aenderung des Zweckes des Vereins ist die Zustimmung aller
Mitglieder erforderlich; die Zustimmung der nicht erschienenen Mitglieder muß
schriftlich erfolgen.
Beruht die Rechtsfähigkeit des Vereins auf
Verleihung, so ist zu jeder Aenderung der Satzung staatliche Genehmigung oder,
falls die Verleihung durch den Bundesrath erfolgt ist, die Genehmigung des
Bundesraths erforderlich. 1
§. 34. Ein Mitglied ist nicht stimmberechtigt, wenn
die Beschlußfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die
Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Vereine
betrifft.
§. 35. Sonderrechte eines Mitglieds können nicht
ohne dessen Zustimmung durch Beschluß der Mitgliederversammlung beeinträchtigt
werden.
§. 36. Die Mitgliederversammlung ist in den durch
die Satzung bestimmten Fällen sowie dann zu berufen, wenn das Interesse des
Vereins es erfordert.
§. 37. Die Mitgliederversammlung ist zu berufen,
wenn der durch die Satzung bestimmte Theil oder in Ermangelung einer Bestimmung
der zehnte Theil der Mitglieder die Berufung schriftlich unter Angabe des
Zweckes und der Gründe verlangt.
Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann das
Amtsgericht, in dessen Bezirke der Verein seinen Sitz hat, die Mitglieder,
welche das Verlangen gestellt haben, zur Berufung der Versammlung ermächtigen
und über die Führung des Vorsitzes in der Versammlung Bestimmung treffen. Auf
die Ermächtigung muß bei der Berufung der Versammlung Bezug genommen werden.
§. 38. Die Mitgliedschaft ist nicht übertragbar und
nicht vererblich. Die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte kann nicht einem
Anderen überlassen werden.
§. 39. Die Mitglieder sind zum Austritt aus dem
Vereine berechtigt.
Durch die Satzung kann bestimmt werden, daß der
Austritt nur am Schlusse eines Geschäftsjahrs oder erst nach dem Ablauf einer
Kündigungsfrist zulässig ist; die Kündigungsfrist kann höchstens zwei Jahre
betragen.
§. 40. Die Vorschriften des §. 27 Abs. 1, 3, des §.
28 Abs. 1 und der §§. 32, 33, 38 finden insoweit keine Anwendung, als die
Satzung ein Anderes bestimmt.
§. 41. Der Verein kann durch Beschluß der
Mitgliederversammlung aufgelöst werden. Zu dem Beschluß ist eine Mehrheit von
drei Viertheilen der erschienenen Mitglieder erforderlich, wenn nicht die
Satzung ein Anderes bestimmt.
§. 42. Der Verein verliert die Rechtsfähigkeit
durch die Eröffnung des Konkurses.
Der Vorstand hat im Falle der Ueberschuldung die
Eröffnung des Konkurses zu beantragen. Wird die Stellung des Antrags verzögert,
so sind die Vorstandsmitglieder, denen ein Verschulden zur Last fällt, den
Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als
Gesammtschuldner.
§. 43. Dem Vereine kann die Rechtsfähigkeit entzogen
werden, wenn er durch einen gesetzwidrigen Beschluß der Mitgliederversammlung
oder durch gesetzwidriges Verhalten des Vorstandes das Gemeinwohl gefährdet.
Einem Vereine, dessen Zweck nach der Satzung nicht
auf einen wirthschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, kann die
Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er einen solchen Zweck verfolgt.
Einem Vereine, der nach der Satzung einen
politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck nicht hat, kann die
Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er einen solchen Zweck verfolgt.
Einem Vereine, dessen Rechtsfähigkeit auf
Verleihung beruht, kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er einen
anderen als den in der Satzung bestimmten Zweck verfolgt.
§. 44. Die Zuständigkeit und das Verfahren
bestimmen sich in den Fällen des §. 43 nach den für streitige Verwaltungssachen
geltenden Vorschriften der Landesgesetze. Wo ein Verwaltungsstreitverfahren
nicht besteht, finden die Vorschriften der §§. 20, 21 der Gewerbeordnung
Anwendung; die Entscheidung erfolgt in erster Instanz durch die höhere
Verwaltungsbehörde, in deren Bezirke der Verein seinen Sitz hat.
Beruht die Rechtsfähigkeit auf Verleihung durch den
Bundesrath, so erfolgt die Entziehung durch Beschluß des Bundesraths. 1
§. 45. Mit der Auflösung des Vereins oder der
Entziehung der Rechtsfähigkeit fällt das Vermögen an die in der Satzung
bestimmten Personen.
Durch die Satzung kann vorgeschrieben werden, daß
die Anfallberechtigten durch Beschluß der Mitgliederversammlung oder eines
anderen Vereinsorgans bestimmt werden. Ist der Zweck des Vereins nicht auf
einen wirthschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet, so kann die
Mitgliederversammlung auch ohne eine solche Vorschrift das Vermögen einer
öffentlichen Stiftung oder Anstalt zuweisen.
Fehlt es an einer Bestimmung der
Anfallberechtigten, so fällt das Vermögen, wenn der Verein nach der Satzung
ausschließlich den Interessen seiner Mitglieder diente, an die zur Zeit der
Auflösung oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit vorhandenen Mitglieder zu
gleichen Theilen, anderenfalls an den Fiskus des Bundesstaats, in dessen
Gebiete der Verein seinen Sitz hatte.
§. 46. Fällt das Vereinsvermögen an den Fiskus, so
finden die Vorschriften über eine dem Fiskus als gesetzlichem Erben anfallende
Erbschaft entsprechende Anwendung. Der Fiskus hat das Vermögen thunlichst in
einer den Zwecken des Vereins entsprechenden Weise zu verwenden.
§. 47. Fällt das Vereinsvermögen nicht an den
Fiskus, so muß eine Liquidation stattfinden.
§. 48. Die Liquidation erfolgt durch den Vorstand.
Zu Liquidatoren können auch andere Personen bestellt werden; für die Bestellung
sind die für die Bestellung des Vorstandes geltenden Vorschriften maßgebend.
Die Liquidatoren haben die rechtliche Stellung des
Vorstandes, soweit sich nicht aus dem Zwecke der Liquidation ein Anderes
ergiebt.
Sind mehrere Liquidatoren vorhanden, so ist für
ihre Beschlüsse Uebereinstimmung aller erforderlich, sofern nicht ein Anderes
bestimmt ist.
§. 49. Die Liquidatoren haben die laufenden
Geschäfte zu beendigen, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in
Geld umzusetzen, die Gläubiger zu befriedigen und den Ueberschuß den
Anfallberechtigten auszuantworten. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können
die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen. Die Einziehung der Forderungen
sowie die Umsetzung des übrigen Vermögens in Geld darf unterbleiben, soweit
diese Maßregeln nicht zur Befriedigung der Gläubiger oder zur Vertheilung des
Ueberschusses unter die Anfallberechtigten erforderlich sind.
Der Verein gilt bis zur Beendigung der Liquidation
als fortbestehend, soweit der Zweck der Liquidation es erfordert.
§. 50. Die Auflösung des Vereins oder die
Entziehung der Rechtsfähigkeit ist durch die Liquidatoren öffentlich bekannt zu
machen. In der Bekanntmachung sind die Gläubiger zur Anmeldung ihrer Ansprüche
aufzufordern. Die Bekanntmachung erfolgt durch das in der Satzung für
Veröffentlichungen bestimmte Blatt, in Ermangelung eines solchen durch
dasjenige Blatt, welches für Bekanntmachungen des Amtsgerichts bestimmt ist, in
dessen Bezirke der Verein seinen Sitz hatte. Die Bekanntmachung gilt mit dem
Ablaufe des zweiten Tages nach der Einrückung oder der ersten Einrückung als
bewirkt.
Bekannte Gläubiger sind durch besondere Mittheilung
zur Anmeldung aufzufordern.
§. 51. Das Vermögen darf den Anfallberechtigten
nicht vor dem Ablauf eines Jahres nach der Bekanntmachung der Auflösung des
Vereins oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit ausgeantwortet werden.
§. 52. Meldet sich ein bekannter Gläubiger nicht,
so ist der geschuldete Betrag, wenn die Berechtigung zur Hinterlegung vorhanden
ist, für den Gläubiger zu hinterlegen.
Ist die Berichtigung einer Verbindlichkeit zur Zeit
nicht ausführbar oder ist eine Verbindlichkeit streitig, so darf das Vermögen
den Anfallberechtigten nur ausgeantwortet werden, wenn dem Gläubiger Sicherheit
geleistet ist.
§. 53. Liquidatoren, welche die ihnen nach dem §.
42 Abs. 2 und den §§. 50 bis 52 obliegenden Verpflichtungen verletzen oder vor
der Befriedigung der Gläubiger Vermögen den Anfallberechtigten ausantworten,
sind, wenn ihnen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus
entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als Gesammtschuldner.
§. 54. Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind,
finden die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung. Aus einem
Rechtsgeschäfte, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber
vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln Mehrere, so haften
sie als Gesammtschuldner.
2. Eingetragene Vereine
§. 55. Die Eintragung eines Vereins der im §. 21
bezeichneten Art in das Vereinsregister hat bei dem Amtsgerichte zu geschehen,
in dessen Bezirke der Verein seinen Sitz hat.
§. 56. Die Eintragung soll nur erfolgen, wenn die
Zahl der Mitglieder mindestens sieben beträgt.
§. 57. Die Satzung muß den Zweck, den Namen und den
Sitz des Vereins enthalten und ergeben, daß der Verein eingetragen werden soll.
Der Name soll sich von den Namen der an demselben
Orte oder in derselben Gemeinde bestehenden eingetragenen Vereine deutlich
unterscheiden.
§. 58. Die Satzung soll Bestimmungen enthalten:
1. über den Eintritt und
Austritt der Mitglieder;
2. darüber, ob und welche
Beiträge von den Mitgliedern zu leisten sind;
3. über die Bildung des
Vorstandes;
4. über die
Voraussetzungen, unter denen die Mitgliederversammlung zu berufen ist, über die
Form der Berufung und über die Beurkundung der Beschlüsse.
§. 59. Der Vorstand hat den Verein zur Eintragung
anzumelden.
Der Anmeldung sind beizufügen:
1. die Satzung in Urschrift
und Abschrift;
2. eine Abschrift der
Urkunden über die Bestellung des Vorstandes.
Die Satzung soll von mindestens sieben Mitgliedern
unterzeichnet sein und die Angabe des Tages der Errichtung enthalten.
§. 60. Die Anmeldung ist, wenn den Erfordernissen
der §§. 56 bis 59 nicht genügt ist, von dem Amtsgericht unter Angabe der Gründe
zurückzuweisen.
Gegen einen zurückweisenden Beschluß findet die
sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung statt.
§. 61. Wird die Anmeldung zugelassen, so hat das
Amtsgericht sie der zuständigen Verwaltungsbehörde mitzutheilen.
Die Verwaltungsbehörde kann gegen die Eintragung
Einspruch erheben, wenn der Verein nach dem öffentlichen Vereinsrecht unerlaubt
ist oder verboten werden kann oder wenn er einen politischen, sozialpolitischen
oder religiösen Zweck verfolgt.
§. 62. Erhebt die Verwaltungsbehörde Einspruch, so
hat das Amtsgericht den Einspruch dem Vorstande mitzutheilen.
Der Einspruch kann im Wege des
Verwaltungsstreitverfahrens oder, wo ein solches nicht besteht, im Wege des
Rekurses nach Maßgabe der §§. 20, 21 der Gewerbeordnung angefochten werden.
§. 63. Die Eintragung darf, sofern nicht die
Verwaltungsbehörde dem Amtsgerichte mittheilt, daß Einspruch nicht erhoben
werde, erst erfolgen, wenn seit der Mittheilung der Anmeldung an die
Verwaltungsbehörde sechs Wochen verstrichen sind und Einspruch nicht erhoben
oder wenn der erhobene Einspruch endgültig aufgehoben ist.
§. 64. Bei der Eintragung sind der Name und der
Sitz des Vereins, der Tag der Errichtung der Satzung sowie die Mitglieder des
Vorstandes im Vereinsregister anzugeben. Bestimmungen, die den Umfang der
Vertretungsmacht des Vorstandes beschränken oder die Beschlußfassung des
Vorstandes abweichend von der Vorschrift des §. 28 Abs. 1 regeln, sind
gleichfalls einzutragen.
§. 65. Mit der Eintragung erhält der Name des
Vereins den Zusatz „eingetragener Verein“.
§. 66. Das Amtsgericht hat die Eintragung durch das
für seine Bekanntmachungen bestimmte Blatt zu veröffentlichen.
Die Urschrift der Satzung ist mit der Bescheinigung
der Eintragung zu versehen und zurückzugeben. Die Abschrift wird von dem
Amtsgerichte beglaubigt und mit den übrigen Schriftstücken aufbewahrt.
§. 67. Jede Aenderung des Vorstandes sowie die
erneute Bestellung eines Vorstandsmitglieds ist von dem Vorstande zur
Eintragung anzumelden. Der Anmeldung ist eine Abschrift der Urkunde über die
Aenderung oder die erneute Bestellung beizufügen.
Die Eintragung gerichtlich bestellter
Vorstandsmitglieder erfolgt von Amtswegen.
§. 68. Wird zwischen den bisherigen Mitgliedern des
Vorstandes und einem Dritten ein Rechtsgeschäft vorgenommen, so kann die
Aenderung des Vorstandes dem Dritten nur entgegengesetzt werden, wenn sie zur
Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts im Vereinsregister eingetragen oder dem
Dritten bekannt ist. Ist die Aenderung eingetragen, so braucht der Dritte sie
nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn er sie nicht kennt, seine Unkenntniß
auch nicht auf Fahrlässigkeit beruht.
§. 69. Der Nachweis, daß der Vorstand aus den im
Register eingetragenen Personen besteht, wird Behörden gegenüber durch ein
Zeugniß des Amtsgerichts über die Eintragung geführt.
§. 70. Die Vorschriften des §. 68 gelten auch für
Bestimmungen, die den Umfang der Vertretungsmacht des Vorstandes beschränken
oder die Beschlußfassung des Vorstandes abweichend von der Vorschrift des §. 28
Abs. 1 regeln.
§. 71. Aenderungen der Satzung bedürfen zu ihrer
Wirksamkeit der Eintragung in das Vereinsregister. Die Aenderung ist von dem
Vorstande zur Eintragung anzumelden. Der Anmeldung ist der die Aenderung
enthaltende Beschluß in Urschrift und Abschrift beizufügen.
Die Vorschriften der §§. 60 bis 64 und des §. 66
Abs. 2 finden entsprechende Anwendung.
§ 72. Der Vorstand hat dem Amtsgericht auf dessen
Verlangen jederzeit eine von ihm vollzogene Bescheinigung über die Zahl der
Vereinsmitglieder einzureichen.
§. 73. Sinkt die Zahl der Vereinsmitglieder unter
drei herab, so hat das Amtsgericht auf Antrag des Vorstandes und, wenn der
Antrag nicht binnen drei Monaten gestellt wird, von Amtswegen nach Anhörung des
Vorstandes dem Vereine die Rechtsfähigkeit zu entziehen. Der Beschluß ist dem
Vereine zuzustellen. Gegen den Beschluß findet die sofortige Beschwerde nach
den Vorschriften der Zivilprozeßordnung statt.
Der Verein verliert die Rechtsfähigkeit mit der
Rechtskraft des Beschlusses.
§. 74. Die Auflösung des Vereins sowie die
Entziehung der Rechtsfähigkeit ist in das Vereinsregister einzutragen. Im Falle
der Eröffnung des Konkurses unterbleibt die Eintragung.
Wird der Verein durch Beschluß der
Mitgliederversammlung oder durch den Ablauf der für die Dauer des Vereins
bestimmten Zeit aufgelöst, so hat der Vorstand die Auflösung zur Eintragung
anzumelden. Der Anmeldung ist im ersteren Falle eine Abschrift des Auflösungsbeschlusses beizufügen.
Wird dem Verein auf Grund des §. 43 die Rechtsfähigkeit
entzogen oder wird der Verein auf Grund des öffentlichen Vereinsrechts
aufgelöst, so erfolgt die Eintragung auf Anzeige der zuständigen Behörde.
§. 75. Die Eröffnung des Konkurses ist von
Amtswegen einzutragen. Das Gleiche gilt von der Aufhebung des
Eröffnungsbeschlusses.
§. 76. Die Liquidatoren sind in das Vereinsregister
einzutragen. Das Gleiche gilt von Bestimmungen, welche die Beschlußfassung der
Liquidatoren abweichend von der Vorschrift des §. 48 Abs. 3 regeln.
Die Anmeldung hat durch den Vorstand, bei späteren
Aenderungen durch die Liquidatoren zu erfolgen. Der Anmeldung der durch
Beschluß der Mitgliederversammlung bestellten Liquidatoren ist eine Abschrift
des Beschlusses, der Anmeldung einer Bestimmung über die Beschlußfassung der Liquidatoren
eine Abschrift der die Bestimmung enthaltenden Urkunde beizufügen.
Die Eintragung gerichtlich bestellter Liquidatoren
geschieht von Amtswegen.
§. 77. Die Anmeldungen zum Vereinsregister sind von
den Mitgliedern des Vorstandes sowie von den Liquidatoren mittelst öffentlich
beglaubigter Erklärung zu bewirken.
§. 78. Das Amtsgericht kann die Mitglieder des
Vorstandes zur Befolgung der Vorschriften des §. 67 Abs. 1, des §. 71 Abs. 1,
des §. 72, des §. 74 Abs. 2 und des §. 76 durch Ordnungsstrafen anhalten. Die
einzelne Strafe darf den Betrag von dreihundert Mark nicht übersteigen.
In gleicher Weise können die Liquidatoren zur
Befolgung der Vorschriften des §. 76 angehalten werden.
§. 79. Die Einsicht des Vereinsregisters sowie der
von dem Vereine bei dem Amtsgericht eingereichten Schriftstücke ist Jedem
gestattet. Von den Eintragungen kann eine Abschrift gefordert werden; die
Abschrift ist auf Verlangen zu beglaubigen.
II. Stiftungen
§. 80. Zur Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung
ist außer dem Stiftungsgeschäfte die Genehmigung des Bundesstaats erforderlich,
in dessen Gebiete die Stiftung ihren Sitz haben soll. Soll die Stiftung ihren
Sitz nicht in einem Bundesstaate haben, so ist die Genehmigung des Bundesraths
erforderlich. Als Sitz der Stiftung gilt, wenn nicht ein Anderes bestimmt ist,
der Ort, an welchem die Verwaltung geführt wird. 1
§. 81. Das Stiftungsgeschäft unter Lebenden bedarf
der schriftlichen Form.
Bis zur Ertheilung der Genehmigung ist der Stifter
zum Widerrufe berechtigt. Ist die Genehmigung bei der zuständigen Behörde
nachgesucht, so kann der Widerruf nur dieser gegenüber erklärt werden. Der Erbe
des Stifters ist zum Widerrufe nicht berechtigt, wenn der Stifter das Gesuch
bei der zuständigen Behörde eingereicht oder im Falle der gerichtlichen oder
notariellen Beurkundung des Stiftungsgeschäfts das Gericht oder den Notar bei
oder nach der Beurkundung mit der Einreichung betraut hat.
§. 82. Wird die Stiftung genehmigt, so ist der
Stifter verpflichtet, das in dem Stiftungsgeschäfte zugesicherte Vermögen auf
die Stiftung zu übertragen. Rechte, zu deren Uebertragung der Abtretungsvertrag
genügt, gehen mit der Genehmigung auf die Stiftung über, sofern nicht aus dem
Stiftungsgeschäfte sich ein anderer Wille des Stifters ergiebt.
§. 83. Besteht das Stiftungsgeschäft in einer
Verfügung von Todeswegen, so hat das Nachlaßgericht die Genehmigung einzuholen,
sofern sie nicht von dem Erben oder dem Testamentsvollstrecker nachgesucht
wird.
§. 84. Wird die Stiftung erst nach dem Tode des
Stifters genehmigt, so gilt sie für die Zuwendungen des Stifters als schon vor
dessen Tode entstanden.
§. 85. Die Verfassung einer Stiftung wird, soweit
sie nicht auf Reichs- oder Landesgesetz beruht, durch das Stiftungsgeschäft
bestimmt.
§. 86. Die Vorschriften des §. 26, des §. 27 Abs. 3
und der §§. 28 bis 31, 42 finden auf Stiftungen entsprechende Anwendung, die
Vorschriften des §. 27 Abs. 3 und des §. 28 Abs. 1 jedoch nur insoweit, als
sich nicht aus der Verfassung, insbesondere daraus, daß die Verwaltung der Stiftung
von einer öffentlichen Behörde geführt wird, ein Anderes ergiebt. Die
Vorschriften des §. 28 Abs. 2 und des §. 29 finden auf Stiftungen, deren
Verwaltung von einer öffentlichen Behörde geführt wird, keine Anwendung.
§. 87. Ist die Erfüllung des Stiftungszwecks
unmöglich geworden oder gefährdet sie das Gemeinwohl, so kann die zuständige
Behörde der Stiftung eine andere Zweckbestimmung geben oder sie aufheben.
Bei der Umwandlung des Zweckes ist die Absicht des
Stifters thunlichst zu berücksichtigen, insbesondere dafür Sorge zu tragen, daß
die Erträge des Stiftungsvermögens dem Personenkreise, dem sie zu Statten
kommen sollten, im Sinne des Stifters thunlichst erhalten bleiben. Die Behörde
kann die Verfassung der Stiftung ändern, soweit die Umwandlung des Zweckes es
erfordert.
Vor der Umwandlung des Zweckes und der Aenderung
der Verfassung soll der Vorstand der Stiftung gehört werden.
§. 88. Mit dem Erlöschen der Stiftung fällt das
Vermögen an die in der Verfassung bestimmten Personen. Die Vorschriften der §§.
46 bis 53 finden entsprechende Anwendung.
III. Juristische Personen des öffentlichen Rechtes
§. 89. Die Vorschrift des §. 31 findet auf den
Fiskus sowie auf die Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen
Rechtes entsprechende Anwendung.
Das Gleiche gilt, soweit bei Körperschaften,
Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechtes der Konkurs zulässig ist, von
der Vorschrift des §. 42 Abs. 2.
Zweiter Abschnitt.
Sachen.
§. 90. Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur
körperliche Gegenstände.
§. 91. Vertretbare Sachen im Sinne des Gesetzes
sind bewegliche Sachen, die im Verkehre nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu
werden pflegen.
§. 92. Verbrauchbare Sachen im Sinne des Gesetzes
sind bewegliche Sachen, deren bestimmungsmäßiger Gebrauch in dem Verbrauch oder
in der Veräußerung besteht.
Als verbrauchbar gelten auch bewegliche Sachen, die
zu einem Waarenlager oder zu einem sonstigen Sachinbegriffe gehören, dessen
bestimmungsmäßiger Gebrauch in der Veräußerung der einzelnen Sachen besteht.
§. 93. Bestandtheile einer Sache, die von einander
nicht getrennt werden können, ohne daß der eine oder der andere zerstört oder
in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandtheile), können nicht
Gegenstand besonderer Rechte sein.
§. 94. Zu den wesentlichen Bestandtheilen eines
Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen,
insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit
dem Boden zusammenhängen. Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze mit dem
Einpflanzen wesentlicher Bestandtheil des Grundstücks.
Zu den wesentlichen Bestandtheilen eines Gebäudes
gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.
§. 95. Zu den Bestandtheilen eines Grundstücks
gehören solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zwecke mit dem
Grund und Boden verbunden sind. Das Gleiche gilt von einem Gebäude oder anderen
Werke, das in Ausübung eines Rechtes an einem fremden Grundstücke von dem
Berechtigten mit dem Grundstücke verbunden worden ist.
Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zwecke in
ein Gebäude eingefügt sind, gehören nicht zu den Bestandtheilen des Gebäudes.
§. 96. Rechte, die mit dem Eigenthum an einem
Grundstücke verbunden sind, gelten als Bestandtheile des Grundstücks.
§. 97. Zubehör sind bewegliche Sachen, die, ohne
Bestandtheile der Hauptsache zu sein, dem wirthschaftlichen Zwecke der
Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung
entsprechenden räumlichen Verhältnisse stehen. Eine Sache ist nicht Zubehör,
wenn sie im Verkehre nicht als Zubehör angesehen wird.
Die vorübergehende Benutzung einer Sache für den
wirthschaftlichen Zweck einer anderen begründet nicht die Zubehöreigenschaft.
Die vorübergehende Trennung eines Zubehörstücks von der Hauptsache hebt die
Zubehöreigenschaft nicht auf.
§. 98. Dem wirthschaftlichen Zwecke der Hauptsache
sind zu dienen bestimmt:
1. bei einem Gebäude, das
für einen gewerblichen Betrieb dauernd eingerichtet ist, insbesondere bei einer
Mühle, einer Schmiede, einem Brauhaus, einer Fabrik, die zu dem Betriebe
bestimmten Maschinen und sonstigen Geräthschaften;
2. bei einem Landgute das
zum Wirthschaftsbetriebe bestimmte Geräth und Vieh, die landwirthschaftlichen
Erzeugnisse, soweit sie zur Fortführung der Wirthschaft bis zu der Zeit
erforderlich sind, zu welcher gleiche oder ähnliche Erzeugnisse voraussichtlich
gewonnen werden, sowie der vorhandene auf dem Gute gewonnene Dünger.
§. 99. Früchte einer Sache sind die Erzeugnisse der
Sache und die sonstige Ausbeute, welche aus der Sache ihrer Bestimmung gemäß
gewonnen wird.
Früchte eines Rechtes sind die Erträge, welche das
Recht seiner Bestimmung gemäß gewährt, insbesondere bei einem Rechte auf
Gewinnung von Bodenbestandtheilen die gewonnenen Bestandtheile.
Früchte sind auch die Erträge, welche eine Sache
oder ein Recht vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt.
§. 100. Nutzungen sind die Früchte einer Sache oder
eines Rechtes sowie die Vortheile, welche der Gebrauch der Sache oder des
Rechtes gewährt.
§. 101. Ist Jemand berechtigt, die Früchte einer
Sache oder eines Rechtes bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer bestimmten
Zeit an zu beziehen, so gebühren ihm, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist:
1. die im §. 99 Abs. 1
bezeichneten Erzeugnisse und Bestandtheile, auch wenn er sie als Früchte eines Rechtes
zu beziehen hat, insoweit, als sie während der Dauer der Berechtigung von der
Sache getrennt werden;
2. andere Früchte insoweit,
als sie während der Dauer der Berechtigung fällig werden; bestehen jedoch die
Früchte in der Vergütung für die Ueberlassung des Gebrauchs oder des
Fruchtgenusses, in Zinsen, Gewinnantheilen oder anderen regelmäßig
wiederkehrenden Erträgen, so gebührt dem Berechtigten ein der Dauer seiner
Berechtigung entsprechender Theil.
§. 102. Wer zur Herausgabe von Früchten verpflichtet
ist, kann Ersatz der auf die Gewinnung der Früchte verwendeten Kosten insoweit
verlangen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirthschaft entsprechen und den Werth
der Früchte nicht übersteigen.
§. 103. Wer verpflichtet ist, die Lasten einer
Sache oder eines Rechtes bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer bestimmten
Zeit an zu tragen, hat, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist, die regelmäßig
wiederkehrenden Lasten nach dem Verhältnisse der Dauer seiner Verpflichtung,
andere Lasten insoweit zu tragen, als sie während der Dauer seiner
Verpflichtung zu entrichten sind.
Dritter Abschnitt.
Rechtsgeschäfte.
Erster Titel.
Geschäftsfähigkeit.
§. 104. Geschäftsunfähig ist:
1. wer nicht das siebente
Lebensjahr vollendet hat;
2. wer sich in einem die
freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der
Geistesthätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein
vorübergehender ist;
3. wer wegen
Geisteskrankheit entmündigt ist.
§. 105. Die Willenserklärung eines
Geschäftsunfähigen ist nichtig.
Nichtig ist auch eine Willenserklärung, die im
Zustande der Bewußtlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistesthätigkeit
abgegeben wird.
§. 106. Ein Minderjähriger, der das siebente
Lebensjahr vollendet hat, ist nach Maßgabe der §§. 107 bis 113 in der
Geschäftsfähigkeit beschränkt.
§. 107. Der Minderjährige bedarf zu einer
Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vortheil
erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters.
§. 108. Schließt der Minderjährige einen Vertrag
ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, so hängt die
Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab.
Fordert der andere Theil den Vertreter zur
Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber
erfolgen; eine vor der Aufforderung dem Minderjährigen gegenüber erklärte
Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung
kann nur bis zum Ablaufe von zwei Wochen nach dem Empfange der Aufforderung
erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert.
Ist der Minderjährige unbeschränkt geschäftsfähig
geworden, so tritt seine Genehmigung an die Stelle der Genehmigung des
Vertreters.
§. 109. Bis zur Genehmigung des Vertrags ist der
andere Theil zum Widerrufe berechtigt. Der Widerruf kann auch dem
Minderjährigen gegenüber erklärt werden.
Hat der andere Theil die Minderjährigkeit gekannt,
so kann er nur widerrufen, wenn der Minderjährige der Wahrheit zuwider die
Einwilligung des Vertreters behauptet hat; er kann auch in diesem Falle nicht
widerrufen, wenn ihm das Fehlen der Einwilligung bei dem Abschlusse des
Vertrags bekannt war.
§. 110. Ein von dem Minderjährigen ohne Zustimmung
des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag gilt als von Anfang an wirksam,
wenn der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm
zu diesem Zwecke oder zu freier Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen
Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind.
§. 111. Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das der
Minderjährige ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters
vornimmt, ist unwirksam. Nimmt der Minderjährige mit dieser Einwilligung ein
solches Rechtsgeschäft einem Anderen gegenüber vor, so ist das Rechtsgeschäft
unwirksam, wenn der Minderjährige die Einwilligung nicht in schriftlicher Form
vorlegt und der Andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich
zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vertreter den
Anderen von der Einwilligung in Kenntniß gesetzt hatte.
§. 112. Ermächtigt der gesetzliche Vertreter mit
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts den Minderjährigen zum selbständigen
Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, so ist der Minderjährige für solche
Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche der Geschäftsbetrieb mit
sich bringt. Ausgenommen sind Rechtsgeschäfte, zu denen der Vertreter der
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf.
Die Ermächtigung kann von dem Vertreter nur mit
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zurückgenommen werden.
§. 113. Ermächtigt der gesetzliche Vertreter den
Minderjährigen, in Dienst oder in Arbeit zu treten, so ist der Minderjährige
für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche die Eingehung
oder Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art oder
die Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältniß ergebenden Verpflichtungen
betreffen. Ausgenommen sind Verträge, zu denen der Vertreter der Genehmigung
des Vormundschaftsgerichts bedarf.
Die Ermächtigung kann von dem Vertreter
zurückgenommen oder eingeschränkt werden.
Ist der gesetzliche Vertreter ein Vormund, so kann
die Ermächtigung, wenn sie von ihm verweigert wird, auf Antrag des
Minderjährigen durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden. Das
Vormundschaftsgericht hat die Ermächtigung zu ersetzen, wenn sie im Interesse
des Mündels liegt.
Die für einen einzelnen Fall ertheilte Ermächtigung
gilt im Zweifel als allgemeine Ermächtigung zur Eingehung von Verhältnissen
derselben Art.
§. 114. Wer wegen Geistesschwäche, wegen Verschwendung
oder wegen Trunksucht entmündigt oder wer nach §. 1906 unter vorläufige
Vormundschaft gestellt ist, steht in Ansehung der Geschäftsfähigkeit einem
Minderjährigen gleich, der das siebente Lebensjahr vollendet hat.
§. 115. Wird ein die Entmündigung aussprechender
Beschluß in Folge einer Anfechtungsklage aufgehoben, so kann die Wirksamkeit
der von oder gegenüber dem Entmündigten vorgenommenen Rechtsgeschäfte nicht auf
Grund des Beschlusses in Frage gestellt werden. Auf die Wirksamkeit der von oder
gegenüber dem gesetzlichen Vertreter vorgenommenen Rechtsgeschäfte hat die
Aufhebung keinen Einfluß.
Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung,
wenn im Falle einer vorläufigen Vormundschaft der Antrag auf Entmündigung
zurückgenommen oder rechtskräftig abgewiesen oder der die Entmündigung
aussprechende Beschluß in Folge einer Anfechtungsklage aufgehoben wird.
Zweiter Titel.
Willenserklärung.
§. 116. Eine Willenserklärung ist nicht deshalb
nichtig, weil sich der Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu
wollen. Die Erklärung ist nichtig, wenn sie einem Anderen gegenüber abzugeben
ist und dieser den Vorbehalt kennt.
§. 117. Wird eine Willenserklärung, die einem
Anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnisse nur zum Schein abgegeben,
so ist sie nichtig.
Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes
Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft
geltenden Vorschriften Anwendung.
§. 118. Eine nicht ernstlich gemeinte
Willenserklärung, die in der Erwartung abgegeben wird, der Mangel der
Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, ist nichtig.
§. 119. Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung
über deren Inhalt im Irrthume war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt
nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, daß er
sie bei Kenntniß der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht
abgegeben haben würde.
Als Irrthum über den Inhalt der Erklärung gilt auch
der Irrthum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr
als wesentlich angesehen werden.
§. 120. Eine Willenserklärung, welche durch die zur
Uebermittlung verwendete Person oder Anstalt unrichtig übermittelt worden ist,
kann unter der gleichen Voraussetzung angefochten werden wie nach §. 119 eine
irrthümlich abgegebene Willenserklärung.
§. 121. Die Anfechtung muß in den Fällen der §§.
119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der
Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrunde Kenntniß erlangt hat. Die
einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt,
wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.
Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der
Abgabe der Willenserklärung dreißig Jahre verstrichen sind.
§. 122. Ist eine Willenserklärung nach §. 118
nichtig oder auf Grund der §§. 119, 120 angefochten, so hat der Erklärende,
wenn die Erklärung einem Anderen gegenüber abzugeben war, diesem, anderenfalls
jedem Dritten den Schaden zu ersetzen, den der Andere oder der Dritte dadurch erleidet,
daß er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut, jedoch nicht über den Betrag
des Interesses hinaus, welches der Andere oder der Dritte an der Gültigkeit der
Erklärung hat.
Die Schadensersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der
Beschädigte den Grund der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit kannte oder in
Folge von Fahrlässigkeit nicht kannte (kennen mußte).
§. 123. Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch
arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist,
kann die Erklärung anfechten.
Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine
Erklärung, die einem Anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn
dieser die Täuschung kannte oder kennen mußte. Soweit ein Anderer als
derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung
unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar,
wenn er die Täuschung kannte oder kennen mußte.
§. 124. Die Anfechtung einer nach §. 123
anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
Die Frist beginnt im Falle der arglistigen
Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die
Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die
Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung
geltenden Vorschriften des §. 203 Abs. 2 und der §§. 206, 207 entsprechende
Anwendung.
Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der
Abgabe der Willenserklärung dreißig Jahre verstrichen sind.
§. 125. Ein Rechtsgeschäft, welches der durch
Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch
Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur
Folge.
§. 126. Ist durch Gesetz schriftliche Form
vorgeschrieben, so muß die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch
Namensunterschrift oder mittelst gerichtlich oder notariell beglaubigten
Handzeichens unterzeichnet werden.
Bei einem Vertrage muß die Unterzeichnung der
Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere
gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die
andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.
Die schriftliche Form wird durch die gerichtliche
oder notarielle Beurkundung ersetzt.
§. 127. Die Vorschriften des §. 126 gelten im Zweifel
auch für die durch Rechtsgeschäft bestimmte schriftliche Form. Zur Wahrung der
Form genügt jedoch, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist,
telegraphische Uebermittelung und bei einem Vertrage Briefwechsel; wird eine
solche Form gewählt, so kann nachträglich eine dem §. 126 entsprechende
Beurkundung verlangt werden.
§. 128. Ist durch Gesetz gerichtliche oder
notarielle Beurkundung eines Vertrags vorgeschrieben, so genügt es, wenn
zunächst der Antrag und sodann die Annahme des Antrags von einem Gericht oder
einem Notar beurkundet wird.
§. 129. Ist durch Gesetz für eine Erklärung
öffentliche Beglaubigung vorgeschrieben, so muß die Erklärung schriftlich
abgefaßt und die Unterschrift des Erklärenden von der zuständigen Behörde oder
einem zuständigen Beamten oder Notar beglaubigt werden. Wird die Erklärung von
dem Aussteller mittelst Handzeichens unterzeichnet, so ist die im §. 126 Abs. 1
vorgeschriebene Beglaubigung des Handzeichens erforderlich und genügend.
Die öffentliche Beglaubigung wird durch die gerichtliche
oder notarielle Beurkundung der Erklärung ersetzt.
§. 130. Eine Willenserklärung, die einem Anderen
gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird,
in dem Zeitpunkte wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam,
wenn dem Anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.
Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es
ohne Einfluß, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig
wird.
Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn
die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.
§. 131. Wird die Willenserklärung einem
Geschäftsunfähigen gegenüber abgegeben, so wird sie nicht wirksam, bevor sie
dem gesetzlichen Vertreter zugeht.
Das Gleiche gilt, wenn die Willenserklärung einer
in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person gegenüber abgegeben wird. Bringt
die Erklärung jedoch der in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person
lediglich einen rechtlichen Vortheil oder hat der gesetzliche Vertreter seine
Einwilligung ertheilt, so wird die Erklärung in dem Zeitpunkte wirksam, in
welchem sie ihr zugeht.
§. 132. Eine Willenserklärung gilt auch dann als
zugegangen, wenn sie durch Vermittelung eines Gerichtsvollziehers zugestellt
worden ist. Die Zustellung erfolgt nach den Vorschriften der
Zivilprozeßordnung.
Befindet sich der Erklärende über die Person
desjenigen, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben ist, in einer nicht auf
Fahrlässigkeit beruhenden Unkenntniß oder ist der Aufenthalt dieser Person
unbekannt, so kann die Zustellung nach den für die öffentliche Zustellung einer
Ladung geltenden Vorschriften der Zivilprozeßordnung erfolgen. Zuständig für
die Bewilligung ist im ersteren Falle das Amtsgericht, in dessen Bezirke der
Erklärende seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes
seinen Aufenthalt hat, im letzteren Falle das Amtsgericht, in dessen Bezirke
die Person, welcher zuzustellen ist, den letzten Wohnsitz oder in Ermangelung
eines inländischen Wohnsitzes den letzten Aufenthalt hatte.
§. 133. Bei der Auslegung einer Willenserklärung
ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des
Ausdrucks zu haften.
§. 134. Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein
gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein
Anderes ergiebt.
§. 135. Verstößt die Verfügung über einen
Gegenstand gegen ein gesetzliches Veräußerungsverbot, das nur den Schutz
bestimmter Personen bezweckt, so ist sie nur diesen Personen gegenüber
unwirksam. Der rechtsgeschäftlichen Verfügung steht eine Verfügung gleich, die
im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung erfolgt.
Die Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche
Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung.
§. 136. Ein Veräußerungsverbot, das von einem
Gericht oder von einer anderen Behörde innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassen
wird, steht einem gesetzlichen Veräußerungsverbote der im §. 135 bezeichneten
Art gleich.
§. 137. Die Befugniß zur Verfügung über ein
veräußerliches Recht kann nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder
beschränkt werden. Die Wirksamkeit einer Verpflichtung, über ein solches Recht
nicht zu verfügen, wird durch diese Vorschrift nicht berührt.
§. 138. Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten
Sitten verstößt, ist nichtig.
Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch
das Jemand unter Ausbeutung der Nothlage, des Leichtsinns oder der
Unerfahrenheit eines Anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung
Vermögensvortheile versprechen oder gewähren läßt, welche den Werth der
Leistung dergestalt übersteigen, daß den Umständen nach die Vermögensvortheile
in auffälligem Mißverhältnisse zu der Leistung stehen.
§. 139. Ist ein Theil eines Rechtsgeschäfts
nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist,
daß es auch ohne den nichtigen Theil vorgenommen sein würde.
§. 140. Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den
Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn
anzunehmen ist, daß dessen Geltung bei Kenntniß der Nichtigkeit gewollt sein
würde.
§. 141. Wird ein nichtiges Rechtsgeschäft von
demjenigen, welcher es vorgenommen hat, bestätigt, so ist die Bestätigung als
erneute Vornahme zu beurtheilen.
Wird ein nichtiger Vertrag von den Parteien
bestätigt, so sind diese im Zweifel verpflichtet, einander zu gewähren, was sie
haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig gewesen wäre.
§. 142. Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft
angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen.
Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen mußte,
wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit
des Rechtsgeschäfts gekannt hätte oder hätte kennen müssen.
§. 143. Die Anfechtung erfolgt durch Erklärung
gegenüber dem Anfechtungsgegner.
Anfechtungsgegner ist bei einem Vertrage der andere
Theil, im Falle des §. 123 Abs. 2 Satz 2 derjenige, welcher aus dem Vertrag
unmittelbar ein Recht erworben hat.
Bei einem einseitigen Rechtsgeschäfte, das einem
Anderen gegenüber vorzunehmen war, ist der Andere der Anfechtungsgegner. Das
Gleiche gilt bei einem Rechtsgeschäfte, das einem Anderen oder einer Behörde
gegenüber vorzunehmen war, auch dann, wenn das Rechtsgeschäft der Behörde
gegenüber vorgenommen worden ist.
Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft anderer Art
ist Anfechtungsgegner Jeder, der auf Grund des Rechtsgeschäfts unmittelbar
einen rechtlichen Vortheil erlangt hat. Die Anfechtung kann jedoch, wenn die
Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben war, durch Erklärung
gegenüber der Behörde erfolgen; die Behörde soll die Anfechtung demjenigen
mittheilen, welcher durch das Rechtsgeschäft unmittelbar betroffen worden ist.
§. 144. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn das
anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird.
Die Bestätigung bedarf nicht der für das
Rechtsgeschäft bestimmten Form.
Dritter Titel.
Vertrag.
§. 145. Wer einem Anderen die Schließung eines
Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, daß er die
Gebundenheit ausgeschlossen hat.
§. 146. Der Antrag erlischt, wenn er dem
Antragenden gegenüber abgelehnt oder wenn er nicht diesem gegenüber nach den
§§. 147 bis 149 rechtzeitig angenommen wird.
§. 147. Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann
nur sofort angenommen werden. Dies gilt auch von einem mittelst Fernsprechers
von Person zu Person gemachten Antrage.
Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis
zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der
Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf.
§. 148. Hat der Antragende für die Annahme des
Antrags eine Frist bestimmt, so kann die Annahme nur innerhalb der Frist
erfolgen.
§. 149. Ist eine dem Antragenden verspätet
zugegangene Annahmeerklärung dergestalt abgesendet worden, daß sie bei
regelmäßiger Beförderung ihm rechtzeitig zugegangen sein würde, und mußte der
Antragende dies erkennen, so hat er die Verspätung dem Annehmenden unverzüglich
nach dem Empfange der Erklärung anzuzeigen, sofern es nicht schon vorher
geschehen ist. Verzögert er die Absendung der Anzeige, so gilt die Annahme als
nicht verspätet.
§. 150. Die verspätete Annahme eines Antrags gilt
als neuer Antrag.
Eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen
oder sonstigen Aenderungen gilt als Ablehnung verbunden mit einem neuen
Antrage.
§. 151. Der Vertrag kommt durch die Annahme des
Antrags zu Stande, ohne daß die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu
werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu
erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in
welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den
Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.
§. 152. Wird ein Vertrag gerichtlich oder notariell
beurkundet, ohne daß beide Theile gleichzeitig anwesend sind, so kommt der
Vertrag mit der nach §. 128 erfolgten Beurkundung der Annahme zu Stande, wenn
nicht ein Anderes bestimmt ist. Die Vorschrift des §. 151 Satz 2 findet
Anwendung.
§. 153. Das Zustandekommen des Vertrags wird nicht
dadurch gehindert, daß der Antragende vor der Annahme stirbt oder
geschäftsunfähig wird, es sei denn, daß ein anderer Wille des Antragenden
anzunehmen ist.
§. 154. Solange nicht die Parteien sich über alle
Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur
einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der
Vertrag nicht geschlossen. Die Verständigung über einzelne Punkte ist auch dann
nicht bindend, wenn eine Aufzeichnung stattgefunden hat.
Ist eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags
verabredet worden, so ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen, bis die
Beurkundung erfolgt ist.
§. 155. Haben sich die Parteien bei einem Vertrage,
den sie als geschlossen ansehen, über einen Punkt, über den eine Vereinbarung
getroffen werden sollte, in Wirklichkeit nicht geeinigt, so gilt das
Vereinbarte, sofern anzunehmen ist, daß der Vertrag auch ohne eine Bestimmung
über diesen Punkt geschlossen sein würde.
§. 156. Bei einer Versteigerung kommt der Vertrag
erst durch den Zuschlag zu Stande. Ein Gebot erlischt, wenn ein Uebergebot
abgegeben oder die Versteigerung ohne Ertheilung des Zuschlags geschlossen
wird.
§. 157. Verträge sind so auszulegen, wie Treu und
Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Vierter Titel.
Bedingung. Zeitbestimmung.
§. 158. Wird ein Rechtsgeschäft unter einer
aufschiebenden Bedingung vorgenommen, so tritt die von der Bedingung abhängig
gemachte Wirkung mit dem Eintritte der Bedingung ein.
Wird ein Rechtsgeschäft unter einer auflösenden
Bedingung vorgenommen, so endigt mit dem Eintritte der Bedingung die Wirkung
des Rechtsgeschäfts; mit diesem Zeitpunkte tritt der frühere Rechtszustand
wieder ein.
§. 159. Sollen nach dem Inhalte des Rechtsgeschäfts
die an den Eintritt der Bedingung geknüpften Folgen auf einen früheren
Zeitpunkt zurückbezogen werden, so sind im Falle des Eintritts der Bedingung
die Betheiligten verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn
die Folgen in dem früheren Zeitpunkt eingetreten wären.
§. 160. Wer unter einer aufschiebenden Bedingung
berechtigt ist, kann im Falle des Eintritts der Bedingung Schadensersatz von
dem anderen Theile verlangen, wenn dieser während der Schwebezeit das von der
Bedingung abhängige Recht durch sein Verschulden vereitelt oder beeinträchtigt.
Den gleichen Anspruch hat unter denselben
Voraussetzungen bei einem unter einer auflösenden Bedingung vorgenommenen
Rechtsgeschäfte derjenige, zu dessen Gunsten der frühere Rechtszustand
wiedereintritt.
§. 161. Hat Jemand unter einer aufschiebenden
Bedingung über einen Gegenstand verfügt, so ist jede weitere Verfügung, die er
während der Schwebezeit über den Gegenstand trifft, im Falle des Eintritts der
Bedingung insoweit unwirksam, als sie die von der Bedingung abhängige Wirkung
vereiteln oder beeinträchtigen würde. Einer solchen Verfügung steht eine
Verfügung gleich, die während der Schwebezeit im Wege der Zwangsvollstreckung
oder der Arrestvollziehung oder durch den Konkursverwalter erfolgt.
Dasselbe gilt bei einer auflösenden Bedingung von
den Verfügungen desjenigen, dessen Recht mit dem Eintritte der Bedingung
endigt.
Die Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche
Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung.
§. 162. Wird der Eintritt der Bedingung von der
Partei, zu deren Nachtheil er gereichen würde, wider Treu und Glauben
verhindert, so gilt die Bedingung als eingetreten.
Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu
deren Vortheil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt, so gilt der
Eintritt als nicht erfolgt.
§. 163. Ist für die Wirkung eines Rechtsgeschäfts
bei dessen Vornahme ein Anfangs- oder ein Endtermin bestimmt worden, so finden
im ersteren Falle die für die aufschiebende, im letzteren Falle die für die
auflösende Bedingung geltenden Vorschriften der §§. 158, 160, 161 entsprechende
Anwendung.
Fünfter Titel.
Vertretung. Vollmacht.
§. 164. Eine Willenserklärung, die Jemand innerhalb
der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgiebt, wirkt
unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die
Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände
ergeben, daß sie in dessen Namen erfolgen soll.
Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht
erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln,
nicht in Betracht.
Die Vorschriften des Abs. 1 finden entsprechende
Anwendung, wenn eine gegenüber einem Anderen abzugebende Willenserklärung
dessen Vertreter gegenüber erfolgt.
§. 165. Die Wirksamkeit einer von oder gegenüber
einem Vertreter abgegebenen Willenserklärung wird nicht dadurch beeinträchtigt,
daß der Vertreter in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist.
§. 166. Soweit die rechtlichen Folgen einer
Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntniß oder das
Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusßt werden, kommt nicht die Person des
Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.
Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft ertheilten
Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des
Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände,
die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntniß des Vertreters berufen. Dasselbe
gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen mußte, sofern das
Kennenmüssen der Kenntniß gleichsteht.
§. 167. Die Ertheilung der Vollmacht erfolgt durch
Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten, dem gegenüber
die Vertretung stattfinden soll.
Die Erklärung bedarf nicht der Form, welche für das
Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sich die Vollmacht bezieht.
§. 168. Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich
nach dem ihrer Ertheilung zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisse. Die Vollmacht
ist auch bei dem Fortbestehen des Rechtsverhältnisses widerruflich, sofern sich
nicht aus diesem ein Anderes ergiebt. Auf die Erklärung des Widerrufs findet
die Vorschrift des §. 167 Abs. 1 entsprechende Anwendung.
§. 169. Soweit nach den §§. 674, 729 die erloschene
Vollmacht eines Beauftragten oder eines geschäftsführenden Gesellschafters als
fortbestehend gilt, wirkt sie nicht zu Gunsten eines Dritten, der bei der
Vornahme eines Rechtsgeschäfts das Erlöschen kennt oder kennen muß.
§. 170. Wird die Vollmacht durch Erklärung
gegenüber einem Dritten ertheilt, so bleibt sie diesem gegenüber in Kraft, bis
ihm das Erlöschen von dem Vollmachtgeber angezeigt wird.
§. 171. Hat Jemand durch besondere Mittheilung an
einen Dritten oder durch öffentliche Bekanntmachung kundgegeben, daß er einen
Anderen bevollmächtigt habe, so ist dieser auf Grund der Kundgebung im ersteren
Falle dem Dritten gegenüber, im letzteren Falle jedem Dritten gegenüber zur
Vertretung befugt.
Die Vertretungsmacht bleibt bestehen, bis die
Kundgebung in derselben Weise, wie sie erfolgt ist, widerrufen wird.
§. 172. Der besonderen Mittheilung einer
Bevollmächtigung durch den Vollmachtgeber steht es gleich, wenn dieser dem
Vertreter eine Vollmachtsurkunde ausgehändigt hat und der Vertreter sie dem
Dritten vorlegt.
Die Vertretungsmacht bleibt bestehen, bis die
Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt
wird.
§. 173. Die Vorschriften des §. 170, des §. 171
Abs. 2 und des §. 172 Abs. 2 finden keine Anwendung, wenn der Dritte das
Erlöschen der Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt oder
kennen muß.
§. 174. Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein
Bevollmächtigter einem Anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der
Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der Andere das
Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung
ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den Anderen von der
Bevollmächtigung in Kenntniß gesetzt hatte.
§. 175. Nach dem Erlöschen der Vollmacht hat der
Bevollmächtigte die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückzugeben; ein
Zurückbehaltungsrecht steht ihm nicht zu.
§. 176. Der Vollmachtgeber kann die
Vollmachtsurkunde durch eine öffentliche Bekanntmachung für kraftlos erklären;
die Kraftloserklärung muß nach den für die öffentliche Zustellung einer Ladung
geltenden Vorschriften der Zivilprozeßordnung veröffentlicht werden. Mit dem
Ablauf eines Monats nach der letzten Einrückung in die öffentlichen Blätter
wird die Kraftloserklärung wirksam.
Zuständig für die Bewilligung der Veröffentlichung
ist sowohl das Amtsgericht, in dessen Bezirke der Vollmachtgeber seinen
allgemeinen Gerichtsstand hat, als das Amtsgericht, welches für die Klage auf
Rückgabe der Urkunde, abgesehen von dem Werthe des Streitgegenstandes,
zuständig sein würde.
Die Kraftloserklärung ist unwirksam, wenn der
Vollmachtgeber die Vollmacht nicht widerrufen kann.
§. 177. Schließt Jemand ohne Vertretungsmacht im
Namen eines Anderen einen Vertrag, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags für
und gegen den Vertretenen von dessen Genehmigung ab.
Fordert der andere Theil den Vertretenen zur
Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber
erfolgen; eine vor der Aufforderung dem Vertreter gegenüber erklärte
Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung
kann nur bis zum Ablaufe von zwei Wochen nach dem Empfange der Aufforderung
erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert.
§. 178. Bis zur Genehmigung des Vertrags ist der
andere Theil zum Widerrufe berechtigt, es sei denn, daß er den Mangel der
Vertretungsmacht bei dem Abschlusse des Vertrags gekannt hat. Der Widerruf kann
auch dem Vertreter gegenüber erklärt werden.
§. 179. Wer als Vertreter einen Vertrag geschlossen
hat, ist, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Theile
nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatze verpflichtet, wenn der
Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert.
Hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht
nicht gekannt, so ist er nur zum Ersatze desjenigen Schadens verpflichtet,
welchen der andere Theil dadurch erleidet, daß er auf die Vertretungsmacht
vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der
andere Theil an der Wirksamkeit des Vertrags hat.
Der Vertreter haftet nicht, wenn der andere Theil
den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen mußte. Der Vertreter haftet
auch dann nicht, wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war, es sei denn,
daß er mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat.
§. 180. Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft ist
Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Hat jedoch derjenige, welchem
gegenüber ein solches Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die von dem Vertreter
behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht
beanstandet oder ist er damit einverstanden gewesen, daß der Vertreter ohne
Vertretungsmacht handele, so finden die Vorschriften über Verträge
entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt, wenn ein einseitiges Rechtsgeschäft
gegenüber einem Vertreter ohne Vertretungsmacht mit dessen Einverständnisse
vorgenommen wird.
§. 181. Ein Vertreter kann, soweit nicht ein
Anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen
oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei
denn, daß das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer
Verbindlichkeit besteht.
Sechster Titel.
Einwilligung. Genehmigung.
§. 182. Hängt die Wirksamkeit eines Vertrags oder
eines einseitigen Rechtsgeschäfts, das einem Anderen gegenüber vorzunehmen ist,
von der Zustimmung eines Dritten ab, so kann die Ertheilung sowie die
Verweigerung der Zustimmung sowohl dem einen als dem anderen Theile gegenüber
erklärt werden.
Die Zustimmung bedarf nicht der für das
Rechtsgeschäft bestimmten Form.
Wird ein einseitiges Rechtsgeschäft, dessen
Wirksamkeit von der Zustimmung eines Dritten abhängt, mit Einwilligung des
Dritten vorgenommen, so finden die Vorschriften des §. 111 Satz 2, 3
entsprechende Anwendung.
§. 183. Die vorherige Zustimmung (Einwilligung) ist
bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts widerruflich, soweit nicht aus dem ihrer
Ertheilung zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisse sich ein Anderes ergiebt. Der
Widerruf kann sowohl dem einen als dem anderen Theile gegenüber erklärt werden.
§. 184. Die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung)
wirkt auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück, soweit nicht
ein Anderes bestimmt ist.
Durch die Rückwirkung werden Verfügungen nicht
unwirksam, die vor der Genehmigung über den Gegenstand des Rechtsgeschäfts von
dem Genehmigenden getroffen worden oder im Wege der Zwangsvollstreckung oder
der Arrestvollziehung oder durch den Konkursverwalter erfolgt sind.
§. 185. Eine Verfügung, die ein Nichtberechtigter
über einen Gegenstand trifft, ist wirksam, wenn sie mit Einwilligung des
Berechtigten erfolgt.
Die Verfügung wird wirksam, wenn der Berechtigte
sie genehmigt oder wenn der Verfügende den Gegenstand erwirbt oder wenn er von
dem Berechtigten beerbt wird und dieser für die Nachlaßverbindlichkeiten
unbeschränkt haftet. In den beiden letzteren Fällen wird, wenn über den Gegenstand
mehrere mit einander nicht in Einklang stehende Verfügungen getroffen worden
sind, nur die frühere Verfügung wirksam.
Vierter Abschnitt.
Fristen. Termine.
§. 186. Für die in Gesetzen, gerichtlichen
Verfügungen und Rechtsgeschäften enthaltenen Frist- und Terminsbestimmungen
gelten die Auslegungsvorschriften der §§. 187 bis 193.
§. 187. Ist für den Anfang einer Frist ein Ereigniß
oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der
Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereigniß oder
der Zeitpunkt fällt.
Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer
Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist
mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des
Lebensalters.
§. 188. Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit
dem Ablaufe des letzten Tages der Frist.
Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach
einem mehrere Monate umfassenden Zeitraume – Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr –
bestimmt ist, endigt im Falle des §. 187 Abs. 1 mit dem Ablaufe desjenigen
Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung
oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereigniß oder der Zeitpunkt
fällt, im Falle des §. 187 Abs. 2 mit dem Ablaufe desjenigen Tages der letzten
Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine
Benennung oder seine Zahl dem Anfangstage der Frist entspricht.
Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in
dem letzten Monate der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit
dem Ablaufe des letzten Tages dieses Monats.
§. 189. Unter einem halben Jahre wird eine Frist
von sechs Monaten, unter einem Vierteljahre eine Frist von drei Monaten, unter
einem halben Monat eine Frist von fünfzehn Tagen verstanden.
Ist eine Frist auf einen oder mehrere ganze Monate
und einen halben Monat gestellt, so sind die fünfzehn Tage zuletzt zu zählen.
§. 190. Im Falle der Verlängerung einer Frist wird
die neue Frist von dem Ablaufe der vorigen Frist an berechnet.
§. 191. Ist ein Zeitraum nach Monaten oder nach
Jahren in dem Sinne bestimmt, daß er nicht zusammenhängend zu verlaufen
braucht, so wird der Monat zu dreißig, das Jahr zu dreihundertfünfundsechzig
Tagen gerechnet.
§. 192. Unter Anfang des Monats wird der erste,
unter Mitte des Monats der fünfzehnte, unter Ende des Monats der letzte Tag des
Monats verstanden.
§. 193. Ist an einem bestimmten Tage oder innerhalb
einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken und
fällt der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag oder
einen am Erklärungs- oder Leistungsorte staatlich anerkannten allgemeinen
Feiertag, so tritt an die Stelle des Sonntags oder des Feiertags der
nächstfolgende Werktag.
Fünfter Abschnitt.
Verjährung.
§. 194. Das Recht, von einem Anderen ein Thun oder
ein Unterlassen zu verlangen (Anspruch), unterliegt der Verjährung.
Der Anspruch aus einem familienrechtlichen
Verhältniß unterliegt der Verjährung nicht, soweit er auf die Herstellung des
dem Verhältniß entsprechenden Zustandes für die Zukunft gerichtet ist.
§. 195. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt
dreißig Jahre.
§. 196. In zwei Jahren verjähren die Ansprüche:
1. der Kaufleute,
Fabrikanten, Handwerker und derjenigen, welche ein Kunstgewerbe betreiben, für
Lieferung von Waaren, Ausführung von Arbeiten und Besorgung fremder Geschäfte,
mit Einschluß der Auslagen, es sei denn, daß die Leistung für den
Gewerbebetrieb des Schuldners erfolgt;
2. derjenigen, welche Land-
oder Forstwirthschaft betreiben, für Lieferung von land- oder
forstwirthschaftlichen Erzeugnissen, sofern die Lieferung zur Verwendung im
Haushalte des Schuldners erfolgt;
3. der
Eisenbahnunternehmungen, Frachtfuhrleute, Schiffer, Lohnkutscher und Boten
wegen des Fahrgeldes, der Fracht, des Fuhr- und Botenlohns, mit Einschluß der
Auslagen;
4. der Gastwirthe und
derjenigen, welche Speisen oder Getränke gewerbsmäßig verabreichen, für
Gewährung von Wohnung und Beköstigung sowie für andere den Gästen zur
Befriedigung ihrer Bedürfnisse gewährte Leistungen, mit Einschluß der Auslagen;
5. derjenigen, welche
Lotterieloose vertreiben, aus dem Vertriebe der Loose, es sei denn, daß die
Loose zum Weitervertriebe geliefert werden;
6. derjenigen, welche
bewegliche Sachen gewerbsmäßig vermiethen, wegen des Miethzinses;
7. derjenigen, welche, ohne
zu den in Nr. 1 bezeichneten Personen zu gehören, die Besorgung fremder
Geschäfte oder die Leistung von Diensten gewerbsmäßig betreiben, wegen der
ihnen aus dem Gewerbebetriebe gebührenden Vergütungen, mit Einschluß der
Auslagen;
8. derjenigen, welche im
Privatdienste stehen, wegen des Gehalts, Lohnes oder anderer Dienstbezüge, mit
Einschluß der Auslagen, sowie der Dienstberechtigten wegen der auf solche
Ansprüche gewährten Vorschüsse;
9. der gewerblichen
Arbeiter – Gesellen, Gehülfen, Lehrlinge, Fabrikarbeiter –, der Tagelöhner und
Handarbeiter wegen des Lohnes und anderer an Stelle oder als Theil des Lohnes
vereinbarter Leistungen, mit Einschluß der Auslagen, sowie der Arbeitgeber
wegen der auf solche Ansprüche gewährten Vorschüsse;
10. der Lehrherren und
Lehrmeister wegen des Lehrgeldes und anderer im Lehrvertrage vereinbarter
Leistungen sowie wegen der für die Lehrlinge bestrittenen Auslagen;
11. der öffentlichen
Anstalten, welche dem Unterrichte, der Erziehung, Verpflegung oder Heilung
dienen, sowie der Inhaber von Privatanstalten solcher Art für Gewährung von
Unterricht, Verpflegung oder Heilung und für die damit zusammenhängenden
Aufwendungen;
12. derjenigen, welche
Personen zur Verpflegung oder zur Erziehung aufnehmen, für Leistungen und
Aufwendungen der in Nr. 11 bezeichneten Art;
13. der öffentlichen Lehrer
und der Privatlehrer wegen ihrer Honorare, die Ansprüche der öffentlichen
Lehrer jedoch nicht, wenn sie auf Grund besonderer Einrichtungen gestundet
sind;
14. der Aerzte,
insbesondere auch der Wundärzte, Geburtshelfer, Zahnärzte und Thierärzte, sowie
der Hebammen für ihre Dienstleistungen, mit Einschluß der Auslagen;
15. der Rechtsanwälte,
Notare und Gerichtsvollzieher sowie aller Personen, die zur Besorgung gewisser
Geschäfte öffentlich bestellt oder zugelassen sind, wegen ihrer Gebühren und
Auslagen, soweit nicht diese zur Staatskasse fließen;
16. der Parteien wegen der
ihren Rechtsanwälten geleisteten Vorschüsse;
17. der Zeugen und Sachverständigen
wegen ihrer Gebühren und Auslagen.
Soweit die im Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 bezeichneten
Ansprüche nicht der Verjährung von zwei Jahren unterliegen, verjähren sie in
vier Jahren.
§. 197. In vier Jahren verjähren die Ansprüche auf
Rückstände von Zinsen, mit Einschluß der als Zuschlag zu den Zinsen zum Zwecke
allmählicher Tilgung des Kapitals zu entrichtenden Beträge, die Ansprüche auf
Rückstände von Mieth- und Pachtzinsen, soweit sie nicht unter die Vorschrift
des §. 196 Abs. 1 Nr. 6 fallen, und die Ansprüche auf Rückstände von Renten,
Auszugsleistungen, Besoldungen, Wartegeldern, Ruhegehalten, Unterhaltsbeiträgen
und allen anderen regelmäßig wiederkehrenden Leistungen.
§. 198. Die Verjährung beginnt mit der Entstehung
des Anspruchs. Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so beginnt die Verjährung
mit der Zuwiderhandlung.
§. 199. Kann der Berechtigte die Leistung erst
verlangen, wenn er dem Verpflichteten gekündigt hat, so beginnt die Verjährung
mit dem Zeitpunkte, von welchem an die Kündigung zulässig ist. Hat der
Verpflichtete die Leistung erst zu bewirken, wenn seit der Kündigung eine
bestimmte Frist verstrichen ist, so wird der Beginn der Verjährung um die Dauer
der Frist hinausgeschoben.
§. 200. Hängt die Entstehung eines Anspruchs davon
ab, daß der Berechtigte von einem ihm zustehenden Anfechtungsrechte Gebrauch
macht, so beginnt die Verjährung mit dem Zeitpunkte, von welchem an die
Anfechtung zulässig ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Anfechtung sich auf
ein familienrechtliches Verhältniß bezieht.
§. 201. Die Verjährung der in den §§. 196, 197
bezeichneten Ansprüche beginnt mit dem Schlusse des Jahres, in welchem der nach
den §§. 198 bis 200 maßgebende Zeitpunkt eintritt. Kann die Leistung erst nach
dem Ablauf einer über diesen Zeitpunkt hinausreichenden Frist verlangt werden,
so beginnt die Verjährung mit dem Schlusse des Jahres, in welchem die Frist
abläuft.
§. 202. Die Verjährung ist gehemmt, solange die
Leistung gestundet oder der Verpflichtete aus einem anderen Grunde
vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist.
Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf die
Einrede des Zurückbehaltungsrechts, des nicht erfüllten Vertrags, der
mangelnden Sicherheitsleistung, der Vorausklage sowie auf die nach §. 770 dem
Bürgen und nach den §§. 2014, 2015 dem Erben zustehenden Einreden.
§. 203. Die Verjährung ist gehemmt, solange der
Berechtigte durch Stillstand der Rechtspflege innerhalb der letzten sechs
Monate der Verjährungsfrist an der Rechtsverfolgung verhindert ist.
Das Gleiche gilt, wenn eine solche Verhinderung in
anderer Weise durch höhere Gewalt herbeigeführt wird.
§. 204. Die Verjährung von Ansprüchen zwischen
Ehegatten ist gehemmt, solange die Ehe besteht. Das Gleiche gilt von Ansprüchen
zwischen Eltern und Kindern während der Minderjährigkeit der Kinder und von
Ansprüchen zwischen dem Vormund und dem Mündel während der Dauer des
Vormundschaftsverhältnisses.
§. 205. Der Zeitraum, während dessen die Verjährung
gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.
§. 206. Ist eine geschäftsunfähige oder in der
Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so wird die
gegen sie laufende Verjährung nicht vor dem Ablaufe von sechs Monaten nach dem
Zeitpunkte vollendet, in welchem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird
oder der Mangel der Vertretung aufhört. Ist die Verjährungsfrist kürzer als
sechs Monate, so tritt der für die Verjährung bestimmte Zeitraum an die Stelle
der sechs Monate.
Diese Vorschriften finden keine Anwendung, soweit
eine in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person prozeßfähig ist.
§. 207. Die Verjährung eines Anspruchs, der zu
einem Nachlasse gehört oder sich gegen einen Nachlaß richtet, wird nicht vor
dem Ablaufe von sechs Monaten nach dem Zeitpunkte vollendet, in welchem die
Erbschaft von dem Erben angenommen oder der Konkurs über den Nachlaß eröffnet
wird oder von welchem an der Anspruch von einem Vertreter oder gegen einen
Vertreter geltend gemacht werden kann. Ist die Verjährungsfrist kürzer als
sechs Monate, so tritt der für die Verjährung bestimmte Zeitraum an die Stelle
der sechs Monate.
§. 208. Die Verjährung wird unterbrochen, wenn der
Verpflichtete dem Berechtigten gegenüber den Anspruch durch Abschlagzahlung,
Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt.
§. 209. Die Verjährung wird unterbrochen, wenn der
Berechtigte auf Befriedigung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf
Ertheilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlassung des
Vollstreckungsurtheils Klage erhebt.
Der Erhebung der Klage stehen gleich:
1. die
Zustellung eines Zahlungsbefehls im Mahnverfahren;
2. die Anmeldung des
Anspruchs im Konkurse;
3. die Geltendmachung der
Aufrechnung des Anspruchs im Prozesse;
4. die Streitverkündung in
dem Prozesse, von dessen Ausgange der Anspruch abhängt;
5. die
Vornahme einer Vollstreckungshandlung und, soweit die Zwangsvollstreckung den
Gerichten oder anderen Behörden zugewiesen ist, die Stellung des Antrags auf
Zwangsvollstreckung.
§. 210. Hängt die Zulässigkeit des Rechtswegs von
der Vorentscheidung einer Behörde ab oder hat die Bestimmung des zuständigen
Gerichts durch ein höheres Gericht zu erfolgen, so wird die Verjährung durch
die Einreichung des Gesuchs an die Behörde oder das höhere Gericht in gleicher
Weise wie durch Klagerhebung unterbrochen, wenn die Klage binnen drei Monaten
nach der Erledigung des Gesuchs erhoben wird. Auf diese Frist finden die
Vorschriften der §§. 203, 206, 207 entsprechende Anwendung.
§. 211. Die Unterbrechung durch Klagerhebung dauert
fort, bis der Prozeß rechtskräftig entschieden oder anderweit erledigt ist.
Geräth der Prozeß in Folge einer Vereinbarung oder
dadurch, daß er nicht betrieben wird, in Stillstand, so endigt die
Unterbrechung mit der letzten Prozeßhandlung der Parteien oder des Gerichts.
Die nach der Beendigung der Unterbrechung beginnende neue Verjährung wird
dadurch, daß eine der Parteien den Prozeß weiter betreibt, in gleicher Weise
wie durch Klagerhebung unterbrochen.
§. 212. Die Unterbrechung durch Klagerhebung gilt
als nicht erfolgt, wenn die Klage zurückgenommen oder durch ein nicht in der
Sache selbst entscheidendes Urtheil rechtskräftig abgewiesen wird.
Erhebt der Berechtigte binnen sechs Monaten von
neuem Klage, so gilt die Verjährung als durch die Erhebung der ersten Klage
unterbrochen. Auf diese Frist finden die Vorschriften der §§. 203, 206, 207
entsprechende Anwendung.
§. 213. Die Unterbrechung durch Zustellung eines
Zahlungsbefehls im Mahnverfahren gilt als nicht erfolgt, wenn die Wirkungen der
Rechtshängigkeit erlöschen.
§. 214. Die Unterbrechung durch Anmeldung im
Konkurse dauert fort, bis der Konkurs beendigt ist.
Die Unterbrechung gilt als nicht erfolgt, wenn die
Anmeldung zurückgenommen wird.
Wird bei der Beendigung des Konkurses für eine
Forderung, die in Folge eines bei der Prüfung erhobenen Widerspruchs in Prozeß
befangen ist, ein Betrag zurückbehalten, so dauert die Unterbrechung auch nach
der Beendigung des Konkurses fort; das Ende der Unterbrechung bestimmt sich
nach den Vorschriften des §. 211.
§. 215. Die Unterbrechung durch Geltendmachung der
Aufrechnung im Prozeß oder durch Streitverkündung dauert fort, bis der Prozeß
rechtskräftig entschieden oder anderweit erledigt ist; die Vorschriften des §.
211 Abs. 2 finden Anwendung.
Die Unterbrechung gilt als nicht erfolgt, wenn
nicht binnen sechs Monaten nach der Beendigung des Prozesses Klage auf
Befriedigung oder Feststellung des Anspruchs erhoben wird. Auf diese Frist
finden die Vorschriften der §§. 203, 206, 207 entsprechende Anwendung.
§. 216. Die Unterbrechung durch Vornahme einer
Vollstreckungshandlung gilt als nicht erfolgt, wenn die Vollstreckungsmaßregel
auf Antrag des Berechtigten oder wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen
aufgehoben wird.
Die Unterbrechung durch Stellung des Antrags auf
Zwangsvollstreckung gilt als nicht erfolgt, wenn dem Antrage nicht stattgegeben
oder der Antrag vor der Vornahme der Vollstreckungshandlung zurückgenommen oder
die erwirkte Vollstreckungsmaßregel nach Abs. 1 aufgehoben wird.
§. 217. Wird die Verjährung unterbrochen, so kommt
die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht; eine neue
Verjährung kann erst nach der Beendigung der Unterbrechung beginnen.
§. 218. Ein rechtskräftig festgestellter Anspruch
verjährt in dreißig Jahren, auch wenn er an sich einer kürzeren Verjährung
unterliegt. Das Gleiche gilt von dem Anspruch aus einem vollstreckbaren
Vergleich oder einer vollstreckbaren Urkunde sowie von einem Anspruche, welcher
durch die im Konkurs erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden ist.
Soweit sich die Feststellung auf regelmäßig
wiederkehrende, erst künftig fällig werdende Leistungen bezieht, bewendet es
bei der kürzeren Verjährungsfrist.
§. 219. Als rechtskräftige Entscheidung im Sinne
des §. 211 Abs. 1 und des §. 218 Abs. 1 gilt auch ein unter Vorbehalt
ergangenes rechtskräftiges Urtheil.
§. 220. Ist der Anspruch vor einem Schiedsgericht
oder einem besonderen Gerichte, vor einem Verwaltungsgericht oder einer
Verwaltungsbehörde geltend zu machen, so finden die Vorschriften der §§. 209
bis 213, 215, 216, 218, 219 entsprechende Anwendung.
Sind in dem Schiedsvertrage die Schiedsrichter
nicht ernannt oder ist die Ernennung eines Schiedsrichters aus einem anderen
Grunde erforderlich oder kann das Schiedsgericht erst nach der Erfüllung einer
sonstigen Voraussetzung angerufen werden, so wird die Verjährung schon dadurch
unterbrochen, daß der Berechtigte das zur Erledigung der Sache seinerseits
Erforderliche vornimmt.
§. 221. Gelangt eine Sache, in Ansehung deren ein
dinglicher Anspruch besteht, durch Rechtsnachfolge in den Besitz eines Dritten,
so kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene
Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger zu Statten.
§. 222. Nach der Vollendung der Verjährung ist der
Verpflichtete berechtigt, die Leistung zu verweigern.
Das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs
Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, auch wenn die Leistung in
Unkenntniß der Verjährung bewirkt worden ist. Das Gleiche gilt von einem
vertragsmäßigen Anerkenntnisse sowie einer Sicherheitsleistung des
Verpflichteten.
§. 223. Die Verjährung eines Anspruchs, für den
eine Hypothek oder ein Pfandrecht besteht, hindert den Berechtigten nicht,
seine Befriedigung aus dem verhafteten Gegenstande zu suchen.
Ist zur Sicherung eines Anspruchs ein Recht
übertragen worden, so kann die Rückübertragung nicht auf Grund der Verjährung
des Anspruchs gefordert werden.
Diese Vorschriften finden keine Anwendung bei der
Verjährung von Ansprüchen auf Rückstände von Zinsen oder anderen
wiederkehrenden Leistungen.
§. 224. Mit dem Hauptanspruche verjährt der Anspruch
auf die von ihm abhängenden Nebenleistungen, auch wenn die für diesen Anspruch
geltende besondere Verjährung noch nicht vollendet ist.
§. 225. Die Verjährung kann durch Rechtsgeschäft
weder ausgeschlossen noch erschwert werden. Erleichterung der Verjährung,
insbesondere Abkürzung der Verjährungsfrist, ist zulässig.
Sechster Abschnitt.
Ausübung der Rechte. Selbstvertheidigung.
Selbsthülfe.
§. 226. Die Ausübung eines Rechtes ist unzulässig,
wenn sie nur den Zweck haben kann, einem Anderen Schaden zuzufügen.
§. 227. Eine durch Nothwehr gebotene Handlung ist
nicht widerrechtlich.
Nothwehr ist diejenige Vertheidigung, welche
erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder
einem Anderen abzuwenden.
§. 228. Wer eine fremde Sache beschädigt oder
zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem Anderen
abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die
Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht
außer Verhältniß zu der Gefahr steht. Hat der Handelnde die Gefahr verschuldet,
so ist er zum Schadensersatze verpflichtet.
§. 229. Wer zum Zwecke der Selbsthülfe eine Sache
wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthülfe einen
Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt oder den
Widerstand des Verpflichteten gegen eine Handlung, die dieser zu dulden
verpflichtet ist, beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche
Hülfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die
Gefahr besteht, daß die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich
erschwert werde.
§. 230. Die Selbsthülfe darf nicht weiter gehen,
als zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist.
Im Falle der Wegnahme von Sachen ist, sofern nicht
Zwangsvollstreckung erwirkt wird, der dingliche Arrest zu beantragen.
Im Falle der Festnahme des Verpflichteten ist,
sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, der persönliche
Sicherheitsarrest bei dem Amtsgerichte zu beantragen, in dessen Bezirke die
Festnahme erfolgt ist; der Verpflichtete ist unverzüglich dem Gerichte
vorzuführen.
Wird der Arrestantrag verzögert oder abgelehnt, so
hat die Rückgabe der weggenommenen Sachen und die Freilassung des
Festgenommenen unverzüglich zu erfolgen.
§. 231. Wer eine der im §. 229 bezeichneten
Handlungen in der irrigen Annahme vornimmt, daß die für den Ausschluß der
Widerrechtlichkeit erforderlichen Voraussetzungen vorhanden seien, ist dem
anderen Theile zum Schadensersatze verpflichtet, auch wenn der Irrthum nicht
auf Fahrlässigkeit beruht.
Siebenter Abschnitt.
Sicherheitsleistung.
§. 232. Wer Sicherheit zu leisten hat, kann dies
bewirken
durch Hinterlegung von Geld
oder Werthpapieren,
durch Verpfändung von
Forderungen, die in das Reichsschuldbuch oder in das Staatsschuldbuch eines
Bundesstaats eingetragen sind,
durch Verpfändung
beweglicher Sachen,
durch Bestellung von
Hypotheken an inländischen Grundstücken,
durch Verpfändung von
Forderungen, für die eine Hypothek an einem inländischen Grundstücke besteht, oder
durch Verpfändung von Grundschulden oder Rentenschulden an inländischen
Grundstücken.
Kann die Sicherheit nicht in dieser Weise geleistet
werden, so ist die Stellung eines tauglichen Bürgen zulässig.
§. 233. Mit der Hinterlegung erwirbt der
Berechtigte ein Pfandrecht an dem hinterlegten Gelde oder an den hinterlegten
Werthpapieren und, wenn das Geld oder die Werthpapiere nach landesgesetzlicher
Vorschrift in das Eigenthum des Fiskus oder der als Hinterlegungsstelle
bestimmten Anstalt übergehen, ein Pfandrecht an der Forderung auf
Rückerstattung.
§. 234. Werthpapiere sind zur Sicherheitsleistung
nur geeignet, wenn sie auf den Inhaber lauten, einen Kurswerth haben und einer
Gattung angehören, in der Mündelgeld angelegt werden darf. Den Inhaberpapieren
stehen Orderpapiere gleich, die mit Blankoindossament versehen sind.
Mit den Werthpapieren sind die Zins-, Renten-,
Gewinnantheil- und Erneuerungsscheine zu hinterlegen.
Mit Werthpapieren kann Sicherheit nur in Höhe von
drei Viertheilen des Kurswerths geleistet werden.
§. 235. Wer durch Hinterlegung von Geld oder von
Werthpapieren Sicherheit geleistet hat, ist berechtigt, das hinterlegte Geld
gegen geeignete Werthpapiere, die hinterlegten Werthpapiere gegen andere
geeignete Werthpapiere oder gegen Geld umzutauschen.
§. 236. Mit einer Buchforderung gegen das Reich
oder gegen einen Bundesstaat kann Sicherheit nur in Höhe von drei Viertheilen
des Kurswerths der Werthpapiere geleistet werden, deren Aushändigung der
Gläubiger gegen Löschung seiner Forderung verlangen kann.
§. 237. Mit einer beweglichen Sache kann Sicherheit
nur in Höhe von zwei Drittheilen des Schätzungswerths geleistet werden. Sachen,
deren Verderb zu besorgen oder deren Aufbewahrung mit besonderen
Schwierigkeiten verbunden ist, können zurückgewiesen werden.
§. 238. Eine Hypothekenforderung, eine Grundschuld
oder eine Rentenschuld ist zur Sicherheitsleistung nur geeignet, wenn sie den
Voraussetzungen entspricht, unter denen am Orte der Sicherheitsleistung
Mündelgeld in Hypothekenforderungen, Grundschulden oder Rentenschulden angelegt
werden darf.
Eine Forderung, für die eine Sicherungshypothek
besteht, ist zur Sicherheitsleistung nicht geeignet.
§. 239. Ein Bürge ist tauglich, wenn er ein der
Höhe der zu leistenden Sicherheit angemessenes Vermögen besitzt und seinen
allgemeinen Gerichtsstand im Inlande hat.
Die Bürgschaftserklärung muß den Verzicht auf die
Einrede der Vorausklage enthalten.
§. 240. Wird die geleistete Sicherheit ohne
Verschulden des Berechtigten unzureichend, so ist sie zu ergänzen oder
anderweitige Sicherheit zu leisten.
Zweites Buch.
Recht der Schuldverhältnisse.
Erster Abschnitt.
Inhalt der Schuldverhältnisse.
Erster Titel.
Verpflichtung zur Leistung.
§. 241. Kraft des Schuldverhältnisses ist der
Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung
kann auch in einem Unterlassen bestehen.
§. 242. Der Schuldner ist verpflichtet, die
Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die
Verkehrssitte es erfordern.
§. 243. Wer eine nur der Gattung nach bestimmte
Sache schuldet, hat eine Sache von mittlerer Art und Güte zu leisten.
Hat der Schuldner das zur Leistung einer solchen
Sache seinerseits Erforderliche gethan, so beschränkt sich das Schuldverhältniß
auf diese Sache.
§. 244. Ist eine in ausländischer Währung
ausgedrückte Geldschuld im Inlande zu zahlen, so kann die Zahlung in
Reichswährung erfolgen, es sei denn, daß Zahlung in ausländischer Währung
ausdrücklich bedungen ist.
Die Umrechnung erfolgt nach dem Kurswerthe, der zur
Zeit der Zahlung für den Zahlungsort maßgebend ist.
§. 245. Ist eine Geldschuld in einer bestimmten
Münzsorte zu zahlen, die sich zur Zeit der Zahlung nicht mehr im Umlaufe
befindet, so ist die Zahlung so zu leisten, wie wenn die Münzsorte nicht
bestimmt wäre.
§. 246. Ist eine Schuld nach Gesetz oder
Rechtsgeschäft zu verzinsen, so sind vier vom Hundert für das Jahr zu
entrichten, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist.
§. 247. Ist ein höherer Zinssatz als sechs vom
Hundert für das Jahr vereinbart, so kann der Schuldner nach dem Ablaufe von
sechs Monaten das Kapital unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs
Monaten kündigen. Das Kündigungsrecht kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen
oder beschränkt werden.
Diese Vorschriften gelten nicht für
Schuldverschreibungen auf den Inhaber.
§. 248. Eine im voraus getroffene Vereinbarung, daß
fällige Zinsen wieder Zinsen tragen sollen, ist nichtig.
Sparkassen, Kreditanstalten und Inhaber von
Bankgeschäften können im voraus vereinbaren, daß nicht erhobene Zinsen von
Einlagen als neue verzinsliche Einlagen gelten sollen. Kreditanstalten, die
berechtigt sind, für den Betrag der von ihnen gewährten Darlehen verzinsliche
Schuldverschreibungen auf den Inhaber auszugeben, können sich bei solchen
Darlehen die Verzinsung rückständiger Zinsen im voraus versprechen lassen.
§. 249. Wer zum Schadensersatze verpflichtet ist,
hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatze
verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen Verletzung einer
Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann
der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag
verlangen.
§. 250. Der Gläubiger kann dem Ersatzpflichtigen
zur Herstellung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, daß er die
Herstellung nach dem Ablaufe der Frist ablehne. Nach dem Ablaufe der Frist kann
der Gläubiger den Ersatz in Geld verlangen, wenn nicht die Herstellung
rechtzeitig erfolgt; der Anspruch auf die Herstellung ist ausgeschlossen.
§. 251. Soweit die Herstellung nicht möglich oder
zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige
den Gläubiger in Geld zu entschädigen.
Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld
entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnißmäßigen Aufwendungen
möglich ist.
§. 252. Der zu ersetzende Schaden umfaßt auch den
entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem
gewöhnlichen Laufe der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere
nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit
erwartet werden konnte.
§. 253. Wegen eines Schadens, der nicht
Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz
bestimmten Fällen gefordert werden.
§. 254. Hat bei der Entstehung des Schadens ein
Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatze
sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere
davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen
Theile verursacht worden ist.
Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des
Beschädigten darauf beschränkt, daß er unterlassen hat, den Schuldner auf die
Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der
Schuldner weder kannte noch kennen mußte, oder daß er unterlassen hat, den
Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des §. 278 findet
entsprechende Anwendung.
§. 255. Wer für den Verlust einer Sache oder eines
Rechtes Schadensersatz zu leisten hat, ist zum Ersatze nur gegen Abtretung der
Ansprüche verpflichtet, die dem Ersatzberechtigten auf Grund des Eigenthums an
der Sache oder auf Grund des Rechtes gegen Dritte zustehen.
§. 256. Wer zum Ersatze von Aufwendungen
verpflichtet ist, hat den aufgewendeten Betrag oder, wenn andere Gegenstände als
Geld aufgewendet worden sind, den als Ersatz ihres Werthes zu zahlenden Betrag
von der Zeit der Aufwendung an zu verzinsen. Sind Aufwendungen auf einen
Gegenstand gemacht worden, der dem Ersatzpflichtigen herauszugeben ist, so sind
Zinsen für die Zeit, für welche dem Ersatzberechtigten die Nutzungen oder die
Früchte des Gegenstandes ohne Vergütung verbleiben, nicht zu entrichten.
§. 257. Wer berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen
zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck macht, kann, wenn er für diesen
Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von der Verbindlichkeit
verlangen. Ist die Verbindlichkeit noch nicht fällig, so kann ihm der
Ersatzpflichtige, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.
§. 258. Wer berechtigt ist, von einer Sache, die er
einem Anderen herauszugeben hat, eine Einrichtung wegzunehmen, hat im Falle der
Wegnahme die Sache auf seine Kosten in den vorigen Stand zu setzen. Erlangt der
Andere den Besitz der Sache, so ist er verpflichtet, die Wegnahme der
Einrichtung zu gestatten; er kann die Gestattung verweigern, bis ihm für den
mit der Wegnahme verbundenen Schaden Sicherheit geleistet wird.
§. 259. Wer verpflichtet ist, über eine mit
Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem
Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der
Ausgaben enthaltende Rechnung mitzutheilen und, soweit Belege ertheilt zu
werden pflegen, Belege vorzulegen.
Besteht Grund zu der Annahme, daß die in der
Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen
Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen den
Offenbarungseid dahin zu leisten:
daß er nach bestem Wissen die Einnahmen so
vollständig angegeben habe,
als er dazu im Stande sei.
In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht
eine Verpflichtung zur Leistung des Offenbarungseids nicht.
§. 260. Wer verpflichtet ist, einen Inbegriff von
Gegenständen herauszugeben oder über den Bestand eines solchen Inbegriffs
Auskunft zu ertheilen, hat dem Berechtigten ein Verzeichniß des Bestandes
vorzulegen.
Besteht Grund zu der Annahme, daß das Verzeichniß
nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist, so hat der
Verpflichtete auf Verlangen den Offenbarungseid dahin zu leisten:
daß er nach bestem Wissen den Bestand so
vollständig angegeben habe,
als er dazu im Stande sei.
Die Vorschrift des §. 259 Abs. 3 findet Anwendung.
§. 261. Der Offenbarungseid ist, sofern er nicht
vor dem Prozeßgerichte zu leisten ist, vor dem Amtsgerichte des Ortes zu
leisten, an welchem die Verpflichtung zur Rechnungslegung oder zur Vorlegung
des Verzeichnisses zu erfüllen ist. Hat der Verpflichtete seinen Wohnsitz oder
seinen Aufenthalt im Inlande, so kann er den Eid vor dem Amtsgerichte des
Wohnsitzes oder des Aufenthaltsorts leisten.
Das Gericht kann eine den Umständen entsprechende
Aenderung der Eidesnorm beschließen.
Die Kosten der Abnahme des Eides hat derjenige zu
tragen, welcher die Leistung des Eides verlangt.
§. 262. Werden mehrere Leistungen in der Weise
geschuldet, daß nur die eine oder die andere zu bewirken ist, so steht das
Wahlrecht im Zweifel dem Schuldner zu.
§. 263. Die Wahl erfolgt durch Erklärung gegenüber
dem anderen Theile.
Die gewählte Leistung gilt als die von Anfang an
allein geschuldete.
§. 264. Nimmt der wahlberechtigte Schuldner die
Wahl nicht vor dem Beginne der Zwangsvollstreckung vor, so kann der Gläubiger
die Zwangsvollstreckung nach seiner Wahl auf die eine oder auf die andere
Leistung richten; der Schuldner kann sich jedoch, solange nicht der Gläubiger
die gewählte Leistung ganz oder zum Theil empfangen hat, durch eine der übrigen
Leistungen von seiner Verbindlichkeit befreien.
Ist der wahlberechtigte Gläubiger im Verzuge, so
kann der Schuldner ihn unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Vornahme
der Wahl auffordern. Mit dem Ablaufe der Frist geht das Wahlrecht auf den
Schuldner über, wenn nicht der Gläubiger rechtzeitig die Wahl vornimmt.
§. 265. Ist eine der Leistungen von Anfang an
unmöglich oder wird sie später unmöglich, so beschränkt sich das
Schuldverhältniß auf die übrigen Leistungen. Die Beschränkung tritt nicht ein,
wenn die Leistung in Folge eines Umstandes unmöglich wird, den der nicht
wahlberechtigte Theil zu vertreten hat.
§. 266. Der Schuldner ist zu Theilleistungen nicht
berechtigt.
§. 267. Hat der Schuldner nicht in Person zu
leisten, so kann auch ein Dritter die Leistung bewirken. Die Einwilligung des
Schuldners ist nicht erforderlich.
Der Gläubiger kann die Leistung ablehnen, wenn der
Schuldner widerspricht.
§. 268. Betreibt der Gläubiger die
Zwangsvollstreckung in einen dem Schuldner gehörenden Gegenstand, so ist Jeder,
der Gefahr läuft, durch die Zwangsvollstreckung ein Recht an dem Gegenstande zu
verlieren, berechtigt, den Gläubiger zu befriedigen. Das gleiche Recht steht dem
Besitzer einer Sache zu, wenn er Gefahr läuft, durch die Zwangsvollstreckung
den Besitz zu verlieren.
Die Befriedigung kann auch durch Hinterlegung oder
durch Aufrechnung erfolgen.
Soweit der Dritte den Gläubiger befriedigt, geht
die Forderung auf ihn über. Der Uebergang kann nicht zum Nachtheile des
Gläubigers geltend gemacht werden.
§. 269. Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt
noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu
entnehmen, so hat die Leistung an dem Orte zu erfolgen, an welchem der
Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz
hatte.
Ist die Verbindlichkeit im Gewerbebetriebe des
Schuldners entstanden, so tritt, wenn der Schuldner seine gewerbliche
Niederlassung an einem anderen Orte hatte, der Ort der Niederlassung an die
Stelle des Wohnsitzes.
Aus dem Umstand allein, daß der Schuldner die
Kosten der Versendung übernommen hat, ist nicht zu entnehmen, daß der Ort, nach
welchem die Versendung zu erfolgen hat, der Leistungsort sein soll.
§. 270. Geld hat der Schuldner im Zweifel auf seine
Gefahr und seine Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln.
Ist die Forderung im Gewerbebetriebe des Gläubigers
entstanden, so tritt, wenn der Gläubiger seine gewerbliche Niederlassung an
einem anderen Orte hat, der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes.
Erhöhen sich in Folge einer nach der Entstehung des
Schuldverhältnisses eintretenden Aenderung des Wohnsitzes oder der gewerblichen
Niederlassung des Gläubigers die Kosten oder die Gefahr der Uebermittelung, so
hat der Gläubiger im ersteren Falle die Mehrkosten, im letzteren Falle die
Gefahr zu tragen.
Die Vorschriften über den Leistungsort bleiben
unberührt.
§. 271. Ist eine Zeit für die Leistung weder
bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die
Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken.
Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel
anzunehmen, daß der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der
Schuldner aber sie vorher bewirken kann.
§. 272. Bezahlt der Schuldner eine unverzinsliche
Schuld vor der Fälligkeit, so ist er zu einem Abzuge wegen der Zwischenzinsen
nicht berechtigt.
§. 273. Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen
Verhältniß, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen
den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnisse sich ein
Anderes ergiebt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende
Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).
Wer zur Herausgabe eines Gegenstandes verpflichtet
ist, hat das gleiche Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch wegen Verwendungen
auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens
zusteht, es sei denn, daß er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene
unerlaubte Handlung erlangt hat.
Der Gläubiger kann die Ausübung des
Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Die
Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.
§. 274. Gegenüber der Klage des Gläubigers hat die
Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts nur die Wirkung, daß der Schuldner
zur Leistung gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung (Erfüllung Zug um Zug)
zu verurtheilen ist. Auf Grund einer solchen Verurtheilung kann der Gläubiger
seinen Anspruch ohne Bewirkung der ihm obliegenden Leistung im Wege der
Zwangsvollstreckung verfolgen, wenn der Schuldner im Verzuge der Annahme ist.
§. 275. Der Schuldner wird von der Verpflichtung
zur Leistung frei, soweit die Leistung in Folge eines nach der Entstehung des
Schuldverhältnisses eintretenden Umstandes, den er nicht zu vertreten hat,
unmöglich wird.
Einer nach der Entstehung des Schuldverhältnisses
eintretenden Unmöglichkeit steht das nachträglich eintretende Unvermögen des
Schuldners zur Leistung gleich.
§. 276. Der Schuldner hat, sofern nicht ein Anderes
bestimmt ist, Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Fahrlässig handelt, wer
die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht läßt. Die Vorschriften der §§.
827, 828 finden Anwendung.
Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner
nicht im voraus erlassen werden.
§. 277. Wer nur für diejenige Sorgfalt einzustehen
hat, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, ist von der
Haftung wegen grober Fahrlässigkeit nicht befreit.
§. 278. Der Schuldner hat ein Verschulden seines
gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner
Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfange zu vertreten wie eigenes
Verschulden. Die Vorschrift des §. 276 Abs. 2 findet keine Anwendung.
§. 279. Ist der geschuldete Gegenstand nur der
Gattung nach bestimmt, so hat der Schuldner, solange die Leistung aus der
Gattung möglich ist, sein Unvermögen zur Leistung auch dann zu vertreten, wenn
ihm ein Verschulden nicht zur Last fällt.
§. 280. Soweit die Leistung in Folge eines von dem
Schuldner zu vertretenden Umstandes unmöglich wird, hat der Schuldner dem
Gläubiger den durch die Nichterfüllung entstehenden Schaden zu ersetzen.
Im Falle theilweiser Unmöglichkeit kann der
Gläubiger unter Ablehnung des noch möglichen Theiles der Leistung
Schadensersatz wegen Nichterfüllung der ganzen Verbindlichkeit verlangen, wenn
die theilweise Erfüllung für ihn kein Interesse hat. Die für das vertragsmäßige
Rücktrittsrecht geltenden Vorschriften der §§. 346 bis 356 finden entsprechende
Anwendung.
§. 281. Erlangt der Schuldner in Folge des
Umstandes, welcher die Leistung unmöglich macht, für den geschuldeten
Gegenstand einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch, so kann der Gläubiger
Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder Abtretung des Ersatzanspruchs
verlangen.
Hat der Gläubiger Anspruch auf Schadensersatz wegen
Nichterfüllung, so mindert sich, wenn er von dem im Abs. 1 bestimmten Rechte
Gebrauch macht, die ihm zu leistende Entschädigung um den Werth des erlangten
Ersatzes oder Ersatzanspruchs.
§. 282. Ist streitig, ob die Unmöglichkeit der
Leistung die Folge eines von dem Schuldner zu vertretenden Umstandes ist, so
trifft die Beweislast den Schuldner.
§. 283. Ist der Schuldner rechtskräftig
verurtheilt, so kann der Gläubiger ihm zur Bewirkung der Leistung eine
angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, daß er die Annahme der Leistung
nach dem Ablaufe der Frist ablehne. Nach dem Ablaufe der Frist kann der
Gläubiger Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, soweit nicht die
Leistung rechtzeitig bewirkt wird; der Anspruch auf Erfüllung ist
ausgeschlossen. Die Verpflichtung zum Schadensersatze tritt nicht ein, wenn die
Leistung in Folge eines Umstandes unmöglich wird, den der Schuldner nicht zu
vertreten hat.
Wird die Leistung bis zum Ablaufe der Frist nur
theilweise nicht bewirkt, so steht dem Gläubiger auch das im §. 280 Abs. 2
bestimmte Recht zu.
§. 284. Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des
Gläubigers nicht, die nach dem Eintritte der Fälligkeit erfolgt, so kommt er
durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung steht die Erhebung der Klage auf die
Leistung sowie die Zustellung eines Zahlungsbefehls im Mahnverfahren gleich.
Ist für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender
bestimmt, so kommt der Schuldner ohne Mahnung in Verzug, wenn er nicht zu der
bestimmten Zeit leistet. Das Gleiche gilt, wenn der Leistung eine Kündigung
vorauszugehen hat und die Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, daß
sie sich von der Kündigung ab nach dem Kalender berechnen läßt.
§. 285. Der Schuldner kommt nicht in Verzug,
solange die Leistung in Folge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu
vertreten hat.
§. 286. Der Schuldner hat dem Gläubiger den durch
den Verzug entstehenden Schaden zu ersetzen.
Hat die Leistung in Folge des Verzugs für den
Gläubiger kein Interesse, so kann dieser unter Ablehnung der Leistung
Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Die für das vertragsmäßige
Rücktrittsrecht geltenden Vorschriften der §§. 346 bis 356 finden entsprechende
Anwendung.
§. 287. Der Schuldner hat während des Verzugs jede
Fahrlässigkeit zu vertreten. Er ist auch für die während des Verzugs durch
Zufall eintretende Unmöglichkeit der Leistung verantwortlich, es sei denn, daß
der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten sein würde.
§. 288. Eine Geldschuld ist während des Verzugs mit
vier vom Hundert für das Jahr zu verzinsen. Kann der Gläubiger aus einem
anderen Rechtsgrunde höhere Zinsen verlangen, so sind diese fortzuentrichten.
Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist
nicht ausgeschlossen.
§. 289. Von Zinsen sind Verzugszinsen nicht zu
entrichten. Das Recht des Gläubigers auf Ersatz des durch den Verzug
entstehenden Schadens bleibt unberührt.
§. 290. Ist der Schuldner zum Ersatze des Werthes
eines Gegenstandes verpflichtet, der während des Verzugs untergegangen ist oder
aus einem während des Verzugs eingetretenen Grunde nicht herausgegeben werden
kann, so kann der Gläubiger Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt
an verlangen, welcher der Bestimmung des Werthes zu Grunde gelegt wird. Das
Gleiche gilt, wenn der Schuldner zum Ersatze der Minderung des Werthes eines
während des Verzugs verschlechterten Gegenstandes verpflichtet ist.
§. 291. Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem
Eintritte der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug
ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu
verzinsen. Die Vorschriften des §. 288 Abs. 1 und des §. 289 Satz 1 finden
entsprechende Anwendung.
§. 292. Hat der Schuldner einen bestimmten Gegenstand
herauszugeben, so bestimmt sich von dem Eintritte der Rechtshängigkeit an der
Anspruch des Gläubigers auf Schadensersatz wegen Verschlechterung, Unterganges
oder einer aus einem anderen Grunde eintretenden Unmöglichkeit der Herausgabe
nach den Vorschriften, welche für das Verhältniß zwischen dem Eigenthümer und
dem Besitzer von dem Eintritte der Rechtshängigkeit des Eigenthumsanspruchs an
gelten, soweit nicht aus dem Schuldverhältniß oder dem Verzuge des Schuldners
sich zu Gunsten des Gläubigers ein Anderes ergiebt.
Das Gleiche gilt von dem Anspruche des Gläubigers
auf Herausgabe oder Vergütung von Nutzungen und von dem Anspruche des
Schuldners auf Ersatz von Verwendungen.
Zweiter Titel.
Verzug des Gläubigers.
§. 293. Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die
ihm angebotene Leistung nicht annimmt.
§. 294. Die Leistung muß dem Gläubiger so, wie sie
zu bewirken ist, thatsächlich angeboten werden.
§. 295. Ein wörtliches Angebot des Schuldners
genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, daß er die Leistung nicht annehmen
werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers
erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache
abzuholen hat. Dem Angebote der Leistung steht die Aufforderung an den
Gläubiger gleich, die erforderliche Handlung vorzunehmen.
§. 296. Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende
Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur,
wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt, wenn
der Handlung eine Kündigung vorauszugehen hat und die Zeit für die Handlung in
der Weise bestimmt ist, daß sie sich von der Kündigung ab nach dem Kalender
berechnen läßt.
§. 297. Der Gläubiger kommt nicht in Verzug, wenn
der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des §. 296 zu der für die
Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außer Stande ist, die Leistung zu
bewirken.
§. 298. Ist der Schuldner nur gegen eine Leistung
des Gläubigers zu leisten verpflichtet, so kommt der Gläubiger in Verzug, wenn
er zwar die angebotene Leistung anzunehmen bereit ist, die verlangte
Gegenleistung aber nicht anbietet.
§. 299. Ist die Leistungszeit nicht bestimmt oder
ist der Schuldner berechtigt, vor der bestimmten Zeit zu leisten, so kommt der
Gläubiger nicht dadurch in Verzug, daß er vorübergehend an der Annahme der
angebotenen Leistung verhindert ist, es sei denn, daß der Schuldner ihm die
Leistung eine angemessene Zeit vorher angekündigt hat.
§. 300. Der Schuldner hat während des Verzugs des
Gläubigers nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.
Wird eine nur der Gattung nach bestimmte Sache
geschuldet, so geht die Gefahr mit dem Zeitpunkt auf den Gläubiger über, in
welchem er dadurch in Verzug kommt, daß er die angebotene Sache nicht annimmt.
§. 301. Von einer verzinslichen Geldschuld hat der
Schuldner während des Verzugs des Gläubigers Zinsen nicht zu entrichten.
§. 302. Hat der Schuldner die Nutzungen eines
Gegenstandes herauszugeben oder zu ersetzen, so beschränkt sich seine
Verpflichtung während des Verzugs des Gläubigers auf die Nutzungen, welche er
zieht.
§. 303. Ist der Schuldner zur Herausgabe eines
Grundstücks verpflichtet, so kann er nach dem Eintritte des Verzugs des
Gläubigers den Besitz aufgeben. Das Aufgeben muß dem Gläubiger vorher angedroht
werden, es sei denn, daß die Androhung unthunlich ist.
§. 304. Der Schuldner kann im Falle des Verzugs des
Gläubigers Ersatz der Mehraufwendungen verlangen, die er für das erfolglose
Angebot sowie für die Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstandes
machen mußte.
Zweiter Abschnitt.
Schuldverhältnisse aus Verträgen.
Erster Titel.
Begründung. Inhalt des Vertrags.
§. 305. Zur Begründung eines Schuldverhältnisses
durch Rechtsgeschäft sowie zur Aenderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses
ist ein Vertrag zwischen den Betheiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz
ein Anderes vorschreibt.
§. 306. Ein auf eine unmögliche Leistung
gerichteter Vertrag ist nichtig.
§. 307. Wer bei der Schließung eines Vertrags, der
auf eine unmögliche Leistung gerichtet ist, die Unmöglichkeit der Leistung
kennt oder kennen muß, ist zum Ersatze des Schadens verpflichtet, den der
andere Theil dadurch erleidet, daß er auf die Gültigkeit des Vertrags vertraut,
jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere Theil an
der Gültigkeit des Vertrags hat. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der
andere Theil die Unmöglichkeit kennt oder kennen muß.
Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung,
wenn die Leistung nur theilweise unmöglich und der Vertrag in Ansehung des
möglichen Theiles gültig ist oder wenn eine von mehreren wahlweise
versprochenen Leistungen unmöglich ist.
§. 308. Die Unmöglichkeit der Leistung steht der
Gültigkeit des Vertrags nicht entgegen, wenn die Unmöglichkeit gehoben werden
kann und der Vertrag für den Fall geschlossen ist, daß die Leistung möglich
wird.
Wird eine unmögliche Leistung unter einer anderen
aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins
versprochen, so ist der Vertrag gültig, wenn die Unmöglichkeit vor dem Eintritte
der Bedingung oder des Termins behoben wird.
§. 309. Verstößt ein Vertrag gegen ein gesetzliches
Verbot, so finden die Vorschriften der §§. 307, 308 entsprechende Anwendung.
§. 310. Ein Vertrag, durch den sich der eine Theil
verpflichtet, sein künftiges Vermögen oder einen Bruchtheil seines künftigen
Vermögens zu übertragen oder mit einem Nießbrauche zu belasten, ist nichtig.
§. 311. Ein Vertrag, durch den sich der eine Theil
verpflichtet, sein gegenwärtiges Vermögen oder einen Bruchtheil seines gegenwärtigen
Vermögens zu übertragen oder mit einem Nießbrauche zu belasten, bedarf der
gerichtlichen oder notariellen Beurkundung.
§. 312. Ein Vertrag über den Nachlaß eines noch
lebenden Dritten ist nichtig. Das Gleiche gilt von einem Vertrag über den
Pflichttheil oder ein Vermächtniß aus dem Nachlaß eines noch lebenden Dritten.
Diese Vorschriften finden keine Anwendung auf einen
Vertrag, der unter künftigen gesetzlichen Erben über den gesetzlichen Erbtheil
oder den Pflichttheil eines von ihnen geschlossen wird. Ein solcher Vertrag
bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung.
§. 313. Ein Vertrag, durch den sich der eine Theil
verpflichtet, das Eigenthum an einem Grundstücke zu übertragen, bedarf der
gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. Ein ohne Beobachtung dieser Form
geschlossener Vertrag wird seinem ganzen Inhalte nach gültig, wenn die
Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen.
§. 314. Verpflichtet sich Jemand zur Veräußerung
oder Belastung einer Sache, so erstreckt sich die Verpflichtung im Zweifel auch
auf das Zubehör der Sache.
§. 315. Soll die Leistung durch einen der
Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die
Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber
dem anderen Theile.
Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen
erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Theil nur
verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der
Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urtheil getroffen; das Gleiche gilt,
wenn die Bestimmung verzögert wird.
§. 316. Ist der Umfang der für eine Leistung
versprochenen Gegenleistung nicht bestimmt, so steht die Bestimmung im Zweifel
demjenigen Theile zu, welcher die Gegenleistung zu fordern hat.
§. 317. Ist die Bestimmung der Leistung einem
Dritten überlassen, so ist im Zweifel anzunehmen, daß sie nach billigem
Ermessen zu treffen ist.
Soll die Bestimmung durch mehrere Dritte erfolgen,
so ist im Zweifel Uebereinstimmung aller erforderlich; soll eine Summe bestimmt
werden, so ist, wenn verschiedene Summen bestimmt werden, im Zweifel die
Durchschnittssumme maßgebend.
§. 318. Die einem Dritten überlassene Bestimmung
der Leistung erfolgt durch Erklärung gegenüber einem der Vertragschließenden.
Die Anfechtung der getroffenen Bestimmung wegen
Irrthums, Drohung oder arglistiger Täuschung steht nur den Vertragschließenden
zu; Anfechtungsgegner ist der andere Theil. Die Anfechtung muß unverzüglich
erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrunde Kenntniß
erlangt hat. Sie ist ausgeschlossen, wenn dreißig Jahre verstrichen sind,
nachdem die Bestimmung getroffen worden ist.
§. 319. Soll der Dritte die Leistung nach billigem
Ermessen bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung für die
Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Die
Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urtheil; das Gleiche gilt, wenn der
Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.
Soll der Dritte die Bestimmung nach freiem Belieben
treffen, so ist der Vertrag unwirksam, wenn der Dritte die Bestimmung nicht
treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.
Zweiter Titel.
Gegenseitiger Vertrag.
§. 320. Wer aus einem gegenseitigen Vertrage
verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der
Gegenleistung verweigern, es sei denn, daß er vorzuleisten verpflichtet ist.
Hat die Leistung an Mehrere zu erfolgen, so kann dem Einzelnen der ihm
gebührende Theil bis zur Bewirkung der ganzen Gegenleistung verweigert werden.
Die Vorschrift des §. 273 Abs. 3 findet keine Anwendung.
Ist von der einen Seite theilweise geleistet
worden, so kann die Gegenleistung insoweit nicht verweigert werden, als die
Verweigerung nach den Umständen, insbesondere wegen verhältnißmäßiger
Geringfügigkeit des rückständigen Theiles, gegen Treu und Glauben verstoßen
würde.
§. 321. Wer aus einem gegenseitigen Vertrage
vorzuleisten verpflichtet ist, kann, wenn nach dem Abschlusse des Vertrags in
den Vermögensverhältnissen des anderen Theiles eine wesentliche
Verschlechterung eintritt, durch die der Anspruch auf die Gegenleistung
gefährdet wird, die ihm obliegende Leistung verweigern, bis die Gegenleistung
bewirkt oder Sicherheit für sie geleistet wird.
§. 322. Erhebt aus einem gegenseitigen Vertrage der
eine Theil Klage auf die ihm geschuldete Leistung, so hat die Geltendmachung
des dem anderen Theile zustehenden Rechtes, die Leistung bis zur Bewirkung der
Gegenleistung zu verweigern, nur die Wirkung, daß der andere Theil zur Erfüllung
Zug um Zug zu verurtheilen ist.
Hat der klagende Theil vorzuleisten, so kann er,
wenn der andere Theil im Verzuge der Annahme ist, auf Leistung nach Empfang der
Gegenleistung klagen.
Auf die Zwangsvollstreckung findet die Vorschrift
des §. 274 Abs. 2 Anwendung.
§. 323. Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage
dem einen Theile obliegende Leistung in Folge eines Umstandes unmöglich, den
weder er noch der andere Theil zu vertreten hat, so verliert er den Anspruch
auf die Gegenleistung; bei theilweiser Unmöglichkeit mindert sich die
Gegenleistung nach Maßgabe der §§. 472, 473.
Verlangt der andere Theil nach §. 281 Herausgabe
des für den geschuldeten Gegenstand erlangten Ersatzes oder Abtretung des
Ersatzanspruchs, so bleibt er zur Gegenleistung verpflichtet; diese mindert
sich jedoch nach Maßgabe der §§. 472, 473 insoweit, als der Werth des Ersatzes
oder des Ersatzanspruchs hinter dem Werthe der geschuldeten Leistung
zurückbleibt.
Soweit die nach diesen Vorschriften nicht
geschuldete Gegenleistung bewirkt ist, kann das Geleistete nach den
Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung
zurückgefordert werden.
§. 324. Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage
dem einen Theile obliegende Leistung in Folge eines Umstandes, den der andere
Theil zu vertreten hat, unmöglich, so behält er den Anspruch auf die
Gegenleistung. Er muß sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er in Folge
der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung
seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt.
Das Gleiche gilt, wenn die dem einen Theile
obliegende Leistung in Folge eines von ihm nicht zu vertretenden Umstandes zu
einer Zeit unmöglich wird, zu welcher der andere Theil im Verzuge der Annahme
ist.
§. 325. Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage
dem einen Theile obliegende Leistung in Folge eines Umstandes, den er zu
vertreten hat, unmöglich, so kann der andere Theil Schadensersatz wegen
Nichterfüllung verlangen oder von dem Vertrage zurücktreten. Bei theilweiser Unmöglichkeit
ist er, wenn die theilweise Erfüllung des Vertrags für ihn kein Interesse hat,
berechtigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung der ganzen Verbindlichkeit nach
Maßgabe des §. 280 Abs. 2 zu verlangen oder von dem ganzen Vertrage
zurückzutreten. Statt des Anspruchs auf Schadensersatz und des Rücktrittsrechts
kann er auch die für den Fall des §. 323 bestimmten Rechte geltend machen.
Das Gleiche gilt in dem Falle des §. 283, wenn
nicht die Leistung bis zum Ablaufe der Frist bewirkt wird oder wenn zu dieser
Zeit theilweise nicht bewirkt ist.
§. 326. Ist bei einem gegenseitigen Vertrage der
eine Theil mit der ihm obliegenden Leistung im Verzuge, so kann ihm der andere
Theil zur Bewirkung der Leistung eine angemessene Frist mit der Erklärung
bestimmen, daß er die Annahme der Leistung nach dem Ablaufe der Frist ablehne.
Nach dem Ablaufe der Frist ist er berechtigt, Schadensersatz wegen
Nichterfüllung zu verlangen oder von dem Vertrage zurückzutreten, wenn nicht
die Leistung rechtzeitig erfolgt ist; der Anspruch auf Erfüllung ist
ausgeschlossen. Wird die Leistung bis zum Ablaufe der Frist theilweise nicht
bewirkt, so findet die Vorschrift des §. 325 Abs. 1 Satz 2 entsprechende
Anwendung.
Hat die Erfüllung des Vertrags in Folge des Verzugs
für den anderen Theil kein Interesse, so stehen ihm die im Abs. 1 bezeichneten
Rechte zu, ohne daß es der Bestimmung einer Frist bedarf.
§. 327. Auf das in den §§. 325, 326 bestimmte
Rücktrittsrecht finden die für das vertragsmäßige Rücktrittsrecht geltenden
Vorschriften der §§. 346 bis 356 entsprechende Anwendung. Erfolgt der Rücktritt
wegen eines Umstandes, den der andere Theil nicht zu vertreten hat, so haftet
dieser nur nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten
Bereicherung.
Dritter Titel.
Versprechen der Leistung an einen Dritten.
§. 328. Durch Vertrag kann eine Leistung an einen
Dritten mit der Wirkung bedungen werden, daß der Dritte unmittelbar das Recht
erwirbt, die Leistung zu fordern.
In Ermangelung einer besonderen Bestimmung ist aus
den Umständen, insbesondere aus dem Zwecke des Vertrags, zu entnehmen, ob der
Dritte das Recht erwerben, ob das Recht des Dritten sofort oder nur unter
gewissen Voraussetzungen entstehen und ob den Vertragschließenden die Befugniß
vorbehalten sein soll, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben
oder zu ändern.
§. 329. Verpflichtet sich in einem Vertrage der
eine Theil zur Befriedigung eines Gläubigers des anderen Theiles, ohne die
Schuld zu übernehmen, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, daß der Gläubiger
unmittelbar das Recht erwerben soll, die Befriedigung von ihm zu fordern.
§. 330. Wird in einem Lebensversicherungs- oder
einem Leibrentenvertrage die Zahlung der Versicherungssumme oder der Leibrente
an einen Dritten bedungen, so ist im Zweifel anzunehmen, daß der Dritte
unmittelbar das Recht erwerben soll, die Leistung zu fordern. Das Gleiche gilt,
wenn bei einer unentgeltlichen Zuwendung dem Bedachten eine Leistung an einen
Dritten auferlegt oder bei einer Vermögens- oder Gutsübernahme von dem Uebernehmer
eine Leistung an einen Dritten zum Zwecke der Abfindung versprochen wird.
§. 331. Soll die Leistung an den Dritten nach dem
Tode desjenigen erfolgen, welchem sie versprochen wird, so erwirbt der Dritte
das Recht auf die Leistung im Zweifel mit dem Tode des Versprechensempfängers.
Stirbt der Versprechensempfänger vor der Geburt des
Dritten, so kann das Versprechen, an den Dritten zu leisten, nur dann noch
aufgehoben oder geändert werden, wenn die Befugniß dazu vorbehalten worden ist.
§. 332. Hat sich der Versprechensempfänger die
Befugniß vorbehalten, ohne Zustimmung des Versprechenden an die Stelle des in
dem Vertrage bezeichneten Dritten einen Anderen zu setzen, so kann dies im
Zweifel auch in einer Verfügung von Todeswegen geschehen.
§. 333. Weist der Dritte das aus dem Vertrag
erworbene Recht dem Versprechenden gegenüber zurück, so gilt das Recht als
nicht erworben.
§. 334. Einwendungen aus dem Vertrage stehen dem
Versprechenden auch gegenüber dem Dritten zu.
§. 335. Der Versprechensempfänger kann, sofern
nicht ein anderer Wille der Vertragschließenden anzunehmen ist, die Leistung an
den Dritten auch dann fordern, wenn diesem das Recht auf die Leistung zusteht.
Vierter Titel.
Draufgabe. Vertragsstrafe.
§. 336. Wird bei der Eingehung eines Vertrags etwas
als Draufgabe gegeben, so gilt dies als Zeichen des Abschlusses des Vertrags.
Die Draufgabe gilt im Zweifel nicht als Reugeld.
§. 337. Die Draufgabe ist im Zweifel auf die von
dem Geber geschuldete Leistung anzurechnen oder, wenn dies nicht geschehen
kann, bei der Erfüllung des Vertrags zurückzugeben. Wird der Vertrag
wiederaufgehoben, so ist die Draufgabe zurückzugeben.
§. 338. Wird die von dem Geber geschuldete Leistung
in Folge eines Umstandes, den er zu vertreten hat, unmöglich oder verschuldet
der Geber die Wiederaufhebung des Vertrags, so ist der Empfänger berechtigt,
die Draufgabe zu behalten. Verlangt der Empfänger Schadensersatz wegen
Nichterfüllung, so ist die Draufgabe im Zweifel anzurechnen oder, wenn dies
nicht geschehen kann, bei der Leistung des Schadensersatzes zurückzugeben.
§. 339. Verspricht der Schuldner dem Gläubiger für
den Fall, daß er seine Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise
erfüllt, die Zahlung einer Geldsumme als Strafe, so ist die Strafe verwirkt,
wenn er in Verzug kommt. Besteht die geschuldete Leistung in einem Unterlassen,
so tritt die Verwirkung mit der Zuwiderhandlung ein.
§. 340. Hat der Schuldner die Strafe für den Fall
versprochen, daß er seine Verbindlichkeit nicht erfüllt, so kann der Gläubiger
die verwirkte Strafe statt der Erfüllung verlangen. Erklärt der Gläubiger dem
Schuldner, daß er die Strafe verlange, so ist der Anspruch auf Erfüllung
ausgeschlossen.
Steht dem Gläubiger ein Anspruch auf Schadensersatz
wegen Nichterfüllung zu, so kann er die verwirkte Strafe als Mindestbetrag des
Schadens verlangen. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht
ausgeschlossen.
§. 341. Hat der Schuldner die Strafe für den Fall
versprochen, daß er seine Verbindlichkeit nicht in gehöriger Weise, insbesondere
nicht zu der bestimmten Zeit, erfüllt, so kann der Gläubiger die verwirkte
Strafe neben der Erfüllung verlangen.
Steht dem Gläubiger ein Anspruch auf Schadensersatz
wegen der nicht gehörigen Erfüllung zu, so finden die Vorschriften des §. 340
Abs. 2 Anwendung.
Nimmt der Gläubiger die Erfüllung an, so kann er
die Strafe nur verlangen, wenn er sich das Recht dazu bei der Annahme
vorbehält.
§. 342. Wird als Strafe eine andere Leistung als
die Zahlung einer Geldsumme versprochen, so finden die Vorschriften der §§. 339
bis 341 Anwendung; der Anspruch auf Schadensersatz ist ausgeschlossen, wenn der
Gläubiger die Strafe verlangt.
§. 343. Ist eine verwirkte Strafe unverhältnißmäßig
hoch, so kann sie auf Antrag des Schuldners durch Urtheil auf den angemessenen
Betrag herabgesetzt werden. Bei der Beurtheilung der Angemessenheit ist jedes
berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht blos das Vermögensinteresse, in
Betracht zu ziehen. Nach der Entrichtung der Strafe ist die Herabsetzung
ausgeschlossen.
Das Gleiche gilt auch außer den Fällen der §§. 339,
342, wenn Jemand eine Strafe für den Fall verspricht, daß er eine Handlung
vornimmt oder unterläßt.
§. 344. Erklärt das Gesetz das Versprechen einer
Leistung für unwirksam, so ist auch die für den Fall der Nichterfüllung des
Versprechens getroffene Vereinbarung einer Strafe unwirksam, selbst wenn die
Parteien die Unwirksamkeit des Versprechens gekannt haben.
§. 345. Bestreitet der Schuldner die Verwirkung der
Strafe, weil er seine Verbindlichkeit erfüllt habe, so hat er die Erfüllung zu
beweisen, sofern nicht die geschuldete Leistung in einem Unterlassen besteht.
Fünfter Titel.
Rücktritt.
§. 346. Hat sich in einem Vertrag ein Theil den
Rücktritt vorbehalten, so sind die Parteien, wenn der Rücktritt erfolgt,
verpflichtet, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Für
geleistete Dienste sowie für die Ueberlassung der Benutzung einer Sache ist der
Werth zu vergüten oder, falls in dem Vertrag eine Gegenleistung in Geld
bestimmt ist, diese zu entrichten.
§. 347. Der Anspruch auf Schadensersatz wegen
Verschlechterung, Unterganges oder einer aus einem anderen Grunde eintretenden
Unmöglichkeit der Herausgabe bestimmt sich im Falle des Rücktritts von dem
Empfange der Leistung an nach den Vorschriften, welche für das Verhältniß
zwischen dem Eigenthümer und dem Besitzer von dem Eintritte der
Rechtshängigkeit des Eigenthumsanspruchs an gelten. Das Gleiche gilt von dem
Anspruch auf Herausgabe oder Vergütung von Nutzungen und von dem Anspruch auf
Ersatz von Verwendungen. Eine Geldsumme ist von der Zeit des Empfanges an zu
verzinsen.
§. 348. Die sich aus dem Rücktritt ergebenden
Verpflichtungen der Parteien sind Zug um Zug zu erfüllen. Die Vorschriften der
§§. 320, 322 finden entsprechende Anwendung.
§. 349. Der Rücktritt erfolgt durch Erklärung
gegenüber dem anderen Theile.
§. 350. Der Rücktritt wird nicht dadurch
ausgeschlossen, daß der Gegenstand, welchen der Berechtigte empfangen hat,
durch Zufall untergegangen ist.
§. 351. Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der
Berechtigte eine wesentliche Verschlechterung, den Untergang oder die
anderweitige Unmöglichkeit der Herausgabe des empfangenen Gegenstandes
verschuldet hat. Der Untergang eines erheblichen Theiles steht einer
wesentlichen Verschlechterung des Gegenstandes, das von dem Berechtigten nach
§. 278 zu vertretende Verschulden eines Anderen steht dem eigenen Verschulden
des Berechtigten gleich.
§. 352. Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der
Berechtigte die empfangene Sache durch Verarbeitung oder Umbildung in eine Sache
anderer Art umgestaltet hat.
§. 353. Hat der Berechtigte den empfangenen
Gegenstand oder einen erheblichen Theil des Gegenstandes veräußert oder mit dem
Rechte eines Dritten belastet, so ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn bei
demjenigen, welcher den Gegenstand in Folge der Verfügung erlangt hat, die
Voraussetzungen des §. 351 oder des §. 352 eingetreten sind.
Einer Verfügung des Berechtigten steht eine
Verfügung gleich, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder der
Arrestvollziehung oder durch den Konkursverwalter erfolgt.
§. 354. Kommt der Berechtigte mit der Rückgewähr
des empfangenen Gegenstandes oder eines erheblichen Theiles des Gegenstandes in
Verzug, so kann ihm der andere Theil eine angemessene Frist mit der Erklärung
bestimmen, daß er die Annahme nach dem Ablaufe der Frist ablehne. Der Rücktritt
wird unwirksam, wenn nicht die Rückgewähr vor dem Ablaufe der Frist erfolgt.
§. 355. Ist für die Ausübung des Rücktrittsrechts
eine Frist nicht vereinbart, so kann dem Berechtigten von dem anderen Theile
für die Ausübung eine angemessene Frist bestimmt werden. Das Rücktrittsrecht
erlischt, wenn nicht der Rücktritt vor dem Ablaufe der Frist erklärt wird.
§. 356. Sind bei einem Vertrag auf der einen oder
der anderen Seite Mehrere betheiligt, so kann das Rücktrittsrecht nur von allen
und gegen alle ausgeübt werden. Erlischt das Rücktrittsrecht für einen der
Berechtigten, so erlischt es auch für die übrigen.
§. 357. Hat sich der eine Theil den Rücktritt für
den Fall vorbehalten, daß der andere Theil seine Verbindlichkeit nicht erfüllt,
so ist der Rücktritt unwirksam, wenn der andere Theil sich von der
Verbindlichkeit durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach dem
Rücktritte die Aufrechnung erklärt.
§. 358. Hat sich der eine Theil den Rücktritt für den
Fall vorbehalten, daß der andere Theil seine Verbindlichkeit nicht erfüllt, und
bestreitet dieser die Zulässigkeit des erklärten Rücktritts, weil er erfüllt
habe, so hat er die Erfüllung zu beweisen, sofern nicht die geschuldete
Leistung in einem Unterlassen besteht.
§. 359. Ist der Rücktritt gegen Zahlung eines
Reugeldes vorbehalten, so ist der Rücktritt unwirksam, wenn das Reugeld nicht
vor oder bei der Erklärung entrichtet wird und der andere Theil aus diesem
Grunde die Erklärung unverzüglich zurückweist. Die Erklärung ist jedoch
wirksam, wenn das Reugeld unverzüglich nach der Zurückweisung entrichtet wird.
§. 360. Ist ein Vertrag mit dem Vorbehalte
geschlossen, daß der Schuldner seiner Rechte aus dem Vertrage verlustig sein
soll, wenn er seine Verbindlichkeit nicht erfüllt, so ist der Gläubiger bei dem
Eintritte dieses Falles zum Rücktritte von dem Vertrage berechtigt.
§. 361. Ist in einem gegenseitigen Vertrage
vereinbart, daß die Leistung des einen Theiles genau zu einer festbestimmten
Zeit oder innerhalb einer festbestimmten Frist bewirkt werden soll, so ist im
Zweifel anzunehmen, daß der andere Theil zum Rücktritte berechtigt sein soll,
wenn die Leistung nicht zu der bestimmten Zeit oder innerhalb der bestimmten
Frist erfolgt.
Dritter Abschnitt.
Erlöschen der Schuldverhältnisse.
Erster Titel.
Erfüllung.
§. 362. Das Schuldverhältniß erlischt, wenn die
geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.
Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung
geleistet, so finden die Vorschriften des §. 185 Anwendung.
§. 363. Hat der Gläubiger eine ihm als Erfüllung
angebotene Leistung als Erfüllung angenommen, so trifft ihn die Beweislast,
wenn er die Leistung deshalb nicht als Erfüllung gelten lassen will, weil sie
eine andere als die geschuldete Leistung oder weil sie unvollständig gewesen
sei.
§. 364. Das Schuldverhältniß erlischt, wenn der
Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungsstatt annimmt.
Uebernimmt der Schuldner zum Zwecke der
Befriedigung des Gläubigers diesem gegenüber eine neue Verbindlichkeit, so ist
im Zweifel nicht anzunehmen, daß er die Verbindlichkeit an Erfüllungsstatt
übernimmt.
§. 365. Wird eine Sache, eine Forderung gegen einen
Dritten oder ein anderes Recht an Erfüllungsstatt gegeben, so hat der Schuldner
wegen eines Mangels im Rechte oder wegen eines Mangels der Sache in gleicher
Weise wie ein Verkäufer Gewähr zu leisten.
§. 366. Ist der Schuldner dem Gläubiger aus
mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet und
reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämmtlicher Schulden aus, so
wird diejenige Schuld getilgt, welche er bei der Leistung bestimmt.
Trifft der Schuldner keine Bestimmung, so wird
zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche
dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die
dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und
bei gleichem Alter jede Schuld verhältnißmäßig getilgt.
§. 367. Hat der Schuldner außer der Hauptleistung
Zinsen und Kosten zu entrichten, so wird eine zur Tilgung der ganzen Schuld
nicht ausreichende Leistung zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und
zuletzt auf die Hauptleistung angerechnet.
Bestimmt der Schuldner eine andere Anrechnung, so
kann der Gläubiger die Annahme der Leistung ablehnen.
§. 368. Der Gläubiger hat gegen Empfang der
Leistung auf Verlangen ein schriftliches Empfangsbekenntniß (Quittung) zu
ertheilen. Hat der Schuldner ein rechtliches Interesse, daß die Quittung in
anderer Form ertheilt wird, so kann er die Ertheilung in dieser Form verlangen.
§. 369. Die Kosten der Quittung hat der Schuldner
zu tragen und vorzuschießen, sofern nicht aus dem zwischen ihm und dem
Gläubiger bestehenden Rechtsverhältnisse sich ein Anderes ergiebt.
Treten in Folge einer Uebertragung der Forderung
oder im Wege der Erbfolge an die Stelle des ursprünglichen Gläubigers mehrere
Gläubiger, so fallen die Mehrkosten den Gläubigern zur Last.
§. 370. Der Ueberbringer einer Quittung gilt als
ermächtigt, die Leistung zu empfangen, sofern nicht die dem Leistenden
bekannten Umstände der Annahme einer solchen Ermächtigung entgegenstehen.
§. 371. Ist über die Forderung ein Schuldschein
ausgestellt worden, so kann der Schuldner neben der Quittung Rückgabe des
Schuldscheins verlangen. Behauptet der Gläubiger, zur Rückgabe außer Stande zu
sein, so kann der Schuldner das öffentlich beglaubigte Anerkenntniß verlangen,
daß die Schuld erloschen sei.
Zweiter Titel.
Hinterlegung.
§. 372. Geld, Werthpapiere und sonstige Urkunden
sowie Kostbarkeiten kann der Schuldner bei einer dazu bestimmten öffentlichen
Stelle für den Gläubiger hinterlegen, wenn der Gläubiger im Verzuge der Annahme
ist. Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner aus einem anderen in der Person des
Gläubigers liegenden Grunde oder in Folge einer nicht auf Fahrlässigkeit
beruhenden Ungewißheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit
nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann.
§. 373. Ist der Schuldner nur gegen eine Leistung
des Gläubigers zu leisten verpflichtet, so kann er das Recht des Gläubigers zum
Empfange der hinterlegten Sache von der Bewirkung der Gegenleistung abhängig
machen.
§. 374. Die Hinterlegung hat bei der
Hinterlegungsstelle des Leistungsorts zu erfolgen; hinterlegt der Schuldner bei
einer anderen Stelle, so hat er dem Gläubiger den daraus entstehenden Schaden
zu ersetzen.
Der Schuldner hat dem Gläubiger die Hinterlegung
unverzüglich anzuzeigen; im Falle der Unterlassung ist er zum Schadensersatze
verpflichtet. Die Anzeige darf unterbleiben, wenn sie unthunlich ist.
§. 375. Ist die hinterlegte Sache der
Hinterlegungsstelle durch die Post übersendet worden, so wirkt die Hinterlegung
auf die Zeit der Aufgabe der Sache zur Post zurück.
§. 376. Der Schuldner hat das Recht, die
hinterlegte Sache zurückzunehmen.
Die Rücknahme ist ausgeschlossen:
1. wenn der Schuldner der
Hinterlegungsstelle erklärt, daß er auf das Recht zur Rücknahme verzichte;
2. wenn der Gläubiger der
Hinterlegungsstelle die Annahme erklärt;
3. wenn der
Hinterlegungsstelle ein zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner ergangenes
rechtskräftiges Urtheil vorgelegt wird, das die Hinterlegung für rechtmäßig
erklärt.
§. 377. Das Recht zur Rücknahme ist der Pfändung
nicht unterworfen.
Wird über das Vermögen des Schuldners der Konkurs
eröffnet, so kann während des Konkurses das Recht zur Rücknahme auch nicht von
dem Schuldner ausgeübt werden.
§. 378. Ist die Rücknahme der hinterlegten Sache
ausgeschlossen, so wird der Schuldner durch die Hinterlegung von seiner
Verbindlichkeit in gleicher Weise befreit, wie wenn er zur Zeit der
Hinterlegung an den Gläubiger geleistet hätte.
§. 379. Ist die Rücknahme der hinterlegten Sache
nicht ausgeschlossen, so kann der Schuldner den Gläubiger auf die hinterlegte
Sache verweisen.
Solange die Sache hinterlegt ist, trägt der
Gläubiger die Gefahr und ist der Schuldner nicht verpflichtet, Zinsen zu zahlen
oder Ersatz für nicht gezogene Nutzungen zu leisten.
Nimmt der Schuldner die hinterlegte Sache zurück,
so gilt die Hinterlegung als nicht erfolgt.
§. 380. Soweit nach den für die Hinterlegungsstelle
geltenden Bestimmungen zum Nachweise der Empfangsberechtigung des Gläubigers
eine diese Berechtigung anerkennende Erklärung des Schuldners erforderlich oder
genügend ist, kann der Gläubiger von dem Schuldner die Abgabe der Erklärung
unter denselben Voraussetzungen verlangen, unter denen er die Leistung zu
fordern berechtigt sein würde, wenn die Hinterlegung nicht erfolgt wäre.
§. 381. Die Kosten der Hinterlegung fallen dem
Gläubiger zur Last, sofern nicht der Schuldner die hinterlegte Sache
zurücknimmt.
§. 382. Das Recht des Gläubigers auf den
hinterlegten Betrag erlischt mit dem Ablaufe von dreißig Jahren nach dem
Empfange der Anzeige von der Hinterlegung, wenn nicht der Gläubiger sich vorher
bei der Hinterlegungsstelle meldet; der Schuldner ist zur Rücknahme berechtigt,
auch wenn er auf das Recht zur Rücknahme verzichtet hat.
§. 383. Ist die geschuldete bewegliche Sache zur
Hinterlegung nicht geeignet, so kann der Schuldner sie im Falle des Verzugs des
Gläubigers am Leistungsorte versteigern lassen und den Erlös hinterlegen. Das
Gleiche gilt in den Fällen des §. 372 Satz 2, wenn der Verderb der Sache zu
besorgen oder die Aufbewahrung mit unverhältnißmäßigen Kosten verbunden ist.
Ist von der Versteigerung am Leistungsort ein
angemessener Erfolg nicht zu erwarten, so ist die Sache an einem geeigneten
anderen Orte zu versteigern.
Die Versteigerung hat durch einen für den
Versteigerungsort bestellten Gerichtsvollzieher oder zu Versteigerungen
befugten anderen Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer öffentlich
zu erfolgen (öffentliche Versteigerung). Zeit und Ort der Versteigerung sind
unter allgemeiner Bezeichnung der Sache öffentlich bekannt zu machen.
§. 384. Die Versteigerung ist erst zulässig,
nachdem sie dem Gläubiger angedroht worden ist; die Androhung darf
unterbleiben, wenn die Sache dem Verderb ausgesetzt und mit dem Aufschube der
Versteigerung Gefahr verbunden ist.
Der Schuldner hat den Gläubiger von der
Versteigerung unverzüglich zu benachrichtigen; im Falle der Unterlassung ist er
zum Schadensersatze verpflichtet.
Die Androhung und die Benachrichtigung dürfen
unterbleiben, wenn sie unthunlich sind.
§. 385. Hat die Sache einen Börsen- oder
Marktpreis, so kann der Schuldner den Verkauf aus freier Hand durch einen zu
solchen Verkäufen öffentlich ermächtigten Handelsmäkler oder durch eine zur
öffentlichen Versteigerung befugte Person zum laufenden Preise bewirken.
§. 386. Die Kosten der Versteigerung oder des nach
§. 385 erfolgten Verkaufs fallen dem Gläubiger zur Last, sofern nicht der
Schuldner den hinterlegten Erlös zurücknimmt.
Dritter Titel.
Aufrechnung.
§. 387. Schulden zwei Personen einander Leistungen,
die ihrem Gegenstande nach gleichartig sind, so kann jeder Theil seine
Forderung gegen die Forderung des anderen Theiles aufrechnen, sobald er die ihm
gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.
§. 388. Die Aufrechnung erfolgt durch Erklärung
gegenüber dem anderen Theile. Die Erklärung ist unwirksam, wenn sie unter einer
Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben wird.
§. 389. Die Aufrechnung bewirkt, daß die
Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in
welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.
§. 390. Eine Forderung, der eine Einrede
entgegensteht, kann nicht aufgerechnet werden. Die Verjährung schließt die
Aufrechnung nicht aus, wenn die verjährte Forderung zu der Zeit, zu welcher sie
gegen die andere Forderung aufgerechnet werden konnte, noch nicht verjährt war.
§. 391. Die Aufrechnung wird nicht dadurch
ausgeschlossen, daß für die Forderungen verschiedene Leistungs- oder
Ablieferungsorte bestehen. Der aufrechnende Theil hat jedoch den Schaden zu
ersetzen, den der andere Theil dadurch erleidet, daß er in Folge der Aufrechnung
die Leistung nicht an dem bestimmten Orte erhält oder bewirken kann.
Ist vereinbart, daß die Leistung zu einer
bestimmten Zeit an einem bestimmten Orte erfolgen soll, so ist im Zweifel
anzunehmen, daß die Aufrechnung einer Forderung, für die ein anderer
Leistungsort besteht, ausgeschlossen sein soll.
§. 392. Durch die Beschlagnahme einer Forderung
wird die Aufrechnung einer dem Schuldner gegen den Gläubiger zustehenden
Forderung nur dann ausgeschlossen, wenn der Schuldner seine Forderung nach der
Beschlagnahme erworben hat oder wenn seine Forderung erst nach der
Beschlagnahme und später als die in Beschlag genommene Forderung fällig
geworden ist.
§. 393. Gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich
begangenen unerlaubten Handlung ist die Aufrechnung nicht zulässig.
§. 394. Soweit eine Forderung der Pfändung nicht
unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen
die aus Kranken-, Hülfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen
und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können jedoch
geschuldete Beiträge aufgerechnet werden.
§. 395. Gegen eine Forderung des Reichs oder eines
Bundesstaats sowie gegen eine Forderung einer Gemeinde oder eines anderen
Kommunalverbandes ist die Aufrechnung nur zulässig, wenn die Leistung an
dieselbe Kasse zu erfolgen hat, aus der die Forderung des Aufrechnenden zu
berichtigen ist.
§. 396. Hat der eine oder der andere Theil mehrere
zur Aufrechnung geeignete Forderungen, so kann der aufrechnende Theil die
Forderungen bestimmen, die gegen einander aufgerechnet werden sollen. Wird die
Aufrechnung ohne eine solche Bestimmung erklärt oder widerspricht der andere
Theil unverzüglich, so findet die Vorschrift des §. 366 Abs. 2 entsprechende
Anwendung.
Schuldet der aufrechnende Theil dem anderen Theile
außer der Hauptleistung Zinsen und Kosten, so finden die Vorschriften des §.
367 entsprechende Anwendung.
Vierter Titel.
Erlaß.
§. 397. Das Schuldverhältniß erlischt, wenn der
Gläubiger dem Schuldner durch Vertrag die Schuld erläßt.
Das Gleiche gilt, wenn der Gläubiger durch Vertrag
mit dem Schuldner anerkennt, daß das Schuldverhältniß nicht bestehe.
Vierter Abschnitt.
Uebertragung der Forderung.
§. 398. Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch
Vertrag mit einem Anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem
Abschlusse des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen
Gläubigers.
§. 399. Eine Forderung kann nicht abgetreten
werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger
nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann oder wenn die Abtretung
durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen ist.
§. 400. Eine Forderung kann nicht abgetreten
werden, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist.
§. 401. Mit der abgetretenen Forderung gehen die
Hypotheken oder Pfandrechte, die für sie bestehen, sowie die Rechte aus einer
für sie bestellten Bürgschaft auf den neuen Gläubiger über.
Ein mit der Forderung für den Fall der
Zwangsvollstreckung oder des Konkurses verbundenes Vorzugsrecht kann auch der
neue Gläubiger geltend machen.
§. 402. Der bisherige Gläubiger ist verpflichtet,
dem neuen Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung nöthige Auskunft zu
ertheilen und ihm die zum Beweise der Forderung dienenden Urkunden, soweit sie
sich in seinem Besitze befinden, auszuliefern.
§. 403. Der bisherige Gläubiger hat dem neuen
Gläubiger auf Verlangen eine öffentlich beglaubigte Urkunde über die Abtretung
auszustellen. Die Kosten hat der neue Gläubiger zu tragen und vorzuschießen.
§. 404. Der Schuldner kann dem neuen Gläubiger die
Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den
bisherigen Gläubiger begründet waren.
§. 405. Hat der Schuldner eine Urkunde über die
Schuld ausgestellt, so kann er sich, wenn die Forderung unter Vorlegung der
Urkunde abgetreten wird, dem neuen Gläubiger gegenüber nicht darauf berufen,
daß die Eingehung oder Anerkennung des Schuldverhältnisses nur zum Schein
erfolgt oder daß die Abtretung durch Vereinbarung mit dem ursprünglichen
Gläubiger ausgeschlossen sei, es sei denn, daß der neue Gläubiger bei der
Abtretung den Sachverhalt kannte oder kennen mußte.
§. 406. Der Schuldner kann eine ihm gegen den
bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen,
es sei denn, daß er bei dem Erwerbe der Forderung von der Abtretung Kenntniß
hatte oder daß die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntniß und später
als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.
§. 407. Der neue Gläubiger muß eine Leistung, die
der Schuldner nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger bewirkt, sowie
jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem
bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich
gelten lassen, es sei denn, daß der Schuldner die Abtretung bei der Leistung
oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt.
Ist in einem nach der Abtretung zwischen dem
Schuldner und dem bisherigen Gläubiger anhängig gewordenen Rechtsstreit ein
rechtskräftiges Urtheil über die Forderung ergangen, so muß der neue Gläubiger
das Urtheil gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß der Schuldner die
Abtretung bei dem Eintritte der Rechtshängigkeit gekannt hat.
§. 408. Wird eine abgetretene Forderung von dem
bisherigen Gläubiger nochmals an einen Dritten abgetreten, so finden, wenn der
Schuldner an den Dritten leistet oder wenn zwischen dem Schuldner und dem
Dritten ein Rechtsgeschäft vorgenommen oder ein Rechtsstreit anhängig wird, zu
Gunsten des Schuldners die Vorschriften des §. 407 dem früheren Erwerber
gegenüber entsprechende Anwendung.
Das Gleiche gilt, wenn die bereits abgetretene
Forderung durch gerichtlichen Beschluß einem Dritten überwiesen wird oder wenn
der bisherige Gläubiger dem Dritten gegenüber anerkennt, daß die bereits
abgetretene Forderung kraft Gesetzes auf den Dritten übergegangen sei.
§. 409. Zeigt der Gläubiger dem Schuldner an, daß
er die Forderung abgetreten habe, so muß er dem Schuldner gegenüber die
angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder
nicht wirksam ist. Der Anzeige steht es gleich, wenn der Gläubiger eine Urkunde
über die Abtretung dem in der Urkunde bezeichneten neuen Gläubiger ausgestellt
hat und dieser sie dem Schuldner vorlegt.
Die Anzeige kann nur mit Zustimmung desjenigen
zurückgenommen werden, welcher als der neue Gläubiger bezeichnet worden ist.
§. 410. Der Schuldner ist dem neuen Gläubiger
gegenüber zur Leistung nur gegen Aushändigung einer von dem bisherigen
Gläubiger über die Abtretung ausgestellten Urkunde verpflichtet. Eine Kündigung
oder eine Mahnung des neuen Gläubigers ist unwirksam, wenn sie ohne Vorlegung
einer solchen Urkunde erfolgt und der Schuldner sie aus diesem Grunde
unverzüglich zurückweist.
Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn der
bisherige Gläubiger dem Schuldner die Abtretung schriftlich angezeigt hat.
§. 411. Tritt eine Militärperson, ein Beamter, ein
Geistlicher oder ein Lehrer an einer öffentlichen Unterrichtsanstalt den
übertragbaren Theil des Diensteinkommens, des Wartegeldes oder des Ruhegehalts
ab, so ist die auszahlende Kasse durch Aushändigung einer von dem bisherigen
Gläubiger ausgestellten, öffentlich beglaubigten Urkunde von der Abtretung zu
benachrichtigen. Bis zur Benachrichtigung gilt die Abtretung als der Kasse nicht
bekannt.
§. 412. Auf die Uebertragung einer Forderung kraft
Gesetzes finden die Vorschriften der §§. 399 bis 404, 406 bis 410 entsprechende
Anwendung.
§. 413. Die Vorschriften über die Uebertragung von
Forderungen finden auf die Uebertragung anderer Rechte entsprechende Anwendung,
soweit nicht das Gesetz ein Anderes vorschreibt.
Fünfter Abschnitt.
Schuldübernahme.
§. 414. Eine Schuld kann von einem Dritten durch
Vertrag mit dem Gläubiger in der Weise übernommen werden, daß der Dritte an die
Stelle des bisherigen Schuldners tritt.
§. 415. Wird die Schuldübernahme von dem Dritten
mit dem Schuldner vereinbart, so hängt ihre Wirksamkeit von der Genehmigung des
Gläubigers ab. Die Genehmigung kann erst erfolgen, wenn der Schuldner oder der
Dritte dem Gläubiger die Schuldübernahme mitgetheilt hat. Bis zur Genehmigung
können die Parteien den Vertrag ändern oder aufheben.
Wird die Genehmigung verweigert, so gilt die
Schuldübernahme als nicht erfolgt. Fordert der Schuldner oder der Dritte den
Gläubiger unter Bestimmung einer Frist zur Erklärung über die Genehmigung auf,
so kann die Genehmigung nur bis zum Ablaufe der Frist erklärt werden; wird sie
nicht erklärt, so gilt sie als verweigert.
Solange nicht der Gläubiger die Genehmigung
ertheilt hat, ist im Zweifel der Uebernehmer dem Schuldner gegenüber
verpflichtet, den Gläubiger rechtzeitig zu befriedigen. Das Gleiche gilt, wenn
der Gläubiger die Genehmigung verweigert.
§. 416. Uebernimmt der Erwerber eines Grundstücks
durch Vertrag mit dem Veräußerer eine Schuld des Veräußerers, für die eine
Hypothek an dem Grundstücke besteht, so kann der Gläubiger die Schuldübernahme
nur genehmigen, wenn der Veräußerer sie ihm mittheilt. Sind seit dem Empfange
der Mittheilung sechs Monate verstrichen, so gilt die Genehmigung als ertheilt,
wenn nicht der Gläubiger sie dem Veräußerer gegenüber vorher verweigert hat;
die Vorschrift des §. 415 Abs. 2 Satz 2 findet keine Anwendung.
Die Mittheilung des Veräußerers kann erst erfolgen,
wenn der Erwerber als Eigenthümer im Grundbuch eingetragen ist. Sie muß
schriftlich geschehen und den Hinweis enthalten, daß der Uebernehmer an die
Stelle des bisherigen Schuldners tritt, wenn nicht der Gläubiger die
Verweigerung innerhalb der sechs Monate erklärt.
Der Veräußerer hat auf Verlangen des Erwerbers dem
Gläubiger die Schuldübernahme mitzutheilen. Sobald die Ertheilung oder
Verweigerung der Genehmigung feststeht, hat der Veräußerer den Erwerber zu
benachrichtigen.
§. 417. Der Uebernehmer kann dem Gläubiger die
Einwendungen entgegensetzen, welche sich aus dem Rechtsverhältnisse zwischen
dem Gläubiger und dem bisherigen Schuldner ergeben. Eine dem bisherigen
Schuldner zustehende Forderung kann er nicht aufrechnen.
Aus dem der Schuldübernahme zu Grunde liegenden
Rechtsverhältnisse zwischen dem Uebernehmer und dem bisherigen Schuldner kann
der Uebernehmer dem Gläubiger gegenüber Einwendungen nicht herleiten.
§. 418. In Folge der Schuldübernahme erlöschen die
für die Forderung bestellten Bürgschaften und Pfandrechte. Besteht für die
Forderung eine Hypothek, so tritt das Gleiche ein, wie wenn der Gläubiger auf
die Hypothek verzichtet. Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn der
Bürge oder derjenige, welchem der verhaftete Gegenstand zur Zeit der
Schuldübernahme gehört, in diese einwilligt.
Ein mit der Forderung für den Fall des Konkurses
verbundenes Vorzugsrecht kann nicht im Konkurs über das Vermögen des
Uebernehmers geltend gemacht werden.
§. 419. Uebernimmt Jemand durch Vertrag das
Vermögen eines Anderen, so können dessen Gläubiger, unbeschadet der Fortdauer
der Haftung des bisherigen Schuldners, von dem Abschlusse des Vertrags an ihre
zu dieser Zeit bestehenden Ansprüche auch gegen den Uebernehmer geltend machen.
Die Haftung des Uebernehmers beschränkt sich auf
den Bestand des übernommenen Vermögens und die ihm aus dem Vertrage zustehenden
Ansprüche. Beruft sich der Uebernehmer auf die Beschränkung seiner Haftung, so
finden die für die Haftung des Erben geltenden Vorschriften der §§. 1990, 1991
entsprechende Anwendung.
Die Haftung des Uebernehmers kann nicht durch
Vereinbarung zwischen ihm und dem bisherigen Schuldner ausgeschlossen oder
beschränkt werden.
Sechster Abschnitt.
Mehrheit von Schuldnern und Gläubigern.
§. 420. Schulden Mehrere eine theilbare Leistung
oder haben Mehrere eine theilbare Leistung zu fordern, so ist im Zweifel jeder
Schuldner nur zu einem gleichen Antheile verpflichtet, jeder Gläubiger nur zu
einem gleichen Antheile berechtigt.
§. 421. Schulden Mehrere eine Leistung in der
Weise, daß jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger
aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesammtschuldner), so
kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner
ganz oder zu einem Theile fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben
sämmtliche Schuldner verpflichtet.
§. 422. Die Erfüllung durch einen Gesammtschuldner
wirkt auch für die übrigen Schuldner. Das Gleiche gilt von der Leistung an
Erfüllungsstatt, der Hinterlegung und der Aufrechnung.
Eine Forderung, die einem Gesammtschuldner zusteht,
kann nicht von den übrigen Schuldnern aufgerechnet werden.
§. 423. Ein zwischen dem Gläubiger und einem
Gesammtschuldner vereinbarter Erlaß wirkt auch für die übrigen Schuldner, wenn
die Vertragschließenden das ganze Schuldverhältniß aufheben wollten.
§. 424. Der Verzug des Gläubigers gegenüber einem
Gesammtschuldner wirkt auch für die übrigen Schuldner.
§. 425. Andere als die in den §§. 422 bis 424
bezeichneten Thatsachen wirken, soweit sich nicht aus dem Schuldverhältniß ein
Anderes ergiebt, nur für und gegen den Gesammtschuldner, in dessen Person sie
eintreten.
Dies gilt insbesondere von der Kündigung, dem
Verzuge, dem Verschulden, von der Unmöglichkeit der Leistung in der Person
eines Gesammtschuldners, von der Verjährung, deren Unterbrechung und Hemmung,
von der Vereinigung der Forderung mit der Schuld und von dem rechtskräftigen
Urtheile.
§. 426. Die Gesammtschuldner sind im Verhältnisse
zu einander zu gleichen Antheilen verpflichtet, soweit nicht ein Anderes
bestimmt ist. Kann von einem Gesammtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag
nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung
verpflichteten Schuldnern zu tragen.
Soweit ein Gesammtschuldner den Gläubiger
befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die
Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der
Uebergang kann nicht zum Nachtheile des Gläubigers geltend gemacht werden.
§. 427. Verpflichten sich Mehrere durch Vertrag
gemeinschaftlich zu einer theilbaren Leistung, so haften sie im Zweifel als
Gesammtschuldner.
§. 428. Sind Mehrere eine Leistung in der Weise zu
fordern berechtigt, daß jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner
aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesammtgläubiger),
so kann der Schuldner nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten. Dies
gilt auch dann, wenn einer der Gläubiger bereits Klage auf die Leistung erhoben
hat.
§. 429. Der Verzug eines Gesammtgläubigers wirkt
auch gegen die übrigen Gläubiger.
Vereinigen sich Forderung und Schuld in der Person
eines Gesammtgläubigers, so erlöschen die Rechte der übrigen Gläubiger gegen
den Schuldner.
Im Uebrigen finden die Vorschriften der §§. 422,
423, 425 entsprechende Anwendung. Insbesondere bleiben, wenn ein Gesammtgläubiger
seine Forderung auf einen Anderen überträgt, die Rechte der übrigen Gläubiger
unberührt.
§. 430. Die Gesammtgläubiger sind im Verhältnisse
zu einander zu gleichen Antheilen berechtigt, soweit nicht ein Anderes bestimmt
ist.
§. 431. Schulden Mehrere eine untheilbare Leistung,
so haften sie als Gesammtschuldner.
§. 432. Haben Mehrere eine untheilbare Leistung zu
fordern, so kann, sofern sie nicht Gesammtgläubiger sind, der Schuldner nur an
alle gemeinschaftlich leisten und jeder Gläubiger nur die Leistung an alle
fordern. Jeder Gläubiger kann verlangen, daß der Schuldner die geschuldete
Sache für alle Gläubiger hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung
eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert.
Im Uebrigen wirkt eine Thatsache, die nur in der
Person eines der Gläubiger eintritt, nicht für und gegen die übrigen Gläubiger.
Siebenter Abschnitt.
Einzelne Schuldverhältnisse.
Erster Titel.
Kauf. Tausch.
I. Allgemeine Vorschriften
§. 433. Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer
einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigenthum
an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer eines Rechtes ist verpflichtet, dem
Käufer das Recht zu verschaffen und, wenn das Recht zum Besitz einer Sache
berechtigt, die Sache zu übergeben.
Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den
vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.
§. 434. Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer
den verkauften Gegenstand frei von Rechten zu verschaffen, die von Dritten
gegen den Käufer geltend gemacht werden können.
§. 435. Der Verkäufer eines Grundstücks oder eines
Rechtes an einem Grundstück ist verpflichtet, im Grundbuch eingetragene Rechte,
die nicht bestehen, auf seine Kosten zur Löschung zu bringen, wenn sie im Falle
ihres Bestehens das dem Käufer zu verschaffende Recht beeinträchtigen würden.
Das Gleiche gilt bei dem Verkauf eines Schiffes
oder eines Rechtes an einem Schiffe für die im Schiffsregister eingetragenen
Rechte.
§. 436. Der Verkäufer eines Grundstücks haftet
nicht für die Freiheit des Grundstücks von öffentlichen Abgaben und von anderen
öffentlichen Lasten, die zur Eintragung in das Grundbuch nicht geeignet sind.
§. 437. Der Verkäufer einer Forderung oder eines
sonstigen Rechtes haftet für den rechtlichen Bestand der Forderung oder des
Rechtes.
Der Verkäufer eines Werthpapiers haftet auch dafür,
daß es nicht zum Zwecke der Kraftloserklärung aufgeboten ist.
§. 438. Uebernimmt der Verkäufer einer Forderung
die Haftung für die Zahlungsfähigkeit des Schuldners, so ist die Haftung im
Zweifel nur auf die Zahlungsfähigkeit zur Zeit der Abtretung zu beziehen.
§. 439. Der Verkäufer hat einen Mangel im Rechte
nicht zu vertreten, wenn der Käufer den Mangel bei dem Abschlusse des Kaufes
kennt.
Eine Hypothek, eine Grundschuld, eine Rentenschuld
oder ein Pfandrecht hat der Verkäufer zu beseitigen, auch wenn der Käufer die
Belastung kennt. Das Gleiche gilt von einer Vormerkung zur Sicherung des
Anspruchs auf Bestellung eines dieser Rechte.
§. 440. Erfüllt der Verkäufer die ihm nach den §§.
433 bis 437, 439 obliegenden Verpflichtungen nicht, so bestimmen sich die
Rechte des Käufers nach den Vorschriften der §§. 320 bis 327.
Ist eine bewegliche Sache verkauft und dem Käufer
zum Zwecke der Eigenthumsübertragung übergeben worden, so kann der Käufer wegen
des Rechtes eines Dritten, das zum Besitze der Sache berechtigt, Schadensersatz
wegen Nichterfüllung nur verlangen, wenn er die Sache dem Dritten mit Rücksicht
auf dessen Recht herausgegeben hat oder sie dem Verkäufer zurückgewährt oder
wenn die Sache untergegangen ist.
Der Herausgabe der Sache an den Dritten steht es
gleich, wenn der Dritte den Käufer oder dieser den Dritten beerbt oder wenn der
Käufer das Recht des Dritten anderweit erwirbt oder den Dritten abfindet.
Steht dem Käufer ein Anspruch auf Herausgabe gegen
einen Anderen zu, so genügt an Stelle der Rückgewähr die Abtretung des
Anspruchs.
§. 441. Die Vorschriften des §. 440 Abs. 2 bis 4
gelten auch dann, wenn ein Recht an einer beweglichen Sache verkauft ist, das
zum Besitze der Sache berechtigt.
§. 442. Bestreitet der Verkäufer den vom Käufer
geltend gemachten Mangel im Rechte, so hat der Käufer den Mangel zu beweisen.
§. 443. Eine Vereinbarung, durch welche die nach
den §§. 433 bis 437, 439 bis 442 wegen eines Mangels im Rechte dem Verkäufer
obliegende Verpflichtung zur Gewährleistung erlassen oder beschränkt wird, ist
nichtig, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschweigt.
§. 444. Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer
über die den verkauften Gegenstand betreffenden rechtlichen Verhältnisse,
insbesondere im Falle des Verkaufs eines Grundstücks über die Grenzen,
Gerechtsame und Lasten, die nöthige Auskunft zu ertheilen und ihm die zum
Beweise des Rechtes dienenden Urkunden, soweit sie sich in seinem Besitze
befinden, auszuliefern. Erstreckt sich der Inhalt einer solchen Urkunde auch
auf andere Angelegenheiten, so ist der Verkäufer nur zur Ertheilung eines
öffentlich beglaubigten Auszugs verpflichtet.
§. 445. Die Vorschriften der §§. 433 bis 444 finden
auf andere Verträge, die auf Veräußerung oder Belastung eines Gegenstandes
gegen Entgelt gerichtet sind, entsprechende Anwendung.
§. 446. Mit der Uebergabe der verkauften Sache geht
die Gefahr des zufälligen Unterganges und einer zufälligen Verschlechterung auf
den Käufer über. Von der Uebergabe an gebühren dem Käufer die Nutzungen und
trägt er die Lasten der Sache.
Wird der Käufer eines Grundstücks vor der Uebergabe
als Eigenthümer in das Grundbuch eingetragen, so treten diese Wirkungen mit der
Eintragung ein.
§. 447. Versendet der Verkäufer auf Verlangen des
Käufers die verkaufte Sache nach einem anderen Orte als dem Erfüllungsorte, so
geht die Gefahr auf den Käufer über, sobald der Verkäufer die Sache dem
Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung
bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat.
Hat der Käufer eine besondere Anweisung über die
Art der Versendung ertheilt und weicht der Verkäufer ohne dringenden Grund von
der Anweisung ab, so ist der Verkäufer dem Käufer für den daraus entstehenden
Schaden verantwortlich.
§. 448. Die Kosten der Uebergabe der verkauften
Sache, insbesondere die Kosten des Messens und Wägens, fallen dem Verkäufer,
die Kosten der Abnahme und der Versendung der Sache nach einem anderen Orte als
dem Erfüllungsorte fallen dem Käufer zur Last.
Ist ein Recht verkauft, so fallen die Kosten der
Begründung oder Uebertragung des Rechtes dem Verkäufer zur Last.
§. 449. Der Käufer eines Grundstücks hat die Kosten
der Auflassung und der Eintragung, der Käufer eines Rechtes an einem
Grundstücke hat die Kosten der zur Begründung oder Uebertragung des Rechtes
nöthigen Eintragung in das Grundbuch, mit Einschluß der Kosten der zu der
Eintragung erforderlichen Erklärungen, zu tragen. Dem Käufer fallen in beiden
Fällen auch die Kosten der Beurkundung des Kaufes zur Last.
§. 450. Ist vor der Uebergabe der verkauften Sache
die Gefahr auf den Käufer übergegangen und macht der Verkäufer vor der
Uebergabe Verwendungen auf die Sache, die nach dem Uebergange der Gefahr
nothwendig geworden sind, so kann er von dem Käufer Ersatz verlangen, wie wenn
der Käufer ihn mit der Verwaltung der Sache beauftragt hätte.
Die Verpflichtung des Käufers zum Ersatze sonstiger
Verwendungen bestimmt sich nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne
Auftrag.
§. 451. Ist ein Recht an einer Sache verkauft, das
zum Besitze der Sache berechtigt, so finden die Vorschriften der §§. 446 bis
450 entsprechende Anwendung.
§. 452. Der Käufer ist verpflichtet, den Kaufpreis
von dem Zeitpunkt an zu verzinsen, von welchem an die Nutzungen des gekauften
Gegenstandes ihm gebühren, sofern nicht der Kaufpreis gestundet ist.
§. 453. Ist als Kaufpreis der Marktpreis bestimmt,
so gilt im Zweifel der für den Erfüllungsort zur Erfüllungszeit maßgebende
Marktpreis als vereinbart.
§. 454. Hat der Verkäufer den Vertrag erfüllt und
den Kaufpreis gestundet, so steht ihm das im §. 325 Abs. 2 und im §. 326
bestimmte Rücktrittsrecht nicht zu.
§. 455. Hat sich der Verkäufer einer beweglichen
Sache das Eigenthum bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten, so ist im
Zweifel anzunehmen, daß die Uebertragung des Eigenthums unter der
aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises erfolgt und daß
der Verkäufer zum Rücktritte von dem Vertrage berechtigt ist, wenn der Käufer
mit der Zahlung in Verzug kommt.
§. 456. Bei einem Verkauf im Wege der
Zwangsvollstreckung dürfen der mit der Vornahme oder Leitung des Verkaufs
Beauftragte und die von ihm zugezogenen Gehülfen, mit Einschluß des
Protokollführers, den zum Verkaufe gestellten Gegenstand weder für sich
persönlich oder durch einen Anderen noch als Vertreter eines Anderen kaufen.
§. 457. Die Vorschrift des §. 456 gilt auch bei
einem Verkauf außerhalb der Zwangsvollstreckung, wenn der Auftrag zu dem
Verkauf auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift ertheilt worden ist, die den
Auftraggeber ermächtigt, den Gegenstand für Rechnung eines Anderen verkaufen zu
lassen, insbesondere in den Fällen des Pfandverkaufs und des in den §§. 383,
385 zugelassenen Verkaufs, sowie bei einem Verkaufe durch den Konkursverwalter.
§. 458. Die Wirksamkeit eines den Vorschriften der
§§. 456, 457 zuwider erfolgten Kaufes und der Uebertragung des gekauften
Gegenstandes hängt von der Zustimmung der bei dem Verkauf als Schuldner,
Eigenthümer oder Gläubiger Betheiligten ab. Fordert der Käufer einen
Betheiligten zur Erklärung über die Genehmigung auf, so finden die Vorschriften
des §. 177 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
Wird in Folge der Verweigerung der Genehmigung ein
neuer Verkauf vorgenommen, so hat der frühere Käufer für die Kosten des neuen
Verkaufs sowie für einen Mindererlös aufzukommen.
II. Gewährleistung wegen Mängel der Sache
§. 459. Der Verkäufer einer Sache haftet dem Käufer
dafür, daß sie zu der Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht,
nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Werth oder die Tauglichkeit zu dem
gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder
mindern. Eine unerhebliche Minderung des Werthes oder der Tauglichkeit kommt
nicht in Betracht.
Der Verkäufer haftet auch dafür, daß die Sache zur
Zeit des Ueberganges der Gefahr die zugesicherten Eigenschaften hat.
§. 460. Der Verkäufer hat einen Mangel der
verkauften Sache nicht zu vertreten, wenn der Käufer den Mangel bei dem
Abschlusse des Kaufes kennt. Ist dem Käufer ein Mangel der im §. 459 Abs. 1
bezeichneten Art in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, so haftet
der Verkäufer, sofern er nicht die Abwesenheit des Fehlers zugesichert hat,
nur, wenn er den Fehler arglistig verschwiegen hat.
§. 461. Der Verkäufer hat einen Mangel der
verkauften Sache nicht zu vertreten, wenn die Sache auf Grund eines Pfandrechts
in öffentlicher Versteigerung unter der Bezeichnung als Pfand verkauft wird.
§. 462. Wegen eines Mangels, den der Verkäufer nach
den Vorschriften der §§. 459, 460 zu vertreten hat, kann der Käufer
Rückgängigmachung des Kaufes (Wandelung) oder Herabsetzung des Kaufpreises
(Minderung) verlangen.
§. 463. Fehlt der verkauften Sache zur Zeit des
Kaufes eine zugesicherte Eigenschaft, so kann der Käufer statt der Wandelung
oder der Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Das Gleiche
gilt, wenn der Verkäufer einen Fehler arglistig verschwiegen hat.
§. 464. Nimmt der Käufer eine mangelhafte Sache an,
obschon er den Mangel kennt, so stehen ihm die in den §§. 462, 463 bestimmten
Ansprüche nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Annahme
vorbehält.
§. 465. Die Wandelung oder die Minderung ist
vollzogen, wenn sich der Verkäufer auf Verlangen des Käufers mit ihr
einverstanden erklärt.
§. 466. Behauptet der Käufer dem Verkäufer
gegenüber einen Mangel der Sache, so kann der Verkäufer ihn unter dem Erbieten
zur Wandelung und unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung
darüber auffordern, ob er Wandelung verlange. Die Wandelung kann in diesem
Falle nur bis zum Ablaufe der Frist verlangt werden.
§. 467. Auf die Wandelung finden die für das
vertragsmäßige Rücktrittsrecht geltenden Vorschriften der §§. 346 bis 348, 350
bis 354, 356 entsprechende Anwendung; im Falle des §. 352 ist jedoch die
Wandelung nicht ausgeschlossen, wenn der Mangel sich erst bei der Umgestaltung
der Sache gezeigt hat. Der Verkäufer hat dem Käufer auch die Vertragskosten zu
ersetzen.
§. 468. Sichert der Verkäufer eines Grundstücks dem
Käufer eine bestimmte Größe des Grundstücks zu, so haftet er für die Größe wie
für eine zugesicherte Eigenschaft. Der Käufer kann jedoch wegen Mangels der
zugesicherten Größe Wandelung nur verlangen, wenn der Mangel so erheblich ist,
daß die Erfüllung des Vertrags für den Käufer kein Interesse hat.
§. 469. Sind von mehreren verkauften Sachen nur
einzelne mangelhaft, so kann nur in Ansehung dieser Wandelung verlangt werden,
auch wenn ein Gesammtpreis für alle Sachen festgesetzt ist. Sind jedoch die
Sachen als zusammengehörend verkauft, so kann jeder Theil verlangen, daß die
Wandelung auf alle Sachen erstreckt wird, wenn die mangelhaften Sachen nicht
ohne Nachtheil für ihn von den übrigen getrennt werden können.
§. 470. Die Wandelung wegen eines Mangels der Hauptsache
erstreckt sich auch auf die Nebensache. Ist die Nebensache mangelhaft, so kann
nur in Ansehung dieser Wandelung verlangt werden.
§. 471. Findet im Falle des Verkaufs mehrerer
Sachen für einen Gesammtpreis die Wandelung nur in Ansehung einzelner Sachen
statt, so ist der Gesammtpreis in dem Verhältnisse herabzusetzen, in welchem
zur Zeit des Verkaufs der Gesammtwerth der Sachen in mangelfreiem Zustande zu
dem Werthe der von der Wandelung nicht betroffenen Sachen gestanden haben
würde.
§. 472. Bei der Minderung ist der Kaufpreis in dem
Verhältnisse herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Verkaufs der Werth der
Sache in mangelfreiem Zustande zu dem wirklichen Werthe gestanden haben würde.
Findet im Falle des Verkaufs mehrerer Sachen für
einen Gesammtpreis die Minderung nur wegen einzelner Sachen statt, so ist bei
der Herabsetzung des Preises der Gesammtwerth aller Sachen zu Grunde zu legen.
§. 473. Sind neben dem in Geld festgesetzten
Kaufpreise Leistungen bedungen, die nicht vertretbare Sachen zum Gegenstande
haben, so sind diese Leistungen in den Fällen der §§. 471, 472 nach dem Werthe
zur Zeit des Verkaufs in Geld zu veranschlagen. Die Herabsetzung der
Gegenleistung des Käufers erfolgt an dem in Geld festgesetzten Preise; ist
dieser geringer als der abzusetzende Betrag, so hat der Verkäufer den
überschießenden Betrag dem Käufer zu vergüten.
§. 474. Sind auf der einen oder der anderen Seite
Mehrere betheiligt, so kann von jedem und gegen jeden Minderung verlangt
werden.
Mit der Vollziehung der von einem der Käufer
verlangten Minderung ist die Wandelung ausgeschlossen.
§. 475. Durch die wegen eines Mangels erfolgte
Minderung wird das Recht des Käufers, wegen eines anderen Mangels Wandelung
oder von neuem Minderung zu verlangen, nicht ausgeschlossen.
§. 476. Eine Vereinbarung, durch welche die
Verpflichtung des Verkäufers zur Gewährleistung wegen Mängel der Sache erlassen
oder beschränkt wird, ist nichtig, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig
verschweigt.
§. 477. Der Anspruch auf Wandelung oder auf Minderung
sowie der Anspruch auf Schadensersatz wegen Mangels einer zugesicherten
Eigenschaft verjährt, sofern nicht der Verkäufer den Mangel arglistig
verschwiegen hat, bei beweglichen Sachen in sechs Monaten von der Ablieferung,
bei Grundstücken in einem Jahre von der Uebergabe an. Die Verjährungsfrist kann
durch Vertrag verlängert werden.
Beantragt der Käufer gerichtliche Beweisaufnahme
zur Sicherung des Beweises, so wird die Verjährung unterbrochen. Die
Unterbrechung dauert bis zur Beendigung des Verfahrens fort. Die Vorschriften
des §. 211 Abs. 2 und des §. 212 finden entsprechende Anwendung.
Die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung eines
der im Abs. 1 bezeichneten Ansprüche bewirkt auch die Hemmung oder
Unterbrechung der Verjährung der anderen Ansprüche.
§. 478. Hat der Käufer den Mangel dem Verkäufer
angezeigt oder die Anzeige an ihn abgesendet, bevor der Anspruch auf Wandelung
oder auf Minderung verjährt war, so kann er auch nach der Vollendung der
Verjährung die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund
der Wandelung oder der Minderung dazu berechtigt sein würde. Das Gleiche gilt,
wenn der Käufer vor der Vollendung der Verjährung gerichtliche Beweisaufnahme
zur Sicherung des Beweises beantragt oder in einem zwischen ihm und einem späteren
Erwerber der Sache wegen des Mangels anhängigen Rechtsstreite dem Verkäufer den
Streit verkündet hat.
Hat der Verkäufer den Mangel arglistig
verschwiegen, so bedarf es der Anzeige oder einer ihr nach Abs. 1
gleichstehenden Handlung nicht.
§. 479. Der Anspruch auf Schadensersatz kann nach
der Vollendung der Verjährung nur aufgerechnet werden, wenn der Käufer vorher
eine der im §. 478 bezeichneten Handlungen vorgenommen hat. Diese Beschränkung
tritt nicht ein, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat.
§. 480. Der Käufer einer nur der Gattung nach
bestimmten Sache kann statt der Wandelung oder der Minderung verlangen, daß ihm
an Stelle der mangelhaften Sache eine mangelfreie geliefert wird. Auf diesen
Anspruch finden die für die Wandelung geltenden Vorschriften der §§. 464 bis
466, des §. 467 Satz 1 und der §§. 469, 470, 474 bis 479 entsprechende
Anwendung.
Fehlt der Sache zu der Zeit, zu welcher die Gefahr
auf den Käufer übergeht, eine zugesicherte Eigenschaft oder hat der Verkäufer
einen Fehler arglistig verschwiegen, so kann der Käufer statt der Wandelung,
der Minderung oder der Lieferung einer mangelfreien Sache Schadensersatz wegen
Nichterfüllung verlangen.
§. 481. Für den Verkauf von Pferden, Eseln,
Mauleseln und Maulthieren, von Rindvieh, Schafen und Schweinen gelten die
Vorschriften der §§. 459 bis 467, 469 bis 480 nur insoweit, als sich nicht aus
den §§. 482 bis 492 ein Anderes ergiebt.
§. 482. Der Verkäufer hat nur bestimmte Fehler
(Hauptmängel) und diese nur dann zu vertreten, wenn sie sich innerhalb
bestimmter Fristen (Gewährfristen) zeigen.
Die Hauptmängel und die Gewährfristen werden durch
eine mit Zustimmung des Bundesraths zu erlassende Kaiserliche Verordnung
bestimmt. Die Bestimmung kann auf demselben Wege ergänzt und abgeändert werden.
§. 483. Die Gewährfrist beginnt mit dem Ablaufe des
Tages, an welchem die Gefahr auf den Käufer übergeht.
§. 484. Zeigt sich ein Hauptmangel innerhalb der
Gewährfrist, so wird vermuthet, daß der Mangel schon zu der Zeit vorhanden
gewesen sei, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergegangen ist.
§. 485. Der Käufer verliert die ihm wegen des
Mangels zustehenden Rechte, wenn er nicht spätestens zwei Tage nach dem Ablaufe
der Gewährfrist oder, falls das Thier vor dem Ablaufe der Frist getödtet worden
oder sonst verendet ist, nach dem Tode des Thieres den Mangel dem Verkäufer
anzeigt oder die Anzeige an ihn absendet oder wegen des Mangels Klage gegen den
Verkäufer erhebt oder diesem den Streit verkündet oder gerichtliche
Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises beantragt. Der Rechtsverlust tritt
nicht ein, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat.
§. 486. Die Gewährfrist kann durch Vertrag
verlängert oder abgekürzt werden. Die vereinbarte Frist tritt an die Stelle der
gesetzlichen Frist.
§. 487. Der Käufer kann nur Wandelung, nicht
Minderung verlangen.
Die Wandelung kann auch in den Fällen der §§. 351
bis 353, insbesondere wenn das Thier geschlachtet ist, verlangt werden; an
Stelle der Rückgewähr hat der Käufer den Werth des Thieres zu vergüten. Das
Gleiche gilt in anderen Fällen, in denen der Käufer in Folge eines Umstandes,
den er zu vertreten hat, insbesondere einer Verfügung über das Thier, außer
Stande ist, das Thier zurückzugewähren.
Ist vor der Vollziehung der Wandelung eine unwesentliche
Verschlechterung des Thieres in Folge eines von dem Käufer zu vertretenden
Umstandes eingetreten, so hat der Käufer die Werthminderung zu vergüten.
Nutzungen hat der Käufer nur insoweit zu ersetzen,
als er sie gezogen hat.
§. 488. Der Verkäufer hat im Falle der Wandelung
dem Käufer auch die Kosten der Fütterung und Pflege, die Kosten der
thierärztlichen Untersuchung und Behandlung sowie die Kosten der nothwendig
gewordenen Tödtung und Wegschaffung des Thieres zu ersetzen.
§. 489. Ist über den Anspruch auf Wandelung ein
Rechtsstreit anhängig, so ist auf Antrag der einen oder der anderen Partei die
öffentliche Versteigerung des Thieres und die Hinterlegung des Erlöses durch
einstweilige Verfügung anzuordnen, sobald die Besichtigung des Thieres nicht mehr
erforderlich ist.
§. 490. Der Anspruch auf Wandelung sowie der
Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Hauptmangels, dessen Nichtvorhandensein
der Verkäufer zugesichert hat, verjährt in sechs Wochen von dem Ende der
Gewährfrist an. Im Uebrigen bleiben die Vorschriften des §. 477 unberührt.
An die Stelle der in den §§. 210, 212, 215
bestimmten Fristen tritt eine Frist von sechs Wochen.
Der Käufer kann auch nach der Verjährung des
Anspruchs auf Wandelung die Zahlung des Kaufpreises verweigern. Die Aufrechnung
des Anspruchs auf Schadensersatz unterliegt nicht der im §. 479 bestimmten
Beschränkung.
§. 491. Der Käufer eines nur der Gattung nach
bestimmten Thieres kann statt der Wandelung verlangen, daß ihm an Stelle des
mangelhaften Thieres ein mangelfreies geliefert wird. Auf diesen Anspruch
finden die Vorschriften der §§. 488 bis 490 entsprechende Anwendung.
§. 492. Uebernimmt der Verkäufer die Gewährleistung
wegen eines nicht zu den Hauptmängeln gehörenden Fehlers oder sichert er eine
Eigenschaft des Thieres zu, so finden die Vorschriften der §§. 487 bis 491 und,
wenn eine Gewährfrist vereinbart wird, auch die Vorschriften der §§. 483 bis
485 entsprechende Anwendung. Die im §. 490 bestimmte Verjährung beginnt, wenn
eine Gewährfrist nicht vereinbart wird, mit der Ablieferung des Thieres.
§. 493. Die Vorschriften über die Verpflichtung des
Verkäufers zur Gewährleistung wegen Mängel der Sache finden auf andere
Verträge, die auf Veräußerung oder Belastung einer Sache gegen Entgelt
gerichtet sind, entsprechende Anwendung.
III. Besondere Arten des Kaufes
1. Kauf nach Probe. Kauf auf Probe.
§. 494. Bei einem Kaufe nach Probe oder nach Muster
sind die Eigenschaften der Probe oder des Musters als zugesichert anzusehen.
§. 495. Bei einem Kaufe auf Probe oder auf Besicht
steht die Billigung des gekauften Gegenstandes im Belieben des Käufers. Der
Kauf ist im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung der Billigung
geschlossen.
Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer die
Untersuchung des Gegenstandes zu gestatten.
§. 496. Die Billigung eines auf Probe oder auf
Besicht gekauften Gegenstandes kann nur innerhalb der vereinbarten Frist und in
Ermangelung einer solchen nur bis zum Ablauf einer dem Käufer von dem Verkäufer
bestimmten angemessenen Frist erklärt werden. War die Sache dem Käufer zum
Zwecke der Probe oder der Besichtigung übergeben, so gilt sein Schweigen als
Billigung.
2. Wiederkauf.
§. 497. Hat sich der Verkäufer in dem Kaufvertrage
das Recht des Wiederkaufs vorbehalten, so kommt der Wiederkauf mit der
Erklärung des Verkäufers gegenüber dem Käufer, daß er das Wiederkaufsrecht
ausübe, zu Stande. Die Erklärung bedarf nicht der für den Kaufvertrag
bestimmten Form. Der Preis, zu welchem verkauft worden ist, gilt im Zweifel
auch für den Wiederkauf.
§. 498. Der Wiederverkäufer ist verpflichtet, dem
Wiederkäufer den gekauften Gegenstand nebst Zubehör herauszugeben.
Hat der Wiederverkäufer vor der Ausübung des
Wiederkaufsrechts eine Verschlechterung, den Untergang oder eine aus einem
anderen Grunde eingetretene Unmöglichkeit der Herausgabe des gekauften
Gegenstandes verschuldet oder den Gegenstand wesentlich verändert, so ist er
für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich. Ist der Gegenstand ohne
Verschulden des Wiederverkäufers verschlechtert oder ist er nur unwesentlich
verändert, so kann der Wiederkäufer Minderung des Kaufpreises nicht verlangen.
§. 499. Hat der Wiederverkäufer vor der Ausübung
des Wiederkaufsrechts über den gekauften Gegenstand verfügt, so ist er
verpflichtet, die dadurch begründeten Rechte Dritter zu beseitigen. Einer
Verfügung des Wiederverkäufers steht eine Verfügung gleich, die im Wege der
Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Konkursverwalter
erfolgt.
§. 500. Der Wiederverkäufer kann für Verwendungen,
die er auf den gekauften Gegenstand vor dem Wiederkaufe gemacht hat, insoweit
Ersatz verlangen, als der Werth des Gegenstandes durch die Verwendungen erhöht
ist. Eine Einrichtung, mit der er die herauszugebende Sache versehen hat, kann
er wegnehmen.
§. 501. Ist als Wiederkaufpreis der Schätzungswerth
vereinbart, den der gekaufte Gegenstand zur Zeit des Wiederkaufs hat, so ist
der Wiederverkäufer für eine Verschlechterung, den Untergang oder die aus einem
anderen Grunde eingetretene Unmöglichkeit der Herausgabe des Gegenstandes nicht
verantwortlich, der Wiederkäufer zum Ersatze von Verwendungen nicht
verpflichtet.
§. 502. Steht das Wiederkaufsrecht Mehreren
gemeinschaftlich zu, so kann es nur im Ganzen ausgeübt werden. Ist es für einen
der Berechtigten erloschen oder übt einer von ihnen sein Recht nicht aus, so
sind die übrigen berechtigt, das Wiederkaufsrecht im Ganzen auszuüben.
§. 503. Das Wiederkaufsrecht kann bei Grundstücken
nur bis zum Ablaufe von dreißig, bei anderen Gegenständen nur bis zum Ablaufe
von drei Jahren nach der Vereinbarung des Vorbehalts ausgeübt werden. Ist für
die Ausübung eine Frist bestimmt, so tritt diese an die Stelle der gesetzlichen
Frist.
3. Vorkauf.
§. 504. Wer in Ansehung eines Gegenstandes zum
Vorkaufe berechtigt ist, kann das Vorkaufsrecht ausüben, sobald der
Verpflichtete mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Gegenstand
geschlossen hat.
§. 505. Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt
durch Erklärung gegenüber dem Verpflichteten. Die Erklärung bedarf nicht der
für den Kaufvertrag bestimmten Form.
Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt der Kauf
zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten unter den Bestimmungen zu
Stande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat.
§. 506. Eine Vereinbarung des Verpflichteten mit
dem Dritten, durch welche der Kauf von der Nichtausübung des Vorkaufsrechts
abhängig gemacht oder dem Verpflichteten für den Fall der Ausübung des
Vorkaufsrechts der Rücktritt vorbehalten wird, ist dem Vorkaufsberechtigten
gegenüber unwirksam.
§. 507. Hat sich der Dritte in dem Vertrage zu
einer Nebenleistung verpflichtet, die der Vorkaufsberechtigte zu bewirken außer
Stande ist, so hat der Vorkaufsberechtigte statt der Nebenleistung ihren Werth
zu entrichten. Läßt sich die Nebenleistung nicht in Geld schätzen, so ist die
Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen; die Vereinbarung der Nebenleistung
kommt jedoch nicht in Betracht, wenn der Vertrag mit dem Dritten auch ohne sie
geschlossen sein würde.
§. 508. Hat der Dritte den Gegenstand, auf den sich
das Vorkaufsrecht bezieht, mit anderen Gegenständen zu einem Gesammtpreise
gekauft, so hat der Vorkaufsberechtigte einen verhältnißmäßigen Theil des
Gesammtpreises zu entrichten. Der Verpflichtete kann verlangen, daß der Vorkauf
auf alle Sachen erstreckt wird, die nicht ohne Nachtheil für ihn getrennt
werden können.
§. 509. Ist dem Dritten in dem Vertrage der
Kaufpreis gestundet worden, so kann der Vorkaufsberechtigte die Stundung nur in
Anspruch nehmen, wenn er für den gestundeten Betrag Sicherheit leistet.
Ist ein Grundstück Gegenstand des Vorkaufs, so
bedarf es der Sicherheitsleistung insoweit nicht, als für den gestundeten
Kaufpreis die Bestellung einer Hypothek an dem Grundstücke vereinbart oder in
Anrechnung auf den Kaufpreis eine Schuld, für die eine Hypothek an dem
Grundstücke besteht, übernommen worden ist.
§. 510. Der Verpflichtete hat dem
Vorkaufsberechtigten den Inhalt des mit dem Dritten geschlossenen Vertrags
unverzüglich mitzutheilen. Die Mittheilung des Verpflichteten wird durch die
Mittheilung des Dritten ersetzt.
Das Vorkaufsrecht kann bei Grundstücken nur bis zum
Ablaufe von zwei Monaten, bei anderen Gegenständen nur bis zum Ablauf einer
Woche nach dem Empfange der Mittheilung ausgeübt werden. Ist für die Ausübung
eine Frist bestimmt, so tritt diese an die Stelle der gesetzlichen Frist.
§. 511. Das Vorkaufsrecht erstreckt sich im Zweifel
nicht auf einen Verkauf, der mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht an einen
gesetzlichen Erben erfolgt.
§. 512. Das Vorkaufsrecht ist ausgeschlossen, wenn
der Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch den Konkursverwalter
erfolgt.
§. 513. Steht das Vorkaufsrecht Mehreren
gemeinschaftlich zu, so kann es nur im Ganzen ausgeübt werden. Ist es für einen
der Berechtigten erloschen oder übt einer von ihnen sein Recht nicht aus, so
sind die übrigen berechtigt, das Vorkaufsrecht im Ganzen auszuüben.
§. 514. Das Vorkaufsrecht ist nicht übertragbar und
geht nicht auf die Erben des Berechtigten über, sofern nicht ein Anderes
bestimmt ist. Ist das Recht auf eine bestimmte Zeit beschränkt, so ist es im
Zweifel vererblich.
IV. Tausch
§. 515. Auf den Tausch finden die Vorschriften über
den Kauf entsprechende Anwendung.
Zweiter Titel.
Schenkung.
§. 516. Eine Zuwendung, durch die Jemand aus seinem
Vermögen einen Anderen bereichert, ist Schenkung, wenn beide Theile darüber
einig sind, daß die Zuwendung unentgeltlich erfolgt.
Ist die Zuwendung ohne den Willen des Anderen
erfolgt, so kann ihn der Zuwendende unter Bestimmung einer angemessenen Frist
zur Erklärung über die Annahme auffordern. Nach dem Ablaufe der Frist gilt die
Schenkung als angenommen, wenn nicht der Andere sie vorher abgelehnt hat. Im
Falle der Ablehnung kann die Herausgabe des Zugewendeten nach den Vorschriften
über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gefordert werden.
§. 517. Eine Schenkung liegt nicht vor, wenn Jemand
zum Vortheil eines Anderen einen Vermögenserwerb unterläßt oder auf ein
angefallenes, noch nicht endgültig erworbenes Recht verzichtet oder eine
Erbschaft oder ein Vermächtniß ausschlägt.
§. 518. Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den
eine Leistung schenkweise versprochen wird, ist die gerichtliche oder
notarielle Beurkundung des Versprechens erforderlich. Das Gleiche gilt, wenn
ein Schuldversprechen oder ein Schuldanerkenntniß der in den §§. 780, 781
bezeichneten Art schenkweise ertheilt wird, von dem Versprechen oder der
Anerkennungserklärung.
Der Mangel der Form wird durch die Bewirkung der
versprochenen Leistung geheilt.
§. 519. Der Schenker ist berechtigt, die Erfüllung
eines schenkweise ertheilten Versprechens zu verweigern, soweit er bei
Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, das
Versprechen zu erfüllen, ohne daß sein standesmäßiger Unterhalt oder die
Erfüllung der ihm kraft Gesetzes obliegenden Unterhaltspflichten gefährdet
wird.
Treffen die Ansprüche mehrerer Beschenkten
zusammen, so geht der früher entstandene Anspruch vor.
§. 520. Verspricht der Schenker eine in
wiederkehrenden Leistungen bestehende Unterstützung, so erlischt die
Verbindlichkeit mit seinem Tode, sofern nicht aus dem Versprechen sich ein
Anderes ergiebt.
§. 521. Der Schenker hat nur Vorsatz und grobe
Fahrlässigkeit zu vertreten.
§. 522. Zur Entrichtung von Verzugszinsen ist der
Schenker nicht verpflichtet.
§. 523. Verschweigt der Schenker arglistig einen
Mangel im Rechte, so ist er verpflichtet, dem Beschenkten den daraus
entstehenden Schaden zu ersetzen.
Hatte der Schenker die Leistung eines Gegenstandes
versprochen, den er erst erwerben sollte, so kann der Beschenkte wegen eines Mangels
im Rechte Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn der Mangel dem
Schenker bei dem Erwerbe der Sache bekannt gewesen oder in Folge grober
Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Die für die Gewährleistungspflicht des
Verkäufers geltenden Vorschriften des §. 433 Abs. 1, der §§. 434 bis 437, des
§. 440 Abs. 2 bis 4 und der §§. 441 bis 444 finden entsprechende Anwendung.
§. 524. Verschweigt der Schenker arglistig einen
Fehler der verschenkten Sache, so ist er verpflichtet, dem Beschenkten den
daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Hatte der Schenker die Leistung einer nur der
Gattung nach bestimmten Sache versprochen, die er erst erwerben sollte, so kann
der Beschenkte, wenn die geleistete Sache fehlerhaft und der Mangel dem
Schenker bei dem Erwerbe der Sache bekannt gewesen oder in Folge grober
Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist, verlangen, daß ihm an Stelle der
fehlerhaften Sache eine fehlerfreie geliefert wird. Hat der Schenker den Fehler
arglistig verschwiegen, so kann der Beschenkte statt der Lieferung einer
fehlerfreien Sache Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Auf diese
Ansprüche finden die für die Gewährleistung wegen Fehler einer verkauften Sache
geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.
§. 525. Wer eine Schenkung unter einer Auflage
macht, kann die Vollziehung der Auflage verlangen, wenn er seinerseits
geleistet hat.
Liegt die Vollziehung der Auflage im öffentlichen
Interesse, so kann nach dem Tode des Schenkers auch die zuständige Behörde die
Vollziehung verlangen.
§. 526. Soweit in Folge eines Mangels im Rechte
oder eines Mangels der verschenkten Sache der Werth der Zuwendung die Höhe der
zur Vollziehung der Auflage erforderlichen Aufwendungen nicht erreicht, ist der
Beschenkte berechtigt, die Vollziehung der Auflage zu verweigern, bis der durch
den Mangel entstandene Fehlbetrag ausgeglichen wird. Vollzieht der Beschenkte
die Auflage ohne Kenntniß des Mangels, so kann er von dem Schenker Ersatz der
durch die Vollziehung verursachten Aufwendungen insoweit verlangen, als sie in
Folge des Mangels den Werth der Zuwendung übersteigen.
§. 527. Unterbleibt die Vollziehung der Auflage, so
kann der Schenker die Herausgabe des Geschenkes unter den für das
Rücktrittsrecht bei gegenseitigen Verträgen bestimmten Voraussetzungen nach den
Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung insoweit
fordern, als das Geschenk zur Vollziehung der Auflage hätte verwendet werden
müssen.
Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn ein Dritter
berechtigt ist, die Vollziehung der Auflage zu verlangen.
§. 528. Soweit der Schenker nach der Vollziehung
der Schenkung außer Stande ist, seinen standesmäßigen Unterhalt zu bestreiten
und die ihm seinen Verwandten, seinem Ehegatten oder seinem früheren Ehegatten
gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu erfüllen, kann er von dem
Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die
Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Der Beschenkte kann
die Herausgabe durch Zahlung des für den Unterhalt erforderlichen Betrags
abwenden. Auf die Verpflichtung des Beschenkten finden die Vorschriften des §.
760 sowie die für die Unterhaltspflicht der Verwandten geltende Vorschrift des
§. 1613 und im Falle des Todes des Schenkers auch die Vorschriften des §. 1615
entsprechende Anwendung.
Unter mehreren Beschenkten haftet der früher
Beschenkte nur insoweit, als der später Beschenkte nicht verpflichtet ist.
§. 529. Der Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes
ist ausgeschlossen, wenn der Schenker seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder
durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat oder wenn zur Zeit des Eintritts
seiner Bedürftigkeit seit der Leistung des geschenkten Gegenstandes zehn Jahre
verstrichen sind.
Das Gleiche gilt, soweit der Beschenkte bei
Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, das
Geschenk herauszugeben, ohne daß sein standesmäßiger Unterhalt oder die
Erfüllung der ihm kraft Gesetzes obliegenden Unterhaltspflichten gefährdet
wird.
§. 530. Eine Schenkung kann widerrufen werden, wenn
sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen
nahen Angehörigen des Schenkers groben Undankes schuldig macht.
Dem Erben des Schenkers steht das Recht des
Widerrufs nur zu, wenn der Beschenkte vorsätzlich und widerrechtlich den
Schenker getödtet oder am Widerrufe gehindert hat.
§. 531. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung
gegenüber dem Beschenkten.
Ist die Schenkung widerrufen, so kann die
Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer
ungerechtfertigten Bereicherung gefordert werden.
§. 532. Der Widerruf ist ausgeschlossen, wenn der
Schenker dem Beschenkten verziehen hat oder wenn seit dem Zeitpunkt, in welchem
der Widerrufsberechtigte von dem Eintritte der Voraussetzungen seines Rechtes
Kenntniß erlangt hat, ein Jahr verstrichen ist. Nach dem Tode des Beschenkten
ist der Widerruf nicht mehr zulässig.
§. 533. Auf das Widerrufsrecht kann erst verzichtet
werden, wenn der Undank dem Widerrufsberechtigten bekannt geworden ist.
§. 534. Schenkungen, durch die einer sittlichen
Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird,
unterliegen nicht der Rückforderung und dem Widerrufe.
Dritter Titel.
Miethe. Pacht.
I. Miethe
§. 535. Durch den Miethvertrag wird der Vermiether
verpflichtet, dem Miether den Gebrauch der vermietheten Sache während der
Miethzeit zu gewähren. Der Miether ist verpflichtet, dem Vermiether den
vereinbarten Miethzins zu entrichten.
§. 536. Der Vermiether hat die vermiethete Sache
dem Miether in einem zu dem vertragsmäßigen Gebrauche geeigneten Zustande zu
überlassen und sie während der Miethzeit in diesem Zustande zu erhalten.
§. 537. Ist die vermiethete Sache zur Zeit der
Ueberlassung an den Miether mit einem Fehler behaftet, der ihre Tauglichkeit zu
dem vertragsmäßigen Gebrauch aufhebt oder mindert, oder entsteht im Laufe der
Miethe ein solcher Fehler, so ist der Miether für die Zeit, während deren die
Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung des Miethzinses befreit, für
die Zeit, während deren die Tauglichkeit gemindert ist, nur zur Entrichtung
eines nach den §§. 472, 473 zu bemessenden Theiles des Miethzinses
verpflichtet.
Das Gleiche gilt, wenn eine zugesicherte
Eigenschaft fehlt oder später wegfällt. Bei der Vermiethung eines Grundstücks
steht die Zusicherung einer bestimmten Größe der Zusicherung einer Eigenschaft
gleich.
§. 538. Ist ein Mangel der im §. 537 bezeichneten
Art bei dem Abschlusse des Vertrags vorhanden oder entsteht ein solcher Mangel
später in Folge eines Umstandes, den der Vermiether zu vertreten hat, oder
kommt der Vermiether mit der Beseitigung eines Mangels in Verzug, so kann der
Miether, statt die im §. 537 bestimmten Rechte geltend zu machen,
Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
Im Falle des Verzugs des Vermiethers kann der
Miether den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen
verlangen.
§. 539. Kennt der Miether bei dem Abschlusse des
Vertrags den Mangel der gemietheten Sache, so stehen ihm die in den §§. 537,
538 bestimmten Rechte nicht zu. Ist dem Miether ein Mangel der im §. 537 Abs. 1
bezeichneten Art in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben oder nimmt
er eine mangelhafte Sache an, obschon er den Mangel kennt, so kann er diese
Rechte nur unter den Voraussetzungen geltend machen, unter welchen dem Käufer
einer mangelhaften Sache nach den §§. 460, 464 Gewähr zu leisten ist.
§. 540. Eine Vereinbarung, durch welche die
Verpflichtung des Vermiethers zur Vertretung von Mängeln der vermietheten Sache
erlassen oder beschränkt wird, ist nichtig, wenn der Vermiether den Mangel
arglistig verschweigt.
§. 541. Wird durch das Recht eines Dritten dem
Miether der vertragsmäßige Gebrauch der gemietheten Sache ganz oder zum Theil
entzogen, so finden die Vorschriften der §§. 537, 538, des §. 539 Satz 1 und
des §. 540 entsprechende Anwendung.
§. 542. Wird dem Miether der vertragsmäßige
Gebrauch der gemietheten Sache ganz oder zum Theil nicht rechtzeitig gewährt
oder wiederentzogen, so kann der Miether ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist
das Miethverhältniß kündigen. Die Kündigung ist erst zulässig, wenn der
Vermiether eine ihm von dem Miether bestimmte angemessene Frist hat
verstreichen lassen, ohne Abhülfe zu schaffen. Der Bestimmung einer Frist
bedarf es nicht, wenn die Erfüllung des Vertrags in Folge des die Kündigung
rechtfertigenden Umstandes für den Miether kein Interesse hat.
Wegen einer unerheblichen Hinderung oder
Vorenthaltung des Gebrauchs ist die Kündigung nur zulässig, wenn sie durch ein
besonderes Interesse des Miethers gerechtfertigt wird.
Bestreitet der Vermiether die Zulässigkeit der
erfolgten Kündigung, weil er den Gebrauch der Sache rechtzeitig gewährt oder
vor dem Ablaufe der Frist die Abhülfe bewirkt habe, so trifft ihn die
Beweislast.
§. 543. Auf das dem Miether nach §. 542 zustehende
Kündigungsrecht finden die Vorschriften der §§. 539 bis 541 sowie die für die
Wandelung bei dem Kaufe geltenden Vorschriften der §§. 469 bis 471
entsprechende Anwendung.
Ist der Miethzins für eine spätere Zeit im voraus
entrichtet, so hat ihn der Vermiether nach Maßgabe des §. 347 oder, wenn die
Kündigung wegen eines Umstandes erfolgt, den er nicht zu vertreten hat, nach
den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung
zurückzuerstatten.
§. 544. Ist eine Wohnung oder ein anderer zum
Aufenthalte von Menschen bestimmter Raum so beschaffen, daß die Benutzung mit
einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist, so kann der Miether
das Miethverhältniß ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, auch wenn
er die gefahrbringende Beschaffenheit bei dem Abschlusse des Vertrags gekannt
oder auf die Geltendmachung der ihm wegen dieser Beschaffenheit zustehenden
Rechte verzichtet hat.
§. 545. Zeigt sich im Laufe der Miethe ein Mangel
der gemietheten Sache oder wird eine Vorkehrung zum Schutze der Sache gegen
eine nicht vorhergesehene Gefahr erforderlich, so hat der Miether dem
Vermiether unverzüglich Anzeige zu machen. Das Gleiche gilt, wenn sich ein
Dritter ein Recht an der Sache anmaßt.
Unterläßt der Miether die Anzeige, so ist er zum
Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet; er ist, soweit der
Vermiether in Folge der Unterlassung der Anzeige Abhülfe zu schaffen außer
Stande war, nicht berechtigt, die im §. 537 bestimmten Rechte geltend zu machen
oder nach §. 542 Abs. 1 Satz 3 ohne Bestimmung einer Frist zu kündigen oder
Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen.
§. 546. Die auf der vermietheten Sache ruhenden
Lasten hat der Vermiether zu tragen.
§. 547. Der Vermiether ist verpflichtet, dem
Miether die auf die Sache gemachten nothwendigen Verwendungen zu ersetzen. Der
Miether eines Thieres hat jedoch die Fütterungskosten zu tragen.
Die Verpflichtung des Vermiethers zum Ersatze
sonstiger Verwendungen bestimmt sich nach den Vorschriften über die
Geschäftsführung ohne Auftrag. Der Miether ist berechtigt, eine Einrichtung,
mit der er die Sache versehen hat, wegzunehmen.
§. 548. Veränderungen oder Verschlechterungen der
gemietheten Sache, die durch den vertragsmäßigen Gebrauch herbeigeführt werden,
hat der Miether nicht zu vertreten.
§. 549. Der Miether ist ohne die Erlaubniß des
Vermiethers nicht berechtigt, den Gebrauch der gemietheten Sache einem Dritten
zu überlassen, insbesondere die Sache weiter zu vermiethen. Verweigert der
Vermiether die Erlaubniß, so kann der Miether das Miethverhältniß unter
Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen, sofern nicht in der Person des
Dritten ein wichtiger Grund vorliegt.
Ueberläßt der Miether den Gebrauch einem Dritten,
so hat er ein dem Dritten bei dem Gebrauche zur Last fallendes Verschulden zu
vertreten, auch wenn der Vermiether die Erlaubniß zur Ueberlassung ertheilt
hat.
§. 550. Macht der Miether von der gemietheten Sache
einen vertragswidrigen Gebrauch und setzt er den Gebrauch ungeachtet einer
Abmahnung des Vermiethers fort, so kann der Vermiether auf Unterlassung klagen.
§. 551. Der Miethzins ist am Ende der Miethzeit zu
entrichten. Ist der Miethzins nach Zeitabschnitten bemessen, so ist er nach dem
Ablaufe der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten.
Der Miethzins für ein Grundstück ist, sofern er
nicht nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, nach dem Ablaufe je eines
Kalendervierteljahrs am ersten Werktage des folgenden Monats zu entrichten.
§. 552. Der Miether wird von der Entrichtung des
Miethzinses nicht dadurch befreit, daß er durch einen in seiner Person
liegenden Grund an der Ausübung des ihm zustehenden Gebrauchsrechts verhindert
wird. Der Vermiether muß sich jedoch den Werth der ersparten Aufwendungen sowie
derjenigen Vortheile anrechnen lassen, welche er aus einer anderweitigen
Verwerthung des Gebrauchs erlangt. Solange der Vermiether in Folge der
Ueberlassung des Gebrauchs an einen Dritten außer Stande ist, dem Miether den
Gebrauch zu gewähren, ist der Miether zur Entrichtung des Miethzinses nicht
verpflichtet.
§. 553. Der Vermiether kann ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist das Miethverhältniß kündigen, wenn der Miether oder derjenige,
welchem der Miether den Gebrauch der gemietheten Sache überlassen hat,
ungeachtet einer Abmahnung des Vermiethers einen vertragswidrigen Gebrauch der
Sache fortsetzt, der die Rechte des Vermiethers in erheblichem Maße verletzt,
insbesondere einem Dritten den ihm unbefugt überlassenen Gebrauch beläßt, oder
die Sache durch Vernachlässigung der dem Miether obliegenden Sorgfalt erheblich
gefährdet.
§. 554. Der Vermiether kann ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist das Miethverhältniß kündigen, wenn der Miether für zwei auf
einander folgende Termine mit der Entrichtung des Miethzinses oder eines
Theiles des Miethzinses im Verzug ist. Die Kündigung ist ausgeschlossen, wenn
der Miether den Vermiether befriedigt, bevor sie erfolgt.
Die Kündigung ist unwirksam, wenn sich der Miether
von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der
Kündigung die Aufrechnung erklärt.
§. 555. Macht der Vermiether von dem ihm nach den
§§. 553, 554 zustehenden Kündigungsrechte Gebrauch, so hat er den für eine
spätere Zeit im voraus entrichteten Miethzins nach Maßgabe des §. 347
zurückzuerstatten.
§. 556. Der Miether ist verpflichtet, die
gemiethete Sache nach der Beendigung des Miethverhältnisses zurückzugeben.
Dem Miether eines Grundstücks steht wegen seiner
Ansprüche gegen den Vermiether ein Zurückbehaltungsrecht nicht zu.
Hat der Miether den Gebrauch der Sache einem
Dritten überlassen, so kann der Vermiether die Sache nach der Beendigung des
Miethverhältnisses auch von dem Dritten zurückfordern.
§. 557. Giebt der Miether die gemiethete Sache nach
der Beendigung des Miethverhältnisses nicht zurück, so kann der Vermiether für
die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung den vereinbarten Miethzins
verlangen. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
§. 558. Die Ersatzansprüche des Vermiethers wegen
Veränderungen oder Verschlechterungen der vermietheten Sache sowie die
Ansprüche des Miethers auf Ersatz von Verwendungen oder auf Gestattung der
Wegnahme einer Einrichtung verjähren in sechs Monaten.
Die Verjährung der Ersatzansprüche des Vermiethers
beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem er die Sache zurückerhält, die Verjährung
der Ansprüche des Miethers beginnt mit der Beendigung des Miethverhältnisses.
Mit der Verjährung des Anspruchs des Vermiethers
auf Rückgabe der Sache verjähren auch die Ersatzansprüche des Vermiethers.
§. 559. Der Vermiether eines Grundstücks hat für
seine Forderungen aus dem Miethverhältniß ein Pfandrecht an den eingebrachten
Sachen des Miethers. Für künftige Entschädigungsforderungen und für den
Miethzins für eine spätere Zeit als das laufende und das folgende Miethjahr
kann das Pfandrecht nicht geltend gemacht werden. Es erstreckt sich nicht auf
die der Pfändung nicht unterworfenen Sachen.
§. 560. Das Pfandrecht des Vermiethers erlischt mit
der Entfernung der Sachen von dem Grundstück, es sei denn, daß die Entfernung
ohne Wissen oder unter Widerspruch des Vermiethers erfolgt. Der Vermiether kann
der Entfernung nicht widersprechen, wenn sie im regelmäßigen Betriebe des
Geschäfts des Miethers oder den gewöhnlichen Lebensverhältnissen entsprechend
erfolgt oder wenn die zurückbleibenden Sachen zur Sicherung des Vermiethers
offenbar ausreichen.
§. 561. Der Vermiether darf die Entfernung der
seinem Pfandrecht unterliegenden Sachen, soweit er ihr zu widersprechen
berechtigt ist, auch ohne Anrufen des Gerichts verhindern und, wenn der Miether
auszieht, die Sachen in seinen Besitz nehmen.
Sind die Sachen ohne Wissen oder unter Widerspruch
des Vermiethers entfernt worden, so kann er die Herausgabe zum Zwecke der
Zurückschaffung in das Grundstück und, wenn der Miether ausgezogen ist, die
Ueberlassung des Besitzes verlangen. Das Pfandrecht erlischt mit dem Ablauf
eines Monats, nachdem der Vermiether von der Entfernung der Sachen Kenntniß
erlangt hat, wenn nicht der Vermiether diesen Anspruch vorher gerichtlich
geltend gemacht hat.
§. 562. Der Miether kann die Geltendmachung des
Pfandrechts des Vermiethers durch Sicherheitsleistung abwenden; er kann jede
einzelne Sache dadurch von dem Pfandrechte befreien, daß er in Höhe ihres
Werthes Sicherheit leistet.
§. 563. Wird eine dem Pfandrechte des Vermiethers
unterliegende Sache für einen anderen Gläubiger gepfändet, so kann diesem
gegenüber das Pfandrecht nicht wegen des Miethzinses für eine frühere Zeit als
das letzte Jahr vor der Pfändung geltend gemacht werden.
§. 564. Das Miethverhältniß endigt mit dem Ablaufe der
Zeit, für die es eingegangen ist.
Ist die Miethzeit nicht bestimmt, so kann jeder
Theil das Miethverhältniß nach den Vorschriften des §. 565 kündigen.
§. 565. Bei Grundstücken ist die Kündigung nur für
den Schluß eines Kalendervierteljahrs zulässig; sie hat spätestens am dritten
Werktage des Vierteljahrs zu erfolgen. Ist der Miethzins nach Monaten bemessen,
so ist die Kündigung nur für den Schluß eines Kalendermonats zulässig; sie hat
spätestens am fünfzehnten des Monats zu erfolgen. Ist der Miethzins nach Wochen
bemessen, so ist die Kündigung nur für den Schluß einer Kalenderwoche zulässig;
sie hat spätestens am ersten Werktage der Woche zu erfolgen.
Bei beweglichen Sachen hat die Kündigung spätestens
am dritten Tage vor dem Tage zu erfolgen, an welchem das Miethverhältniß
endigen soll.
Ist der Miethzins für ein Grundstück oder für eine
bewegliche Sache nach Tagen bemessen, so ist die Kündigung an jedem Tage für
den folgenden Tag zulässig.
Die Vorschriften des Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 gelten
auch für die Fälle, in denen das Miethverhältniß unter Einhaltung der
gesetzlichen Frist vorzeitig gekündigt werden kann.
§. 566. Ein Miethvertrag über ein Grundstück, der
für längere Zeit als ein Jahr geschlossen wird, bedarf der schriftlichen Form.
Wird die Form nicht beobachtet, so gilt der Vertrag als für unbestimmte Zeit
geschlossen; die Kündigung ist jedoch nicht für eine frühere Zeit als für den
Schluß des ersten Jahres zulässig.
§. 567. Wird ein Miethvertrag für eine längere Zeit
als dreißig Jahre geschlossen, so kann nach dreißig Jahren jeder Theil das
Miethverhältniß unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Die Kündigung
ist unzulässig, wenn der Vertrag für die Lebenszeit des Vermiethers oder des
Miethers geschlossen ist.
§. 568. Wird nach dem Ablaufe der Miethzeit der
Gebrauch der Sache von dem Miether fortgesetzt, so gilt das Miethverhältniß als
auf unbestimmte Zeit verlängert, sofern nicht der Vermiether oder der Miether
seinen entgegenstehenden Willen binnen einer Frist von zwei Wochen dem anderen
Theile gegenüber erklärt. Die Frist beginnt für den Miether mit der Fortsetzung
des Gebrauchs, für den Vermiether mit dem Zeitpunkt, in welchem er von der
Fortsetzung Kenntniß erlangt.
§. 569. Stirbt der Miether, so ist sowohl der Erbe
als der Vermiether berechtigt, das Miethverhältniß unter Einhaltung der
gesetzlichen Frist zu kündigen. Die Kündigung kann nur für den ersten Termin
erfolgen, für den sie zulässig ist.
§. 570. Militärpersonen, Beamte, Geistliche und
Lehrer an öffentlichen Unterrichtsanstalten können im Falle der Versetzung nach
einem anderen Orte das Miethverhältniß in Ansehung der Räume, welche sie für
sich oder ihre Familie an dem bisherigen Garnison- oder Wohnorte gemiethet
haben, unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Die Kündigung kann nur
für den ersten Termin erfolgen, für den sie zulässig ist.
§. 571. Wird das vermiethete Grundstück nach der
Ueberlassung an den Miether von dem Vermiether an einen Dritten veräußert, so
tritt der Erwerber an Stelle des Vermiethers in die sich während der Dauer
seines Eigenthums aus dem Miethverhältniß ergebenden Rechte und Verpflichtungen
ein.
Erfüllt der Erwerber die Verpflichtungen nicht, so
haftet der Vermiether für den von dem Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein
Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Erlangt der Miether
von dem Uebergange des Eigenthums durch Mittheilung des Vermiethers Kenntniß,
so wird der Vermiether von der Haftung befreit, wenn nicht der Miether das
Miethverhältniß für den ersten Termin kündigt, für den die Kündigung zulässig
ist.
§. 572. Hat der Miether des veräußerten Grundstücks
dem Vermiether für die Erfüllung seiner Verpflichtungen Sicherheit geleistet,
so tritt der Erwerber in die dadurch begründeten Rechte ein. Zur Rückgewähr der
Sicherheit ist er nur verpflichtet, wenn sie ihm ausgehändigt wird oder wenn er
dem Vermiether gegenüber die Verpflichtung zur Rückgewähr übernimmt.
§. 573. Eine Verfügung, die der Vermiether vor dem
Uebergange des Eigenthums über den auf die Zeit der Berechtigung des Erwerbers
entfallenden Miethzins getroffen hat, ist insoweit wirksam, als sie sich auf
den Miethzins für das zur Zeit des Ueberganges des Eigenthums laufende
Kalendervierteljahr bezieht; erfolgt der Übergang des Eigentums innerhalb des
letzten halben Monats eines Kalendervierteljahrs, so ist die Verfügung auch
insoweit wirksam, als sie sich auf den Mietzins für das folgende
Kalendervierteljahr bezieht. Eine Verfügung über den Miethzins für eine spätere
Zeit muß der Erwerber gegen sich gelten lassen, wenn er sie zur Zeit des
Ueberganges des Eigenthums kennt.
§. 574. Ein Rechtsgeschäft, das zwischen dem
Miether und dem Vermiether in Ansehung der Miethzinsforderung vorgenommen wird,
insbesondere die Entrichtung des Miethzinses, ist dem Erwerber gegenüber
wirksam, soweit es sich nicht auf den Mietzins für eine spätere Zeit als das
Kalendervierteljahr bezieht, in welchem der Mieter von dem Übergange des
Eigentums Kenntnis erlangt; erlangt der Mieter die Kenntnis innerhalb des
letzten halben Monats eines Kalendervierteljahrs, so ist das Rechtsgeschäft
auch insoweit wirksam, als es sich auf den Mietzins für das folgende
Kalendervierteljahr bezieht. Ein Rechtsgeschäft, das nach dem Uebergange des
Eigenthums vorgenommen wird, ist jedoch unwirksam, wenn der Miether bei der
Vornahme des Rechtsgeschäfts von dem Uebergange des Eigenthums Kenntniß hat.
§. 575. Soweit die Entrichtung des Miethzinses an
den Vermiether nach §. 574 dem Erwerber gegenüber wirksam ist, kann der Miether
gegen die Miethzinsforderung des Erwerbers eine ihm gegen den Vermiether
zustehende Forderung aufrechnen. Die Aufrechnung ist ausgeschlossen, wenn der
Miether die Gegenforderung erworben hat, nachdem er von dem Uebergange des
Eigenthums Kenntniß erlangt hat, oder wenn die Gegenforderung erst nach der Erlangung
der Kenntniß und später als der Miethzins fällig geworden ist.
§. 576. Zeigt der Vermiether dem Miether an, daß er
das Eigenthum an dem vermietheten Grundstück auf einen Dritten übertragen habe,
so muß er in Ansehung der Miethzinsforderung die angezeigte Uebertragung dem
Miether gegenüber gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder
nicht wirksam ist.
Die Anzeige kann nur mit Zustimmung desjenigen
zurückgenommen werden, welcher als der neue Eigenthümer bezeichnet worden ist.
§. 577. Wird das vermiethete Grundstück nach der
Ueberlassung an den Miether von dem Vermiether mit dem Rechte eines Dritten
belastet, so finden die Vorschriften der §§. 571 bis 576 entsprechende
Anwendung, wenn durch die Ausübung des Rechtes dem Miether der vertragsmäßige
Gebrauch entzogen wird. Hat die Ausübung des Rechtes nur eine Beschränkung des
Miethers in dem vertragsmäßigen Gebrauche zur Folge, so ist der Dritte dem
Miether gegenüber verpflichtet, die Ausübung zu unterlassen, soweit sie den
vertragsmäßigen Gebrauch beeinträchtigen würde.
§. 578. Hat vor der Ueberlassung des vermietheten
Grundstücks an den Miether der Vermiether das Grundstück an einen Dritten
veräußert oder mit einem Rechte belastet, durch dessen Ausübung der
vertragsmäßige Gebrauch dem Miether entzogen oder beschränkt wird, so gilt das
Gleiche wie in den Fällen des §. 571 Abs. 1 und des §. 577, wenn der Erwerber
dem Vermiether gegenüber die Erfüllung der sich aus dem Miethverhältniß
ergebenden Verpflichtungen übernommen hat.
§. 579. Wird das vermiethete Grundstück von dem
Erwerber weiter veräußert oder belastet, so finden die Vorschriften des §. 571
Abs. 1 und der §§. 572 bis 578 entsprechende Anwendung. Erfüllt der neue
Erwerber die sich aus dem Miethverhältniß ergebenden Verpflichtungen nicht, so
haftet der Vermiether dem Miether nach §. 571 Abs. 2.
§. 580. Die Vorschriften über die Miethe von
Grundstücken gelten auch für die Miethe von Wohnräumen und anderen Räumen.
II. Pacht
§. 581. Durch den Pachtvertrag wird der Verpächter
verpflichtet, dem Pächter den Gebrauch des verpachteten Gegenstandes und den
Genuß der Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft
als Ertrag anzusehen sind, während der Pachtzeit zu gewähren. Der Pächter ist
verpflichtet, dem Verpächter den vereinbarten Pachtzins zu entrichten.
Auf die Pacht finden, soweit sich nicht aus den §§.
582 bis 597 ein Anderes ergiebt, die Vorschriften über die Miethe entsprechende
Anwendung.
§. 582. Der Pächter eines landwirthschaftlichen
Grundstücks hat die gewöhnlichen Ausbesserungen, insbesondere die der Wohn- und
Wirthschaftsgebäude, der Wege, Gräben und Einfriedigungen, auf seine Kosten zu
bewirken.
§. 583. Der Pächter eines landwirthschaftlichen
Grundstücks darf nicht ohne die Erlaubniß des Verpächters Aenderungen in der
wirthschaftlichen Bestimmung des Grundstücks vornehmen, die auf die Art der
Bewirthschaftung über die Pachtzeit hinaus von Einfluß sind.
§. 584. Ist bei der Pacht eines
landwirthschaftlichen Grundstücks der Pachtzins nach Jahren bemessen, so ist er
nach dem Ablaufe je eines Pachtjahrs am ersten Werktage des folgenden Jahres zu
entrichten.
§. 585. Das Pfandrecht des Verpächters eines
landwirthschaftlichen Grundstücks kann für den gesammten Pachtzins geltend
gemacht werden und unterliegt nicht der im §. 563 bestimmten Beschränkung. Es
erstreckt sich auf die Früchte des Grundstücks sowie auf die nach §. 715 Nr. 5
der Zivilprozeßordnung der Pfändung nicht unterworfenen Sachen.
§. 586. Wird ein Grundstück sammt Inventar
verpachtet, so liegt dem Pächter die Erhaltung der einzelnen Inventarstücke ob.
Der Verpächter ist verpflichtet, Inventarstücke,
die in Folge eines von dem Pächter nicht zu vertretenden Umstandes in Abgang
kommen, zu ergänzen. Der Pächter hat jedoch den gewöhnlichen Abgang der zu dem
Inventar gehörenden Thiere aus den Jungen insoweit zu ersetzen, als dies einer
ordnungsmäßigen Wirthschaft entspricht.
§. 587. Uebernimmt der Pächter eines Grundstücks
das Inventar zum Schätzungswerthe mit der Verpflichtung, es bei der Beendigung
der Pacht zum Schätzungswerthe zurückzugewähren, so gelten die Vorschriften der
§§. 588, 589.
§. 588. Der Pächter trägt die Gefahr des zufälligen
Unterganges und einer zufälligen Verschlechterung des Inventars. Er kann über
die einzelnen Stücke innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirthschaft
verfügen.
Der Pächter hat das Inventar nach den Regeln einer
ordnungsmäßigen Wirthschaft in dem Zustande zu erhalten, in welchem es ihm
übergeben wird. Die von ihm angeschafften Stücke werden mit der Einverleibung
in das Inventar Eigenthum des Verpächters.
§. 589. Der Pächter hat das bei der Beendigung der
Pacht vorhandene Inventar dem Verpächter zurückzugewähren.
Der Verpächter kann die Uebernahme derjenigen von
dem Pächter angeschafften Inventarstücke ablehnen, welche nach den Regeln einer
ordnungsmäßigen Wirthschaft für das Grundstück überflüssig oder zu werthvoll
sind; mit der Ablehnung geht das Eigenthum an den abgelehnten Stücken auf den
Pächter über.
Ist der Gesammtschätzungswerth der übernommenen
Stücke höher oder niedriger als der Gesammtschätzungswerth der
zurückzugewährenden Stücke, so hat im ersteren Falle der Pächter dem
Verpächter, im letzteren Falle der Verpächter dem Pächter den Mehrbetrag zu
ersetzen.
§. 590. Dem Pächter eines Grundstücks steht für die
Forderungen gegen den Verpächter, die sich auf das mitgepachtete Inventar
beziehen, ein Pfandrecht an den in seinen Besitz gelangten Inventarstücken zu.
Auf das Pfandrecht findet die Vorschrift des §. 562 Anwendung.
§. 591. Der Pächter eines landwirthschaftlichen Grundstücks
ist verpflichtet, das Grundstück nach der Beendigung der Pacht in dem Zustande
zurückzugewähren, der sich bei einer während der Pachtzeit bis zur Rückgewähr
fortgesetzten ordnungsmäßigen Bewirthschaftung ergiebt. Dies gilt insbesondere
auch für die Bestellung.
§. 592. Endigt die Pacht eines
landwirthschaftlichen Grundstücks im Laufe eines Pachtjahrs, so hat der
Verpächter die Kosten, die der Pächter auf die noch nicht getrennten, jedoch
nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft vor dem Ende des Pachtjahrs
zu trennenden Früchte verwendet hat, insoweit zu ersetzen, als sie einer
ordnungsmäßigen Wirthschaft entsprechen und den Werth dieser Früchte nicht
übersteigen.
§. 593. Der Pächter eines Landguts hat von den bei
der Beendigung der Pacht vorhandenen landwirthschaftlichen Erzeugnissen ohne
Rücksicht darauf, ob er bei dem Antritte der Pacht solche Erzeugnisse
übernommen hat, so viel zurückzulassen, als zur Fortführung der Wirthschaft bis
zu der Zeit erforderlich ist, zu welcher gleiche oder ähnliche Erzeugnisse
voraussichtlich gewonnen werden.
Soweit der Pächter landwirthschaftliche Erzeugnisse
in größerer Menge oder besserer Beschaffenheit zurückzulassen verpflichtet ist,
als er bei dem Antritte der Pacht übernommen hat, kann er von dem Verpächter
Ersatz des Werthes verlangen.
Den vorhandenen auf dem Gute gewonnenen Dünger hat
der Pächter zurückzulassen, ohne daß er Ersatz des Werthes verlangen kann.
§. 594. Uebernimmt der Pächter eines Landguts das
Gut auf Grund einer Schätzung des wirthschaftlichen Zustandes mit der
Bestimmung, daß nach der Beendigung der Pacht die Rückgewähr gleichfalls auf
Grund einer solchen Schätzung zu erfolgen hat, so finden auf die Rückgewähr des
Gutes die Vorschriften des §. 589 Abs. 2, 3 entsprechende Anwendung.
Das Gleiche gilt, wenn der Pächter Vorräthe auf
Grund einer Schätzung mit einer solchen Bestimmung übernimmt, für die
Rückgewähr der Vorräthe, die er zurückzulassen verpflichtet ist.
§. 595. Ist bei der Pacht eines Grundstücks oder
eines Rechtes die Pachtzeit nicht bestimmt, so ist die Kündigung nur für den
Schluß eines Pachtjahrs zulässig; sie hat spätestens am ersten Werktage des
halben Jahres zu erfolgen, mit dessen Ablaufe die Pacht endigen soll.
Diese Vorschriften gelten bei der Pacht eines
Grundstücks oder eines Rechtes auch für die Fälle, in denen das Pachtverhältniß
unter Einhaltung der gesetzlichen Frist vorzeitig gekündigt werden kann.
§. 596. Dem Pächter steht das im §. 549 Abs. 1
bestimmte Kündigungsrecht nicht zu. Der Verpächter ist nicht berechtigt, das
Pachtverhältniß nach §. 569 zu kündigen. Eine Kündigung des Pachtverhältnisses
nach §. 570 findet nicht statt.
§. 597. Giebt der Pächter den gepachteten
Gegenstand nach der Beendigung der Pacht nicht zurück, so kann der Verpächter
für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung den vereinbarten Pachtzins
nach dem Verhältnisse verlangen, in welchem die Nutzungen, die der Pächter
während dieser Zeit gezogen hat oder hätte ziehen können, zu den Nutzungen des
ganzen Pachtjahrs stehen. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht
ausgeschlossen.
Vierter Titel.
Leihe.
§. 598. Durch den Leihvertrag wird der Verleiher
einer Sache verpflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu
gestatten.
§. 599. Der Verleiher hat nur Vorsatz und grobe
Fahrlässigkeit zu vertreten.
§. 600. Verschweigt der Verleiher arglistig einen
Mangel im Rechte oder einen Fehler der verliehenen Sache, so ist er
verpflichtet, dem Entleiher den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
§. 601. Der Entleiher hat die gewöhnlichen Kosten
der Erhaltung der geliehenen Sache, bei der Leihe eines Thieres insbesondere
die Fütterungskosten, zu tragen.
Die Verpflichtung des Verleihers zum Ersatz anderer
Verwendungen bestimmt sich nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne
Auftrag. Der Entleiher ist berechtigt, eine Einrichtung, mit der er die Sache
versehen hat, wegzunehmen.
§. 602. Veränderungen oder Verschlechterungen der
geliehenen Sache, die durch den vertragsmäßigen Gebrauch herbeigeführt werden,
hat der Entleiher nicht zu vertreten.
§. 603. Der Entleiher darf von der geliehenen Sache
keinen anderen als den vertragsmäßigen Gebrauch machen. Er ist ohne die
Erlaubniß des Verleihers nicht berechtigt, den Gebrauch der Sache einem Dritten
zu überlassen.
§. 604. Der Entleiher ist verpflichtet, die
geliehene Sache nach dem Ablaufe der für die Leihe bestimmten Zeit
zurückzugeben.
Ist eine Zeit nicht bestimmt, so ist die Sache
zurückzugeben, nachdem der Entleiher den sich aus dem Zwecke der Leihe
ergebenden Gebrauch gemacht hat. Der Verleiher kann die Sache schon vorher
zurückfordern, wenn so viel Zeit verstrichen ist, daß der Entleiher den
Gebrauch hätte machen können.
Ist die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem
Zwecke zu entnehmen, so kann der Verleiher die Sache jederzeit zurückfordern.
Ueberläßt der Entleiher den Gebrauch der Sache
einem Dritten, so kann der Verleiher sie nach der Beendigung der Leihe auch von
dem Dritten zurückfordern.
§. 605. Der Verleiher kann die Leihe kündigen:
1. wenn er in Folge eines
nicht vorhergesehenen Umstandes der verliehenen Sache bedarf;
2. wenn der Entleiher einen
vertragswidrigen Gebrauch von der Sache macht, insbesondere unbefugt den
Gebrauch einem Dritten überläßt, oder die Sache durch Vernachlässigung der ihm
obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet;
3. wenn der Entleiher
stirbt.
§. 606. Die Ersatzansprüche des Verleihers wegen
Veränderungen oder Verschlechterungen der verliehenen Sache sowie die Ansprüche
des Entleihers auf Ersatz von Verwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme
einer Einrichtung verjähren in sechs Monaten. Die Vorschriften des §. 558 Abs.
2, 3 finden entsprechende Anwendung.
Fünfter Titel.
Darlehen.
§. 607. Wer Geld oder andere vertretbare Sachen als
Darlehen empfangen hat, ist verpflichtet, dem Darleiher das Empfangene in
Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzuerstatten.
Wer Geld oder andere vertretbare Sachen aus einem
anderen Grunde schuldet, kann mit dem Gläubiger vereinbaren, daß das Geld oder
die Sachen als Darlehen geschuldet werden sollen.
§. 608. Sind für ein Darlehen Zinsen bedungen, so
sind sie, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist, nach dem Ablaufe je eines
Jahres und, wenn das Darlehen vor dem Ablauf eines Jahres zurückzuerstatten
ist, bei der Rückerstattung zu entrichten.
§. 609. Ist für die Rückerstattung eines Darlehens
eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, daß der Gläubiger
oder der Schuldner kündigt.
Die Kündigungsfrist beträgt bei Darlehen von mehr
als dreihundert Mark drei Monate, bei Darlehen von geringerem Betrag einen
Monat.
Sind Zinsen nicht bedungen, so ist der Schuldner
auch ohne Kündigung zur Rückerstattung berechtigt.
§. 610. Wer die Hingabe eines Darlehens verspricht,
kann im Zweifel das Versprechen widerrufen, wenn in den Vermögensverhältnissen
des anderen Theiles eine wesentliche Verschlechterung eintritt, durch die der
Anspruch auf die Rückerstattung gefährdet wird.
Sechster Titel.
Dienstvertrag.
§. 611. Durch den Dienstvertrag wird derjenige,
welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere
Theil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder
Art sein.
§. 612. Eine Vergütung gilt als stillschweigend
vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung
zu erwarten ist.
Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist
bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe
die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
§. 613. Der zur Dienstleistung Verpflichtete hat
die Dienste im Zweifel in Person zu leisten. Der Anspruch auf die Dienste ist
im Zweifel nicht übertragbar.
§. 614. Die Vergütung ist nach der Leistung der
Dienste zu entrichten. Ist die Vergütung nach Zeitabschnitten bemessen, so ist
sie nach dem Ablaufe der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten.
§. 615. Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme
der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die in Folge des Verzugs
nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur
Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muß sich jedoch den Werth desjenigen
anrechnen lassen, was er in Folge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart
oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben
böswillig unterläßt.
§. 616. Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird
des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, daß er für eine
verhältnißmäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden
Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muß sich
jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung
aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder
Unfallversicherung zukommt.
§. 617. Ist bei einem dauernden Dienstverhältnisse,
welches die Erwerbsthätigkeit des Verpflichteten vollständig oder hauptsächlich
in Anspruch nimmt, der Verpflichtete in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen,
so hat der Dienstberechtigte ihm im Falle der Erkrankung die erforderliche
Verpflegung und ärztliche Behandlung bis zur Dauer von sechs Wochen, jedoch
nicht über die Beendigung des Dienstverhältnisses hinaus, zu gewähren, sofern
nicht die Erkrankung von dem Verpflichteten vorsätzlich oder durch grobe
Fahrlässigkeit herbeigeführt worden ist. Die Verpflegung und ärztliche Behandlung
kann durch Aufnahme des Verpflichteten in eine Krankenanstalt gewährt werden.
Die Kosten können auf die für die Zeit der Erkrankung geschuldete Vergütung
angerechnet werden. Wird das Dienstverhältniß wegen der Erkrankung von dem
Dienstberechtigten nach §. 626 gekündigt, so bleibt die dadurch herbeigeführte
Beendigung des Dienstverhältnisses außer Betracht.
Die Verpflichtung des Dienstberechtigten tritt
nicht ein, wenn für die Verpflegung und ärztliche Behandlung durch eine
Versicherung oder durch eine Einrichtung der öffentlichen Krankenpflege
Vorsorge getroffen ist.
§. 618. Der Dienstberechtigte hat Räume,
Vorrichtungen oder Geräthschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu
beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die
unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, daß
der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist,
als die Natur der Dienstleistung es gestattet.
Ist der Verpflichtete in die häusliche Gemeinschaft
aufgenommen, so hat der Dienstberechtigte in Ansehung des Wohn- und
Schlafraums, der Verpflegung sowie der Arbeits- und Erholungszeit diejenigen
Einrichtungen und Anordnungen zu treffen, welche mit Rücksicht auf die
Gesundheit, die Sittlichkeit und die Religion des Verpflichteten erforderlich
sind.
Erfüllt der Dienstberechtigte die ihm in Ansehung
des Lebens und der Gesundheit des Verpflichteten obliegenden Verpflichtungen
nicht, so finden auf seine Verpflichtung zum Schadensersatze die für unerlaubte
Handlungen geltenden Vorschriften der §§. 842 bis 846 entsprechende Anwendung.
§. 619. Die dem Dienstberechtigten nach den §§.
617, 618 obliegenden Verpflichtungen können nicht im voraus durch Vertrag
aufgehoben oder beschränkt werden.
§. 620. Das Dienstverhältniß endigt mit dem Ablaufe
der Zeit, für die es eingegangen ist.
Ist die Dauer des Dienstverhältnisses weder
bestimmt noch aus der Beschaffenheit oder dem Zwecke der Dienste zu entnehmen,
so kann jeder Theil das Dienstverhältniß nach Maßgabe der §§. 621 bis 623
kündigen.
§. 621. Ist die Vergütung nach Tagen bemessen, so
ist die Kündigung an jedem Tage für den folgenden Tag zulässig.
Ist die Vergütung nach Wochen bemessen, so ist die
Kündigung nur für den Schluß einer Kalenderwoche zulässig; sie hat spätestens
am ersten Werktage der Woche zu erfolgen.
Ist die Vergütung nach Monaten bemessen, so ist die
Kündigung nur für den Schluß eines Kalendermonats zulässig; sie hat spätestens
am fünfzehnten des Monats zu erfolgen.
Ist die Vergütung nach Vierteljahren oder längeren
Zeitabschnitten bemessen, so ist die Kündigung nur für den Schluß eines
Kalendervierteljahrs und nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs
Wochen zulässig.
§. 622. Das Dienstverhältniß der mit festen Bezügen
zur Leistung von Diensten höherer Art Angestellten, deren Erwerbsthätigkeit
durch das Dienstverhältniß vollständig oder hauptsächlich in Anspruch genommen
wird, insbesondere der Lehrer, Erzieher, Privatbeamten, Gesellschafterinnen,
kann nur für den Schluß eines Kalendervierteljahrs und nur unter Einhaltung
einer Kündigungsfrist von sechs Wochen gekündigt werden, auch wenn die
Vergütung nach kürzeren Zeitabschnitten als Vierteljahren bemessen ist.
§. 623. Ist die Vergütung nicht nach
Zeitabschnitten bemessen, so kann das Dienstverhältniß jederzeit gekündigt
werden; bei einem die Erwerbsthätigkeit des Verpflichteten vollständig oder
hauptsächlich in Anspruch nehmenden Dienstverhältniß ist jedoch eine
Kündigungsfrist von zwei Wochen einzuhalten.
§. 624. Ist das Dienstverhältniß für die Lebenszeit
einer Person oder für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen, so kann es von
dem Verpflichteten nach dem Ablaufe von fünf Jahren gekündigt werden. Die
Kündigungsfrist beträgt sechs Monate.
§. 625. Wird das Dienstverhältniß nach dem Ablaufe
der Dienstzeit von dem Verpflichteten mit Wissen des anderen Theiles
fortgesetzt, so gilt es als auf unbestimmte Zeit verlängert, sofern nicht der
andere Theil unverzüglich widerspricht.
§. 626. Das Dienstverhältniß kann von jedem Theile
ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn ein wichtiger
Grund vorliegt.
§. 627. Hat der zur Dienstleistung Verpflichtete,
ohne in einem dauernden Dienstverhältnisse mit festen Bezügen zu stehen,
Dienste höherer Art zu leisten, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen
zu werden pflegen, so ist die Kündigung auch ohne die im §. 626 bezeichnete
Voraussetzung zulässig.
Der Verpflichtete darf nur in der Art kündigen, daß
sich der Dienstberechtigte die Dienste anderweit beschaffen kann, es sei denn,
daß ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt er ohne
solchen Grund zur Unzeit, so hat er dem Dienstberechtigten den daraus
entstehenden Schaden zu ersetzen.
§. 628. Wird nach dem Beginne der Dienstleistung
das Dienstverhältniß auf Grund des §. 626 oder des §. 627 gekündigt, so kann
der Verpflichtete einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Theil der
Vergütung verlangen. Kündigt er, ohne durch vertragswidriges Verhalten des
anderen Theiles dazu veranlaßt zu sein, oder veranlaßt er durch sein
vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Theiles, so steht ihm ein
Anspruch auf die Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen
in Folge der Kündigung für den anderen Theil kein Interesse haben. Ist die
Vergütung für eine spätere Zeit im voraus entrichtet, so hat der Verpflichtete
sie nach Maßgabe des §. 347 oder, wenn die Kündigung wegen eines Umstandes
erfolgt, den er nicht zu vertreten hat, nach den Vorschriften über die
Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuerstatten.
Wird die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten
des anderen Theiles veranlaßt, so ist dieser zum Ersatze des durch die
Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet.
§. 629. Nach der Kündigung eines dauernden
Dienstverhältnisses hat der Dienstberechtigte dem Verpflichteten auf Verlangen
angemessene Zeit zum Aufsuchen eines anderen Dienstverhältnisses zu gewähren.
§. 630. Bei der Beendigung eines dauernden
Dienstverhältnisses kann der Verpflichtete von dem anderen Theile ein
schriftliches Zeugniß über das Dienstverhältniß und dessen Dauer fordern. Das
Zeugniß ist auf Verlangen auf die Leistungen und die Führung im Dienste zu
erstrecken.
Siebenter Titel.
Werkvertrag.
§. 631. Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer
zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der
vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die
Herstellung oder Veränderung einer Sache als ein anderer durch Arbeit oder
Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.
§. 632. Eine Vergütung gilt als stillschweigend
vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine
Vergütung zu erwarten ist.
Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist
bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe
die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
§. 633. Der Unternehmer ist verpflichtet, das Werk
so herzustellen, daß es die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit
Fehlern behaftet ist, die den Werth oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen
oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern.
Ist das Werk nicht von dieser Beschaffenheit, so
kann der Besteller die Beseitigung des Mangels verlangen. Der Unternehmer ist
berechtigt, die Beseitigung zu verweigern, wenn sie einen unverhältnißmäßigen
Aufwand erfordert.
Ist der Unternehmer mit der Beseitigung des Mangels
im Verzuge, so kann der Besteller den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der
erforderlichen Aufwendungen verlangen.
§. 634. Zur Beseitigung eines Mangels der im §. 633
bezeichneten Art kann der Besteller dem Unternehmer eine angemessene Frist mit
der Erklärung bestimmen, daß er die Beseitigung des Mangels nach dem Ablaufe
der Frist ablehne. Zeigt sich schon vor der Ablieferung des Werkes ein Mangel,
so kann der Besteller die Frist sofort bestimmen; die Frist muß so bemessen
werden, daß sie nicht vor der für die Ablieferung bestimmten Frist abläuft.
Nach dem Ablaufe der Frist kann der Besteller Rückgängigmachung des Vertrags
(Wandelung) oder Herabsetzung der Vergütung (Minderung) verlangen, wenn nicht
der Mangel rechtzeitig beseitigt worden ist; der Anspruch auf Beseitigung des
Mangels ist ausgeschlossen.
Der Bestimmung einer Frist bedarf es nicht, wenn
die Beseitigung des Mangels unmöglich ist oder von dem Unternehmer verweigert
wird oder wenn die sofortige Geltendmachung des Anspruchs auf Wandelung oder
auf Minderung durch ein besonderes Interesse des Bestellers gerechtfertigt
wird.
Die Wandelung ist ausgeschlossen, wenn der Mangel
den Werth oder die Tauglichkeit des Werkes nur unerheblich mindert.
Auf die Wandelung und die Minderung finden die für
den Kauf geltenden Vorschriften der §§. 465 bis 467, 469 bis 475 entsprechende
Anwendung.
§. 635. Beruht der Mangel des Werkes auf einem
Umstande, den der Unternehmer zu vertreten hat, so kann der Besteller statt der
Wandelung oder der Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
§. 636. Wird das Werk ganz oder zum Theil nicht
rechtzeitig hergestellt, so finden die für die Wandelung geltenden Vorschriften
des §. 634 Abs. 1 bis 3 entsprechende Anwendung; an die Stelle des Anspruchs
auf Wandelung tritt das Recht des Bestellers, nach §. 327 von dem Vertrage
zurückzutreten. Die im Falle des Verzugs des Unternehmers dem Besteller
zustehenden Rechte bleiben unberührt.
Bestreitet der Unternehmer die Zulässigkeit des
erklärten Rücktritts, weil er das Werk rechtzeitig hergestellt habe, so trifft
ihn die Beweislast.
§. 637. Eine Vereinbarung, durch welche die
Verpflichtung des Unternehmers, einen Mangel des Werkes zu vertreten, erlassen
oder beschränkt wird, ist nichtig, wenn der Unternehmer den Mangel arglistig
verschweigt.
§. 638. Der Anspruch des Bestellers auf Beseitigung
eines Mangels des Werkes sowie die wegen des Mangels dem Besteller zustehenden
Ansprüche auf Wandelung, Minderung oder Schadensersatz verjähren, sofern nicht
der Unternehmer den Mangel arglistig verschwiegen hat, in sechs Monaten, bei
Arbeiten an einem Grundstück in einem Jahre, bei Bauwerken in fünf Jahren. Die
Verjährung beginnt mit der Abnahme des Werkes.
Die Verjährungsfrist kann durch Vertrag verlängert
werden.
§. 639. Auf die Verjährung der im §. 638
bezeichneten Ansprüche des Bestellers finden die für die Verjährung der
Ansprüche des Käufers geltenden Vorschriften des §. 477 Abs. 2, 3 und der §§.
478, 479 entsprechende Anwendung.
Unterzieht sich der Unternehmer im Einverständnisse
mit dem Besteller der Prüfung des Vorhandenseins des Mangels oder der
Beseitigung des Mangels, so ist die Verjährung so lange gehemmt, bis der
Unternehmer das Ergebniß der Prüfung dem Besteller mittheilt oder ihm gegenüber
den Mangel für beseitigt erklärt oder die Fortsetzung der Beseitigung
verweigert.
§. 640. Der Besteller ist verpflichtet, das
vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der
Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist.
Nimmt der Besteller ein mangelhaftes Werk ab,
obschon er den Mangel kennt, so stehen ihm die in den §§. 633, 634 bestimmten
Ansprüche nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme
vorbehält.
§. 641. Die Vergütung ist bei der Abnahme des
Werkes zu entrichten. Ist das Werk in Theilen abzunehmen und die Vergütung für
die einzelnen Theile bestimmt, so ist die Vergütung für jeden Theil bei dessen
Abnahme zu entrichten.
Eine in Geld festgesetzte Vergütung hat der
Besteller von der Abnahme des Werkes an zu verzinsen, sofern nicht die
Vergütung gestundet ist.
§. 642. Ist bei der Herstellung des Werkes eine
Handlung des Bestellers erforderlich, so kann der Unternehmer, wenn der
Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt, eine
angemessene Entschädigung verlangen.
Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich einerseits
nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung,
andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer in Folge des Verzugs an
Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft
erwerben kann.
§. 643. Der Unternehmer ist im Falle des §. 642
berechtigt, dem Besteller zur Nachholung der Handlung eine angemessene Frist
mit der Erklärung zu bestimmen, daß er den Vertrag kündige, wenn die Handlung
nicht bis zum Ablaufe der Frist vorgenommen werde. Der Vertrag gilt als
aufgehoben, wenn nicht die Nachholung bis zum Ablaufe der Frist erfolgt.
§. 644. Der Unternehmer trägt die Gefahr bis zur
Abnahme des Werkes. Kommt der Besteller in Verzug der Annahme, so geht die
Gefahr auf ihn über. Für den zufälligen Untergang und eine zufällige
Verschlechterung des von dem Besteller gelieferten Stoffes ist der Unternehmer
nicht verantwortlich.
Versendet der Unternehmer das Werk auf Verlangen
des Bestellers nach einem anderen Orte als dem Erfüllungsorte, so finden die
für den Kauf geltenden Vorschriften des §. 447 entsprechende Anwendung.
§. 645. Ist das Werk vor der Abnahme in Folge eines
Mangels des von dem Besteller gelieferten Stoffes oder in Folge einer von dem
Besteller für die Ausführung ertheilten Anweisung untergegangen, verschlechtert
oder unausführbar geworden, ohne daß ein Umstand mitgewirkt hat, den der
Unternehmer zu vertreten hat, so kann der Unternehmer einen der geleisteten
Arbeit entsprechenden Theil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht
inbegriffenen Auslagen verlangen. Das Gleiche gilt, wenn der Vertrag in Gemäßheit
des §. 643 aufgehoben wird.
Eine weitergehende Haftung des Bestellers wegen
Verschuldens bleibt unberührt.
§. 646. Ist nach der Beschaffenheit des Werkes die
Abnahme ausgeschlossen, so tritt in den Fällen der §§. 638, 641, 644, 645 an
die Stelle der Abnahme die Vollendung des Werkes.
§. 647. Der Unternehmer hat für seine Forderungen
aus dem Vertrag ein Pfandrecht an den von ihm hergestellten oder ausgebesserten
beweglichen Sachen des Bestellers, wenn sie bei der Herstellung oder zum Zwecke
der Ausbesserung in seinen Besitz gelangt sind.
§. 648. Der Unternehmer eines Bauwerkes oder eines
einzelnen Theiles eines Bauwerkes kann für seine Forderungen aus dem Vertrage
die Einräumung einer Sicherungshypothek an dem Baugrundstücke des Bestellers
verlangen. Ist das Werk noch nicht vollendet, so kann er die Einräumung der
Sicherungshypothek für einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Theil der
Vergütung und für die in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen.
§. 649. Der Besteller kann bis zur Vollendung des
Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. Kündigt der Besteller, so ist der
Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muß sich
jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er in Folge der Aufhebung des Vertrags
an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft
erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt.
§. 650. Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zu
Grunde gelegt worden, ohne daß der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit
des Anschlags übernommen hat, und ergiebt sich, daß das Werk nicht ohne eine
wesentliche Ueberschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem
Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grunde kündigt, nur der
im §. 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.
Ist eine solche Ueberschreitung des Anschlags zu
erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.
§. 651. Verpflichtet sich der Unternehmer, das Werk
aus einem von ihm zu beschaffenden Stoffe herzustellen, so hat er dem Besteller
die hergestellte Sache zu übergeben und das Eigenthum an der Sache zu
verschaffen. Auf einen solchen Vertrag finden die Vorschriften über den Kauf
Anwendung; ist eine nicht vertretbare Sache herzustellen, so treten an die
Stelle des §. 433, des §. 446 Abs. 1 Satz 1 und der §§. 447, 459, 460, 462 bis
464, 477 bis 479 die Vorschriften über den Werkvertrag mit Ausnahme der §§.
647, 648.
Verpflichtet sich der Unternehmer nur zur
Beschaffung von Zuthaten oder sonstigen Nebensachen, so finden ausschließlich
die Vorschriften über den Werkvertrag Anwendung.
Achter Titel.
Mäklervertrag.
§. 652. Wer für den Nachweis der Gelegenheit zum
Abschluß eines Vertrags oder für die Vermittelung eines Vertrags einen
Mäklerlohn verspricht, ist zur Entrichtung des Lohnes nur verpflichtet, wenn
der Vertrag in Folge des Nachweises oder in Folge der Vermittelung des Mäklers
zu Stande kommt. Wird der Vertrag unter einer aufschiebenden Bedingung
geschlossen, so kann der Mäklerlohn erst verlangt werden, wenn die Bedingung
eintritt.
Aufwendungen sind dem Mäkler nur zu ersetzen, wenn
es vereinbart ist. Dies gilt auch dann, wenn ein Vertrag nicht zu Stande kommt.
§. 653. Ein Mäklerlohn gilt als stillschweigend
vereinbart, wenn die dem Mäkler übertragene Leistung den Umständen nach nur
gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist
bei dem Bestehen einer Taxe der taxmäßige Lohn, in Ermangelung einer Taxe der
übliche Lohn als vereinbart anzusehen.
§. 654. Der Anspruch auf den Mäklerlohn und den
Ersatz von Aufwendungen ist ausgeschlossen, wenn der Mäkler dem Inhalte des
Vertrags zuwider auch für den anderen Theil thätig gewesen ist.
§. 655. Ist für den Nachweis der Gelegenheit zum
Abschluß eines Dienstvertrags oder für die Vermittelung eines solchen Vertrags
ein unverhältnißmäßig hoher Mäklerlohn vereinbart worden, so kann er auf Antrag
des Schuldners durch Urtheil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden.
Nach der Entrichtung des Lohnes ist die Herabsetzung ausgeschlossen.
§. 656. Durch das Versprechen eines Lohnes für den
Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe oder für die Vermittelung des
Zustandekommens einer Ehe wird eine Verbindlichkeit nicht begründet. Das auf
Grund des Versprechens Geleistete kann nicht deshalb zurückgefordert werden,
weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat.
Diese Vorschriften gelten auch für eine
Vereinbarung, durch die der andere Theil zum Zwecke der Erfüllung des
Versprechens dem Mäkler gegenüber eine Verbindlichkeit eingeht, insbesondere
für ein Schuldanerkenntniß.
Neunter Titel.
Auslobung.
§. 657. Wer durch öffentliche Bekanntmachung eine
Belohnung für die Vornahme einer Handlung, insbesondere für die Herbeiführung
eines Erfolges, aussetzt, ist verpflichtet, die Belohnung demjenigen zu
entrichten, welcher die Handlung vorgenommen hat, auch wenn dieser nicht mit
Rücksicht auf die Auslobung gehandelt hat.
§. 658. Die Auslobung kann bis zur Vornahme der
Handlung widerrufen werden. Der Widerruf ist nur wirksam, wenn er in derselben
Weise wie die Auslobung bekannt gemacht wird oder wenn er durch besondere
Mittheilung erfolgt.
Auf die Widerruflichkeit kann in der Auslobung
verzichtet werden; ein Verzicht liegt im Zweifel in der Bestimmung einer Frist
für die Vornahme der Handlung.
§. 659. Ist die Handlung, für welche die Belohnung
ausgesetzt ist, mehrmals vorgenommen worden, so gebührt die Belohnung
demjenigen, welcher die Handlung zuerst vorgenommen hat.
Ist die Handlung von Mehreren gleichzeitig
vorgenommen worden, so gebührt jedem ein gleicher Theil der Belohnung. Läßt sich
die Belohnung wegen ihrer Beschaffenheit nicht theilen oder soll nach dem
Inhalte der Auslobung nur Einer die Belohnung erhalten, so entscheidet das
Loos.
§. 660. Haben Mehrere zu dem Erfolge mitgewirkt,
für den die Belohnung ausgesetzt ist, so hat der Auslobende die Belohnung unter
Berücksichtigung des Antheils eines jeden an dem Erfolge nach billigem Ermessen
unter sie zu vertheilen. Die Vertheilung ist nicht verbindlich, wenn sie
offenbar unbillig ist; sie erfolgt in einem solchen Falle durch Urtheil.
Wird die Vertheilung des Auslobenden von einem der
Betheiligten nicht als verbindlich anerkannt, so ist der Auslobende berechtigt,
die Erfüllung zu verweigern, bis die Betheiligten den Streit über ihre
Berechtigung unter sich ausgetragen haben; jeder von ihnen kann verlangen, daß
die Belohnung für alle hinterlegt wird.
Die Vorschrift des §. 659 Abs. 2 Satz 2 findet
Anwendung.
§. 661. Eine Auslobung, die eine Preisbewerbung zum
Gegenstande hat, ist nur gültig, wenn in der Bekanntmachung eine Frist für die Bewerbung
bestimmt wird.
Die Entscheidung darüber, ob eine innerhalb der
Frist erfolgte Bewerbung der Auslobung entspricht oder welche von mehreren
Bewerbungen den Vorzug verdient, ist durch die in der Auslobung bezeichnete
Person, in Ermangelung einer solchen durch den Auslobenden zu treffen. Die
Entscheidung ist für die Betheiligten verbindlich.
Bei Bewerbungen von gleicher Würdigkeit finden auf
die Zuertheilung des Preises die Vorschriften des §. 659 Abs. 2 Anwendung.
Die Uebertragung des Eigenthums an dem Werke kann
der Auslobende nur verlangen, wenn er in der Auslobung bestimmt hat, daß die
Uebertragung erfolgen soll.
Zehnter Titel.
Auftrag.
§. 662. Durch die Annahme eines Auftrags
verpflichtet sich der Beauftragte, ein ihm von dem Auftraggeber übertragenes
Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen.
§. 663. Wer zur Besorgung gewisser Geschäfte
öffentlich bestellt ist oder sich öffentlich erboten hat, ist, wenn er einen
auf solche Geschäfte gerichteten Auftrag nicht annimmt, verpflichtet, die
Ablehnung dem Auftraggeber unverzüglich anzuzeigen. Das Gleiche gilt, wenn sich
Jemand dem Auftraggeber gegenüber zur Besorgung gewisser Geschäfte erboten hat.
§. 664. Der Beauftragte darf im Zweifel die
Ausführung des Auftrags nicht einem Dritten übertragen. Ist die Uebertragung
gestattet, so hat er nur ein ihm bei der Uebertragung zur Last fallendes
Verschulden zu vertreten. Für das Verschulden eines Gehülfen ist er nach §. 278
verantwortlich.
Der Anspruch auf Ausführung des Auftrags ist im
Zweifel nicht übertragbar.
§. 665. Der Beauftragte ist berechtigt, von den
Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen
darf, daß der Auftraggeber bei Kenntniß der Sachlage die Abweichung billigen
würde. Der Beauftragte hat vor der Abweichung dem Auftraggeber Anzeige zu
machen und dessen Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschube Gefahr
verbunden ist.
§. 666. Der Beauftragte ist verpflichtet, dem
Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den
Stand des Geschäfts Auskunft zu ertheilen und nach der Ausführung des Auftrags
Rechenschaft abzulegen.
§. 667. Der Beauftragte ist verpflichtet, dem
Auftraggeber Alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus
der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben.
§. 668. Verwendet der Beauftragte Geld für sich,
das er dem Auftraggeber herauszugeben oder für ihn zu verwenden hat, so ist er
verpflichtet, es von der Zeit der Verwendung an zu verzinsen.
§. 669. Für die zur Ausführung des Auftrags
erforderlichen Aufwendungen hat der Auftraggeber dem Beauftragten auf Verlangen
Vorschuß zu leisten.
§. 670. Macht der Beauftragte zum Zwecke der
Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für
erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatze verpflichtet.
§. 671. Der Auftrag kann von dem Auftraggeber
jederzeit widerrufen, von dem Beauftragten jederzeit gekündigt werden.
Der Beauftragte darf nur in der Art kündigen, daß
der Auftraggeber für die Besorgung des Geschäfts anderweit Fürsorge treffen
kann, es sei denn, daß ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung
vorliegt. Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er dem Auftraggeber
den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Liegt ein wichtiger Grund vor, so ist der
Beauftragte zur Kündigung auch dann berechtigt, wenn er auf das Kündigungsrecht
verzichtet hat.
§. 672. Der Auftrag erlischt im Zweifel nicht durch
den Tod oder den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Auftraggebers. Erlischt
der Auftrag, so hat der Beauftragte, wenn mit dem Aufschube Gefahr verbunden
ist, die Besorgung des übertragenen Geschäfts fortzusetzen, bis der Erbe oder
der gesetzliche Vertreter des Auftraggebers anderweit Fürsorge treffen kann;
der Auftrag gilt insoweit als fortbestehend.
§. 673. Der Auftrag erlischt im Zweifel durch den
Tod des Beauftragten. Erlischt der Auftrag, so hat der Erbe des Beauftragten
den Tod dem Auftraggeber unverzüglich anzuzeigen und, wenn mit dem Aufschube
Gefahr verbunden ist, die Besorgung des übertragenen Geschäfts fortzusetzen,
bis der Auftraggeber anderweit Fürsorge treffen kann; der Auftrag gilt insoweit
als fortbestehend.
§. 674. Erlischt der Auftrag in anderer Weise als
durch Widerruf, so gilt er zu Gunsten des Beauftragten gleichwohl als
fortbestehend, bis der Beauftragte von dem Erlöschen Kenntniß erlangt oder das
Erlöschen kennen muß.
§. 675. Auf einen Dienstvertrag oder einen
Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstande hat, finden die
Vorschriften der §§. 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten
das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die
Vorschriften des §. 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
§. 676. Wer einem Anderen einen Rath oder eine
Empfehlung ertheilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältniß
oder einer unerlaubten Handlung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatze des
aus der Befolgung des Rathes oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht
verpflichtet.
Elfter Titel.
Geschäftsführung ohne Auftrag.
§. 677. Wer ein Geschäft für einen Anderen besorgt,
ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, hat
das Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht
auf dessen wirklichen oder muthmaßlichen Willen es erfordert.
§. 678. Steht die Uebernahme der Geschäftsführung
mit dem wirklichen oder dem muthmaßlichen Willen des Geschäftsherrn in
Widerspruch und mußte der Geschäftsführer dies erkennen, so ist er dem
Geschäftsherrn zum Ersatze des aus der Geschäftsführung entstehenden Schadens
auch dann verpflichtet, wenn ihm ein sonstiges Verschulden nicht zur Last
fällt.
§. 679. Ein der Geschäftsführung entgegenstehender
Wille des Geschäftsherrn kommt nicht in Betracht, wenn ohne die
Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im
öffentlichen Interesse liegt, oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht des
Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt werden würde.
§. 680. Bezweckt die Geschäftsführung die Abwendung
einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr, so hat der Geschäftsführer
nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.
§. 681. Der Geschäftsführer hat die Uebernahme der
Geschäftsführung, sobald es thunlich ist, dem Geschäftsherrn anzuzeigen und,
wenn nicht mit dem Aufschube Gefahr verbunden ist, dessen Entschließung
abzuwarten. Im Uebrigen finden auf die Verpflichtungen des Geschäftsführers die
für einen Beauftragten geltenden Vorschriften der §§. 666 bis 668 entsprechende
Anwendung.
§. 682. Ist der Geschäftsführer geschäftsunfähig
oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so ist er nur nach den Vorschriften
über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen und über die Herausgabe
einer ungerechtfertigten Bereicherung verantwortlich.
§. 683. Entspricht die Uebernahme der
Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem muthmaßlichen Willen
des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz
seiner Aufwendungen verlangen. In den Fällen des §. 679 steht dieser Anspruch
dem Geschäftsführer zu, auch wenn die Uebernahme der Geschäftsführung mit dem
Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht.
§. 684. Liegen die Voraussetzungen des §. 683 nicht
vor, so ist der Geschäftsherr verpflichtet, dem Geschäftsführer Alles, was er
durch die Geschäftsführung erlangt, nach den Vorschriften über die Herausgabe
einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben. Genehmigt der
Geschäftsherr die Geschäftsführung, so steht dem Geschäftsführer der im §. 683
bestimmte Anspruch zu.
§. 685. Dem Geschäftsführer steht ein Anspruch
nicht zu, wenn er nicht die Absicht hatte, von dem Geschäftsherrn Ersatz zu
verlangen.
Gewähren Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen
oder diese jenen Unterhalt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die Absicht
fehlt, von dem Empfänger Ersatz zu verlangen.
§. 686. Ist der Geschäftsführer über die Person des
Geschäftsherrn im Irrthume, so wird der wirkliche Geschäftsherr aus der
Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet.
§. 687. Die Vorschriften der §§. 677 bis 686 finden
keine Anwendung, wenn Jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt, daß
es sein eigenes sei.
Behandelt Jemand ein fremdes Geschäft als sein
eigenes, obwohl er weiß, daß er nicht dazu berechtigt ist, so kann der
Geschäftsherr die sich aus den §§. 677, 678, 681, 682 ergebenden Ansprüche
geltend machen. Macht er sie geltend, so ist er dem Geschäftsführer nach §. 684
Satz 1 verpflichtet.
Zwölfter Titel.
Verwahrung.
§. 688. Durch den Verwahrungsvertrag wird der
Verwahrer verpflichtet, eine ihm von dem Hinterleger übergebene bewegliche
Sache aufzubewahren.
§. 689. Eine Vergütung für die Aufbewahrung gilt
als stillschweigend vereinbart, wenn die Aufbewahrung den Umständen nach nur
gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
§. 690. Wird die Aufbewahrung unentgeltlich
übernommen, so hat der Verwahrer nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche
er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
§. 691. Der Verwahrer ist im Zweifel nicht
berechtigt, die hinterlegte Sache bei einem Dritten zu hinterlegen. Ist die
Hinterlegung bei einem Dritten gestattet, so hat der Verwahrer nur ein ihm bei
dieser Hinterlegung zur Last fallendes Verschulden zu vertreten. Für das
Verschulden eines Gehülfen ist er nach §. 278 verantwortlich.
§. 692. Der Verwahrer ist berechtigt, die
vereinbarte Art der Aufbewahrung zu ändern, wenn er den Umständen nach annehmen
darf, daß der Hinterleger bei Kenntniß der Sachlage die Aenderung billigen
würde. Der Verwahrer hat vor der Aenderung dem Hinterleger Anzeige zu machen
und dessen Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschube Gefahr
verbunden ist.
§. 693. Macht der Verwahrer zum Zwecke der
Aufbewahrung Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten
darf, so ist der Hinterleger zum Ersatze verpflichtet.
§. 694. Der Hinterleger hat den durch die
Beschaffenheit der hinterlegten Sache dem Verwahrer entstehenden Schaden zu
ersetzen, es sei denn, daß er die gefahrdrohende Beschaffenheit der Sache bei
der Hinterlegung weder kennt noch kennen muß oder daß er sie dem Verwahrer
angezeigt oder dieser sie ohne Anzeige gekannt hat.
§. 695. Der Hinterleger kann die hinterlegte Sache
jederzeit zurückfordern, auch wenn für die Aufbewahrung eine Zeit bestimmt ist.
§. 696. Der Verwahrer kann, wenn eine Zeit für die
Aufbewahrung nicht bestimmt ist, jederzeit die Rücknahme der hinterlegten Sache
verlangen. Ist eine Zeit bestimmt, so kann er die vorzeitige Rücknahme nur
verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
§. 697. Die Rückgabe der hinterlegten Sache hat an
dem Orte zu erfolgen, an welchem die Sache aufzubewahren war; der Verwahrer ist
nicht verpflichtet, die Sache dem Hinterleger zu bringen.
§. 698. Verwendet der Verwahrer hinterlegtes Geld
für sich, so ist er verpflichtet, es von der Zeit der Verwendung an zu
verzinsen.
§. 699. Der Hinterleger hat die vereinbarte
Vergütung bei der Beendigung der Aufbewahrung zu entrichten. Ist die Vergütung
nach Zeitabschnitten bemessen, so ist sie nach dem Ablaufe der einzelnen
Zeitabschnitte zu entrichten.
Endigt die Aufbewahrung vor dem Ablaufe der für sie
bestimmten Zeit, so kann der Verwahrer einen seinen bisherigen Leistungen
entsprechenden Theil der Vergütung verlangen, sofern nicht aus der Vereinbarung
über die Vergütung sich ein Anderes ergiebt.
§. 700. Werden vertretbare Sachen in der Art
hinterlegt, daß das Eigenthum auf den Verwahrer übergehen und dieser
verpflichtet sein soll, Sachen von gleicher Art, Güte und Menge
zurückzugewähren, so finden die Vorschriften über das Darlehen Anwendung.
Gestattet der Hinterleger dem Verwahrer, hinterlegte vertretbare Sachen zu
verbrauchen, so finden die Vorschriften über das Darlehen von dem Zeitpunkt an
Anwendung, in welchem der Verwahrer sich die Sachen aneignet. In beiden Fällen
bestimmen sich jedoch Zeit und Ort der Rückgabe im Zweifel nach den
Vorschriften über den Verwahrungsvertrag.
Bei der Hinterlegung von Werthpapieren ist eine
Vereinbarung der im Abs. 1 bezeichneten Art nur gültig, wenn sie ausdrücklich
getroffen wird.
Dreizehnter Titel.
Einbringung von Sachen bei Gastwirthen.
§. 701. Ein Gastwirth, der gewerbsmäßig Fremde zur
Beherbergung aufnimmt, hat einem im Betriebe dieses Gewerbes aufgenommenen
Gaste den Schaden zu ersetzen, den der Gast durch den Verlust oder die
Beschädigung eingebrachter Sachen erleidet. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein,
wenn der Schaden von dem Gaste, einem Begleiter des Gastes oder einer Person,
die er bei sich aufgenommen hat, verursacht wird oder durch die Beschaffenheit
der Sachen oder durch höhere Gewalt entsteht.
Als eingebracht gelten die Sachen, welche der Gast
dem Gastwirth oder Leuten des Gastwirths, die zur Entgegennahme der Sachen
bestellt oder nach den Umständen als dazu bestellt anzusehen waren, übergeben
oder an einen ihm von diesen angewiesenen Ort oder in Ermangelung einer
Anweisung an den hierzu bestimmten Ort gebracht hat.
Ein Anschlag, durch den der Gastwirth die Haftung
ablehnt, ist ohne Wirkung.
§. 702. Für Geld, Werthpapiere und Kostbarkeiten
haftet der Gastwirth nach §. 701 nur bis zu dem Betrage von eintausend Mark, es
sei denn, daß er diese Gegenstände in Kenntniß ihrer Eigenschaft als
Werthsachen zur Aufbewahrung übernimmt oder die Aufbewahrung ablehnt oder daß
der Schaden von ihm oder von seinen Leuten verschuldet wird.
§. 703. Der dem Gaste auf Grund der §§. 701, 702
zustehende Anspruch erlischt, wenn nicht der Gast unverzüglich, nachdem er von
dem Verlust oder der Beschädigung Kenntniß erlangt hat, dem Gastwirth Anzeige
macht. Der Anspruch erlischt nicht, wenn die Sachen dem Gastwirthe zur
Aufbewahrung übergeben waren.
§. 704. Der Gastwirth hat für seine Forderungen für
Wohnung und andere dem Gaste zur Befriedigung seiner Bedürfnisse gewährte
Leistungen, mit Einschluß der Auslagen, ein Pfandrecht an den eingebrachten
Sachen des Gastes. Die für das Pfandrecht des Vermiethers geltenden
Vorschriften des §. 559 Satz 3 und der §§. 560 bis 563 finden entsprechende
Anwendung.
Vierzehnter Titel.
Gesellschaft.
§. 705. Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten
sich die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes
in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten
Beiträge zu leisten.
§. 706. Die Gesellschafter haben in Ermangelung
einer anderen Vereinbarung gleiche Beiträge zu leisten.
Sind vertretbare oder verbrauchbare Sachen
beizutragen, so ist im Zweifel anzunehmen, daß sie gemeinschaftliches Eigenthum
der Gesellschafter werden sollen. Das Gleiche gilt von nicht vertretbaren und
nicht verbrauchbaren Sachen, wenn sie nach einer Schätzung beizutragen sind,
die nicht blos für die Gewinnvertheilung bestimmt ist.
Der Beitrag eines Gesellschafters kann auch in der
Leistung von Diensten bestehen.
§. 707. Zur Erhöhung des vereinbarten Beitrags oder
zur Ergänzung der durch Verlust verminderten Einlage ist ein Gesellschafter
nicht verpflichtet.
§. 708. Ein Gesellschafter hat bei der Erfüllung
der ihm obliegenden Verpflichtungen nur für diejenige Sorgfalt einzustehen,
welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
§. 709. Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft
steht den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu; für jedes Geschäft ist die
Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich.
Hat nach dem Gesellschaftsvertrage die Mehrheit der
Stimmen zu entscheiden, so ist die Mehrheit im Zweifel nach der Zahl der
Gesellschafter zu berechnen.
§. 710. Ist in dem Gesellschaftsvertrage die
Führung der Geschäfte einem Gesellschafter oder mehreren Gesellschaftern
übertragen, so sind die übrigen Gesellschafter von der Geschäftsführung
ausgeschlossen. Ist die Geschäftsführung mehreren Gesellschaftern übertragen,
so finden die Vorschriften des §. 709 entsprechende Anwendung.
§. 711. Steht nach dem Gesellschaftsvertrage die
Führung der Geschäfte allen oder mehreren Gesellschaftern in der Art zu, daß
jeder allein zu handeln berechtigt ist, so kann jeder der Vornahme eines
Geschäfts durch den anderen widersprechen. Im Falle des Widerspruchs muß das
Geschäft unterbleiben.
§. 712. Die einem Gesellschafter durch den
Gesellschaftsvertrag übertragene Befugniß zur Geschäftsführung kann ihm durch
einstimmigen Beschluß oder, falls nach dem Gesellschaftsvertrage die Mehrheit
der Stimmen entscheidet, durch Mehrheitsbeschluß der übrigen Gesellschafter
entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist
insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen
Geschäftsführung.
Der Gesellschafter kann auch seinerseits die
Geschäftsführung kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; die für den
Auftrag geltenden Vorschriften des §. 671 Abs. 2, 3 finden entsprechende
Anwendung.
§. 713. Die Rechte und Verpflichtungen der
geschäftsführenden Gesellschafter bestimmen sich nach den für den Auftrag
geltenden Vorschriften der §§. 664 bis 670, soweit sich nicht aus dem
Gesellschaftsverhältniß ein Anderes ergiebt.
§. 714. Soweit einem Gesellschafter nach dem
Gesellschaftsvertrage die Befugniß zur Geschäftsführung zusteht, ist er im
Zweifel auch ermächtigt, die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu
vertreten.
§. 715. Ist im Gesellschaftsvertrag ein
Gesellschafter ermächtigt, die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu
vertreten, so kann die Vertretungsmacht nur nach Maßgabe des §. 712 Abs. 1 und,
wenn sie in Verbindung mit der Befugniß zur Geschäftsführung ertheilt worden
ist, nur mit dieser entzogen werden.
§. 716. Ein Gesellschafter kann, auch wenn er von
der Geschäftsführung ausgeschlossen ist, sich von den Angelegenheiten der
Gesellschaft persönlich unterrichten, die Geschäftsbücher und die Papiere der
Gesellschaft einsehen und sich aus ihnen eine Uebersicht über den Stand des
Gesellschaftsvermögens anfertigen.
Eine dieses Recht ausschließende oder beschränkende
Vereinbarung steht der Geltendmachung des Rechtes nicht entgegen, wenn Grund zu
der Annahme unredlicher Geschäftsführung besteht.
§. 717. Die Ansprüche, die den Gesellschaftern aus
dem Gesellschaftsverhältnisse gegen einander zustehen, sind nicht übertragbar.
Ausgenommen sind die einem Gesellschafter aus seiner Geschäftsführung
zustehenden Ansprüche, soweit deren Befriedigung vor der Auseinandersetzung
verlangt werden kann, sowie die Ansprüche auf einen Gewinnantheil oder auf
dasjenige, was dem Gesellschafter bei der Auseinandersetzung zukommt.
§. 718. Die Beiträge der Gesellschafter und die
durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworbenen Gegenstände werden
gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter (Gesellschaftsvermögen).
Zu dem Gesellschaftsvermögen gehört auch, was auf
Grund eines zu dem Gesellschaftsvermögen gehörenden Rechtes oder als Ersatz für
die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zu dem Gesellschaftsvermögen
gehörenden Gegenstandes erworben wird.
§. 719. Ein Gesellschafter kann nicht über seinen
Antheil an dem Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazu gehörenden
Gegenständen verfügen; er ist nicht berechtigt, Theilung zu verlangen.
Gegen eine Forderung, die zum Gesellschaftsvermögen
gehört, kann der Schuldner nicht eine ihm gegen einen einzelnen Gesellschafter
zustehende Forderung aufrechnen.
§. 720. Die Zugehörigkeit einer nach §. 718 Abs. 1
erworbenen Forderung zum Gesellschaftsvermögen hat der Schuldner erst dann
gegen sich gelten zu lassen, wenn er von der Zugehörigkeit Kenntniß erlangt;
die Vorschriften der §§. 406 bis 408 finden entsprechende Anwendung.
§. 721. Ein Gesellschafter kann den
Rechnungsabschluß und die Vertheilung des Gewinns und Verlustes erst nach der
Auflösung der Gesellschaft verlangen.
Ist die Gesellschaft von längerer Dauer, so hat der
Rechnungsabschluß und die Gewinnvertheilung im Zweifel am Schlusse jedes
Geschäftsjahrs zu erfolgen.
§. 722. Sind die Antheile der Gesellschafter am
Gewinn und Verluste nicht bestimmt, so hat jeder Gesellschafter ohne Rücksicht
auf die Art und die Größe seines Beitrags einen gleichen Antheil am Gewinn und
Verluste.
Ist nur der Antheil am Gewinn oder am Verluste
bestimmt, so gilt die Bestimmung im Zweifel für Gewinn und Verlust.
§. 723. Ist die Gesellschaft nicht für eine
bestimmte Zeit eingegangen, so kann jeder Gesellschafter sie jederzeit
kündigen. Ist eine Zeitdauer bestimmt, so ist die Kündigung vor dem Ablaufe der
Zeit zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist
insbesondere vorhanden, wenn ein anderer Gesellschafter eine ihm nach dem
Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus
grober Fahrlässigkeit verletzt oder wenn die Erfüllung einer solchen
Verpflichtung unmöglich wird. Unter der gleichen Voraussetzung ist, wenn eine
Kündigungsfrist bestimmt ist, die Kündigung ohne Einhaltung der Frist zulässig.
Die Kündigung darf nicht zur Unzeit geschehen, es
sei denn, daß ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt
ein Gesellschafter ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er den übrigen
Gesellschaftern den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Eine Vereinbarung, durch welche das Kündigungsrecht
ausgeschlossen oder diesen Vorschriften zuwider beschränkt wird, ist nichtig.
§. 724. Ist eine Gesellschaft für die Lebenszeit
eines Gesellschafters eingegangen, so kann sie in gleicher Weise gekündigt
werden wie eine für unbestimmte Zeit eingegangene Gesellschaft. Dasselbe gilt,
wenn eine Gesellschaft nach dem Ablaufe der bestimmten Zeit stillschweigend
fortgesetzt wird.
§. 725. Hat ein Gläubiger eines Gesellschafters die
Pfändung des Antheils des Gesellschafters an dem Gesellschaftsvermögen erwirkt,
so kann er die Gesellschaft ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen,
sofern der Schuldtitel nicht blos vorläufig vollstreckbar ist.
Solange die Gesellschaft besteht, kann der
Gläubiger die sich aus dem Gesellschaftsverhältniß ergebenden Rechte des
Gesellschafters, mit Ausnahme des Anspruchs auf einen Gewinnantheil, nicht
geltend machen.
§. 726. Die Gesellschaft endigt, wenn der
vereinbarte Zweck erreicht oder dessen Erreichung unmöglich geworden ist.
§. 727. Die Gesellschaft wird durch den Tod eines
der Gesellschafter aufgelöst, sofern nicht aus dem Gesellschaftsvertrage sich
ein Anderes ergiebt.
Im Falle der Auflösung hat der Erbe des
verstorbenen Gesellschafters den übrigen Gesellschaftern den Tod unverzüglich
anzuzeigen und, wenn mit dem Aufschube Gefahr verbunden ist, die seinem
Erblasser durch den Gesellschaftsvertrag übertragenen Geschäfte fortzuführen,
bis die übrigen Gesellschafter in Gemeinschaft mit ihm anderweit Fürsorge
treffen können. Die übrigen Gesellschafter sind in gleicher Weise zur
einstweiligen Fortführung der ihnen übertragenen Geschäfte verpflichtet. Die
Gesellschaft gilt insoweit als fortbestehend.
§. 728. Die Gesellschaft wird durch die Eröffnung
des Konkurses über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst. Die
Vorschriften des §. 727 Abs. 2 Satz 2, 3 finden Anwendung.
§. 729. Wird die Gesellschaft in anderer Weise als
durch Kündigung aufgelöst, so gilt die einem Gesellschafter durch den
Gesellschaftsvertrag übertragene Befugniß zur Geschäftsführung zu seinen
Gunsten gleichwohl als fortbestehend, bis er von der Auflösung Kenntniß erlangt
oder die Auflösung kennen muß.
§. 730. Nach der Auflösung der Gesellschaft findet
in Ansehung des Gesellschaftsvermögens die Auseinandersetzung unter den
Gesellschaftern statt.
Für die Beendigung der schwebenden Geschäfte, für
die dazu erforderliche Eingehung neuer Geschäfte sowie für die Erhaltung und
Verwaltung des Gesellschaftsvermögens gilt die Gesellschaft als fortbestehend,
soweit der Zweck der Auseinandersetzung es erfordert. Die einem Gesellschafter
nach dem Gesellschaftsvertrage zustehende Befugniß zur Geschäftsführung
erlischt jedoch, wenn nicht aus dem Vertrage sich ein Anderes ergiebt, mit der
Auflösung der Gesellschaft; die Geschäftsführung steht von der Auflösung an
allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu.
§. 731. Die Auseinandersetzung erfolgt in
Ermangelung einer anderen Vereinbarung in Gemäßheit der §§. 732 bis 735. Im
Uebrigen gelten für die Theilung die Vorschriften über die Gemeinschaft.
§. 732. Gegenstände, die ein Gesellschafter der
Gesellschaft zur Benutzung überlassen hat, sind ihm zurückzugeben. Für einen
durch Zufall in Abgang gekommenen oder verschlechterten Gegenstand kann er
nicht Ersatz verlangen.
§. 733. Aus dem Gesellschaftsvermögen sind zunächst
die gemeinschaftlichen Schulden mit Einschluß derjenigen zu berichtigen, welche
den Gläubigern gegenüber unter den Gesellschaftern getheilt sind oder für
welche einem Gesellschafter die übrigen Gesellschafter als Schuldner haften.
Ist eine Schuld noch nicht fällig oder ist sie streitig, so ist das zur
Berichtigung Erforderliche zurückzubehalten.
Aus dem nach der Berichtigung der Schulden übrig
bleibenden Gesellschaftsvermögen sind die Einlagen zurückzuerstatten. Für
Einlagen, die nicht in Geld bestanden haben, ist der Werth zu ersetzen, den sie
zur Zeit der Einbringung gehabt haben. Für Einlagen, die in der Leistung von
Diensten oder in der Ueberlassung der Benutzung eines Gegenstandes bestanden
haben, kann nicht Ersatz verlangt werden.
Zur Berichtigung der Schulden und zur
Rückerstattung der Einlagen ist das Gesellschaftsvermögen, soweit erforderlich,
in Geld umzusetzen.
§. 734. Verbleibt nach der Berichtigung der
gemeinschaftlichen Schulden und der Rückerstattung der Einlagen ein Ueberschuß,
so gebührt er den Gesellschaftern nach dem Verhältniß ihrer Antheile am
Gewinne.
§. 735. Reicht das Gesellschaftsvermögen zur
Berichtigung der gemeinschaftlichen Schulden und zur Rückerstattung der
Einlagen nicht aus, so haben die Gesellschafter für den Fehlbetrag nach dem
Verhältniß aufzukommen, nach welchem sie den Verlust zu tragen haben. Kann von
einem Gesellschafter der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so
haben die übrigen Gesellschafter den Ausfall nach dem gleichen Verhältnisse zu
tragen.
§. 736. Ist im Gesellschaftsvertrage bestimmt, daß,
wenn ein Gesellschafter kündigt oder stirbt oder wenn der Konkurs über sein
Vermögen eröffnet wird, die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern
fortbestehen soll, so scheidet bei dem Eintritt eines solchen Ereignisses der
Gesellschafter, in dessen Person es eintritt, aus der Gesellschaft aus.
§. 737. Ist im Gesellschaftsvertrage bestimmt, daß,
wenn ein Gesellschafter kündigt, die Gesellschaft unter den übrigen
Gesellschaftern fortbestehen soll, so kann ein Gesellschafter, in dessen Person
ein die übrigen Gesellschafter nach §. 723 Abs. 1 Satz 2 zur Kündigung
berechtigender Umstand eintritt, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden.
Das Ausschließungsrecht steht den übrigen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu.
Die Ausschließung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem auszuschließenden
Gesellschafter.
§. 738. Scheidet ein Gesellschafter aus der
Gesellschaft aus, so wächst sein Antheil am Gesellschaftsvermögen den übrigen
Gesellschaftern zu. Diese sind verpflichtet, dem Ausscheidenden die
Gegenstände, die er der Gesellschaft zur Benutzung überlassen hat, nach Maßgabe
des §. 732 zurückzugeben, ihn von den gemeinschaftlichen Schulden zu befreien
und ihm dasjenige zu zahlen, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde,
wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Sind
gemeinschaftliche Schulden noch nicht fällig, so können die übrigen
Gesellschafter dem Ausscheidenden, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.
Der Werth des Gesellschaftsvermögens ist, soweit
erforderlich, im Wege der Schätzung zu ermitteln.
§. 739. Reicht der Werth des Gesellschaftsvermögens
zur Deckung der gemeinschaftlichen Schulden und der Einlagen nicht aus, so hat
der Ausscheidende den übrigen Gesellschaftern für den Fehlbetrag nach dem
Verhältnisse seines Antheils am Verlust aufzukommen.
§. 740. Der Ausgeschiedene nimmt an dem Gewinn und
dem Verluste Theil, welcher sich aus den zur Zeit seines Ausscheidens
schwebenden Geschäften ergiebt. Die übrigen Gesellschafter sind berechtigt,
diese Geschäfte so zu beendigen, wie es ihnen am vortheilhaftesten erscheint.
Der Ausgeschiedene kann am Schlusse jedes
Geschäftsjahrs Rechenschaft über die inzwischen beendigten Geschäfte,
Auszahlung des ihm gebührenden Betrags und Auskunft über den Stand der noch
schwebenden Geschäfte verlangen.
Fünfzehnter Titel.
Gemeinschaft.
§. 741. Steht ein Recht Mehreren gemeinschaftlich
zu, so finden, sofern sich nicht aus dem Gesetz ein Anderes ergiebt, die
Vorschriften der §§. 742 bis 758 Anwendung (Gemeinschaft nach Bruchtheilen).
§. 742. Im Zweifel ist anzunehmen, daß den
Theilhabern gleiche Antheile zustehen.
§. 743. Jedem Theilhaber gebührt ein seinem Antheil
entsprechender Bruchtheil der Früchte.
Jeder Theilhaber ist zum Gebrauche des
gemeinschaftlichen Gegenstandes insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der
übrigen Theilhaber beeinträchtigt wird.
§. 744. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen
Gegenstandes steht den Theilhabern gemeinschaftlich zu.
Jeder Theilhaber ist berechtigt, die zur Erhaltung
des Gegenstandes nothwendigen Maßregeln ohne Zustimmung der anderen Theilhaber
zu treffen; er kann verlangen, daß diese ihre Einwilligung zu einer solchen
Maßregel im voraus ertheilen.
§. 745. Durch Stimmenmehrheit kann eine der
Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstandes entsprechende ordnungsmäßige
Verwaltung und Benutzung beschlossen werden. Die Stimmenmehrheit ist nach der
Größe der Antheile zu berechnen.
Jeder Theilhaber kann, sofern nicht die Verwaltung
und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluß geregelt ist,
eine dem Interesse aller Theilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung
und Benutzung verlangen.
Eine wesentliche Veränderung des Gegenstandes kann
nicht beschlossen oder verlangt werden. Das Recht des einzelnen Theilhabers auf
einen seinem Antheil entsprechenden Bruchtheil der Nutzungen kann nicht ohne
seine Zustimmung beeinträchtigt werden.
§. 746. Haben die Theilhaber die Verwaltung und
Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstandes geregelt, so wirkt die getroffene
Bestimmung auch für und gegen die Sondernachfolger.
§. 747. Jeder Theilhaber kann über seinen Antheil verfügen.
Ueber den gemeinschaftlichen Gegenstand im Ganzen können die Theilhaber nur
gemeinschaftlich verfügen.
§. 748. Jeder Theilhaber ist den anderen
Theilhabern gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen
Gegenstandes sowie die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und einer
gemeinschaftlichen Benutzung nach dem Verhältnisse seines Antheils zu tragen.
§. 749. Jeder Theilhaber kann jederzeit die
Aufhebung der Gemeinschaft verlangen.
Wird das Recht, die Aufhebung zu verlangen, durch
Vereinbarung für immer oder auf Zeit ausgeschlossen, so kann die Aufhebung
gleichwohl verlangt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Unter der
gleichen Voraussetzung kann, wenn eine Kündigungsfrist bestimmt wird, die
Aufhebung ohne Einhaltung der Frist verlangt werden.
Eine Vereinbarung, durch welche das Recht, die
Aufhebung zu verlangen, diesen Vorschriften zuwider ausgeschlossen oder
beschränkt wird, ist nichtig.
§. 750. Haben die Theilhaber das Recht, die
Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, auf Zeit ausgeschlossen, so tritt die
Vereinbarung im Zweifel mit dem Tode eines Theilhabers außer Kraft.
§. 751. Haben die Theilhaber das Recht, die
Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, für immer oder auf Zeit ausgeschlossen
oder eine Kündigungsfrist bestimmt, so wirkt die Vereinbarung auch für und
gegen die Sondernachfolger. Hat ein Gläubiger die Pfändung des Antheils eines
Theilhabers erwirkt, so kann er ohne Rücksicht auf die Vereinbarung die
Aufhebung der Gemeinschaft verlangen, sofern der Schuldtitel nicht blos
vorläufig vollstreckbar ist.
§. 752. Die Aufhebung der Gemeinschaft erfolgt
durch Theilung in Natur, wenn der gemeinschaftliche Gegenstand oder, falls
mehrere Gegenstände gemeinschaftlich sind, diese sich ohne Verminderung des
Werthes in gleichartige, den Antheilen der Theilhaber entsprechende Theile
zerlegen lassen. Die Vertheilung gleicher Theile unter die Theilhaber geschieht
durch das Loos.
§. 753. Ist die Theilung in Natur ausgeschlossen,
so erfolgt die Aufhebung der Gemeinschaft durch Verkauf des gemeinschaftlichen
Gegenstandes nach den Vorschriften über den Pfandverkauf, bei Grundstücken
durch Zwangsversteigerung, und durch Theilung des Erlöses. Ist die Veräußerung
an einen Dritten unstatthaft, so ist der Gegenstand unter den Theilhabern zu
versteigern.
Hat der Versuch, den Gegenstand zu verkaufen,
keinen Erfolg, so kann jeder Theilhaber die Wiederholung verlangen; er hat
jedoch die Kosten zu tragen, wenn der wiederholte Versuch mißlingt.
§. 754. Der Verkauf einer gemeinschaftlichen
Forderung ist nur zulässig, wenn sie noch nicht eingezogen werden kann. Ist die
Einziehung möglich, so kann jeder Theilhaber gemeinschaftliche Einziehung
verlangen.
§. 755. Haften die Theilhaber als Gesammtschuldner
für eine Verbindlichkeit, die sie in Gemäßheit des §. 748 nach dem Verhältniß
ihrer Antheile zu erfüllen haben oder die sie zum Zwecke der Erfüllung einer
solchen Verbindlichkeit eingegangen sind, so kann jeder Theilhaber bei der
Aufhebung der Gemeinschaft verlangen, daß die Schuld aus dem gemeinschaftlichen
Gegenstande berichtigt wird.
Der Anspruch kann auch gegen die Sondernachfolger
geltend gemacht werden.
Soweit zur Berichtigung der Schuld der Verkauf des
gemeinschaftlichen Gegenstandes erforderlich ist, hat der Verkauf nach §. 753
zu erfolgen.
§. 756. Hat ein Theilhaber gegen einen anderen
Theilhaber eine Forderung, die sich auf die Gemeinschaft gründet, so kann er
bei der Aufhebung der Gemeinschaft die Berichtigung seiner Forderung aus dem
auf den Schuldner entfallenden Theile des gemeinschaftlichen Gegenstandes
verlangen. Die Vorschriften des §. 755 Abs. 2, 3 finden Anwendung.
§. 757. Wird bei der Aufhebung der Gemeinschaft ein
gemeinschaftlicher Gegenstand einem der Theilhaber zugetheilt, so hat wegen
eines Mangels im Rechte oder wegen eines Mangels der Sache jeder der übrigen
Theilhaber zu seinem Antheil in gleicher Weise wie ein Verkäufer Gewähr zu
leisten.
§. 758. Der Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft
unterliegt nicht der Verjährung.
Sechzehnter Titel.
Leibrente.
§. 759. Wer zur Gewährung einer Leibrente
verpflichtet ist, hat die Rente im Zweifel für die Lebensdauer des Gläubigers
zu entrichten.
Der für die Rente bestimmte Betrag ist im Zweifel
der Jahresbetrag der Rente.
§. 760. Die Leibrente ist im voraus zu entrichten.
Eine Geldrente ist für drei Monate vorauszuzahlen;
bei einer anderen Rente bestimmt sich der Zeitabschnitt, für den sie im voraus
zu entrichten ist, nach der Beschaffenheit und dem Zwecke der Rente.
Hat der Gläubiger den Beginn des Zeitabschnitts
erlebt, für den die Rente im voraus zu entrichten ist, so gebührt ihm der volle
auf den Zeitabschnitt entfallende Betrag.
§. 761. Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den
eine Leibrente versprochen wird, ist, soweit nicht eine andere Form
vorgeschrieben ist, schriftliche Ertheilung des Versprechens erforderlich.
Siebzehnter Titel.
Spiel. Wette.
§. 762. Durch Spiel oder durch Wette wird eine
Verbindlichkeit nicht begründet. Das auf Grund des Spieles oder der Wette
Geleistete kann nicht deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit
nicht bestanden hat.
Diese Vorschriften gelten auch für eine
Vereinbarung, durch die der verlierende Theil zum Zwecke der Erfüllung einer
Spiel- oder einer Wettschuld dem gewinnenden Theile gegenüber eine
Verbindlichkeit eingeht, insbesondere für ein Schuldanerkenntniß.
§. 763. Ein Lotterievertrag oder ein
Ausspielvertrag ist verbindlich, wenn die Lotterie oder die Ausspielung
staatlich genehmigt ist. Anderenfalls finden die Vorschriften des §. 762
Anwendung.
§. 764. Wird ein auf Lieferung von Waaren oder
Werthpapieren lautender Vertrag in der Absicht geschlossen, daß der Unterschied
zwischen dem vereinbarten Preise und dem Börsen- oder Marktpreise der
Lieferungszeit von dem verlierenden Theile an den gewinnenden gezahlt werden
soll, so ist der Vertrag als Spiel anzusehen. Dies gilt auch dann, wenn nur die
Absicht des einen Theiles auf die Zahlung des Unterschieds gerichtet ist, der
andere Theil aber diese Absicht kennt oder kennen muß.
Achtzehnter Titel.
Bürgschaft.
§. 765. Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet
sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der
Verbindlichkeit des Dritten einzustehen.
Die Bürgschaft kann auch für eine künftige oder
eine bedingte Verbindlichkeit übernommen werden.
§. 766. Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrags ist
schriftliche Ertheilung der Bürgschaftserklärung erforderlich. Soweit der Bürge
die Hauptverbindlichkeit erfüllt, wird der Mangel der Form geheilt.
§. 767. Für die Verpflichtung des Bürgen ist der
jeweilige Bestand der Hauptverbindlichkeit maßgebend. Dies gilt insbesondere
auch, wenn die Hauptverbindlichkeit durch Verschulden oder Verzug des
Hauptschuldners geändert wird. Durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner
nach der Uebernahme der Bürgschaft vornimmt, wird die Verpflichtung des Bürgen
nicht erweitert.
Der Bürge haftet für die dem Gläubiger von dem
Hauptschuldner zu ersetzenden Kosten der Kündigung und der Rechtsverfolgung.
§. 768. Der Bürge kann die dem Hauptschuldner
zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich
der Bürge nicht darauf berufen, daß der Erbe für die Verbindlichkeit nur
beschränkt haftet.
Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, daß
der Hauptschuldner auf sie verzichtet.
§. 769. Verbürgen sich Mehrere für dieselbe
Verbindlichkeit, so haften sie als Gesammtschuldner, auch wenn sie die
Bürgschaft nicht gemeinschaftlich übernehmen.
§. 770. Der Bürge kann die Befriedigung des
Gläubigers verweigern, solange dem Hauptschuldner das Recht zusteht, das seiner
Verbindlichkeit zu Grunde liegende Rechtsgeschäft anzufechten.
Die gleiche Befugniß hat der Bürge, solange sich
der Gläubiger durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung des
Hauptschuldners befriedigen kann.
§. 771. Der Bürge kann die Befriedigung des
Gläubigers verweigern, solange nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung
gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat (Einrede der Vorausklage).
§. 772. Besteht die Bürgschaft für eine
Geldforderung, so muß die Zwangsvollstreckung in die beweglichen Sachen des
Hauptschuldners an seinem Wohnsitz und, wenn der Hauptschuldner an einem
anderen Orte eine gewerbliche Niederlassung hat, auch an diesem Orte, in
Ermangelung eines Wohnsitzes und einer gewerblichen Niederlassung an seinem
Aufenthaltsorte versucht werden.
Steht dem Gläubiger ein Pfandrecht oder ein
Zurückbehaltungsrecht an einer beweglichen Sache des Hauptschuldners zu, so muß
er auch aus dieser Sache Befriedigung suchen. Steht dem Gläubiger ein solches
Recht an der Sache auch für eine andere Forderung zu, so gilt dies nur, wenn
beide Forderungen durch den Werth der Sache gedeckt werden.
§. 773. Die Einrede der Vorausklage ist
ausgeschlossen:
1. wenn der Bürge auf die
Einrede verzichtet, insbesondere wenn er sich als Selbstschuldner verbürgt hat;
2. wenn die Rechtsverfolgung
gegen den Hauptschuldner in Folge einer nach der Uebernahme der Bürgschaft
eingetretenen Aenderung des Wohnsitzes, der gewerblichen Niederlassung oder des
Aufenthaltsorts des Hauptschuldners wesentlich erschwert ist;
3. wenn über das Vermögen
des Hauptschuldners der Konkurs eröffnet ist;
4. wenn anzunehmen ist, daß
die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Hauptschuldners nicht zur
Befriedigung des Gläubigers führen wird.
In den Fällen der Nr. 3, 4 ist die Einrede insoweit
zulässig, als sich der Gläubiger aus einer beweglichen Sache des
Hauptschuldners befriedigen kann, an der er ein Pfandrecht oder ein
Zurückbehaltungsrecht hat; die Vorschrift des §. 772 Abs. 2 Satz 2 findet
Anwendung.
§. 774. Soweit der Bürge den Gläubiger befriedigt,
geht die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf ihn über. Der
Uebergang kann nicht zum Nachtheile des Gläubigers geltend gemacht werden.
Einwendungen des Hauptschuldners aus einem zwischen ihm und dem Bürgen
bestehenden Rechtsverhältnisse bleiben unberührt.
Mitbürgen haften einander nur nach §. 426.
§. 775. Hat sich der Bürge im Auftrage des
Hauptschuldners verbürgt oder stehen ihm nach den Vorschriften über die
Geschäftsführung ohne Auftrag wegen der Uebernahme der Bürgschaft die Rechte
eines Beauftragten gegen den Hauptschuldner zu, so kann er von diesem Befreiung
von der Bürgschaft verlangen:
1. wenn sich die
Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners wesentlich verschlechtert haben;
2. wenn die
Rechtsverfolgung gegen den Hauptschuldner in Folge einer nach der Uebernahme
der Bürgschaft eingetretenen Aenderung des Wohnsitzes, der gewerblichen
Niederlassung oder des Aufenthaltsorts des Hauptschuldners wesentlich erschwert
ist;
3. wenn der Hauptschuldner
mit der Erfüllung seiner Verbindlichkeit im Verzug ist;
4. wenn der Gläubiger gegen
den Bürgen ein vollstreckbares Urtheil auf Erfüllung erwirkt hat.
Ist die Hauptverbindlichkeit noch nicht fällig, so
kann der Hauptschuldner dem Bürgen, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.
§. 776. Giebt der Gläubiger ein mit der Forderung
verbundenes Vorzugsrecht, eine für sie bestehende Hypothek, ein für sie
bestehendes Pfandrecht oder das Recht gegen einen Mitbürgen auf, so wird der
Bürge insoweit frei, als er aus dem aufgegebenen Rechte nach §. 774 hätte
Ersatz erlangen können. Dies gilt auch dann, wenn das aufgegebene Recht erst
nach der Uebernahme der Bürgschaft entstanden ist.
§. 777. Hat sich der Bürge für eine bestehende
Verbindlichkeit auf bestimmte Zeit verbürgt, so wird er nach dem Ablaufe der
bestimmten Zeit frei, wenn nicht der Gläubiger die Einziehung der Forderung
unverzüglich nach Maßgabe des §. 772 betreibt, das Verfahren ohne wesentliche
Verzögerung fortsetzt und unverzüglich nach der Beendigung des Verfahrens dem
Bürgen anzeigt, daß er ihn in Anspruch nehme. Steht dem Bürgen die Einrede der
Vorausklage nicht zu, so wird er nach dem Ablaufe der bestimmten Zeit frei,
wenn nicht der Gläubiger ihm unverzüglich diese Anzeige macht.
Erfolgt die Anzeige rechtzeitig, so beschränkt sich
die Haftung des Bürgen im Falle des Abs. 1 Satz 1 auf den Umfang, den die
Hauptverbindlichkeit zur Zeit der Beendigung des Verfahrens hat, im Falle des
Abs. 1 Satz 2 auf den Umfang, den die Hauptverbindlichkeit bei dem Ablaufe der
bestimmten Zeit hat.
§. 778. Wer einen Anderen beauftragt, im eigenen
Namen und auf eigene Rechnung einem Dritten Kredit zu geben, haftet dem
Beauftragten für die aus der Kreditgewährung entstehende Verbindlichkeit des
Dritten als Bürge.
Neunzehnter Titel.
Vergleich.
§. 779. Ein Vertrag, durch den der Streit oder die
Ungewißheit der Parteien über ein Rechtsverhältniß im Wege gegenseitigen
Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalte
des Vertrags als feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit
nicht entspricht und der Streit oder die Ungewißheit bei Kenntniß der Sachlage
nicht entstanden sein würde.
Der Ungewißheit über ein Rechtsverhältniß steht es
gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist.
Zwanzigster Titel.
Schuldversprechen. Schuldanerkenntniß.
§. 780. Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den
eine Leistung in der Weise versprochen wird, daß das Versprechen die
Verpflichtung selbständig begründen soll (Schuldversprechen), ist, soweit nicht
eine andere Form vorgeschrieben ist, schriftliche Ertheilung des Versprechens
erforderlich.
§. 781. Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den
das Bestehen eines Schuldverhältnisses anerkannt wird (Schuldanerkenntniß), ist
schriftliche Ertheilung der Anerkennungserklärung erforderlich. Ist für die
Begründung des Schuldverhältnisses, dessen Bestehen anerkannt wird, eine andere
Form vorgeschrieben, so bedarf der Anerkennungsvertrag dieser Form.
§. 782. Wird ein Schuldversprechen oder ein
Schuldanerkenntniß auf Grund einer Abrechnung oder im Wege des Vergleichs ertheilt,
so ist die Beobachtung der in den §§. 780, 781 vorgeschriebenen schriftlichen
Form nicht erforderlich.
Einundzwanzigster Titel.
Anweisung.
§. 783. Händigt Jemand eine Urkunde, in der er
einen Anderen anweist, Geld, Werthpapiere oder andere vertretbare Sachen an
einen Dritten zu leisten, dem Dritten aus, so ist dieser ermächtigt, die
Leistung bei dem Angewiesenen im eigenen Namen zu erheben; der Angewiesene ist
ermächtigt, für Rechnung des Anweisenden an den Anweisungsempfänger zu leisten.
§. 784. Nimmt der Angewiesene die Anweisung an, so
ist er dem Anweisungsempfänger gegenüber zur Leistung verpflichtet; er kann ihm
nur solche Einwendungen entgegensetzen, welche die Gültigkeit der Annahme
betreffen oder sich aus dem Inhalte der Anweisung oder dem Inhalte der Annahme
ergeben oder dem Angewiesenen unmittelbar gegen den Anweisungsempfänger
zustehen.
Die Annahme erfolgt durch einen schriftlichen
Vermerk auf der Anweisung. Ist der Vermerk auf die Anweisung vor der
Aushändigung an den Anweisungsempfänger gesetzt worden, so wird die Annahme
diesem gegenüber erst mit der Aushändigung wirksam.
§. 785. Der Angewiesene ist nur gegen Aushändigung
der Anweisung zur Leistung verpflichtet.
§. 786. Der Anspruch des Anweisungsempfängers gegen
den Angewiesenen aus der Annahme verjährt in drei Jahren.
§. 787. Im Falle einer Anweisung auf Schuld wird
der Angewiesene durch die Leistung in deren Höhe von der Schuld befreit.
Zur Annahme der Anweisung oder zur Leistung an den
Anweisungsempfänger ist der Angewiesene dem Anweisenden gegenüber nicht schon
deshalb verpflichtet, weil er Schuldner des Anweisenden ist.
§. 788. Ertheilt der Anweisende die Anweisung zu
dem Zwecke, um seinerseits eine Leistung an den Anweisungsempfänger zu
bewirken, so wird die Leistung, auch wenn der Angewiesene die Anweisung
annimmt, erst mit der Leistung des Angewiesenen an den Anweisungsempfänger
bewirkt.
§. 789. Verweigert der Angewiesene vor dem
Eintritte der Leistungszeit die Annahme der Anweisung oder verweigert er die
Leistung, so hat der Anweisungsempfänger dem Anweisenden unverzüglich Anzeige
zu machen. Das Gleiche gilt, wenn der Anweisungsempfänger die Anweisung nicht
geltend machen kann oder will.
§. 790. Der Anweisende kann die Anweisung dem
Angewiesenen gegenüber widerrufen, solange nicht der Angewiesene sie dem
Anweisungsempfänger gegenüber angenommen oder die Leistung bewirkt hat. Dies
gilt auch dann, wenn der Anweisende durch den Widerruf einer ihm gegen den
Anweisungsempfänger obliegenden Verpflichtung zuwiderhandelt.
§. 791. Die Anweisung erlischt nicht durch den Tod
oder den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit eines der Betheiligten.
§. 792. Der Anweisungsempfänger kann die Anweisung
durch Vertrag mit einem Dritten auf diesen übertragen, auch wenn sie noch nicht
angenommen worden ist. Die Uebertragungserklärung bedarf der schriftlichen
Form. Zur Uebertragung ist die Aushändigung der Anweisung an den Dritten
erforderlich.
Der Anweisende kann die Uebertragung ausschließen.
Die Ausschließung ist dem Angewiesenen gegenüber nur wirksam, wenn sie aus der
Anweisung zu entnehmen ist oder wenn sie von dem Anweisenden dem Angewiesenen
mitgetheilt wird, bevor dieser die Anweisung annimmt oder die Leistung bewirkt.
Nimmt der Angewiesene die Anweisung dem Erwerber
gegenüber an, so kann er aus einem zwischen ihm und dem Anweisungsempfänger
bestehenden Rechtsverhältniß Einwendungen nicht herleiten. Im Uebrigen finden
auf die Uebertragung der Anweisung die für die Abtretung einer Forderung
geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.
Zweiundzwanzigster Titel.
Schuldverschreibung auf den Inhaber.
§. 793. Hat Jemand eine Urkunde ausgestellt, in der
er dem Inhaber der Urkunde eine Leistung verspricht (Schuldverschreibung auf
den Inhaber), so kann der Inhaber von ihm die Leistung nach Maßgabe des
Versprechens verlangen, es sei denn, daß er zur Verfügung über die Urkunde
nicht berechtigt ist. Der Aussteller wird jedoch auch durch die Leistung an
einen nicht zur Verfügung berechtigten Inhaber befreit.
Die Gültigkeit der Unterzeichnung kann durch eine
in die Urkunde aufgenommene Bestimmung von der Beobachtung einer besonderen
Form abhängig gemacht werden. Zur Unterzeichnung genügt eine im Wege der
mechanischen Vervielfältigung hergestellte Namensunterschrift.
§. 794. Der Aussteller wird aus einer
Schuldverschreibung auf den Inhaber auch dann verpflichtet, wenn sie ihm
gestohlen worden oder verloren gegangen oder wenn sie sonst ohne seinen Willen
in den Verkehr gelangt ist.
Auf die Wirksamkeit einer Schuldverschreibung auf
den Inhaber ist es ohne Einfluß, wenn die Urkunde ausgegeben wird, nachdem der
Aussteller gestorben oder geschäftsunfähig geworden ist.
§. 795. Im Inland ausgestellte
Schuldverschreibungen auf den Inhaber, in denen die Zahlung einer bestimmten
Geldsumme versprochen wird, dürfen nur mit staatlicher Genehmigung in den
Verkehr gebracht werden.
Die Genehmigung wird durch die Zentralbehörde des
Bundesstaats ertheilt, in dessen Gebiete der Aussteller seinen Wohnsitz oder
seine gewerbliche Niederlassung hat. Die Ertheilung der Genehmigung und die
Bestimmungen, unter denen sie erfolgt, sollen durch den Deutschen
Reichsanzeiger bekannt gemacht werden.
Eine ohne staatliche Genehmigung in den Verkehr
gelangte Schuldverschreibung ist nichtig; der Aussteller hat dem Inhaber den
durch die Ausgabe verursachten Schaden zu ersetzen.
Diese Vorschriften finden keine Anwendung auf
Schuldverschreibungen, die von dem Reiche oder einem Bundesstaat ausgegeben
werden.
§. 796. Der Aussteller kann dem Inhaber der
Schuldverschreibung nur solche Einwendungen entgegensetzen, welche die
Gültigkeit der Ausstellung betreffen oder sich aus der Urkunde ergeben oder dem
Aussteller unmittelbar gegen den Inhaber zustehen.
§. 797. Der Aussteller ist nur gegen Aushändigung
der Schuldverschreibung zur Leistung verpflichtet. Mit der Aushändigung erwirbt
er das Eigenthum an der Urkunde, auch wenn der Inhaber zur Verfügung über sie
nicht berechtigt ist.
§. 798. Ist eine Schuldverschreibung auf den
Inhaber in Folge einer Beschädigung oder einer Verunstaltung zum Umlaufe nicht
mehr geeignet, so kann der Inhaber, sofern ihr wesentlicher Inhalt und ihre
Unterscheidungsmerkmale noch mit Sicherheit erkennbar sind, von dem Aussteller
die Ertheilung einer neuen Schuldverschreibung auf den Inhaber gegen
Aushändigung der beschädigten oder verunstalteten verlangen.
Die Kosten hat er zu tragen und vorzuschießen.
§. 799. Eine abhanden gekommene oder vernichtete
Schuldverschreibung auf den Inhaber kann, wenn nicht in der Urkunde das
Gegentheil bestimmt ist, im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt
werden. Ausgenommen sind Zins-, Renten- und Gewinnantheilscheine sowie die auf
Sicht zahlbaren unverzinslichen Schuldverschreibungen.
Der Aussteller ist verpflichtet, dem bisherigen
Inhaber auf Verlangen die zur Erwirkung des Aufgebots oder der Zahlungssperre
erforderliche Auskunft zu ertheilen und die erforderlichen Zeugnisse
auszustellen. Die Kosten der Zeugnisse hat der bisherige Inhaber zu tragen und
vorzuschießen.
§. 800. Ist eine Schuldverschreibung auf den
Inhaber für kraftlos erklärt, so kann derjenige, welcher das Ausschlußurtheil
erwirkt hat, von dem Aussteller, unbeschadet der Befugniß, den Anspruch aus der
Urkunde geltend zu machen, die Ertheilung einer neuen Schuldverschreibung auf
den Inhaber an Stelle der für kraftlos erklärten verlangen. Die Kosten hat er
zu tragen und vorzuschießen.
§. 801. Der Anspruch aus einer Schuldverschreibung
auf den Inhaber erlischt mit dem Ablaufe von dreißig Jahren nach dem Eintritte
der für die Leistung bestimmten Zeit, wenn nicht die Urkunde vor dem Ablaufe
der dreißig Jahre dem Aussteller zur Einlösung vorgelegt wird. Erfolgt die
Vorlegung, so verjährt der Anspruch in zwei Jahren von dem Ende der
Vorlegungsfrist an. Der Vorlegung steht die gerichtliche Geltendmachung des
Anspruchs aus der Urkunde gleich.
Bei Zins-, Renten- und Gewinnantheilscheinen
beträgt die Vorlegungsfrist vier Jahre. Die Frist beginnt mit dem Schlusse des
Jahres, in welchem die für die Leistung bestimmte Zeit eintritt.
Die Dauer und der Beginn der Vorlegungsfrist können
von dem Aussteller in der Urkunde anders bestimmt werden.
§. 802. Der Beginn und der Lauf der Vorlegungsfrist
sowie der Verjährung werden durch die Zahlungssperre zu Gunsten des
Antragstellers gehemmt. Die Hemmung beginnt mit der Stellung des Antrags auf
Zahlungssperre; sie endigt mit der Erledigung des Aufgebotsverfahrens und,
falls die Zahlungssperre vor der Einleitung des Verfahrens verfügt worden ist,
auch dann, wenn seit der Beseitigung des der Einleitung entgegenstehenden
Hindernisses sechs Monate verstrichen sind und nicht vorher die Einleitung
beantragt worden ist. Auf diese Frist finden die Vorschriften der §§. 203, 206,
207 entsprechende Anwendung.
§. 803. Werden für eine Schuldverschreibung auf den
Inhaber Zinsscheine ausgegeben, so bleiben die Scheine, sofern sie nicht eine
gegentheilige Bestimmung enthalten, in Kraft, auch wenn die Hauptforderung
erlischt oder die Verpflichtung zur Verzinsung aufgehoben oder geändert wird.
Werden solche Zinsscheine bei der Einlösung der
Hauptschuldverschreibung nicht zurückgegeben, so ist der Aussteller berechtigt,
den Betrag zurückzubehalten, den er nach Abs. 1 für die Scheine zu zahlen
verpflichtet ist.
§. 804. Ist ein Zins-, Renten- oder
Gewinnantheilschein abhanden gekommen oder vernichtet und hat der bisherige
Inhaber den Verlust dem Aussteller vor dem Ablaufe der Vorlegungsfrist
angezeigt, so kann der bisherige Inhaber nach dem Ablaufe der Frist die
Leistung von dem Aussteller verlangen. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn
der abhanden gekommene Schein dem Aussteller zur Einlösung vorgelegt oder der
Anspruch aus dem Scheine gerichtlich geltend gemacht worden ist, es sei denn,
daß die Vorlegung oder die gerichtliche Geltendmachung nach dem Ablaufe der
Frist erfolgt ist. Der Anspruch verjährt in vier Jahren.
In dem Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheine
kann der im Abs. 1 bestimmte Anspruch ausgeschlossen werden.
§. 805. Neue Zins- oder Rentenscheine für eine
Schuldverschreibung auf den Inhaber dürfen an den Inhaber der zum Empfange der
Scheine ermächtigenden Urkunde (Erneuerungsschein) nicht ausgegeben werden,
wenn der Inhaber der Schuldverschreibung der Ausgabe widersprochen hat. Die
Scheine sind in diesem Falle dem Inhaber der Schuldverschreibung auszuhändigen,
wenn er die Schuldverschreibung vorlegt.
§. 806. Die Umschreibung einer auf den Inhaber
lautenden Schuldverschreibung auf den Namen eines bestimmten Berechtigten kann
nur durch den Aussteller erfolgen. Der Aussteller ist zur Umschreibung nicht
verpflichtet.
§. 807. Werden Karten, Marken oder ähnliche
Urkunden, in denen ein Gläubiger nicht bezeichnet ist, von dem Aussteller unter
Umständen ausgegeben, aus welchen sich ergiebt, daß er dem Inhaber zu einer
Leistung verpflichtet sein will, so finden die Vorschriften des §. 793 Abs. 1
und der §§. 794, 796, 797 entsprechende Anwendung.
§. 808. Wird eine Urkunde, in welcher der Gläubiger
benannt ist, mit der Bestimmung ausgegeben, daß die in der Urkunde versprochene
Leistung an jeden Inhaber bewirkt werden kann, so wird der Schuldner durch die
Leistung an den Inhaber der Urkunde befreit. Der Inhaber ist nicht berechtigt,
die Leistung zu verlangen.
Der Schuldner ist nur gegen Aushändigung der
Urkunde zur Leistung verpflichtet. Ist die Urkunde abhanden gekommen oder
vernichtet, so kann sie, wenn nicht ein Anderes bestimmt ist, im Wege des
Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt werden. Die im §. 802 für die
Verjährung gegebenen Vorschriften finden Anwendung.
Dreiundzwanzigster Titel.
Vorlegung von Sachen.
§. 809. Wer gegen den Besitzer einer Sache einen
Anspruch in Ansehung der Sache hat oder sich Gewißheit verschaffen will, ob ihm
ein solcher Anspruch zusteht, kann, wenn die Besichtigung der Sache aus diesem
Grunde für ihn von Interesse ist, verlangen, daß der Besitzer ihm die Sache zur
Besichtigung vorlegt oder die Besichtigung gestattet.
§. 810. Wer ein rechtliches Interesse daran hat,
eine in fremdem Besitze befindliche Urkunde einzusehen, kann von dem Besitzer
die Gestattung der Einsicht verlangen, wenn die Urkunde in seinem Interesse
errichtet oder in der Urkunde ein zwischen ihm und einem Anderen bestehendes
Rechtsverhältniß beurkundet ist oder wenn die Urkunde Verhandlungen über ein
Rechtsgeschäft enthält, die zwischen ihm und einem Anderen oder zwischen einem
von beiden und einem gemeinschaftlichen Vermittler gepflogen worden sind.
§. 811. Die Vorlegung hat in den Fällen der §§.
809, 810 an dem Orte zu erfolgen, an welchem sich die vorzulegende Sache
befindet. Jeder Theil kann die Vorlegung an einem anderen Orte verlangen, wenn
ein wichtiger Grund vorliegt.
Die Gefahr und die Kosten hat derjenige zu tragen,
welcher die Vorlegung verlangt. Der Besitzer kann die Vorlegung verweigern, bis
ihm der andere Theil die Kosten vorschießt und wegen der Gefahr Sicherheit
leistet.
Vierundzwanzigster Titel.
Ungerechtfertigte Bereicherung.
§. 812. Wer durch die Leistung eines Anderen oder
in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist
ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn
der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem
Inhalte des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte
Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
§. 813. Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit
Geleistete kann auch dann zurückgefordert werden, wenn dem Anspruch eine
Einrede entgegenstand, durch welche die Geltendmachung des Anspruchs dauernd
ausgeschlossen wurde. Die Vorschrift des §. 222 Abs. 2 bleibt unberührt.
Wird eine betagte Verbindlichkeit vorzeitig
erfüllt, so ist die Rückforderung ausgeschlossen; die Erstattung von
Zwischenzinsen kann nicht verlangt werden.
§. 814. Das zum Zwecke der Erfüllung einer
Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende
gewußt hat, daß er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung
einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht
entsprach.
§. 815. Die Rückforderung wegen Nichteintritts des
mit einer Leistung bezweckten Erfolges ist ausgeschlossen, wenn der Eintritt
des Erfolges von Anfang an unmöglich war und der Leistende dies gewußt hat oder
wenn der Leistende den Eintritt des Erfolges wider Treu und Glauben verhindert
hat.
§. 816. Trifft ein Nichtberechtigter über einen
Gegenstand eine Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist
er dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten
verpflichtet. Erfolgt die Verfügung unentgeltlich, so trifft die gleiche
Verpflichtung denjenigen, welcher auf Grund der Verfügung unmittelbar einen
rechtlichen Vortheil erlangt.
Wird an einen Nichtberechtigten eine Leistung
bewirkt, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist der
Nichtberechtigte dem Berechtigten zur Herausgabe des Geleisteten verpflichtet.
§. 817. War der Zweck einer Leistung in der Art
bestimmt, daß der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot
oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, so ist der Empfänger zur Herausgabe
verpflichtet. Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden
gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, daß die Leistung
in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen
Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.
§. 818. Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt
sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf
Grund eines erlangten Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung
oder Entziehung des erlangten Gegenstandes erwirbt.
Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des
Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur
Herausgabe außer Stande, so hat er den Werth zu ersetzen.
Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatze
des Werthes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
Von dem Eintritte der Rechtshängigkeit an haftet
der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
§. 819. Kennt der
Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang oder erfährt er
ihn später, so ist er von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntniß an zur
Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit
rechtshängig geworden wäre.
Verstößt der
Empfänger durch die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder
gegen die guten Sitten, so ist er von dem Empfange der Leistung an in der
gleichen Weise verpflichtet.
§. 820. War mit der Leistung ein Erfolg bezweckt,
dessen Eintritt nach dem Inhalte des Rechtsgeschäfts als ungewiß angesehen
wurde, so ist der Empfänger, falls der Erfolg nicht eintritt, zur Herausgabe so
verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zur Zeit des Empfanges
rechtshängig geworden wäre. Das Gleiche gilt, wenn die Leistung aus einem
Rechtsgrunde, dessen Wegfall nach dem Inhalte des Rechtsgeschäfts als möglich
angesehen wurde, erfolgt ist und der Rechtsgrund wegfällt.
Zinsen hat der Empfänger erst von dem Zeitpunkt an
zu entrichten, in welchem er erfährt, daß der Erfolg nicht eingetreten oder daß
der Rechtsgrund weggefallen ist; zur Herausgabe von Nutzungen ist er insoweit
nicht verpflichtet, als er zu dieser Zeit nicht mehr bereichert ist.
§. 821. Wer ohne rechtlichen Grund eine
Verbindlichkeit eingeht, kann die Erfüllung auch dann verweigern, wenn der
Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit verjährt ist.
§. 822. Wendet der Empfänger das Erlangte
unentgeltlich einem Dritten zu, so ist, soweit in Folge dessen die
Verpflichtung des Empfängers zur Herausgabe der Bereicherung ausgeschlossen
ist, der Dritte zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn er die Zuwendung von dem
Gläubiger ohne rechtlichen Grund erhalten hätte.
Fünfundzwanzigster Titel.
Unerlaubte Handlungen.
§. 823. Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben,
den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigenthum oder ein sonstiges
Recht eines Anderen widerrechtlich verletzt, ist dem Anderen zum Ersatze des
daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen,
welcher gegen ein den Schutz eines Anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist
nach dem Inhalte des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden
möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
§. 824. Wer der Wahrheit zuwider eine Thatsache
behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines Anderen zu
gefährden oder sonstige Nachtheile für dessen Erwerb oder Fortkommen
herbeizuführen, hat dem Anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu
ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muß.
Durch eine Mittheilung, deren Unwahrheit dem
Mittheilenden unbekannt ist, wird dieser nicht zum Schadensersatze
verpflichtet, wenn er oder der Empfänger der Mittheilung an ihr ein
berechtigtes Interesse hat.
§. 825. Wer eine Frauensperson durch Hinterlist,
durch Drohung oder unter Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses zur
Gestattung der außerehelichen Beiwohnung bestimmt, ist ihr zum Ersatze des
daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
§. 826. Wer in einer gegen die guten Sitten
verstoßenden Weise einem Anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem Anderen
zum Ersatze des Schadens verpflichtet.
§. 827. Wer im Zustande der Bewußtlosigkeit oder in
einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung
der Geistesthätigkeit einem Anderen Schaden zufügt, ist für den Schaden nicht
verantwortlich. Hat er sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel in
einen vorübergehenden Zustand dieser Art versetzt, so ist er für einen Schaden,
den er in diesem Zustande widerrechtlich verursacht, in gleicher Weise
verantwortlich, wie wenn ihm Fahrlässigkeit zur Last fiele; die
Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er ohne Verschulden in den Zustand
gerathen ist.
§. 828. Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet
hat, ist für einen Schaden, den er einem Anderen zufügt, nicht verantwortlich.
Wer das siebente, aber nicht das achtzehnte
Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem Anderen zufügt,
nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht
die zur Erkenntniß der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. Das
Gleiche gilt von einem Taubstummen.
§. 829. Wer in einem der in den §§. 823 bis 826
bezeichneten Fälle für einen von ihm verursachten Schaden auf Grund der §§.
827, 828 nicht verantwortlich ist, hat gleichwohl, sofern der Ersatz des
Schadens nicht von einem aufsichtspflichtigen Dritten erlangt werden kann, den
Schaden insoweit zu ersetzen, als die Billigkeit nach den Umständen,
insbesondere nach den Verhältnissen der Betheiligten, eine Schadloshaltung
erfordert und ihm nicht die Mittel entzogen werden, deren er zum standesmäßigen
Unterhalte sowie zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.
§. 830. Haben Mehrere durch eine gemeinschaftlich
begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den
Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln läßt, wer
von mehreren Betheiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.
Anstifter und Gehülfen stehen Mitthätern gleich.
§. 831. Wer einen Anderen zu einer Verrichtung
bestellt, ist zum Ersatze des Schadens verpflichtet, den der Andere in
Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die
Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der
bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Geräthschaften zu
beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der
Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet
oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen,
welcher für den Geschäftsherrn die Besorgung eines der im Abs. 1 Satz 2
bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernimmt.
§. 832. Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht
über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres
geistigen oder körperlichen Zustandes der Beaufsichtigung bedarf, ist zum
Ersatze des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten
widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner
Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger
Aufsichtsführung entstanden sein würde.
Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen,
welcher die Führung der Aufsicht durch Vertrag übernimmt.
§. 833. Wird durch ein Thier ein Mensch getödtet
oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache
beschädigt, so ist derjenige, welcher das Thier hält, verpflichtet, dem
Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt
nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Berufe,
der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalte des Tierhalters zu dienen bestimmt
ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im
Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung
dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
§. 834. Wer für denjenigen, welcher ein Thier hält,
die Führung der Aufsicht über das Thier durch Vertrag übernimmt, ist für den
Schaden verantwortlich, den das Thier einem Dritten in der im §. 833 bezeichneten
Weise zufügt. Die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung
der Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der
Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
§. 835. Wird durch Schwarz-, Roth-, Elch-, Dam-
oder Rehwild oder durch Fasanen ein Grundstück beschädigt, an welchem dem
Eigenthümer das Jagdrecht nicht zusteht, so ist der Jagdberechtigte
verpflichtet, dem Verletzten den Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht
erstreckt sich auf den Schaden, den die Thiere an den getrennten, aber noch
nicht eingeernteten Erzeugnissen des Grundstücks anrichten.
Ist dem Eigenthümer die Ausübung des ihm
zustehenden Jagdrechts durch das Gesetz entzogen, so hat derjenige den Schaden
zu ersetzen, welcher zur Ausübung des Jagdrechts nach dem Gesetze berechtigt
ist. Hat der Eigenthümer eines Grundstücks, auf dem das Jagdrecht wegen der
Lage des Grundstücks nur gemeinschaftlich mit dem Jagdrecht auf einem anderen
Grundstück ausgeübt werden darf, das Jagdrecht dem Eigenthümer dieses
Grundstücks verpachtet, so ist der letztere für den Schaden verantwortlich.
Sind die Eigenthümer der Grundstücke eines Bezirkes
zum Zwecke der gemeinschaftlichen Ausübung des Jagdrechts durch das Gesetz zu
einem Verbande vereinigt, der nicht als solcher haftet, so sind sie nach dem
Verhältnisse der Größe ihrer Grundstücke ersatzpflichtig.
§. 836. Wird durch den Einsturz eines Gebäudes oder
eines anderen mit einem Grundstücke verbundenen Werkes oder durch die Ablösung
von Theilen des Gebäudes oder des Werkes ein Mensch getödtet, der Körper oder
die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der
Besitzer des Grundstücks, sofern der Einsturz oder die Ablösung die Folge
fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung ist, verpflichtet, dem
Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt
nicht ein, wenn der Besitzer zum Zwecke der Abwendung der Gefahr die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt beobachtet hat.
Ein früherer Besitzer des Grundstücks ist für den
Schaden verantwortlich, wenn der Einsturz oder die Ablösung innerhalb eines
Jahres nach der Beendigung seines Besitzes eintritt, es sei denn, daß er
während seines Besitzes die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder
ein späterer Besitzer durch Beobachtung dieser Sorgfalt die Gefahr hätte
abwenden können.
Besitzer im Sinne dieser Vorschriften ist der
Eigenbesitzer.
§. 837. Besitzt Jemand auf einem fremden Grundstück
in Ausübung eines Rechtes ein Gebäude oder ein anderes Werk, so trifft ihn an
Stelle des Besitzers des Grundstücks die im §. 836 bestimmte
Verantwortlichkeit.
§. 838. Wer die Unterhaltung eines Gebäudes oder
eines mit einem Grundstücke verbundenen Werkes für den Besitzer übernimmt oder
das Gebäude oder das Werk vermöge eines ihm zustehenden Nutzungsrechts zu
unterhalten hat, ist für den durch den Einsturz oder die Ablösung von Theilen
verursachten Schaden in gleicher Weise verantwortlich wie der Besitzer.
§. 839. Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig
die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten
den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur
Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn
der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
Verletzt ein Beamter bei dem Urtheil in einer
Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden
nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung mit einer im Wege des
gerichtlichen Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Strafe bedroht ist.
Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amtes
findet diese Vorschrift keine Anwendung.
Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der
Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch
Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
§. 840. Sind für den aus einer unerlaubten Handlung
entstehenden Schaden Mehrere neben einander verantwortlich, so haften sie,
vorbehaltlich der Vorschrift des §. 835 Abs. 3, als Gesammtschuldner.
Ist neben demjenigen, welcher nach den §§. 831, 832
zum Ersatze des von einem Anderen verursachten Schadens verpflichtet ist, auch
der Andere für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnisse zu
einander der Andere allein, im Falle des §. 829 der Aufsichtspflichtige allein
verpflichtet.
Ist neben demjenigen, welcher nach den §§. 833 bis
838 zum Ersatze des Schadens verpflichtet ist, ein Dritter für den Schaden
verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnisse zu einander der Dritte allein
verpflichtet.
§. 841. Ist ein Beamter, der vermöge seiner
Amtspflicht einen Anderen zur Geschäftsführung für einen Dritten zu bestellen
oder eine solche Geschäftsführung zu beaufsichtigen oder durch Genehmigung von
Rechtsgeschäften bei ihr mitzuwirken hat, wegen Verletzung dieser Pflichten
neben dem Anderen für den von diesem verursachten Schaden verantwortlich, so
ist in ihrem Verhältnisse zu einander der Andere allein verpflichtet.
§. 842. Die Verpflichtung zum Schadensersatze wegen
einer gegen die Person gerichteten unerlaubten Handlung erstreckt sich auf die
Nachtheile, welche die Handlung für den Erwerb oder das Fortkommen des
Verletzten herbeiführt.
§. 843. Wird in Folge einer Verletzung des Körpers
oder der Gesundheit die Erwerbsfähigkeit des Verletzten aufgehoben oder
gemindert oder tritt eine Vermehrung seiner Bedürfnisse ein, so ist dem
Verletzten durch Entrichtung einer Geldrente Schadensersatz zu leisten.
Auf die Rente finden die Vorschriften des §. 760
Anwendung. Ob, in welcher Art und für welchen Betrag der Ersatzpflichtige
Sicherheit zu leisten hat, bestimmt sich nach den Umständen.
Statt der Rente kann der Verletzte eine Abfindung
in Kapital verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
Der Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß
ein Anderer dem Verletzten Unterhalt zu gewähren hat.
§. 844. Im Falle der Tödtung hat der
Ersatzpflichtige die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, welchem die
Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen.
Stand der Getödtete zur Zeit der Verletzung zu
einem Dritten in einem Verhältnisse, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft
Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und
ist dem Dritten in Folge der Tödtung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so
hat der Ersatzpflichtige dem Dritten durch Entrichtung einer Geldrente insoweit
Schadensersatz zu leisten, als der Getödtete während der muthmaßlichen Dauer
seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde; die
Vorschriften des §. 843 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende Anwendung. Die
Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung
erzeugt, aber noch nicht geboren war.
§. 845. Im Falle der Tödtung, der Verletzung des
Körpers oder der Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung hat der
Ersatzpflichtige, wenn der Verletzte kraft Gesetzes einem Dritten zur Leistung
von Diensten in dessen Hauswesen oder Gewerbe verpflichtet war, dem Dritten für
die entgehenden Dienste durch Entrichtung einer Geldrente Ersatz zu leisten.
Die Vorschriften des §. 843 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende Anwendung.
§. 846. Hat in den Fällen der §§. 844, 845 bei der
Entstehung des Schadens, den der Dritte erleidet, ein Verschulden des
Verletzten mitgewirkt, so finden auf den Anspruch des Dritten die Vorschriften
des §. 254 Anwendung.
§. 847. Im Falle der Verletzung des Körpers oder
der Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung kann der Verletzte auch
wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung
in Geld verlangen. Der Anspruch ist nicht übertragbar und geht nicht auf die
Erben über, es sei denn, daß er durch Vertrag anerkannt oder daß er
rechtshängig geworden ist.
Ein gleicher Anspruch steht einer Frauensperson zu,
gegen die ein Verbrechen oder Vergehen wider die Sittlichkeit begangen oder die
durch Hinterlist, durch Drohung oder unter Mißbrauch eines
Abhängigkeitsverhältnisses zur Gestattung der außerehelichen Beiwohnung
bestimmt wird.
§. 848. Wer zur Rückgabe einer Sache verpflichtet
ist, die er einem Anderen durch eine unerlaubte Handlung entzogen hat, ist auch
für den zufälligen Untergang, eine aus einem anderen Grunde eintretende
zufällige Unmöglichkeit der Herausgabe oder eine zufällige Verschlechterung der
Sache verantwortlich, es sei denn, daß der Untergang, die anderweitige
Unmöglichkeit der Herausgabe oder die Verschlechterung auch ohne die Entziehung
eingetreten sein würde.
§. 849. Ist wegen der Entziehung einer Sache der
Werth oder wegen der Beschädigung einer Sache die Werthminderung zu ersetzen, so
kann der Verletzte Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an
verlangen, welcher der Bestimmung des Werthes zu Grunde gelegt wird.
§. 850. Macht der zur Herausgabe einer entzogenen
Sache Verpflichtete Verwendungen auf die Sache, so stehen ihm dem Verletzten
gegenüber die Rechte zu, die der Besitzer dem Eigenthümer gegenüber wegen
Verwendungen hat.
§. 851. Leistet der wegen der Entziehung oder
Beschädigung einer beweglichen Sache zum Schadensersatze Verpflichtete den
Ersatz an denjenigen, in dessen Besitze sich die Sache zur Zeit der Entziehung
oder der Beschädigung befunden hat, so wird er durch die Leistung auch dann
befreit, wenn ein Dritter Eigenthümer der Sache war oder ein sonstiges Recht an
der Sache hatte, es sei denn, daß ihm das Recht des Dritten bekannt oder in
Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist.
§. 852. Der Anspruch auf Ersatz des aus einer
unerlaubten Handlung entstandenen Schadens verjährt in drei Jahren von dem
Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des
Ersatzpflichtigen Kenntniß erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntniß in
dreißig Jahren von der Begehung der Handlung an.
Hat der Ersatzpflichtige durch die unerlaubte
Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach der Vollendung
der Verjährung zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer
ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet.
§. 853. Erlangt Jemand durch eine von ihm begangene
unerlaubte Handlung eine Forderung gegen den Verletzten, so kann der Verletzte
die Erfüllung auch dann verweigern, wenn der Anspruch auf Aufhebung der
Forderung verjährt ist.
Drittes Buch.
Sachenrecht.
Erster Abschnitt.
Besitz.
§. 854. Der Besitz einer Sache wird durch die
Erlangung der thatsächlichen Gewalt über die Sache erworben.
Die Einigung des bisherigen Besitzers und des
Erwerbers genügt zum Erwerbe, wenn der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt
über die Sache auszuüben.
§. 855. Uebt Jemand die thatsächliche Gewalt über
eine Sache für einen Anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in
einem ähnlichen Verhältniß aus, vermöge dessen er den sich auf die Sache
beziehenden Weisungen des Anderen Folge zu leisten hat, so ist nur der Andere
Besitzer.
§. 856. Der Besitz wird dadurch beendigt, daß der
Besitzer die thatsächliche Gewalt über die Sache aufgiebt oder in anderer Weise
verliert.
Durch eine ihrer Natur nach vorübergehende
Verhinderung in der Ausübung der Gewalt wird der Besitz nicht beendigt.
§. 857. Der Besitz geht auf den Erben über.
§. 858. Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den
Besitz entzieht oder ihn im Besitze stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die
Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).
Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist
fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit muß der Nachfolger im Besitze gegen sich
gelten lassen, wenn er Erbe des Besitzers ist oder die Fehlerhaftigkeit des
Besitzes seines Vorgängers bei dem Erwerbe kennt.
§. 859. Der Besitzer darf sich verbotener
Eigenmacht mit Gewalt erwehren.
Wird eine bewegliche Sache dem Besitzer mittelst
verbotener Eigenmacht weggenommen, so darf er sie dem auf frischer That
betroffenen oder verfolgten Thäter mit Gewalt wiederabnehmen.
Wird dem Besitzer eines Grundstücks der Besitz
durch verbotene Eigenmacht entzogen, so darf er sofort nach der Entziehung sich
des Besitzes durch Entsetzung des Thäters wiederbemächtigen.
Die gleichen Rechte stehen dem Besitzer gegen
denjenigen zu, welcher nach §. 858 Abs. 2 die Fehlerhaftigkeit des Besitzes
gegen sich gelten lassen muß.
§. 860. Zur Ausübung der dem Besitzer nach §. 859
zustehenden Rechte ist auch derjenige befugt, welcher die thatsächliche Gewalt
nach §. 855 für den Besitzer ausübt.
§. 861. Wird der Besitz durch verbotene Eigenmacht
dem Besitzer entzogen, so kann dieser die Wiedereinräumung des Besitzes von
demjenigen verlangen, welcher ihm gegenüber fehlerhaft besitzt.
Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der entzogene
Besitz dem gegenwärtigen Besitzer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber
fehlerhaft war und in dem letzten Jahre vor der Entziehung erlangt worden ist.
§. 862. Wird der Besitzer durch verbotene
Eigenmacht im Besitze gestört, so kann er von dem Störer die Beseitigung der
Störung verlangen. Sind weitere Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf
Unterlassung klagen.
Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer
dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft besitzt und der
Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt worden ist.
§. 863. Gegenüber den in den §§. 861, 862 bestimmten
Ansprüchen kann ein Recht zum Besitz oder zur Vornahme der störenden Handlung
nur zur Begründung der Behauptung geltend gemacht werden, daß die Entziehung
oder die Störung des Besitzes nicht verbotene Eigenmacht sei.
§. 864. Ein nach den §§. 861, 862 begründeter
Anspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres nach der Verübung der verbotenen
Eigenmacht, wenn nicht vorher der Anspruch im Wege der Klage geltend gemacht
wird.
Das Erlöschen tritt auch dann ein, wenn nach der
Verübung der verbotenen Eigenmacht durch rechtskräftiges Urtheil festgestellt
wird, daß dem Thäter ein Recht an der Sache zusteht, vermöge dessen er die
Herstellung eines seiner Handlungsweise entsprechenden Besitzstandes verlangen
kann.
§. 865. Die Vorschriften der §§. 858 bis 864 gelten
auch zu Gunsten desjenigen, welcher nur einen Theil einer Sache, insbesondere
abgesonderte Wohnräume oder andere Räume, besitzt.
§. 866. Besitzen Mehrere eine Sache
gemeinschaftlich, so findet in ihrem Verhältnisse zu einander ein Besitzschutz
insoweit nicht statt, als es sich um die Grenzen des den Einzelnen zustehenden
Gebrauchs handelt.
§. 867. Ist eine Sache aus der Gewalt des Besitzers
auf ein im Besitz eines Anderen befindliches Grundstück gelangt, so hat ihm der
Besitzer des Grundstücks die Aufsuchung und die Wegschaffung zu gestatten,
sofern nicht die Sache inzwischen in Besitz genommen worden ist. Der Besitzer
des Grundstücks kann Ersatz des durch die Aufsuchung und die Wegschaffung
entstehenden Schadens verlangen. Er kann, wenn die Entstehung eines Schadens zu
besorgen ist, die Gestattung verweigern, bis ihm Sicherheit geleistet wird; die
Verweigerung ist unzulässig, wenn mit dem Aufschube Gefahr verbunden ist.
§. 868. Besitzt Jemand eine Sache als Nießbraucher,
Pfandgläubiger, Pächter, Miether, Verwahrer oder in einem ähnlichen
Verhältnisse, vermöge dessen er einem Anderen gegenüber auf Zeit zum Besitze
berechtigt oder verpflichtet ist, so ist auch der Andere Besitzer (mittelbarer
Besitz).
§. 869. Wird gegen den Besitzer verbotene
Eigenmacht verübt, so stehen die in den §§. 861, 862 bestimmten Ansprüche auch
dem mittelbaren Besitzer zu. Im Falle der Entziehung des Besitzes ist der
mittelbare Besitzer berechtigt, die Wiedereinräumung des Besitzes an den
bisherigen Besitzer zu verlangen; kann oder will dieser den Besitz nicht
wiederübernehmen, so kann der mittelbare Besitzer verlangen, daß ihm selbst der
Besitz eingeräumt wird. Unter der gleichen Voraussetzung kann er im Falle des
§. 867 verlangen, daß ihm die Aufsuchung und Wegschaffung der Sache gestattet
wird.
§. 870. Der mittelbare Besitz kann dadurch auf
einen Anderen übertragen werden, daß diesem der Anspruch auf Herausgabe der
Sache abgetreten wird.
§. 871. Steht der mittelbare Besitzer zu einem
Dritten in einem Verhältnisse der im §. 868 bezeichneten Art, so ist auch der
Dritte mittelbarer Besitzer.
§. 872. Wer eine Sache als ihm gehörend besitzt,
ist Eigenbesitzer.
Zweiter Abschnitt.
Allgemeine Vorschriften über Rechte an
Grundstücken.
§. 873. Zur Uebertragung des Eigenthums an einem
Grundstücke, zur Belastung eines Grundstücks mit einem Rechte sowie zur
Uebertragung oder Belastung eines solchen Rechtes ist die Einigung des
Berechtigten und des anderen Theiles über den Eintritt der Rechtsänderung und
die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich, soweit nicht
das Gesetz ein Anderes vorschreibt.
Vor der Eintragung sind die Betheiligten an die
Einigung nur gebunden, wenn die Erklärungen gerichtlich oder notariell
beurkundet oder vor dem Grundbuchamt abgegeben oder bei diesem eingereicht sind
oder wenn der Berechtigte dem anderen Theile eine den Vorschriften der
Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt hat.
§. 874. Bei der Eintragung eines Rechtes, mit dem
ein Grundstück belastet wird, kann zur näheren Bezeichnung des Inhalts des
Rechtes auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden, soweit nicht das
Gesetz ein Anderes vorschreibt.
§. 875. Zur Aufhebung eines Rechtes an einem
Grundstück ist, soweit nicht das Gesetz ein Anderes vorschreibt, die Erklärung
des Berechtigten, daß er das Recht aufgebe, und die Löschung des Rechtes im
Grundbuch erforderlich. Die Erklärung ist dem Grundbuchamt oder demjenigen
gegenüber abzugeben, zu dessen Gunsten sie erfolgt.
Vor der Löschung ist der Berechtigte an seine Erklärung
nur gebunden, wenn er sie dem Grundbuchamte gegenüber abgegeben oder
demjenigen, zu dessen Gunsten sie erfolgt, eine den Vorschriften der
Grundbuchordnung entsprechende Löschungsbewilligung ausgehändigt hat.
§. 876. Ist ein Recht an einem Grundstücke mit dem
Rechte eines Dritten belastet, so ist zur Aufhebung des belasteten Rechtes die
Zustimmung des Dritten erforderlich. Steht das aufzuhebende Recht dem
jeweiligen Eigenthümer eines anderen Grundstücks zu, so ist, wenn dieses
Grundstück mit dem Rechte eines Dritten belastet ist, die Zustimmung des
Dritten erforderlich, es sei denn, daß dessen Recht durch die Aufhebung nicht
berührt wird. Die Zustimmung ist dem Grundbuchamt oder demjenigen gegenüber zu
erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt; sie ist unwiderruflich.
§. 877. Die Vorschriften der §§. 873, 874, 876
finden auch auf Aenderungen des Inhalts eines Rechtes an einem Grundstück
Anwendung.
§. 878. Eine von dem Berechtigten in Gemäßheit der
§§. 873, 875, 877 abgegebene Erklärung wird nicht dadurch unwirksam, daß der
Berechtigte in der Verfügung beschränkt wird, nachdem die Erklärung für ihn
bindend geworden und der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamte gestellt
worden ist.
§. 879. Das Rangverhältniß unter mehreren Rechten,
mit denen ein Grundstück belastet ist, bestimmt sich, wenn die Rechte in
derselben Abtheilung des Grundbuchs eingetragen sind, nach der Reihenfolge der
Eintragungen. Sind die Rechte in verschiedenen Abtheilungen eingetragen, so hat
das unter Angabe eines früheren Tages eingetragene Recht den Vorrang; Rechte,
die unter Angabe desselben Tages eingetragen sind, haben gleichen Rang.
Die Eintragung ist für das Rangverhältniß auch dann
maßgebend, wenn die nach §. 873 zum Erwerbe des Rechtes erforderliche Einigung
erst nach der Eintragung zu Stande gekommen ist.
Eine abweichende Bestimmung des Rangverhältnisses
bedarf der Eintragung in das Grundbuch.
§. 880. Das Rangverhältniß kann nachträglich
geändert werden.
Zu der Rangänderung ist die Einigung des
zurücktretenden und des vortretenden Berechtigten und die Eintragung der
Aenderung in das Grundbuch erforderlich; die Vorschriften des §. 873 Abs. 2 und
des §. 878 finden Anwendung. Soll eine Hypothek, eine Grundschuld oder eine
Rentenschuld zurücktreten, so ist außerdem die Zustimmung des Eigenthümers
erforderlich. Die Zustimmung ist dem Grundbuchamt oder einem der Betheiligten
gegenüber zu erklären; sie ist unwiderruflich.
Ist das zurücktretende Recht mit dem Rechte eines
Dritten belastet, so finden die Vorschriften des §. 876 entsprechende
Anwendung.
Der dem vortretenden Rechte eingeräumte Rang geht
nicht dadurch verloren, daß das zurücktretende Recht durch Rechtsgeschäft
aufgehoben wird.
Rechte, die den Rang zwischen dem zurücktretenden
und dem vortretenden Rechte haben, werden durch die Rangänderung nicht berührt.
§. 881. Der Eigenthümer kann sich bei der Belastung
des Grundstücks mit einem Rechte die Befugniß vorbehalten, ein anderes, dem
Umfange nach bestimmtes Recht mit dem Range vor jenem Rechte eintragen zu
lassen.
Der Vorbehalt bedarf der Eintragung in das
Grundbuch; die Eintragung muß bei dem Rechte erfolgen, das zurücktreten soll.
Wird das Grundstück veräußert, so geht die
vorbehaltene Befugniß auf den Erwerber über.
Ist das Grundstück vor der Eintragung des Rechtes,
dem der Vorrang beigelegt ist, mit einem Rechte ohne einen entsprechenden
Vorbehalt belastet worden, so hat der Vorrang insoweit keine Wirkung, als das
mit dem Vorbehalt eingetragene Recht in Folge der inzwischen eingetretenen
Belastung eine über den Vorbehalt hinausgehende Beeinträchtigung erleiden
würde.
§. 882. Wird ein Grundstück mit einem Rechte
belastet, für welches nach den für die Zwangsversteigerung geltenden
Vorschriften dem Berechtigten im Falle des Erlöschens durch den Zuschlag der
Werth aus dem Erlöse zu ersetzen ist, so kann der Höchstbetrag des Ersatzes
bestimmt werden. Die Bestimmung bedarf der Eintragung in das Grundbuch.
§. 883. Zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung
oder Aufhebung eines Rechtes an einem Grundstück oder an einem das Grundstück
belastenden Rechte oder auf Aenderung des Inhalts oder des Ranges eines solchen
Rechtes kann eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen werden. Die
Eintragung einer Vormerkung ist auch zur Sicherung eines künftigen oder eines
bedingten Anspruchs zulässig.
Eine Verfügung, die nach der Eintragung der
Vormerkung über das Grundstück oder das Recht getroffen wird, ist insoweit
unwirksam, als sie den Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würde. Dies gilt
auch, wenn die Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung oder der
Arrestvollziehung oder durch den Konkursverwalter erfolgt.
Der Rang des Rechtes, auf dessen Einräumung der
Anspruch gerichtet ist, bestimmt sich nach der Eintragung der Vormerkung.
§. 884. Soweit der Anspruch durch die Vormerkung
gesichert ist, kann sich der Erbe des Verpflichteten nicht auf die Beschränkung
seiner Haftung berufen.
§. 885. Die Eintragung einer Vormerkung erfolgt auf
Grund einer einstweiligen Verfügung oder auf Grund der Bewilligung desjenigen,
dessen Grundstück oder dessen Recht von der Vormerkung betroffen wird. Zur
Erlassung der einstweiligen Verfügung ist nicht erforderlich, daß eine
Gefährdung des zu sichernden Anspruchs glaubhaft gemacht wird.
Bei der Eintragung kann zur näheren Bezeichnung des
zu sichernden Anspruchs auf die einstweilige Verfügung oder die
Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden.
§. 886. Steht demjenigen, dessen Grundstück oder
dessen Recht von der Vormerkung betroffen wird, eine Einrede zu, durch welche
die Geltendmachung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs dauernd
ausgeschlossen wird, so kann er von dem Gläubiger die Beseitigung der
Vormerkung verlangen.
§. 887. Ist der Gläubiger, dessen Anspruch durch
die Vormerkung gesichert ist, unbekannt, so kann er im Wege des
Aufgebotsverfahrens mit seinem Rechte ausgeschlossen werden, wenn die im §.
1170 für die Ausschließung eines Hypothekengläubigers bestimmten
Voraussetzungen vorliegen. Mit der Erlassung des Ausschlußurtheils erlischt die
Wirkung der Vormerkung.
§. 888. Soweit der Erwerb eines eingetragenen
Rechtes oder eines Rechtes an einem solchen Rechte gegenüber demjenigen, zu
dessen Gunsten die Vormerkung besteht, unwirksam ist, kann dieser von dem
Erwerber die Zustimmung zu der Eintragung oder der Löschung verlangen, die zur
Verwirklichung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs erforderlich ist.
Das Gleiche gilt, wenn der Anspruch durch ein
Veräußerungsverbot gesichert ist.
§. 889. Ein Recht an einem fremden Grundstück
erlischt nicht dadurch, daß der Eigenthümer des Grundstücks das Recht oder der
Berechtigte das Eigenthum an dem Grundstück erwirbt.
§. 890. Mehrere Grundstücke können dadurch zu einem
Grundstücke vereinigt werden, daß der Eigenthümer sie als ein Grundstück in das
Grundbuch eintragen läßt.
Ein Grundstück kann dadurch zum Bestandtheil eines
anderen Grundstücks gemacht werden, daß der Eigenthümer es diesem im Grundbuche
zuschreiben läßt.
§. 891. Ist im Grundbuche für Jemand ein Recht
eingetragen, so wird vermuthet, daß ihm das Recht zustehe.
Ist im Grundbuch ein eingetragenes Recht gelöscht,
so wird vermuthet, daß das Recht nicht bestehe.
§. 892. Zu Gunsten desjenigen, welcher ein Recht an
einem Grundstück oder ein Recht an einem solchen Rechte durch Rechtsgeschäft
erwirbt, gilt der Inhalt des Grundbuchs als richtig, es sei denn, daß ein
Widerspruch gegen die Richtigkeit eingetragen oder die Unrichtigkeit dem
Erwerber bekannt ist. Ist der Berechtigte in der Verfügung über ein im
Grundbuch eingetragenes Recht zu Gunsten einer bestimmten Person beschränkt, so
ist die Beschränkung dem Erwerber gegenüber nur wirksam, wenn sie aus dem
Grundbuch ersichtlich oder dem Erwerber bekannt ist.
Ist zu dem Erwerbe des Rechtes die Eintragung
erforderlich, so ist für die Kenntniß des Erwerbers die Zeit der Stellung des
Antrags auf Eintragung oder, wenn die nach §. 873 erforderliche Einigung erst
später zu Stande kommt, die Zeit der Einigung maßgebend.
§. 893. Die Vorschriften des §. 892 finden
entsprechende Anwendung, wenn an denjenigen, für welchen ein Recht im Grundbuch
eingetragen ist, auf Grund dieses Rechtes eine Leistung bewirkt oder wenn
zwischen ihm und einem Anderen in Ansehung dieses Rechtes ein nicht unter die
Vorschriften des §. 892 fallendes Rechtsgeschäft vorgenommen wird, das eine
Verfügung über das Recht enthält.
§. 894. Steht der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung
eines Rechtes an dem Grundstück, eines Rechtes an einem solchen Rechte oder
einer Verfügungsbeschränkung der im §. 892 Abs. 1 bezeichneten Art mit der
wirklichen Rechtslage nicht im Einklange, so kann derjenige, dessen Recht nicht
oder nicht richtig eingetragen oder durch die Eintragung einer nicht
bestehenden Belastung oder Beschränkung beeinträchtigt ist, die Zustimmung zu
der Berichtigung des Grundbuchs von demjenigen verlangen, dessen Recht durch
die Berichtigung betroffen wird.
§. 895. Kann die Berichtigung des Grundbuchs erst
erfolgen, nachdem das Recht des nach §. 894 Verpflichteten eingetragen worden
ist, so hat dieser auf Verlangen sein Recht eintragen zu lassen.
§. 896. Ist zur Berichtigung des Grundbuchs die
Vorlegung eines Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentenschuldbriefs erforderlich,
so kann derjenige, zu dessen Gunsten die Berichtigung erfolgen soll, von dem
Besitzer des Briefes verlangen, daß der Brief dem Grundbuchamte vorgelegt wird.
§. 897. Die Kosten der Berichtigung des Grundbuchs
und der dazu erforderlichen Erklärungen hat derjenige zu tragen, welcher die
Berichtigung verlangt, sofern nicht aus einem zwischen ihm und dem
Verpflichteten bestehenden Rechtsverhältnisse sich ein Anderes ergiebt.
§. 898. Die in den §§. 894 bis 896 bestimmten
Ansprüche unterliegen nicht der Verjährung.
§. 899. In den Fällen des §. 894 kann ein
Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen werden.
Die Eintragung erfolgt auf Grund einer
einstweiligen Verfügung oder auf Grund einer Bewilligung desjenigen, dessen
Recht durch die Berichtigung des Grundbuchs betroffen wird. Zur Erlassung der
einstweiligen Verfügung ist nicht erforderlich, daß eine Gefährdung des Rechtes
des Widersprechenden glaubhaft gemacht wird.
§. 900. Wer als Eigenthümer eines Grundstücks im
Grundbuch eingetragen ist, ohne daß er das Eigenthum erlangt hat, erwirbt das
Eigenthum, wenn die Eintragung dreißig Jahre bestanden und er während dieser
Zeit das Grundstück im Eigenbesitze gehabt hat. Die dreißigjährige Frist wird
in derselben Weise berechnet wie die Frist für die Ersitzung einer beweglichen
Sache. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange ein Widerspruch gegen die
Richtigkeit der Eintragung im Grundbuch eingetragen ist.
Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung,
wenn für Jemand ein ihm nicht zustehendes anderes Recht im Grundbuch
eingetragen ist, das zum Besitze des Grundstücks berechtigt oder dessen
Ausübung nach den für den Besitz geltenden Vorschriften geschützt ist. Für den
Rang des Rechtes ist die Eintragung maßgebend.
§. 901. Ist ein Recht an einem fremden Grundstück
im Grundbuche mit Unrecht gelöscht, so erlischt es, wenn der Anspruch des
Berechtigten gegen den Eigenthümer verjährt ist. Das Gleiche gilt, wenn ein
kraft Gesetzes entstandenes Recht an einem fremden Grundstücke nicht in das
Grundbuch eingetragen worden ist.
§. 902. Die Ansprüche aus eingetragenen Rechten
unterliegen nicht der Verjährung. Dies gilt nicht für Ansprüche, die auf
Rückstände wiederkehrender Leistungen oder auf Schadensersatz gerichtet sind.
Ein Recht, wegen dessen ein Widerspruch gegen die
Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen ist, steht einem eingetragenen Rechte
gleich.
Dritter Abschnitt.
Eigenthum.
Erster Titel.
Inhalt des Eigenthums.
§. 903. Der Eigenthümer einer Sache kann, soweit
nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach
Belieben verfahren und Andere von jeder Einwirkung ausschließen.
§. 904. Der Eigenthümer einer Sache ist nicht
berechtigt, die Einwirkung eines Anderen auf die Sache zu verbieten, wenn die
Einwirkung zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr nothwendig und der drohende
Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigenthümer entstehenden Schaden
unverhältnißmäßig groß ist. Der Eigenthümer kann Ersatz des ihm entstehenden
Schadens verlangen.
§. 905. Das Recht des Eigenthümers eines
Grundstücks erstreckt sich auf den Raum über der Oberfläche und auf den
Erdkörper unter der Oberfläche. Der Eigenthümer kann jedoch Einwirkungen nicht
verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, daß er an der
Ausschließung kein Interesse hat.
§. 906. Der Eigenthümer eines Grundstücks kann die
Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch,
Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende
Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines
Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt oder durch eine
Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird, die nach den örtlichen
Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage gewöhnlich ist. Die Zuführung durch
eine besondere Leitung ist unzulässig.
§. 907. Der Eigenthümer eines Grundstücks kann
verlangen, daß auf den Nachbargrundstücken nicht Anlagen hergestellt oder
gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß ihr Bestand
oder ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf sein Grundstück zur Folge
hat. Genügt eine Anlage den landesgesetzlichen Vorschriften, die einen
bestimmten Abstand von der Grenze oder sonstige Schutzmaßregeln vorschreiben,
so kann die Beseitigung der Anlage erst verlangt werden, wenn die unzulässige
Einwirkung thatsächlich hervortritt.
Bäume und Sträucher gehören nicht zu den Anlagen im
Sinne dieser Vorschriften.
§. 908. Droht einem Grundstücke die Gefahr, daß es durch
den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen Werkes, das mit einem
Nachbargrundstücke verbunden ist, oder durch die Ablösung von Theilen des
Gebäudes oder des Werkes beschädigt wird, so kann der Eigenthümer von
demjenigen, welcher nach dem §. 836 Abs. 1 oder den §§. 837, 838 für den
eintretenden Schaden verantwortlich sein würde, verlangen, daß er die zur
Abwendung der Gefahr erforderliche Vorkehrung trifft.
§. 909. Ein Grundstück darf nicht in der Weise
vertieft werden, daß der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze
verliert, es sei denn, daß für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt
ist.
§. 910. Der Eigenthümer eines Grundstücks kann
Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück
eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von
herüberragenden Zweigen, wenn der Eigenthümer dem Besitzer des
Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die
Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.
Dem Eigenthümer steht dieses Recht nicht zu, wenn
die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht
beeinträchtigen.
§. 911. Früchte, die von einem Baume oder einem
Strauche auf ein Nachbargrundstück hinüberfallen, gelten als Früchte dieses
Grundstücks. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn das
Nachbargrundstück dem öffentlichen Gebrauche dient.
§. 912. Hat der Eigenthümer eines Grundstücks bei
der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne daß ihm Vorsatz oder
grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Ueberbau zu dulden,
es sei denn, daß er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch
erhoben hat.
Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu
entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.
§. 913. Die Rente für den Ueberbau ist dem
jeweiligen Eigenthümer des Nachbargrundstücks von dem jeweiligen Eigenthümer
des anderen Grundstücks zu entrichten.
Die Rente ist jährlich im voraus zu entrichten.
§. 914. Das Recht auf die Rente geht allen Rechten
an dem belasteten Grundstück, auch den älteren, vor. Es erlischt mit der
Beseitigung des Ueberbaues.
Das Recht wird nicht in das Grundbuch eingetragen.
Zum Verzicht auf das Recht sowie zur Feststellung der Höhe der Rente durch
Vertrag ist die Eintragung erforderlich.
Im Uebrigen finden die Vorschriften Anwendung, die
für eine zu Gunsten des jeweiligen Eigenthümers eines Grundstücks bestehende
Reallast gelten.
§. 915. Der Rentenberechtigte kann jederzeit
verlangen, daß der Rentenpflichtige ihm gegen Uebertragung des Eigenthums an
dem überbauten Theile des Grundstücks den Werth ersetzt, den dieser Theil zur
Zeit der Grenzüberschreitung gehabt hat. Macht er von dieser Befugniß Gebrauch,
so bestimmen sich die Rechte und Verpflichtungen beider Theile nach den
Vorschriften über den Kauf.
Für die Zeit bis zur Uebertragung des Eigenthums
ist die Rente fortzuentrichten.
§. 916. Wird durch den Ueberbau ein Erbbaurecht
oder eine Dienstbarkeit an dem Nachbargrundstücke beeinträchtigt, so finden zu
Gunsten des Berechtigten die Vorschriften der §§. 912 bis 914 entsprechende
Anwendung.
§. 917. Fehlt einem Grundstücke die zur
ordnungsmäßigen Benutzung nothwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege,
so kann der Eigenthümer von den Nachbarn verlangen, daß sie bis zur Hebung des
Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen
Verbindung dulden. Die Richtung des Nothwegs und der Umfang des
Benutzungsrechts werden erforderlichen Falles durch Urtheil bestimmt.
Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Nothweg
führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des §. 912
Abs. 2 Satz 2 und der §§. 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.
§. 918. Die Verpflichtung zur Duldung des Nothwegs
tritt nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem
öffentlichen Wege durch eine willkürliche Handlung des Eigenthümers aufgehoben
wird.
Wird in Folge der Veräußerung eines Theiles des
Grundstücks der veräußerte oder der zurückbehaltene Theil von der Verbindung
mit dem öffentlichen Wege abgeschnitten, so hat der Eigenthümer desjenigen
Theiles, über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den Nothweg zu
dulden. Der Veräußerung eines Theiles steht die Veräußerung eines von mehreren
demselben Eigenthümer gehörenden Grundstücken gleich.
§. 919. Der Eigenthümer eines Grundstücks kann von
dem Eigenthümer eines Nachbargrundstücks verlangen, daß dieser zur Errichtung
fester Grenzzeichen und, wenn ein Grenzzeichen verrückt oder unkenntlich
geworden ist, zur Wiederherstellung mitwirkt.
Die Art der Abmarkung und das Verfahren bestimmen
sich nach den Landesgesetzen; enthalten diese keine Vorschriften, so
entscheidet die Ortsüblichkeit.
Die Kosten der Abmarkung sind von den Betheiligten
zu gleichen Theilen zu tragen, sofern nicht aus einem zwischen ihnen
bestehenden Rechtsverhältnisse sich ein Anderes ergiebt.
§. 920. Läßt sich im Falle einer Grenzverwirrung
die richtige Grenze nicht ermitteln, so ist für die Abgrenzung der Besitzstand
maßgebend. Kann der Besitzstand nicht festgestellt werden, so ist jedem der
Grundstücke ein gleich großes Stück der streitigen Fläche zuzutheilen.
Soweit eine diesen Vorschriften entsprechende
Bestimmung der Grenze zu einem Ergebnisse führt, das mit den ermittelten
Umständen, insbesondere mit der feststehenden Größe der Grundstücke, nicht
übereinstimmt, ist die Grenze so zu ziehen, wie es unter Berücksichtigung
dieser Umstände der Billigkeit entspricht.
§. 921. Werden zwei Grundstücke durch einen
Zwischenraum, Rain, Winkel, einen Graben, eine Mauer, Hecke, Planke oder eine
andere Einrichtung, die zum Vortheile beider Grundstücke dient, von einander
geschieden, so wird vermuthet, daß die Eigenthümer der Grundstücke zur
Benutzung der Einrichtung gemeinschaftlich berechtigt seien, sofern nicht
äußere Merkmale darauf hinweisen, daß die Einrichtung einem der Nachbarn allein
gehört.
§. 922. Sind die Nachbarn zur Benutzung einer der
im §. 921 bezeichneten Einrichtungen gemeinschaftlich berechtigt, so kann jeder
sie zu dem Zwecke, der sich aus ihrer Beschaffenheit ergiebt, insoweit
benutzen, als nicht die Mitbenutzung des anderen beeinträchtigt wird. Die
Unterhaltungskosten sind von den Nachbarn zu gleichen Theilen zu tragen.
Solange einer der Nachbarn an dem Fortbestande der Einrichtung ein Interesse
hat, darf sie nicht ohne seine Zustimmung beseitigt oder geändert werden. Im
Uebrigen bestimmt sich das Rechtsverhältniß zwischen den Nachbarn nach den
Vorschriften über die Gemeinschaft.
§. 923. Steht auf der Grenze ein Baum, so gebühren
die Früchte und, wenn der Baum gefällt wird, auch der Baum den Nachbarn zu
gleichen Theilen.
Jeder der Nachbarn kann die Beseitigung des Baumes
verlangen. Die Kosten der Beseitigung fallen den Nachbarn zu gleichen Theilen
zur Last. Der Nachbar, der die Beseitigung verlangt, hat jedoch die Kosten
allein zu tragen, wenn der andere auf sein Recht an dem Baume verzichtet; er
erwirbt in diesem Falle mit der Trennung das Alleineigenthum. Der Anspruch auf
die Beseitigung ist ausgeschlossen, wenn der Baum als Grenzzeichen dient und
den Umständen nach nicht durch ein anderes zweckmäßiges Grenzzeichen ersetzt
werden kann.
Diese Vorschriften gelten auch für einen auf der
Grenze stehenden Strauch.
§. 924. Die Ansprüche, die sich aus den §§. 907 bis
909, 915, dem §. 917 Abs. 1, dem §. 918 Abs. 2, den §§. 919, 920 und dem §. 923
Abs. 2 ergeben, unterliegen nicht der Verjährung.
Zweiter Titel.
Erwerb und Verlust des Eigenthums an Grundstücken.
§. 925. Die zur Uebertragung des Eigenthums an
einem Grundstücke nach §. 873 erforderliche Einigung des Veräußerers und des
Erwerbers (Auflassung) muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Theile vor dem
Grundbuchamt erklärt werden.
Eine Auflassung, die unter einer Bedingung oder
einer Zeitbestimmung erfolgt, ist unwirksam.
§. 926. Sind der Veräußerer und der Erwerber
darüber einig, daß sich die Veräußerung auf das Zubehör des Grundstücks
erstrecken soll, so erlangt der Erwerber mit dem Eigenthum an dem Grundstück
auch das Eigenthum an den zur Zeit des Erwerbes vorhandenen Zubehörstücken,
soweit sie dem Veräußerer gehören. Im Zweifel ist anzunehmen, daß sich die
Veräußerung auf das Zubehör erstrecken soll.
Erlangt der Erwerber auf Grund der Veräußerung den
Besitz von Zubehörstücken, die dem Veräußerer nicht gehören oder mit Rechten
Dritter belastet sind, so finden die Vorschriften der §§. 932 bis 936
Anwendung; für den guten Glauben des Erwerbers ist die Zeit der Erlangung des
Besitzes maßgebend.
§. 927. Der Eigenthümer eines Grundstücks kann,
wenn das Grundstück seit dreißig Jahren im Eigenbesitz eines Anderen ist, im
Wege des Aufgebotsverfahrens mit seinem Rechte ausgeschlossen werden. Die
Besitzzeit wird in gleicher Weise berechnet wie die Frist für die Ersitzung
einer beweglichen Sache. Ist der Eigenthümer im Grundbuch eingetragen, so ist
das Aufgebotsverfahren nur zulässig, wenn er gestorben oder verschollen ist und
eine Eintragung in das Grundbuch, die der Zustimmung des Eigenthümers bedurfte,
seit dreißig Jahren nicht erfolgt ist.
Derjenige, welcher das Ausschlußurtheil erwirkt
hat, erlangt das Eigenthum dadurch, daß er sich als Eigenthümer in das
Grundbuch eintragen läßt.
Ist vor der Erlassung des Ausschlußurtheils ein
Dritter als Eigenthümer oder wegen des Eigenthums eines Dritten ein Widerspruch
gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen worden, so wirkt das Urtheil
nicht gegen den Dritten.
§. 928. Das Eigenthum an einem Grundstücke kann
dadurch aufgegeben werden, daß der Eigenthümer den Verzicht dem Grundbuchamte
gegenüber erklärt und der Verzicht in das Grundbuch eingetragen wird.
Das Recht zur Aneignung des aufgegebenen
Grundstücks steht dem Fiskus des Bundesstaats zu, in dessen Gebiete das
Grundstück liegt. Der Fiskus erwirbt das Eigenthum dadurch, daß er sich als
Eigenthümer in das Grundbuch eintragen läßt.
Dritter Titel.
Erwerb und Verlust des Eigenthums an beweglichen
Sachen.
I. Uebertragung.
§. 929. Zur Uebertragung des Eigenthums an einer
beweglichen Sache ist erforderlich, daß der Eigenthümer die Sache dem Erwerber
übergiebt und beide darüber einig sind, daß das Eigenthum übergehen soll. Ist der
Erwerber im Besitze der Sache, so genügt die Einigung über den Uebergang des
Eigenthums.
§. 930. Ist der Eigenthümer im Besitze der Sache,
so kann die Uebergabe dadurch ersetzt werden, daß zwischen ihm und dem Erwerber
ein Rechtsverhältniß vereinbart wird, vermöge dessen der Erwerber den
mittelbaren Besitz erlangt.
§. 931. Ist ein Dritter im Besitze der Sache, so
kann die Uebergabe dadurch ersetzt werden, daß der Eigenthümer dem Erwerber den
Anspruch auf Herausgabe der Sache abtritt.
§. 932. Durch eine nach §. 929 erfolgte Veräußerung
wird der Erwerber auch dann Eigenthümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer
gehört, es sei denn, daß er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das
Eigenthum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. In dem Falle des §. 929
Satz 2 gilt dies jedoch nur dann, wenn der Erwerber den Besitz von dem
Veräußerer erlangt hatte.
Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm
bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, daß die Sache nicht
dem Veräußerer gehört.
§. 933. Gehört eine nach §. 930 veräußerte Sache
nicht dem Veräußerer, so wird der Erwerber Eigenthümer, wenn ihm die Sache von
dem Veräußerer übergeben wird, es sei denn, daß er zu dieser Zeit nicht in
gutem Glauben ist.
§. 934. Gehört eine nach §. 931 veräußerte Sache
nicht dem Veräußerer, so wird der Erwerber, wenn der Veräußerer mittelbarer
Besitzer der Sache ist, mit der Abtretung des Anspruchs, anderenfalls dann
Eigenthümer, wenn er den Besitz der Sache von dem Dritten erlangt, es sei denn,
daß er zur Zeit der Abtretung oder des Besitzerwerbes nicht in gutem Glauben
ist.
§. 935. Der Erwerb des Eigenthums auf Grund der §§.
932 bis 934 tritt nicht ein, wenn die Sache dem Eigenthümer gestohlen worden,
verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war. Das Gleiche gilt, falls der
Eigenthümer nur mittelbarer Besitzer war, dann, wenn die Sache dem Besitzer
abhanden gekommen war.
Diese Vorschriften finden keine Anwendung auf Geld
oder Inhaberpapiere sowie auf Sachen, die im Wege öffentlicher Versteigerung
veräußert werden.
§. 936. Ist eine veräußerte Sache mit dem Rechte
eines Dritten belastet, so erlischt das Recht mit dem Erwerbe des Eigenthums.
In dem Falle des §. 929 Satz 2 gilt dies jedoch nur dann, wenn der Erwerber den
Besitz von dem Veräußerer erlangt hatte. Erfolgt die Veräußerung nach §. 930
oder war die nach §. 931 veräußerte Sache nicht im mittelbaren Besitze des
Veräußerers, so erlischt das Recht des Dritten erst dann, wenn der Erwerber auf
Grund der Veräußerung den Besitz der Sache erlangt.
Das Recht des Dritten erlischt nicht, wenn der
Erwerber zu der nach Abs. 1 maßgebenden Zeit in Ansehung des Rechtes nicht in
gutem Glauben ist.
Steht im Falle des §. 931 das Recht dem dritten
Besitzer zu, so erlischt es auch dem gutgläubigen Erwerber gegenüber nicht.
II. Ersitzung.
§. 937. Wer eine bewegliche Sache zehn Jahre im
Eigenbesitze hat, erwirbt das Eigenthum (Ersitzung).
Die Ersitzung ist ausgeschlossen, wenn der Erwerber
bei dem Erwerbe des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben ist oder wenn er später
erfährt, daß ihm das Eigenthum nicht zusteht.
§. 938. Hat Jemand eine Sache am Anfang und am Ende
eines Zeitraums im Eigenbesitze gehabt, so wird vermuthet, daß sein Eigenbesitz
auch in der Zwischenzeit bestanden habe.
§. 939. Die Ersitzung kann nicht beginnen und,
falls sie begonnen hat, nicht fortgesetzt werden, solange die Verjährung des
Eigenthumsanspruchs gehemmt ist oder ihrer Vollendung die Vorschriften der §§.
206, 207 entgegenstehen.
§. 940. Die Ersitzung wird durch den Verlust des
Eigenbesitzes unterbrochen.
Die Unterbrechung gilt als nicht erfolgt, wenn der
Eigenbesitzer den Eigenbesitz ohne seinen Willen verloren und ihn binnen
Jahresfrist oder mittelst einer innerhalb dieser Frist erhobenen Klage
wiedererlangt hat.
§. 941. Die Ersitzung wird unterbrochen, wenn der
Eigenthumsanspruch gegen den Eigenbesitzer oder im Falle eines mittelbaren
Eigenbesitzes gegen den Besitzer gerichtlich geltend gemacht wird, der sein
Recht zum Besitze von dem Eigenbesitzer ableitet; die Unterbrechung tritt
jedoch nur zu Gunsten desjenigen ein, welcher sie herbeiführt. Die für die
Verjährung geltenden Vorschriften der §§. 209 bis 212, 216, 219, 220 finden
entsprechende Anwendung.
§. 942. Wird die Ersitzung unterbrochen, so kommt
die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht; eine neue
Ersitzung kann erst nach der Beendigung der Unterbrechung beginnen.
§. 943. Gelangt die Sache durch Rechtsnachfolge in
den Eigenbesitz eines Dritten, so kommt die während des Besitzes des
Rechtsvorgängers verstrichene Ersitzungszeit dem Dritten zu Statten.
§. 944. Die Ersitzungszeit, die zu Gunsten eines
Erbschaftsbesitzers verstrichen ist, kommt dem Erben zu Statten.
§. 945. Mit dem Erwerbe des Eigenthums durch
Ersitzung erlöschen die an der Sache vor dem Erwerbe des Eigenbesitzes
begründeten Rechte Dritter, es sei denn, daß der Eigenbesitzer bei dem Erwerbe
des Eigenbesitzes in Ansehung dieser Rechte nicht in gutem Glauben ist oder ihr
Bestehen später erfährt. Die Ersitzungsfrist muß auch in Ansehung des Rechtes
des Dritten verstrichen sein; die Vorschriften der §§. 939 bis 944 finden
entsprechende Anwendung.
III. Verbindung. Vermischung. Verarbeitung.
§. 946. Wird eine bewegliche Sache mit einem
Grundstücke dergestalt verbunden, daß sie wesentlicher Bestandtheil des Grundstücks
wird, so erstreckt sich das Eigenthum an dem Grundstück auf diese Sache.
§. 947. Werden bewegliche Sachen mit einander
dergestalt verbunden, daß sie wesentliche Bestandtheile einer einheitlichen
Sache werden, so werden die bisherigen Eigenthümer Miteigenthümer dieser Sache;
die Antheile bestimmen sich nach dem Verhältnisse des Werthes, den die Sachen
zur Zeit der Verbindung haben.
Ist eine der Sachen als die Hauptsache anzusehen,
so erwirbt ihr Eigenthümer das Alleineigenthum.
§. 948. Werden bewegliche Sachen mit einander
untrennbar vermischt oder vermengt, so finden die Vorschriften des §. 947
entsprechende Anwendung.
Der Untrennbarkeit steht es gleich, wenn die
Trennung der vermischten oder vermengten Sachen mit unverhältnißmäßigen Kosten
verbunden sein würde.
§. 949. Erlischt nach den §§. 946 bis 948 das
Eigenthum an einer Sache, so erlöschen auch die sonstigen an der Sache
bestehenden Rechte. Erwirbt der Eigenthümer der belasteten Sache Miteigenthum,
so bestehen die Rechte an dem Antheile fort, der an die Stelle der Sache tritt.
Wird der Eigenthümer der belasteten Sache Alleineigenthümer, so erstrecken sich
die Rechte auf die hinzutretende Sache.
§. 950. Wer durch Verarbeitung oder Umbildung eines
oder mehrerer Stoffe eine neue bewegliche Sache herstellt, erwirbt das
Eigenthum an der neuen Sache, sofern nicht der Werth der Verarbeitung oder der
Umbildung erheblich geringer ist als der Werth des Stoffes. Als Verarbeitung
gilt auch das Schreiben, Zeichnen, Malen, Drucken, Graviren oder eine ähnliche Bearbeitung
der Oberfläche.
Mit dem Erwerbe des Eigenthums an der neuen Sache
erlöschen die an dem Stoffe bestehenden Rechte.
§. 951. Wer in Folge der Vorschriften der §§. 946
bis 950 einen Rechtsverlust erleidet, kann von demjenigen, zu dessen Gunsten
die Rechtsänderung eintritt, Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die
Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Die Wiederherstellung
des früheren Zustandes kann nicht verlangt werden.
Die Vorschriften über die Verpflichtung zum
Schadensersatze wegen unerlaubter Handlungen sowie die Vorschriften über den
Ersatz von Verwendungen und über das Recht zur Wegnahme einer Einrichtung
bleiben unberührt. In den Fällen der §§. 946, 947 ist die Wegnahme nach den für
das Wegnahmerecht des Besitzers gegenüber dem Eigenthümer geltenden
Vorschriften auch dann zulässig, wenn die Verbindung nicht von dem Besitzer der
Hauptsache bewirkt worden ist.
§. 952. Das Eigenthum an dem über eine Forderung
ausgestellten Schuldscheine steht dem Gläubiger zu. Das Recht eines Dritten an
der Forderung erstreckt sich auf den Schuldschein.
Das Gleiche gilt für Urkunden über andere Rechte,
kraft deren eine Leistung gefordert werden kann, insbesondere für Hypotheken-,
Grundschuld- und Rentenschuldbriefe.
IV. Erwerb von Erzeugnissen und sonstigen
Bestandtheilen einer Sache.
§. 953. Erzeugnisse und sonstige Bestandtheile
einer Sache gehören auch nach der Trennung dem Eigenthümer der Sache, soweit
sich nicht aus den §§. 954 bis 957 ein Anderes ergiebt.
§. 954. Wer vermöge eines Rechtes an einer fremden
Sache befugt ist, sich Erzeugnisse oder sonstige Bestandtheile der Sache
anzueignen, erwirbt das Eigenthum an ihnen, unbeschadet der Vorschriften der
§§. 955 bis 957, mit der Trennung.
§. 955. Wer eine Sache im Eigenbesitze hat, erwirbt
das Eigenthum an den Erzeugnissen und sonstigen zu den Früchten der Sache
gehörenden Bestandtheilen, unbeschadet der Vorschriften der §§. 956, 957, mit
der Trennung. Der Erwerb ist ausgeschlossen, wenn der Eigenbesitzer nicht zum
Eigenbesitz oder ein Anderer vermöge eines Rechtes an der Sache zum
Fruchtbezuge berechtigt ist und der Eigenbesitzer bei dem Erwerbe des
Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben ist oder vor der Trennung den Rechtsmangel
erfährt.
Dem Eigenbesitzer steht derjenige gleich, welcher die
Sache zum Zwecke der Ausübung eines Nutzungsrechts an ihr besitzt.
Auf den Eigenbesitz und den ihm gleichgestellten
Besitz findet die Vorschrift des §. 940 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
§. 956. Gestattet der Eigenthümer einem Anderen,
sich Erzeugnisse oder sonstige Bestandtheile der Sache anzueignen, so erwirbt
dieser das Eigenthum an ihnen, wenn der Besitz der Sache ihm überlassen ist,
mit der Trennung, anderenfalls mit der Besitzergreifung. Ist der Eigenthümer zu
der Gestattung verpflichtet, so kann er sie nicht widerrufen, solange sich der
Andere in dem ihm überlassenen Besitze der Sache befindet.
Das Gleiche gilt, wenn die Gestattung nicht von dem
Eigenthümer, sondern von einem Anderen ausgeht, dem Erzeugnisse oder sonstige
Bestandtheile einer Sache nach der Trennung gehören.
§. 957. Die Vorschriften des §. 956 finden auch
dann Anwendung, wenn derjenige, welcher die Aneignung einem Anderen gestattet,
hierzu nicht berechtigt ist, es sei denn, daß der Andere, falls ihm der Besitz
der Sache überlassen wird, bei der Ueberlassung, anderenfalls bei der
Ergreifung des Besitzes der Erzeugnisse oder der sonstigen Bestandtheile nicht
in gutem Glauben ist oder vor der Trennung den Rechtsmangel erfährt.
V. Aneignung.
§. 958. Wer eine herrenlose bewegliche Sache in
Eigenbesitz nimmt, erwirbt das Eigenthum an der Sache.
Das Eigenthum wird nicht erworben, wenn die
Aneignung gesetzlich verboten ist oder wenn durch die Besitzergreifung das
Aneignungsrecht eines Anderen verletzt wird.
§. 959. Eine bewegliche Sache wird herrenlos, wenn
der Eigenthümer in der Absicht, auf das Eigenthum zu verzichten, den Besitz der
Sache aufgiebt.
§. 960. Wilde Thiere sind herrenlos, solange sie
sich in der Freiheit befinden. Wilde Thiere in Thiergärten und Fische in
Teichen oder anderen geschlossenen Privatgewässern sind nicht herrenlos.
Erlangt ein gefangenes wildes Thier die Freiheit
wieder, so wird es herrenlos, wenn nicht der Eigenthümer das Thier unverzüglich
verfolgt oder wenn er die Verfolgung aufgiebt.
Ein gezähmtes Thier wird herrenlos, wenn es die
Gewohnheit ablegt, an den ihm bestimmten Ort zurückzukehren.
§. 961. Zieht ein Bienenschwarm aus, so wird er
herrenlos, wenn nicht der Eigenthümer ihn unverzüglich verfolgt oder wenn der
Eigenthümer die Verfolgung aufgiebt.
§. 962. Der Eigenthümer des Bienenschwarmes darf
bei der Verfolgung fremde Grundstücke betreten. Ist der Schwarm in eine fremde
nicht besetzte Bienenwohnung eingezogen, so darf der Eigenthümer des Schwarmes
zum Zwecke des Einfangens die Wohnung öffnen und die Waben herausnehmen oder
herausbrechen. Er hat den entstehenden Schaden zu ersetzen.
§. 963. Vereinigen sich ausgezogene Bienenschwärme
mehrerer Eigenthümer, so werden die Eigenthümer, welche ihre Schwärme verfolgt
haben, Miteigenthümer des eingefangenen Gesammtschwarmes; die Antheile
bestimmen sich nach der Zahl der verfolgten Schwärme.
§. 964. Ist ein Bienenschwarm in eine fremde
besetzte Bienenwohnung eingezogen, so erstrecken sich das Eigenthum und die
sonstigen Rechte an den Bienen, mit denen die Wohnung besetzt war, auf den
eingezogenen Schwarm. Das Eigenthum und die sonstigen Rechte an dem
eingezogenen Schwarme erlöschen.
VI. Fund.
§. 965. Wer eine verlorene Sache findet und an sich
nimmt, hat dem Verlierer oder dem Eigenthümer oder einem sonstigen Empfangsberechtigten
unverzüglich Anzeige zu machen.
Kennt der Finder die Empfangsberechtigten nicht
oder ist ihm ihr Aufenthalt unbekannt, so hat er den Fund und die Umstände,
welche für die Ermittelung der Empfangsberechtigten erheblich sein können,
unverzüglich der Polizeibehörde anzuzeigen. Ist die Sache nicht mehr als drei
Mark werth, so bedarf es der Anzeige nicht.
§. 966. Der Finder ist zur Verwahrung der Sache
verpflichtet.
Ist der Verderb der Sache zu besorgen oder ist die
Aufbewahrung mit unverhältnißmäßigen Kosten verbunden, so hat der Finder die
Sache öffentlich versteigern zu lassen. Vor der Versteigerung ist der
Polizeibehörde Anzeige zu machen. Der Erlös tritt an die Stelle der Sache.
§. 967. Der Finder ist berechtigt und auf Anordnung
der Polizeibehörde verpflichtet, die Sache oder den Versteigerungserlös an die
Polizeibehörde abzuliefern.
§. 968. Der Finder hat nur Vorsatz und grobe
Fahrlässigkeit zu vertreten.
§. 969. Der Finder wird durch die Herausgabe der
Sache an den Verlierer auch den sonstigen Empfangsberechtigten gegenüber
befreit.
§. 970. Macht der Finder zum Zwecke der Verwahrung
oder Erhaltung der Sache oder zum Zwecke der Ermittelung eines
Empfangsberechtigten Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich
halten darf, so kann er von dem Empfangsberechtigten Ersatz verlangen.
§. 971. Der Finder kann von dem
Empfangsberechtigten einen Finderlohn verlangen. Der Finderlohn beträgt von dem
Werthe der Sache bis zu dreihundert Mark fünf vom Hundert, von dem Mehrwerth
eins vom Hundert, bei Thieren eins vom Hundert. Hat die Sache nur für den
Empfangsberechtigten einen Werth, so ist der Finderlohn nach billigem Ermessen
zu bestimmen.
Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Finder
die Anzeigepflicht verletzt oder den Fund auf Nachfrage verheimlicht.
§. 972. Auf die in den §§. 970, 971 bestimmten
Ansprüche finden die für die Ansprüche des Besitzers gegen den Eigenthümer
wegen Verwendungen geltenden Vorschriften der §§. 1000 bis 1002 entsprechende
Anwendung.
§. 973. Mit dem Ablauf eines Jahres nach der
Anzeige des Fundes bei der Polizeibehörde erwirbt der Finder das Eigenthum an
der Sache, es sei denn, daß vorher ein Empfangsberechtigter dem Finder bekannt
geworden ist oder sein Recht bei der Polizeibehörde angemeldet hat. Mit dem
Erwerbe des Eigenthums erlöschen die sonstigen Rechte an der Sache.
Ist die Sache nicht mehr als drei Mark werth, so
beginnt die einjährige Frist mit dem Funde. Der Finder erwirbt das Eigenthum
nicht, wenn er den Fund auf Nachfrage verheimlicht. Die Anmeldung eines Rechtes
bei der Polizeibehörde steht dem Erwerbe des Eigenthums nicht entgegen.
§. 974. Sind vor dem Ablaufe der einjährigen Frist
Empfangsberechtigte dem Finder bekannt geworden oder haben sie bei einer Sache,
die mehr als drei Mark werth ist, ihre Rechte bei der Polizeibehörde
rechtzeitig angemeldet, so kann der Finder die Empfangsberechtigten nach den
Vorschriften des §. 1003 zur Erklärung über die ihm nach den §§. 970 bis 972
zustehenden Ansprüche auffordern. Mit dem Ablaufe der für die Erklärung
bestimmten Frist erwirbt der Finder das Eigenthum und erlöschen die sonstigen
Rechte an der Sache, wenn nicht die Empfangsberechtigten sich rechtzeitig zu
der Befriedigung der Ansprüche bereit erklären.
§. 975. Durch die Ablieferung der Sache oder des
Versteigerungserlöses an die Polizeibehörde werden die Rechte des Finders nicht
berührt. Läßt die Polizeibehörde die Sache versteigern, so tritt der Erlös an
die Stelle der Sache. Die Polizeibehörde darf die Sache oder den Erlös nur mit
Zustimmung des Finders einem Empfangsberechtigten herausgeben.
§. 976. Verzichtet der Finder der Polizeibehörde
gegenüber auf das Recht zum Erwerbe des Eigenthums an der Sache, so geht sein
Recht auf die Gemeinde des Fundorts über.
Hat der Finder nach der Ablieferung der Sache oder
des Versteigerungserlöses an die Polizeibehörde auf Grund der Vorschriften der
§§. 973, 974 das Eigenthum erworben, so geht es auf die Gemeinde des Fundorts
über, wenn nicht der Finder vor dem Ablauf einer ihm von der Polizeibehörde
bestimmten Frist die Herausgabe verlangt.
§. 977. Wer in Folge der Vorschriften der §§. 973,
974, 976 einen Rechtsverlust erleidet, kann in den Fällen der §§. 973, 974 von
dem Finder, in den Fällen des §. 976 von der Gemeinde des Fundorts die
Herausgabe des durch die Rechtsänderung Erlangten nach den Vorschriften über
die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Der Anspruch
erlischt mit dem Ablaufe von drei Jahren nach dem Uebergange des Eigenthums auf
den Finder oder die Gemeinde, wenn nicht die gerichtliche Geltendmachung vorher
erfolgt.
§. 978. Wer eine Sache in den Geschäftsräumen oder
den Beförderungsmitteln einer öffentlichen Behörde oder einer dem öffentlichen
Verkehre dienenden Verkehrsanstalt findet und an sich nimmt, hat die Sache
unverzüglich an die Behörde oder die Verkehrsanstalt oder an einen ihrer
Angestellten abzuliefern. Die Vorschriften der §§. 965 bis 977 finden keine
Anwendung.
§. 979. Die Behörde oder die Verkehrsanstalt kann
die an sie abgelieferte Sache öffentlich versteigern lassen. Die öffentlichen
Behörden und die Verkehrsanstalten des Reichs, der Bundesstaaten und der
Gemeinden können die Versteigerung durch einen ihrer Beamten vornehmen lassen.
Der Erlös tritt an die Stelle der Sache.
§. 980. Die Versteigerung ist erst zulässig,
nachdem die Empfangsberechtigten in einer öffentlichen Bekanntmachung des
Fundes zur Anmeldung ihrer Rechte unter Bestimmung einer Frist aufgefordert
worden sind und die Frist verstrichen ist; sie ist unzulässig, wenn eine
Anmeldung rechtzeitig erfolgt ist.
Die Bekanntmachung ist nicht erforderlich, wenn der
Verderb der Sache zu besorgen oder die Aufbewahrung mit unverhältnißmäßigen
Kosten verbunden ist.
§. 981. Sind seit dem Ablaufe der in der
öffentlichen Bekanntmachung bestimmten Frist drei Jahre verstrichen, so fällt der
Versteigerungserlös, wenn nicht ein Empfangsberechtigter sein Recht angemeldet
hat, bei Reichsbehörden und Reichsanstalten an den Reichsfiskus, bei
Landesbehörden und Landesanstalten an den Fiskus des Bundesstaats, bei
Gemeindebehörden und Gemeindeanstalten an die Gemeinde, bei Verkehrsanstalten,
die von einer Privatperson betrieben werden, an diese.
Ist die Versteigerung ohne die öffentliche
Bekanntmachung erfolgt, so beginnt die dreijährige Frist erst, nachdem die
Empfangsberechtigten in einer öffentlichen Bekanntmachung des Fundes zur
Anmeldung ihrer Rechte aufgefordert worden sind. Das Gleiche gilt, wenn
gefundenes Geld abgeliefert worden ist.
Die Kosten werden von dem herauszugebenden Betrag
abgezogen.
§. 982. Die in den §§. 980, 981 vorgeschriebene
Bekanntmachung erfolgt bei Reichsbehörden und Reichsanstalten nach den von dem
Bundesrath, in den übrigen Fällen nach den von der Zentralbehörde des
Bundesstaats erlassenen Vorschriften.
§. 983. Ist eine öffentliche Behörde im Besitz
einer Sache, zu deren Herausgabe sie verpflichtet ist, ohne daß die
Verpflichtung auf Vertrag beruht, so finden, wenn der Behörde der
Empfangsberechtigte oder dessen Aufenthalt unbekannt ist, die Vorschriften der
§§. 979 bis 982 entsprechende Anwendung.
§. 984. Wird eine Sache, die so lange verborgen
gelegen hat, daß der Eigenthümer nicht mehr zu ermitteln ist (Schatz), entdeckt
und in Folge der Entdeckung in Besitz genommen, so wird das Eigenthum zur
Hälfte von dem Entdecker, zur Hälfte von dem Eigenthümer der Sache erworben, in
welcher der Schatz verborgen war.
Vierter Titel.
Ansprüche aus dem Eigenthume.
§. 985. Der Eigenthümer kann von dem Besitzer die
Herausgabe der Sache verlangen.
§. 986. Der Besitzer kann die Herausgabe der Sache
verweigern, wenn er oder der mittelbare Besitzer, von dem er sein Recht zum
Besitz ableitet, dem Eigenthümer gegenüber zum Besitze berechtigt ist. Ist der
mittelbare Besitzer dem Eigenthümer gegenüber zur Ueberlassung des Besitzes an
den Besitzer nicht befugt, so kann der Eigenthümer von dem Besitzer die
Herausgabe der Sache an den mittelbaren Besitzer oder, wenn dieser den Besitz
nicht wiederübernehmen kann oder will, an sich selbst verlangen.
Der Besitzer einer Sache, die nach §. 931 durch
Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe veräußert worden ist, kann dem neuen
Eigenthümer die Einwendungen entgegensetzen, welche ihm gegen den abgetretenen
Anspruch zustehen.
§. 987. Der Besitzer hat dem Eigenthümer die
Nutzungen herauszugeben, die er nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit zieht.
Zieht der Besitzer nach dem Eintritte der
Rechtshängigkeit Nutzungen nicht, die er nach den Regeln einer ordnungsmäßigen
Wirthschaft ziehen könnte, so ist er dem Eigenthümer zum Ersatze verpflichtet,
soweit ihm ein Verschulden zur Last fällt.
§. 988. Hat ein Besitzer, der die Sache als ihm
gehörig oder zum Zwecke der Ausübung eines ihm in Wirklichkeit nicht
zustehenden Nutzungsrechts an der Sache besitzt, den Besitz unentgeltlich
erlangt, so ist er dem Eigenthümer gegenüber zur Herausgabe der Nutzungen, die
er vor dem Eintritte der Rechtshängigkeit zieht, nach den Vorschriften über die
Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet.
§. 989. Der Besitzer ist von dem Eintritte der
Rechtshängigkeit an dem Eigenthümer für den Schaden verantwortlich, der dadurch
entsteht, daß in Folge seines Verschuldens die Sache verschlechtert wird,
untergeht oder aus einem anderen Grunde von ihm nicht herausgegeben werden
kann.
§. 990. War der Besitzer bei dem Erwerbe des
Besitzes nicht in gutem Glauben, so haftet er dem Eigenthümer von der Zeit des
Erwerbes an nach den §§. 987, 989. Erfährt der Besitzer später, daß er zum
Besitze nicht berechtigt ist, so haftet er in gleicher Weise von der Erlangung
der Kenntniß an.
Eine weitergehende Haftung des Besitzers wegen
Verzugs bleibt unberührt.
§. 991. Leitet der Besitzer das Recht zum Besitze
von einem mittelbaren Besitzer ab, so finden die Vorschriften des §. 990 in
Ansehung der Nutzungen nur Anwendung, wenn die Voraussetzungen des §. 990 auch
bei dem mittelbaren Besitzer vorliegen oder diesem gegenüber die
Rechtshängigkeit eingetreten ist.
War der Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes in
gutem Glauben, so hat er gleichwohl von dem Erwerb an den im §. 989
bezeichneten Schaden dem Eigenthümer gegenüber insoweit zu vertreten, als er dem
mittelbaren Besitzer verantwortlich ist.
§. 992. Hat sich der Besitzer durch verbotene
Eigenmacht oder durch eine strafbare Handlung den Besitz verschafft, so haftet
er dem Eigenthümer nach den Vorschriften über den Schadensersatz wegen
unerlaubter Handlungen.
§. 993. Liegen die in den §§. 987 bis 992
bezeichneten Voraussetzungen nicht vor, so hat der Besitzer die gezogenen
Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft nicht als
Ertrag der Sache anzusehen sind, nach den Vorschriften über die Herausgabe
einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben; im Uebrigen ist er weder
zur Herausgabe von Nutzungen noch zum Schadensersatze verpflichtet.
Für die Zeit, für welche dem Besitzer die Nutzungen
verbleiben, finden auf ihn die Vorschriften des §. 101 Anwendung.
§. 994. Der Besitzer kann für die auf die Sache
gemachten nothwendigen Verwendungen von dem Eigenthümer Ersatz verlangen. Die
gewöhnlichen Erhaltungskosten sind ihm jedoch für die Zeit, für welche ihm die
Nutzungen verbleiben, nicht zu ersetzen.
Macht der Besitzer nach dem Eintritte der
Rechtshängigkeit oder nach dem Beginne der im §. 990 bestimmten Haftung
nothwendige Verwendungen, so bestimmt sich die Ersatzpflicht des Eigenthümers
nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag.
§. 995. Zu den nothwendigen Verwendungen im Sinne
des §. 994 gehören auch die Aufwendungen, die der Besitzer zur Bestreitung von
Lasten der Sache macht. Für die Zeit, für welche dem Besitzer die Nutzungen
verbleiben, sind ihm nur die Aufwendungen für solche außerordentliche Lasten zu
ersetzen, die als auf den Stammwerth der Sache gelegt anzusehen sind.
§. 996. Für andere als nothwendige Verwendungen
kann der Besitzer Ersatz nur insoweit verlangen, als sie vor dem Eintritte der
Rechtshängigkeit und vor dem Beginne der im §. 990 bestimmten Haftung gemacht
werden und der Werth der Sache durch sie noch zu der Zeit erhöht ist, zu
welcher der Eigenthümer die Sache wiedererlangt.
§. 997. Hat der Besitzer mit der Sache eine andere
Sache als wesentlichen Bestandtheil verbunden, so kann er sie abtrennen und
sich aneignen. Die Vorschriften des §. 258 finden Anwendung.
Das Recht zur Abtrennung ist ausgeschlossen, wenn
der Besitzer nach §. 994 Abs. 1 Satz 2 für die Verwendung Ersatz nicht
verlangen kann oder die Abtrennung für ihn keinen Nutzen hat oder ihm
mindestens der Werth ersetzt wird, den der Bestandtheil nach der Abtrennung für
ihn haben würde.
§. 998. Ist ein landwirthschaftliches Grundstück
herauszugeben, so hat der Eigenthümer die Kosten, die der Besitzer auf die noch
nicht getrennten, jedoch nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft vor
dem Ende des Wirthschaftsjahrs zu trennenden Früchte verwendet hat, insoweit zu
ersetzen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirthschaft entsprechen und den Werth
dieser Früchte nicht übersteigen.
§. 999. Der Besitzer kann für die Verwendungen
eines Vorbesitzers, dessen Rechtsnachfolger er geworden ist, in demselben
Umfang Ersatz verlangen, in welchem ihn der Vorbesitzer fordern könnte, wenn er
die Sache herauszugeben hätte.
Die Verpflichtung des Eigenthümers zum Ersatze von
Verwendungen erstreckt sich auch auf die Verwendungen, die gemacht worden sind,
bevor er das Eigenthum erworben hat.
§. 1000. Der Besitzer kann die Herausgabe der Sache
verweigern, bis er wegen der ihm zu ersetzenden Verwendungen befriedigt wird.
Das Zurückbehaltungsrecht steht ihm nicht zu, wenn er die Sache durch eine
vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.
§. 1001. Der Besitzer kann den Anspruch auf den
Ersatz der Verwendungen nur geltend machen, wenn der Eigenthümer die Sache
wiedererlangt oder die Verwendungen genehmigt. Bis zur Genehmigung der
Verwendungen kann sich der Eigenthümer von dem Anspruche dadurch befreien, daß
er die wiedererlangte Sache zurückgiebt. Die Genehmigung gilt als ertheilt,
wenn der Eigenthümer die ihm von dem Besitzer unter Vorbehalt des Anspruchs
angebotene Sache annimmt.
§. 1002. Giebt der Besitzer die Sache dem
Eigenthümer heraus, so erlischt der Anspruch auf den Ersatz der Verwendungen
mit dem Ablauf eines Monats, bei einem Grundstücke mit dem Ablaufe von sechs
Monaten nach der Herausgabe, wenn nicht vorher die gerichtliche Geltendmachung
erfolgt oder der Eigenthümer die Verwendungen genehmigt.
Auf diese Fristen finden die für die Verjährung
geltenden Vorschriften der §§. 203, 206, 207 entsprechende Anwendung.
§. 1003. Der Besitzer kann den Eigenthümer unter
Angabe des als Ersatz verlangten Betrags auffordern, sich innerhalb einer von
ihm bestimmten angemessenen Frist darüber zu erklären, ob er die Verwendungen
genehmige. Nach dem Ablaufe der Frist ist der Besitzer berechtigt, Befriedigung
aus der Sache nach den Vorschriften über den Pfandverkauf, bei einem
Grundstücke nach den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das
unbewegliche Vermögen zu suchen, wenn nicht die Genehmigung rechtzeitig
erfolgt.
Bestreitet der Eigenthümer den Anspruch vor dem
Ablaufe der Frist, so kann sich der Besitzer aus der Sache erst dann
befriedigen, wenn er nach rechtskräftiger Feststellung des Betrags der
Verwendungen den Eigenthümer unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur
Erklärung aufgefordert hat und die Frist verstrichen ist; das Recht auf
Befriedigung aus der Sache ist ausgeschlossen, wenn die Genehmigung rechtzeitig
erfolgt.
§. 1004. Wird das Eigenthum in anderer Weise als
durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der
Eigenthümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind
weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigenthümer auf Unterlassung
klagen.
Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der
Eigenthümer zur Duldung verpflichtet ist.
§. 1005. Befindet sich eine Sache auf einem
Grundstücke, das ein Anderer als der Eigenthümer der Sache besitzt, so steht
diesem gegen den Besitzer des Grundstücks der im §. 867 bestimmte Anspruch zu.
§. 1006. Zu Gunsten des Besitzers einer beweglichen
Sache wird vermuthet, daß er Eigenthümer der Sache sei. Dies gilt jedoch nicht
einem früheren Besitzer gegenüber, dem die Sache gestohlen worden, verloren
gegangen oder sonst abhanden gekommen ist, es sei denn, daß es sich um Geld
oder Inhaberpapiere handelt.
Zu Gunsten eines früheren Besitzers wird vermuthet,
daß er während der Dauer seines Besitzes Eigenthümer der Sache gewesen sei.
Im Falle eines mittelbaren Besitzes gilt die
Vermuthung für den mittelbaren Besitzer.
§. 1007. Wer eine bewegliche Sache im Besitze
gehabt hat, kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen, wenn
dieser bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in gutem Glauben war.
Ist die Sache dem früheren Besitzer gestohlen
worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen, so kann er die
Herausgabe auch von einem gutgläubigen Besitzer verlangen, es sei denn, daß
dieser Eigenthümer der Sache ist oder die Sache ihm vor der Besitzzeit des
früheren Besitzers abhanden gekommen war. Auf Geld und Inhaberpapiere findet
diese Vorschrift keine Anwendung.
Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der frühere
Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in gutem Glauben war oder wenn er
den Besitz aufgegeben hat. Im Uebrigen finden die Vorschriften der §§. 986 bis
1003 entsprechende Anwendung.
Fünfter Titel.
Miteigenthum.
§. 1008. Steht das Eigenthum an einer Sache
Mehreren nach Bruchtheilen zu, so gelten die Vorschriften der §§. 1009 bis
1011.
§. 1009. Die gemeinschaftliche Sache kann auch zu
Gunsten eines Miteigenthümers belastet werden.
Die Belastung eines gemeinschaftlichen Grundstücks
zu Gunsten des jeweiligen Eigenthümers eines anderen Grundstücks sowie die
Belastung eines anderen Grundstücks zu Gunsten der jeweiligen Eigenthümer des
gemeinschaftlichen Grundstücks wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß das
andere Grundstück einem Miteigenthümer des gemeinschaftlichen Grundstücks
gehört.
§. 1010. Haben die Miteigenthümer eines Grundstücks
die Verwaltung und Benutzung geregelt oder das Recht, die Aufhebung der
Gemeinschaft zu verlangen, für immer oder auf Zeit ausgeschlossen oder eine
Kündigungsfrist bestimmt, so wirkt die getroffene Bestimmung gegen den
Sondernachfolger eines Miteigenthümers nur, wenn sie als Belastung des Antheils
im Grundbuch eingetragen ist.
Die in den §§. 755, 756 bestimmten Ansprüche können
gegen den Sondernachfolger eines Miteigenthümers nur geltend gemacht werden,
wenn sie im Grundbuch eingetragen sind.
§. 1011. Jeder Miteigenthümer kann die Ansprüche
aus dem Eigenthume Dritten gegenüber in Ansehung der ganzen Sache geltend
machen, den Anspruch auf Herausgabe jedoch nur in Gemäßheit des §. 432.
Vierter Abschnitt.
Erbbaurecht.
§. 1012. Anm.:
Aufgehoben durch § 35, Reichsgesetzblatt 1919, S. 72, ausgegeben am 22. 01.
1919, in Kraft seit 22. 01. 1919.
§. 1013. Anm.:
Aufgehoben durch § 35, Reichsgesetzblatt 1919, S. 72, ausgegeben am 22. 01.
1919, in Kraft seit 22. 01. 1919.
§. 1014. Anm.:
Aufgehoben durch § 35, Reichsgesetzblatt 1919, S. 72, ausgegeben am 22. 01.
1919, in Kraft seit 22. 01. 1919.
§. 1015. Anm.:
Aufgehoben durch § 35, Reichsgesetzblatt 1919, S. 72, ausgegeben am 22. 01.
1919, in Kraft seit 22. 01. 1919.
§. 1016. Anm.:
Aufgehoben durch § 35, Reichsgesetzblatt 1919, S. 72, ausgegeben am 22. 01.
1919, in Kraft seit 22. 01. 1919.
§. 1017. Anm.:
Aufgehoben durch § 35, Reichsgesetzblatt 1919, S. 72, ausgegeben am 22. 01.
1919, in Kraft seit 22. 01. 1919.
Fünfter Abschnitt.
Dienstbarkeiten.
Erster Titel.
Grunddienstbarkeiten.
§. 1018. Ein Grundstück kann zu Gunsten des
jeweiligen Eigenthümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet werden,
daß dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf oder daß auf
dem Grundstücke gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder daß die
Ausübung eines Rechtes ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigenthum an dem
belasteten Grundstücke dem anderen Grundstücke gegenüber ergiebt
(Grunddienstbarkeit).
§. 1019. Eine Grunddienstbarkeit kann nur in einer
Belastung bestehen, die für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten
Vortheil bietet. Ueber das sich hieraus ergebende Maß hinaus kann der Inhalt
der Dienstbarkeit nicht erstreckt werden.
§. 1020. Bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit
hat der Berechtigte das Interesse des Eigenthümers des belasteten Grundstücks
thunlichst zu schonen. Hält er zur Ausübung der Dienstbarkeit auf dem
belasteten Grundstück eine Anlage, so hat er sie in ordnungsmäßigem Zustande zu
erhalten, soweit das Interesse des Eigenthümers es erfordert.
§. 1021. Gehört zur Ausübung einer
Grunddienstbarkeit eine Anlage auf dem belasteten Grundstücke, so kann bestimmt
werden, daß der Eigenthümer dieses Grundstücks die Anlage zu unterhalten hat,
soweit das Interesse des Berechtigten es erfordert. Steht dem Eigenthümer das
Recht zur Mitbenutzung der Anlage zu, so kann bestimmt werden, daß der
Berechtigte die Anlage zu unterhalten hat, soweit es für das Benutzungsrecht
des Eigenthümers erforderlich ist.
Auf eine solche Unterhaltungspflicht finden die
Vorschriften über die Reallasten entsprechende Anwendung.
§. 1022. Besteht die Grunddienstbarkeit in dem
Rechte, auf einer baulichen Anlage des belasteten Grundstücks eine bauliche
Anlage zu halten, so hat, wenn nicht ein Anderes bestimmt ist, der Eigenthümer
des belasteten Grundstücks seine Anlage zu unterhalten, soweit das Interesse
des Berechtigten es erfordert. Die Vorschrift des §. 1021 Abs. 2 gilt auch für
diese Unterhaltungspflicht.
§. 1023. Beschränkt sich die jeweilige Ausübung
einer Grunddienstbarkeit auf einen Theil des belasteten Grundstücks, so kann
der Eigenthümer die Verlegung der Ausübung auf eine andere, für den
Berechtigten ebenso geeignete Stelle verlangen, wenn die Ausübung an der
bisherigen Stelle für ihn besonders beschwerlich ist; die Kosten der Verlegung
hat er zu tragen und vorzuschießen. Dies gilt auch dann, wenn der Theil des
Grundstücks, auf den sich die Ausübung beschränkt, durch Rechtsgeschäft
bestimmt ist.
Das Recht auf die Verlegung kann nicht durch
Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden.
§. 1024. Trifft eine Grunddienstbarkeit mit einer
anderen Grunddienstbarkeit oder einem sonstigen Nutzungsrecht an dem
Grundstücke dergestalt zusammen, daß die Rechte nebeneinander nicht oder nicht
vollständig ausgeübt werden können, und haben die Rechte gleichen Rang, so kann
jeder Berechtigte eine den Interessen aller Berechtigten nach billigem Ermessen
entsprechende Regelung der Ausübung verlangen.
§. 1025. Wird das Grundstück des Berechtigten
getheilt, so besteht die Grunddienstbarkeit für die einzelnen Theile fort; die
Ausübung ist jedoch im Zweifel nur in der Weise zulässig, daß sie für den
Eigenthümer des belasteten Grundstücks nicht beschwerlicher wird. Gereicht die
Dienstbarkeit nur einem der Theile zum Vortheile, so erlischt sie für die
übrigen Theile.
§. 1026. Wird das belastete Grundstück getheilt, so
werden, wenn die Ausübung der Grunddienstbarkeit auf einen bestimmten Theil des
belasteten Grundstücks beschränkt ist, die Theile, welche außerhalb des
Bereichs der Ausübung liegen, von der Dienstbarkeit frei.
§. 1027. Wird eine Grunddienstbarkeit
beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die im §. 1004 bestimmten Rechte zu.
§. 1028. Ist auf dem belasteten Grundstück eine
Anlage, durch welche die Grunddienstbarkeit beeinträchtigt wird, errichtet
worden, so unterliegt der Anspruch des Berechtigten auf Beseitigung der
Beeinträchtigung der Verjährung, auch wenn die Dienstbarkeit im Grundbuch
eingetragen ist. Mit der Verjährung des Anspruchs erlischt die Dienstbarkeit,
soweit der Bestand der Anlage mit ihr in Widerspruch steht.
Die Vorschriften des §. 892 finden keine Anwendung.
§. 1029. Wird der Besitzer eines Grundstücks in der
Ausübung einer für den Eigenthümer im Grundbuch eingetragenen
Grunddienstbarkeit gestört, so finden die für den Besitzschutz geltenden
Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit die Dienstbarkeit innerhalb eines
Jahres vor der Störung, sei es auch nur einmal, ausgeübt worden ist.
Zweiter Titel.
Nießbrauch.
I. Nießbrauch an Sachen.
§. 1030. Eine Sache kann in der Weise belastet
werden, daß derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist,
die Nutzungen der Sache zu ziehen (Nießbrauch).
Der Nießbrauch kann durch den Ausschluß einzelner
Nutzungen beschränkt werden.
§. 1031. Mit dem Nießbrauch an einem Grundstück
erlangt der Nießbraucher den Nießbrauch an dem Zubehöre nach den für den Erwerb
des Eigenthums geltenden Vorschriften des §. 926.
§. 1032. Zur Bestellung des Nießbrauchs an einer
beweglichen Sache ist erforderlich, daß der Eigenthümer die Sache dem Erwerber
übergiebt und beide darüber einig sind, daß diesem der Nießbrauch zustehen
soll. Die Vorschriften des §. 929 Satz 2 und der §§. 930 bis 936 finden
entsprechende Anwendung; in den Fällen des §. 936 tritt nur die Wirkung ein,
daß der Nießbrauch dem Rechte des Dritten vorgeht.
§. 1033. Der Nießbrauch an einer beweglichen Sache
kann durch Ersitzung erworben werden. Die für den Erwerb des Eigenthums durch
Ersitzung geltenden Vorschriften finden entsprechende Anwendung.
§. 1034. Der Nießbraucher kann den Zustand der
Sache auf seine Kosten durch Sachverständige feststellen lassen. Das gleiche
Recht steht dem Eigenthümer zu.
§. 1035. Bei dem Nießbrauch an einem Inbegriffe von
Sachen sind der Nießbraucher und der Eigenthümer einander verpflichtet, zur
Aufnahme eines Verzeichnisses der Sachen mitzuwirken. Das Verzeichniß ist mit
der Angabe des Tages der Aufnahme zu versehen und von beiden Theilen zu
unterzeichnen; jeder Theil kann verlangen, daß die Unterzeichnung öffentlich
beglaubigt wird. Jeder Theil kann auch verlangen, daß das Verzeichniß durch die
zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen
wird. Die Kosten hat derjenige zu tragen und vorzuschießen, welcher die
Aufnahme oder die Beglaubigung verlangt.
§. 1036. Der Nießbraucher ist zum Besitze der Sache
berechtigt.
Er hat bei der Ausübung des Nutzungsrechts die
bisherige wirthschaftliche Bestimmung der Sache aufrechtzuerhalten und nach den
Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft zu verfahren.
§. 1037. Der Nießbraucher ist nicht berechtigt, die
Sache umzugestalten oder wesentlich zu verändern.
Der Nießbraucher eines Grundstücks darf neue
Anlagen zur Gewinnung von Steinen, Kies, Sand, Lehm, Thon, Mergel, Torf und
sonstigen Bodenbestandtheilen errichten, sofern nicht die wirthschaftliche
Bestimmung des Grundstücks dadurch wesentlich verändert wird.
§. 1038. Ist ein Wald Gegenstand des Nießbrauchs,
so kann sowohl der Eigenthümer als der Nießbraucher verlangen, daß das Maß der
Nutzung und die Art der wirthschaftlichen Behandlung durch einen
Wirthschaftsplan festgestellt werden. Tritt eine erhebliche Aenderung der
Umstände ein, so kann jeder Theil eine entsprechende Aenderung des
Wirthschaftsplans verlangen. Die Kosten hat jeder Theil zur Hälfte zu tragen.
Das Gleiche gilt, wenn ein Bergwerk oder eine
andere auf Gewinnung von Bodenbestandtheilen gerichtete Anlage Gegenstand des
Nießbrauchs ist.
§. 1039. Der Nießbraucher erwirbt das Eigenthum
auch an solchen Früchten, die er den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft zuwider
oder die er deshalb im Uebermaße zieht, weil dies in Folge eines besonderen
Ereignisses nothwendig geworden ist. Er ist jedoch, unbeschadet seiner
Verantwortlichkeit für ein Verschulden, verpflichtet, den Werth der Früchte dem
Eigenthümer bei der Beendigung des Nießbrauchs zu ersetzen und für die
Erfüllung dieser Verpflichtung Sicherheit zu leisten. Sowohl der Eigenthümer
als der Nießbraucher kann verlangen, daß der zu ersetzende Betrag zur
Wiederherstellung der Sache insoweit verwendet wird, als es einer
ordnungsmäßigen Wirthschaft entspricht.
Wird die Verwendung zur Wiederherstellung der Sache
nicht verlangt, so fällt die Ersatzpflicht weg, soweit durch den
ordnungswidrigen oder den übermäßigen Fruchtbezug die dem Nießbraucher
gebührenden Nutzungen beeinträchtigt werden.
§. 1040. Das Recht des Nießbrauchers erstreckt sich
nicht auf den Antheil des Eigenthümers an einem Schatze, der in der Sache
gefunden wird.
§. 1041. Der Nießbraucher hat für die Erhaltung der
Sache in ihrem wirthschaftlichen Bestande zu sorgen. Ausbesserungen und
Erneuerungen liegen ihm nur insoweit ob, als sie zu der gewöhnlichen
Unterhaltung der Sache gehören.
§. 1042. Wird die Sache zerstört oder beschädigt
oder wird eine außergewöhnliche Ausbesserung oder Erneuerung der Sache oder
eine Vorkehrung zum Schutze der Sache gegen eine nicht vorhergesehene Gefahr
erforderlich, so hat der Nießbraucher dem Eigenthümer unverzüglich Anzeige zu
machen. Das Gleiche gilt, wenn sich ein Dritter ein Recht an der Sache anmaßt.
§. 1043. Nimmt der Nießbraucher eines Grundstücks
eine erforderlich gewordene außergewöhnliche Ausbesserung oder Erneuerung
selbst vor, so darf er zu diesem Zwecke innerhalb der Grenzen einer
ordnungsmäßigen Wirthschaft auch Bestandtheile des Grundstücks verwenden, die
nicht zu den ihm gebührenden Früchten gehören.
§. 1044. Nimmt der Nießbraucher eine erforderlich
gewordene Ausbesserung oder Erneuerung der Sache nicht selbst vor, so hat er
dem Eigenthümer die Vornahme und, wenn ein Grundstück Gegenstand des
Nießbrauchs ist, die Verwendung der im §. 1043 bezeichneten Bestandtheile des
Grundstücks zu gestatten.
§. 1045. Der Nießbraucher hat die Sache für die
Dauer des Nießbrauchs gegen Brandschaden und sonstige Unfälle auf seine Kosten
unter Versicherung zu bringen, wenn die Versicherung einer ordnungsmäßigen
Wirthschaft entspricht. Die Versicherung ist so zu nehmen, daß die Forderung
gegen den Versicherer dem Eigenthümer zusteht.
Ist die Sache bereits versichert, so fallen die für
die Versicherung zu leistenden Zahlungen dem Nießbraucher für die Dauer des
Nießbrauchs zur Last, soweit er zur Versicherung verpflichtet sein würde.
§. 1046. An der Forderung gegen den Versicherer
steht dem Nießbraucher der Nießbrauch nach den Vorschriften zu, die für den
Nießbrauch an einer auf Zinsen ausstehenden Forderung gelten.
Tritt ein unter die Versicherung fallender Schaden
ein, so kann sowohl der Eigenthümer als der Nießbraucher verlangen, daß die
Versicherungssumme zur Wiederherstellung der Sache oder zur Beschaffung eines
Ersatzes insoweit verwendet wird, als es einer ordnungsmäßigen Wirthschaft
entspricht. Der Eigenthümer kann die Verwendung selbst besorgen oder dem
Nießbraucher überlassen.
§. 1047. Der Nießbraucher ist dem Eigenthümer
gegenüber verpflichtet, für die Dauer des Nießbrauchs die auf der Sache
ruhenden öffentlichen Lasten mit Ausschluß der außerordentlichen Lasten, die
als auf den Stammwerth der Sache gelegt anzusehen sind, sowie diejenigen
privatrechtlichen Lasten zu tragen, welche schon zur Zeit der Bestellung des
Nießbrauchs auf der Sache ruhten, insbesondere die Zinsen der
Hypothekenforderungen und Grundschulden sowie die auf Grund einer Rentenschuld
zu entrichtenden Leistungen.
§. 1048. Ist ein Grundstück sammt Inventar
Gegenstand des Nießbrauchs, so kann der Nießbraucher über die einzelnen Stücke
des Inventars innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirthschaft verfügen.
Er hat für den gewöhnlichen Abgang sowie für die nach den Regeln einer
ordnungsmäßigen Wirthschaft ausscheidenden Stücke Ersatz zu beschaffen; die von
ihm angeschafften Stücke werden mit der Einverleibung in das Inventar Eigenthum
desjenigen, welchem das Inventar gehört.
Uebernimmt der Nießbraucher das Inventar zum
Schätzungswerthe mit der Verpflichtung, es bei der Beendigung des Nießbrauchs
zum Schätzungswerthe zurückzugewähren, so finden die Vorschriften der §§. 588,
589 entsprechende Anwendung.
§. 1049. Macht der Nießbraucher Verwendungen auf
die Sache, zu denen er nicht verpflichtet ist, so bestimmt sich die
Ersatzpflicht des Eigenthümers nach den Vorschriften über die Geschäftsführung
ohne Auftrag.
Der Nießbraucher ist berechtigt, eine Einrichtung,
mit der er die Sache versehen hat, wegzunehmen.
§. 1050. Veränderungen oder Verschlechterungen der
Sache, welche durch die ordnungsmäßige Ausübung des Nießbrauchs herbeigeführt
werden, hat der Nießbraucher nicht zu vertreten.
§. 1051. Wird durch das Verhalten des Nießbrauchers
die Besorgniß einer erheblichen Verletzung der Rechte des Eigenthümers
begründet, so kann der Eigenthümer Sicherheitsleistung verlangen.
§. 1052. Ist der Nießbraucher zur
Sicherheitsleistung rechtskräftig verurtheilt, so kann der Eigenthümer statt
der Sicherheitsleistung verlangen, daß die Ausübung des Nießbrauchs für
Rechnung des Nießbrauchers einem von dem Gerichte zu bestellenden Verwalter
übertragen wird. Die Anordnung der Verwaltung ist nur zulässig, wenn dem
Nießbraucher auf Antrag des Eigenthümers von dem Gericht eine Frist zur
Sicherheitsleistung bestimmt worden und die Frist verstrichen ist; sie ist
unzulässig, wenn die Sicherheit vor dem Ablaufe der Frist geleistet wird.
Der Verwalter steht unter der Aufsicht des Gerichts
wie ein für die Zwangsverwaltung eines Grundstücks bestellter Verwalter.
Verwalter kann auch der Eigenthümer sein.
Die Verwaltung ist aufzuheben, wenn die Sicherheit
nachträglich geleistet wird.
§. 1053. Macht der Nießbraucher einen Gebrauch von
der Sache, zu dem er nicht befugt ist, und setzt er den Gebrauch ungeachtet
einer Abmahnung des Eigenthümers fort, so kann der Eigenthümer auf Unterlassung
klagen.
§. 1054. Verletzt der Nießbraucher die Rechte des
Eigenthümers in erheblichem Maße und setzt er das verletzende Verhalten
ungeachtet einer Abmahnung des Eigenthümers fort, so kann der Eigenthümer die
Anordnung einer Verwaltung nach §. 1052 verlangen.
§. 1055. Der Nießbraucher ist verpflichtet, die
Sache nach der Beendigung des Nießbrauchs dem Eigenthümer zurückzugeben.
Bei dem Nießbrauch an einem landwirthschaftlichen
Grundstücke finden die Vorschriften der §§. 591, 592, bei dem Nießbrauch an
einem Landgute finden die Vorschriften der §§. 591 bis 593 entsprechende
Anwendung.
§. 1056. Hat der Nießbraucher ein Grundstück über
die Dauer des Nießbrauchs hinaus vermiethet oder verpachtet, so finden nach der
Beendigung des Nießbrauchs die für den Fall der Veräußerung geltenden
Vorschriften der §§. 571, 572, des §. 573 Satz 1 und der §§. 574 bis 576, 579
entsprechende Anwendung.
Der Eigenthümer ist berechtigt, das Mieth- oder
Pachtverhältniß unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zu kündigen.
Verzichtet der Nießbraucher auf den Nießbrauch, so ist die Kündigung erst von
der Zeit an zulässig, zu welcher der Nießbrauch ohne den Verzicht erlöschen
würde.
Der Miether oder der Pächter ist berechtigt, den
Eigenthümer unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung darüber
aufzufordern, ob er von dem Kündigungsrechte Gebrauch mache. Die Kündigung kann
nur bis zum Ablaufe der Frist erfolgen.
§. 1057. Die Ersatzansprüche des Eigenthümers wegen
Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache sowie die Ansprüche des Nießbrauchers
auf Ersatz von Verwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung
verjähren in sechs Monaten. Die Vorschriften des §. 558 Abs. 2, 3 finden
entsprechende Anwendung.
§. 1058. Im Verhältnisse zwischen dem Nießbraucher
und dem Eigenthümer gilt zu Gunsten des Nießbrauchers der Besteller als
Eigenthümer, es sei denn, daß der Nießbraucher weiß, daß der Besteller nicht
Eigenthümer ist.
§. 1059. Der Nießbrauch ist nicht übertragbar. Die
Ausübung des Nießbrauchs kann einem Anderen überlassen werden.
§. 1060. Trifft ein Nießbrauch mit einem anderen
Nießbrauch oder mit einem sonstigen Nutzungsrecht an der Sache dergestalt
zusammen, daß die Rechte neben einander nicht oder nicht vollständig ausgeübt
werden können, und haben die Rechte gleichen Rang, so findet die Vorschrift des
§. 1024 Anwendung.
§. 1061. Der Nießbrauch erlischt mit dem Tode des
Nießbrauchers. Steht der Nießbrauch einer juristischen Person zu, so erlischt
er mit dieser.
§. 1062. Wird der Nießbrauch an einem Grundstücke
durch Rechtsgeschäft aufgehoben, so erstreckt sich die Aufhebung im Zweifel auf
den Nießbrauch an dem Zubehöre.
§. 1063. Der Nießbrauch an einer beweglichen Sache
erlischt, wenn er mit dem Eigenthum in derselben Person zusammentrifft.
Der Nießbrauch gilt als nicht erloschen, soweit der
Eigenthümer ein rechtliches Interesse an dem Fortbestehen des Nießbrauchs hat.
§. 1064. Zur Aufhebung des Nießbrauchs an einer
beweglichen Sache durch Rechtsgeschäft genügt die Erklärung des Nießbrauchers
gegenüber dem Eigenthümer oder dem Besteller, daß er den Nießbrauch aufgebe.
§. 1065. Wird das Recht des Nießbrauchers
beeinträchtigt, so finden auf die Ansprüche des Nießbrauchers die für die
Ansprüche aus dem Eigenthume geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.
§. 1066. Besteht ein Nießbrauch an dem Antheil
eines Miteigenthümers, so übt der Nießbraucher die Rechte aus, die sich aus der
Gemeinschaft der Miteigenthümer in Ansehung der Verwaltung der Sache und der
Art ihrer Benutzung ergeben.
Die Aufhebung der Gemeinschaft kann nur von dem
Miteigenthümer und dem Nießbraucher gemeinschaftlich verlangt werden.
Wird die Gemeinschaft aufgehoben, so gebührt dem
Nießbraucher der Nießbrauch an den Gegenständen, welche an die Stelle des
Antheils treten.
§. 1067. Sind verbrauchbare Sachen Gegenstand des
Nießbrauchs, so wird der Nießbraucher Eigenthümer der Sachen; nach der
Beendigung des Nießbrauchs hat er dem Besteller den Werth zu ersetzen, den die
Sachen zur Zeit der Bestellung hatten. Sowohl der Besteller als der
Nießbraucher kann den Werth auf seine Kosten durch Sachverständige feststellen
lassen.
Der Besteller kann Sicherheitsleistung verlangen,
wenn der Anspruch auf Ersatz des Werthes gefährdet ist.
II. Nießbrauch an Rechten.
§. 1068. Gegenstand des Nießbrauchs kann auch ein
Recht sein.
Auf den Nießbrauch an Rechten finden die
Vorschriften über den Nießbrauch an Sachen entsprechende Anwendung, soweit sich
nicht aus den §§. 1069 bis 1084 ein Anderes ergiebt.
§. 1069. Die Bestellung des Nießbrauchs an einem
Rechte erfolgt nach den für die Uebertragung des Rechtes geltenden
Vorschriften.
An einem Rechte, das nicht übertragbar ist, kann
ein Nießbrauch nicht bestellt werden.
§. 1070. Ist ein Recht, kraft dessen eine Leistung
gefordert werden kann, Gegenstand des Nießbrauchs, so finden auf das Rechtsverhältniß
zwischen dem Nießbraucher und dem Verpflichteten die Vorschriften entsprechende
Anwendung, welche im Falle der Uebertragung des Rechtes für das
Rechtsverhältniß zwischen dem Erwerber und dem Verpflichteten gelten.
Wird die Ausübung des Nießbrauchs nach §. 1052
einem Verwalter übertragen, so ist die Uebertragung dem Verpflichteten
gegenüber erst wirksam, wenn er von der getroffenen Anordnung Kenntniß erlangt
oder wenn ihm eine Mittheilung von der Anordnung zugestellt wird. Das Gleiche
gilt von der Aufhebung der Verwaltung.
§. 1071. Ein dem Nießbrauch unterliegendes Recht
kann durch Rechtsgeschäft nur mit Zustimmung des Nießbrauchers aufgehoben
werden. Die Zustimmung ist demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten
sie erfolgt; sie ist unwiderruflich. Die Vorschrift des §. 876 Satz 3 bleibt
unberührt.
Das Gleiche gilt im Falle einer Aenderung des
Rechtes, sofern sie den Nießbrauch beeinträchtigt.
§. 1072. Die Beendigung des Nießbrauchs tritt nach
den Vorschriften der §§. 1063, 1064 auch dann ein, wenn das dem Nießbrauch
unterliegende Recht nicht ein Recht an einer beweglichen Sache ist.
§. 1073. Dem Nießbraucher einer Leibrente, eines
Auszugs oder eines ähnlichen Rechtes gebühren die einzelnen Leistungen, die auf
Grund des Rechtes gefordert werden können.
§. 1074. Der Nießbraucher einer Forderung ist zur
Einziehung der Forderung und, wenn die Fälligkeit von einer Kündigung des
Gläubigers abhängt, zur Kündigung berechtigt. Er hat für die ordnungsmäßige
Einziehung zu sorgen. Zu anderen Verfügungen über die Forderung ist er nicht
berechtigt.
§. 1075. Mit der Leistung des Schuldners an den
Nießbraucher erwirbt der Gläubiger den geleisteten Gegenstand und der
Nießbraucher den Nießbrauch an dem Gegenstande.
Werden verbrauchbare Sachen geleistet, so erwirbt
der Nießbraucher das Eigenthum; die Vorschriften des §. 1067 finden
entsprechende Anwendung.
§. 1076. Ist eine auf Zinsen ausstehende Forderung
Gegenstand des Nießbrauchs, so gelten die Vorschriften der §§. 1077 bis 1079.
§. 1077. Der Schuldner kann das Kapital nur an den
Nießbraucher und den Gläubiger gemeinschaftlich zahlen. Jeder von beiden kann
verlangen, daß an sie gemeinschaftlich gezahlt wird; jeder kann statt der
Zahlung die Hinterlegung für beide fordern.
Der Nießbraucher und der Gläubiger können nur
gemeinschaftlich kündigen. Die Kündigung des Schuldners ist nur wirksam, wenn
sie dem Nießbraucher und dem Gläubiger erklärt wird.
§. 1078. Ist die Forderung fällig, so sind der
Nießbraucher und der Gläubiger einander verpflichtet, zur Einziehung
mitzuwirken. Hängt die Fälligkeit von einer Kündigung ab, so kann jeder Theil
die Mitwirkung des anderen zur Kündigung verlangen, wenn die Einziehung der
Forderung wegen Gefährdung ihrer Sicherheit nach den Regeln einer
ordnungsmäßigen Vermögensverwaltung geboten ist.
§. 1079. Der Nießbraucher und der Gläubiger sind
einander verpflichtet, dazu mitzuwirken, daß das eingezogene Kapital nach den
für die Anlegung von Mündelgeld geltenden Vorschriften verzinslich angelegt und
gleichzeitig dem Nießbraucher der Nießbrauch bestellt wird. Die Art der
Anlegung bestimmt der Nießbraucher.
§. 1080. Die Vorschriften über den Nießbrauch an
einer Forderung gelten auch für den Nießbrauch an einer Grundschuld und an
einer Rentenschuld.
§. 1081. Ist ein Inhaberpapier oder ein
Orderpapier, das mit Blankoindossament versehen ist, Gegenstand des
Nießbrauchs, so steht der Besitz des Papiers und des zu dem Papiere gehörenden
Erneuerungsscheins dem Nießbraucher und dem Eigenthümer gemeinschaftlich zu.
Der Besitz der zu dem Papiere gehörenden Zins-, Renten- oder
Gewinnantheilscheine steht dem Nießbraucher zu.
Zur Bestellung des Nießbrauchs genügt an Stelle der
Uebergabe des Papiers die Einräumung des Mitbesitzes.
§. 1082. Das Papier ist nebst dem Erneuerungsschein
auf Verlangen des Nießbrauchers oder des Eigenthümers bei einer
Hinterlegungsstelle mit der Bestimmung zu hinterlegen, daß die Herausgabe nur
von dem Nießbraucher und dem Eigenthümer gemeinschaftlich verlangt werden kann.
Der Nießbraucher kann auch Hinterlegung bei der Reichsbank verlangen.
§. 1083. Der Nießbraucher und der Eigenthümer des
Papiers sind für einander verpflichtet, zur Einziehung des fälligen Kapitals,
zur Beschaffung neuer Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheine sowie zu
sonstigen Maßnahmen mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Vermögensverwaltung
erforderlich sind.
Im Falle der Einlösung des Papiers finden die
Vorschriften des §. 1079 Anwendung. Eine bei der Einlösung gezahlte Prämie gilt
als Theil des Kapitals.
§. 1084. Gehört ein Inhaberpapier oder ein Orderpapier,
das mit Blankoindossament versehen ist, nach §. 92 zu den verbrauchbaren
Sachen, so bewendet es bei den Vorschriften des §. 1067.
III. Nießbrauch an einem Vermögen.
§. 1085. Der Nießbrauch an dem Vermögen einer
Person kann nur in der Weise bestellt werden, daß der Nießbraucher den
Nießbrauch an den einzelnen zu dem Vermögen gehörenden Gegenständen erlangt.
Soweit der Nießbrauch bestellt ist, gelten die Vorschriften der §§. 1086 bis
1088.
§. 1086. Die Gläubiger des Bestellers können,
soweit ihre Forderungen vor der Bestellung entstanden sind, ohne Rücksicht auf
den Nießbrauch Befriedigung aus den dem Nießbrauch unterliegenden Gegenständen
verlangen. Hat der Nießbraucher das Eigenthum an verbrauchbaren Sachen erlangt,
so tritt an die Stelle der Sachen der Anspruch des Bestellers auf Ersatz des
Werthes; der Nießbraucher ist den Gläubigern gegenüber zum sofortigen Ersatze
verpflichtet.
§. 1087. Der Besteller kann, wenn eine vor der
Bestellung entstandene Forderung fällig ist, von dem Nießbraucher Rückgabe der
zur Befriedigung des Gläubigers erforderlichen Gegenstände verlangen. Die
Auswahl steht ihm zu; er kann jedoch nur die vorzugsweise geeigneten
Gegenstände auswählen. Soweit die zurückgegebenen Gegenstände ausreichen, ist
der Besteller dem Nießbraucher gegenüber zur Befriedigung des Gläubigers
verpflichtet.
Der Nießbraucher kann die Verbindlichkeit durch
Leistung des geschuldeten Gegenstandes erfüllen. Gehört der geschuldete
Gegenstand nicht zu dem Vermögen, das dem Nießbrauch unterliegt, so ist der Nießbraucher
berechtigt, zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers einen zu dem Vermögen
gehörenden Gegenstand zu veräußern, wenn die Befriedigung durch den Besteller
nicht ohne Gefahr abgewartet werden kann. Er hat einen vorzugsweise geeigneten
Gegenstand auszuwählen. Soweit er zum Ersatze des Werthes verbrauchbarer Sachen
verpflichtet ist, darf er eine Veräußerung nicht vornehmen.
§. 1088. Die Gläubiger des Bestellers, deren
Forderungen schon zur Zeit der Bestellung verzinslich waren, können die Zinsen
für die Dauer des Nießbrauchs auch von dem Nießbraucher verlangen. Das Gleiche
gilt von anderen wiederkehrenden Leistungen, die bei ordnungsmäßiger Verwaltung
aus den Einkünften des Vermögens bestritten werden, wenn die Forderung vor der
Bestellung des Nießbrauchs entstanden ist.
Die Haftung des Nießbrauchers kann nicht durch
Vereinbarung zwischen ihm und dem Besteller ausgeschlossen oder beschränkt
werden.
Der Nießbraucher ist dem Besteller gegenüber zur
Befriedigung der Gläubiger wegen der im Abs. 1 bezeichneten Ansprüche
verpflichtet. Die Rückgabe von Gegenständen zum Zwecke der Befriedigung kann
der Besteller nur verlangen, wenn der Nießbraucher mit der Erfüllung dieser
Verbindlichkeit in Verzug kommt.
§. 1089. Die Vorschriften der §§. 1085 bis 1088
finden auf den Nießbrauch an einer Erbschaft entsprechende Anwendung.
Dritter Titel.
Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten.
§. 1090. Ein Grundstück kann in der Weise belastet
werden, daß derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist,
das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder daß ihm eine sonstige
Befugniß zusteht, die den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann
(beschränkte persönliche Dienstbarkeit).
Die Vorschriften der §§. 1020 bis 1024, 1026 bis
1029, 1061 finden entsprechende Anwendung.
§. 1091. Der Umfang einer beschränkten persönlichen
Dienstbarkeit bestimmt sich im Zweifel nach dem persönlichen Bedürfnisse des
Berechtigten.
§. 1092. Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit
ist nicht übertragbar. Die Ausübung der Dienstbarkeit kann einem Anderen nur
überlassen werden, wenn die Ueberlassung gestattet ist.
§. 1093. Als beschränkte persönliche Dienstbarkeit
kann auch das Recht bestellt werden, ein Gebäude oder einen Theil eines
Gebäudes unter Ausschluß des Eigenthümers als Wohnung zu benutzen. Auf dieses
Recht finden die für den Nießbrauch geltenden Vorschriften der §§. 1031, 1034,
1036, des §. 1037 Abs. 1 und der §§. 1041, 1042, 1044, 1049, 1050, 1057, 1062
entsprechende Anwendung.
Der Berechtigte ist befugt, seine Familie sowie die
zur standesmäßigen Bedienung und zur Pflege erforderlichen Personen in die
Wohnung aufzunehmen.
Ist das Recht auf einen Theil des Gebäudes
beschränkt, so kann der Berechtigte die zum gemeinschaftlichen Gebrauche der
Bewohner bestimmten Anlagen und Einrichtungen mitbenutzen.
Sechster Abschnitt.
Vorkaufsrecht.
§. 1094. Ein Grundstück kann in der Weise belastet
werden, daß derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, dem Eigenthümer
gegenüber zum Vorkaufe berechtigt ist.
Das Vorkaufsrecht kann auch zu Gunsten des
jeweiligen Eigenthümers eines anderen Grundstücks bestellt werden.
§. 1095. Ein Bruchtheil eines Grundstücks kann mit
dem Vorkaufsrechte nur belastet werden, wenn er in dem Antheil eines
Miteigenthümers besteht.
§. 1096. Das Vorkaufsrecht kann auf das Zubehör
erstreckt werden, das mit dem Grundstücke verkauft wird. Im Zweifel ist
anzunehmen, daß sich das Vorkaufsrecht auf dieses Zubehör erstrecken soll.
§. 1097. Das Vorkaufsrecht beschränkt sich auf den
Fall des Verkaufs durch den Eigenthümer, welchem das Grundstück zur Zeit der
Bestellung gehört, oder durch dessen Erben; es kann jedoch auch für mehrere
oder für alle Verkaufsfälle bestellt werden.
§. 1098. Das Rechtsverhältniß zwischen dem
Berechtigten und dem Verpflichteten bestimmt sich nach den Vorschriften der §§.
504 bis 514. Das Vorkaufsrecht kann auch dann ausgeübt werden, wenn das
Grundstück von dem Konkursverwalter aus freier Hand verkauft wird.
Dritten gegenüber hat das Vorkaufsrecht die Wirkung
einer Vormerkung zur Sicherung des durch die Ausübung des Rechtes entstehenden
Anspruchs auf Uebertragung des Eigenthums.
§. 1099. Gelangt das Grundstück in das Eigenthum
eines Dritten, so kann dieser in gleicher Weise wie der Verpflichtete dem
Berechtigten den Inhalt des Kaufvertrags mit der im §. 510 Abs. 2 bestimmten
Wirkung mittheilen.
Der Verpflichtete hat den neuen Eigenthümer zu
benachrichtigen, sobald die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt oder
ausgeschlossen ist.
§. 1100. Der neue Eigenthümer kann, wenn er der
Käufer oder ein Rechtsnachfolger des Käufers ist, die Zustimmung zur Eintragung
des Berechtigten als Eigenthümer und die Herausgabe des Grundstücks verweigern,
bis ihm der zwischen dem Verpflichteten und dem Käufer vereinbarte Kaufpreis,
soweit er berichtigt ist, erstattet wird. Erlangt der Berechtigte die
Eintragung als Eigenthümer, so kann der bisherige Eigenthümer von ihm die
Erstattung des berichtigten Kaufpreises gegen Herausgabe des Grundstücks
fordern.
§. 1101. Soweit der Berechtigte nach §. 1100 dem
Käufer oder dessen Rechtsnachfolger den Kaufpreis zu erstatten hat, wird er von
der Verpflichtung zur Zahlung des aus dem Vorkaufe geschuldeten Kaufpreises
frei.
§. 1102. Verliert der Käufer oder sein
Rechtsnachfolger in Folge der Geltendmachung des Vorkaufsrechts das Eigenthum,
so wird der Käufer, soweit der von ihm geschuldete Kaufpreis noch nicht
berichtigt ist, von seiner Verpflichtung frei; den berichtigten Kaufpreis kann
er nicht zurückfordern.
§. 1103. Ein zu Gunsten des jeweiligen Eigenthümers
eines Grundstücks bestehendes Vorkaufsrecht kann nicht von dem Eigenthum an
diesem Grundstücke getrennt werden.
Ein zu Gunsten einer bestimmten Person bestehendes
Vorkaufsrecht kann nicht mit dem Eigenthum an einem Grundstücke verbunden
werden.
§. 1104. Ist der Berechtigte unbekannt, so kann er
im Wege des Aufgebotsverfahrens mit seinem Rechte ausgeschlossen werden, wenn
die im §. 1170 für die Ausschließung eines Hypothekengläubigers bestimmten
Voraussetzungen vorliegen. Mit der Erlassung des Ausschlußurtheils erlischt das
Vorkaufsrecht.
Auf ein Vorkaufsrecht, das zu Gunsten des
jeweiligen Eigenthümers eines Grundstücks besteht, finden diese Vorschriften
keine Anwendung.
Siebenter Abschnitt.
Reallasten.
§. 1105. Ein Grundstück kann in der Weise belastet
werden, daß an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt,
wiederkehrende Leistungen aus dem Grundstücke zu entrichten sind (Reallast).
Die Reallast kann auch zu Gunsten des jeweiligen
Eigenthümers eines anderen Grundstücks bestellt werden.
§. 1106. Ein Bruchtheil eines Grundstücks kann mit
einer Reallast nur belastet werden, wenn er in dem Antheil eines
Miteigenthümers besteht.
§. 1107. Auf die einzelnen Leistungen finden die
für die Zinsen einer Hypothekenforderung geltenden Vorschriften entsprechende
Anwendung.
§. 1108. Der Eigenthümer haftet für die während der
Dauer seines Eigenthums fällig werdenden Leistungen auch persönlich, soweit
nicht ein Anderes bestimmt ist.
Wird das Grundstück getheilt, so haften die
Eigenthümer der einzelnen Theile als Gesammtschuldner.
§. 1109. Wird das Grundstück des Berechtigten
getheilt, so besteht die Reallast für die einzelnen Theile fort. Ist die
Leistung theilbar, so bestimmen sich die Antheile der Eigenthümer nach dem
Verhältnisse der Größe der Theile; ist sie nicht theilbar, so finden die
Vorschriften des §. 432 Anwendung. Die Ausübung des Rechtes ist im Zweifel nur
in der Weise zulässig, daß sie für den Eigenthümer des belasteten Grundstücks
nicht beschwerlicher wird.
Der Berechtigte kann bestimmen, daß das Recht nur
mit einem der Theile verbunden sein soll. Die Bestimmung hat dem Grundbuchamte
gegenüber zu erfolgen und bedarf der Eintragung in das Grundbuch; die
Vorschriften der §§. 876, 878 finden entsprechende Anwendung. Veräußert der
Berechtigte einen Theil des Grundstücks, ohne eine solche Bestimmung zu
treffen, so bleibt das Recht mit dem Theile verbunden, den er behält. Gereicht
die Reallast nur einem der Theile zum Vortheile, so bleibt sie mit diesem
Theile allein verbunden.
§. 1110. Eine zu Gunsten des jeweiligen Eigenthümers
eines Grundstücks bestehende Reallast kann nicht von dem Eigenthum an diesem
Grundstücke getrennt werden.
§. 1111. Eine zu Gunsten einer bestimmten Person
bestehende Reallast kann nicht mit dem Eigenthum an einem Grundstücke verbunden
werden.
Ist der Anspruch auf die einzelne Leistung nicht
übertragbar, so kann das Recht nicht veräußert oder belastet werden.
§. 1112. Ist der Berechtigte unbekannt, so finden
auf die Ausschließung seines Rechtes die Vorschriften des §. 1104 entsprechende
Anwendung.
Achter Abschnitt.
Hypothek. Grundschuld. Rentenschuld.
Erster Titel.
Hypothek.
§. 1113. Ein Grundstück kann in der Weise belastet
werden, daß an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine
bestimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer ihm zustehenden Forderung aus
dem Grundstücke zu zahlen ist (Hypothek).
Die Hypothek kann auch für eine künftige oder eine
bedingte Forderung bestellt werden.
§. 1114. Ein Bruchtheil eines Grundstücks kann mit
einer Hypothek nur belastet werden, wenn er in dem Antheil eines
Miteigenthümers besteht.
§. 1115. Bei der Eintragung der Hypothek müssen der
Gläubiger, der Geldbetrag der Forderung und, wenn die Forderung verzinslich
ist, der Zinssatz, wenn andere Nebenleistungen zu entrichten sind, ihr
Geldbetrag im Grundbuch angegeben werden; im Uebrigen kann zur Bezeichnung der
Forderung auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden.
Bei der Eintragung der Hypothek für ein Darlehen
einer Kreditanstalt, deren Satzung von der zuständigen Behörde öffentlich
bekannt gemacht worden ist, genügt zur Bezeichnung der außer den Zinsen
satzungsgemäß zu entrichtenden Nebenleistungen die Bezugnahme auf die Satzung.
§. 1116. Ueber die Hypothek wird ein
Hypothekenbrief ertheilt.
Die Ertheilung des Briefes kann ausgeschlossen werden.
Die Ausschließung kann auch nachträglich erfolgen. Zu der Ausschließung ist die
Einigung des Gläubigers und des Eigenthümers sowie die Eintragung in das
Grundbuch erforderlich; die Vorschriften des §. 873 Abs. 2 und der §§. 876, 878
finden entsprechende Anwendung.
Die Ausschließung der Ertheilung des Briefes kann
aufgehoben werden; die Aufhebung erfolgt in gleicher Weise wie die
Ausschließung.
§. 1117. Der Gläubiger erwirbt, sofern nicht die
Ertheilung des Hypothekenbriefs ausgeschlossen ist, die Hypothek erst, wenn ihm
der Brief von dem Eigenthümer des Grundstücks übergeben wird. Auf die Uebergabe
finden die Vorschriften des §. 929 Satz 2 und der §§. 930, 931 Anwendung.
Die Uebergabe des Briefes kann durch die
Vereinbarung ersetzt werden, daß der Gläubiger berechtigt sein soll, sich den
Brief von dem Grundbuchamt aushändigen zu lassen.
Ist der Gläubiger im Besitze des Briefes, so wird
vermuthet, daß die Uebergabe erfolgt sei.
§. 1118. Kraft der Hypothek haftet das Grundstück
auch für die gesetzlichen Zinsen der Forderung sowie für die Kosten der
Kündigung und der die Befriedigung aus dem Grundstücke bezweckenden
Rechtsverfolgung.
§. 1119. Ist die Forderung unverzinslich oder ist
der Zinssatz niedriger als fünf vom Hundert, so kann die Hypothek ohne Zustimmung
der im Range gleich- oder nachstehenden Berechtigten dahin erweitert werden,
daß das Grundstück für Zinsen bis zu fünf vom Hundert haftet.
Zu einer Aenderung der Zahlungszeit und des
Zahlungsorts ist die Zustimmung dieser Berechtigten gleichfalls nicht
erforderlich.
§. 1120. Die Hypothek erstreckt sich auf die von
dem Grundstücke getrennten Erzeugnisse und sonstigen Bestandtheile, soweit sie
nicht mit der Trennung nach den §§. 954 bis 957 in das Eigenthum eines Anderen
als des Eigenthümers oder des Eigenbesitzers des Grundstücks gelangt sind,
sowie auf das Zubehör des Grundstücks mit Ausnahme der Zubehörstücke, welche
nicht in das Eigenthum des Eigenthümers des Grundstücks gelangt sind.
§. 1121. Erzeugnisse und sonstige Bestandtheile des
Grundstücks sowie Zubehörstücke werden von der Haftung frei, wenn sie veräußert
und von dem Grundstück entfernt werden, bevor sie zu Gunsten des Gläubigers in
Beschlag genommen worden sind.
Erfolgt die Veräußerung vor der Entfernung, so kann
sich der Erwerber dem Gläubiger gegenüber nicht darauf berufen, daß er in
Ansehung der Hypothek in gutem Glauben gewesen sei. Entfernt der Erwerber die
Sache von dem Grundstücke, so ist eine vor der Entfernung erfolgte
Beschlagnahme ihm gegenüber nur wirksam, wenn er bei der Entfernung in Ansehung
der Beschlagnahme nicht in gutem Glauben ist.
§. 1122. Sind die Erzeugnisse oder Bestandtheile
innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirthschaft von dem Grundstücke
getrennt worden, so erlischt ihre Haftung auch ohne Veräußerung, wenn sie vor
der Beschlagnahme von dem Grundstück entfernt werden, es sei denn, daß die
Entfernung zu einem vorübergehenden Zwecke erfolgt.
Zubehörstücke werden ohne Veräußerung von der
Haftung frei, wenn die Zubehöreigenschaft innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen
Wirthschaft vor der Beschlagnahme aufgehoben wird.
§. 1123. Ist das Grundstück vermiethet oder
verpachtet, so erstreckt sich die Hypothek auf die Mieth- oder
Pachtzinsforderung.
Soweit die Forderung fällig ist, wird sie mit dem
Ablauf eines Jahres nach dem Eintritte der Fälligkeit von der Haftung frei,
wenn nicht vorher die Beschlagnahme zu Gunsten des Hypothekengläubigers
erfolgt. Ist der Mieth- oder Pachtzins im voraus zu entrichten, so erstreckt
sich die Befreiung nicht auf den Mieth- oder Pachtzins für eine spätere Zeit
als das zur Zeit der Beschlagnahme laufende Kalendervierteljahr; erfolgt die
Beschlagnahme innerhalb des letzten halben Monats eines Kalendervierteljahrs,
so erstreckt sich die Befreiung auch auf den Miet- oder Pachtzins für das
folgende Kalendervierteljahr.
§. 1124. Wird der Mieth- oder Pachtzins eingezogen,
bevor er zu Gunsten des Hypothekengläubigers in Beschlag genommen worden ist,
oder wird vor der Beschlagnahme in anderer Weise über ihn verfügt, so ist die
Verfügung dem Hypothekengläubiger gegenüber wirksam. Besteht die Verfügung in
der Uebertragung der Forderung auf einen Dritten, so erlischt die Haftung der
Forderung; erlangt ein Dritter ein Recht an der Forderung, so geht es der
Hypothek im Range vor.
Die Verfügung ist dem Hypothekengläubiger gegenüber
unwirksam, soweit sie sich auf den Mieth- oder Pachtzins für eine spätere Zeit
als das zur Zeit der Beschlagnahme laufende Kalendervierteljahr bezieht;
erfolgt die Beschlagnahme innerhalb des letzten halben Monats eines Kalendervierteljahrs,
so ist die Verfügung jedoch insoweit wirksam, als sie sich auf den Miet- oder
Pachtzins für das folgende Kalendervierteljahr bezieht.
Der Uebertragung der Forderung auf einen Dritten
steht es gleich, wenn das Grundstück ohne die Forderung veräußert wird.
§. 1125. Soweit die Einziehung des Mieth- oder
Pachtzinses dem Hypothekengläubiger gegenüber unwirksam ist, kann der Miether
oder der Pächter nicht eine ihm gegen den Vermiether oder den Verpächter
zustehende Forderung gegen den Hypothekengläubiger aufrechnen.
§. 1126. Ist mit dem Eigenthum an dem Grundstück
ein Recht auf wiederkehrende Leistungen verbunden, so erstreckt sich die
Hypothek auf die Ansprüche auf diese Leistungen. Die Vorschriften des §. 1123
Abs. 2 Satz 1, des §. 1124 Abs. 1, 3 und des §. 1125 finden entsprechende
Anwendung. Eine vor der Beschlagnahme erfolgte Verfügung über den Anspruch auf
eine Leistung, die erst drei Monate nach der Beschlagnahme fällig wird, ist dem
Hypothekengläubiger gegenüber unwirksam.
§. 1127. Sind Gegenstände, die der Hypothek
unterliegen, für den Eigenthümer oder den Eigenbesitzer des Grundstücks unter
Versicherung gebracht, so erstreckt sich die Hypothek auf die Forderung gegen
den Versicherer.
Die Haftung der Forderung gegen den Versicherer
erlischt, wenn der versicherte Gegenstand wiederhergestellt oder Ersatz für ihn
beschafft ist.
§. 1128. Ist ein Gebäude versichert, so kann der
Versicherer die Versicherungssumme mit Wirkung gegen den Hypothekengläubiger an
den Versicherten erst zahlen, wenn er oder der Versicherte den Eintritt des
Schadens dem Hypothekengläubiger angezeigt hat und seit dem Empfange der
Anzeige ein Monat verstrichen ist. Der Hypothekengläubiger kann bis zum Ablaufe
der Frist dem Versicherer gegenüber der Zahlung widersprechen. Die Anzeige darf
unterbleiben, wenn sie unthunlich ist; in diesem Falle wird der Monat von dem
Zeitpunkt an berechnet, in welchem die Versicherungssumme fällig wird.
Im Uebrigen finden die für eine verpfändete
Forderung geltenden Vorschriften Anwendung; der Versicherer kann sich jedoch
nicht darauf berufen, daß er eine aus dem Grundbuch ersichtliche Hypothek nicht
gekannt habe.
§. 1129. Ist ein anderer Gegenstand als ein Gebäude
versichert, so bestimmt sich die Haftung der Forderung gegen den Versicherer nach
den Vorschriften des §. 1123 Abs. 2 Satz 1 und des §. 1124 Abs. 1, 3.
§. 1130. Ist der Versicherer nach den
Versicherungsbestimmungen nur verpflichtet, die Versicherungssumme zur
Wiederherstellung des versicherten Gegenstandes zu zahlen, so ist eine diesen
Bestimmungen entsprechende Zahlung an den Versicherten dem Hypothekengläubiger
gegenüber wirksam.
§. 1131. Wird ein Grundstück nach §. 890 Abs. 2
einem anderen Grundstück im Grundbuche zugeschrieben, so erstrecken sich die an
diesem Grundstücke bestehenden Hypotheken auf das zugeschriebene Grundstück.
Rechte, mit denen das zugeschriebene Grundstück belastet ist, gehen diesen
Hypotheken im Range vor.
§. 1132. Besteht für die Forderung eine Hypothek an
mehreren Grundstücken (Gesammthypothek), so haftet jedes Grundstück für die
ganze Forderung. Der Gläubiger kann die Befriedigung nach seinem Belieben aus
jedem der Grundstücke ganz oder zu einem Theile suchen.
Der Gläubiger ist berechtigt, den Betrag der
Forderung auf die einzelnen Grundstücke in der Weise zu vertheilen, daß jedes
Grundstück nur für den zugetheilten Betrag haftet. Auf die Vertheilung finden
die Vorschriften der §§. 875, 876, 878 entsprechende Anwendung.
§. 1133. Ist in Folge einer Verschlechterung des
Grundstücks die Sicherheit der Hypothek gefährdet, so kann der Gläubiger dem
Eigenthümer eine angemessene Frist zur Beseitigung der Gefährdung bestimmen.
Nach dem Ablaufe der Frist ist der Gläubiger berechtigt, sofort Befriedigung
aus dem Grundstücke zu suchen, wenn nicht die Gefährdung durch Verbesserung des
Grundstücks oder durch anderweitige Hypothekenbestellung beseitigt worden ist.
Ist die Forderung unverzinslich und noch nicht fällig, so gebührt dem Gläubiger
nur die Summe, welche mit Hinzurechnung der gesetzlichen Zinsen für die Zeit
von der Zahlung bis zur Fälligkeit dem Betrage der Forderung gleichkommt.
§. 1134. Wirkt der Eigenthümer oder ein Dritter auf
das Grundstück in solcher Weise ein, daß eine die Sicherheit der Hypothek
gefährdende Verschlechterung des Grundstücks zu besorgen ist, so kann der
Gläubiger auf Unterlassung klagen.
Geht die Einwirkung von dem Eigenthümer aus, so hat
das Gericht auf Antrag des Gläubigers die zur Abwendung der Gefährdung
erforderlichen Maßregeln anzuordnen. Das Gleiche gilt, wenn die
Verschlechterung deshalb zu besorgen ist, weil der Eigenthümer die
erforderlichen Vorkehrungen gegen Einwirkungen Dritter oder gegen andere
Beschädigungen unterläßt.
§. 1135. Einer Verschlechterung des Grundstücks im
Sinne der §§. 1133, 1134 steht es gleich, wenn Zubehörstücke, auf die sich die
Hypothek erstreckt, verschlechtert oder den Regeln einer ordnungsmäßigen
Wirthschaft zuwider von dem Grundstück entfernt werden.
§. 1136. Eine Vereinbarung, durch die sich der
Eigenthümer dem Gläubiger gegenüber verpflichtet, das Grundstück nicht zu
veräußern oder nicht weiter zu belasten, ist nichtig.
§. 1137. Der Eigenthümer kann gegen die Hypothek
die dem persönlichen Schuldner gegen die Forderung sowie die nach §. 770 einem
Bürgen zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der persönliche Schuldner,
so kann sich der Eigenthümer nicht darauf berufen, daß der Erbe für die Schuld
nur beschränkt haftet.
Ist der Eigenthümer nicht der persönliche
Schuldner, so verliert er eine Einrede nicht dadurch, daß dieser auf sie
verzichtet.
§. 1138. Die Vorschriften der §§. 891 bis 899
gelten für die Hypothek auch in Ansehung der Forderung und der dem Eigenthümer
nach §. 1137 zustehenden Einreden.
§. 1139. Ist bei der Bestellung einer Hypothek für
ein Darlehen die Ertheilung des Hypothekenbriefs ausgeschlossen worden, so
genügt zur Eintragung eines Widerspruchs, der sich darauf gründet, daß die
Hingabe des Darlehens unterblieben sei, der von dem Eigenthümer an das
Grundbuchamt gerichtete Antrag, sofern er vor dem Ablauf eines Monats nach der
Eintragung der Hypothek gestellt wird. Wird der Widerspruch innerhalb des
Monats eingetragen, so hat die Eintragung die gleiche Wirkung, wie wenn der
Widerspruch zugleich mit der Hypothek eingetragen worden wäre.
§. 1140. Soweit die Unrichtigkeit des Grundbuchs
aus dem Hypothekenbrief oder einem Vermerk auf dem Briefe hervorgeht, ist die
Berufung auf die Vorschriften der §§. 892, 893 ausgeschlossen. Ein Widerspruch
gegen die Richtigkeit des Grundbuchs, der aus dem Briefe oder einem Vermerk auf
dem Briefe hervorgeht, steht einem im Grundbuch eingetragenen Widerspruche
gleich.
§. 1141. Hängt die Fälligkeit der Forderung von
einer Kündigung ab, so ist die Kündigung für die Hypothek nur wirksam, wenn sie
von dem Gläubiger dem Eigenthümer oder von dem Eigenthümer dem Gläubiger
erklärt wird. Zu Gunsten des Gläubigers gilt derjenige, welcher im Grundbuch
als Eigenthümer eingetragen ist, als der Eigenthümer.
Hat der Eigenthümer keinen Wohnsitz im Inland oder
liegen die Voraussetzungen des §. 132 Abs. 2 vor, so hat auf Antrag des
Gläubigers das Amtsgericht, in dessen Bezirke das Grundstück liegt, dem
Eigenthümer einen Vertreter zu bestellen, dem gegenüber die Kündigung des
Gläubigers erfolgen kann.
§. 1142. Der Eigenthümer ist berechtigt, den
Gläubiger zu befriedigen, wenn die Forderung ihm gegenüber fällig geworden oder
wenn der persönliche Schuldner zur Leistung berechtigt ist.
Die Befriedigung kann auch durch Hinterlegung oder
durch Aufrechnung erfolgen.
§. 1143. Ist der Eigenthümer nicht der persönliche
Schuldner, so geht, soweit er den Gläubiger befriedigt, die Forderung auf ihn
über. Die für einen Bürgen geltenden Vorschriften des §. 774 Abs. 1 finden
entsprechende Anwendung.
Besteht für die Forderung eine Gesammthypothek, so
gelten für diese die Vorschriften des §. 1173.
§. 1144. Der Eigenthümer kann gegen Befriedigung
des Gläubigers die Aushändigung des Hypothekenbriefs und der sonstigen Urkunden
verlangen, die zur Berichtigung des Grundbuchs oder zur Löschung der Hypothek
erforderlich sind.
§. 1145. Befriedigt der Eigenthümer den Gläubiger
nur theilweise, so kann er die Aushändigung des Hypothekenbriefs nicht
verlangen. Der Gläubiger ist verpflichtet, die theilweise Befriedigung auf dem
Briefe zu vermerken und den Brief zum Zwecke der Berichtigung des Grundbuchs
oder der Löschung dem Grundbuchamt oder zum Zwecke der Herstellung eines
Theilhypothekenbriefs für den Eigenthümer der zuständigen Behörde oder einem
zuständigen Notare vorzulegen.
Die Vorschrift des Abs. 1 Satz 2 gilt für Zinsen
und andere Nebenleistungen nur, wenn sie später als in dem Kalendervierteljahr,
in welchem der Gläubiger befriedigt wird, oder dem folgenden Vierteljahre
fällig werden. Auf Kosten, für die das Grundstück nach §. 1118 haftet, findet
die Vorschrift keine Anwendung.
§. 1146. Liegen dem Eigenthümer gegenüber die
Voraussetzungen vor, unter denen ein Schuldner in Verzug kommt, so gebühren dem
Gläubiger Verzugszinsen aus dem Grundstücke.
§. 1147. Die Befriedigung des Gläubigers aus dem
Grundstück und den Gegenständen, auf die sich die Hypothek erstreckt, erfolgt
im Wege der Zwangsvollstreckung.
§. 1148. Bei der Verfolgung des Rechtes aus der
Hypothek gilt zu Gunsten des Gläubigers derjenige, welcher im Grundbuch als
Eigenthümer eingetragen ist, als der Eigenthümer. Das Recht des nicht
eingetragenen Eigenthümers, die ihm gegen die Hypothek zustehenden Einwendungen
geltend zu machen, bleibt unberührt.
§. 1149. Der Eigenthümer kann, solange nicht die
Forderung ihm gegenüber fällig geworden ist, dem Gläubiger nicht das Recht
einräumen, zum Zwecke der Befriedigung die Uebertragung des Eigenthums an dem
Grundstücke zu verlangen oder die Veräußerung des Grundstücks auf andere Weise
als im Wege der Zwangsvollstreckung zu bewirken.
§. 1150. Verlangt der Gläubiger Befriedigung aus
dem Grundstücke, so finden die Vorschriften der §§. 268, 1144, 1145
entsprechende Anwendung.
§. 1151. Wird die Forderung getheilt, so ist zur
Aenderung des Rangverhältnisses der Theilhypotheken unter einander die
Zustimmung des Eigenthümers nicht erforderlich.
§. 1152. Im Falle einer Theilung der Forderung
kann, sofern nicht die Ertheilung des Hypothekenbriefs ausgeschlossen ist, für
jeden Theil ein Theilhypothekenbrief hergestellt werden; die Zustimmung des
Eigenthümers des Grundstücks ist nicht erforderlich. Der Theilhypothekenbrief
tritt für den Theil, auf den er sich bezieht, an die Stelle des bisherigen
Briefes.
§. 1153. Mit der Uebertragung der Forderung geht
die Hypothek auf den neuen Gläubiger über.
Die Forderung kann nicht ohne die Hypothek, die
Hypothek kann nicht ohne die Forderung übertragen werden.
§. 1154. Zur Abtretung der Forderung ist Ertheilung
der Abtretungserklärung in schriftlicher Form und Uebergabe des
Hypothekenbriefs erforderlich; die Vorschriften des §. 1117 finden Anwendung.
Der bisherige Gläubiger hat auf Verlangen des neuen Gläubigers die
Abtretungserklärung auf seine Kosten öffentlich beglaubigen zu lassen.
Die schriftliche Form der Abtretungserklärung kann
dadurch ersetzt werden, daß die Abtretung in das Grundbuch eingetragen wird.
Ist die Ertheilung des Hypothekenbriefs
ausgeschlossen, so finden auf die Abtretung der Forderung die Vorschriften der
§§. 873, 878 entsprechende Anwendung.
§. 1155. Ergiebt sich das Gläubigerrecht des
Besitzers des Hypothekenbriefs aus einer zusammenhängenden, auf einen
eingetragenen Gläubiger zurückführenden Reihe von öffentlich beglaubigten
Abtretungserklärungen, so finden die Vorschriften der §§. 891 bis 899 in
gleicher Weise Anwendung, wie wenn der Besitzer des Briefes als Gläubiger im
Grundbuch eingetragen wäre. Einer öffentlich beglaubigten Abtretungserklärung
steht gleich ein gerichtlicher Ueberweisungsbeschluß und das öffentlich
beglaubigte Anerkenntniß einer kraft Gesetzes erfolgten Uebertragung der
Forderung.
§. 1156. Die für die Uebertragung der Forderung
geltenden Vorschriften der §§. 406 bis 408 finden auf das Rechtsverhältniß
zwischen dem Eigenthümer und dem neuen Gläubiger in Ansehung der Hypothek keine
Anwendung. Der neue Gläubiger muß jedoch eine dem bisherigen Gläubiger
gegenüber erfolgte Kündigung des Eigenthümers gegen sich gelten lassen, es sei
denn, daß die Uebertragung zur Zeit der Kündigung dem Eigenthümer bekannt oder
im Grundbuch eingetragen ist.
§. 1157. Eine Einrede, die dem Eigenthümer auf
Grund eines zwischen ihm und dem bisherigen Gläubiger bestehenden Rechtsverhältnisses
gegen die Hypothek zusteht, kann auch dem neuen Gläubiger entgegengesetzt
werden. Die Vorschriften der §§. 892, 894 bis 899, 1140 gelten auch für diese
Einrede.
§. 1158. Soweit die Forderung auf Zinsen oder
andere Nebenleistungen gerichtet ist, die nicht später als in dem
Kalendervierteljahr, in welchem der Eigenthümer von der Uebertragung Kenntniß
erlangt, oder dem folgenden Vierteljahre fällig werden, finden auf das
Rechtsverhältniß zwischen dem Eigenthümer und dem neuen Gläubiger die Vorschriften
der §§. 406 bis 408 Anwendung; der Gläubiger kann sich gegenüber den
Einwendungen, welche dem Eigenthümer nach den §§. 404, 406 bis 408, 1157
zustehen, nicht auf die Vorschriften des §. 892 berufen.
§. 1159. Soweit die Forderung auf Rückstände von Zinsen
oder anderen Nebenleistungen gerichtet ist, bestimmt sich die Uebertragung
sowie das Rechtsverhältniß zwischen dem Eigenthümer und dem neuen Gläubiger
nach den für die Uebertragung von Forderungen geltenden allgemeinen
Vorschriften. Das Gleiche gilt für den Anspruch auf Erstattung von Kosten, für
die das Grundstück nach §. 1118 haftet.
Die Vorschriften des §. 892 finden auf die im Abs.
1 bezeichneten Ansprüche keine Anwendung.
§. 1160. Der Geltendmachung der Hypothek kann,
sofern nicht die Ertheilung des Hypothekenbriefs ausgeschlossen ist,
widersprochen werden, wenn der Gläubiger nicht den Brief vorlegt; ist der
Gläubiger nicht im Grundbuch eingetragen, so sind auch die im §. 1155
bezeichneten Urkunden vorzulegen.
Eine dem Eigenthümer gegenüber erfolgte Kündigung
oder Mahnung ist unwirksam, wenn der Gläubiger die nach Abs. 1 erforderlichen
Urkunden nicht vorlegt und der Eigenthümer die Kündigung oder die Mahnung aus
diesem Grunde unverzüglich zurückweist.
Diese Vorschriften gelten nicht für die im §. 1159
bezeichneten Ansprüche.
§. 1161. Ist der Eigenthümer der persönliche
Schuldner, so finden die Vorschriften des §. 1160 auch auf die Geltendmachung
der Forderung Anwendung.
§. 1162. Ist der Hypothekenbrief abhanden gekommen
oder vernichtet, so kann er im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos
erklärt werden.
§. 1163. Ist die Forderung, für welche die Hypothek
bestellt ist, nicht zur Entstehung gelangt, so steht die Hypothek dem
Eigenthümer zu. Erlischt die Forderung, so erwirbt der Eigenthümer die Hypothek.
Eine Hypothek, für welche die Ertheilung des
Hypothekenbriefs nicht ausgeschlossen ist, steht bis zur Uebergabe des Briefes
an den Gläubiger dem Eigenthümer zu.
§. 1164. Befriedigt der persönliche Schuldner den
Gläubiger, so geht die Hypothek insoweit auf ihn über, als er von dem
Eigenthümer oder einem Rechtsvorgänger des Eigenthümers Ersatz verlangen kann.
Ist dem Schuldner nur theilweise Ersatz zu leisten, so kann der Eigenthümer die
Hypothek, soweit sie auf ihn übergegangen ist, nicht zum Nachtheile der
Hypothek des Schuldners geltend machen.
Der Befriedigung des Gläubigers steht es gleich,
wenn sich Forderung und Schuld in einer Person vereinigen.
§. 1165. Verzichtet der Gläubiger auf die Hypothek
oder hebt er sie nach §. 1183 auf oder räumt er einem anderen Rechte den
Vorrang ein, so wird der persönliche Schuldner insoweit frei, als er ohne diese
Verfügung nach §. 1164 aus der Hypothek hätte Ersatz erlangen können.
§. 1166. Ist der persönliche Schuldner berechtigt,
von dem Eigenthümer Ersatz zu verlangen, falls er den Gläubiger befriedigt, so
kann er, wenn der Gläubiger die Zwangsversteigerung des Grundstücks betreibt,
ohne ihn unverzüglich zu benachrichtigen, die Befriedigung des Gläubigers wegen
eines Ausfalls bei der Zwangsversteigerung insoweit verweigern, als er in Folge
der Unterlassung der Benachrichtigung einen Schaden erleidet. Die
Benachrichtigung darf unterbleiben, wenn sie unthunlich ist.
§. 1167. Erwirbt der persönliche Schuldner, falls
er den Gläubiger befriedigt, die Hypothek oder hat er im Falle der Befriedigung
ein sonstiges rechtliches Interesse an der Berichtigung des Grundbuchs, so
stehen ihm die in den §§. 1144, 1145 bestimmten Rechte zu.
§. 1168. Verzichtet der Gläubiger auf die Hypothek,
so erwirbt sie der Eigenthümer.
Der Verzicht ist dem Grundbuchamt oder dem
Eigenthümer gegenüber zu erklären und bedarf der Eintragung in das Grundbuch.
Die Vorschriften des §. 875 Abs. 2 und der §§. 876, 878 finden entsprechende
Anwendung.
Verzichtet der Gläubiger für einen Theil der
Forderung auf die Hypothek, so stehen dem Eigenthümer die im §. 1145 bestimmten
Rechte zu.
§. 1169. Steht dem Eigenthümer eine Einrede zu,
durch welche die Geltendmachung der Hypothek dauernd ausgeschlossen wird, so
kann er verlangen, daß der Gläubiger auf die Hypothek verzichtet.
§. 1170. Ist der Gläubiger unbekannt, so kann er im
Wege des Aufgebotsverfahrens mit seinem Rechte ausgeschlossen werden, wenn seit
der letzten sich auf die Hypothek beziehenden Eintragung in das Grundbuch zehn
Jahre verstrichen sind und das Recht des Gläubigers nicht innerhalb dieser
Frist von dem Eigenthümer in einer nach §. 208 zur Unterbrechung der Verjährung
geeigneten Weise anerkannt worden ist. Besteht für die Forderung eine nach dem
Kalender bestimmte Zahlungszeit, so beginnt die Frist nicht vor dem Ablaufe des
Zahlungstags.
Mit der Erlassung des Ausschlußurtheils erwirbt der
Eigenthümer die Hypothek. Der dem Gläubiger ertheilte Hypothekenbrief wird
kraftlos.
§. 1171. Der unbekannte Gläubiger kann im Wege des
Aufgebotsverfahrens mit seinem Rechte auch dann ausgeschlossen werden, wenn der
Eigenthümer zur Befriedigung des Gläubigers oder zur Kündigung berechtigt ist
und den Betrag der Forderung für den Gläubiger unter Verzicht auf das Recht zur
Rücknahme hinterlegt. Die Hinterlegung von Zinsen ist nur erforderlich, wenn
der Zinssatz im Grundbuch eingetragen ist; Zinsen für eine frühere Zeit als das
vierte Kalenderjahr vor der Erlassung des Ausschlußurtheils sind nicht zu
hinterlegen.
Mit der Erlassung des Ausschlußurtheils gilt der
Gläubiger als befriedigt, sofern nicht nach den Vorschriften über die
Hinterlegung die Befriedigung schon vorher eingetreten ist. Der dem Gläubiger
ertheilte Hypothekenbrief wird kraftlos.
Das Recht des Gläubigers auf den hinterlegten
Betrag erlischt mit dem Ablaufe von dreißig Jahren nach der Erlassung des
Ausschlußurtheils, wenn nicht der Gläubiger sich vorher bei der
Hinterlegungsstelle meldet; der Hinterleger ist zur Rücknahme berechtigt, auch
wenn er auf das Recht zur Rücknahme verzichtet hat.
§. 1172. Eine Gesammthypothek steht in den Fällen
des §. 1163 den Eigenthümern der belasteten Grundstücke gemeinschaftlich zu.
Jeder Eigenthümer kann, sofern nicht ein Anderes
vereinbart ist, verlangen, daß die Hypothek an seinem Grundstück auf den
Theilbetrag, der dem Verhältnisse des Werthes seines Grundstücks zu dem Werthe
der sämmtlichen Grundstücke entspricht, nach §. 1132 Abs. 2 beschränkt und in
dieser Beschränkung ihm zugetheilt wird. Der Werth wird unter Abzug der
Belastungen berechnet, die der Gesammthypothek im Range vorgehen.
§. 1173. Befriedigt der Eigenthümer eines der mit
einer Gesammthypothek belasteten Grundstücke den Gläubiger, so erwirbt er die
Hypothek an seinem Grundstücke; die Hypothek an den übrigen Grundstücken
erlischt. Der Befriedigung des Gläubigers durch den Eigenthümer steht es
gleich, wenn das Gläubigerrecht auf den Eigenthümer übertragen wird oder wenn
sich Forderung und Schuld in der Person des Eigenthümers vereinigen.
Kann der Eigenthümer, der den Gläubiger befriedigt,
von dem Eigenthümer eines der anderen Grundstücke oder einem Rechtsvorgänger
dieses Eigenthümers Ersatz verlangen, so geht in Höhe des Ersatzanspruchs auch
die Hypothek an dem Grundstücke dieses Eigenthümers auf ihn über; sie bleibt
mit der Hypothek an seinem eigenen Grundstücke Gesammthypothek.
§. 1174. Befriedigt der persönliche Schuldner den
Gläubiger, dem eine Gesammthypothek zusteht, oder vereinigen sich bei einer
Gesammthypothek Forderung und Schuld in einer Person, so geht, wenn der
Schuldner nur von dem Eigenthümer eines der Grundstücke oder von einem
Rechtsvorgänger des Eigenthümers Ersatz verlangen kann, die Hypothek an diesem
Grundstück auf ihn über; die Hypothek an den übrigen Grundstücken erlischt.
Ist dem Schuldner nur theilweise Ersatz zu leisten
und geht deshalb die Hypothek nur zu einem Theilbetrag auf ihn über, so hat
sich der Eigenthümer diesen Betrag auf den ihm nach §. 1172 gebührenden Theil
des übrigbleibenden Betrags der Gesammthypothek anrechnen zu lassen.
§. 1175. Verzichtet der Gläubiger auf die Gesammthypothek,
so fällt sie den Eigenthümern der belasteten Grundstücke gemeinschaftlich zu;
die Vorschriften des §. 1172 Abs. 2 finden Anwendung. Verzichtet der Gläubiger
auf die Hypothek an einem der Grundstücke, so erlischt die Hypothek an diesem.
Das Gleiche gilt, wenn der Gläubiger nach §. 1170
mit seinem Rechte ausgeschlossen wird.
§. 1176. Liegen die Voraussetzungen der §§. 1163,
1164, 1168, 1172 bis 1175 nur in Ansehung eines Theilbetrags der Hypothek vor,
so kann die auf Grund dieser Vorschriften dem Eigenthümer oder einem der
Eigenthümer oder dem persönlichen Schuldner zufallende Hypothek nicht zum
Nachtheile der dem Gläubiger verbleibenden Hypothek geltend gemacht werden.
§. 1177. Vereinigt sich die Hypothek mit dem
Eigenthum in einer Person, ohne daß dem Eigenthümer auch die Forderung zusteht,
so verwandelt sich die Hypothek in eine Grundschuld. In Ansehung der
Verzinslichkeit, des Zinssatzes, der Zahlungszeit, der Kündigung und des
Zahlungsorts bleiben die für die Forderung getroffenen Bestimmungen maßgebend.
Steht dem Eigenthümer auch die Forderung zu, so
bestimmen sich seine Rechte aus der Hypothek, solange die Vereinigung besteht,
nach den für eine Grundschuld des Eigenthümers geltenden Vorschriften.
§. 1178. Die Hypothek für Rückstände von Zinsen und
anderen Nebenleistungen sowie für Kosten, die dem Gläubiger zu erstatten sind,
erlischt, wenn sie sich mit dem Eigenthum in einer Person vereinigt. Das
Erlöschen tritt nicht ein, solange einem Dritten ein Recht an dem Anspruch auf
eine solche Leistung zusteht.
Zum Verzicht auf die Hypothek für die im Abs. 1
bezeichneten Leistungen genügt die Erklärung des Gläubigers gegenüber dem
Eigenthümer. Solange einem Dritten ein Recht an dem Anspruch auf eine solche
Leistung zusteht, ist die Zustimmung des Dritten erforderlich. Die Zustimmung
ist demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt; sie ist
unwiderruflich.
§. 1179. Verpflichtet sich der Eigenthümer einem
Anderen gegenüber, die Hypothek löschen zu lassen, wenn sie sich mit dem
Eigenthum in einer Person vereinigt, so kann zur Sicherung des Anspruchs auf
Löschung eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen werden.
§. 1180. An die Stelle der Forderung, für welche
die Hypothek besteht, kann eine andere Forderung gesetzt werden. Zu der
Aenderung ist die Einigung des Gläubigers und des Eigenthümers sowie die
Eintragung in das Grundbuch erforderlich; die Vorschriften des §. 873 Abs. 2
und der §§. 876, 878 finden entsprechende Anwendung.
Steht die Forderung, die an die Stelle der
bisherigen Forderung treten soll, nicht dem bisherigen Hypothekengläubiger zu,
so ist dessen Zustimmung erforderlich; die Zustimmung ist dem Grundbuchamt oder
demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt. Die
Vorschriften des §. 875 Abs. 2 und des §. 876 finden entsprechende Anwendung.
§. 1181. Wird der Gläubiger aus dem Grundstücke
befriedigt, so erlischt die Hypothek.
Erfolgt die Befriedigung des Gläubigers aus einem
der mit einer Gesammthypothek belasteten Grundstücke, so werden auch die
übrigen Grundstücke frei.
Der Befriedigung aus dem Grundstücke steht die
Befriedigung aus den Gegenständen gleich, auf die sich die Hypothek erstreckt.
§. 1182. Soweit im Falle einer Gesammthypothek der
Eigenthümer des Grundstücks, aus dem der Gläubiger befriedigt wird, von dem
Eigenthümer eines der anderen Grundstücke oder einem Rechtsvorgänger dieses
Eigenthümers Ersatz verlangen kann, geht die Hypothek an dem Grundstücke dieses
Eigenthümers auf ihn über. Die Hypothek kann jedoch, wenn der Gläubiger nur
theilweise befriedigt wird, nicht zum Nachtheile der dem Gläubiger
verbleibenden Hypothek und, wenn das Grundstück mit einem im Range gleich- oder
nachstehenden Rechte belastet ist, nicht zum Nachtheile dieses Rechtes geltend
gemacht werden.
§. 1183. Zur Aufhebung der Hypothek durch
Rechtsgeschäft ist die Zustimmung des Eigenthümers erforderlich. Die Zustimmung
ist dem Grundbuchamt oder dem Gläubiger gegenüber zu erklären; sie ist
unwiderruflich.
§. 1184. Eine Hypothek kann in der Weise bestellt
werden, daß das Recht des Gläubigers aus der Hypothek sich nur nach der
Forderung bestimmt und der Gläubiger sich zum Beweise der Forderung nicht auf
die Eintragung berufen kann (Sicherungshypothek).
Die Hypothek muß im Grundbuch als
Sicherungshypothek bezeichnet werden.
§. 1185. Bei der Sicherungshypothek ist die
Ertheilung des Hypothekenbriefs ausgeschlossen.
Die Vorschriften der §§. 1138, 1139, 1141, 1156
finden keine Anwendung.
§. 1186. Eine Sicherungshypothek kann in eine
gewöhnliche Hypothek, eine gewöhnliche Hypothek kann in eine Sicherungshypothek
umgewandelt werden. Die Zustimmung der im Range gleich- oder nachstehenden
Berechtigten ist nicht erforderlich.
§. 1187. Für die Forderung aus einer
Schuldverschreibung auf den Inhaber, aus einem Wechsel oder aus einem anderen
Papiere, das durch Indossament übertragen werden kann, kann nur eine
Sicherungshypothek bestellt werden. Die Hypothek gilt als Sicherungshypothek,
auch wenn sie im Grundbuche nicht als solche bezeichnet ist. Die Vorschrift des
§. 1154 Abs. 3 findet keine Anwendung.
§. 1188. Zur Bestellung einer Hypothek für die
Forderung aus einer Schuldverschreibung auf den Inhaber genügt die Erklärung
des Eigenthümers gegenüber dem Grundbuchamte, daß er die Hypothek bestelle, und
die Eintragung in das Grundbuch; die Vorschrift des §. 878 findet Anwendung.
Die Ausschließung des Gläubigers mit seinem Rechte
nach §. 1170 ist nur zulässig, wenn die im §. 801 bezeichnete Vorlegungsfrist
verstrichen ist. Ist innerhalb der Frist die Schuldverschreibung vorgelegt oder
der Anspruch aus der Urkunde gerichtlich geltend gemacht worden, so kann die
Ausschließung erst erfolgen, wenn die Verjährung eingetreten ist.
§. 1189. Bei einer Hypothek der im §. 1187
bezeichneten Art kann für den jeweiligen Gläubiger ein Vertreter mit der
Befugniß bestellt werden, mit Wirkung für und gegen jeden späteren Gläubiger
bestimmte Verfügungen über die Hypothek zu treffen und den Gläubiger bei der
Geltendmachung der Hypothek zu vertreten. Zur Bestellung des Vertreters ist die
Eintragung in das Grundbuch erforderlich.
Ist der Eigenthümer berechtigt, von dem Gläubiger
eine Verfügung zu verlangen, zu welcher der Vertreter befugt ist, so kann er
die Vornahme der Verfügung von dem Vertreter verlangen.
§. 1190. Eine Hypothek kann in der Weise bestellt
werden, daß nur der Höchstbetrag, bis zu dem das Grundstück haften soll,
bestimmt, im Uebrigen die Feststellung der Forderung vorbehalten wird. Der
Höchstbetrag muß in das Grundbuch eingetragen werden.
Ist die Forderung verzinslich, so werden die Zinsen
in den Höchstbetrag eingerechnet.
Die Hypothek gilt als Sicherungshypothek, auch wenn
sie im Grundbuche nicht als solche bezeichnet ist.
Die Forderung kann nach den für die Uebertragung
von Forderungen geltenden allgemeinen Vorschriften übertragen werden. Wird sie
nach diesen Vorschriften übertragen, so ist der Uebergang der Hypothek
ausgeschlossen.
Zweiter Titel.
Grundschuld. Rentenschuld.
I. Grundschuld.
§. 1191. Ein Grundstück kann in der Weise belastet
werden, daß an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine
bestimmte Geldsumme aus dem Grundstücke zu zahlen ist (Grundschuld).
Die Belastung kann auch in der Weise erfolgen, daß
Zinsen von der Geldsumme sowie andere Nebenleistungen aus dem Grundstücke zu
entrichten sind.
§. 1192. Auf die Grundschuld finden die Vorschriften
über die Hypothek entsprechende Anwendung, soweit sich nicht daraus ein Anderes
ergiebt, daß die Grundschuld nicht eine Forderung voraussetzt.
Für Zinsen der Grundschuld gelten die Vorschriften
über die Zinsen einer Hypothekenforderung.
§. 1193. Das Kapital der Grundschuld wird erst nach
vorgängiger Kündigung fällig. Die Kündigung steht sowohl dem Eigenthümer als
dem Gläubiger zu. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate.
Abweichende Bestimmungen sind zulässig.
§. 1194. Die Zahlung des Kapitals sowie der Zinsen
und anderen Nebenleistungen hat, soweit nicht ein Anderes bestimmt ist, an dem
Orte zu erfolgen, an dem das Grundbuchamt seinen Sitz hat.
§. 1195. Eine Grundschuld kann in der Weise
bestellt werden, daß der Grundschuldbrief auf den Inhaber ausgestellt wird. Auf
einen solchen Brief finden die Vorschriften über Schuldverschreibungen auf den
Inhaber entsprechende Anwendung.
§. 1196. Eine Grundschuld kann auch für den
Eigenthümer bestellt werden.
Zu der Bestellung ist die Erklärung des Eigenthümers
gegenüber dem Grundbuchamte, daß die Grundschuld für ihn in das Grundbuch
eingetragen werden soll, und die Eintragung erforderlich; die Vorschrift des §.
878 findet Anwendung.
§. 1197. Ist der Eigenthümer der Gläubiger, so kann
er nicht die Zwangsvollstreckung zum Zwecke seiner Befriedigung betreiben.
Zinsen gebühren dem Eigenthümer nur, wenn das
Grundstück auf Antrag eines Anderen zum Zwecke der Zwangsverwaltung in Beschlag
genommen ist, und nur für die Dauer der Zwangsverwaltung.
§. 1198. Eine Hypothek kann in eine Grundschuld,
eine Grundschuld kann in eine Hypothek umgewandelt werden. Die Zustimmung der
im Range gleich- oder nachstehenden Berechtigten ist nicht erforderlich.
II. Rentenschuld.
§. 1199. Eine Grundschuld kann in der Weise
bestellt werden, daß in regelmäßig wiederkehrenden Terminen eine bestimmte
Geldsumme aus dem Grundstücke zu zahlen ist (Rentenschuld).
Bei der Bestellung der Rentenschuld muß der Betrag
bestimmt werden, durch dessen Zahlung die Rentenschuld abgelöst werden kann.
Die Ablösungssumme muß im Grundbuch angegeben werden.
§. 1200. Auf die einzelnen Leistungen finden die
für Hypothekenzinsen, auf die Ablösungssumme finden die für ein
Grundschuldkapital geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.
Die Zahlung der Ablösungssumme an den Gläubiger hat
die gleiche Wirkung wie die Zahlung des Kapitals einer Grundschuld.
§. 1201. Das Recht zur Ablösung steht dem
Eigenthümer zu.
Dem Gläubiger kann das Recht, die Ablösung zu
verlangen, nicht eingeräumt werden. Im Falle des §. 1133 Satz 2 ist der
Gläubiger berechtigt, die Zahlung der Ablösungssumme aus dem Grundstücke zu
verlangen.
§. 1202. Der Eigenthümer kann das Ablösungsrecht
erst nach vorgängiger Kündigung ausüben. Die Kündigungsfrist beträgt sechs
Monate, wenn nicht ein Anderes bestimmt ist.
Eine Beschränkung des Kündigungsrechts ist nur
soweit zulässig, daß der Eigenthümer nach dreißig Jahren unter Einhaltung der
sechsmonatigen Frist kündigen kann.
Hat der Eigenthümer gekündigt, so kann der
Gläubiger nach dem Ablaufe der Kündigungsfrist die Zahlung der Ablösungssumme
aus dem Grundstücke verlangen.
§. 1203. Eine Rentenschuld kann in eine gewöhnliche
Grundschuld, eine gewöhnliche Grundschuld kann in eine Rentenschuld umgewandelt
werden. Die Zustimmung der im Range gleich- oder nachstehenden Berechtigten ist
nicht erforderlich.
Neunter Abschnitt.
Pfandrecht an beweglichen Sachen und an Rechten.
Erster Titel.
Pfandrecht an beweglichen Sachen.
§. 1204. Eine bewegliche Sache kann zur Sicherung
einer Forderung in der Weise belastet werden, daß der Gläubiger berechtigt ist,
Befriedigung aus der Sache zu suchen (Pfandrecht).
Das Pfandrecht kann auch für eine künftige oder
eine bedingte Forderung bestellt werden.
§. 1205. Zur Bestellung des Pfandrechts ist
erforderlich, daß der Eigenthümer die Sache dem Gläubiger übergiebt und beide
darüber einig sind, daß dem Gläubiger das Pfandrecht zustehen soll. Ist der
Gläubiger im Besitze der Sache, so genügt die Einigung über die Entstehung des
Pfandrechts.
Die Uebergabe einer im mittelbaren Besitze des
Eigenthümers befindlichen Sache kann dadurch ersetzt werden, daß der
Eigenthümer den mittelbaren Besitz auf den Pfandgläubiger überträgt und die
Verpfändung dem Besitzer anzeigt.
§. 1206. An Stelle der Uebergabe der Sache genügt
die Einräumung des Mitbesitzes, wenn sich die Sache unter dem Mitverschlusse
des Gläubigers befindet oder, falls sie im Besitz eines Dritten ist, die
Herausgabe nur an den Eigenthümer und den Gläubiger gemeinschaftlich erfolgen
kann.
§. 1207. Gehört die Sache nicht dem Verpfänder, so
finden auf die Verpfändung die für den Erwerb des Eigenthums geltenden
Vorschriften der §§. 932, 934, 935 entsprechende Anwendung.
§. 1208. Ist die Sache mit dem Rechte eines Dritten
belastet, so geht das Pfandrecht dem Rechte vor, es sei denn, daß der
Pfandgläubiger zur Zeit des Erwerbes des Pfandrechts in Ansehung des Rechtes
nicht in gutem Glauben ist. Die Vorschriften des §. 932 Abs. 1 Satz 2, des §.
935 und des §. 936 Abs. 3 finden entsprechende Anwendung.
§. 1209. Für den Rang des Pfandrechts ist die Zeit
der Bestellung auch dann maßgebend, wenn es für eine künftige oder eine
bedingte Forderung bestellt ist.
§. 1210. Das Pfand haftet für die Forderung in
deren jeweiligem Bestand, insbesondere auch für Zinsen und Vertragsstrafen. Ist
der persönliche Schuldner nicht der Eigenthümer des Pfandes, so wird durch ein
Rechtsgeschäft, das der Schuldner nach der Verpfändung vornimmt, die Haftung
nicht erweitert.
Das Pfand haftet für die Ansprüche des
Pfandgläubigers auf Ersatz von Verwendungen, für die dem Pfandgläubiger zu
ersetzenden Kosten der Kündigung und der Rechtsverfolgung sowie für die Kosten
des Pfandverkaufs.
§. 1211. Der Verpfänder kann dem Pfandgläubiger
gegenüber die dem persönlichen Schuldner gegen die Forderung sowie die nach §.
770 einem Bürgen zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der persönliche
Schuldner, so kann sich der Verpfänder nicht darauf berufen, daß der Erbe für
die Schuld nur beschränkt haftet.
Ist der Verpfänder nicht der persönliche Schuldner,
so verliert er eine Einrede nicht dadurch, daß dieser auf sie verzichtet.
§. 1212. Das Pfandrecht erstreckt sich auf die
Erzeugnisse, die von dem Pfande getrennt werden.
§. 1213. Das Pfandrecht kann in der Weise bestellt
werden, daß der Pfandgläubiger berechtigt ist, die Nutzungen des Pfandes zu
ziehen.
Ist eine von Natur fruchttragende Sache dem
Pfandgläubiger zum Alleinbesitz übergeben, so ist im Zweifel anzunehmen, daß
der Pfandgläubiger zum Fruchtbezuge berechtigt sein soll.
§. 1214. Steht dem Pfandgläubiger das Recht zu, die
Nutzungen zu ziehen, so ist er verpflichtet, für die Gewinnung der Nutzungen zu
sorgen und Rechenschaft abzulegen.
Der Reinertrag der Nutzungen wird auf die
geschuldete Leistung und, wenn Kosten und Zinsen zu entrichten sind, zunächst
auf diese angerechnet.
Abweichende Bestimmungen sind zulässig.
§. 1215. Der Pfandgläubiger ist zur Verwahrung des
Pfandes verpflichtet.
§. 1216. Macht der Pfandgläubiger Verwendungen auf
das Pfand, so bestimmt sich die Ersatzpflicht des Verpfänders nach den
Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Der Pfandgläubiger ist
berechtigt, eine Einrichtung, mit der er das Pfand versehen hat, wegzunehmen.
§. 1217. Verletzt der Pfandgläubiger die Rechte des
Verpfänders in erheblichem Maße und setzt er das verletzende Verhalten ungeachtet
einer Abmahnung des Verpfänders fort, so kann der Verpfänder verlangen, daß das
Pfand auf Kosten des Pfandgläubigers hinterlegt oder, wenn es sich nicht zur
Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abgeliefert
wird.
Statt der Hinterlegung oder der Ablieferung der
Sache an einen Verwahrer kann der Verpfänder die Rückgabe des Pfandes gegen
Befriedigung des Gläubigers verlangen. Ist die Forderung unverzinslich und noch
nicht fällig, so gebührt dem Pfandgläubiger nur die Summe, welche mit
Hinzurechnung der gesetzlichen Zinsen für die Zeit von der Zahlung bis zur
Fälligkeit dem Betrage der Forderung gleichkommt.
§. 1218. Ist der Verderb des Pfandes oder eine
wesentliche Minderung des Werthes zu besorgen, so kann der Verpfänder die
Rückgabe des Pfandes gegen anderweitige Sicherheitsleistung verlangen; die
Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.
Der Pfandgläubiger hat dem Verpfänder von dem
drohenden Verderb unverzüglich Anzeige zu machen, sofern nicht die Anzeige
unthunlich ist.
§. 1219. Wird durch den drohenden Verderb des
Pfandes oder durch eine zu besorgende wesentliche Minderung des Werthes die
Sicherheit des Pfandgläubigers gefährdet, so kann dieser das Pfand öffentlich
versteigern lassen.
Der Erlös tritt an die Stelle des Pfandes. Auf
Verlangen des Verpfänders ist der Erlös zu hinterlegen.
§. 1220. Die Versteigerung des Pfandes ist erst
zulässig, nachdem sie dem Verpfänder angedroht worden ist; die Androhung darf
unterbleiben, wenn das Pfand dem Verderb ausgesetzt und mit dem Aufschube der
Versteigerung Gefahr verbunden ist. Im Falle der Werthminderung ist außer der
Androhung erforderlich, daß der Pfandgläubiger dem Verpfänder zur Leistung
anderweitiger Sicherheit eine angemessene Frist bestimmt hat und diese verstrichen
ist.
Der Pfandgläubiger hat den Verpfänder von der
Versteigerung unverzüglich zu benachrichtigen; im Falle der Unterlassung ist er
zum Schadensersatze verpflichtet.
Die Androhung, die Fristbestimmung und die
Benachrichtigung dürfen unterbleiben, wenn sie unthunlich sind.
§. 1221. Hat das Pfand einen Börsen- oder
Marktpreis, so kann der Pfandgläubiger den Verkauf aus freier Hand durch einen
zu solchen Verkäufen öffentlich ermächtigten Handelsmäkler oder durch eine zur
öffentlichen Versteigerung befugte Person zum laufenden Preise bewirken.
§. 1222. Besteht das Pfandrecht an mehreren Sachen,
so haftet jede für die ganze Forderung.
§. 1223. Der Pfandgläubiger ist verpflichtet, das
Pfand nach dem Erlöschen des Pfandrechts dem Verpfänder zurückzugeben.
Der Verpfänder kann die Rückgabe des Pfandes gegen
Befriedigung des Pfandgläubigers verlangen, sobald der Schuldner zur Leistung
berechtigt ist.
§. 1224. Die Befriedigung des Pfandgläubigers durch
den Verpfänder kann auch durch Hinterlegung oder durch Aufrechnung erfolgen.
§. 1225. Ist der Verpfänder nicht der persönliche
Schuldner, so geht, soweit er den Pfandgläubiger befriedigt, die Forderung auf
ihn über. Die für einen Bürgen geltenden Vorschriften des §. 774 finden
entsprechende Anwendung.
§. 1226. Die Ersatzansprüche des Verpfänders wegen
Veränderungen oder Verschlechterungen des Pfandes sowie die Ansprüche des
Pfandgläubigers auf Ersatz von Verwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme
einer Einrichtung verjähren in sechs Monaten. Die Vorschriften des §. 558 Abs.
2, 3 finden entsprechende Anwendung.
§. 1227. Wird das Recht des Pfandgläubigers
beeinträchtigt, so finden auf die Ansprüche des Pfandgläubigers die für die
Ansprüche aus dem Eigenthume geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.
§. 1228. Die Befriedigung des Pfandgläubigers aus
dem Pfande erfolgt durch Verkauf.
Der Pfandgläubiger ist zum Verkaufe berechtigt,
sobald die Forderung ganz oder zum Theil fällig ist. Besteht der geschuldete
Gegenstand nicht in Geld, so ist der Verkauf erst zulässig, wenn die Forderung
in eine Geldforderung übergegangen ist.
§. 1229. Eine vor dem Eintritte der
Verkaufsberechtigung getroffene Vereinbarung, nach welcher dem Pfandgläubiger,
falls er nicht oder nicht rechtzeitig befriedigt wird, das Eigenthum an der
Sache zufallen oder übertragen werden soll, ist nichtig.
§. 1230. Unter mehreren Pfändern kann der
Pfandgläubiger, soweit nicht ein Anderes bestimmt ist, diejenigen auswählen,
welche verkauft werden sollen. Er kann nur so viele Pfänder zum Verkaufe
bringen, als zu seiner Befriedigung erforderlich sind.
§. 1231. Ist der Pfandgläubiger nicht im
Alleinbesitze des Pfandes, so kann er nach dem Eintritte der
Verkaufsberechtigung die Herausgabe des Pfandes zum Zwecke des Verkaufs
fordern. Auf Verlangen des Verpfänders hat an Stelle der Herausgabe die
Ablieferung an einen gemeinschaftlichen Verwahrer zu erfolgen; der Verwahrer
hat sich bei der Ablieferung zu verpflichten, das Pfand zum Verkaufe
bereitzustellen.
§. 1232. Der Pfandgläubiger ist nicht verpflichtet,
einem ihm im Range nachstehenden Pfandgläubiger das Pfand zum Zwecke des
Verkaufs herauszugeben. Ist er nicht im Besitze des Pfandes, so kann er, sofern
er nicht selbst den Verkauf betreibt, dem Verkaufe durch einen nachstehenden
Pfandgläubiger nicht widersprechen.
§. 1233. Der Verkauf des Pfandes ist nach den
Vorschriften der §§. 1234 bis 1240 zu bewirken.
Hat der Pfandgläubiger für sein Recht zum Verkauf
einen vollstreckbaren Titel gegen den Eigenthümer erlangt, so kann er den
Verkauf auch nach den für den Verkauf einer gepfändeten Sache geltenden
Vorschriften bewirken lassen.
§. 1234. Der Pfandgläubiger hat dem Eigenthümer den
Verkauf vorher anzudrohen und dabei den Geldbetrag zu bezeichnen, wegen dessen
der Verkauf stattfinden soll. Die Androhung kann erst nach dem Eintritte der
Verkaufsberechtigung erfolgen; sie darf unterbleiben, wenn sie unthunlich ist.
Der Verkauf darf nicht vor dem Ablauf eines Monats
nach der Androhung erfolgen. Ist die Androhung unthunlich, so wird der Monat
von dem Eintritte der Verkaufsberechtigung an berechnet.
§. 1235. Der Verkauf des Pfandes ist im Wege
öffentlicher Versteigerung zu bewirken.
Hat das Pfand einen Börsen- oder Marktpreis, so
findet die Vorschrift des §. 1221 Anwendung.
§. 1236. Die Versteigerung hat an dem Orte zu
erfolgen, an dem das Pfand aufbewahrt wird. Ist von einer Versteigerung an dem
Aufbewahrungsort ein angemessener Erfolg nicht zu erwarten, so ist das Pfand an
einem geeigneten anderen Orte zu versteigern.
§. 1237. Zeit und Ort der Versteigerung sind unter
allgemeiner Bezeichnung des Pfandes öffentlich bekannt zu machen. Der
Eigenthümer und Dritte, denen Rechte an dem Pfande zustehen, sind besonders zu
benachrichtigen; die Benachrichtigung darf unterbleiben, wenn sie unthunlich
ist.
§. 1238. Das Pfand darf nur mit der Bestimmung
verkauft werden, daß der Käufer den Kaufpreis sofort baar zu entrichten hat und
seiner Rechte verlustig sein soll, wenn dies nicht geschieht.
Erfolgt der Verkauf ohne diese Bestimmung, so ist
der Kaufpreis als von dem Pfandgläubiger empfangen anzusehen; die Rechte des
Pfandgläubigers gegen den Ersteher bleiben unberührt. Unterbleibt die sofortige
Entrichtung des Kaufpreises, so gilt das Gleiche, wenn nicht vor dem Schlusse
des Versteigerungstermins von dem Vorbehalte der Rechtsverwirkung Gebrauch
gemacht wird.
§. 1239. Der Pfandgläubiger und der Eigenthümer
können bei der Versteigerung mitbieten. Erhält der Pfandgläubiger den Zuschlag,
so ist der Kaufpreis als von ihm empfangen anzusehen.
Das Gebot des Eigenthümers darf zurückgewiesen
werden, wenn nicht der Betrag baar erlegt wird. Das Gleiche gilt von dem Gebote
des Schuldners, wenn das Pfand für eine fremde Schuld haftet.
§. 1240. Gold- und Silbersachen dürfen nicht unter
dem Gold- oder Silberwerthe zugeschlagen werden.
Wird ein genügendes Gebot nicht abgegeben, so kann
der Verkauf durch eine zur öffentlichen Versteigerung befugte Person aus freier
Hand zu einem den Gold- oder Silberwerth erreichenden Preise erfolgen.
§. 1241. Der Pfandgläubiger hat den Eigenthümer von
dem Verkaufe des Pfandes und dem Ergebniß unverzüglich zu benachrichtigen,
sofern nicht die Benachrichtigung unthunlich ist.
§. 1242. Durch die rechtmäßige Veräußerung des
Pfandes erlangt der Erwerber die gleichen Rechte, wie wenn er die Sache von dem
Eigenthümer erworben hätte. Dies gilt auch dann, wenn dem Pfandgläubiger der
Zuschlag ertheilt wird.
Pfandrechte an der Sache erlöschen, auch wenn sie
dem Erwerber bekannt waren. Das Gleiche gilt von einem Nießbrauch, es sei denn,
daß er allen Pfandrechten im Range vorgeht.
§. 1243. Die Veräußerung des Pfandes ist nicht
rechtmäßig, wenn gegen die Vorschriften des §. 1228 Abs. 2, des §. 1230 Satz 2,
des §. 1235, des §. 1237 Satz 1 oder des §. 1240 verstoßen wird.
Verletzt der Pfandgläubiger eine andere für den
Verkauf geltende Vorschrift, so ist er zum Schadensersatze verpflichtet, wenn
ihm ein Verschulden zur Last fällt.
§. 1244. Wird eine Sache als Pfand veräußert, ohne
daß dem Veräußerer ein Pfandrecht zusteht oder den Erfordernissen genügt wird,
von denen die Rechtmäßigkeit der Veräußerung abhängt, so finden die
Vorschriften der §§. 932 bis 934, 936 entsprechende Anwendung, wenn die
Veräußerung nach §. 1233 Abs. 2 erfolgt ist oder die Vorschriften des §. 1235
oder des §. 1240 Abs. 2 beobachtet worden sind.
§. 1245. Der Eigenthümer und der Pfandgläubiger
können eine von den Vorschriften der §§. 1234 bis 1240 abweichende Art des
Pfandverkaufs vereinbaren. Steht einem Dritten an dem Pfande ein Recht zu, das
durch die Veräußerung erlischt, so ist die Zustimmung des Dritten erforderlich.
Die Zustimmung ist demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie
erfolgt; sie ist unwiderruflich.
Auf die Beobachtung der Vorschriften des §. 1235,
des §. 1237 Satz 1 und des §. 1240 kann nicht vor dem Eintritte der
Verkaufsberechtigung verzichtet werden.
§. 1246. Entspricht eine von den Vorschriften der
§. 1235 bis 1240 abweichende Art des Pfandverkaufs nach billigem Ermessen den
Interessen der Betheiligten, so kann jeder von ihnen verlangen, daß der Verkauf
in dieser Art erfolgt.
Kommt eine Einigung nicht zu Stande, so entscheidet
das Gericht.
§. 1247. Soweit der Erlös aus dem Pfande dem
Pfandgläubiger zu seiner Befriedigung gebührt, gilt die Forderung als von dem
Eigenthümer berichtigt. Im Uebrigen tritt der Erlös an die Stelle des Pfandes.
§. 1248. Bei dem Verkaufe des Pfandes gilt zu
Gunsten des Pfandgläubigers der Verpfänder als der Eigenthümer, es sei denn,
daß der Pfandgläubiger weiß, daß der Verpfänder nicht der Eigenthümer ist.
§. 1249. Wer durch die Veräußerung des Pfandes ein
Recht an dem Pfande verlieren würde, kann den Pfandgläubiger befriedigen,
sobald der Schuldner zur Leistung berechtigt ist. Die Vorschriften des §. 268
Abs. 2, 3 finden entsprechende Anwendung.
§. 1250. Mit der Uebertragung der Forderung geht
das Pfandrecht auf den neuen Gläubiger über. Das Pfandrecht kann nicht ohne die
Forderung übertragen werden.
Wird bei der Uebertragung der Forderung der
Uebergang des Pfandrechts ausgeschlossen, so erlischt das Pfandrecht.
§. 1251. Der neue Pfandgläubiger kann von dem
bisherigen Pfandgläubiger die Herausgabe des Pfandes verlangen.
Mit der Erlangung des Besitzes tritt der neue
Pfandgläubiger an Stelle des bisherigen Pfandgläubigers in die mit dem
Pfandrechte verbundenen Verpflichtungen gegen den Verpfänder ein. Erfüllt er
die Verpflichtungen nicht, so haftet für den von ihm zu ersetzenden Schaden der
bisherige Pfandgläubiger wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage
verzichtet hat. Die Haftung des bisherigen Pfandgläubigers tritt nicht ein,
wenn die Forderung kraft Gesetzes auf den neuen Pfandgläubiger übergeht oder
ihm auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung abgetreten wird.
§. 1252. Das Pfandrecht erlischt mit der Forderung,
für die es besteht.
§. 1253. Das Pfandrecht erlischt, wenn der
Pfandgläubiger das Pfand dem Verpfänder oder dem Eigenthümer zurückgiebt. Der
Vorbehalt der Fortdauer des Pfandrechts ist unwirksam.
Ist das Pfand im Besitze des Verpfänders oder des
Eigenthümers, so wird vermuthet, daß das Pfand ihm von dem Pfandgläubiger
zurückgegeben worden sei. Diese Vermuthung gilt auch dann, wenn sich das Pfand
im Besitz eines Dritten befindet, der den Besitz nach der Entstehung des
Pfandrechts von dem Verpfänder oder dem Eigenthümer erlangt hat.
§. 1254. Steht dem Pfandrecht eine Einrede
entgegen, durch welche die Geltendmachung des Pfandrechts dauernd
ausgeschlossen wird, so kann der Verpfänder die Rückgabe des Pfandes verlangen.
Das gleiche Recht hat der Eigenthümer.
§. 1255. Zur Aufhebung des Pfandrechts durch
Rechtsgeschäft genügt die Erklärung des Pfandgläubigers gegenüber dem
Verpfänder oder dem Eigenthümer, daß er das Pfandrecht aufgebe.
Ist das Pfandrecht mit dem Rechte eines Dritten
belastet, so ist die Zustimmung des Dritten erforderlich. Die Zustimmung ist
demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt; sie ist
unwiderruflich.
§. 1256. Das Pfandrecht erlischt, wenn es mit dem
Eigenthum in derselben Person zusammentrifft. Das Erlöschen tritt nicht ein,
solange die Forderung, für welche das Pfandrecht besteht, mit dem Rechte eines
Dritten belastet ist.
Das Pfandrecht gilt als nicht erloschen, soweit der
Eigenthümer ein rechtliches Interesse an dem Fortbestehen des Pfandrechts hat.
§. 1257. Die Vorschriften über das durch
Rechtsgeschäft bestellte Pfandrecht finden auf ein kraft Gesetzes entstandenes
Pfandrecht entsprechende Anwendung.
§. 1258. Besteht ein Pfandrecht an dem Antheil
eines Miteigenthümers, so übt der Pfandgläubiger die Rechte aus, die sich aus
der Gemeinschaft der Miteigenthümer in Ansehung der Verwaltung der Sache und
der Art ihrer Benutzung ergeben.
Die Aufhebung der Gemeinschaft kann vor dem
Eintritte der Verkaufsberechtigung des Pfandgläubigers nur von dem
Miteigenthümer und dem Pfandgläubiger gemeinschaftlich verlangt werden. Nach
dem Eintritte der Verkaufsberechtigung kann der Pfandgläubiger die Aufhebung
der Gemeinschaft verlangen, ohne daß es der Zustimmung des Miteigenthümers
bedarf; er ist nicht an eine Vereinbarung gebunden, durch welche die
Miteigenthümer das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, für
immer oder auf Zeit ausgeschlossen oder eine Kündigungsfrist bestimmt haben.
Wird die Gemeinschaft aufgehoben, so gebührt dem
Pfandgläubiger das Pfandrecht an den Gegenständen, welche an die Stelle des
Antheils treten.
Das Recht des Pfandgläubigers zum Verkaufe des
Antheils bleibt unberührt.
§. 1259. Für das Pfandrecht an einem im
Schiffsregister eingetragenen Schiffe gelten die besonderen Vorschriften der
§§. 1260 bis 1271.
§. 1260. Zur Bestellung des Pfandrechts ist die
Einigung des Eigenthümers des Schiffes und des Gläubigers darüber, daß dem
Gläubiger das Pfandrecht zustehen soll, und die Eintragung des Pfandrechts in
das Schiffsregister erforderlich. Die Vorschriften des §. 873 Abs. 2 und des §.
878 finden entsprechende Anwendung.
In der Eintragung müssen der Gläubiger, der
Geldbetrag der Forderung und, wenn die Forderung verzinslich ist, der Zinssatz
angegeben werden. Zur näheren Bezeichnung der Forderung kann auf die
Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden.
§. 1261. Das Rangverhältniß der an dem Schiffe bestellten
Pfandrechte bestimmt sich nach den Vorschriften der §§. 879 bis 881 und des §.
1151.
§. 1262. Solange das Pfandrecht im Schiffsregister
eingetragen ist, behält es im Falle der Veräußerung oder Belastung des Schiffes
seine Kraft, auch wenn der Erwerber in gutem Glauben ist.
Ist das Pfandrecht mit Unrecht gelöscht, so gelten
im Falle der Veräußerung des Schiffes die Vorschriften des §. 936 Abs. 1 Satz
1, Abs. 2 auch dann, wenn der Erwerber das Eigenthum ohne Uebergabe erlangt;
die Vorschrift des §. 936 Abs. 3 findet keine Anwendung. Wird ein Pfandrecht,
welches dem mit Unrecht gelöschten Pfandrecht im Range nachsteht, auf einen
Dritten übertragen, so findet die Vorschrift des §. 1208 Satz 1 Anwendung.
§. 1263. Steht der Inhalt des Schiffsregisters in Ansehung
eines Pfandrechts mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklange, so kann die
Berichtigung des Registers nach den für die Berichtigung des Grundbuchs
geltenden Vorschriften der §§. 894, 895, 897, 898 verlangt werden.
Ist ein Pfandrecht mit Unrecht gelöscht worden, so
kann ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Schiffsregisters nach §. 899
Abs. 2 eingetragen werden. Solange der Widerspruch eingetragen ist, gilt im
Falle der Veräußerung oder Belastung des Schiffes dem Erwerber gegenüber das Gleiche,
wie wenn das Pfandrecht eingetragen wäre.
§. 1264. Die Haftung des Schiffes beschränkt sich
auf den eingetragenen Betrag der Forderung und die Zinsen nach dem
eingetragenen Zinssatze. Die Haftung für gesetzliche Zinsen und für Kosten
bestimmt sich nach der für die Hypothek geltenden Vorschrift des §. 1118.
Ist die Forderung unverzinslich oder ist der
Zinssatz niedriger als fünf vom Hundert, so kann das Pfandrecht ohne Zustimmung
der im Range gleich- oder nachstehenden Berechtigten dahin erweitert werden,
daß das Schiff für Zinsen bis zu fünf vom Hundert haftet.
§. 1265. Das Pfandrecht erstreckt sich auf das
Zubehör des Schiffes mit Ausnahme der Zubehörstücke, die nicht in das Eigenthum
des Eigenthümers des Schiffes gelangt sind.
Auf die Haftung der Zubehörstücke finden die für
die Hypothek geltenden Vorschriften der §§. 1121, 1122 entsprechende Anwendung.
§. 1266. Die Vorschriften der §§. 1205 bis 1257
finden insoweit keine Anwendung, als sich daraus, daß der Pfandgläubiger nicht
den Besitz des Schiffes erlangt, Abweichungen ergeben. In dem Falle des §. 1254
tritt an die Stelle des Anspruchs auf Rückgabe des Pfandes das Recht, die
Aufhebung des Pfandrechts zu verlangen.
§. 1267. Der Verpfänder kann gegen Befriedigung des
Pfandgläubigers die Aushändigung der zur Löschung des Pfandrechts
erforderlichen Urkunden verlangen. Das gleiche Recht steht dem persönlichen
Schuldner zu, wenn er ein rechtliches Interesse an der Berichtigung des
Schiffsregisters hat.
§. 1268. Der Pfandgläubiger kann seine Befriedigung
aus dem Schiffe und dem Zubehöre nur auf Grund eines vollstreckbaren Titels
nach den für die Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften suchen.
§. 1269. Ist der Gläubiger unbekannt, so kann er im
Wege des Aufgebotsverfahrens mit seinem Pfandrecht ausgeschlossen werden, wenn
die im §. 1170 oder die im §. 1171 für die Ausschließung eines
Hypothekengläubigers bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Mit der Erlassung
des Ausschlußurtheils erlischt das Pfandrecht. Die Vorschrift des §. 1171 Abs.
3 findet Anwendung.
§. 1270. Auf das Pfandrecht für die Forderung aus
einer Schuldverschreibung auf den Inhaber, aus einem Wechsel oder aus einem
anderen Papiere, das durch Indossament übertragen werden kann, finden die
Vorschriften des §. 1189, auf das Pfandrecht für die Forderung aus einer
Schuldverschreibung auf den Inhaber finden auch die Vorschriften des §. 1188
entsprechende Anwendung.
§. 1271. Das Pfandrecht kann in der Weise bestellt
werden, daß nur der Höchstbetrag, bis zu dem das Schiff haften soll, bestimmt,
im Uebrigen die Feststellung der Forderung vorbehalten wird. Der Höchstbetrag
muß in das Schiffsregister eingetragen werden.
Ist die Forderung verzinslich, so werden die Zinsen
in den Höchstbetrag eingerechnet.
§. 1272. Die Vorschriften der §§. 1260 bis 1271
gelten auch für das Pfandrecht an einer Schiffspart.
Zweiter Titel.
Pfandrecht an Rechten.
§. 1273. Gegenstand des Pfandrechts kann auch ein
Recht sein.
Auf das Pfandrecht an Rechten finden die
Vorschriften über das Pfandrecht an beweglichen Sachen entsprechende Anwendung,
soweit sich nicht aus den §§. 1274 bis 1296 ein Anderes ergiebt. Die Anwendung
der Vorschriften des §. 1208 und des §. 1213 Abs. 2 ist ausgeschlossen.
§. 1274. Die Bestellung des Pfandrechts an einem
Rechte erfolgt nach den für die Uebertragung des Rechtes geltenden
Vorschriften. Ist zur Uebertragung des Rechtes die Uebergabe einer Sache
erforderlich, so finden die Vorschriften der §§. 1205, 1206 Anwendung.
Soweit ein Recht nicht übertragbar ist, kann ein
Pfandrecht an dem Rechte nicht bestellt werden.
§. 1275. Ist ein Recht, kraft dessen eine Leistung
gefordert werden kann, Gegenstand des Pfandrechts, so finden auf das
Rechtsverhältniß zwischen dem Pfandgläubiger und dem Verpflichteten die
Vorschriften, welche im Falle der Uebertragung des Rechtes für das
Rechtsverhältniß zwischen dem Erwerber und dem Verpflichteten gelten, und im
Falle einer nach §. 1217 Abs. 1 getroffenen gerichtlichen Anordnung die
Vorschrift des §. 1070 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
§. 1276. Ein verpfändetes Recht kann durch
Rechtsgeschäft nur mit Zustimmung des Pfandgläubigers aufgehoben werden. Die
Zustimmung ist demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt;
sie ist unwiderruflich. Die Vorschrift des §. 876 Satz 3 bleibt unberührt.
Das Gleiche gilt im Falle einer Aenderung des
Rechtes, sofern sie das Pfandrecht beeinträchtigt.
§. 1277. Der Pfandgläubiger kann seine Befriedigung
aus dem Rechte nur auf Grund eines vollstreckbaren Titels nach den für die
Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften suchen, sofern nicht ein Anderes
bestimmt ist. Die Vorschriften des §. 1229 und des §. 1245 Abs. 2 bleiben
unberührt.
§. 1278. Ist ein Recht, zu dessen Verpfändung die
Uebergabe einer Sache erforderlich ist, Gegenstand des Pfandrechts, so finden
auf das Erlöschen des Pfandrechts durch die Rückgabe der Sache die Vorschriften
des §. 1253 entsprechende Anwendung.
§. 1279. Für das Pfandrecht an einer Forderung
gelten die besonderen Vorschriften der §§. 1280 bis 1290.
§. 1280. Die Verpfändung einer Forderung, zu deren
Uebertragung der Abtretungsvertrag genügt, ist nur wirksam, wenn der Gläubiger
sie dem Schuldner anzeigt.
§. 1281. Der Schuldner kann nur an den
Pfandgläubiger und den Gläubiger gemeinschaftlich leisten. Jeder von beiden
kann verlangen, daß an sie gemeinschaftlich geleistet wird; jeder kann statt
der Leistung verlangen, daß die geschuldete Sache für beide hinterlegt oder,
wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu
bestellenden Verwahrer abgeliefert wird.
§. 1282. Sind die Voraussetzungen des §. 1228 Abs.
2 eingetreten, so ist der Pfandgläubiger zur Einziehung der Forderung
berechtigt und kann der Schuldner nur an ihn leisten. Die Einziehung einer
Geldforderung steht dem Pfandgläubiger nur insoweit zu, als sie zu seiner
Befriedigung erforderlich ist. Soweit er zur Einziehung berechtigt ist, kann er
auch verlangen, daß ihm die Geldforderung an Zahlungsstatt abgetreten wird.
Zu anderen Verfügungen über die Forderung ist der
Pfandgläubiger nicht berechtigt; das Recht, die Befriedigung aus der Forderung
nach §. 1277 zu suchen, bleibt unberührt.
§. 1283. Hängt die Fälligkeit der verpfändeten
Forderung von einer Kündigung ab, so bedarf der Gläubiger zur Kündigung der
Zustimmung des Pfandgläubigers nur, wenn dieser berechtigt ist, die Nutzungen
zu ziehen.
Die Kündigung des Schuldners ist nur wirksam, wenn
sie dem Pfandgläubiger und dem Gläubiger erklärt wird.
Sind die Voraussetzungen des §. 1228 Abs. 2
eingetreten, so ist auch der Pfandgläubiger zur Kündigung berechtigt; für die
Kündigung des Schuldners genügt die Erklärung gegenüber dem Pfandgläubiger.
§. 1284. Die Vorschriften der §§. 1281 bis 1283
finden keine Anwendung, soweit der Pfandgläubiger und der Gläubiger ein Anderes
vereinbaren.
§. 1285. Hat die Leistung an den Pfandgläubiger und
den Gläubiger gemeinschaftlich zu erfolgen, so sind beide einander
verpflichtet, zur Einziehung mitzuwirken, wenn die Forderung fällig ist.
Soweit der Pfandgläubiger berechtigt ist, die
Forderung ohne Mitwirkung des Gläubigers einzuziehen, hat er für die ordnungsmäßige
Einziehung zu sorgen. Von der Einziehung hat er den Gläubiger unverzüglich zu
benachrichtigen, sofern nicht die Benachrichtigung unthunlich ist.
§. 1286. Hängt die Fälligkeit der verpfändeten
Forderung von einer Kündigung ab, so kann der Pfandgläubiger, sofern nicht das
Kündigungsrecht ihm zusteht, von dem Gläubiger die Kündigung verlangen, wenn
die Einziehung der Forderung wegen Gefährdung ihrer Sicherheit nach den Regeln
einer ordnungsmäßigen Vermögensverwaltung geboten ist. Unter der gleichen
Voraussetzung kann der Gläubiger von dem Pfandgläubiger die Zustimmung zur
Kündigung verlangen, sofern die Zustimmung erforderlich ist.
§. 1287. Leistet der Schuldner in Gemäßheit der §§.
1281, 1282, so erwirbt mit der Leistung der Gläubiger den geleisteten
Gegenstand und der Pfandgläubiger ein Pfandrecht an dem Gegenstande. Besteht
die Leistung in der Uebertragung des Eigenthums an einem Grundstücke, so
erwirbt der Pfandgläubiger eine Sicherungshypothek.
§. 1288. Wird eine Geldforderung in Gemäßheit des §.
1281 eingezogen, so sind der Pfandgläubiger und der Gläubiger einander
verpflichtet, dazu mitzuwirken, daß der eingezogene Betrag, soweit es ohne
Beeinträchtigung des Interesses des Pfandgläubigers thunlich ist, nach den für
die Anlegung von Mündelgeld geltenden Vorschriften verzinslich angelegt und
gleichzeitig dem Pfandgläubiger das Pfandrecht bestellt wird. Die Art der
Anlegung bestimmt der Gläubiger.
Erfolgt die Einziehung in Gemäßheit des §. 1282, so
gilt die Forderung des Pfandgläubigers, soweit ihm der eingezogene Betrag zu
seiner Befriedigung gebührt, als von dem Gläubiger berichtigt.
§. 1289. Das Pfandrecht an einer Forderung
erstreckt sich auf die Zinsen der Forderung. Die Vorschriften des §. 1123 Abs.
2 und der §§. 1124, 1125 finden entsprechende Anwendung; an die Stelle der
Beschlagnahme tritt die Anzeige des Pfandgläubigers an den Schuldner, daß er
von dem Einziehungsrechte Gebrauch mache.
§. 1290. Bestehen mehrere Pfandrechte an einer
Forderung, so ist zur Einziehung nur derjenige Pfandgläubiger berechtigt,
dessen Pfandrecht den übrigen Pfandrechten vorgeht.
§. 1291. Die Vorschriften über das Pfandrecht an
einer Forderung gelten auch für das Pfandrecht an einer Grundschuld und an
einer Rentenschuld.
§. 1292. Zur Verpfändung eines Wechsels oder eines
anderen Papiers, das durch Indossament übertragen werden kann, genügt die
Einigung des Gläubigers und des Pfandgläubigers und die Uebergabe des
indossirten Papiers.
§. 1293. Für das Pfandrecht an einem Inhaberpapiere
gelten die Vorschriften über das Pfandrecht an beweglichen Sachen.
§. 1294. Ist ein Wechsel, ein anderes Papier, das
durch Indossament übertragen werden kann, oder ein Inhaberpapier Gegenstand des
Pfandrechts, so ist, auch wenn die Voraussetzungen des §. 1228 Abs. 2 noch
nicht eingetreten sind, der Pfandgläubiger zur Einziehung und, falls Kündigung
erforderlich ist, zur Kündigung berechtigt und kann der Schuldner nur an ihn
leisten.
§. 1295. Hat ein verpfändetes Papier, das durch
Indossament übertragen werden kann, einen Börsen- oder Marktpreis, so ist der
Gläubiger nach dem Eintritte der Voraussetzungen des §. 1228 Abs. 2 berechtigt,
das Papier nach §. 1221 verkaufen zu lassen.
§. 1296. Das Pfandrecht an einem Werthpapier
erstreckt sich auf die zu dem Papiere gehörenden Zins-, Renten- oder
Gewinnantheilscheine nur dann, wenn sie dem Pfandgläubiger übergeben sind. Der
Verpfänder kann, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist, die Herausgabe der
Scheine verlangen, soweit sie vor dem Eintritte der Voraussetzungen des §. 1228
Abs. 2 fällig werden.
Viertes Buch.
Familienrecht.
Erster Abschnitt.
Bürgerliche Ehe.
Erster Titel.
Verlöbniß.
§. 1297. Aus einem Verlöbnisse kann nicht auf
Eingehung der Ehe geklagt werden.
Das Versprechen einer Strafe für den Fall, daß die
Eingehung der Ehe unterbleibt, ist nichtig.
§. 1298. Tritt ein Verlobter von dem Verlöbnisse
zurück, so hat er dem anderen Verlobten und dessen Eltern sowie dritten
Personen, welche an Stelle der Eltern gehandelt haben, den Schaden zu ersetzen,
der daraus entstanden ist, daß sie in Erwartung der Ehe Aufwendungen gemacht
haben oder Verbindlichkeiten eingegangen sind. Dem anderen Verlobten hat er
auch den Schaden zu ersetzen, den dieser dadurch erleidet, daß er in Erwartung
der Ehe sonstige sein Vermögen oder seine Erwerbsstellung berührende Maßnahmen
getroffen hat.
Der Schaden ist nur insoweit zu ersetzen, als die
Aufwendungen, die Eingehung der Verbindlichkeiten und die sonstigen Maßnahmen
den Umständen nach angemessen waren.
Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn ein
wichtiger Grund für den Rücktritt vorliegt.
§. 1299. Veranlaßt ein Verlobter den Rücktritt des
anderen durch ein Verschulden, das einen wichtigen Grund für den Rücktritt
bildet, so ist er nach Maßgabe des §. 1298 Abs. 1, 2 zum Schadensersatze
verpflichtet.
§. 1300. Hat eine unbescholtene Verlobte ihrem
Verlobten die Beiwohnung gestattet, so kann sie, wenn die Voraussetzungen des
§. 1298 oder des §. 1299 vorliegen, auch wegen des Schadens, der nicht
Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen.
Der Anspruch ist nicht übertragbar und geht nicht
auf die Erben über, es sei denn, daß er durch Vertrag anerkannt oder daß er
rechtshängig geworden ist.
§. 1301. Unterbleibt die Eheschließung, so kann
jeder Verlobte von dem anderen die Herausgabe desjenigen, was er ihm geschenkt
oder zum Zeichen des Verlöbnisses gegeben hat, nach den Vorschriften über die
Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Im Zweifel ist
anzunehmen, daß die Rückforderung ausgeschlossen sein soll, wenn das Verlöbniß
durch den Tod eines der Verlobten aufgelöst wird.
§. 1302. Die in den §§. 1298 bis 1301 bestimmten
Ansprüche verjähren in zwei Jahren von der Auflösung des Verlöbnisses an.
Zweiter Titel.
Eingehung der Ehe.
§. 1303. Ein Mann darf nicht vor dem Eintritte der
Volljährigkeit, eine Frau darf nicht vor der Vollendung des sechzehnten
Lebensjahrs eine Ehe eingehen.
Einer Frau kann Befreiung von dieser Vorschrift
bewilligt werden.
§. 1304. Wer in der Geschäftsfähigkeit beschränkt
ist, bedarf zur Eingehung einer Ehe der Einwilligung seines gesetzlichen
Vertreters.
Ist der gesetzliche Vertreter ein Vormund, so kann
die Einwilligung, wenn sie von ihm verweigert wird, auf Antrag des Mündels
durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden. Das Vormundschaftsgericht hat
die Einwilligung zu ersetzen, wenn die Eingehung der Ehe im Interesse des
Mündels liegt.
§. 1305. Ein eheliches Kind bedarf bis zur
Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahrs zur Eingehung einer Ehe der
Einwilligung des Vaters, ein uneheliches Kind bedarf bis zum gleichen
Lebensalter der Einwilligung der Mutter. An die Stelle des Vaters tritt die
Mutter, wenn der Vater gestorben ist oder wenn ihm die sich aus der Vaterschaft
ergebenden Rechte nach §. 1701 nicht zustehen. Ein für ehelich erklärtes Kind
bedarf der Einwilligung der Mutter auch dann nicht, wenn der Vater gestorben
ist.
Dem Tode des Vaters oder der Mutter steht es
gleich, wenn sie zur Abgabe einer Erklärung dauernd außer Stande sind oder wenn
ihr Aufenthalt dauernd unbekannt ist.
§. 1306. Einem an Kindesstatt angenommenen Kinde
gegenüber steht die Einwilligung zur Eingehung einer Ehe an Stelle der
leiblichen Eltern demjenigen zu, welcher das Kind angenommen hat. Hat ein
Ehepaar das Kind gemeinschaftlich oder hat ein Ehegatte das Kind des anderen
Ehegatten angenommen, so finden die Vorschriften des §. 1305 Abs. 1 Satz 1, 2,
Abs. 2 Anwendung.
Die leiblichen Eltern erlangen das Recht zur
Einwilligung auch dann nicht wieder, wenn das durch die Annahme an Kindesstatt
begründete Rechtsverhältniß aufgehoben wird.
§. 1307. Die elterliche Einwilligung kann nicht
durch einen Vertreter ertheilt werden. Ist der Vater oder die Mutter in der
Geschäftsfähigkeit beschränkt, so ist die Zustimmung des gesetzlichen
Vertreters nicht erforderlich.
§. 1308. Wird die elterliche Einwilligung einem
volljährigen Kinde verweigert, so kann sie auf dessen Antrag durch das
Vormundschaftsgericht ersetzt werden. Das Vormundschaftsgericht hat die
Einwilligung zu ersetzen, wenn sie ohne wichtigen Grund verweigert wird.
Vor der Entscheidung soll das Vormundschaftsgericht
Verwandte oder Verschwägerte des Kindes hören, wenn es ohne erhebliche
Verzögerung und ohne unverhältnißmäßige Kosten geschehen kann. Für den Ersatz
der Auslagen gilt die Vorschrift des §. 1847 Abs. 2.
§. 1309. Niemand darf eine Ehe eingehen, bevor
seine frühere Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt worden ist. Wollen
Ehegatten die Eheschließung wiederholen, so ist die vorgängige
Nichtigkeitserklärung nicht erforderlich.
Wird gegen ein Urtheil, durch das die frühere Ehe
aufgelöst oder für nichtig erklärt worden ist, die Nichtigkeitsklage oder die
Restitutionsklage erhoben, so dürfen die Ehegatten nicht vor der Erledigung des
Rechtsstreits eine neue Ehe eingehen, es sei denn, daß die Klage erst nach dem
Ablaufe der vorgeschriebenen fünfjährigen Frist erhoben worden ist.
§. 1310. Eine Ehe darf nicht geschlossen werden
zwischen Verwandten in gerader Linie, zwischen vollbürtigen oder halbbürtigen
Geschwistern sowie zwischen Verschwägerten in gerader Linie.
Eine Ehe darf nicht geschlossen werden zwischen
Personen, von denen die eine mit Eltern, Voreltern oder Abkömmlingen der
anderen Geschlechtsgemeinschaft gepflogen hat.
Verwandtschaft im Sinne dieser Vorschriften besteht
auch zwischen einem unehelichen Kinde und dessen Abkömmlingen einerseits und
dem Vater und dessen Verwandten andererseits.
§. 1311. Wer einen Anderen an Kindesstatt
angenommen hat, darf mit ihm oder dessen Abkömmlingen eine Ehe nicht eingehen,
solange das durch die Annahme begründete Rechtsverhältniß besteht.
§. 1312. Eine Ehe darf nicht geschlossen werden
zwischen einem wegen Ehebruchs geschiedenen Ehegatten und demjenigen, mit
welchem der geschiedene Ehegatte den Ehebruch begangen hat, wenn dieser
Ehebruch in dem Scheidungsurtheil als Grund der Scheidung festgestellt ist.
Von dieser Vorschrift kann Befreiung bewilligt
werden.
§. 1313. Eine Frau darf erst zehn Monate nach der
Auflösung oder Nichtigkeitserklärung ihrer früheren Ehe eine neue Ehe eingehen,
es sei denn, daß sie inzwischen geboren hat.
Von dieser Vorschrift kann Befreiung bewilligt
werden.
§. 1314. Wer ein eheliches Kind hat, das
minderjährig ist oder unter seiner Vormundschaft steht, darf eine Ehe erst
eingehen, nachdem ihm das Vormundschaftsgericht ein Zeugniß darüber ertheilt
hat, daß er die im §. 1669 bezeichneten Verpflichtungen erfüllt hat oder daß
sie ihm nicht obliegen.
Ist im Falle der fortgesetzten Gütergemeinschaft
ein antheilsberechtigter Abkömmling minderjährig oder bevormundet, so darf der
überlebende Ehegatte eine Ehe erst eingehen, nachdem ihm das
Vormundschaftsgericht ein Zeugniß darüber ertheilt hat, daß er die im §. 1493
Abs. 2 bezeichneten Verpflichtungen erfüllt hat oder daß sie ihm nicht
obliegen.
§. 1315. Militärpersonen und solche Landesbeamte,
für die nach den Landesgesetzen zur Eingehung einer Ehe eine besondere
Erlaubniß erforderlich ist, dürfen nicht ohne die vorgeschriebene Erlaubniß
eine Ehe eingehen.
Ausländer, für die nach den Landesgesetzen zur
Eingehung einer Ehe eine Erlaubniß oder ein Zeugniß erforderlich ist, dürfen
nicht ohne diese Erlaubniß oder ohne dieses Zeugniß eine Ehe eingehen.
§. 1316. Der Eheschließung soll ein Aufgebot
vorhergehen. Das Aufgebot verliert seine Kraft, wenn die Ehe nicht binnen sechs
Monaten nach der Vollziehung des Aufgebots geschlossen wird.
Das Aufgebot darf unterbleiben, wenn die
lebensgefährliche Erkrankung eines der Verlobten den Aufschub der Eheschließung
nicht gestattet.
Von dem Aufgebote kann Befreiung bewilligt werden.
§. 1317. Die Ehe wird dadurch geschlossen, daß die
Verlobten vor einem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger
Anwesenheit erklären, die Ehe mit einander eingehen zu wollen. Der
Standesbeamte muß zur Entgegennahme der Erklärungen bereit sein.
Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung
oder einer Zeitbestimmung abgegeben werden.
§. 1318. Der Standesbeamte soll bei der
Eheschließung in Gegenwart von zwei Zeugen an die Verlobten einzeln und nach
einander die Frage richten, ob sie die Ehe mit einander eingehen wollen, und,
nachdem die Verlobten die Frage bejaht haben, aussprechen, daß sie kraft dieses
Gesetzes nunmehr rechtmäßig verbundene Eheleute seien.
Als Zeugen sollen Personen, die der bürgerlichen
Ehrenrechte für verlustig erklärt sind, während der Zeit, für welche die
Aberkennung der Ehrenrechte erfolgt ist, sowie Minderjährige nicht zugezogen
werden. Personen, die mit einem der Verlobten, mit dem Standesbeamten oder mit
einander verwandt oder verschwägert sind, dürfen als Zeugen zugezogen werden.
Der Standesbeamte soll die Eheschließung in das
Heirathsregister eintragen.
§. 1319. Als Standesbeamter im Sinne des §. 1317
gilt auch derjenige, welcher, ohne Standesbeamter zu sein, das Amt eines
Standesbeamten öffentlich ausübt, es sei denn, daß die Verlobten den Mangel der
amtlichen Befugniß bei der Eheschließung kennen.
§. 1320. Die Ehe soll vor dem zuständigen
Standesbeamten geschlossen werden.
Zuständig ist der Standesbeamte, in dessen Bezirk
einer der Verlobten seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Hat keiner der Verlobten seinen Wohnsitz oder seinen
gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und ist auch nur einer von ihnen ein
Deutscher, so wird der zuständige Standesbeamte von der obersten
Aufsichtsbehörde des Bundesstaats, dem der Deutsche angehört, und, wenn dieser
keinem Bundesstaat angehört, von dem Reichskanzler bestimmt.
Unter mehreren zuständigen Standesbeamten haben die
Verlobten die Wahl.
§. 1321. Auf Grund einer schriftlichen Ermächtigung
des zuständigen Standesbeamten darf die Ehe auch vor dem Standesbeamten eines
anderen Bezirkes geschlossen werden.
§. 1322. Die Bewilligung einer nach den §§. 1303,
1313 zulässigen Befreiung steht dem Bundesstaate zu, dem die Frau, die
Bewilligung einer nach §. 1312 zulässigen Befreiung steht dem Bundesstaate zu,
dem der geschiedene Ehegatte angehört. Für Deutsche, die keinem Bundesstaat
angehören, steht die Bewilligung dem Reichskanzler zu.
Die Bewilligung einer nach §. 1316 zulässigen
Befreiung steht dem Bundesstaate zu, in dessen Gebiete die Ehe geschlossen
werden soll.
Ueber die Ertheilung der einem Bundesstaate
zustehenden Bewilligung hat die Landesregierung zu bestimmen.
Dritter Titel.
Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe.
§. 1323. Eine Ehe ist nur in den Fällen der §§.
1324 bis 1328 nichtig.
§. 1324. Eine Ehe ist nichtig, wenn bei der
Eheschließung die im §. 1317 vorgeschriebene Form nicht beobachtet worden ist.
Ist die Ehe in das Heirathsregister eingetragen
worden und haben die Ehegatten nach der Eheschließung zehn Jahre oder, falls
einer von ihnen vorher gestorben ist, bis zu dessen Tode, jedoch mindestens
drei Jahre, als Ehegatten mit einander gelebt, so ist die Ehe als von Anfang an
gültig anzusehen. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn bei dem Ablaufe
der zehn Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Ehegatten die
Nichtigkeitsklage erhoben ist.
§. 1325. Eine Ehe ist nichtig, wenn einer der
Ehegatten zur Zeit der Eheschließung geschäftsunfähig war oder sich im Zustande
der Bewußtlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistesthätigkeit befand.
Die Ehe ist als von Anfang an gültig anzusehen,
wenn der Ehegatte sie nach dem Wegfalle der Geschäftsunfähigkeit, der
Bewußtlosigkeit oder der Störung der Geistesthätigkeit bestätigt, bevor sie für
nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist. Die Bestätigung bedarf nicht der für
die Eheschließung vorgeschriebenen Form.
§. 1326. Eine Ehe ist nichtig, wenn einer der
Ehegatten zur Zeit der Eheschließung mit einem Dritten in einer gültigen Ehe
lebte.
§. 1327. Eine Ehe ist nichtig, wenn sie zwischen
Verwandten oder Verschwägerten dem Verbote des §. 1310 Abs. 1 zuwider
geschlossen worden ist.
§. 1328. Eine Ehe ist nichtig, wenn sie wegen
Ehebruchs nach §. 1312 verboten war.
Wird nachträglich Befreiung von der Vorschrift des
§. 1312 bewilligt, so ist die Ehe als von Anfang an gültig anzusehen.
§. 1329. Die Nichtigkeit einer nach den §§. 1325
bis 1328 nichtigen Ehe kann, solange nicht die Ehe für nichtig erklärt oder
aufgelöst ist, nur im Wege der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden. Das
Gleiche gilt von einer nach §. 1324 nichtigen Ehe, wenn sie in das Heirathsregister
eingetragen worden ist.
§. 1330. Eine Ehe kann nur in den Fällen der §§.
1331 bis 1335 und des §. 1350 angefochten werden.
§. 1331. Eine Ehe kann von dem Ehegatten
angefochten werden, der zur Zeit der Eheschließung oder im Falle des §. 1325
zur Zeit der Bestätigung in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war, wenn die
Eheschließung oder die Bestätigung ohne Einwilligung seines gesetzlichen
Vertreters erfolgt ist.
§. 1332. Eine Ehe kann von dem Ehegatten
angefochten werden, der bei der Eheschließung nicht gewußt hat, daß es sich um
eine Eheschließung handle, oder dies zwar gewußt hat, aber eine Erklärung, die
Ehe eingehen zu wollen, nicht hat abgeben wollen.
§. 1333. Eine Ehe kann von dem Ehegatten
angefochten werden, der sich bei der Eheschließung in der Person des anderen
Ehegatten oder über solche persönliche Eigenschaften des anderen Ehegatten
geirrt hat, die ihn bei Kenntniß der Sachlage und bei verständiger Würdigung
des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten haben würden.
§. 1334. Eine Ehe kann von dem Ehegatten
angefochten werden, der zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über
solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntniß der Sachlage und bei
verständiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten
haben würden. Ist die Täuschung nicht von dem anderen Ehegatten verübt worden,
so ist die Ehe nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung bei der
Eheschließung gekannt hat.
Auf Grund einer Täuschung über
Vermögensverhältnisse findet die Anfechtung nicht statt.
§. 1335. Eine Ehe kann von dem Ehegatten
angefochten werden, der zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung
bestimmt worden ist.
§. 1336. Die Anfechtung der Ehe kann nicht durch
einen Vertreter erfolgen. Ist der anfechtungsberechtigte Ehegatte in der
Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er nicht der Zustimmung seines
gesetzlichen Vertreters.
Für einen geschäftsunfähigen Ehegatten kann sein
gesetzlicher Vertreter mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts die Ehe
anfechten. In den Fällen des §. 1331 kann, solange der anfechtungsberechtigte
Ehegatte in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, nur sein gesetzlicher
Vertreter die Ehe anfechten.
§. 1337. Die Anfechtung der Ehe ist in den Fällen
des §. 1331 ausgeschlossen, wenn der gesetzliche Vertreter die Ehe genehmigt
oder der anfechtungsberechtigte Ehegatte, nachdem er unbeschränkt
geschäftsfähig geworden ist, die Ehe bestätigt. Ist der gesetzliche Vertreter
ein Vormund, so kann die Genehmigung, wenn sie von ihm verweigert wird, auf
Antrag des Ehegatten durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden; das
Vormundschaftsgericht hat die Genehmigung zu ersetzen, wenn die
Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse des Ehegatten liegt.
In den Fällen der §§. 1332 bis 1335 ist die
Anfechtung ausgeschlossen, wenn der anfechtungsberechtigte Ehegatte nach der
Entdeckung des Irrthums oder der Täuschung oder nach dem Aufhören der
Zwangslage die Ehe bestätigt.
Die Vorschriften des §. 1336 Abs. 1 gelten auch für
die Bestätigung.
§. 1338. Die Anfechtung ist nach der Auflösung der
Ehe ausgeschlossen, es sei denn, daß die Auflösung durch den Tod des zur
Anfechtung nicht berechtigten Ehegatten herbeigeführt worden ist.
§. 1339. Die Anfechtung kann nur binnen sechs
Monaten erfolgen.
Die Frist beginnt in den Fällen des §. 1331 mit dem
Zeitpunkt, in welchem die Eingehung oder die Bestätigung der Ehe dem
gesetzlichen Vertreter bekannt wird oder der Ehegatte die unbeschränkte
Geschäftsfähigkeit erlangt, in den Fällen der §§. 1332 bis 1334 mit dem
Zeitpunkt, in welchem der Ehegatte den Irrthum oder die Täuschung entdeckt, in
dem Falle des §. 1335 mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört.
Auf die Frist finden die für die Verjährung
geltenden Vorschriften der §§. 203, 206 entsprechende Anwendung.
§. 1340. Hat der gesetzliche Vertreter eines
geschäftsunfähigen Ehegatten die Ehe nicht rechtzeitig angefochten, so kann
nach dem Wegfalle der Geschäftsunfähigkeit der Ehegatte selbst die Ehe in
gleicher Weise anfechten, wie wenn er ohne gesetzlichen Vertreter gewesen wäre.
§. 1341. Die Anfechtung erfolgt, solange nicht die
Ehe aufgelöst ist, durch Erhebung der Anfechtungsklage.
Wird die Klage zurückgenommen, so ist die
Anfechtung als nicht erfolgt anzusehen. Das Gleiche gilt, wenn die angefochtene
Ehe, bevor sie für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist, nach Maßgabe des
§. 1337 genehmigt oder bestätigt wird.
§. 1342. Ist die Ehe durch den Tod des zur
Anfechtung nicht berechtigten Ehegatten aufgelöst worden, so erfolgt die
Anfechtung durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgerichte; die Erklärung ist in
öffentlich beglaubigter Form abzugeben.
Das Nachlaßgericht soll die Erklärung sowohl
demjenigen mittheilen, welcher im Falle der Gültigkeit der Ehe, als auch
demjenigen, welcher im Falle der Nichtigkeit der Ehe Erbe des verstorbenen
Ehegatten ist. Es hat die Einsicht der Erklärung Jedem zu gestatten, der ein
rechtliches Interesse glaubhaft macht.
§. 1343. Wird eine anfechtbare Ehe angefochten, so
ist sie als von Anfang an nichtig anzusehen. Die Vorschrift des §. 142 Abs. 2
findet Anwendung.
Die Nichtigkeit einer anfechtbaren Ehe, die im Wege
der Klage angefochten worden ist, kann, solange nicht die Ehe für nichtig
erklärt oder aufgelöst ist, nicht anderweit geltend gemacht werden.
§. 1344. Einem Dritten gegenüber können aus der
Nichtigkeit der Ehe Einwendungen gegen ein zwischen ihm und einem der Ehegatten
vorgenommenes Rechtsgeschäft oder gegen ein zwischen ihnen ergangenes
rechtskräftiges Urtheil nur hergeleitet werden, wenn zur Zeit der Vornahme des
Rechtsgeschäfts oder zur Zeit des Eintritts der Rechtshängigkeit die Ehe für
nichtig erklärt oder die Nichtigkeit dem Dritten bekannt war.
Die Nichtigkeit kann ohne diese Beschränkung
geltend gemacht werden, wenn sie auf einem Formmangel beruht und die Ehe nicht
in das Heirathsregister eingetragen worden ist.
§. 1345. War dem einen Ehegatten die Nichtigkeit
der Ehe bei der Eheschließung bekannt, so kann der andere Ehegatte, sofern
nicht auch ihm die Nichtigkeit bekannt war, nach der Nichtigkeitserklärung oder
der Auflösung der Ehe verlangen, daß ihr Verhältniß in vermögensrechtlicher
Beziehung, insbesondere auch in Ansehung der Unterhaltspflicht, so behandelt
wird, wie wenn die Ehe zur Zeit der Nichtigkeitserklärung oder der Auflösung
geschieden und der Ehegatte, dem die Nichtigkeit bekannt war, für allein
schuldig erklärt worden wäre.
Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die
Nichtigkeit auf einem Formmangel beruht und die Ehe nicht in das
Heirathsregister eingetragen worden ist.
§. 1346. Wird eine wegen Drohung anfechtbare Ehe
für nichtig erklärt, so steht das im §. 1345 Abs. 1 bestimmte Recht dem
anfechtungsberechtigten Ehegatten zu. Wird eine wegen Irrthums anfechtbare Ehe
für nichtig erklärt, so steht dieses Recht dem zur Anfechtung nicht
berechtigten Ehegatten zu, es sei denn, daß dieser den Irrthum bei der
Eingehung der Ehe kannte oder kennen mußte.
§. 1347. Erklärt der Ehegatte, dem das im §. 1345
Abs. 1 bestimmte Recht zusteht, dem anderen Ehegatten, daß er von dem Rechte
Gebrauch mache, so kann er die Folgen der Nichtigkeit der Ehe nicht mehr
geltend machen; erklärt er dem anderen Ehegatten, daß es bei diesen Folgen
bewenden solle, so erlischt das im §. 1345 Abs. 1 bestimmte Recht.
Der andere Ehegatte kann den berechtigten Ehegatten
unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung darüber auffordern, ob
er von dem Rechte Gebrauch mache. Das Recht kann in diesem Falle nur bis zum
Ablaufe der Frist ausgeübt werden.
Vierter Titel.
Wiederverheirathung im Falle der Todeserklärung.
§. 1348. Geht ein Ehegatte, nachdem der andere
Ehegatte für todt erklärt worden ist, eine neue Ehe ein, so ist die neue Ehe
nicht deshalb nichtig, weil der für todt erklärte Ehegatte noch lebt, es sei
denn, daß beide Ehegatten bei der Eheschließung wissen, daß er die
Todeserklärung überlebt hat.
Mit der Schließung der neuen Ehe wird die frühere
Ehe aufgelöst. Sie bleibt auch dann aufgelöst, wenn die Todeserklärung in Folge
einer Anfechtungsklage aufgehoben wird.
§. 1349. Ist das Urtheil, durch das einer der
Ehegatten für todt erklärt worden ist, im Wege der Klage angefochten, so darf
der andere Ehegatte nicht vor der Erledigung des Rechtsstreits eine neue Ehe
eingehen, es sei denn, daß die Anfechtung erst zehn Jahre nach der Verkündung
des Urtheils erfolgt ist.
§. 1350. Jeder Ehegatte der neuen Ehe kann, wenn
der für todt erklärte Ehegatte noch lebt, die neue Ehe anfechten, es sei denn,
daß er bei der Eheschließung von dessen Leben Kenntniß hatte. Die Anfechtung
kann nur binnen sechs Monaten von dem Zeitpunkt an erfolgen, in welchem der
anfechtende Ehegatte erfährt, daß der für todt erklärte Ehegatte noch lebt.
Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der
anfechtungsberechtigte Ehegatte die Ehe bestätigt, nachdem er von dem Leben des
für todt erklärten Ehegatten Kenntniß erlangt hat, oder wenn die neue Ehe durch
den Tod eines der Ehegatten aufgelöst worden ist.
§. 1351. Wird die Ehe nach §. 1350 von dem
Ehegatten der früheren Ehe angefochten, so hat dieser dem anderen Ehegatten
nach den für die Scheidung geltenden Vorschriften der §§. 1578 bis 1582
Unterhalt zu gewähren, wenn nicht der andere Ehegatte bei der Eheschließung
wußte, daß der für todt erklärte Ehegatte die Todeserklärung überlebt hat.
§. 1352. Wird die frühere Ehe nach §. 1348 Abs. 2
aufgelöst, so bestimmt sich die Verpflichtung der Frau, dem Manne zur
Bestreitung des Unterhalts eines gemeinschaftlichen Kindes einen Beitrag zu
leisten, nach den für die Scheidung geltenden Vorschriften des §. 1585.
Fünfter Titel.
Wirkungen der Ehe im Allgemeinen.
§. 1353. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen
Lebensgemeinschaft verpflichtet.
Stellt sich das Verlangen eines Ehegatten nach
Herstellung der Gemeinschaft als Mißbrauch seines Rechtes dar, so ist der
andere Ehegatte nicht verpflichtet, dem Verlangen Folge zu leisten. Das Gleiche
gilt, wenn der andere Ehegatte berechtigt ist, auf Scheidung zu klagen.
§. 1354. Dem Manne steht die Entscheidung in allen
das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu; er
bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung.
Die Frau ist nicht verpflichtet, der Entscheidung
des Mannes Folge zu leisten, wenn sich die Entscheidung als Mißbrauch seines
Rechtes darstellt.
§. 1355. Die Frau erhält den Familiennamen des
Mannes.
§. 1356. Die Frau ist, unbeschadet der Vorschriften
des §. 1354, berechtigt und verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu
leiten.
Zu Arbeiten im Hauswesen und im Geschäfte des
Mannes ist die Frau verpflichtet, soweit eine solche Thätigkeit nach den
Verhältnissen, in denen die Ehegatten leben, üblich ist.
§. 1357. Die Frau ist berechtigt, innerhalb ihres
häuslichen Wirkungskreises die Geschäfte des Mannes für ihn zu besorgen und ihn
zu vertreten. Rechtsgeschäfte, die sie innerhalb dieses Wirkungskreises
vornimmt, gelten als im Namen des Mannes vorgenommen, wenn nicht aus den Umständen
sich ein Anderes ergiebt.
Der Mann kann das Recht der Frau beschränken oder
ausschließen. Stellt sich die Beschränkung oder die Ausschließung als Mißbrauch
des Rechtes des Mannes dar, so kann sie auf Antrag der Frau durch das
Vormundschaftsgericht aufgehoben werden. Dritten gegenüber ist die Beschränkung
oder die Ausschließung nur nach Maßgabe des §. 1435 wirksam.
§. 1358. Hat sich die Frau einem Dritten gegenüber
zu einer von ihr in Person zu bewirkenden Leistung verpflichtet, so kann der
Mann das Rechtsverhältniß ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn
er auf seinen Antrag von dem Vormundschaftsgerichte dazu ermächtigt worden ist.
Das Vormundschaftsgericht hat die Ermächtigung zu ertheilen, wenn sich ergiebt,
daß die Thätigkeit der Frau die ehelichen Interessen beeinträchtigt.
Das Kündigungsrecht ist ausgeschlossen, wenn der
Mann der Verpflichtung zugestimmt hat oder seine Zustimmung auf Antrag der Frau
durch das Vormundschaftsgericht ersetzt worden ist. Das Vormundschaftsgericht
kann die Zustimmung ersetzen, wenn der Mann durch Krankheit oder durch
Abwesenheit an der Abgabe einer Erklärung verhindert und mit dem Aufschube
Gefahr verbunden ist oder wenn sich die Verweigerung der Zustimmung als
Mißbrauch seines Rechtes darstellt. Solange die häusliche Gemeinschaft
aufgehoben ist, steht das Kündigungsrecht dem Manne nicht zu.
Die Zustimmung sowie die Kündigung kann nicht durch
einen Vertreter des Mannes erfolgen; ist der Mann in der Geschäftsfähigkeit
beschränkt, so bedarf er nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters.
§. 1359. Die Ehegatten haben bei der Erfüllung der
sich aus dem ehelichen Verhältniß ergebenden Verpflichtungen einander nur für diejenige Sorgfalt einzustehen,
welche sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen.
§. 1360. Der Mann hat der Frau nach Maßgabe seiner
Lebensstellung, seines Vermögens und seiner Erwerbsfähigkeit Unterhalt zu
gewähren.
Die Frau hat dem Manne, wenn er außer Stande ist,
sich selbst zu unterhalten, den seiner Lebensstellung entsprechenden Unterhalt
nach Maßgabe ihres Vermögens und ihrer Erwerbsfähigkeit zu gewähren.
Der Unterhalt ist in der durch die eheliche
Lebensgemeinschaft gebotenen Weise zu gewähren. Die für die Unterhaltspflicht
der Verwandten geltenden Vorschriften der §§. 1605, 1613 bis 1615 finden
entsprechende Anwendung.
§. 1361. Leben die Ehegatten getrennt, so ist,
solange einer von ihnen die Herstellung des ehelichen Lebens verweigern darf
und verweigert, der Unterhalt durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren;
auf die Rente finden die Vorschriften des §. 760 Anwendung. Der Mann hat der
Frau auch die zur Führung eines abgesonderten Haushalts erforderlichen Sachen
aus dem gemeinschaftlichen Haushalte zum Gebrauche herauszugeben, es sei denn,
daß die Sachen für ihn unentbehrlich sind oder daß sich solche Sachen in dem
der Verfügung der Frau unterliegenden Vermögen befinden.
Die Unterhaltspflicht des Mannes fällt weg oder
beschränkt sich auf die Zahlung eines Beitrags, wenn der Wegfall oder die
Beschränkung mit Rücksicht auf die Bedürfnisse sowie auf die Vermögens- und
Erwerbsverhältnisse der Ehegatten der Billigkeit entspricht.
§. 1362. Zu Gunsten der Gläubiger des Mannes wird
vermuthet, daß die im Besitz eines der Ehegatten oder beider Ehegatten
befindlichen beweglichen Sachen dem Manne gehören. Dies gilt insbesondere auch
für Inhaberpapiere und für Orderpapiere, die mit Blankoindossament versehen
sind.
Für die ausschließlich zum persönlichen Gebrauche
der Frau bestimmten Sachen, insbesondere für Kleider, Schmucksachen und Arbeitsgeräthe,
gilt im Verhältnisse der Ehegatten zu einander und zu den Gläubigern die
Vermuthung, daß die Sachen der Frau gehören.
Sechster Titel.
Eheliches Güterrecht.
I. Gesetzliches Güterrecht.
1. Allgemeine Vorschriften.
§. 1363. Das Vermögen der Frau wird durch die
Eheschließung der Verwaltung und Nutznießung des Mannes unterworfen
(eingebrachtes Gut).
Zum eingebrachten Gute gehört auch das Vermögen,
das die Frau während der Ehe erwirbt.
§. 1364. Die Verwaltung und Nutznießung des Mannes
tritt nicht ein, wenn er die Ehe mit einer in der Geschäftsfähigkeit
beschränkten Frau ohne Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters eingeht.
§. 1365. Die Verwaltung und Nutznießung des Mannes
erstreckt sich nicht auf das Vorbehaltsgut der Frau.
§. 1366. Vorbehaltsgut sind die ausschließlich zum
persönlichen Gebrauche der Frau bestimmten Sachen, insbesondere Kleider,
Schmucksachen und Arbeitsgeräthe.
§. 1367. Vorbehaltsgut ist, was die Frau durch ihre
Arbeit oder durch den selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts erwirbt.
§. 1368. Vorbehaltsgut ist, was durch Ehevertrag
für Vorbehaltsgut erklärt ist.
§. 1369. Vorbehaltsgut ist, was die Frau durch
Erbfolge, durch Vermächtniß oder als Pflichttheil erwirbt (Erwerb von
Todeswegen) oder was ihr unter Lebenden von einem Dritten unentgeltlich
zugewendet wird, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung, der Dritte
bei der Zuwendung bestimmt hat, daß der Erwerb Vorbehaltsgut sein soll.
§. 1370. Vorbehaltsgut ist, was die Frau auf Grund
eines zu ihrem Vorbehaltsgute gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die
Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zu dem Vorbehaltsgute gehörenden
Gegenstandes oder durch ein Rechtsgeschäft erwirbt, das sich auf das
Vorbehaltsgut bezieht.
§. 1371. Auf das Vorbehaltsgut finden die bei der
Gütertrennung für das Vermögen der Frau geltenden Vorschriften entsprechende
Anwendung; die Frau hat jedoch einen Beitrag zur Bestreitung des ehelichen
Aufwandes nur insoweit zu leisten, als der Mann nicht schon durch die Nutzungen
des eingebrachten Gutes einen angemessenen Beitrag erhält.
§. 1372. Jeder Ehegatte kann verlangen, daß der
Bestand des eingebrachten Gutes durch Aufnahme eines Verzeichnisses unter
Mitwirkung des anderen Ehegatten festgestellt wird. Auf die Aufnahme des
Verzeichnisses finden die für den Nießbrauch geltenden Vorschriften des §. 1035
Anwendung.
Jeder Ehegatte kann den Zustand der zum
eingebrachten Gute gehörenden Sachen auf seine Kosten durch Sachverständige
feststellen lassen.
2. Verwaltung und Nutznießung.
§. 1373. Der Mann ist berechtigt, die zum
eingebrachten Gute gehörenden Sachen in Besitz zu nehmen.
§. 1374. Der Mann hat das eingebrachte Gut
ordnungsmäßig zu verwalten. Ueber den Stand der Verwaltung hat er der Frau auf
Verlangen Auskunft zu ertheilen.
§. 1375. Das Verwaltungsrecht des Mannes umfaßt
nicht die Befugniß, die Frau durch Rechtsgeschäfte zu verpflichten oder über
eingebrachtes Gut ohne ihre Zustimmung zu verfügen.
§. 1376. Ohne Zustimmung der Frau kann der Mann:
1. über Geld und andere
verbrauchbare Sachen der Frau verfügen;
2. Forderungen der Frau
gegen solche Forderungen an die Frau, deren Berichtigung aus dem eingebrachten
Gute verlangt werden kann, aufrechnen;
3. Verbindlichkeiten der
Frau zur Leistung eines zum eingebrachten Gute gehörenden Gegenstandes durch
Leistung des Gegenstandes erfüllen.
§. 1377. Der Mann soll Verfügungen, zu denen er
nach §. 1376 ohne Zustimmung der Frau berechtigt ist, nur zum Zwecke
ordnungsmäßiger Verwaltung des eingebrachten Gutes vornehmen.
Das zum eingebrachten Gute gehörende Geld hat der
Mann nach den für die Anlegung von Mündelgeld geltenden Vorschriften für die
Frau verzinslich anzulegen, soweit es nicht zur Bestreitung von Ausgaben bereit
zu halten ist.
Andere verbrauchbare Sachen darf der Mann auch für
sich veräußern oder verbrauchen. Macht er von dieser Befugniß Gebrauch, so hat
er den Werth der Sachen nach der Beendigung der Verwaltung und Nutznießung zu
ersetzen; der Ersatz ist schon vorher zu leisten, soweit die ordnungsmäßige
Verwaltung des eingebrachten Gutes es erfordert.
§. 1378. Gehört zum eingebrachten Gute ein
Grundstück sammt Inventar, so bestimmen sich die Rechte und die Pflichten des
Mannes in Ansehung des Inventars nach den für den Nießbrauch geltenden
Vorschriften des §. 1048 Abs. 1.
§. 1379. Ist zur ordnungsmäßigen Verwaltung des
eingebrachten Gutes ein Rechtsgeschäft erforderlich, zu dem der Mann der
Zustimmung der Frau bedarf, so kann die Zustimmung auf Antrag des Mannes durch
das Vormundschaftsgericht ersetzt werden, wenn die Frau sie ohne ausreichenden
Grund verweigert.
Das Gleiche gilt, wenn die Frau durch Krankheit
oder durch Abwesenheit an der Abgabe einer Erklärung verhindert und mit dem
Aufschube Gefahr verbunden ist.
§. 1380. Der Mann kann ein zum eingebrachten Gute
gehörendes Recht im eigenen Namen gerichtlich geltend machen. Ist er befugt,
über das Recht ohne Zustimmung der Frau zu verfügen, so wirkt das Urtheil auch
für und gegen die Frau.
§. 1381. Erwirbt der Mann mit Mitteln des
eingebrachten Gutes bewegliche Sachen, so geht mit dem Erwerbe das Eigenthum
auf die Frau über, es sei denn, daß der Mann nicht für Rechnung des
eingebrachten Gutes erwerben will. Dies gilt insbesondere auch von
Inhaberpapieren und von Orderpapieren, die mit Blankoindossament versehen sind.
Die Vorschriften des Abs. 1 finden entsprechende
Anwendung, wenn der Mann mit Mitteln des eingebrachten Gutes ein Recht an
Sachen der bezeichneten Art oder ein anderes Recht erwirbt, zu dessen
Uebertragung der Abtretungsvertrag genügt.
§. 1382. Haushaltsgegenstände, die der Mann an
Stelle der von der Frau eingebrachten, nicht mehr vorhandenen oder werthlos
gewordenen Stücke anschafft, werden eingebrachtes Gut.
§. 1383. Der Mann erwirbt die Nutzungen des
eingebrachten Gutes in derselben Weise und in demselben Umfange wie ein
Nießbraucher.
§. 1384. Der Mann hat außer den Kosten, welche
durch die Gewinnung der Nutzungen entstehen, die Kosten der Erhaltung der zum
eingebrachten Gute gehörenden Gegenstände nach den für den Nießbrauch geltenden
Vorschriften zu tragen.
§. 1385. Der Mann ist der Frau gegenüber
verpflichtet, für die Dauer der Verwaltung und Nutznießung zu tragen:
1. die der Frau obliegenden
öffentlichen Lasten mit Ausschluß der auf dem Vorbehaltsgute ruhenden Lasten
und der außerordentlichen Lasten, die als auf den Stammwerth des eingebrachten
Gutes gelegt anzusehen sind;
2. die privatrechtlichen
Lasten, die auf den zum eingebrachten Gute gehörenden Gegenständen ruhen;
3. die Zahlungen, die für
die Versicherung der zum eingebrachten Gute gehörenden Gegenstände zu leisten
sind.
§. 1386. Der Mann ist der Frau gegenüber
verpflichtet, für die Dauer der Verwaltung und Nutznießung die Zinsen
derjenigen Verbindlichkeiten der Frau zu tragen, deren Berichtigung aus dem
eingebrachten Gute verlangt werden kann. Das Gleiche gilt von wiederkehrenden
Leistungen anderer Art, einschließlich der von der Frau auf Grund ihrer
gesetzlichen Unterhaltspflicht geschuldeten Leistungen, sofern sie bei
ordnungsmäßiger Verwaltung aus den Einkünften des Vermögens bestritten werden.
Die Verpflichtung des Mannes tritt nicht ein, wenn
die Verbindlichkeiten oder die Leistungen im Verhältnisse der Ehegatten zu
einander dem Vorbehaltsgute der Frau zur Last fallen.
§. 1387. Der Mann ist der Frau gegenüber
verpflichtet, zu tragen:
1. die Kosten eines
Rechtsstreits, in welchem er ein zum eingebrachten Gute gehörendes Recht
geltend macht, sowie die Kosten eines Rechtsstreits, den die Frau führt, sofern
nicht die Kosten dem Vorbehaltsgute zur Last fallen;
2. die Kosten der
Vertheidigung der Frau in einem gegen sie gerichteten Strafverfahren, sofern
die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist oder mit Zustimmung
des Mannes erfolgt, vorbehaltlich der Ersatzpflicht der Frau im Falle ihrer
Verurtheilung.
§. 1388. Soweit der Mann nach den §§. 1385 bis 1387
der Frau gegenüber deren Verbindlichkeiten zu tragen hat, haftet er den
Gläubigern neben der Frau als Gesammtschuldner.
§. 1389. Der Mann hat den ehelichen Aufwand zu
tragen.
Die Frau kann verlangen, daß der Mann den
Reinertrag des eingebrachten Gutes, soweit dieser zur Bestreitung des eigenen
und des der Frau und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen zu gewährenden
Unterhalts erforderlich ist, ohne Rücksicht auf seine sonstigen Verpflichtungen
zu diesem Zwecke verwendet.
§. 1390. Macht der Mann zum Zwecke der Verwaltung des
eingebrachten Gutes Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich
halten darf, so kann er von der Frau Ersatz verlangen, sofern nicht die
Aufwendungen ihm selbst zur Last fallen.
§. 1391. Wird durch das Verhalten des Mannes die
Besorgniß begründet, daß die Rechte der Frau in einer das eingebrachte Gut
erheblich gefährdenden Weise verletzt werden, so kann die Frau von dem Manne
Sicherheitsleistung verlangen.
Das Gleiche gilt, wenn die der Frau aus der
Verwaltung und Nutznießung des Mannes zustehenden Ansprüche auf Ersatz des
Werthes verbrauchbarer Sachen erheblich gefährdet sind.
§. 1392. Liegen die Voraussetzungen vor, unter
denen der Mann zur Sicherheitsleistung verpflichtet ist, so kann die Frau auch
verlangen, daß der Mann die zum eingebrachten Gute gehörenden Inhaberpapiere
nebst den Erneuerungsscheinen bei einer Hinterlegungsstelle oder bei der
Reichsbank mit der Bestimmung hinterlegt, daß die Herausgabe von dem Manne nur
mit Zustimmung der Frau verlangt werden kann. Die Hinterlegung von Inhaberpapieren,
die nach §. 92 zu den verbrauchbaren Sachen gehören, sowie von Zins-, Renten-
oder Gewinnantheilscheinen kann nicht verlangt werden. Den Inhaberpapieren
stehen Orderpapiere gleich, die mit Blankoindossament versehen sind.
Ueber die hinterlegten Papiere kann der Mann auch
eine Verfügung, zu der er nach §. 1376 berechtigt ist, nur mit Zustimmung der
Frau treffen.
§. 1393. Der Mann kann die Inhaberpapiere, statt
sie nach §. 1392 zu hinterlegen, auf den Namen der Frau umschreiben oder, wenn
sie von dem Reiche oder einem Bundesstaat ausgestellt sind, in Buchforderungen
gegen das Reich oder den Bundesstaat umwandeln lassen.
§. 1394. Die Frau kann Ansprüche, die ihr auf Grund
der Verwaltung und Nutznießung gegen den Mann zustehen, erst nach der Beendigung
der Verwaltung und Nutznießung gerichtlich geltend machen, es sei denn, daß die
Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Frau nach §. 1391
Sicherheitsleistung verlangen kann. Der im §. 1389 Abs. 2 bestimmte Anspruch
unterliegt dieser Beschränkung nicht.
§. 1395. Die Frau bedarf zur Verfügung über
eingebrachtes Gut der Einwilligung des Mannes.
§. 1396. Verfügt die Frau durch Vertrag ohne
Einwilligung des Mannes über eingebrachtes Gut, so hängt die Wirksamkeit des
Vertrags von der Genehmigung des Mannes ab.
Fordert der andere Theil den Mann zur Erklärung
über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen;
eine vor der Aufforderung der Frau gegenüber erklärte Genehmigung oder
Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum
Ablaufe von zwei Wochen nach dem Empfange der Aufforderung erklärt werden; wird
sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert.
Verweigert der Mann die Genehmigung, so wird der
Vertrag nicht dadurch wirksam, daß die Verwaltung und Nutznießung aufhört.
§. 1397. Bis zur Genehmigung des Vertrags ist der
andere Theil zum Widerrufe berechtigt. Der Widerruf kann auch der Frau
gegenüber erklärt werden.
Hat der andere Theil gewußt, daß die Frau Ehefrau
ist, so kann er nur widerrufen, wenn die Frau der Wahrheit zuwider die
Einwilligung des Mannes behauptet hat; er kann auch in diesem Falle nicht
widerrufen, wenn ihm das Fehlen der Einwilligung bei dem Abschlusse des
Vertrags bekannt war.
§. 1398. Ein einseitiges Rechtsgeschäft, durch das
die Frau ohne Einwilligung des Mannes über eingebrachtes Gut verfügt, ist
unwirksam.
§. 1399. Zu Rechtsgeschäften, durch die sich die
Frau zu einer Leistung verpflichtet, ist die Zustimmung des Mannes nicht
erforderlich.
Stimmt der Mann einem solchen Rechtsgeschäfte zu,
so ist es in Ansehung des eingebrachten Gutes ihm gegenüber wirksam. Stimmt er
nicht zu, so muß er das Rechtsgeschäft, soweit das eingebrachte Gut bereichert
wird, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten
Bereicherung gegen sich gelten lassen.
§. 1400. Führt die Frau einen Rechtsstreit ohne
Zustimmung des Mannes, so ist das Urtheil dem Manne gegenüber in Ansehung des
eingebrachten Gutes unwirksam.
Ein zum eingebrachten Gute gehörendes Recht kann
die Frau im Wege der Klage nur mit Zustimmung des Mannes geltend machen.
§. 1401. Die Zustimmung des Mannes ist in den
Fällen der §§. 1395 bis 1398, des §. 1399 Abs. 2 und des §. 1400 nicht
erforderlich, wenn der Mann durch Krankheit oder durch Abwesenheit an der
Abgabe einer Erklärung verhindert und mit dem Aufschube Gefahr verbunden ist.
§. 1402. Ist zur ordnungsmäßigen Besorgung der
persönlichen Angelegenheiten der Frau ein Rechtsgeschäft erforderlich, zu dem
die Frau der Zustimmung des Mannes bedarf, so kann die Zustimmung auf Antrag
der Frau durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden, wenn der Mann sie ohne
ausreichenden Grund verweigert.
§. 1403. Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das sich
auf das eingebrachte Gut bezieht, ist dem Manne gegenüber vorzunehmen.
Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das sich auf eine
Verbindlichkeit der Frau bezieht, ist der Frau gegenüber vorzunehmen; das
Rechtsgeschäft muß jedoch auch dem Manne gegenüber vorgenommen werden, wenn es
in Ansehung des eingebrachten Gutes ihm gegenüber wirksam sein soll.
§. 1404. Die Beschränkungen, denen die Frau nach
den §§. 1395 bis 1403 unterliegt, muß ein Dritter auch dann gegen sich gelten
lassen, wenn er nicht gewußt hat, daß die Frau eine Ehefrau ist.
§. 1405. Ertheilt der Mann der Frau die
Einwilligung zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, so ist seine
Zustimmung zu solchen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten nicht
erforderlich, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt. Einseitige
Rechtsgeschäfte, die sich auf das Erwerbsgeschäft beziehen, sind der Frau
gegenüber vorzunehmen.
Der Einwilligung des Mannes in den Geschäftsbetrieb
steht es gleich, wenn die Frau mit Wissen und ohne Einspruch des Mannes das
Erwerbsgeschäft betreibt.
Dritten gegenüber ist ein Einspruch und der
Widerruf der Einwilligung nur nach Maßgabe des §. 1435 wirksam.
§. 1406. Die Frau bedarf nicht der Zustimmung des
Mannes:
1. zur Annahme oder
Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses, zum Verzicht auf den
Pflichttheil sowie zur Errichtung des Inventars über eine angefallene
Erbschaft;
2. zur Ablehnung eines
Vertragsantrags oder einer Schenkung;
3. zur Vornahme eines
Rechtsgeschäfts gegenüber dem Manne.
§. 1407. Die Frau bedarf nicht der Zustimmung des
Mannes:
1. zur Fortsetzung eines
zur Zeit der Eheschließung anhängigen Rechtsstreits;
2. zur gerichtlichen
Geltendmachung eines zum eingebrachten Gute gehörenden Rechtes gegen den Mann;
3. zur gerichtlichen
Geltendmachung eines zum eingebrachten Gute gehörenden Rechtes gegen einen
Dritten, wenn der Mann ohne die erforderliche Zustimmung der Frau über das
Recht verfügt hat;
4. zur gerichtlichen
Geltendmachung eines Widerspruchrechts gegenüber einer Zwangsvollstreckung.
§. 1408. Das Recht, das dem Manne an dem
eingebrachten Gute kraft seiner Verwaltung und Nutznießung zusteht, ist nicht
übertragbar.
§. 1409. Steht der Mann unter Vormundschaft, so hat
ihn der Vormund in den Rechten und Pflichten zu vertreten, die sich aus der
Verwaltung und Nutznießung des eingebrachten Gutes ergeben. Dies gilt auch
dann, wenn die Frau Vormund des Mannes ist.
3. Schuldenhaftung.
§. 1410. Die Gläubiger des Mannes können nicht
Befriedigung aus dem eingebrachten Gute verlangen.
§. 1411. Die Gläubiger der Frau können ohne
Rücksicht auf die Verwaltung und Nutznießung des Mannes Befriedigung aus dem
eingebrachten Gute verlangen, soweit sich nicht aus den §§. 1412 bis 1414 ein
Anderes ergiebt. Sie unterliegen bei der Geltendmachung der Ansprüche der Frau
nicht der im §. 1394 bestimmten Beschränkung.
Hat der Mann verbrauchbare Sachen nach §. 1377 Abs.
3 veräußert oder verbraucht, so ist er den Gläubigern gegenüber zum sofortigen
Ersatze verpflichtet.
§. 1412. Das eingebrachte Gut haftet für eine
Verbindlichkeit der Frau, die aus einem nach der Eingehung der Ehe
vorgenommenen Rechtsgeschäft entsteht, nur dann, wenn der Mann seine Zustimmung
zu dem Rechtsgeschäft ertheilt oder wenn das Rechtsgeschäft ohne seine
Zustimmung ihm gegenüber wirksam ist.
Für die Kosten eines Rechtsstreits der Frau haftet
das eingebrachte Gut auch dann, wenn das Urtheil dem Manne gegenüber in
Ansehung des eingebrachten Gutes nicht wirksam ist.
§. 1413. Das eingebrachte Gut haftet nicht für eine
Verbindlichkeit der Frau, die in Folge des Erwerbes einer Erbschaft oder eines
Vermächtnisses entsteht, wenn die Frau die Erbschaft oder das Vermächtniß nach
der Eingehung der Ehe als Vorbehaltsgut erwirbt.
§. 1414. Das eingebrachte Gut haftet nicht für eine
Verbindlichkeit der Frau, die nach der Eingehung der Ehe in Folge eines zu dem
Vorbehaltsgute gehörenden Rechtes oder des Besitzes einer dazu gehörenden Sache
entsteht, es sei denn, daß das Recht oder die Sache zu einem Erwerbsgeschäfte
gehört, das die Frau mit Einwilligung des Mannes selbständig betreibt.
§. 1415. Im Verhältnisse der Ehegatten zu einander
fallen dem Vorbehaltsgute zur Last:
1. die Verbindlichkeiten
der Frau aus einer unerlaubten Handlung, die sie während der Ehe begeht, oder
aus einem Strafverfahren, das wegen einer solchen Handlung gegen sie gerichtet
wird;
2. die Verbindlichkeiten
der Frau aus einem sich auf das Vorbehaltsgut beziehenden Rechtsverhältniß,
auch wenn sie vor der Eingehung der Ehe oder vor der Zeit entstanden sind, zu
der das Gut Vorbehaltsgut geworden ist;
3. die Kosten eines
Rechtsstreits, den die Frau über eine der in Nr. 1, 2 bezeichneten
Verbindlichkeiten führt.
§. 1416. Im Verhältnisse der Ehegatten zu einander
fallen die Kosten eines Rechtsstreits zwischen ihnen dem Vorbehaltsgute zur
Last, soweit nicht der Mann sie zu tragen hat.
Das Gleiche gilt von den Kosten eines Rechtsstreits
zwischen der Frau und einem Dritten, es sei denn, daß das Urtheil dem Manne
gegenüber in Ansehung des eingebrachten Gutes wirksam ist. Betrifft jedoch der
Rechtsstreit eine persönliche Angelegenheit der Frau oder eine nicht unter die
Vorschriften des §. 1415 Nr. 1, 2 fallende Verbindlichkeit, für die das
eingebrachte Gut haftet, so findet diese Vorschrift keine Anwendung, wenn die
Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist.
§. 1417. Wird eine Verbindlichkeit, die nach den
§§. 1415, 1416 dem Vorbehaltsgute zur Last fällt, aus dem eingebrachten Gute
berichtigt, so hat die Frau aus dem Vorbehaltsgute, soweit dieses reicht, zu
dem eingebrachten Gute Ersatz zu leisten.
Wird eine Verbindlichkeit der Frau, die im
Verhältnisse der Ehegatten zu einander nicht dem Vorbehaltsgute zur Last fällt,
aus dem Vorbehaltsgute berichtigt, so hat der Mann aus dem eingebrachten Gute,
soweit dieses reicht, zu dem Vorbehaltsgut Ersatz zu leisten.
4. Beendigung der Verwaltung und Nutznießung.
§. 1418. Die Frau kann auf Aufhebung der Verwaltung
und Nutznießung klagen:
1. wenn die Voraussetzungen
vorliegen, unter denen die Frau nach §. 1391 Sicherheitsleistung verlangen
kann;
2. wenn der Mann seine
Verpflichtung, der Frau und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen Unterhalt zu
gewähren, verletzt hat und für die Zukunft eine erhebliche Gefährdung des
Unterhalts zu besorgen ist. Eine Verletzung der Unterhaltspflicht liegt schon
dann vor, wenn der Frau und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen nicht
mindestens der Unterhalt gewährt wird, welcher ihnen bei ordnungsmäßiger
Verwaltung und Nutznießung des eingebrachten Gutes zukommen würde;
3. wenn der Mann entmündigt
ist;
4. wenn der Mann nach §.
1910 zur Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten einen Pfleger erhalten hat;
5. wenn für den Mann ein
Abwesenheitspfleger bestellt und die baldige Aufhebung der Pflegschaft nicht zu
erwarten ist.
Die Aufhebung der Verwaltung und Nutznießung tritt
mit der Rechtskraft des Urtheils ein.
§. 1419. Die Verwaltung und Nutznießung endigt mit
der Rechtskraft des Beschlusses, durch den der Konkurs über das Vermögen des
Mannes eröffnet wird.
§. 1420. Die Verwaltung und Nutznießung endigt,
wenn der Mann für todt erklärt wird, mit dem Zeitpunkte, der als Zeitpunkt des
Todes gilt.
§. 1421. Nach der Beendigung der Verwaltung und
Nutznießung hat der Mann das eingebrachte Gut der Frau herauszugeben und ihr
über die Verwaltung Rechenschaft abzulegen. Auf die Herausgabe eines
landwirthschaftlichen Grundstücks findet die Vorschrift des §. 592, auf die
Herausgabe eines Landguts finden die Vorschriften der §§. 592, 593
entsprechende Anwendung.
§. 1422. Wird die Verwaltung und Nutznießung auf
Grund des §. 1418 durch Urtheil aufgehoben, so ist der Mann zur Herausgabe des
eingebrachten Gutes so verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe mit
der Erhebung der Klage auf Aufhebung der Verwaltung und Nutznießung
rechtshängig geworden wäre.
§. 1423. Hat der Mann ein zum eingebrachten Gute
gehörendes Grundstück vermiethet oder verpachtet, so finden, wenn das Mieth-
oder Pachtverhältniß bei der Beendigung der Verwaltung und Nutznießung noch
besteht, die Vorschriften des §. 1056 entsprechende Anwendung.
§. 1424. Der Mann ist auch nach der Beendigung der
Verwaltung und Nutznießung zur Fortführung der Verwaltung berechtigt, bis er
von der Beendigung Kenntniß erlangt oder sie kennen muß. Ein Dritter kann sich
auf diese Berechtigung nicht berufen, wenn er bei der Vornahme eines
Rechtsgeschäfts die Beendigung der Verwaltung und Nutznießung kennt oder kennen
muß.
Endigt die Verwaltung und Nutznießung in Folge des
Todes der Frau, so hat der Mann diejenigen zur Verwaltung gehörenden Geschäfte,
mit deren Aufschube Gefahr verbunden ist, zu besorgen, bis der Erbe anderweit
Fürsorge treffen kann.
§. 1425. Wird die Entmündigung oder Pflegschaft,
wegen deren die Aufhebung der Verwaltung und Nutznießung erfolgt ist,
wiederaufgehoben oder wird der die Entmündigung aussprechende Beschluß mit
Erfolg angefochten, so kann der Mann auf Wiederherstellung seiner Rechte
klagen. Das Gleiche gilt, wenn der für todt erklärte Mann noch lebt.
Die Wiederherstellung der Rechte des Mannes tritt
mit der Rechtskraft des Urtheils ein. Die Vorschrift des §. 1422 findet
entsprechende Anwendung.
Im Falle der Wiederherstellung wird Vorbehaltsgut,
was ohne die Aufhebung der Rechte des Mannes Vorbehaltsgut geblieben oder
geworden sein würde.
5. Gütertrennung.
§. 1426. Tritt nach §. 1364 die Verwaltung und
Nutznießung des Mannes nicht ein oder endigt sie auf Grund der §§. 1418 bis
1420, so tritt Gütertrennung ein.
Für die Gütertrennung gelten die Vorschriften der
§§. 1427 bis 1431.
§. 1427. Der Mann hat den ehelichen Aufwand zu
tragen.
Zur Bestreitung des ehelichen Aufwandes hat die
Frau dem Manne einen angemessenen Beitrag aus den Einkünften ihres Vermögens
und dem Ertrag ihrer Arbeit oder eines von ihr selbständig betriebenen
Erwerbsgeschäfts zu leisten. Für die Vergangenheit kann der Mann die Leistung
nur insoweit verlangen, als die Frau ungeachtet seiner Aufforderung mit der
Leistung im Rückstande geblieben ist.
Der Anspruch des Mannes ist nicht übertragbar.
§. 1428. Ist eine erhebliche Gefährdung des
Unterhalts zu besorgen, den der Mann der Frau und den gemeinschaftlichen
Abkömmlingen zu gewähren hat, so kann die Frau den Beitrag zu dem ehelichen
Aufwand insoweit zur eigenen Verwendung zurückbehalten, als er zur Bestreitung
des Unterhalts erforderlich ist.
Das Gleiche gilt, wenn der Mann entmündigt ist oder
wenn er nach §. 1910 zur Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten einen
Pfleger erhalten hat oder wenn für ihn ein Abwesenheitspfleger bestellt ist.
§. 1429. Macht die Frau zur Bestreitung des
ehelichen Aufwandes aus ihrem Vermögen eine Aufwendung oder überläßt sie dem
Manne zu diesem Zwecke etwas aus ihrem Vermögen, so ist im Zweifel anzunehmen,
daß die Absicht fehlt, Ersatz zu verlangen.
§. 1430. Ueberläßt die Frau ihr Vermögen ganz oder
theilweise der Verwaltung des Mannes, so kann der Mann die Einkünfte, die er
während seiner Verwaltung bezieht, nach freiem Ermessen verwenden, soweit nicht
ihre Verwendung zur Bestreitung der Kosten der ordnungsmäßigen Verwaltung und
zur Erfüllung solcher Verpflichtungen der Frau erforderlich ist, die bei
ordnungsmäßiger Verwaltung aus den Einkünften des Vermögens bestritten werden.
Die Frau kann eine abweichende Bestimmung treffen.
§. 1431. Die Gütertrennung ist Dritten gegenüber
nur nach Maßgabe des §. 1435 wirksam.
Das Gleiche gilt im Falle des §. 1425 von der
Wiederherstellung der Verwaltung und Nutznießung, wenn die Aufhebung in das
Güterrechtsregister eingetragen worden ist.
II. Vertragsmäßiges Güterrecht.
1. Allgemeine Vorschriften.
§. 1432. Die Ehegatten können ihre güterrechtlichen
Verhältnisse durch Vertrag (Ehevertrag) regeln, insbesondere auch nach der
Eingehung der Ehe den Güterstand aufheben oder ändern.
§. 1433. Der Güterstand kann nicht durch Verweisung
auf ein nicht mehr geltendes oder auf ein ausländisches Gesetz bestimmt werden.
Hat der Mann zur Zeit der Eingehung der Ehe oder,
falls der Vertrag nach der Eingehung der Ehe geschlossen wird, zur Zeit des
Vertragsabschlusses seinen Wohnsitz im Auslande, so ist die Verweisung auf ein
an diesem Wohnsitze geltendes Güterrecht zulässig.
§. 1434. Der Ehevertrag muß bei gleichzeitiger
Anwesenheit beider Theile vor Gericht oder vor einem Notar geschlossen werden.
§. 1435. Wird durch Ehevertrag die Verwaltung und
Nutznießung des Mannes ausgeschlossen oder geändert, so können einem Dritten
gegenüber aus der Ausschließung oder der Aenderung Einwendungen gegen ein
zwischen ihm und einem der Ehegatten vorgenommenes Rechtsgeschäft oder gegen
ein zwischen ihnen ergangenes rechtskräftiges Urtheil nur hergeleitet werden,
wenn zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts oder zur Zeit des Eintritts der
Rechtshängigkeit die Ausschließung oder die Aenderung in dem
Güterrechtsregister des zuständigen Amtsgerichts eingetragen oder dem Dritten
bekannt war.
Das Gleiche gilt, wenn eine in dem
Güterrechtsregister eingetragene Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse
durch Ehevertrag aufgehoben oder geändert wird.
§. 1436. Wird durch Ehevertrag die Verwaltung und
Nutznießung des Mannes ausgeschlossen oder die allgemeine Gütergemeinschaft,
die Errungenschaftsgemeinschaft oder die Fahrnißgemeinschaft aufgehoben, so
tritt Gütertrennung ein, sofern sich nicht aus dem Vertrag ein Anderes ergiebt.
2. Allgemeine Gütergemeinschaft.
§. 1437. Ein Ehevertrag, durch den die allgemeine
Gütergemeinschaft vereinbart oder aufgehoben wird, kann nicht durch einen
gesetzlichen Vertreter geschlossen werden.
Ist einer der Vertragschließenden in der
Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er der Zustimmung seines gesetzlichen
Vertreters. Ist der gesetzliche Vertreter ein Vormund, so ist die Genehmigung
des Vormundschaftsgerichts erforderlich.
§. 1438. Das Vermögen des Mannes und das Vermögen
der Frau werden durch die allgemeine Gütergemeinschaft gemeinschaftliches
Vermögen beider Ehegatten (Gesammtgut). Zu dem Gesammtgute gehört auch das
Vermögen, das der Mann oder die Frau während der Gütergemeinschaft erwirbt.
Die einzelnen Gegenstände werden gemeinschaftlich,
ohne daß es einer Uebertragung durch Rechtsgeschäft bedarf.
Wird ein Recht gemeinschaftlich, das im Grundbuch
eingetragen ist oder in das Grundbuch eingetragen werden kann, so kann jeder
Ehegatte von dem anderen die Mitwirkung zur Berichtigung des Grundbuchs
verlangen.
§. 1439. Von dem Gesammtgut ausgeschlossen sind
Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können. Auf
solche Gegenstände finden die bei der Errungenschaftsgemeinschaft für das
eingebrachte Gut geltenden Vorschriften, mit Ausnahme des §. 1524,
entsprechende Anwendung.
§. 1440. Von dem Gesammtgut ausgeschlossen ist das
Vorbehaltsgut.
Vorbehaltsgut ist, was durch Ehevertrag für
Vorbehaltsgut eines der Ehegatten erklärt ist oder von einem der Ehegatten nach
§. 1369 oder §. 1370 erworben wird.
§. 1441. Auf das Vorbehaltsgut der Frau finden die
bei der Gütertrennung für das Vermögen der Frau geltenden Vorschriften
entsprechende Anwendung; die Frau hat jedoch dem Manne zur Bestreitung des
ehelichen Aufwandes einen Beitrag nur insoweit zu leisten, als die in das Gesammtgut
fallenden Einkünfte zur Bestreitung des Aufwandes nicht ausreichen.
§. 1442. Ein Ehegatte kann nicht über seinen
Antheil an dem Gesammtgut und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen
verfügen; er ist nicht berechtigt, Theilung zu verlangen.
Gegen eine Forderung, die zu dem Gesammtgute
gehört, kann der Schuldner nur eine Forderung aufrechnen, deren Berichtigung
aus dem Gesammtgute verlangt werden kann.
§. 1443. Das Gesammtgut unterliegt der Verwaltung
des Mannes. Der Mann ist insbesondere berechtigt, die zu dem Gesammtgute
gehörenden Sachen in Besitz zu nehmen, über das Gesammtgut zu verfügen sowie
Rechtsstreitigkeiten, die sich auf das Gesammtgut beziehen, im eigenen Namen zu
führen.
Die Frau wird durch die Verwaltungshandlungen des
Mannes weder Dritten noch dem Manne gegenüber persönlich verpflichtet.
§. 1444. Der Mann bedarf der Einwilligung der Frau
zu einem Rechtsgeschäfte, durch das er sich zu einer Verfügung über das
Gesammtgut im Ganzen verpflichtet, sowie zu einer Verfügung über Gesammtgut,
durch die eine ohne Zustimmung der Frau eingegangene Verpflichtung dieser Art
erfüllt werden soll.
§. 1445. Der Mann bedarf der Einwilligung der Frau
zur Verfügung über ein zu dem Gesammtgute gehörendes Grundstück sowie zur
Eingehung der Verpflichtung zu einer solchen Verfügung.
§. 1446. Der Mann bedarf der Einwilligung der Frau
zu einer Schenkung aus dem Gesammtgute sowie zu einer Verfügung über
Gesammtgut, durch welche das ohne Zustimmung der Frau ertheilte Versprechen
einer solchen Schenkung erfüllt werden soll. Das Gleiche gilt von einem
Schenkungsversprechen, das sich nicht auf das Gesammtgut bezieht.
Ausgenommen sind Schenkungen, durch die einer
sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht
entsprochen wird.
§. 1447. Ist zur ordnungsmäßigen Verwaltung des
Gesammtguts ein Rechtsgeschäft der in den §§. 1444, 1445 bezeichneten Art
erforderlich, so kann die Zustimmung der Frau auf Antrag des Mannes durch das
Vormundschaftsgericht ersetzt werden, wenn die Frau sie ohne ausreichenden Grund
verweigert.
Das Gleiche gilt, wenn die Frau durch Krankheit
oder durch Abwesenheit an der Abgabe einer Erklärung verhindert und mit dem
Aufschube Gefahr verbunden ist.
§. 1448. Nimmt der Mann ohne Einwilligung der Frau
ein Rechtsgeschäft der in den §§. 1444 bis 1446 bezeichneten Art vor, so finden
die für eine Verfügung der Frau über eingebrachtes Gut geltenden Vorschriften
des §. 1396 Abs. 1, 3 und der §§. 1397, 1398 entsprechende Anwendung.
Fordert bei einem Vertrage der andere Theil den
Mann auf, die Genehmigung der Frau zu beschaffen, so kann die Erklärung über
die Genehmigung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der Aufforderung dem Manne
gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird
unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablaufe von zwei Wochen nach dem
Empfange der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie
als verweigert.
Wird die Genehmigung der Frau durch das
Vormundschaftsgericht ersetzt, so ist im Falle einer Aufforderung nach Abs. 2
der Beschluß nur wirksam, wenn der Mann ihn dem anderen Theile mittheilt; die
Vorschriften des Abs. 2 Satz 2 finden entsprechende Anwendung.
§. 1449. Verfügt der Mann ohne die erforderliche
Zustimmung der Frau über ein zu dem Gesammtgute gehörendes Recht, so kann die
Frau das Recht ohne Mitwirkung des Mannes gegen Dritte gerichtlich geltend
machen.
§. 1450. Ist der Mann durch Krankheit oder durch
Abwesenheit verhindert, ein sich auf das Gesammtgut beziehendes Rechtsgeschäft
vorzunehmen oder einen sich auf das Gesammtgut beziehenden Rechtsstreit zu
führen, so kann die Frau im eigenen Namen oder im Namen des Mannes das
Rechtsgeschäft vornehmen oder den Rechtsstreit führen, wenn mit dem Aufschube
Gefahr verbunden ist.
§. 1451. Ist zur ordnungsmäßigen Besorgung der persönlichen
Angelegenheiten der Frau ein Rechtsgeschäft erforderlich, das die Frau mit
Wirkung für das Gesammtgut nicht ohne Zustimmung des Mannes vornehmen kann, so
kann die Zustimmung auf Antrag der Frau durch das Vormundschaftsgericht ersetzt
werden, wenn der Mann sie ohne ausreichenden Grund verweigert.
§. 1452. Auf den selbständigen Betrieb eines
Erwerbsgeschäfts durch die Frau finden die Vorschriften des §. 1405
entsprechende Anwendung.
§. 1453. Zur Annahme oder Ausschlagung einer der
Frau angefallenen Erbschaft oder eines ihr angefallenen Vermächtnisses ist nur
die Frau berechtigt; die Zustimmung des Mannes ist nicht erforderlich. Das
Gleiche gilt von dem Verzicht auf den Pflichttheil sowie von der Ablehnung
eines der Frau gemachten Vertragsantrags oder einer Schenkung.
Zur Errichtung des Inventars über eine der Frau
angefallene Erbschaft bedarf die Frau nicht der Zustimmung des Mannes.
§. 1454. Zur Fortsetzung eines bei dem Eintritte
der Gütergemeinschaft anhängigen Rechtsstreits bedarf die Frau nicht der
Zustimmung des Mannes.
§. 1455. Wird durch ein Rechtsgeschäft, das der
Mann oder die Frau ohne die erforderliche Zustimmung des anderen Ehegatten
vornimmt, das Gesammtgut bereichert, so kann die Herausgabe der Bereicherung
aus dem Gesammtgute nach den Vorschriften über die Herausgabe einer
ungerechtfertigten Bereicherung gefordert werden.
§. 1456. Der Mann ist der Frau für die Verwaltung
des Gesammtguts nicht verantwortlich. Er hat jedoch für eine Verminderung des
Gesammtguts zu diesem Ersatz zu leisten, wenn er die Verminderung in der
Absicht, die Frau zu benachtheiligen, oder durch ein Rechtsgeschäft
herbeiführt, das er ohne die erforderliche Zustimmung der Frau vornimmt.
§. 1457. Steht der Mann unter Vormundschaft, so hat
ihn der Vormund in den Rechten und Pflichten zu vertreten, die sich aus der
Verwaltung des Gesammtguts ergeben. Dies gilt auch dann, wenn die Frau Vormund
des Mannes ist.
§. 1458. Der eheliche Aufwand fällt dem Gesammtgute
zur Last.
§. 1459. Aus dem Gesammtgute können die Gläubiger
des Mannes und, soweit sich nicht aus den §§. 1460 bis 1462 ein Anderes
ergiebt, auch die Gläubiger der Frau Befriedigung verlangen
(Gesammtgutsverbindlichkeiten).
Für Verbindlichkeiten der Frau, die
Gesammtgutsverbindlichkeiten sind, haftet der Mann auch persönlich als
Gesammtschuldner. Die Haftung erlischt mit der Beendigung der
Gütergemeinschaft, wenn die Verbindlichkeiten im Verhältnisse der Ehegatten zu
einander nicht dem Gesammtgute zur Last fallen.
§. 1460. Das Gesammtgut haftet für eine
Verbindlichkeit der Frau, die aus einem nach dem Eintritte der
Gütergemeinschaft vorgenommenen Rechtsgeschäft entsteht, nur dann, wenn der
Mann seine Zustimmung zu dem Rechtsgeschäft ertheilt oder wenn das
Rechtsgeschäft ohne seine Zustimmung für das Gesammtgut wirksam ist.
Für die Kosten eines Rechtsstreits der Frau haftet
das Gesammtgut auch dann, wenn das Urtheil dem Gesammtgute gegenüber nicht
wirksam ist.
§. 1461. Das Gesammtgut haftet nicht für
Verbindlichkeiten der Frau, die in Folge des Erwerbes einer Erbschaft oder
eines Vermächtnisses entstehen, wenn die Frau die Erbschaft oder das
Vermächtniß nach dem Eintritte der Gütergemeinschaft als Vorbehaltsgut erwirbt.
§. 1462. Das Gesammtgut haftet nicht für eine
Verbindlichkeit der Frau, die nach dem Eintritte der Gütergemeinschaft in Folge
eines zu dem Vorbehaltsgute gehörenden Rechtes oder des Besitzes einer dazu
gehörenden Sache entsteht, es sei denn, daß das Recht oder die Sache zu einem
Erwerbsgeschäfte gehört, das die Frau mit Einwilligung des Mannes selbständig betreibt.
§. 1463. Im Verhältnisse der Ehegatten zu einander
fallen folgende Gesammtgutsverbindlichkeiten dem Ehegatten zur Last, in dessen
Person sie entstehen:
1. die Verbindlichkeiten
aus einer unerlaubten Handlung, die er nach dem Eintritte der Gütergemeinschaft
begeht, oder aus einem Strafverfahren, das wegen einer solchen Handlung gegen
ihn gerichtet wird;
2. die Verbindlichkeiten
aus einem sich auf sein Vorbehaltsgut beziehenden Rechtsverhältniß, auch wenn
sie vor dem Eintritte der Gütergemeinschaft oder vor der Zeit entstanden sind,
zu der das Gut Vorbehaltsgut geworden ist;
3. die Kosten eines
Rechtsstreits über eine der in Nr. 1, 2 bezeichneten Verbindlichkeiten.
§. 1464. Im Verhältnisse der Ehegatten zu einander
fallen die Kosten eines Rechtsstreits zwischen ihnen der Frau zur Last, soweit
nicht der Mann sie zu tragen hat.
Das Gleiche gilt von den Kosten eines Rechtsstreits
zwischen der Frau und einem Dritten, es sei denn, daß das Urtheil dem
Gesammtgute gegenüber wirksam ist. Betrifft jedoch der Rechtsstreit eine
persönliche Angelegenheit der Frau oder eine nicht unter die Vorschriften des
§. 1463 Nr. 1, 2 fallende Gesammtgutsverbindlichkeit der Frau, so findet diese
Vorschrift keine Anwendung, wenn die Aufwendung der Kosten den Umständen nach
geboten ist.
§. 1465. Im Verhältnisse der Ehegatten zu einander
fällt eine Ausstattung, die der Mann einem gemeinschaftlichen Kinde aus dem
Gesammtgute verspricht oder gewährt, dem Manne insoweit zur Last, als sie das
dem Gesammtgut entsprechende Maß übersteigt.
Verspricht oder gewährt der Mann einem nicht
gemeinschaftlichen Kinde eine Ausstattung aus dem Gesammtgute, so fällt sie im
Verhältnisse der Ehegatten zu einander dem Vater oder der Mutter des Kindes zur
Last, der Mutter jedoch nur insoweit, als sie zustimmt oder die Ausstattung
nicht das dem Gesammtgut entsprechende Maß übersteigt.
§. 1466. Verwendet der Mann Gesammtgut in sein
Vorbehaltsgut, so hat er den Werth des Verwendeten zu dem Gesammtgute zu
ersetzen.
Verwendet der Mann Vorbehaltsgut in das Gesammtgut,
so kann er Ersatz aus dem Gesammtgute verlangen.
§. 1467. Was ein Ehegatte zu dem Gesammtgut oder
die Frau zu dem Vorbehaltsgute des Mannes schuldet, ist erst nach der
Beendigung der Gütergemeinschaft zu leisten; soweit jedoch zur Berichtigung
einer Schuld der Frau deren Vorbehaltsgut ausreicht, hat sie die Schuld schon
vorher zu berichtigen.
Was der Mann aus dem Gesammtgute zu fordern hat,
kann er erst nach der Beendigung der Gütergemeinschaft fordern.
§. 1468. Die Frau kann auf Aufhebung der Gütergemeinschaft
klagen:
1. wenn der Mann ein
Rechtsgeschäft der in den §§. 1444 bis 1446 bezeichneten Art ohne Zustimmung
der Frau vorgenommen hat und für die Zukunft eine erhebliche Gefährdung der
Frau zu besorgen ist;
2. wenn der Mann das
Gesammtgut in der Absicht, die Frau zu benachtheiligen, vermindert hat;
3. wenn der Mann seine
Verpflichtung, der Frau und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen Unterhalt zu
gewähren, verletzt hat und für die Zukunft eine erhebliche Gefährdung des
Unterhalts zu besorgen ist;
4. wenn der Mann wegen
Verschwendung entmündigt ist oder wenn er das Gesammtgut durch Verschwendung
erheblich gefährdet;
5. wenn das Gesammtgut in
Folge von Verbindlichkeiten, die in der Person des Mannes entstanden sind, in
solchem Maße überschuldet ist, daß ein späterer Erwerb der Frau erheblich
gefährdet wird.
§. 1469. Der Mann kann auf Aufhebung der
Gütergemeinschaft klagen, wenn das Gesammtgut in Folge von Verbindlichkeiten
der Frau, die im Verhältnisse der Ehegatten zu einander nicht dem Gesammtgute
zur Last fallen, in solchem Maße überschuldet ist, daß ein späterer Erwerb des
Mannes erheblich gefährdet wird.
§. 1470. Die Aufhebung der Gütergemeinschaft tritt
in den Fällen der §§. 1468, 1469 mit der Rechtskraft des Urtheils ein. Für die
Zukunft gilt Gütertrennung.
Dritten gegenüber ist die Aufhebung der
Gütergemeinschaft nur nach Maßgabe des §. 1435 wirksam.
§. 1471. Nach der Beendigung der Gütergemeinschaft
findet in Ansehung des Gesammtguts die Auseinandersetzung statt.
Bis zur Auseinandersetzung gelten für das
Gesammtgut die Vorschriften des §. 1442.
§. 1472. Die Verwaltung des Gesammtguts steht bis
zur Auseinandersetzung beiden Ehegatten gemeinschaftlich zu. Die Vorschriften
des §. 1424 finden entsprechende Anwendung.
Jeder Ehegatte ist dem anderen gegenüber
verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung
erforderlich sind; die zur Erhaltung nothwendigen Maßregeln kann jeder Ehegatte
ohne Mitwirkung des anderen treffen.
§. 1473. Was auf Grund eines zu dem Gesammtgute
gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder
Entziehung eines zu dem Gesammtgute gehörenden Gegenstandes oder durch ein
Rechtsgeschäft erworben wird, das sich auf das Gesammtgut bezieht, wird
Gesammtgut.
Die Zugehörigkeit einer durch Rechtsgeschäft
erworbenen Forderung zum Gesammtgute hat der Schuldner erst dann gegen sich
gelten zu lassen, wenn er von der Zugehörigkeit Kenntniß erlangt; die
Vorschriften der §§. 406 bis 408 finden entsprechende Anwendung.
§. 1474. Die Auseinandersetzung erfolgt, soweit
nicht eine andere Vereinbarung getroffen wird, nach den §§. 1475 bis 1481.
§. 1475. Aus dem Gesammtgute sind zunächst die
Gesammtgutsverbindlichkeiten zu berichtigen. Ist eine
Gesammtgutsverbindlichkeit noch nicht fällig oder ist sie streitig, so ist das
zur Berichtigung Erforderliche zurückzubehalten.
Fällt eine Gesammtgutsverbindlichkeit im
Verhältnisse der Ehegatten zu einander einem der Ehegatten allein zur Last, so
kann dieser die Berichtigung aus dem Gesammtgute nicht verlangen.
Zur Berichtigung der Gesammtgutsverbindlichkeiten
ist das Gesammtgut, soweit erforderlich, in Geld umzusetzen.
§. 1476. Der nach der Berichtigung der
Gesammtgutsverbindlichkeiten verbleibende Ueberschuß gebührt den Ehegatten zu
gleichen Theilen.
Was einer der Ehegatten zu dem Gesammtgute zu
ersetzen verpflichtet ist, muß er sich auf seinen Theil anrechnen lassen.
Soweit die Ersatzleistung nicht durch Anrechnung erfolgt, bleibt er dem anderen
Ehegatten verpflichtet.
§. 1477. Die Theilung des Ueberschusses erfolgt nach
den Vorschriften über die Gemeinschaft.
Jeder Ehegatte kann gegen Ersatz des Werthes die
ausschließlich zu seinem persönlichen Gebrauche bestimmten Sachen, insbesondere
Kleider, Schmucksachen und Arbeitsgeräthe, sowie diejenigen Gegenstände
übernehmen, welche er in die Gütergemeinschaft eingebracht oder während der
Gütergemeinschaft durch Erbfolge, durch Vermächtniß oder mit Rücksicht auf ein
künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erworben hat.
§. 1478. Sind die Ehegatten geschieden und ist
einer von ihnen allein für schuldig erklärt, so kann der andere verlangen, daß
jedem von ihnen der Werth desjenigen zurückerstattet wird, was er in die
Gütergemeinschaft eingebracht hat; reicht der Werth des Gesammtguts zur
Rückerstattung nicht aus, so hat jeder Ehegatte die Hälfte des Fehlbetrags zu
tragen.
Als eingebracht ist anzusehen, was eingebrachtes
Gut gewesen sein würde, wenn Errungenschaftsgemeinschaft bestanden hätte. Der
Werth des Eingebrachten bestimmt sich nach der Zeit der Einbringung.
Das im Abs. 1 bestimmte Recht steht auch dem
Ehegatten zu, dessen Ehe wegen seiner Geisteskrankheit geschieden worden ist.
§. 1479. Wird die Gütergemeinschaft auf Grund des
§. 1468 oder des §. 1469 durch Urtheil aufgehoben, so kann der Ehegatte,
welcher das Urtheil erwirkt hat, verlangen, daß die Auseinandersetzung so
erfolgt, wie wenn der Anspruch auf Auseinandersetzung mit der Erhebung der
Klage auf Aufhebung der Gütergemeinschaft rechtshängig geworden wäre.
§. 1480. Wird eine Gesammtgutsverbindlichkeit nicht
vor der Theilung des Gesammtguts berichtigt, so haftet dem Gläubiger auch der
Ehegatte persönlich als Gesammtschuldner, für den zur Zeit der Theilung eine
solche Haftung nicht besteht. Seine Haftung beschränkt sich auf die ihm
zugetheilten Gegenstände; die für die Haftung des Erben geltenden Vorschriften
der §§. 1990, 1991 finden entsprechende Anwendung.
§. 1481. Unterbleibt bei der Auseinandersetzung die
Berichtigung einer Gesammtgutsverbindlichkeit, die im Verhältnisse der
Ehegatten zu einander dem Gesammtgut oder dem Manne zur Last fällt, so hat der
Mann dafür einzustehen, daß die Frau von dem Gläubiger nicht in Anspruch
genommen wird. Die gleiche Verpflichtung hat die Frau dem Manne gegenüber, wenn
die Berichtigung einer Gesammtgutsverbindlichkeit unterbleibt, die im
Verhältnisse der Ehegatten zu einander der Frau zur Last fällt.
§. 1482. Wird die Ehe durch den Tod eines der
Ehegatten aufgelöst und ist ein gemeinschaftlicher Abkömmling nicht vorhanden,
so gehört der Antheil des verstorbenen Ehegatten am Gesammtgute zum Nachlasse.
Die Beerbung des Ehegatten erfolgt nach den allgemeinen Vorschriften.
§. 1483. Sind bei dem Tode eines Ehegatten
gemeinschaftliche Abkömmlinge vorhanden, so wird zwischen dem überlebenden
Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen, die im Falle der
gesetzlichen Erbfolge als Erben berufen sind, die Gütergemeinschaft
fortgesetzt. Der Antheil des verstorbenen Ehegatten am Gesammtgute gehört in
diesem Falle nicht zum Nachlasse; im Uebrigen erfolgt die Beerbung des Ehegatten
nach den allgemeinen Vorschriften.
Sind neben den gemeinschaftlichen Abkömmlingen
andere Abkömmlinge vorhanden, so bestimmen sich ihr Erbrecht und ihre Erbtheile
so, wie wenn fortgesetzte Gütergemeinschaft nicht eingetreten wäre.
§. 1484. Der überlebende Ehegatte kann die
Fortsetzung der Gütergemeinschaft ablehnen.
Auf die Ablehnung finden die für die Ausschlagung
einer Erbschaft geltenden Vorschriften der §§. 1943 bis 1947, 1950, 1952, 1954
bis 1957, 1959 entsprechende Anwendung. Steht der überlebende Ehegatte unter
elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft, so ist zur Ablehnung die
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich.
Lehnt der Ehegatte die Fortsetzung der
Gütergemeinschaft ab, so gilt das Gleiche wie im Falle des §. 1482.
§. 1485. Das Gesammtgut der fortgesetzten
Gütergemeinschaft besteht aus dem ehelichen Gesammtgute, soweit es nicht nach
§. 1483 Abs. 2 einem nicht antheilsberechtigten Abkömmlinge zufällt, und aus
dem Vermögen, das der überlebende Ehegatte aus dem Nachlasse des verstorbenen
Ehegatten oder nach dem Eintritte der fortgesetzten Gütergemeinschaft erwirbt.
Das Vermögen, das ein gemeinschaftlicher Abkömmling
zur Zeit des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft hat oder später
erwirbt, gehört nicht zu dem Gesammtgute.
Auf das Gesammtgut finden die für die eheliche
Gütergemeinschaft geltenden Vorschriften des §. 1438 Abs. 2, 3 entsprechende
Anwendung.
§. 1486. Vorbehaltsgut des überlebenden Ehegatten
ist, was er bisher als Vorbehaltsgut gehabt hat oder nach §. 1369 oder §. 1370
erwirbt.
Gehören zu dem Vermögen des überlebenden Ehegatten
Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können, so finden
auf sie die bei der Errungenschaftsgemeinschaft für das eingebrachte Gut des
Mannes geltenden Vorschriften, mit Ausnahme des §. 1524, entsprechende
Anwendung.
§. 1487. Die Rechte und Verbindlichkeiten des
überlebenden Ehegatten sowie der antheilsberechtigten Abkömmlinge in Ansehung
des Gesammtguts der fortgesetzten Gütergemeinschaft bestimmen sich nach den für
die eheliche Gütergemeinschaft geltenden Vorschriften der §§. 1442 bis 1449,
1455 bis 1457, 1466; der überlebende Ehegatte hat die rechtliche Stellung des
Mannes, die antheilsberechtigten Abkömmlinge haben die rechtliche Stellung der
Frau.
Was der überlebende Ehegatte zu dem Gesammtgute
schuldet oder aus dem Gesammtgute zu fordern hat, ist erst nach der Beendigung
der fortgesetzten Gütergemeinschaft zu leisten.
§. 1488. Gesammtgutsverbindlichkeiten der
fortgesetzten Gütergemeinschaft sind die Verbindlichkeiten des überlebenden
Ehegatten sowie solche Verbindlichkeiten des verstorbenen Ehegatten, die
Gesammtgutsverbindlichkeiten der ehelichen Gütergemeinschaft waren.
§. 1489. Für die Gesammtgutsverbindlichkeiten der
fortgesetzten Gütergemeinschaft haftet der überlebende Ehegatte persönlich.
Soweit die persönliche Haftung den überlebenden
Ehegatten nur in Folge des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft
trifft, finden die für die Haftung des Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten
geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung; an die Stelle des Nachlasses
tritt das Gesammtgut in dem Bestande, den es zur Zeit des Eintritts der
fortgesetzten Gütergemeinschaft hat.
Eine persönliche Haftung der antheilsberechtigten
Abkömmlinge für die Verbindlichkeiten des verstorbenen oder des überlebenden
Ehegatten wird durch die fortgesetzte Gütergemeinschaft nicht begründet.
§. 1490. Stirbt ein antheilsberechtigter
Abkömmling, so gehört sein Antheil an dem Gesammtgute nicht zu seinem
Nachlasse. Hinterläßt er Abkömmlinge, die antheilsberechtigt sein würden, wenn
er den verstorbenen Ehegatten nicht überlebt hätte, so treten die Abkömmlinge
an seine Stelle. Hinterläßt er solche Abkömmlinge nicht, so wächst sein Antheil
den übrigen antheilsberechtigten Abkömmlingen und, wenn solche nicht vorhanden
sind, dem überlebenden Ehegatten an.
§. 1491. Ein antheilsberechtigter Abkömmling kann
auf seinen Antheil an dem Gesammtgute verzichten. Der Verzicht erfolgt durch
Erklärung gegenüber dem für den Nachlaß des verstorbenen Ehegatten zuständigen
Gerichte; die Erklärung ist in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Das
Nachlaßgericht soll die Erklärung dem überlebenden Ehegatten und den übrigen
antheilsberechtigten Abkömmlingen mittheilen.
Der Verzicht kann auch durch Vertrag mit dem
überlebenden Ehegatten und den übrigen antheilsberechtigten Abkömmlingen
erfolgen. Der Vertrag bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung.
Steht der Abkömmling unter elterlicher Gewalt oder
unter Vormundschaft, so ist zu dem Verzichte die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts
erforderlich.
Der Verzicht hat die gleichen Wirkungen, wie wenn
der Verzichtende zur Zeit des Verzichts ohne Hinterlassung von Abkömmlingen
gestorben wäre.
§. 1492. Der überlebende Ehegatte kann die
fortgesetzte Gütergemeinschaft jederzeit aufheben. Die Aufhebung erfolgt durch
Erklärung gegenüber dem für den Nachlaß des verstorbenen Ehegatten zuständigen
Gerichte; die Erklärung ist in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Das
Nachlaßgericht soll die Erklärung den antheilsberechtigten Abkömmlingen und,
wenn der überlebende Ehegatte gesetzlicher Vertreter eines der Abkömmlinge ist,
dem Vormundschaftsgerichte mittheilen.
Die Aufhebung kann auch durch Vertrag zwischen dem
überlebenden Ehegatten und den antheilsberechtigten Abkömmlingen erfolgen. Der
Vertrag bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung.
Steht der überlebende Ehegatte unter elterlicher
Gewalt oder unter Vormundschaft, so ist zu der Aufhebung die Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts erforderlich.
§. 1493. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft endigt
mit der Wiederverheirathung des überlebenden Ehegatten.
Der überlebende Ehegatte hat, wenn ein
antheilsberechtigter Abkömmling minderjährig ist oder bevormundet wird, die
Absicht der Wiederverheirathung dem Vormundschaftsgericht anzuzeigen, ein
Verzeichniß des Gesammtguts einzureichen, die Gütergemeinschaft aufzuheben und
die Auseinandersetzung herbeizuführen. Das Vormundschaftsgericht kann
gestatten, daß die Aufhebung der Gütergemeinschaft bis zur Eheschließung
unterbleibt und daß die Auseinandersetzung erst später erfolgt.
§. 1494. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft endigt
mit dem Tode des überlebenden Ehegatten.
Wird der überlebende Ehegatte für todt erklärt, so
endigt die fortgesetzte Gütergemeinschaft mit dem Zeitpunkte, der als Zeitpunkt
des Todes gilt.
§. 1495. Ein antheilsberechtigter Abkömmling kann
gegen den überlebenden Ehegatten auf Aufhebung der fortgesetzten
Gütergemeinschaft klagen:
1. wenn der überlebende
Ehegatte ein Rechtsgeschäft der in den §§. 1444 bis 1446 bezeichneten Art ohne
Zustimmung des Abkömmlings vorgenommen hat und für die Zukunft eine erhebliche
Gefährdung des Abkömmlinges zu besorgen ist;
2. wenn der überlebende
Ehegatte das Gesammtgut in der Absicht, den Abkömmling zu benachtheiligen,
vermindert hat;
3. wenn der überlebende
Ehegatte seine Verpflichtung, dem Abkömmling Unterhalt zu gewähren, verletzt
hat und für die Zukunft eine erhebliche Gefährdung des Unterhalts zu besorgen
ist;
4. wenn der überlebende
Ehegatte wegen Verschwendung entmündigt ist oder wenn er das Gesammtgut durch
Verschwendung erheblich gefährdet;
5. wenn der überlebende
Ehegatte die elterliche Gewalt über den Abkömmling verwirkt hat oder, falls sie
ihm zugestanden hätte, verwirkt haben würde.
§. 1496. Die Aufhebung der fortgesetzten
Gütergemeinschaft tritt in den Fällen des §. 1495 mit der Rechtskraft des
Urtheils ein. Sie tritt für alle Abkömmlinge ein, auch wenn das Urtheil auf die
Klage eines der Abkömmlinge ergangen ist.
§. 1497. Nach der Beendigung der fortgesetzten
Gütergemeinschaft findet in Ansehung des Gesammtguts die Auseinandersetzung
statt.
Bis zur Auseinandersetzung bestimmt sich das
Rechtsverhältniß der Theilhaber am Gesammtgute nach den §§. 1442, 1472, 1473.
§. 1498. Auf die Auseinandersetzung finden die
Vorschriften der §§. 1475, 1476, des §. 1477 Abs. 1 und der §§. 1479 bis 1481
Anwendung; an die Stelle des Mannes tritt der überlebende Ehegatte, an die
Stelle der Frau treten die antheilsberechtigten Abkömmlinge. Die im §. 1476
Abs. 2 Satz 2 bezeichnete Verpflichtung besteht nur für den überlebenden
Ehegatten.
§. 1499. Bei der Auseinandersetzung fallen dem
überlebenden Ehegatten zur Last:
1. die ihm bei dem
Eintritte der fortgesetzten Gütergemeinschaft obliegenden
Gesammtgutsverbindlichkeiten, für die das eheliche Gesammtgut nicht haftete
oder die im Verhältnisse der Ehegatten zu einander ihm zur Last fielen;
2. die nach dem Eintritte
der fortgesetzten Gütergemeinschaft entstandenen Gesammtgutsverbindlichkeiten,
die, wenn sie während der ehelichen Gütergemeinschaft in seiner Person
entstanden wären, im Verhältnisse der Ehegatten zu einander ihm zur Last
gefallen sein würden;
3. eine Ausstattung, die er
einem antheilsberechtigten Abkömmling über das dem Gesammtgut entsprechende Maß
hinaus oder die er einem nicht antheilsberechtigten Abkömmlinge versprochen
oder gewährt hat.
§. 1500. Die antheilsberechtigten Abkömmlinge
müssen sich Verbindlichkeiten des verstorbenen Ehegatten, die diesem im
Verhältnisse der Ehegatten zu einander zur Last fielen, bei der
Auseinandersetzung auf ihren Antheil insoweit anrechnen lassen, als der
überlebende Ehegatte nicht von dem Erben des verstorbenen Ehegatten Deckung hat
erlangen können.
In gleicher Weise haben sich die
antheilsberechtigten Abkömmlinge anrechnen zu lassen, was der verstorbene
Ehegatte zu dem Gesammtgute zu ersetzen hatte.
§. 1501. Ist einem antheilsberechtigten Abkömmlinge
für den Verzicht auf seinen Antheil eine Abfindung aus dem Gesammtgute gewährt
worden, so wird sie bei der Auseinandersetzung in das Gesammtgut eingerechnet
und auf die den Abkömmlingen gebührende Hälfte angerechnet.
Der überlebende Ehegatte kann mit den übrigen
antheilsberechtigten Abkömmlingen schon vor der Aufhebung der fortgesetzten
Gütergemeinschaft eine abweichende Vereinbarung treffen. Die Vereinbarung
bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung; sie ist auch denjenigen
Abkömmlingen gegenüber wirksam, welche erst später in die fortgesetzte
Gütergemeinschaft eintreten.
§. 1502. Der überlebende Ehegatte ist berechtigt,
das Gesammtgut oder einzelne dazu gehörende Gegenstände gegen Ersatz des
Werthes zu übernehmen. Das Recht geht nicht auf den Erben über.
Wird die fortgesetzte Gütergemeinschaft auf Grund
des §. 1495 durch Urtheil aufgehoben, so steht dem überlebenden Ehegatten das
im Abs. 1 bestimmte Recht nicht zu. Die antheilsberechtigten Abkömmlinge können
in diesem Falle diejenigen Gegenstände gegen Ersatz des Werthes übernehmen,
welche der verstorbene Ehegatte nach §. 1477 Abs. 2 zu übernehmen berechtigt
sein würde. Das Recht kann von ihnen nur gemeinschaftlich ausgeübt werden.
§. 1503. Mehrere antheilsberechtigte Abkömmlinge
theilen die ihnen zufallende Hälfte des Gesammtguts nach dem Verhältnisse der
Antheile, zu denen sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge als Erben des
verstorbenen Ehegatten berufen sein würden, wenn dieser erst zur Zeit der
Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft gestorben wäre.
Das Vorempfangene kommt nach den für die
Ausgleichung unter Abkömmlingen geltenden Vorschriften zur Ausgleichung, soweit
nicht eine solche bereits bei der Theilung des Nachlasses des verstorbenen
Ehegatten erfolgt ist.
Ist einem Abkömmlinge, der auf seinen Antheil
verzichtet hat, eine Abfindung aus dem Gesammtgute gewährt worden, so fällt sie
den Abkömmlingen zur Last, denen der Verzicht zu Statten kommt.
§. 1504. Soweit die antheilsberechtigten
Abkömmlinge nach §. 1480 den Gesammtgutsgläubigern haften, sind sie im
Verhältnisse zu einander nach der Größe ihres Antheils an dem Gesammtgute
verpflichtet. Die Verpflichtung beschränkt sich auf die ihnen zugetheilten
Gegenstände; die für die Haftung des Erben geltenden Vorschriften der §§. 1990,
1991 finden entsprechende Anwendung.
§. 1505. Die Vorschriften über das Recht auf
Ergänzung des Pflichttheils finden zu Gunsten eines antheilsberechtigten Abkömmlinges
entsprechende Anwendung; an die Stelle des Erbfalls tritt die Beendigung der
fortgesetzten Gütergemeinschaft, als gesetzlicher Erbtheil gilt der dem
Abkömmlinge zur Zeit der Beendigung gebührende Antheil an dem Gesammtgut, als
Pflichttheil gilt die Hälfte des Werthes dieses Antheils.
§. 1506. Ist ein gemeinschaftlicher Abkömmling
erbunwürdig, so ist er auch des Antheils an dem Gesammtgut unwürdig. Die
Vorschriften über die Erbunwürdigkeit finden entsprechende Anwendung.
§. 1507. Das Nachlaßgericht hat dem überlebenden
Ehegatten auf Antrag ein Zeugniß über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft zu
ertheilen. Die Vorschriften über den Erbschein finden entsprechende Anwendung.
§. 1508. Die Ehegatten können die Fortsetzung der
Gütergemeinschaft durch Ehevertrag ausschließen.
Auf einen Ehevertrag, durch welchen die Fortsetzung
der Gütergemeinschaft ausgeschlossen oder die Ausschließung aufgehoben wird,
finden die Vorschriften des §. 1437 Anwendung.
§. 1509. Jeder Ehegatte kann für den Fall, daß die
Ehe durch seinen Tod aufgelöst wird, die Fortsetzung der Gütergemeinschaft
durch letztwillige Verfügung ausschließen, wenn er berechtigt ist, dem anderen
Ehegatten den Pflichttheil zu entziehen oder auf Aufhebung der
Gütergemeinschaft zu klagen. Auf die Ausschließung finden die Vorschriften über
die Entziehung des Pflichttheils entsprechende Anwendung.
§. 1510. Wird die Fortsetzung der Gütergemeinschaft
ausgeschlossen, so gilt das Gleiche wie im Falle des §. 1482.
§. 1511. Jeder Ehegatte kann für den Fall, daß die
Ehe durch seinen Tod aufgelöst wird, einen gemeinschaftlichen Abkömmling von
der fortgesetzten Gütergemeinschaft durch letztwillige Verfügung ausschließen.
Der ausgeschlossene Abkömmling kann, unbeschadet
seines Erbrechts, aus dem Gesammtgute der fortgesetzten Gütergemeinschaft die
Zahlung des Betrags verlangen, der ihm von dem Gesammtgute der ehelichen
Gütergemeinschaft als Pflichttheil gebühren würde, wenn die fortgesetzte
Gütergemeinschaft nicht eingetreten wäre. Die für den Pflichttheilsanspruch geltenden
Vorschriften finden entsprechende Anwendung.
Der dem ausgeschlossenen Abkömmlinge gezahlte
Betrag wird bei der Auseinandersetzung den antheilsberechtigten Abkömmlingen
nach Maßgabe des §. 1500 angerechnet. Im Verhältnisse der Abkömmlinge zu
einander fällt er den Abkömmlingen zur Last, denen die Ausschließung zu Statten
kommt.
§. 1512. Jeder Ehegatte kann für den Fall, daß mit
seinem Tode die fortgesetzte Gütergemeinschaft eintritt, den einem
antheilsberechtigten Abkömmlinge nach der Beendigung der fortgesetzten
Gütergemeinschaft gebührenden Antheil an dem Gesammtgute durch letztwillige
Verfügung bis auf die Hälfte herabsetzen.
§. 1513. Jeder Ehegatte kann für den Fall, daß mit
seinem Tode die fortgesetzte Gütergemeinschaft eintritt, einem antheilsberechtigten
Abkömmlinge den diesem nach der Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft
gebührenden Antheil an dem Gesammtgute durch letztwillige Verfügung entziehen,
wenn er berechtigt ist, dem Abkömmlinge den Pflichttheil zu entziehen. Die
Vorschriften des §. 2336 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende Anwendung.
Der Ehegatte kann, wenn er nach §. 2338 berechtigt
ist, das Pflichttheilsrecht des Abkömmlinges zu beschränken, den Antheil des
Abkömmlinges am Gesammtgut einer entsprechenden Beschränkung unterwerfen.
§. 1514. Jeder Ehegatte kann den Betrag, den er
nach §. 1512 oder nach §. 1513 Abs. 1 einem Abkömmling entzieht, auch einem
Dritten durch letztwillige Verfügung zuwenden.
§. 1515. Jeder Ehegatte kann für den Fall, daß mit
seinem Tode die fortgesetzte Gütergemeinschaft eintritt, durch letztwillige
Verfügung anordnen, daß ein antheilsberechtigter Abkömmling das Recht haben
soll, bei der Theilung das Gesammtgut oder einzelne dazu gehörende Gegenstände
gegen Ersatz des Werthes zu übernehmen.
Gehört zu dem Gesammtgut ein Landgut, so kann
angeordnet werden, daß das Landgut mit dem Ertragswerth oder mit einem Preise,
der den Ertragswerth mindestens erreicht, angesetzt werden soll. Die für die
Erbfolge geltenden Vorschriften des §. 2049 finden Anwendung.
Das Recht, das Landgut zu dem im Abs. 2
bezeichneten Werthe oder Preise zu übernehmen, kann auch dem überlebenden
Ehegatten eingeräumt werden.
§. 1516. Zur Wirksamkeit der in den §§. 1511 bis
1515 bezeichneten Verfügungen eines Ehegatten ist die Zustimmung des anderen
Ehegatten erforderlich.
Die Zustimmung kann nicht durch einen Vertreter
ertheilt werden. Ist der Ehegatte in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so ist
die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters nicht erforderlich. Die
Zustimmungserklärung bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. Die
Zustimmung ist unwiderruflich.
Die Ehegatten können die in den §§. 1511 bis 1515
bezeichneten Verfügungen auch in einem gemeinschaftlichen Testamente treffen.
§. 1517. Zur Wirksamkeit eines Vertrags, durch den
ein gemeinschaftlicher Abkömmling einem der Ehegatten gegenüber für den Fall,
daß die Ehe durch dessen Tod aufgelöst wird, auf seinen Antheil am Gesammtgute
der fortgesetzten Gütergemeinschaft verzichtet oder durch den ein solcher
Verzicht aufgehoben wird, ist die Zustimmung des anderen Ehegatten
erforderlich. Für die Zustimmung gelten die Vorschriften des §. 1516 Abs. 2
Satz 3, 4.
Die für den Erbverzicht geltenden Vorschriften
finden entsprechende Anwendung.
§. 1518. Anordnungen, die mit den Vorschriften der
§§. 1483 bis 1517 in Widerspruch stehen, können von den Ehegatten weder durch
letztwillige Verfügung noch durch Vertrag getroffen werden.
3. Errungenschaftsgemeinschaft.
§. 1519. Was der Mann oder die Frau während der
Errungenschaftsgemeinschaft erwirbt, wird gemeinschaftliches Vermögen beider
Ehegatten (Gesammtgut).
Auf das Gesammtgut finden die für die allgemeine
Gütergemeinschaft geltenden Vorschriften des §. 1438 Abs. 2, 3 und der §§. 1442
bis 1453, 1455 bis 1457 Anwendung.
§. 1520. Eingebrachtes Gut eines Ehegatten ist, was
ihm bei dem Eintritte der Errungenschaftsgemeinschaft gehört.
§. 1521. Eingebrachtes Gut eines Ehegatten ist, was
er von Todeswegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch
Schenkung oder als Ausstattung erwirbt. Ausgenommen ist ein Erwerb, der den
Umständen nach zu den Einkünften zu rechnen ist.
§. 1522. Eingebrachtes Gut eines Ehegatten sind
Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können, sowie
Rechte, die mit seinem Tode erlöschen oder deren Erwerb durch den Tod eines der
Ehegatten bedingt ist.
§. 1523. Eingebrachtes Gut eines Ehegatten ist, was
durch Ehevertrag für eingebrachtes Gut erklärt ist.
§. 1524. Eingebrachtes Gut eines Ehegatten ist, was
er auf Grund eines zu seinem eingebrachten Gute gehörenden Rechtes oder als
Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zum eingebrachten
Gute gehörenden Gegenstandes oder durch ein Rechtsgeschäft erwirbt, das sich
auf das eingebrachte Gut bezieht. Ausgenommen ist der Erwerb aus dem Betrieb
eines Erwerbsgeschäfts.
Die Zugehörigkeit einer durch Rechtsgeschäft
erworbenen Forderung zum eingebrachten Gute hat der Schuldner erst dann gegen
sich gelten zu lassen, wenn er von der Zugehörigkeit Kenntniß erlangt; die
Vorschriften der §§. 406 bis 408 finden entsprechende Anwendung.
§. 1525. Das eingebrachte Gut wird für Rechnung des
Gesammtguts in der Weise verwaltet, daß die Nutzungen, welche nach den für den
Güterstand der Verwaltung und Nutznießung geltenden Vorschriften dem Manne
zufallen, zu dem Gesammtgute gehören.
Auf das eingebrachte Gut der Frau finden im
Uebrigen die Vorschriften der §§. 1373 bis 1383, 1390 bis 1417 entsprechende
Anwendung.
§. 1526. Vorbehaltsgut der Frau ist, was durch
Ehevertrag für Vorbehaltsgut erklärt ist oder von der Frau nach §. 1369 oder §.
1370 erworben wird.
Vorbehaltsgut des Mannes ist ausgeschlossen.
Für das Vorbehaltsgut der Frau gilt das Gleiche wie für das Vorbehaltsgut bei der
allgemeinen Gütergemeinschaft.
§. 1527. Es wird vermuthet, daß das vorhandene Vermögen
Gesammtgut sei.
§. 1528. Jeder Ehegatte kann verlangen, daß der
Bestand seines eigenen und des dem anderen Ehegatten gehörenden eingebrachten
Gutes durch Aufnahme eines Verzeichnisses unter Mitwirkung des anderen
Ehegatten festgestellt wird. Auf die Aufnahme des Verzeichnisses finden die für
den Nießbrauch geltenden Vorschriften des §. 1035 Anwendung.
Jeder Ehegatte kann den Zustand der zum
eingebrachten Gute gehörenden Sachen auf seine Kosten durch Sachverständige
feststellen lassen.
§. 1529. Der eheliche Aufwand fällt dem Gesammtgute
zur Last.
Das Gesammtgut trägt auch die Lasten des
eingebrachten Gutes beider Ehegatten; der Umfang der Lasten bestimmt sich nach
den bei dem Güterstande der Verwaltung und Nutznießung für das eingebrachte Gut
der Frau geltenden Vorschriften der §§. 1384 bis 1387.
§. 1530. Das Gesammtgut haftet für die
Verbindlichkeiten des Mannes und für die in den §§. 1531 bis 1534 bezeichneten
Verbindlichkeiten der Frau (Gesammtgutsverbindlichkeiten).
Für Verbindlichkeiten der Frau, die
Gesammtgutsverbindlichkeiten sind, haftet der Mann auch persönlich als
Gesammtschuldner. Die Haftung erlischt mit der Beendigung der
Errungenschaftsgemeinschaft, wenn die Verbindlichkeiten im Verhältnisse der
Ehegatten zu einander nicht dem Gesammtgute zur Last fallen.
§. 1531. Das Gesammtgut haftet für
Verbindlichkeiten der Frau, die zu den im §. 1529 Abs. 2 bezeichneten Lasten
des eingebrachten Gutes gehören.
§. 1532. Das Gesammtgut haftet für eine
Verbindlichkeit der Frau, die aus einem nach dem Eintritte der
Errungenschaftsgemeinschaft vorgenommenen Rechtsgeschäft entsteht, sowie für
die Kosten eines Rechtsstreits, den die Frau nach dem Eintritte der
Errungenschaftsgemeinschaft führt, wenn die Vornahme des Rechtsgeschäfts oder
die Führung des Rechtsstreits mit Zustimmung des Mannes erfolgt oder ohne seine
Zustimmung für das Gesammtgut wirksam ist.
§. 1533. Das Gesammtgut haftet für eine
Verbindlichkeit der Frau, die nach dem Eintritte der
Errungenschaftsgemeinschaft in Folge eines ihr zustehenden Rechtes oder des
Besitzes einer ihr gehörenden Sache entsteht, wenn das Recht oder die Sache zu
einem Erwerbsgeschäfte gehört, das die Frau mit Einwilligung des Mannes
selbständig betreibt.
§. 1534. Das Gesammtgut haftet für
Verbindlichkeiten der Frau, die ihr auf Grund der gesetzlichen
Unterhaltspflicht obliegen.
§. 1535. Im Verhältnisse der Ehegatten zu einander
fallen folgende Gesammtgutsverbindlichkeiten dem Ehegatten zur Last, in dessen
Person sie entstehen:
1. die Verbindlichkeiten
aus einem sich auf sein eingebrachtes Gut oder sein Vorbehaltsgut beziehenden
Rechtsverhältniß, auch wenn sie vor dem Eintritte der
Errungenschaftsgemeinschaft oder vor der Zeit entstanden sind, zu der das Gut
eingebrachtes Gut oder Vorbehaltsgut geworden ist;
2. die Kosten eines
Rechtsstreits, den der Ehegatte über eine der in Nr. 1 bezeichneten
Verbindlichkeiten führt.
§. 1536. Im Verhältnisse der Ehegatten zu einander
fallen dem Manne zur Last:
1. die vor dem Eintritte
der Errungenschaftsgemeinschaft entstandenen Verbindlichkeiten des Mannes;
2. die Verbindlichkeiten
des Mannes, die der Frau gegenüber aus der Verwaltung ihres eingebrachten Gutes
entstehen, soweit nicht das Gesammtgut zur Zeit der Beendigung der
Errungenschaftsgemeinschaft bereichert ist;
3. die Verbindlichkeiten
des Mannes aus einer unerlaubten Handlung, die er nach dem Eintritte der
Errungenschaftsgemeinschaft begeht, oder aus einem Strafverfahren, das wegen
einer unerlaubten Handlung gegen ihn gerichtet wird;
4. die Kosten eines
Rechtsstreits, den der Mann über eine der in Nr. 1 bis 3 bezeichneten
Verbindlichkeiten führt.
§. 1537. Die Vorschriften des §. 1535 und des §.
1536 Nr. 1, 4 finden insoweit keine Anwendung, als die Verbindlichkeiten nach
§. 1529 Abs. 2 von dem Gesammtgute zu tragen sind.
Das Gleiche gilt von den Vorschriften des §. 1535
insoweit, als die Verbindlichkeiten durch den Betrieb eines Erwerbsgeschäfts,
der für Rechnung des Gesammtguts geführt wird, oder in Folge eines zu einem
solchen Erwerbsgeschäfte gehörenden Rechtes oder des Besitzes einer dazu
gehörenden Sache entstehen.
§. 1538. Verspricht oder gewährt der Mann einem
Kinde eine Ausstattung, so finden die Vorschriften des §. 1465 Anwendung.
§. 1539. Soweit das eingebrachte Gut eines
Ehegatten auf Kosten des Gesammtguts oder das Gesammtgut auf Kosten des
eingebrachten Gutes eines Ehegatten zur Zeit der Beendigung der
Errungenschaftsgemeinschaft bereichert ist, muß aus dem bereicherten Gute zu
dem anderen Gute Ersatz geleistet werden. Weitergehende, auf besonderen Gründen
beruhende Ansprüche bleiben unberührt.
§. 1540. Sind verbrauchbare Sachen, die zum
eingebrachten Gute eines Ehegatten gehört haben, nicht mehr vorhanden, so wird
zu Gunsten des Ehegatten vermuthet, daß die Sachen in das Gesammtgut verwendet
worden seien und dieses um den Werth der Sachen bereichert sei.
§. 1541. Was ein Ehegatte zu dem Gesammtgut oder
die Frau zu dem eingebrachten Gute des Mannes schuldet, ist erst nach der
Beendigung der Errungenschaftsgemeinschaft zu leisten; soweit jedoch zur
Berichtigung einer Schuld der Frau ihr eingebrachtes Gut und ihr Vorbehaltsgut
ausreichen, hat sie die Schuld schon vorher zu berichtigen.
Was der Mann aus dem Gesammtgute zu fordern hat,
kann er erst nach der Beendigung der Errungenschaftsgemeinschaft fordern.
§. 1542. Die Frau kann unter den Voraussetzungen
des §. 1418 Nr. 1, 3 bis 5 und des §. 1468, der Mann kann unter den
Voraussetzungen des §. 1469 auf Aufhebung der Errungenschaftsgemeinschaft
klagen.
Die Aufhebung tritt mit der Rechtskraft des
Urtheils ein.
§. 1543. Die Errungenschaftsgemeinschaft endigt mit
der Rechtskraft des Beschlusses, durch den der Konkurs über das Vermögen des
Mannes eröffnet wird.
§. 1544. Die Errungenschaftsgemeinschaft endigt,
wenn ein Ehegatte für todt erklärt wird, mit dem Zeitpunkte, der als Zeitpunkt des
Todes gilt.
§. 1545. Endigt die Errungenschaftsgemeinschaft
nach den §§. 1542 bis 1544, so gilt für die Zukunft Gütertrennung.
Dritten gegenüber ist die Beendigung der
Gemeinschaft nur nach Maßgabe des §. 1435 wirksam.
§. 1546. Nach der Beendigung der Errungenschaftsgemeinschaft
findet in Ansehung des Gesammtguts die Auseinandersetzung statt. Bis zur
Auseinandersetzung bestimmt sich das Rechtsverhältniß der Ehegatten nach den
§§. 1442, 1472, 1473.
Die Auseinandersetzung erfolgt, soweit nicht eine
andere Vereinbarung getroffen wird, nach den für die allgemeine
Gütergemeinschaft geltenden Vorschriften der §§. 1475 bis 1477, 1479 bis 1481.
Auf das eingebrachte Gut der Frau finden die für
den Güterstand der Verwaltung und Nutznießung geltenden Vorschriften der §§.
1421 bis 1424 Anwendung.
§. 1547. Endigt die Errungenschaftsgemeinschaft
durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Mannes, so kann die
Frau auf Wiederherstellung der Gemeinschaft klagen. Das gleiche Recht steht,
wenn die Gemeinschaft in Folge einer Todeserklärung endigt, dem für todt
erklärten Ehegatten zu, falls er noch lebt.
Wird die Gemeinschaft auf Grund des §. 1418 Nr. 3
bis 5 aufgehoben, so kann der Mann unter den Voraussetzungen des §. 1425 Abs. 1
auf Wiederherstellung der Gemeinschaft klagen.
§. 1548. Die Wiederherstellung der
Errungenschaftsgemeinschaft tritt in den Fällen des §. 1547 mit der Rechtskraft
des Urtheils ein. Die Vorschrift des §. 1422 findet entsprechende Anwendung.
Dritten gegenüber ist die Wiederherstellung, wenn
die Beendigung in das Güterrechtsregister eingetragen worden ist, nur nach
Maßgabe des §. 1435 wirksam.
Im Falle der Wiederherstellung wird Vorbehaltsgut
der Frau, was ohne die Beendigung der Gemeinschaft Vorbehaltsgut geblieben oder
geworden sein würde.
4. Fahrnißgemeinschaft.
§. 1549. Auf die Gemeinschaft des beweglichen
Vermögens und der Errungenschaft (Fahrnißgemeinschaft) finden die für die
allgemeine Gütergemeinschaft geltenden Vorschriften Anwendung, soweit sich
nicht aus den §§. 1550 bis 1557 ein Anderes ergiebt.
§. 1550. Von dem Gesammtgut ausgeschlossen ist das
eingebrachte Gut eines Ehegatten.
Auf das eingebrachte Gut finden die bei der
Errungenschaftsgemeinschaft für das eingebrachte Gut geltenden Vorschriften
Anwendung.
§. 1551. Eingebrachtes Gut eines Ehegatten ist das
unbewegliche Vermögen, das er bei dem Eintritte der Fahrnißgemeinschaft hat
oder während der Gemeinschaft durch Erbfolge, durch Vermächtniß oder mit
Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt.
Zum unbeweglichen Vermögen im Sinne dieser
Vorschrift gehören Grundstücke nebst Zubehör, Rechte an Grundstücken, mit
Ausnahme der Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden, sowie Forderungen,
die auf die Uebertragung des Eigenthums an Grundstücken oder auf die Begründung
oder Uebertragung eines der bezeichneten Rechte oder auf die Befreiung eines
Grundstücks von einem solchen Rechte gerichtet sind.
§. 1552. Eingebrachtes Gut eines Ehegatten sind
Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können.
§. 1553. Eingebrachtes Gut eines Ehegatten ist:
1. was durch Ehevertrag für
eingebrachtes Gut erklärt ist;
2. was er nach §. 1369
erwirbt, sofern die Bestimmung dahin getroffen ist, daß der Erwerb
eingebrachtes Gut sein soll.
§. 1554. Eingebrachtes Gut eines Ehegatten ist, was
er in der im §. 1524 bezeichneten Weise erwirbt. Ausgenommen ist, was an Stelle
von Gegenständen erworben wird, die nur deshalb eingebrachtes Gut sind, weil
sie nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können.
§. 1555. Vorbehaltsgut des Mannes ist
ausgeschlossen.
§. 1556. Erwirbt ein Ehegatte während der
Fahrnißgemeinschaft durch Erbfolge, durch Vermächtniß oder mit Rücksicht auf
ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung Gegenstände, die
theils Gesammtgut, theils eingebrachtes Gut werden, so fallen die in Folge des
Erwerbes entstehenden Verbindlichkeiten im Verhältnisse der Ehegatten zu
einander dem Gesammtgut und dem Ehegatten, der den Erwerb macht,
verhältnißmäßig zur Last.
§. 1557. Fortgesetzte Gütergemeinschaft tritt nur
ein, wenn sie durch Ehevertrag vereinbart ist.
III. Güterrechtsregister.
§. 1558. Die Eintragungen in das
Güterrechtsregister haben bei dem Amtsgerichte zu geschehen, in dessen Bezirke
der Mann seinen Wohnsitz hat.
Durch Anordnung der Landesjustizverwaltung kann die
Führung des Registers für mehrere Amtsgerichtsbezirke einem Amtsgericht
übertragen werden.
§. 1559. Verlegt der Mann nach der Eintragung
seinen Wohnsitz in einen anderen Bezirk, so muß die Eintragung im Register
dieses Bezirkes wiederholt werden. Die frühere Eintragung gilt als von neuem
erfolgt, wenn der Mann den Wohnsitz in den früheren Bezirk zurückverlegt.
§. 1560. Eine Eintragung in das Register soll nur
auf Antrag und nur insoweit erfolgen, als sie beantragt ist. Der Antrag ist in
öffentlich beglaubigter Form zu stellen.
§. 1561. Die Eintragung erfolgt in den Fällen des
§. 1357 Abs. 2 und des §. 1405 Abs. 3 auf Antrag des Mannes.
In den anderen Fällen ist der Antrag beider
Ehegatten erforderlich; jeder Ehegatte ist dem anderen gegenüber zur Mitwirkung
verpflichtet.
Der Antrag eines der Ehegatten genügt:
1. zur Eintragung eines
Ehevertrags oder einer auf gerichtlicher Entscheidung beruhenden Aenderung der
güterrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten, wenn mit dem Antrage der
Ehevertrag oder die mit dem Zeugnisse der Rechtskraft versehene Entscheidung
vorgelegt wird;
2. zur Wiederholung einer
Eintragung in dem Register eines anderen Bezirkes, wenn mit dem Antrag eine
nach der Aufhebung des bisherigen Wohnsitzes ertheilte, öffentlich beglaubigte
Abschrift der früheren Eintragung vorgelegt wird.
§. 1562. Das Amtsgericht hat die Eintragung durch
das für seine Bekanntmachungen bestimmte Blatt zu veröffentlichen.
Wird eine Aenderung des Güterstandes eingetragen,
so hat sich die Bekanntmachung auf die Bezeichnung des Güterstandes und, wenn
dieser abweichend von dem Gesetze geregelt ist, auf eine allgemeine Bezeichnung
der Abweichung zu beschränken.
§. 1563. Die Einsicht des Registers ist Jedem
gestattet. Von den Eintragungen kann eine Abschrift gefordert werden; die
Abschrift ist auf Verlangen zu beglaubigen.
Siebenter Titel.
Scheidung der Ehe.
§. 1564. Die Ehe kann aus den in den §§. 1565 bis
1569 bestimmten Gründen geschieden werden. Die Scheidung erfolgt durch Urtheil.
Die Auflösung der Ehe tritt mit der Rechtskraft des Urtheils ein.
§. 1565. Ein Ehegatte kann auf Scheidung klagen,
wenn der andere Ehegatte sich des Ehebruchs oder einer nach den §§. 171, 175
des Strafgesetzbuchs strafbaren Handlung schuldig macht.
Das Recht des Ehegatten auf Scheidung ist
ausgeschlossen, wenn er dem Ehebruch oder der strafbaren Handlung zustimmt oder
sich der Theilnahme schuldig macht.
§. 1566. Ein Ehegatte kann auf Scheidung klagen,
wenn der andere Ehegatte ihm nach dem Leben trachtet.
§. 1567. Ein Ehegatte kann auf Scheidung klagen,
wenn der andere Ehegatte ihn böslich verlassen hat.
Bösliche Verlassung liegt nur vor:
1. wenn ein Ehegatte,
nachdem er zur Herstellung der häuslichen Gemeinschaft rechtskräftig
verurtheilt worden ist, ein Jahr lang gegen den Willen des anderen Ehegatten in
böslicher Absicht dem Urtheile nicht Folge geleistet hat;
2. wenn ein Ehegatte sich
ein Jahr lang gegen den Willen des anderen Ehegatten in böslicher Absicht von
der häuslichen Gemeinschaft fern gehalten hat und die Voraussetzungen für die
öffentliche Zustellung seit Jahresfrist gegen ihn bestanden haben.
Die Scheidung ist im Falle des Abs. 2 Nr. 2
unzulässig, wenn die Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung am Schlusse
der mündlichen Verhandlung, auf die das Urtheil ergeht, nicht mehr bestehen.
§. 1568. Ein Ehegatte kann auf Scheidung klagen,
wenn der andere Ehegatte durch schwere Verletzung der durch die Ehe begründeten
Pflichten oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten eine so tiefe
Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses verschuldet hat, daß dem Ehegatten die
Fortsetzung der Ehe nicht zugemuthet werden kann. Als schwere Verletzung der
Pflichten gilt auch grobe Mißhandlung.
§. 1569. Ein Ehegatte kann auf Scheidung klagen,
wenn der andere Ehegatte in Geisteskrankheit verfallen ist, die Krankheit
während der Ehe mindestens drei Jahre gedauert und einen solchen Grad erreicht
hat, daß die geistige Gemeinschaft zwischen den Ehegatten aufgehoben, auch jede
Aussicht auf Wiederherstellung dieser Gemeinschaft ausgeschlossen ist.
§. 1570. Das Recht auf Scheidung erlischt in den
Fällen der §§. 1565 bis 1568 durch Verzeihung.
§. 1571. Die Scheidungsklage muß in den Fällen der
§§. 1565 bis 1568 binnen sechs Monaten von dem Zeitpunkt an erhoben werden, in
dem der Ehegatte von dem Scheidungsgrunde Kenntniß erlangt. Die Klage ist
ausgeschlossen, wenn seit dem Eintritte des Scheidungsgrundes zehn Jahre
verstrichen sind.
Die Frist läuft nicht, solange die häusliche
Gemeinschaft der Ehegatten aufgehoben ist. Wird der zur Klage berechtigte
Ehegatte von dem anderen Ehegatten aufgefordert, entweder die häusliche
Gemeinschaft herzustellen oder die Klage zu erheben, so läuft die Frist von dem
Empfange der Aufforderung an.
Der Erhebung der Klage steht die Ladung zum
Sühnetermine gleich. Die Ladung verliert ihre Wirkung, wenn der zur Klage
berechtigte Ehegatte im Sühnetermine nicht erscheint oder wenn drei Monate nach
der Beendigung des Sühneverfahrens verstrichen sind und nicht vorher die Klage
erhoben worden ist.
Auf den Lauf der sechsmonatigen und der
dreimonatigen Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der
§§. 203, 206 entsprechende Anwendung.
§. 1572. Ein Scheidungsgrund kann, auch wenn die
für seine Geltendmachung im §. 1571 bestimmte Frist verstrichen ist, im Laufe
des Rechtsstreits geltend gemacht werden, sofern die Frist zur Zeit der
Erhebung der Klage noch nicht verstrichen war.
§. 1573. Thatsachen, auf die eine Scheidungsklage
nicht mehr gegründet werden kann, dürfen zur Unterstützung einer auf andere Thatsachen
gegründeten Scheidungsklage geltend gemacht werden.
§. 1574. Wird die Ehe aus einem der in den §§. 1565
bis 1568 bestimmten Gründe geschieden, so ist in dem Urtheil auszusprechen, daß
der Beklagte die Schuld an der Scheidung trägt.
Hat der Beklagte Widerklage erhoben und wird auch
diese für begründet erkannt, so sind beide Ehegatten für schuldig zu erklären.
Ohne Erhebung einer Widerklage ist auf Antrag des
Beklagten auch der Kläger für schuldig zu erklären, wenn Thatsachen vorliegen,
wegen deren der Beklagte auf Scheidung klagen könnte oder, falls sein Recht auf
Scheidung durch Verzeihung oder durch Zeitablauf ausgeschlossen ist, zur Zeit
des Eintritts des von dem Kläger geltend gemachten Scheidungsgrundes berechtigt
war, auf Scheidung zu klagen.
§. 1575. Der Ehegatte, der auf Scheidung zu klagen
berechtigt ist, kann statt auf Scheidung auf Aufhebung der ehelichen
Gemeinschaft klagen. Beantragt der andere Ehegatte, daß die Ehe, falls die
Klage begründet ist, geschieden wird, so ist auf Scheidung zu erkennen.
Für die Klage auf Aufhebung der ehelichen
Gemeinschaft gelten die Vorschriften der §§. 1573, 1574.
§. 1576. Ist auf Aufhebung der ehelichen
Gemeinschaft erkannt, so kann jeder der Ehegatten auf Grund des Urtheils die
Scheidung beantragen, es sei denn, daß nach der Erlassung des Urtheils die
eheliche Gemeinschaft wiederhergestellt worden ist.
Die Vorschriften der §§. 1570 bis 1574 finden keine
Anwendung; wird die Ehe geschieden, so ist der für schuldig erklärte Ehegatte
auch im Scheidungsurtheile für schuldig zu erklären.
§. 1577. Die geschiedene Frau behält den
Familiennamen des Mannes.
Die Frau kann ihren Familiennamen wiederannehmen.
War sie vor der Eingehung der geschiedenen Ehe verheirathet, so kann sie auch
den Namen wiederannehmen, den sie zur Zeit der Eingehung dieser Ehe hatte, es
sei denn, daß sie allein für schuldig erklärt ist. Die Wiederannahme des Namens
erfolgt durch Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde; die Erklärung ist in
öffentlich beglaubigter Form abzugeben.
Ist die Frau allein für schuldig erklärt, so kann
der Mann ihr die Führung seines Namens untersagen. Die Untersagung erfolgt
durch Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde; die Erklärung ist in
öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Die Behörde soll der Frau die Erklärung
mittheilen. Mit dem Verluste des Namens des Mannes erhält die Frau ihren
Familiennamen wieder.
§. 1578. Der allein für schuldig erklärte Mann hat
der geschiedenen Frau den standesmäßigen Unterhalt insoweit zu gewähren, als
sie ihn nicht aus den Einkünften ihres Vermögens und, sofern nach den
Verhältnissen, in denen die Ehegatten gelebt haben, Erwerb durch Arbeit der
Frau üblich ist, aus dem Ertrag ihrer Arbeit bestreiten kann.
Die allein für schuldig erklärte Frau hat dem
geschiedenen Manne den standesmäßigen Unterhalt insoweit zu gewähren, als er
außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten.
§. 1579. Soweit der allein für schuldig erklärte
Ehegatte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande
ist, ohne Gefährdung seines standesmäßigen Unterhalts dem anderen Ehegatten
Unterhalt zu gewähren, ist er berechtigt, von den zu seinem Unterhalte
verfügbaren Einkünften zwei Drittheile oder, wenn diese zu seinem nothdürftigen
Unterhalte nicht ausreichen, so viel zurückzubehalten, als zu dessen
Bestreitung erforderlich ist. Hat er einem minderjährigen unverheiratheten
Kinde oder in Folge seiner Wiederverheirathung dem neuen Ehegatten Unterhalt zu
gewähren, so beschränkt sich seine Verpflichtung dem geschiedenen Ehegatten
gegenüber auf dasjenige, was mit Rücksicht auf die Bedürfnisse sowie auf die
Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der Betheiligten der Billigkeit entspricht.
Der Mann ist der Frau gegenüber unter den
Voraussetzungen des Abs. 1 von der Unterhaltspflicht ganz befreit, wenn die Frau
den Unterhalt aus dem Stamme ihres Vermögens bestreiten kann.
§. 1580. Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer
Geldrente nach Maßgabe des §. 760 zu gewähren. Ob, in welcher Art und für
welchen Betrag der Unterhaltspflichtige Sicherheit zu leisten hat, bestimmt
sich nach den Umständen.
Statt der Rente kann der Berechtigte eine Abfindung
in Kapital verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
Im Uebrigen finden die für die Unterhaltspflicht
der Verwandten geltenden Vorschriften der §§. 1607, 1610, des §. 1611 Abs. 1,
des §. 1613 und für den Fall des Todes des Berechtigten die Vorschriften des §.
1615 entsprechende Anwendung.
§. 1581. Die Unterhaltspflicht erlischt mit der
Wiederverheirathung des Berechtigten.
Im Falle der Wiederverheirathung des Verpflichteten
finden die Vorschriften des §. 1604 entsprechende Anwendung.
§. 1582. Die Unterhaltspflicht erlischt nicht mit
dem Tode des Verpflichteten.
Die Verpflichtung des Erben unterliegt nicht den
Beschränkungen des §. 1579. Der Berechtigte muß sich jedoch die Herabsetzung
der Rente bis auf die Hälfte der Einkünfte gefallen lassen, die der
Verpflichtete zur Zeit des Todes aus seinem Vermögen bezogen hat. Einkünfte aus
einem Rechte, das mit dem Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses
erlischt, bleiben von dem Eintritte des Zeitpunkts oder des Ereignisses an
außer Betracht.
Sind mehrere Berechtigte vorhanden, so kann der
Erbe die Renten nach dem Verhältniß ihrer Höhe soweit herabsetzen, daß sie
zusammen der Hälfte der Einkünfte gleichkommen.
§. 1583. Ist die Ehe wegen Geisteskrankheit eines
Ehegatten geschieden, so hat ihm der andere Ehegatte Unterhalt in gleicher
Weise zu gewähren wie ein allein für schuldig erklärter Ehegatte.
§. 1584. Ist ein Ehegatte allein für schuldig
erklärt, so kann der andere Ehegatte Schenkungen, die er ihm während des
Brautstandes oder während der Ehe gemacht hat, widerrufen. Die Vorschriften des
§. 531 finden Anwendung.
Der Widerruf ist ausgeschlossen, wenn seit der
Rechtskraft des Scheidungsurtheils ein Jahr verstrichen oder wenn der Schenker
oder der Beschenkte gestorben ist.
§. 1585. Hat der Mann einem gemeinschaftlichen
Kinde Unterhalt zu gewähren, so ist die Frau verpflichtet, ihm aus den
Einkünften ihres Vermögens und dem Ertrag ihrer Arbeit oder eines von ihr selbständig
betriebenen Erwerbsgeschäfts einen angemessenen Beitrag zu den Kosten des
Unterhalts zu leisten, soweit nicht diese durch die dem Manne an dem Vermögen
des Kindes zustehende Nutznießung gedeckt werden. Der Anspruch des Mannes ist
nicht übertragbar.
Steht der Frau die Sorge für die Person des Kindes
zu und ist eine erhebliche Gefährdung des Unterhalts des Kindes zu besorgen, so
kann die Frau den Beitrag zur eigenen Verwendung für den Unterhalt des Kindes
zurückbehalten.
§. 1586. Wird nach §. 1575 die eheliche
Gemeinschaft aufgehoben, so treten die mit der Scheidung verbundenen Wirkungen
ein; die Eingehung einer neuen Ehe ist jedoch ausgeschlossen. Die Vorschriften
über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe finden Anwendung, wie wenn das
Urtheil nicht ergangen wäre.
§. 1587. Wird die eheliche Gemeinschaft nach der
Aufhebung wiederhergestellt, so fallen die mit der Aufhebung verbundenen
Wirkungen weg und tritt Gütertrennung ein.
Achter Titel.
Kirchliche Verpflichtungen.
§. 1588. Die kirchlichen Verpflichtungen in
Ansehung der Ehe werden durch die Vorschriften dieses Abschnitts nicht berührt.
Zweiter Abschnitt.
Verwandtschaft.
Erster Titel.
Allgemeine Vorschriften.
§. 1589. Personen, deren eine von der anderen
abstammt, sind in gerader Linie verwandt. Personen, die nicht in gerader Linie
verwandt sind, aber von derselben dritten Person abstammen, sind in der
Seitenlinie verwandt. Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl
der sie vermittelnden Geburten.
Ein uneheliches Kind und dessen Vater gelten nicht
als verwandt.
§. 1590. Die Verwandten eines Ehegatten sind mit
dem anderen Ehegatten verschwägert. Die Linie und der Grad der Schwägerschaft
bestimmen sich nach der Linie und dem Grade der sie vermittelnden
Verwandtschaft.
Die Schwägerschaft dauert fort, auch wenn die Ehe,
durch die sie begründet wurde, aufgelöst ist.
Zweiter Titel.
Eheliche Abstammung.
§. 1591. Ein Kind, das nach der Eingehung der Ehe
geboren wird, ist ehelich, wenn die Frau es vor oder während der Ehe empfangen
und der Mann innerhalb der Empfängnißzeit der Frau beigewohnt hat. Das Kind ist
nicht ehelich, wenn es den Umständen nach offenbar unmöglich ist, daß die Frau
das Kind von dem Manne empfangen hat.
Es wird vermuthet, daß der Mann innerhalb der
Empfängnißzeit der Frau beigewohnt habe. Soweit die Empfängnißzeit in die Zeit
vor der Ehe fällt, gilt die Vermuthung nur, wenn der Mann gestorben ist, ohne
die Ehelichkeit des Kindes angefochten zu haben.
§. 1592. Als Empfängnißzeit gilt die Zeit von dem
einhunderteinundachtzigsten bis zu dem dreihundertundzweiten Tage vor dem Tage
der Geburt des Kindes, mit Einschluß sowohl des einhunderteinundachtzigsten als
des dreihundertundzweiten Tages.
Steht fest, daß das Kind innerhalb eines Zeitraums
empfangen worden ist, der weiter als dreihundertundzwei Tage vor dem Tage der
Geburt zurückliegt, so gilt zu Gunsten der Ehelichkeit des Kindes dieser
Zeitraum als Empfängnißzeit.
§. 1593. Die Unehelichkeit eines Kindes, das
während der Ehe oder innerhalb dreihundertundzwei Tagen nach der Auflösung der
Ehe geboren ist, kann nur geltend gemacht werden, wenn der Mann die Ehelichkeit
angefochten hat oder, ohne das Anfechtungsrecht verloren zu haben, gestorben
ist.
§. 1594. Die Anfechtung der Ehelichkeit kann nur
binnen Jahresfrist erfolgen.
Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der
Mann die Geburt des Kindes erfährt.
Auf den Lauf der Frist finden die für die
Verjährung geltenden Vorschriften der §§. 203, 206 entsprechende Anwendung.
§. 1595. Die Anfechtung der Ehelichkeit kann nicht
durch einen Vertreter erfolgen. Ist der Mann in der Geschäftsfähigkeit
beschränkt, so bedarf er nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters.
Für einen geschäftsunfähigen Mann kann sein
gesetzlicher Vertreter mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts die
Ehelichkeit anfechten. Hat der gesetzliche Vertreter die Ehelichkeit nicht
rechtzeitig angefochten, so kann nach dem Wegfalle der Geschäftsunfähigkeit der
Mann selbst die Ehelichkeit in gleicher Weise anfechten, wie wenn er ohne
gesetzlichen Vertreter gewesen wäre.
§. 1596. Die Anfechtung der Ehelichkeit erfolgt bei
Lebzeiten des Kindes durch Erhebung der Anfechtungsklage. Die Klage ist gegen
das Kind zu richten.
Wird die Klage zurückgenommen, so ist die
Anfechtung als nicht erfolgt anzusehen. Das Gleiche gilt, wenn der Mann vor der
Erledigung des Rechtsstreits das Kind als das seinige anerkennt.
Vor der Erledigung des Rechtsstreits kann die
Unehelichkeit nicht anderweit geltend gemacht werden.
§. 1597. Nach dem Tode des Kindes erfolgt die
Anfechtung der Ehelichkeit durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgerichte; die
Erklärung ist in öffentlich beglaubigter Form abzugeben.
Das Nachlaßgericht soll die Erklärung sowohl
demjenigen mittheilen, welcher im Falle der Ehelichkeit, als auch demjenigen,
welcher im Falle der Unehelichkeit Erbe des Kindes ist. Es hat die Einsicht der
Erklärung Jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht.
§. 1598. Die Anfechtung der Ehelichkeit ist
ausgeschlossen, wenn der Mann das Kind nach der Geburt als das seinige
anerkennt.
Die Anerkennung kann nicht unter einer Bedingung
oder einer Zeitbestimmung erfolgen.
Für die Anerkennung gelten die Vorschriften des §.
1595 Abs. 1. Die Anerkennung kann auch in einer Verfügung von Todeswegen
erfolgen.
§. 1599. Ist die Anerkennung der Ehelichkeit
anfechtbar, so finden die Vorschriften der §§. 1595 bis 1597 und, wenn die
Anfechtbarkeit ihren Grund in arglistiger Täuschung oder in Drohung hat, neben
den Vorschriften des §. 203 Abs. 2 und des §. 206 auch die Vorschrift des §. 203
Abs. 1 entsprechende Anwendung.
§. 1600. Wird von einer Frau, die sich nach der
Auflösung ihrer Ehe wiederverheirathet hat, ein Kind geboren, das nach den §§.
1591 bis 1599 ein eheliches Kind sowohl des ersten als des zweiten Mannes sein
würde, so gilt das Kind, wenn es innerhalb zweihundertundsiebzig Tagen nach der
Auflösung der früheren Ehe geboren wird, als Kind des ersten Mannes, wenn es
später geboren wird, als Kind des zweiten Mannes.
Dritter Titel.
Unterhaltspflicht.
§. 1601. Verwandte in gerader Linie sind
verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.
§. 1602. Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außer
Stande ist, sich selbst zu unterhalten.
Ein minderjähriges unverheirathetes Kind kann von
seinen Eltern, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung des Unterhalts insoweit
verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum
Unterhalte nicht ausreichen.
§. 1603. Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei
Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, ohne Gefährdung
seines standesmäßigen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.
Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie
ihren minderjährigen unverheiratheten Kindern gegenüber verpflichtet, alle
verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalte gleichmäßig zu verwenden.
Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger
Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kinde,
dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.
§. 1604. Soweit die Unterhaltspflicht einer Frau
ihren Verwandten gegenüber davon abhängt, daß sie zur Gewährung des Unterhalts
im Stande ist, kommt die dem Manne an dem eingebrachten Gute zustehende
Verwaltung und Nutznießung nicht in Betracht.
Besteht allgemeine Gütergemeinschaft,
Errungenschaftsgemeinschaft oder Fahrnißgemeinschaft, so bestimmt sich die
Unterhaltspflicht des Mannes oder der Frau Verwandten gegenüber so, wie wenn
das Gesammtgut dem unterhaltspflichtigen Ehegatten gehörte. Sind bedürftige
Verwandte beider Ehegatten vorhanden, so ist der Unterhalt aus dem Gesammtgute
so zu gewähren, wie wenn die Bedürftigen zu beiden Ehegatten in dem
Verwandtschaftsverhältnisse ständen, auf dem die Unterhaltspflicht des
verpflichteten Ehegatten beruht.
§. 1605. Soweit die Unterhaltspflicht eines
minderjährigen Kindes seinen Verwandten gegenüber davon abhängt, daß es zur
Gewährung des Unterhalts im Stande ist, kommt die elterliche Nutznießung an dem
Vermögen des Kindes nicht in Betracht.
§. 1606. Die Abkömmlinge sind vor den Verwandten
der aufsteigenden Linie unterhaltspflichtig. Die Unterhaltspflicht der
Abkömmlinge bestimmt sich nach der gesetzlichen Erbfolgeordnung und dem
Verhältnisse der Erbtheile.
Unter den Verwandten der aufsteigenden Linie haften
die näheren vor den entfernteren, mehrere gleich nahe zu gleichen Theilen. Der
Vater haftet jedoch vor der Mutter; steht die Nutznießung an dem Vermögen des
Kindes der Mutter zu, so haftet die Mutter vor dem Vater.
§. 1607. Soweit ein Verwandter auf Grund des §.
1603 nicht unterhaltspflichtig ist, hat der nach ihm haftende Verwandte den
Unterhalt zu gewähren.
Das Gleiche gilt, wenn die Rechtsverfolgung gegen
einen Verwandten im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. Der
Anspruch gegen einen solchen Verwandten geht, soweit ein anderer Verwandter den
Unterhalt gewährt, auf diesen über. Der Uebergang kann nicht zum Nachtheile des
Unterhaltsberechtigten geltend gemacht werden.
§. 1608. Der Ehegatte des Bedürftigen haftet vor
dessen Verwandten. Soweit jedoch der Ehegatte bei Berücksichtigung seiner
sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, ohne Gefährdung seines
standesmäßigen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren, haften die Verwandten vor
dem Ehegatten. Die Vorschriften des §. 1607 Abs. 2 finden entsprechende
Anwendung.
Das Gleiche gilt von einem geschiedenen
unterhaltspflichtigen Ehegatten sowie von einem Ehegatten, der nach §. 1351
unterhaltspflichtig ist.
§. 1609. Sind mehrere Bedürftige vorhanden und ist
der Unterhaltspflichtige außer Stande, allen Unterhalt zu gewähren, so gehen
unter ihnen die Abkömmlinge den Verwandten der aufsteigenden Linie, unter den
Abkömmlingen diejenigen, welche im Falle der gesetzlichen Erbfolge als Erben
berufen sein würden, den übrigen Abkömmlingen, unter den Verwandten der
aufsteigenden Linie die näheren den entfernteren vor.
Der Ehegatte steht den minderjährigen
unverheiratheten Kindern gleich; er geht anderen Kindern und den übrigen
Verwandten vor. Ein geschiedener Ehegatte sowie ein Ehegatte, der nach §. 1351
unterhaltsberechtigt ist, geht den volljährigen oder verheiratheten Kindern und
den übrigen Verwandten vor.
§. 1610. Das Maß des zu gewährenden Unterhalts
bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (standesmäßiger
Unterhalt).
Der Unterhalt umfaßt den gesammten Lebensbedarf, bei
einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung und der
Vorbildung zu einem Berufe.
§. 1611. Wer durch sein sittliches Verschulden
bedürftig geworden ist, kann nur den nothdürftigen Unterhalt verlangen.
Der gleichen Beschränkung unterliegt der
Unterhaltsanspruch der Abkömmlinge, der Eltern und des Ehegatten, wenn sie sich
einer Verfehlung schuldig machen, die den Unterhaltspflichtigen berechtigt,
ihnen den Pflichttheil zu entziehen, sowie der Unterhaltsanspruch der
Großeltern und der weiteren Voreltern, wenn ihnen gegenüber die Voraussetzungen
vorliegen, unter denen Kinder berechtigt sind, ihren Eltern den Pflichttheil zu
entziehen.
Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen
Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere
Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.
§. 1612. Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer
Geldrente zu gewähren. Der Verpflichtete kann verlangen, daß ihm die Gewährung
des Unterhalts in anderer Art gestattet wird, wenn besondere Gründe es rechtfertigen.
Haben Eltern einem unverheiratheten Kinde Unterhalt
zu gewähren, so können sie bestimmen, in welcher Art und für welche Zeit im
voraus der Unterhalt gewährt werden soll. Aus besonderen Gründen kann das
Vormundschaftsgericht auf Antrag des Kindes die Bestimmung der Eltern ändern.
Im Uebrigen finden die Vorschriften des §. 760
Anwendung.
§. 1613. Für die Vergangenheit kann der Berechtigte
Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von der Zeit an fordern,
zu welcher der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch
rechtshängig geworden ist.
§. 1614. Für die Zukunft kann auf den Unterhalt
nicht verzichtet werden.
Durch eine Vorausleistung wird der Verpflichtete
bei erneuter Bedürftigkeit des Berechtigten nur für den im §. 760 Abs. 2
bestimmten Zeitabschnitt oder, wenn er selbst den Zeitabschnitt zu bestimmen
hatte, für einen den Umständen nach angemessenen Zeitabschnitt befreit.
§. 1615. Der Unterhaltsanspruch erlischt mit dem
Tode des Berechtigten oder des Verpflichteten, soweit er nicht auf Erfüllung
oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung für die Vergangenheit oder auf solche
im voraus zu bewirkende Leistungen gerichtet ist, die zur Zeit des Todes des
Berechtigten oder des Verpflichteten fällig sind.
Im Falle des Todes des Berechtigten hat der
Verpflichtete die Kosten der Beerdigung zu tragen, soweit ihre Bezahlung nicht
von dem Erben zu erlangen ist.
Vierter Titel.
Rechtliche Stellung der ehelichen Kinder.
I. Rechtsverhältniß zwischen den Eltern und dem
Kinde im Allgemeinen.
§. 1616. Das Kind erhält den Familiennamen des
Vaters.
§. 1617. Das Kind ist, solange es dem elterlichen
Hausstand angehört und von den Eltern erzogen oder unterhalten wird,
verpflichtet, in einer seinen Kräften und seiner Lebensstellung entsprechenden
Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäfte Dienste zu leisten.
§. 1618. Macht ein dem elterlichen Hausstand
angehörendes volljähriges Kind zur Bestreitung der Kosten des Haushalts aus
seinem Vermögen eine Aufwendung oder überläßt es den Eltern zu diesem Zwecke
etwas aus seinem Vermögen, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die Absicht fehlt,
Ersatz zu verlangen.
§. 1619. Ueberläßt ein dem elterlichen Hausstand
angehörendes volljähriges Kind sein Vermögen ganz oder theilweise der
Verwaltung des Vaters, so kann der Vater die Einkünfte, die er während seiner
Verwaltung bezieht, nach freiem Ermessen verwenden, soweit nicht ihre
Verwendung zur Bestreitung der Kosten der ordnungsmäßigen Verwaltung und zur
Erfüllung solcher Verpflichtungen des Kindes erforderlich ist, die bei
ordnungsmäßiger Verwaltung aus den Einkünften des Vermögens bestritten werden.
Das Kind kann eine abweichende Bestimmung treffen.
Das gleiche Recht steht der Mutter zu, wenn das
Kind ihr die Verwaltung seines Vermögens überläßt.
§. 1620. Der Vater ist verpflichtet, einer Tochter
im Falle ihrer Verheirathung zur Einrichtung des Haushalts eine angemessene
Aussteuer zu gewähren, soweit er bei Berücksichtigung seiner sonstigen
Verpflichtungen ohne Gefährdung seines standesmäßigen Unterhalts dazu im Stande
ist und nicht die Tochter ein zur Beschaffung der Aussteuer ausreichendes
Vermögen hat. Die gleiche Verpflichtung trifft die Mutter, wenn der Vater zur
Gewährung der Aussteuer außer Stande oder wenn er gestorben ist.
Die Vorschriften des §. 1604 und des §. 1607 Abs. 2
finden entsprechende Anwendung.
§. 1621. Der Vater und die Mutter können die
Aussteuer verweigern, wenn sich die Tochter ohne die erforderliche elterliche
Einwilligung verheirathet.
Das Gleiche gilt, wenn sich die Tochter einer Verfehlung
schuldig gemacht hat, die den Verpflichteten berechtigt, ihr den Pflichttheil
zu entziehen.
§. 1622. Die Tochter kann eine Aussteuer nicht
verlangen, wenn sie für eine frühere Ehe von dem Vater oder der Mutter eine
Aussteuer erhalten hat.
§. 1623. Der Anspruch auf die Aussteuer ist nicht
übertragbar. Er verjährt in einem Jahre von der Eingehung der Ehe an.
§. 1624. Was einem Kinde mit Rücksicht auf seine
Verheirathung oder auf die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung zur
Begründung oder zur Erhaltung der Wirthschaft oder der Lebensstellung von dem
Vater oder der Mutter zugewendet wird (Ausstattung), gilt, auch wenn eine
Verpflichtung nicht besteht, nur insoweit als Schenkung, als die Ausstattung
das den Umständen, insbesondere den Vermögensverhältnissen des Vaters oder der
Mutter, entsprechende Maß übersteigt.
Die Verpflichtung des Ausstattenden zur
Gewährleistung wegen eines Mangels im Rechte oder wegen eines Fehlers der Sache
bestimmt sich, auch soweit die Ausstattung nicht als Schenkung gilt, nach den
für die Gewährleistungspflicht des Schenkers geltenden Vorschriften.
§. 1625. Gewährt der Vater einem Kinde, dessen
Vermögen seiner elterlichen oder vormundschaftlichen Verwaltung unterliegt,
eine Ausstattung, so ist im Zweifel anzunehmen, daß er sie aus diesem Vermögen
gewährt. Diese Vorschrift findet auf die Mutter entsprechende Anwendung.
II. Elterliche Gewalt.
§. 1626. Das Kind steht, solange es minderjährig
ist, unter elterlicher Gewalt.
1. Elterliche Gewalt des Vaters.
§. 1627. Der Vater hat kraft der elterlichen Gewalt
das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Kindes zu
sorgen.
§. 1628. Das Recht und die Pflicht, für die Person
und das Vermögen des Kindes zu sorgen, erstreckt sich nicht auf Angelegenheiten
des Kindes, für die ein Pfleger bestellt ist.
§. 1629. Steht die Sorge für die Person oder die
Sorge für das Vermögen des Kindes einem Pfleger zu, so entscheidet bei einer
Meinungsverschiedenheit zwischen dem Vater und dem Pfleger über die Vornahme
einer sowohl die Person als das Vermögen des Kindes betreffenden Handlung das
Vormundschaftsgericht.
§. 1630. Die Sorge für die Person und das Vermögen
umfaßt die Vertretung des Kindes.
Die Vertretung steht dem Vater insoweit nicht zu,
als nach §. 1795 ein Vormund von der Vertretung des Mündels ausgeschlossen ist.
Das Vormundschaftsgericht kann dem Vater nach §. 1796 die Vertretung entziehen.
§. 1631. Die Sorge für die Person des Kindes umfaßt
das Recht und die Pflicht, das Kind zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt
zu bestimmen.
Der Vater kann kraft des Erziehungsrechts
angemessene Zuchtmittel gegen das Kind anwenden. Auf seinen Antrag hat das
Vormundschaftsgericht ihn durch Anwendung geeigneter Zuchtmittel zu
unterstützen.
§. 1632. Die Sorge für die Person des Kindes umfaßt
das Recht, die Herausgabe des Kindes von Jedem zu verlangen, der es dem Vater
widerrechtlich vorenthält.
§. 1633. Ist eine Tochter verheirathet, so
beschränkt sich die Sorge für ihre Person auf die Vertretung in den die Person
betreffenden Angelegenheiten.
§. 1634. Neben dem Vater hat während der Dauer der
Ehe die Mutter das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen;
zur Vertretung des Kindes ist sie nicht berechtigt, unbeschadet der Vorschrift
des §. 1685 Abs. 1. Bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen den Eltern geht
die Meinung des Vaters vor.
§. 1635. Ist die Ehe aus einem der in den §§. 1565
bis 1568 bestimmten Gründe geschieden, so steht, solange die geschiedenen
Ehegatten leben, die Sorge für die Person des Kindes, wenn ein Ehegatte allein
für schuldig erklärt ist, dem anderen Ehegatten zu; sind beide Ehegatten für
schuldig erklärt, so steht die Sorge für einen Sohn unter sechs Jahren oder für
eine Tochter der Mutter, für einen Sohn, der über sechs Jahre alt ist, dem
Vater zu. Das Vormundschaftsgericht kann eine abweichende Anordnung treffen,
wenn eine solche aus besonderen Gründen im Interesse des Kindes geboten ist; es
kann die Anordnung aufheben, wenn sie nicht mehr erforderlich ist.
Das Recht des Vaters zur Vertretung des Kindes
bleibt unberührt.
§. 1636. Der Ehegatte, dem nach §. 1635 die Sorge
für die Person des Kindes nicht zusteht, behält die Befugniß, mit dem Kinde
persönlich zu verkehren. Das Vormundschaftsgericht kann den Verkehr näher
regeln.
§. 1637. Ist die Ehe nach §. 1348 Abs. 2 aufgelöst,
so gilt in Ansehung der Sorge für die Person des Kindes das Gleiche, wie wenn
die Ehe geschieden ist und beide Ehegatten für schuldig erklärt sind.
§. 1638. Das Recht und die Pflicht, für das
Vermögen des Kindes zu sorgen (Vermögensverwaltung), erstreckt sich nicht auf
das Vermögen, welches das Kind von Todeswegen erwirbt oder welches ihm unter
Lebenden von einem Dritten unentgeltlich zugewendet wird, wenn der Erblasser
durch letztwillige Verfügung, der Dritte bei der Zuwendung bestimmt hat, daß
der Erwerb der Verwaltung des Vaters entzogen sein soll.
Was das Kind auf Grund eines zu einem solchen
Vermögen gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung
oder Entziehung eines zu dem Vermögen gehörenden Gegenstandes oder durch ein
Rechtsgeschäft erwirbt, das sich auf das Vermögen bezieht, ist gleichfalls der
Verwaltung des Vaters entzogen.
§. 1639. Was das Kind von Todeswegen erwirbt oder
was ihm unter Lebenden von einem Dritten unentgeltlich zugewendet wird, hat der
Vater nach den Anordnungen des Erblassers oder des Dritten zu verwalten, wenn
die Anordnungen von dem Erblasser durch letztwillige Verfügung, von dem Dritten
bei der Zuwendung getroffen worden sind. Kommt der Vater den Anordnungen nicht nach,
so hat das Vormundschaftsgericht die zu ihrer Durchführung erforderlichen
Maßregeln zu treffen.
Der Vater darf von den Anordnungen insoweit
abweichen, als es nach §. 1803 Abs. 2, 3 einem Vormunde gestattet ist.
§. 1640. Der Vater hat das seiner Verwaltung
unterliegende Vermögen des Kindes, welches bei dem Tode der Mutter vorhanden
ist oder dem Kinde später zufällt, zu verzeichnen und das Verzeichniß, nachdem
er es mit der Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit versehen hat,
dem Vormundschaftsgericht einzureichen. Bei Haushaltsgegenständen genügt die
Angabe des Gesammtwerths.
Ist das eingereichte Verzeichniß ungenügend, so
kann das Vormundschaftsgericht anordnen, daß das Verzeichniß durch eine
zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen
wird. Die Anordnung ist für das in Folge des Todes der Mutter dem Kinde
zufallende Vermögen unzulässig, wenn die Mutter sie durch letztwillige
Verfügung ausgeschlossen hat.
§. 1641. Der Vater kann nicht in Vertretung des
Kindes Schenkungen machen. Ausgenommen sind Schenkungen, durch die einer
sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht
entsprochen wird.
§. 1642. Der Vater hat das seiner Verwaltung
unterliegende Geld des Kindes, unbeschadet der Vorschrift des §. 1653, nach den
für die Anlegung von Mündelgeld geltenden Vorschriften der §§. 1807, 1808
verzinslich anzulegen, soweit es nicht zur Bestreitung von Ausgaben bereit zu
halten ist.
Das Vormundschaftsgericht kann dem Vater aus
besonderen Gründen eine andere Anlegung gestatten.
§. 1643. Zu Rechtsgeschäften für das Kind bedarf
der Vater der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts in den Fällen, in denen
nach §. 1821 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 und nach §. 1822 Nr. 1, 3, 5, 8 bis 11
ein Vormund der Genehmigung bedarf.
Das Gleiche gilt für die Ausschlagung einer
Erbschaft oder eines Vermächtnisses sowie für den Verzicht auf einen
Pflichttheil. Tritt der Anfall an das Kind erst in Folge der Ausschlagung des
Vaters ein, so ist die Genehmigung nur erforderlich, wenn der Vater neben dem
Kinde berufen war.
Die Vorschriften der §§. 1825, 1828 bis 1831 finden
entsprechende Anwendung.
§. 1644. Der Vater kann Gegenstände, zu deren
Veräußerung die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich ist, dem
Kinde nicht ohne diese Genehmigung zur Erfüllung eines von dem Kinde
geschlossenen Vertrags oder zu freier Verfügung überlassen.
§. 1645. Der Vater soll nicht ohne Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts ein neues Erwerbsgeschäft im Namen des Kindes beginnen.
§. 1646. Erwirbt der Vater mit Mitteln des Kindes
bewegliche Sachen, so geht mit dem Erwerbe das Eigenthum auf das Kind über, es
sei denn, daß der Vater nicht für Rechnung des Kindes erwerben will. Dies gilt
insbesondere auch von Inhaberpapieren und von Orderpapieren, die mit
Blankoindossament versehen sind.
Die Vorschriften des Abs. 1 finden entsprechende
Anwendung, wenn der Vater mit Mitteln des Kindes ein Recht an Sachen der
bezeichneten Art oder ein anderes Recht erwirbt, zu dessen Uebertragung der
Abtretungsvertrag genügt.
§. 1647. Die Vermögensverwaltung des Vaters endigt
mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den der Konkurs über das Vermögen
des Vaters eröffnet wird.
Nach der Aufhebung des Konkurses kann das
Vormundschaftsgericht die Verwaltung dem Vater wiederübertragen.
§. 1648. Macht der Vater bei der Sorge für die
Person oder das Vermögen des Kindes Aufwendungen, die er den Umständen nach für
erforderlich halten darf, so kann er von dem Kinde Ersatz verlangen, sofern
nicht die Aufwendungen ihm selbst zur Last fallen.
§. 1649. Dem Vater steht kraft der elterlichen
Gewalt die Nutznießung an dem Vermögen des Kindes zu.
§. 1650. Von der Nutznießung ausgeschlossen (freies
Vermögen) sind die ausschließlich zum persönlichen Gebrauche des Kindes
bestimmten Sachen, insbesondere Kleider, Schmucksachen und Arbeitsgeräthe.
§. 1651. Freies Vermögen ist:
1. was das Kind durch seine
Arbeit oder durch den ihm nach §. 112 gestatteten selbständigen Betrieb eines
Erwerbsgeschäfts erwirbt;
2. was das Kind von
Todeswegen erwirbt oder was ihm unter Lebenden von einem Dritten unentgeltlich
zugewendet wird, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung, der Dritte
bei der Zuwendung bestimmt hat, daß das Vermögen der Nutznießung entzogen sein
soll.
Die Vorschriften des §. 1638 Abs. 2 finden
entsprechende Anwendung.
§. 1652. Der Vater erwirbt die Nutzungen des seiner
Nutznießung unterliegenden Vermögens in derselben Weise und in demselben
Umfange wie ein Nießbraucher.
§. 1653. Der Vater darf verbrauchbare Sachen, die
zu dem seiner Nutznießung unterliegenden Vermögen gehören, für sich veräußern
oder verbrauchen, Geld jedoch nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.
Macht der Vater von dieser Befugniß Gebrauch, so hat er den Werth der Sachen
nach der Beendigung der Nutznießung zu ersetzen; der Ersatz ist schon vorher zu
leisten, wenn die ordnungsmäßige Verwaltung des Vermögens es erfordert.
§. 1654. Der Vater hat die Lasten des seiner
Nutznießung unterliegenden Vermögens zu tragen. Seine Haftung bestimmt sich
nach den für den Güterstand der Verwaltung und Nutznießung geltenden
Vorschriften der §§. 1384 bis 1386, 1388. Zu den Lasten gehören auch die Kosten
eines Rechtsstreits, der für das Kind geführt wird, sofern sie nicht dem freien
Vermögen zur Last fallen, sowie die Kosten der Vertheidigung des Kindes in
einem gegen das Kind gerichteten Strafverfahren, vorbehaltlich der
Ersatzpflicht des Kindes im Falle seiner Verurtheilung.
§. 1655. Gehört zu dem der Nutznießung
unterliegenden Vermögen ein Erwerbsgeschäft, das von dem Vater im Namen des
Kindes betrieben wird, so gebührt dem Vater nur der sich aus dem Betrieb
ergebende jährliche Reingewinn. Ergiebt sich in einem Jahre ein Verlust, so
verbleibt der Gewinn späterer Jahre bis zur Ausgleichung des Verlustes dem
Kinde.
§. 1656. Steht dem Vater die Verwaltung des seiner
Nutznießung unterliegenden Vermögens nicht zu, so kann er auch die Nutznießung
nicht ausüben; er kann jedoch die Herausgabe der Nutzungen verlangen, soweit
nicht ihre Verwendung zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Vermögens und zur
Bestreitung der Lasten der Nutznießung erforderlich ist.
Ruht die elterliche Gewalt des Vaters oder ist dem
Vater die Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes durch das
Vormundschaftsgericht entzogen, so können die Kosten des Unterhalts des Kindes
aus den Nutzungen insoweit vorweg entnommen werden, als sie dem Vater zur Last
fallen.
§. 1657. Ist der Vater von der Ausübung der
Nutznießung ausgeschlossen, so hat er eine ihm dem Kinde gegenüber obliegende
Verbindlichkeit, die in Folge der Nutznießung erst nach deren Beendigung zu
erfüllen sein würde, sofort zu erfüllen. Diese Vorschrift findet keine
Anwendung, wenn die elterliche Gewalt ruht.
§. 1658. Das Recht, das dem Vater kraft seiner
Nutznießung an dem Vermögen des Kindes zusteht, ist nicht übertragbar.
Das Gleiche gilt von den nach den §§. 1655, 1656
dem Vater zustehenden Ansprüchen, solange sie nicht fällig sind.
§. 1659. Die Gläubiger des Kindes können ohne
Rücksicht auf die elterliche Nutznießung Befriedigung aus dem Vermögen des Kindes
verlangen.
Hat der Vater verbrauchbare Sachen nach §. 1653
veräußert oder verbraucht, so ist er den Gläubigern gegenüber zum sofortigen
Ersatze verpflichtet.
§. 1660. Im Verhältnisse des Vaters und des Kindes
zu einander finden in Ansehung der Verbindlichkeiten des Kindes die für den
Güterstand der Verwaltung und Nutznießung geltenden Vorschriften des §. 1415,
des §. 1416 Abs. 1 und des §. 1417 entsprechende Anwendung.
§. 1661. Die Nutznießung endigt, wenn sich das Kind
verheirathet. Die Nutznießung verbleibt jedoch dem Vater, wenn die Ehe ohne die
erforderliche elterliche Einwilligung geschlossen wird.
§. 1662. Der Vater kann auf die Nutznießung
verzichten. Der Verzicht erfolgt durch Erklärung gegenüber dem
Vormundschaftsgerichte; die Erklärung ist in öffentlich beglaubigter Form
abzugeben.
§. 1663. Hat der Vater kraft seiner Nutznießung ein
zu dem Vermögen des Kindes gehörendes Grundstück vermiethet oder verpachtet, so
finden, wenn das Mieth- oder Pachtverhältniß bei der Beendigung der Nutznießung
noch besteht, die Vorschriften des §. 1056 entsprechende Anwendung.
Gehört zu dem der Nutznießung unterliegenden
Vermögen ein landwirthschaftliches Grundstück, so findet die Vorschrift des §.
592, gehört zu dem Vermögen ein Landgut, so finden die Vorschriften der §§.
592, 593 entsprechende Anwendung.
§. 1664. Der Vater hat bei der Ausübung der
elterlichen Gewalt dem Kinde gegenüber nur für diejenige Sorgfalt einzustehen,
welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
§. 1665. Ist der Vater verhindert, die elterliche
Gewalt auszuüben, so hat das Vormundschaftsgericht, sofern nicht die elterliche
Gewalt nach §. 1685 von der Mutter ausgeübt wird, die im Interesse des Kindes
erforderlichen Maßregeln zu treffen.
§. 1666. Wird das geistige oder leibliche Wohl des
Kindes dadurch gefährdet, daß der Vater das Recht der Sorge für die Person des
Kindes mißbraucht, das Kind vernachlässigt oder sich eines ehrlosen oder
unsittlichen Verhaltens schuldig macht, so hat das Vormundschaftsgericht die
zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßregeln zu treffen. Das
Vormundschaftsgericht kann insbesondere anordnen, daß das Kind zum Zwecke der
Erziehung in einer geeigneten Familie oder in einer Erziehungsanstalt oder
einer Besserungsanstalt untergebracht wird.
Hat der Vater das Recht des Kindes auf Gewährung
des Unterhalts verletzt und ist für die Zukunft eine erhebliche Gefährdung des
Unterhalts zu besorgen, so kann dem Vater auch die Vermögensverwaltung sowie
die Nutznießung entzogen werden.
§. 1667. Wird das Vermögen des Kindes dadurch
gefährdet, daß der Vater die mit der Vermögensverwaltung oder die mit der
Nutznießung verbundenen Pflichten verletzt oder daß er in Vermögensverfall
geräth, so hat das Vormundschaftsgericht die zur Abwendung der Gefahr
erforderlichen Maßregeln zu treffen.
Das Vormundschaftsgericht kann insbesondere
anordnen, daß der Vater ein Verzeichniß des Vermögens einreicht und über seine
Verwaltung Rechnung legt. Der Vater hat das Verzeichniß mit der Versicherung
der Richtigkeit und Vollständigkeit zu versehen. Ist das eingereichte
Verzeichniß ungenügend, so findet die Vorschrift des §. 1640 Abs. 2 Satz 1
Anwendung. Das Vormundschaftsgericht kann auch, wenn Werthpapiere,
Kostbarkeiten oder Buchforderungen gegen das Reich oder einen Bundesstaat zu
dem Vermögen des Kindes gehören, dem Vater die gleichen Verpflichtungen
auferlegen, welche nach den §§. 1814 bis 1816, 1818 einem Vormund obliegen; die
Vorschriften der §§. 1819, 1820 finden entsprechende Anwendung.
Die Kosten der angeordneten Maßregeln fallen dem
Vater zur Last.
§. 1668. Sind die nach §. 1667 Abs. 2 zulässigen
Maßregeln nicht ausreichend, so kann das Vormundschaftsgericht dem Vater
Sicherheitsleistung für das seiner Verwaltung unterliegende Vermögen
auferlegen. Die Art und den Umfang der Sicherheitsleistung bestimmt das
Vormundschaftsgericht nach seinem Ermessen.
§. 1669. Will der Vater eine neue Ehe eingehen, so
hat er seine Absicht dem Vormundschaftsgericht anzuzeigen, auf seine Kosten ein
Verzeichniß des seiner Verwaltung unterliegenden Vermögens einzureichen und,
soweit in Ansehung dieses Vermögens eine Gemeinschaft zwischen ihm und dem
Kinde besteht, die Auseinandersetzung herbeizuführen. Das Vormundschaftsgericht
kann gestatten, daß die Auseinandersetzung erst nach der Eheschließung erfolgt.
§. 1670. Kommt der Vater den nach den §§. 1667,
1668 getroffenen Anordnungen nicht nach oder erfüllt er die ihm nach den §§.
1640, 1669 obliegenden Verpflichtungen nicht, so kann ihm das
Vormundschaftsgericht die Vermögensverwaltung entziehen. Zur Erzwingung der
Sicherheitsleistung sind andere Maßregeln nicht zulässig.
§. 1671. Das Vormundschaftsgericht kann während der
Dauer der elterlichen Gewalt die von ihm getroffenen Anordnungen jederzeit
ändern, insbesondere die Erhöhung, Minderung oder Aufhebung der geleisteten
Sicherheit anordnen.
§. 1672. Bei der Bestellung und Aufhebung der
Sicherheit wird die Mitwirkung des Kindes durch die Anordnung des
Vormundschaftsgerichts ersetzt.
Die Kosten der Bestellung und Aufhebung der
Sicherheit fallen dem Vater zur Last.
§. 1673. Das Vormundschaftsgericht soll vor einer
Entscheidung, durch welche die Sorge für die Person oder das Vermögen des
Kindes oder die Nutznießung dem Vater entzogen oder beschränkt wird, den Vater
hören, es sei denn, daß die Anhörung unthunlich ist.
Vor der Entscheidung sollen auch Verwandte,
insbesondere die Mutter, oder Verschwägerte des Kindes gehört werden, wenn es
ohne erhebliche Verzögerung und ohne unverhältnißmäßige Kosten geschehen kann.
Für den Ersatz der Auslagen gilt die Vorschrift des §. 1847 Abs. 2.
§. 1674. Verletzt der Vormundschaftsrichter
vorsätzlich oder fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten, so ist er dem Kinde
nach §. 839 Abs. 1, 3 verantwortlich.
§. 1675. Der Gemeindewaisenrath hat dem
Vormundschaftsgericht Anzeige zu machen, wenn ein Fall zu seiner Kenntniß
gelangt, in welchem das Vormundschaftsgericht zum Einschreiten berufen ist.
§. 1676. Die elterliche Gewalt des Vaters ruht,
wenn er geschäftsunfähig ist.
Das Gleiche gilt, wenn der Vater in der
Geschäftsfähigkeit beschränkt ist oder wenn er nach §. 1910 Abs. 1 einen
Pfleger für seine Person und sein Vermögen erhalten hat. Die Sorge für die
Person des Kindes steht ihm neben dem gesetzlichen Vertreter des Kindes zu; zur
Vertretung des Kindes ist er nicht berechtigt. Bei einer Meinungsverschiedenheit
zwischen dem Vater und dem gesetzlichen Vertreter geht die Meinung des
gesetzlichen Vertreters vor.
§. 1677. Die elterliche Gewalt des Vaters ruht,
wenn von dem Vormundschaftsgerichte festgestellt wird, daß der Vater auf
längere Zeit an der Ausübung der elterlichen Gewalt thatsächlich verhindert
ist.
Das Ruhen endigt, wenn von dem
Vormundschaftsgerichte festgestellt wird, daß der Grund nicht mehr besteht.
§. 1678. Solange die elterliche Gewalt des Vaters
ruht, ist der Vater nicht berechtigt, sie auszuüben; es verbleibt ihm jedoch
die Nutznießung an dem Vermögen des Kindes, unbeschadet der Vorschrift des §.
1685 Abs. 2.
§. 1679. Die elterliche Gewalt des Vaters endigt,
wenn er für todt erklärt wird, mit dem Zeitpunkte, der als Zeitpunkt des Todes
gilt.
Lebt der Vater noch, so erlangt er die elterliche
Gewalt dadurch wieder, daß er dem Vormundschaftsgerichte gegenüber seinen
hierauf gerichteten Willen erklärt.
§. 1680. Der Vater verwirkt die elterliche Gewalt,
wenn er wegen eines an dem Kinde verübten Verbrechens oder vorsätzlich verübten
Vergehens zu Zuchthausstrafe oder zu einer Gefängnißstrafe von mindestens sechs
Monaten verurtheilt wird. Wird wegen des Zusammentreffens mit einer anderen
strafbaren Handlung auf eine Gesammtstrafe erkannt, so entscheidet die
Einzelstrafe, welche für das an dem Kinde verübte Verbrechen oder Vergehen
verwirkt ist.
Die Verwirkung der elterlichen Gewalt tritt mit der
Rechtskraft des Urtheils ein.
§. 1681. Endigt oder ruht die elterliche Gewalt des
Vaters oder hört aus einem anderen Grunde seine Vermögensverwaltung auf, so hat
er dem Kinde das Vermögen herauszugeben und über die Verwaltung Rechenschaft
abzulegen.
§. 1682. Der Vater ist auch nach der Beendigung
seiner elterlichen Gewalt zur Fortführung der mit der Sorge für die Person und
das Vermögen des Kindes verbundenen Geschäfte berechtigt, bis er von der
Beendigung Kenntniß erlangt oder sie kennen muß. Ein Dritter kann sich auf
diese Berechtigung nicht berufen, wenn er bei der Vornahme eines Rechtsgeschäfts
die Beendigung der elterlichen Gewalt kennt oder kennen muß.
Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung,
wenn die elterliche Gewalt des Vaters ruht oder aus einem anderen Grunde seine
Vermögensverwaltung aufhört.
§. 1683. Endigt die elterliche Gewalt in Folge des
Todes des Kindes, so hat der Vater diejenigen Geschäfte, mit deren Aufschube
Gefahr verbunden ist, zu besorgen, bis der Erbe anderweit Fürsorge treffen
kann.
2. Elterliche Gewalt der Mutter.
§. 1684. Der Mutter steht die elterliche Gewalt zu:
1. wenn der Vater gestorben
oder für todt erklärt ist;
2. wenn der Vater die
elterliche Gewalt verwirkt hat und die Ehe aufgelöst ist.
Im Falle der Todeserklärung beginnt die elterliche
Gewalt der Mutter mit dem Zeitpunkte, der als Zeitpunkt des Todes des Vaters
gilt.
§. 1685. Ist der Vater an der Ausübung der
elterlichen Gewalt thatsächlich verhindert oder ruht seine elterliche Gewalt,
so übt während der Dauer der Ehe die Mutter die elterliche Gewalt mit Ausnahme
der Nutznießung aus.
Ist die Ehe aufgelöst, so hat das
Vormundschaftsgericht der Mutter auf ihren Antrag die Ausübung zu übertragen,
wenn die elterliche Gewalt des Vaters ruht und keine Aussicht besteht, daß der
Grund des Ruhens wegfallen werde. Die Mutter erlangt in diesem Falle auch die
Nutznießung an dem Vermögen des Kindes.
§. 1686. Auf die elterliche Gewalt der Mutter
finden die für die elterliche Gewalt des Vaters geltenden Vorschriften
Anwendung, soweit sich nicht aus den §§. 1687 bis 1697 ein Anderes ergiebt.
§. 1687. Das Vormundschaftsgericht hat der Mutter
einen Beistand zu bestellen:
1. wenn der Vater die
Bestellung nach Maßgabe des §. 1777 angeordnet hat;
2. wenn die Mutter die
Bestellung beantragt;
3. wenn das
Vormundschaftsgericht aus besonderen Gründen, insbesondere wegen des Umfanges
oder der Schwierigkeit der Vermögensverwaltung, oder in den Fällen der §§.
1666, 1667 die Bestellung im Interesse des Kindes für nöthig erachtet.
§. 1688. Der Beistand kann für alle
Angelegenheiten, für gewisse Arten von Angelegenheiten oder für einzelne
Angelegenheiten bestellt werden.
Ueber den Umfang seines Wirkungskreises entscheidet
die Bestellung. Ist der Umfang nicht bestimmt, so fallen alle Angelegenheiten
in seinen Wirkungskreis.
Hat der Vater die Bestellung angeordnet, so hat das
Vormundschaftsgericht Bestimmungen, die er nach Maßgabe des §. 1777 über den
Umfang des Wirkungskreises getroffen hat, bei der Bestellung zu befolgen.
§. 1689. Der Beistand hat innerhalb seines
Wirkungskreises die Mutter bei der Ausübung der elterlichen Gewalt zu unterstützen
und zu überwachen; er hat dem Vormundschaftsgerichte jeden Fall, in welchem es
zum Einschreiten berufen ist, unverzüglich anzuzeigen.
§. 1690. Die Genehmigung des Beistandes ist
innerhalb seines Wirkungskreises zu jedem Rechtsgeschäft erforderlich, zu dem
ein Vormund der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts oder des Gegenvormundes
bedarf. Ausgenommen sind Rechtsgeschäfte, welche die Mutter nicht ohne die
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts vornehmen kann. Die Vorschriften der §§.
1828 bis 1831 finden entsprechende Anwendung.
Die Genehmigung des Beistandes wird durch die
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ersetzt.
Das Vormundschaftsgericht soll vor der Entscheidung
über die Genehmigung in allen Fällen, in denen das Rechtsgeschäft zu dem
Wirkungskreise des Beistandes gehört, den Beistand hören, sofern ein solcher
vorhanden und die Anhörung thunlich ist.
§. 1691. Soweit die Anlegung des zu dem Vermögen
des Kindes gehörenden Geldes in den Wirkungskreis des Beistandes fällt, finden
die für die Anlegung von Mündelgeld geltenden Vorschriften der §§. 1809, 1810
entsprechende Anwendung.
§. 1692. Hat die Mutter ein Vermögensverzeichniß
einzureichen, so ist bei der Aufnahme des Verzeichnisses der Beistand
zuzuziehen; das Verzeichniß ist auch von dem Beistande mit der Versicherung der
Richtigkeit und Vollständigkeit zu versehen. Ist das Verzeichniß ungenügend, so
finden, sofern nicht die Voraussetzungen des §. 1667 vorliegen, die
Vorschriften des §. 1640 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
§. 1693. Das Vormundschaftsgericht kann auf Antrag
der Mutter dem Beistande die Vermögensverwaltung ganz oder theilweise
übertragen; soweit dies geschieht, hat der Beistand die Rechte und Pflichten
eines Pflegers.
§. 1694. Für die Berufung, Bestellung und
Beaufsichtigung des Beistandes, für seine Haftung und seine Ansprüche, für die
ihm zu bewilligende Vergütung und für die Beendigung seines Amtes gelten die
gleichen Vorschriften wie bei dem Gegenvormunde.
Das Amt des Beistandes endigt auch dann, wenn die
elterliche Gewalt der Mutter ruht.
§. 1695. Das Vormundschaftsgericht kann in den
Fällen des §. 1687 Nr. 2, 3 die Bestellung des Beistandes und im Falle des §.
1693 die Uebertragung der Vermögensverwaltung auf den Beistand jederzeit
aufheben.
Ist die Bestellung des Beistandes nach §. 1687 Nr.
2 erfolgt, so soll sie nur mit Zustimmung der Mutter aufgehoben werden. Das
Gleiche gilt für die Uebertragung der Vermögensverwaltung auf den Beistand.
§. 1696. Ruht die elterliche Gewalt der Mutter
wegen Minderjährigkeit, so hat die Mutter das Recht und die Pflicht, für die
Person des Kindes zu sorgen; zur Vertretung des Kindes ist sie nicht
berechtigt. Der Vormund des Kindes hat, soweit der Mutter die Sorge zusteht,
die rechtliche Stellung eines Beistandes.
§. 1697. Die Mutter verliert die elterliche Gewalt,
wenn sie eine neue Ehe eingeht. Sie behält jedoch unter den im §. 1696
bestimmten Beschränkungen das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes
zu sorgen.
§. 1698. Wird für das Kind ein Vormund bestellt,
weil die elterliche Gewalt des Vaters ruht oder verwirkt ist oder weil die
Vertretung des Kindes dem Vater entzogen ist, oder wird für die Erziehung des
Kindes an Stelle des Vaters ein Pfleger bestellt, so steht der Mutter die Sorge
für die Person des Kindes neben dem Vormund oder dem Pfleger in gleicher Weise
zu wie nach §. 1634 neben dem Vater.
Fünfter Titel.
Rechtliche Stellung der Kinder aus nichtigen Ehen.
§. 1699. Ein Kind aus einer nichtigen Ehe, das im
Falle der Gültigkeit der Ehe ehelich sein würde, gilt als ehelich, sofern nicht
beide Ehegatten die Nichtigkeit der Ehe bei der Eheschließung gekannt haben.
Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die
Nichtigkeit der Ehe auf einem Formmangel beruht und die Ehe nicht in das
Heirathsregister eingetragen worden ist.
§. 1700. Das Rechtsverhältniß zwischen den Eltern
und einem Kinde, das nach §. 1699 als ehelich gilt, bestimmt sich, soweit sich
nicht aus den §§. 1701, 1702 ein Anderes ergiebt, nach den Vorschriften, die
für ein Kind aus einer geschiedenen Ehe gelten, wenn beide Ehegatten für
schuldig erklärt sind.
§. 1701. War dem Vater die Nichtigkeit der Ehe bei
der Eheschließung bekannt, so hat er nicht die sich aus der Vaterschaft
ergebenden Rechte. Die elterliche Gewalt steht der Mutter zu.
§. 1702. War der Mutter die Nichtigkeit der Ehe bei
der Eheschließung bekannt, so hat sie in Ansehung des Kindes nur diejenigen
Rechte, welche im Falle der Scheidung der allein für schuldig erklärten Frau
zustehen.
Stirbt der Vater oder endigt seine elterliche
Gewalt aus einem anderen Grunde, so hat die Mutter nur das Recht und die
Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen; zur Vertretung des Kindes ist sie
nicht berechtigt. Der Vormund des Kindes hat, soweit der Mutter die Sorge
zusteht, die rechtliche Stellung eines Beistandes.
Die Vorschriften des Abs. 2 finden auch dann
Anwendung, wenn die elterliche Gewalt des Vaters wegen seiner
Geschäftsunfähigkeit oder nach §. 1677 ruht.
§. 1703. Gilt das Kind nicht als ehelich, weil
beiden Ehegatten die Nichtigkeit der Ehe bei der Eheschließung bekannt war, so
kann es gleichwohl von dem Vater, solange er lebt, Unterhalt wie ein eheliches
Kind verlangen. Das im §. 1612 Abs. 2 bestimmte Recht steht dem Vater nicht zu.
§. 1704. Ist die Ehe wegen Drohung anfechtbar und
angefochten, so steht der anfechtungsberechtigte Ehegatte einem Ehegatten
gleich, dem die Nichtigkeit der Ehe bei der Eheschließung unbekannt war.
Sechster Titel.
Rechtliche Stellung der unehelichen Kinder.
§. 1705. Das uneheliche Kind hat im Verhältnisse zu
der Mutter und zu den Verwandten der Mutter die rechtliche Stellung eines
ehelichen Kindes.
§. 1706. Das uneheliche Kind erhält den
Familiennamen der Mutter.
Führt die Mutter in Folge ihrer Verheirathung einen
anderen Namen, so erhält das Kind den Familiennamen, den die Mutter vor der
Verheirathung geführt hat. Der Ehemann der Mutter kann durch Erklärung
gegenüber der zuständigen Behörde dem Kinde mit Einwilligung des Kindes und der
Mutter seinen Namen ertheilen; die Erklärung des Ehemanns sowie die
Einwilligungserklärungen des Kindes und der Mutter sind in öffentlich
beglaubigter Form abzugeben.
§. 1707. Der Mutter steht nicht die elterliche
Gewalt über das uneheliche Kind zu. Sie hat das Recht und die Pflicht, für die
Person des Kindes zu sorgen; zur Vertretung des Kindes ist sie nicht
berechtigt. Der Vormund des Kindes hat, soweit der Mutter die Sorge zusteht,
die rechtliche Stellung eines Beistandes.
§. 1708. Der Vater des unehelichen Kindes ist
verpflichtet, dem Kinde bis zur Vollendung des sechzehnten Lebensjahrs den der
Lebensstellung der Mutter entsprechenden Unterhalt zu gewähren. Der Unterhalt
umfaßt den gesammten Lebensbedarf sowie die Kosten der Erziehung und der
Vorbildung zu einem Berufe.
Ist das Kind zur Zeit der Vollendung des
sechzehnten Lebensjahrs in Folge körperlicher oder geistiger Gebrechen außer
Stande, sich selbst zu unterhalten, so hat ihm der Vater auch über diese Zeit
hinaus Unterhalt zu gewähren; die Vorschrift des §. 1603 Abs. 1 findet
Anwendung.
§. 1709. Der Vater ist vor der Mutter und den
mütterlichen Verwandten des Kindes unterhaltspflichtig.
Soweit die Mutter oder ein unterhaltspflichtiger
mütterlicher Verwandter dem Kinde den Unterhalt gewährt, geht der
Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den Vater auf die Mutter oder den
Verwandten über. Der Uebergang kann nicht zum Nachtheile des Kindes geltend
gemacht werden.
§. 1710. Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer
Geldrente zu gewähren.
Die Rente ist für drei Monate vorauszuzahlen. Durch
eine Vorausleistung für eine spätere Zeit wird der Vater nicht befreit.
Hat das Kind den Beginn des Vierteljahrs erlebt, so
gebührt ihm der volle auf das Vierteljahr entfallende Betrag.
§. 1711. Der Unterhalt kann auch für die
Vergangenheit verlangt werden.
§. 1712. Der Unterhaltsanspruch erlischt nicht mit
dem Tode des Vaters; er steht dem Kinde auch dann zu, wenn der Vater vor der
Geburt des Kindes gestorben ist.
Der Erbe des Vaters ist berechtigt, das Kind mit
dem Betrag abzufinden, der dem Kinde als Pflichttheil gebühren würde, wenn es
ehelich wäre. Sind mehrere uneheliche Kinder vorhanden, so wird die Abfindung
so berechnet wie wenn sie alle ehelich wären.
§. 1713. Der Unterhaltsanspruch erlischt mit dem
Tode des Kindes, soweit er nicht auf Erfüllung oder Schadensersatz wegen
Nichterfüllung für die Vergangenheit oder auf solche im voraus zu bewirkende
Leistungen gerichtet ist, die zur Zeit des Todes des Kindes fällig sind.
Die Kosten der Beerdigung hat der Vater zu tragen,
soweit ihre Bezahlung nicht von dem Erben des Kindes zu erlangen ist.
§. 1714. Eine Vereinbarung zwischen dem Vater und
dem Kinde über den Unterhalt für die Zukunft oder über eine an Stelle des
Unterhalts zu gewährende Abfindung bedarf der Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts.
Ein unentgeltlicher Verzicht auf den Unterhalt für
die Zukunft ist nichtig.
§. 1715. Der Vater ist verpflichtet, der Mutter die
Kosten der Entbindung sowie die Kosten des Unterhalts für die ersten sechs
Wochen nach der Entbindung und, falls in Folge der Schwangerschaft oder der
Entbindung weitere Aufwendungen nothwendig werden, auch die dadurch
entstehenden Kosten zu ersetzen. Den gewöhnlichen Betrag der zu ersetzenden
Kosten kann die Mutter ohne Rücksicht auf den wirklichen Aufwand verlangen.
Der Anspruch steht der Mutter auch dann zu, wenn
der Vater vor der Geburt des Kindes gestorben oder wenn das Kind todt geboren
ist.
Der Anspruch verjährt in vier Jahren. Die
Verjährung beginnt mit dem Ablaufe von sechs Wochen nach der Geburt des Kindes.
§. 1716. Schon vor der Geburt des Kindes kann auf
Antrag der Mutter durch einstweilige Verfügung angeordnet werden, daß der Vater
den für die ersten drei Monate dem Kinde zu gewährenden Unterhalt alsbald nach
der Geburt an die Mutter oder an den Vormund zu zahlen und den erforderlichen
Betrag angemessene Zeit vor der Geburt zu hinterlegen hat. In gleicher Weise
kann auf Antrag der Mutter die Zahlung des gewöhnlichen Betrags der nach §.
1715 Abs. 1 zu ersetzenden Kosten an die Mutter und die Hinterlegung des
erforderlichen Betrags angeordnet werden.
Zur Erlassung der einstweiligen Verfügung ist nicht
erforderlich, daß eine Gefährdung des Anspruchs glaubhaft gemacht wird.
§. 1717. Als Vater des unehelichen Kindes im Sinne
der §§. 1708 bis 1716 gilt, wer der Mutter innerhalb der Empfängnißzeit
beigewohnt hat, es sei denn, daß auch ein Anderer ihr innerhalb dieser Zeit
beigewohnt hat. Eine Beiwohnung bleibt jedoch außer Betracht, wenn es den
Umständen nach offenbar unmöglich ist, daß die Mutter das Kind aus dieser
Beiwohnung empfangen hat.
Als Empfängnißzeit gilt die Zeit von dem
einhunderteinundachtzigsten bis zu dem dreihundertundzweiten Tage vor dem Tage
der Geburt des Kindes, mit Einschluß sowohl des einhunderteinundachtzigsten als
des dreihundertundzweiten Tages.
§. 1718. Wer seine Vaterschaft nach der Geburt des
Kindes in einer öffentlichen Urkunde anerkennt, kann sich nicht darauf berufen,
daß ein Anderer der Mutter innerhalb der Empfängnißzeit beigewohnt habe.
Siebenter Titel.
Legitimation unehelicher Kinder.
I. Legitimation durch nachfolgende Ehe.
§. 1719. Ein uneheliches Kind erlangt dadurch, daß
sich der Vater mit der Mutter verheirathet, mit der Eheschließung die
rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes.
§. 1720. Der Ehemann der Mutter gilt als Vater des
Kindes, wenn er ihr innerhalb der im §. 1717 Abs. 2 bestimmten Empfängnißzeit
beigewohnt hat, es sei denn, daß es den Umständen nach offenbar unmöglich ist,
daß die Mutter das Kind aus dieser Beiwohnung empfangen hat.
Erkennt der Ehemann seine Vaterschaft nach der
Geburt des Kindes in einer öffentlichen Urkunde an, so wird vermuthet, daß er der
Mutter innerhalb der Empfängnißzeit beigewohnt habe.
§. 1721. Ist die Ehe der Eltern nichtig, so finden
die Vorschriften der §§. 1699 bis 1704 entsprechende Anwendung.
§. 1722. Die Eheschließung zwischen den Eltern hat
für die Abkömmlinge des unehelichen Kindes die Wirkungen der Legitimation auch
dann, wenn das Kind vor der Eheschließung gestorben ist.
II. Ehelichkeitserklärung.
§. 1723. Ein uneheliches Kind kann auf Antrag
seines Vaters durch eine Verfügung der Staatsgewalt für ehelich erklärt werden.
Die Ehelichkeitserklärung steht dem Bundesstaate
zu, dem der Vater angehört; ist der Vater ein Deutscher, der keinem Bundesstaat
angehört, so steht sie dem Reichskanzler zu.
Ueber die Ertheilung der einem Bundesstaate
zustehenden Ehelichkeitserklärung hat die Landesregierung zu bestimmen.
§. 1724. Die Ehelichkeitserklärung kann nicht unter
einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgen.
§. 1725. Der Antrag muß die Erklärung des Vaters
enthalten, daß er das Kind als das seinige anerkenne.
§. 1726. Zur Ehelichkeitserklärung ist die
Einwilligung des Kindes und, wenn das Kind nicht das einundzwanzigste
Lebensjahr vollendet hat, die Einwilligung der Mutter erforderlich. Ist der
Vater verheirathet, so bedarf er auch der Einwilligung seiner Frau.
Die Einwilligung hat dem Vater oder der Behörde
gegenüber zu erfolgen, bei welcher der Antrag einzureichen ist; sie ist
unwiderruflich.
Die Einwilligung der Mutter ist nicht erforderlich,
wenn die Mutter zur Abgabe einer Erklärung dauernd außer Stande oder ihr
Aufenthalt dauernd unbekannt ist. Das Gleiche gilt von der Einwilligung der
Frau des Vaters.
§. 1727. Wird die Einwilligung von der Mutter
verweigert, so kann sie auf Antrag des Kindes durch das Vormundschaftsgericht
ersetzt werden, wenn das Unterbleiben der Ehelichkeitserklärung dem Kinde zu
unverhältnißmäßigem Nachtheile gereichen würde.
§. 1728. Der Antrag auf Ehelichkeitserklärung sowie
die Einwilligung der im §. 1726 bezeichneten Personen kann nicht durch einen
Vertreter erfolgen.
Ist das Kind geschäftsunfähig oder hat es nicht das
vierzehnte Lebensjahr vollendet, so kann sein gesetzlicher Vertreter die
Einwilligung mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ertheilen.
§. 1729. Ist der Vater in der Geschäftsfähigkeit
beschränkt, so bedarf er zu dem Antrag, außer der Zustimmung seines
gesetzlichen Vertreters, der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.
Ist das Kind in der Geschäftsfähigkeit beschränkt,
so gilt das Gleiche für die Ertheilung seiner Einwilligung.
Ist die Mutter des Kindes oder die Frau des Vaters
in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so ist zur Ertheilung ihrer Einwilligung
die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nicht erforderlich.
§. 1730. Der Antrag sowie die
Einwilligungserklärung der im §. 1726 bezeichneten Personen bedarf der
gerichtlichen oder notariellen Beurkundung.
§. 1731. Ist der Antrag oder die Einwilligung einer
der im §. 1726 bezeichneten Personen anfechtbar, so gelten für die Anfechtung
und für die Bestätigung der anfechtbaren Erklärung die Vorschriften der §§.
1728, 1729.
§. 1732. Die Ehelichkeitserklärung ist nicht
zulässig, wenn zur Zeit der Erzeugung des Kindes die Ehe zwischen den Eltern
nach §. 1310 Abs. 1 wegen Verwandtschaft oder Schwägerschaft verboten war.
§. 1733. Die Ehelichkeitserklärung kann nicht nach
dem Tode des Kindes erfolgen.
Nach dem Tode des Vaters ist die
Ehelichkeitserklärung nur zulässig, wenn der Vater den Antrag bei der
zuständigen Behörde eingereicht oder bei oder nach der gerichtlichen oder
notariellen Beurkundung des Antrags das Gericht oder den Notar mit der
Einreichung betraut hat.
Die nach dem Tode des Vaters erfolgte
Ehelichkeitserklärung hat die gleiche Wirkung, wie wenn sie vor dem Tode des
Vaters erfolgt wäre.
§. 1734. Die Ehelichkeitserklärung kann versagt
werden, auch wenn ihr ein gesetzliches Hinderniß nicht entgegensteht.
§. 1735. Auf die Wirksamkeit der
Ehelichkeitserklärung ist es ohne Einfluß, wenn der Antragsteller nicht der
Vater des Kindes ist oder wenn mit Unrecht angenommen worden ist, daß die
Mutter des Kindes oder die Frau des Vaters zur Abgabe einer Erklärung dauernd
außer Stande oder ihr Aufenthalt dauernd unbekannt sei.
§. 1736. Durch die Ehelichkeitserklärung erlangt
das Kind die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes.
§. 1737. Die Wirkungen der Ehelichkeitserklärung
erstrecken sich auf die Abkömmlinge des Kindes; sie erstrecken sich nicht auf
die Verwandten des Vaters. Die Frau des Vaters wird nicht mit dem Kinde, der
Ehegatte des Kindes wird nicht mit dem Vater verschwägert.
Die Rechte und Pflichten, die sich aus dem
Verwandtschaftsverhältnisse zwischen dem Kinde und seinen Verwandten ergeben,
bleiben unberührt, soweit nicht das Gesetz ein Anderes vorschreibt.
§. 1738. Mit der Ehelichkeitserklärung verliert die
Mutter das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen. Hat sie
dem Kinde Unterhalt zu gewähren, so treten Recht und Pflicht wieder ein, wenn
die elterliche Gewalt des Vaters endigt oder wenn sie wegen
Geschäftsunfähigkeit des Vaters oder nach §. 1677 ruht.
§. 1739. Der Vater ist dem Kinde und dessen
Abkömmlingen vor der Mutter und den mütterlichen Verwandten zur Gewährung des
Unterhalts verpflichtet.
§. 1740. Will der Vater eine Ehe eingehen, während
er die elterliche Gewalt über das Kind hat, so finden die Vorschriften der §§.
1669 bis 1671 Anwendung.
Achter Titel.
Annahme an Kindesstatt.
§. 1741. Wer keine ehelichen Abkömmlinge hat, kann
durch Vertrag mit einem Anderen diesen an Kindesstatt annehmen. Der Vertrag
bedarf der Bestätigung durch das zuständige Gericht.
§. 1742. Die Annahme an Kindesstatt kann nicht
unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgen.
§. 1743. Das Vorhandensein eines angenommenen
Kindes steht einer weiteren Annahme an Kindesstatt nicht entgegen.
§. 1744. Der Annehmende muß das fünfzigste
Lebensjahr vollendet haben und mindestens achtzehn Jahre älter sein als das
Kind.
§. 1745. Von den Erfordernissen des §. 1744 kann
Befreiung bewilligt werden, von der Vollendung des fünfzigsten Lebensjahrs
jedoch nur, wenn der Annehmende volljährig ist.
Die Bewilligung steht dem Bundesstaate zu, dem der
Annehmende angehört; ist der Annehmende ein Deutscher, der keinem Bundesstaat
angehört, so steht die Bewilligung dem Reichskanzler zu.
Ueber die Ertheilung der einem Bundesstaate
zustehenden Bewilligung hat die Landesregierung zu bestimmen.
§. 1746. Wer verheirathet ist, kann nur mit
Einwilligung seines Ehegatten an Kindesstatt annehmen oder angenommen werden.
Die Einwilligung ist nicht erforderlich, wenn der
Ehegatte zur Abgabe einer Erklärung dauernd außer Stande oder sein Aufenthalt
dauernd unbekannt ist.
§. 1747. Ein eheliches Kind kann bis zur Vollendung
des einundzwanzigsten Lebensjahrs nur mit Einwilligung der Eltern, ein
uneheliches Kind kann bis zum gleichen Lebensalter nur mit Einwilligung der
Mutter an Kindesstatt angenommen werden. Die Vorschrift des §. 1746 Abs. 2
findet entsprechende Anwendung.
§. 1748. Die Einwilligung der in den §§. 1746, 1747
bezeichneten Personen hat dem Annehmenden oder dem Kinde oder dem für die
Bestätigung des Annahmevertrags zuständigen Gerichte gegenüber zu erfolgen; sie
ist unwiderruflich.
Die Einwilligung kann nicht durch einen Vertreter
ertheilt werden. Ist der Einwilligende in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so
bedarf er nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters.
Die Einwilligungserklärung bedarf der gerichtlichen
oder notariellen Beurkundung.
§. 1749. Als gemeinschaftliches Kind kann ein Kind
nur von einem Ehepaar angenommen werden.
Ein angenommenes Kind kann, solange das durch die
Annahme begründete Rechtsverhältniß besteht, nur von dem Ehegatten des
Annehmenden an Kindesstatt angenommen werden.
§. 1750. Der Annahmevertrag kann nicht durch einen
Vertreter geschlossen werden. Hat das Kind nicht das vierzehnte Lebensjahr
vollendet, so kann sein gesetzlicher Vertreter den Vertrag mit Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts schließen.
Der Annahmevertrag muß bei gleichzeitiger
Anwesenheit beider Theile vor Gericht oder vor einem Notar geschlossen werden.
§. 1751. Ist der Annehmende in der
Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er zur Eingehung des Vertrags, außer
der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, der Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts.
Das Gleiche gilt für das Kind, wenn es in der
Geschäftsfähigkeit beschränkt ist.
§. 1752. Will ein Vormund seinen Mündel an
Kindesstatt annehmen, so soll das Vormundschaftsgericht die Genehmigung nicht
ertheilen, solange der Vormund im Amte ist. Will Jemand seinen früheren Mündel
an Kindesstatt annehmen, so soll das Vormundschaftsgericht die Genehmigung
nicht ertheilen, bevor über seine Verwaltung Rechnung gelegt und das
Vorhandensein des Mündelvermögens nachgewiesen hat.
Das Gleiche gilt, wenn ein zur Vermögensverwaltung
bestellter Pfleger seinen Pflegling oder seinen früheren Pflegling an
Kindesstatt annehmen will.
§. 1753. Die Bestätigung des Annahmevertrags kann
nicht nach dem Tode des Kindes erfolgen.
Nach dem Tode des Annehmenden ist die Bestätigung
nur zulässig, wenn der Annehmende oder das Kind den Antrag auf Bestätigung bei
dem zuständigen Gericht eingereicht oder bei oder nach der gerichtlichen oder
notariellen Beurkundung des Vertrags das Gericht oder den Notar mit der
Einreichung betraut hat.
Die nach dem Tode des Annehmenden erfolgte
Bestätigung hat die gleiche Wirkung, wie wenn sie vor dem Tode erfolgt wäre.
§. 1754. Die Annahme an Kindesstatt tritt mit der
Bestätigung in Kraft. Die Vertragschließenden sind schon vor der Bestätigung
gebunden.
Die Bestätigung ist nur zu versagen, wenn ein
gesetzliches Erforderniß der Annahme an Kindesstatt fehlt. Wird die Bestätigung
endgültig versagt, so verliert der Vertrag seine Kraft.
§. 1755. Ist der Annahmevertrag oder die
Einwilligung einer der in den §§. 1746, 1747 bezeichneten Personen anfechtbar,
so gelten für die Anfechtung und für die Bestätigung des anfechtbaren
Rechtsgeschäfts die Vorschriften des §. 1748 Abs. 2, des §. 1750 Abs. 1 und des
§. 1751.
§. 1756. Auf die Wirksamkeit der Annahme an
Kindesstatt ist es ohne Einfluß, wenn bei der Bestätigung des Annahmevertrags
mit Unrecht angenommen worden ist, daß eine der in den §§. 1746, 1747
bezeichneten Personen zur Abgabe einer Erklärung dauernd außer Stande oder ihr
Aufenthalt dauernd unbekannt sei.
§. 1757. Durch die Annahme an Kindesstatt erlangt
das Kind die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des Annehmenden.
Wird von einem Ehepaare gemeinschaftlich ein Kind
angenommen oder nimmt ein Ehegatte ein Kind des anderen Ehegatten an, so
erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen ehelichen
Kindes der Ehegatten.
§. 1758. Das Kind erhält den Familiennamen des
Annehmenden. Wird das Kind von einer Frau angenommen, die in Folge ihrer
Verheirathung einen anderen Namen führt, so erhält es den Familiennamen, den
die Frau vor der Verheirathung geführt hat. In den Fällen des §. 1757 Abs. 2
erhält das Kind den Familiennamen des Mannes.
Das Kind darf dem neuen Namen seinen früheren
Familiennamen hinzufügen, sofern nicht in dem Annahmevertrag ein Anderes
bestimmt ist.
§. 1759. Durch die Annahme an Kindesstatt wird ein
Erbrecht für den Annehmenden nicht begründet.
§. 1760. Der Annehmende hat über das Vermögen des
Kindes, soweit es auf Grund der elterlichen Gewalt seiner Verwaltung
unterliegt, auf seine Kosten ein Verzeichniß aufzunehmen und dem
Vormundschaftsgericht einzureichen; er hat das Verzeichniß mit der Versicherung
der Richtigkeit und Vollständigkeit zu versehen. Ist das eingereichte
Verzeichniß ungenügend, so findet die Vorschrift des §. 1640 Abs. 2 Satz 1
Anwendung.
Erfüllt der Annehmende die ihm nach Abs. 1
obliegende Verpflichtung nicht, so kann ihm das Vormundschaftsgericht die Vermögensverwaltung
entziehen. Die Entziehung kann jederzeit wiederaufgehoben werden.
§. 1761. Will der Annehmende eine Ehe eingehen,
während er die elterliche Gewalt über das Kind hat, so finden die Vorschriften
der §§. 1669 bis 1671 Anwendung.
§. 1762. Die Wirkungen der Annahme an Kindesstatt
erstrecken sich auf die Abkömmlinge des Kindes. Auf einen zur Zeit des
Vertragsabschlusses schon vorhandenen Abkömmling und dessen später geborene
Abkömmlinge erstrecken sich die Wirkungen nur, wenn der Vertrag auch mit dem
schon vorhandenen Abkömmlinge geschlossen wird.
§. 1763. Die Wirkungen der Annahme an Kindesstatt
erstrecken sich nicht auf die Verwandten des Annehmenden. Der Ehegatte des
Annehmenden wird nicht mit dem Kinde, der Ehegatte des Kindes wird nicht mit dem
Annehmenden verschwägert.
§. 1764. Die Rechte und Pflichten, die sich aus dem
Verwandtschaftsverhältnisse zwischen dem Kinde und seinen Verwandten ergeben,
werden durch die Annahme an Kindesstatt nicht berührt, soweit nicht das Gesetz
ein Anderes vorschreibt.
§. 1765. Mit der Annahme an Kindesstatt verlieren
die leiblichen Eltern die elterliche Gewalt über das Kind, die uneheliche
Mutter das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen.
Hat der Vater oder die Mutter dem Kinde Unterhalt
zu gewähren, so treten das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu
sorgen, wieder ein, wenn die elterliche Gewalt des Annehmenden endigt oder wenn
sie wegen Geschäftsunfähigkeit des Annehmenden oder nach §. 1677 ruht. Das
Recht zur Vertretung des Kindes tritt nicht wieder ein.
§. 1766. Der Annehmende ist dem Kinde und
denjenigen Abkömmlingen des Kindes, auf welche sich die Wirkungen der Annahme
erstrecken, vor den leiblichen Verwandten des Kindes zur Gewährung des
Unterhalts verpflichtet.
Der Annehmende steht im Falle des §. 1611 Abs. 2
den leiblichen Verwandten der aufsteigenden Linie gleich.
§. 1767. In dem Annahmevertrage kann die
Nutznießung des Annehmenden an dem Vermögen des Kindes sowie das Erbrecht des
Kindes dem Annehmenden gegenüber ausgeschlossen werden.
Im Uebrigen können die Wirkungen der Annahme an
Kindesstatt in dem Annahmevertrage nicht geändert werden.
§. 1768. Das durch die Annahme an Kindesstatt
begründete Rechtsverhältniß kann wiederaufgehoben werden. Die Aufhebung kann
nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgen.
Die Aufhebung erfolgt durch Vertrag zwischen dem
Annehmenden, dem Kinde und denjenigen Abkömmlingen des Kindes, auf welche sich
die Wirkungen der Annahme erstrecken.
Hat ein Ehepaar gemeinschaftlich ein Kind
angenommen oder hat ein Ehegatte ein Kind des anderen Ehegatten angenommen, so
ist zu der Aufhebung die Mitwirkung beider Ehegatten erforderlich.
§. 1769. Nach dem Tode des Kindes können die
übrigen Betheiligten das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältniß durch
Vertrag aufheben. Das Gleiche gilt in den Fällen des §. 1757 Abs. 2 nach dem
Tode eines der Ehegatten.
§. 1770. Die für die Annahme an Kindesstatt
geltenden Vorschriften des §. 1741 Satz 2 und der §§. 1750, 1751, 1753 bis 1755
gelten auch für die Aufhebung.
§. 1771. Schließen Personen, die durch Annahme an
Kindesstatt verbunden sind, der Vorschrift des §. 1311 zuwider eine Ehe, so
tritt mit der Eheschließung die Aufhebung des durch die Annahme zwischen ihnen
begründeten Rechtsverhältnisses ein.
Ist die Ehe nichtig, so wird, wenn dem einen
Ehegatten die elterliche Gewalt über den anderen zusteht, diese mit der
Eheschließung verwirkt. Die Verwirkung tritt nicht ein, wenn die Nichtigkeit
der Ehe auf einem Formmangel beruht und die Ehe nicht in das Heirathsregister
eingetragen worden ist.
§. 1772. Mit der Aufhebung der Annahme an
Kindesstatt verlieren das Kind und diejenigen Abkömmlinge des Kindes, auf
welche sich die Aufhebung erstreckt, das Recht, den Familiennamen des
Annehmenden zu führen. Diese Vorschrift findet in den Fällen des §. 1757 Abs. 2
keine Anwendung, wenn die Aufhebung nach dem Tode eines der Ehegatten erfolgt.
Dritter Abschnitt.
Vormundschaft.
Erster Titel.
Vormundschaft über Minderjährige.
I. Anordnung der Vormundschaft.
§. 1773. Ein Minderjähriger erhält einen Vormund,
wenn er nicht unter elterlicher Gewalt steht oder wenn die Eltern weder in den
die Person noch in den das Vermögen betreffenden Angelegenheiten zur Vertretung
des Minderjährigen berechtigt sind.
Ein Minderjähriger erhält einen Vormund auch dann,
wenn sein Familienstand nicht zu ermitteln ist.
§. 1774. Das Vormundschaftsgericht hat die
Vormundschaft von Amtswegen anzuordnen.
§. 1775. Das Vormundschaftsgericht soll, sofern
nicht besondere Gründe für die Bestellung mehrerer Vormünder vorliegen, für den
Mündel und, wenn mehrere Geschwister zu bevormunden sind, für alle Mündel nur
einen Vormund bestellen.
§. 1776. Als Vormünder sind in nachstehender
Reihenfolge berufen:
1. wer von dem Vater des Mündels als Vormund
benannt ist;
2. wer von der ehelichen Mutter des Mündels als
Vormund benannt ist;
3. der Großvater des Mündels von väterlicher Seite;
4. der Großvater des Mündels von mütterlicher
Seite.
Die Großväter sind nicht berufen, wenn der Mündel
von einem Anderen als dem Ehegatten seines Vaters oder seiner Mutter an
Kindesstatt angenommen ist. Das Gleiche gilt, wenn derjenige, von welchem der
Mündel abstammt, von einem Anderen als dem Ehegatten seines Vaters oder seiner
Mutter an Kindesstatt angenommen ist und die Wirkungen der Annahme sich auf den
Mündel erstrecken.
§. 1777. Der Vater kann einen Vormund nur benennen,
wenn ihm zur Zeit seines Todes die elterliche Gewalt über das Kind zusteht; er
hat dieses Recht nicht, wenn er in den die Person oder in den das Vermögen
betreffenden Angelegenheiten nicht zur Vertretung des Kindes berechtigt ist.
Das Gleiche gilt für die Mutter.
Der Vater kann für ein Kind, das erst nach seinem
Tode geboren wird, einen Vormund benennen, wenn er dazu berechtigt sein würde,
falls das Kind vor seinem Tode geboren wäre.
Die Benennung des Vormundes erfolgt durch
letztwillige Verfügung.
§. 1778. Wer nach §. 1776 als Vormund berufen ist,
darf ohne seine Zustimmung nur übergangen werden, wenn er nach den §§. 1780 bis
1784 nicht zum Vormunde bestellt werden kann oder soll oder wenn er an der
Uebernahme der Vormundschaft verhindert ist oder die Uebernahme verzögert oder
wenn seine Bestellung das Interesse des Mündels gefährden würde.
Ist der Berufene nur vorübergehend verhindert, so
hat ihn das Vormundschaftsgericht nach dem Wegfalle des Hindernisses auf seinen
Antrag an Stelle des bisherigen Vormundes zum Vormunde zu bestellen.
Für eine Ehefrau darf der Mann vor den nach §. 1776
Berufenen, für ein uneheliches Kind darf die Mutter vor dem Großvater zum Vormunde
bestellt werden.
Neben dem Berufenen darf nur mit dessen Zustimmung
ein Mitvormund bestellt werden.
§. 1779. Ist die Vormundschaft nicht einem nach §.
1776 Berufenen zu übertragen, so hat das Vormundschaftsgericht nach Anhörung
des Gemeindewaisenraths den Vormund auszuwählen.
Das Vormundschaftsgericht soll eine Person
auswählen, die nach ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage
sowie nach den sonstigen Umständen zur Führung der Vormundschaft geeignet ist.
Bei der Auswahl ist auf das religiöse Bekenntniß des Mündels Rücksicht zu
nehmen. Verwandte und Verschwägerte des Mündels sind zunächst zu
berücksichtigen.
§. 1780. Zum Vormunde kann nicht bestellt werden,
wer geschäftsunfähig oder wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht
entmündigt ist.
§. 1781. Zum Vormunde soll nicht bestellt werden:
1. wer minderjährig oder nach §. 1906 unter
vorläufige Vormundschaft gestellt ist;
2. wer nach §. 1910 zur
Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten einen Pfleger erhalten hat;
3. wer in Konkurs gerathen ist, während der Dauer
des Konkurses;
4. wer der bürgerlichen
Ehrenrechte für verlustig erklärt ist, soweit sich nicht aus den Vorschriften
des Strafgesetzbuchs ein Anderes ergiebt.
§. 1782. Zum Vormunde soll nicht bestellt werden,
wer durch Anordnung des Vaters oder der ehelichen Mutter des Mündels von der
Vormundschaft ausgeschlossen ist. Die Mutter kann den von dem Vater als Vormund
Benannten nicht ausschließen.
Auf die Ausschließung finden die Vorschriften des
§. 1777 Anwendung.
§. 1783. Eine Frau, die mit einem Anderen als dem
Vater des Mündels verheirathet ist, soll nur mit Zustimmung ihres Mannes zum
Vormunde bestellt werden.
§. 1784. Ein Beamter oder Religionsdiener, der nach
den Landesgesetzen einer besonderen Erlaubniß zur Uebernahme einer
Vormundschaft bedarf, soll nicht ohne die vorgeschriebene Erlaubniß zum
Vormunde bestellt werden.
§. 1785. Jeder Deutsche hat die Vormundschaft, für
die er von dem Vormundschaftsgericht ausgewählt wird, zu übernehmen, sofern
nicht seiner Bestellung zum Vormund einer der in den §§. 1780 bis 1784
bestimmten Gründe entgegensteht.
§. 1786. Die Uebernahme der Vormundschaft kann
ablehnen:
1. eine Frau;
2. wer das sechzigste Lebensjahr vollendet hat;
3. wer mehr als vier
minderjährige eheliche Kinder hat; ein von einem Anderen an Kindesstatt
angenommenes Kind wird nicht gerechnet;
4. wer durch Krankheit oder
durch Gebrechen verhindert ist, die Vormundschaft ordnungsmäßig zu führen;
5. wer wegen Entfernung
seines Wohnsitzes von dem Sitze des Vormundschaftsgerichts die Vormundschaft
nicht ohne besondere Belästigung führen kann;
6. wer nach §. 1844 zur Sicherheitsleistung
angehalten wird;
7. wer mit einem Anderen
zur gemeinschaftlichen Führung der Vormundschaft bestellt werden soll;
8. wer mehr als eine
Vormundschaft oder Pflegschaft führt; die Vormundschaft oder Pflegschaft über
mehrere Geschwister gilt nur als eine; die Führung von zwei
Gegenvormundschaften steht der Führung einer Vormundschaft gleich.
Das Ablehnungsrecht erlischt, wenn es nicht vor der
Bestellung bei dem Vormundschaftsgerichte geltend gemacht wird.
§. 1787. Wer die Uebernahme der Vormundschaft ohne
Grund ablehnt, ist, wenn ihm ein Verschulden zur Last fällt, für den Schaden
verantwortlich, der dem Mündel dadurch entsteht, daß sich die Bestellung des
Vormundes verzögert.
Erklärt das Vormundschaftsgericht die Ablehnung für
unbegründet, so hat der Ablehnende, unbeschadet der ihm zustehenden
Rechtsmittel, die Vormundschaft auf Erfordern des Vormundschaftsgerichts
vorläufig zu übernehmen.
§. 1788. Das Vormundschaftsgericht kann den zum
Vormund Ausgewählten durch Ordnungsstrafen zur Uebernahme der Vormundschaft
anhalten.
Die einzelne Strafe darf den Betrag von dreihundert
Mark nicht übersteigen. Die Strafen dürfen nur in Zwischenräumen von mindestens
einer Woche verhängt werden. Mehr als drei Strafen dürfen nicht verhängt
werden.
§. 1789. Der Vormund wird von dem
Vormundschaftsgerichte durch Verpflichtung zu treuer und gewissenhafter Führung
der Vormundschaft bestellt. Die Verpflichtung soll mittelst Handschlags an
Eidesstatt erfolgen.
§. 1790. Bei der Bestellung des Vormundes kann die
Entlassung für den Fall vorbehalten werden, daß ein bestimmtes Ereigniß
eintritt oder nicht eintritt.
§. 1791. Der Vormund erhält eine Bestallung.
Die Bestallung soll enthalten den Namen und die
Zeit der Geburt des Mündels, die Namen des Vormundes, des Gegenvormundes und
der Mitvormünder sowie im Falle der Theilung der Vormundschaft die Art der
Theilung. Ist ein Familienrath eingesetzt, so ist auch dies anzugeben.
§. 1792. Neben dem Vormunde kann ein Gegenvormund
bestellt werden.
Ein Gegenvormund soll bestellt werden, wenn mit der
Vormundschaft eine Vermögensverwaltung verbunden ist, es sei denn, daß die
Verwaltung nicht erheblich oder daß die Vormundschaft von mehreren Vormündern
gemeinschaftlich zu führen ist.
Ist die Vormundschaft von mehreren Vormündern nicht
gemeinschaftlich zu führen, so kann der eine Vormund zum Gegenvormunde des
anderen bestellt werden.
Auf die Berufung und Bestellung des Gegenvormundes
finden die für die Berufung und Bestellung des Vormundes geltenden Vorschriften
Anwendung.
II. Führung der Vormundschaft.
§. 1793. Der Vormund hat das Recht und die Pflicht,
für die Person und das Vermögen des Mündels zu sorgen, insbesondere den Mündel
zu vertreten.
§. 1794. Das Recht und die Pflicht des Vormundes,
für die Person und das Vermögen des Mündels zu sorgen, erstreckt sich nicht auf
Angelegenheiten des Mündels, für die ein Pfleger bestellt ist.
§. 1795. Der Vormund kann den Mündel nicht
vertreten:
1. bei einem Rechtsgeschäfte
zwischen seinem Ehegatten oder einem seiner Verwandten in gerader Linie
einerseits und dem Mündel andererseits, es sei denn, daß das Rechtsgeschäft
ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht;
2. bei einem
Rechtsgeschäfte, das die Uebertragung oder Belastung einer durch Pfandrecht,
Hypothek oder Bürgschaft gesicherten Forderung des Mündels gegen den Vormund
oder die Aufhebung oder Minderung dieser Sicherheit zum Gegenstande hat oder
die Verpflichtung des Mündels zu einer solchen Uebertragung, Belastung,
Aufhebung oder Minderung begründet;
3. bei einem Rechtsstreite
zwischen den in Nr. 1 bezeichneten Personen sowie bei einem Rechtsstreit über
eine Angelegenheit der in Nr. 2 bezeichneten Art.
Die Vorschrift des §. 181 bleibt unberührt.
§. 1796. Das Vormundschaftsgericht kann dem
Vormunde die Vertretung für einzelne Angelegenheiten oder für einen bestimmten
Kreis von Angelegenheiten entziehen.
Die Entziehung soll nur erfolgen, wenn das
Interesse des Mündels zu dem Interesse des Vormundes oder eines von diesem
vertretenen Dritten oder einer der im §. 1795 Nr. 1 bezeichneten Personen in
erheblichem Gegensatze steht.
§. 1797. Mehrere Vormünder führen die Vormundschaft
gemeinschaftlich. Bei einer Meinungsverschiedenheit entscheidet das Vormundschaftsgericht,
sofern nicht bei der Bestellung ein Anderes bestimmt wird.
Das Vormundschaftsgericht kann die Führung der
Vormundschaft unter mehrere Vormünder nach bestimmten Wirkungskreisen
vertheilen. Innerhalb des ihm überwiesenen Wirkungskreises führt jeder Vormund
die Vormundschaft selbständig.
Bestimmungen, die der Vater oder die Mutter für die
Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den von ihnen benannten
Vormündern und für die Vertheilung der Geschäfte unter diese nach Maßgabe des
§. 1777 getroffen hat, sind von dem Vormundschaftsgerichte zu befolgen, sofern
nicht ihre Befolgung das Interesse des Mündels gefährden würde.
§. 1798. Steht die Sorge für die Person und die
Sorge für das Vermögen des Mündels verschiedenen Vormündern zu, so entscheidet
bei einer Meinungsverschiedenheit über die Vornahme einer sowohl die Person als
das Vermögen des Mündels betreffenden Handlung das Vormundschaftsgericht.
§. 1799. Der Gegenvormund hat darauf zu achten, daß
der Vormund die Vormundschaft pflichtmäßig führt. Er hat dem
Vormundschaftsgerichte Pflichtwidrigkeiten des Vormundes sowie jeden Fall
unverzüglich anzuzeigen, in welchem das Vormundschaftsgericht zum Einschreiten
berufen ist, insbesondere den Tod des Vormundes oder den Eintritt eines anderen
Umstandes, in Folge dessen das Amt des Vormundes endigt oder die Entlassung des
Vormundes erforderlich wird.
Der Vormund hat dem Gegenvormund auf Verlangen über
die Führung der Vormundschaft Auskunft zu ertheilen und die Einsicht der sich
auf die Vormundschaft beziehenden Papiere zu gestatten.
§. 1800. Das Recht und die Pflicht des Vormundes,
für die Person des Mündels zu sorgen, bestimmt sich nach den für die elterliche
Gewalt geltenden Vorschriften der §§. 1631 bis 1633.
§. 1801. Die Sorge für die religiöse Erziehung des
Mündels kann dem Vormunde von dem Vormundschaftsgericht entzogen werden, wenn
der Vormund nicht dem Bekenntniß angehört, in dem der Mündel zu erziehen ist.
§. 1802. Der Vormund hat das Vermögen, das bei der
Anordnung der Vormundschaft vorhanden ist oder später dem Mündel zufällt, zu
verzeichnen und das Verzeichniß, nachdem er es mit der Versicherung der
Richtigkeit und Vollständigkeit versehen hat, dem Vormundschaftsgericht
einzureichen. Ist ein Gegenvormund vorhanden, so hat ihn der Vormund bei der
Aufnahme des Verzeichnisses zuzuziehen; das Verzeichniß ist auch von dem
Gegenvormunde mit der Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit zu
versehen.
Der Vormund kann sich bei der Aufnahme des
Verzeichnisses der Hülfe eines Beamten, eines Notars oder eines anderen
Sachverständigen bedienen.
Ist das eingereichte Verzeichniß ungenügend, so
kann das Vormundschaftsgericht anordnen, daß das Verzeichniß durch eine
zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen
wird.
§. 1803. Was der Mündel von Todeswegen erwirbt oder
was ihm unter Lebenden von einem Dritten unentgeltlich zugewendet wird, hat der
Vormund nach den Anordnungen des Erblassers oder des Dritten zu verwalten, wenn
die Anordnungen von dem Erblasser durch letztwillige Verfügung, von dem Dritten
bei der Zuwendung getroffen worden sind.
Der Vormund darf mit Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts von den Anordnungen abweichen, wenn ihre Befolgung das
Interesse des Mündels gefährden würde.
Zu einer Abweichung von den Anordnungen, die ein
Dritter bei einer Zuwendung unter Lebenden getroffen hat, ist, solange er lebt,
seine Zustimmung erforderlich und genügend. Die Zustimmung des Dritten kann
durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden, wenn der Dritte zur Abgabe
einer Erklärung dauernd außer Stande oder sein Aufenthalt dauernd unbekannt
ist.
§. 1804. Der Vormund kann nicht in Vertretung des
Mündels Schenkungen machen. Ausgenommen sind Schenkungen, durch die einer
sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht
entsprochen wird.
§. 1805. Der Vormund darf Vermögen des Mündels
nicht für sich verwenden.
§. 1806. Der Vormund hat das zum Vermögen des
Mündels gehörende Geld verzinslich anzulegen, soweit es nicht zur Bestreitung
von Ausgaben bereit zu halten ist.
§. 1807. Die im §. 1806 vorgeschriebene Anlegung
von Mündelgeld soll nur erfolgen:
1. in Forderungen, für die
eine sichere Hypothek an einem inländischen Grundstücke besteht, oder in
sicheren Grundschulden oder Rentenschulden an inländischen Grundstücken;
2. in verbrieften
Forderungen gegen das Reich oder einen Bundesstaat sowie in Forderungen, die in
das Reichsschuldbuch oder in das Staatsschuldbuch eines Bundesstaats
eingetragen sind;
3. in verbrieften
Forderungen, deren Verzinsung von dem Reiche oder einem Bundesstaate
gewährleistet ist;
4. in Werthpapieren,
insbesondere Pfandbriefen, sowie in verbrieften Forderungen jeder Art gegen
eine inländische kommunale Körperschaft oder die Kreditanstalt einer solchen
Körperschaft, sofern die Werthpapiere oder die Forderungen von dem Bundesrathe
zur Anlegung von Mündelgeld für geeignet erklärt sind;
5. bei einer inländischen
öffentlichen Sparkasse, wenn sie von der zuständigen Behörde des Bundesstaats,
in welchem sie ihren Sitz hat, zur Anlegung von Mündelgeld für geeignet erklärt
ist.
Die Landesgesetze können für die innerhalb ihres
Geltungsbereichs belegenen Grundstücke die Grundsätze bestimmen, nach denen die
Sicherheit einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld
festzustellen ist.
§. 1808. Kann die Anlegung den Umständen nach nicht
in der im §. 1807 bezeichneten Weise erfolgen, so ist das Geld bei der
Reichsbank, bei einer Staatsbank oder bei einer anderen durch Landesgesetz dazu
für geeignet erklärten inländischen Bank oder bei einer Hinterlegungsstelle
anzulegen.
§. 1809. Der Vormund soll Mündelgeld nach §. 1807
Abs. 1 Nr. 5 oder nach §. 1808 nur mit der Bestimmung anlegen, daß zur Erhebung
des Geldes die Genehmigung des Gegenvormundes oder des Vormundschaftsgerichts
erforderlich ist.
§. 1810. Der Vormund soll die in den §§. 1806 bis
1808 vorgeschriebene Anlegung nur mit Genehmigung des Gegenvormundes bewirken;
die Genehmigung des Gegenvormundes wird durch die Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts ersetzt. Ist ein Gegenvormund nicht vorhanden, so soll
die Anlegung nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erfolgen, sofern
nicht die Vormundschaft von mehreren Vormündern gemeinschaftlich geführt wird.
§. 1811. Das Vormundschaftsgericht kann aus
besonderen Gründen dem Vormund eine andere Anlegung als die in den §§. 1807,
1808 vorgeschriebene gestatten.
§. 1812. Der Vormund kann über eine Forderung oder
über ein anderes Recht, kraft dessen der Mündel eine Leistung verlangen kann,
sowie über ein Werthpapier des Mündels nur mit Genehmigung des Gegenvormundes
verfügen, sofern nicht nach den §§. 1819 bis 1822 die Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts erforderlich ist. Das Gleiche gilt von der Eingehung der
Verpflichtung zu einer solchen Verfügung.
Die Genehmigung des Gegenvormundes wird durch die
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ersetzt.
Ist ein Gegenvormund nicht vorhanden, so tritt an
die Stelle der Genehmigung des Gegenvormundes die Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts, sofern nicht die Vormundschaft von mehreren Vormündern
gemeinschaftlich geführt wird.
§. 1813. Der Vormund bedarf nicht der Genehmigung
des Gegenvormundes zur Annahme einer geschuldeten Leistung:
1. wenn der Gegenstand der Leistung nicht in Geld
oder Werthpapieren besteht;
2. wenn der Anspruch nicht mehr als dreihundert
Mark beträgt;
3. wenn Geld zurückgezahlt wird, das der Vormund
angelegt hat;
4. wenn der Anspruch zu den Nutzungen des
Mündelvermögens gehört;
5. wenn der Anspruch auf
Erstattung von Kosten der Kündigung oder der Rechtsverfolgung oder auf sonstige
Nebenleistungen gerichtet ist.
Die Befreiung nach Abs. 1 Nr. 2, 3 erstreckt sich
nicht auf die Erhebung von Geld, bei dessen Anlegung ein Anderes bestimmt
worden ist. Die Befreiung nach Abs. 1 Nr. 3 gilt auch nicht für die Erhebung
von Geld, das nach §. 1807 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 angelegt ist.
§. 1814. Der Vormund hat die zu dem Vermögen des
Mündels gehörenden Inhaberpapiere nebst den Erneuerungsscheinen bei einer
Hinterlegungsstelle oder bei der Reichsbank mit der Bestimmung zu hinterlegen,
daß die Herausgabe der Papiere nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts
verlangt werden kann. Die Hinterlegung von Inhaberpapieren, die nach §. 92 zu
den verbrauchbaren Sachen gehören, sowie von Zins-, Renten- oder
Gewinnantheilscheinen ist nicht erforderlich. Den Inhaberpapieren stehen
Orderpapiere gleich, die mit Blankoindossament versehen sind.
§. 1815. Der Vormund kann die Inhaberpapiere, statt
sie nach §. 1814 zu hinterlegen, auf den Namen des Mündels mit der Bestimmung
umschreiben lassen, daß er über sie nur mit Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts verfügen kann. Sind die Papiere von dem Reiche oder
einem Bundesstaat ausgestellt, so kann er sie mit der gleichen Bestimmung in
Buchforderungen gegen das Reich oder den Bundesstaat umwandeln lassen.
Sind Inhaberpapiere zu hinterlegen, die in
Buchforderungen gegen das Reich oder einen Bundesstaat umgewandelt werden
können, so kann das Vormundschaftsgericht anordnen, daß sie nach Abs. 1 in
Buchforderungen umgewandelt werden.
§. 1816. Gehören Buchforderungen gegen das Reich
oder gegen einen Bundesstaat bei der Anordnung der Vormundschaft zu dem
Vermögen des Mündels oder erwirbt der Mündel später solche Forderungen, so hat
der Vormund in das Schuldbuch den Vermerk eintragen zu lassen, daß er über die
Forderungen nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts verfügen kann.
§. 1817. Das Vormundschaftsgericht kann aus
besonderen Gründen den Vormund von den ihm nach den §§. 1814, 1816 obliegenden
Verpflichtungen entbinden.
§. 1818. Das Vormundschaftsgericht kann aus
besonderen Gründen anordnen, daß der Vormund auch solche zu dem Vermögen des
Mündels gehörende Werthpapiere, zu deren Hinterlegung er nach §. 1814 nicht
verpflichtet ist, sowie Kostbarkeiten des Mündels in der im §. 1814
bezeichneten Weise zu hinterlegen hat; auf Antrag des Vormundes kann die
Hinterlegung von Zins-, Renten- und Gewinnantheilscheinen angeordnet werden,
auch wenn ein besonderer Grund nicht vorliegt.
§. 1819. Solange die nach §. 1814 oder nach §. 1818
hinterlegten Werthpapiere oder Kostbarkeiten nicht zurückgenommen sind, bedarf
der Vormund zu einer Verfügung über sie und, wenn Hypotheken-, Grundschuld-
oder Rentenschuldbriefe hinterlegt sind, zu einer Verfügung über die
Hypothekenforderung, die Grundschuld oder die Rentenschuld der Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts. Das Gleiche gilt von der Eingehung der Verpflichtung zu
einer solchen Verfügung.
§. 1820. Sind Inhaberpapiere nach §. 1815 auf den
Namen des Mündels umgeschrieben oder in Buchforderungen umgewandelt, so bedarf
der Vormund auch zur Eingehung der Verpflichtung zu einer Verfügung über die
sich aus der Umschreibung oder der Umwandlung ergebenden Stammforderungen der
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.
Das Gleiche gilt, wenn bei einer Buchforderung des
Mündels der im §. 1816 bezeichnete Vermerk eingetragen ist.
§. 1821. Der Vormund bedarf der Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts:
1. zur Verfügung über ein Grundstück oder über ein
Recht an einem Grundstücke;
2. zur Verfügung über eine
Forderung, die auf Uebertragung des Eigenthums an einem Grundstück oder auf
Begründung oder Uebertragung eines Rechtes an einem Grundstück oder auf
Befreiung eines Grundstücks von einem solchen Rechte gerichtet ist;
3. zur Eingehung der Verpflichtung zu einer der in
Nr. 1, 2 bezeichneten Verfügungen;
4. zu einem Vertrage, der
auf den entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks oder eines Rechtes an einem
Grundstücke gerichtet ist.
Zu den Rechten an einem Grundstück im Sinne dieser
Vorschriften gehören nicht Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden.
§. 1822. Der Vormund bedarf der Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts:
1. zu einem
Rechtsgeschäfte, durch das der Mündel zu einer Verfügung über sein Vermögen im
Ganzen oder über eine ihm angefallene Erbschaft oder über seinen künftigen
gesetzlichen Erbtheil oder seinen künftigen Pflichttheil verpflichtet wird,
sowie zu einer Verfügung über den Antheil des Mündels an einer Erbschaft;
2. zur Ausschlagung einer
Erbschaft oder eines Vermächtnisses, zum Verzicht auf einen Pflichttheil sowie
zu einem Erbtheilungsvertrage;
3. zu einem Vertrage, der
auf den entgeltlichen Erwerb oder die Veräußerung eines Erwerbsgeschäfts
gerichtet ist, sowie zu einem Gesellschaftsvertrage, der zum Betrieb eines
Erwerbsgeschäfts eingegangen wird;
4. zu einem Pachtvertrag über ein Landgut oder
einen gewerblichen Betrieb;
5. zu einem Mieth- oder
Pachtvertrag oder einem anderen Vertrage, durch den der Mündel zu
wiederkehrenden Leistungen verpflichtet wird, wenn das Vertragsverhältniß
länger als ein Jahr nach der Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahrs des
Mündels fortdauern soll;
6. zu einem Lehrvertrage, der für längere Zeit als
ein Jahr geschlossen wird;
7. zu einem auf die
Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses gerichteten Vertrage, wenn
der Mündel zu persönlichen Leistungen für längere Zeit als ein Jahr
verpflichtet werden soll;
8. zur Aufnahme von Geld auf den Kredit des
Mündels;
9. zur Ausstellung einer
Schuldverschreibung auf den Inhaber oder zur Eingehung einer Verbindlichkeit
aus einem Wechsel oder einem anderen Papiere, das durch Indossament übertragen
werden kann;
10. zur Uebernahme einer
fremden Verbindlichkeit, insbesondere zur Eingehung einer Bürgschaft;
11. zur Ertheilung einer Prokura;
12. zu einem Vergleich oder
einem Schiedsvertrag, es sei denn, daß der Gegenstand des Streites oder der
Ungewißheit in Geld schätzbar ist und den Werth von dreihundert Mark nicht
übersteigt;
13. zu einem
Rechtsgeschäfte, durch das die für eine Forderung des Mündels bestehende
Sicherheit aufgehoben oder gemindert oder die Verpflichtung dazu begründet
wird.
§. 1823. Der Vormund soll nicht ohne Genehmigung
des Vormundschaftsgerichts ein neues Erwerbsgeschäft im Namen des Mündels
beginnen oder ein bestehendes Erwerbsgeschäft des Mündels auflösen.
§. 1824. Der Vormund kann Gegenstände, zu deren
Veräußerung die Genehmigung des Gegenvormundes oder des Vormundschaftsgerichts
erforderlich ist, dem Mündel nicht ohne diese Genehmigung zur Erfüllung eines
von diesem geschlossenen Vertrags oder zu freier Verfügung überlassen.
§. 1825. Das Vormundschaftsgericht kann dem
Vormunde zu Rechtsgeschäften, zu denen nach §. 1812 die Genehmigung des
Gegenvormundes erforderlich ist, sowie zu den im §. 1822 Nr. 8 bis 10
bezeichneten Rechtsgeschäften eine allgemeine Ermächtigung ertheilen.
Die Ermächtigung soll nur ertheilt werden, wenn sie
zum Zwecke der Vermögensverwaltung, insbesondere zum Betrieb eines
Erwerbsgeschäfts, erforderlich ist.
§. 1826. Das Vormundschaftsgericht soll vor der
Entscheidung über die zu einer Handlung des Vormundes erforderliche Genehmigung
den Gegenvormund hören, sofern ein solcher vorhanden und die Anhörung thunlich
ist.
§. 1827. Das Vormundschaftsgericht soll den Mündel
hören vor der Entscheidung über die Genehmigung eines Lehrvertrags oder eines
auf die Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses gerichteten Vertrags
und, wenn der Mündel das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat, über die
Entlassung aus dem Staatsverbande.
Hat der Mündel das achtzehnte Lebensjahr vollendet,
so soll ihn das Vormundschaftsgericht, soweit thunlich, auch hören vor der
Entscheidung über die Genehmigung eines der im §. 1821 und im §. 1822 Nr. 3
bezeichneten Rechtsgeschäfte sowie vor der Entscheidung über die Genehmigung
des Beginns oder der Auflösung eines Erwerbsgeschäfts.
§. 1828. Das Vormundschaftsgericht kann die
Genehmigung zu einem Rechtsgeschäfte nur dem Vormunde gegenüber erklären.
§. 1829. Schließt der Vormund einen Vertrag ohne
die erforderliche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, so hängt die
Wirksamkeit des Vertrags von der nachträglichen Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts ab. Die Genehmigung sowie deren Verweigerung wird dem
anderen Theile gegenüber erst wirksam, wenn sie ihm durch den Vormund
mitgetheilt wird.
Fordert der andere Theil den Vormund zur
Mittheilung darüber auf, ob die Genehmigung ertheilt sei, so kann die
Mittheilung der Genehmigung nur bis zum Ablaufe von zwei Wochen nach dem
Empfange der Aufforderung erfolgen; erfolgt sie nicht, so gilt die Genehmigung
als verweigert.
Ist der Mündel volljährig geworden, so tritt seine
Genehmigung an die Stelle der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.
§. 1830. Hat der Vormund dem anderen Theile
gegenüber der Wahrheit zuwider die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts
behauptet, so ist der andere Theil bis zur Mittheilung der nachträglichen
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zum Widerrufe berechtigt, es sei denn,
daß ihm das Fehlen der Genehmigung bei dem Abschlusse des Vertrags bekannt war.
§. 1831. Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das der
Vormund ohne die erforderliche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts vornimmt,
ist unwirksam. Nimmt der Vormund mit dieser Genehmigung ein solches
Rechtsgeschäft einem Anderen gegenüber vor, so ist das Rechtsgeschäft
unwirksam, wenn der Vormund die Genehmigung nicht in schriftlicher Form vorlegt
und der Andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist.
§. 1832. Soweit der Vormund zu einem
Rechtsgeschäfte der Genehmigung des Gegenvormundes bedarf, finden die
Vorschriften der §§. 1828 bis 1831 entsprechende Anwendung.
§. 1833. Der Vormund ist dem Mündel für den aus
einer Pflichtverletzung entstehenden Schaden verantwortlich, wenn ihm ein
Verschulden zur Last fällt. Das Gleiche gilt von dem Gegenvormunde.
Sind für den Schaden Mehrere neben einander
verantwortlich, so haften sie als Gesammtschuldner. Ist neben dem Vormunde für
den von diesem verursachten Schaden der Gegenvormund oder ein Mitvormund nur
wegen Verletzung seiner Aufsichtspflicht verantwortlich, so ist in ihrem
Verhältnisse zu einander der Vormund allein verpflichtet.
§. 1834. Verwendet der Vormund Geld des Mündels für
sich, so hat er es von der Zeit der Verwendung an zu verzinsen.
§. 1835. Macht der Vormund zum Zwecke der Führung
der Vormundschaft Aufwendungen, so kann er nach den für den Auftrag geltenden
Vorschriften der §§. 669, 670 von dem Mündel Vorschuß oder Ersatz verlangen.
Das gleiche Recht steht dem Gegenvormunde zu.
Als Aufwendungen gelten auch solche Dienste des
Vormundes oder des Gegenvormundes, die zu seinem Gewerbe oder seinem Berufe
gehören.
§. 1836. Die Vormundschaft wird unentgeltlich
geführt. Das Vormundschaftsgericht kann jedoch dem Vormund und aus besonderen
Gründen auch dem Gegenvormund eine angemessene Vergütung bewilligen. Die
Bewilligung soll nur erfolgen, wenn das Vermögen des Mündels sowie der Umfang und
die Bedeutung der vormundschaftlichen Geschäfte es rechtfertigen. Die Vergütung
kann jederzeit für die Zukunft geändert oder entzogen werden.
Vor der Bewilligung, Aenderung oder Entziehung soll
der Vormund und, wenn ein Gegenvormund vorhanden oder zu bestellen ist, auch
dieser gehört werden.
III. Fürsorge und Aufsicht des
Vormundschaftsgerichts.
§. 1837. Das Vormundschaftsgericht hat über die
gesammte Thätigkeit des Vormundes und des Gegenvormundes die Aufsicht zu führen
und gegen Pflichtwidrigkeiten durch geeignete Gebote und Verbote
einzuschreiten.
Das Vormundschaftsgericht kann den Vormund und den
Gegenvormund zur Befolgung seiner Anordnungen durch Ordnungsstrafen anhalten.
Die einzelne Strafe darf den Betrag von dreihundert Mark nicht übersteigen.
§. 1838. Das Vormundschaftsgericht kann anordnen,
daß der Mündel zum Zwecke der Erziehung in einer geeigneten Familie oder in
einer Erziehungsanstalt oder einer Besserungsanstalt untergebracht wird. Steht
dem Vater oder der Mutter die Sorge für die Person des Mündels zu, so ist eine
solche Anordnung nur unter den Voraussetzungen des §. 1666 zulässig.
§. 1839. Der Vormund sowie der Gegenvormund hat dem
Vormundschaftsgericht auf Verlangen jederzeit über die Führung der
Vormundschaft und über die persönlichen Verhältnisse des Mündels Auskunft zu
ertheilen.
§. 1840. Der Vormund hat über seine
Vermögensverwaltung dem Vormundschaftsgerichte Rechnung zu legen.
Die Rechnung ist jährlich zu legen. Das
Rechnungsjahr wird von dem Vormundschaftsgerichte bestimmt.
Ist die Verwaltung von geringem Umfange, so kann
das Vormundschaftsgericht, nachdem die Rechnung für das erste Jahr gelegt
worden ist, anordnen, daß die Rechnung für längere, höchstens dreijährige
Zeitabschnitte zu legen ist.
§. 1841. Die Rechnung soll eine geordnete
Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalten, über den Ab- und Zugang
des Vermögens Auskunft geben und, soweit Belege ertheilt zu werden pflegen, mit
Belegen versehen sein.
Wird ein Erwerbsgeschäft mit kaufmännischer
Buchführung betrieben, so genügt als Rechnung eine aus den Büchern gezogene
Bilanz. Das Vormundschaftsgericht kann jedoch die Vorlegung der Bücher und
sonstigen Belege verlangen.
§. 1842. Ist ein Gegenvormund vorhanden oder zu
bestellen, so hat ihm der Vormund die Rechnung unter Nachweisung des
Vermögensbestandes vorzulegen. Der Gegenvormund hat die Rechnung mit den
Bemerkungen zu versehen, zu denen die Prüfung ihm Anlaß giebt.
§. 1843. Das Vormundschaftsgericht hat die Rechnung
rechnungsmäßig und sachlich zu prüfen und, soweit erforderlich, ihre
Berichtigung und Ergänzung herbeizuführen.
Ansprüche, die zwischen dem Vormund und dem Mündel
streitig bleiben, können schon vor der Beendigung des
Vormundschaftsverhältnisses im Rechtswege geltend gemacht werden.
§. 1844. Das Vormundschaftsgericht kann aus
besonderen Gründen den Vormund anhalten, für das seiner Verwaltung
unterliegende Vermögen Sicherheit zu leisten. Die Art und den Umfang der
Sicherheitsleistung bestimmt das Vormundschaftsgericht nach seinem Ermessen.
Das Vormundschaftsgericht kann, solange das Amt des Vormundes dauert, jederzeit
die Erhöhung, Minderung oder Aufhebung der Sicherheit anordnen.
Bei der Bestellung, Aenderung oder Aufhebung der
Sicherheit wird die Mitwirkung des Mündels durch die Anordnung des
Vormundschaftsgerichts ersetzt.
Die Kosten der Sicherheitsleistung sowie der
Aenderung oder der Aufhebung fallen dem Mündel zur Last.
§. 1845. Will der zum Vormunde bestellte Vater oder
die zum Vormunde bestellte eheliche Mutter des Mündels eine Ehe eingehen, so
liegen ihnen die im §. 1669 bestimmten Verpflichtungen ob.
§. 1846. Ist ein Vormund noch nicht bestellt oder
ist der Vormund an der Erfüllung seiner Pflichten verhindert, so hat das
Vormundschaftsgericht die im Interesse des Mündels erforderlichen Maßregeln zu
treffen.
§. 1847. Das Vormundschaftsgericht soll vor einer
von ihm zu treffenden Entscheidung auf Antrag des Vormundes oder des
Gegenvormundes Verwandte oder Verschwägerte des Mündels hören, wenn es ohne
erhebliche Verzögerung und ohne unverhältnißmäßige Kosten geschehen kann. In
wichtigen Angelegenheiten soll die Anhörung auch ohne Antrag erfolgen; wichtige
Angelegenheiten sind insbesondere die Volljährigkeitserklärung, die Ersetzung
der Einwilligung zur Eheschließung im Falle des §. 1304, die Ersetzung der Genehmigung
im Falle des §. 1337, die Entlassung aus dem Staatsverband und die
Todeserklärung.
Die Verwandten und Verschwägerten können von dem
Mündel Ersatz ihrer Auslagen verlangen; der Betrag der Auslagen wird von dem
Vormundschaftsgerichte festgesetzt.
§. 1848. Verletzt der Vormundschaftsrichter
vorsätzlich oder fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten, so ist er dem Mündel
nach §. 839 Abs. 1, 3 verantwortlich.
IV. Mitwirkung des Gemeindewaisenraths.
§. 1849. Der Gemeindewaisenrath hat dem
Vormundschaftsgerichte die Personen vorzuschlagen, die sich im einzelnen Falle
zum Vormunde, Gegenvormund oder Mitglied eines Familienraths eignen.
§. 1850. Der Gemeindewaisenrath hat in
Unterstützung des Vormundschaftsgerichts darüber zu wachen, daß die Vormünder
der sich in seinem Bezirk aufhaltenden Mündel für die Person der Mündel,
insbesondere für ihre Erziehung und ihre körperliche Pflege, pflichtmäßig Sorge
tragen. Er hat dem Vormundschaftsgerichte Mängel und Pflichtwidrigkeiten, die
er in dieser Hinsicht wahrnimmt, anzuzeigen und auf Erfordern über das
persönliche Ergehen und das Verhalten eines Mündels Auskunft zu ertheilen.
Erlangt der Gemeindewaisenrath Kenntniß von einer
Gefährdung des Vermögens eines Mündels, so hat er dem Vormundschaftsgericht
Anzeige zu machen.
§. 1851. Das Vormundschaftsgericht hat dem
Gemeindewaisenrathe die Anordnung der Vormundschaft über einen sich in dessen
Bezirk aufhaltenden Mündel unter Bezeichnung des Vormundes und des
Gegenvormundes sowie einen in der Person des Vormundes oder des Gegenvormundes
eintretenden Wechsel mitzutheilen.
Wird der Aufenthalt eines Mündels in den Bezirk
eines anderen Gemeindewaisenraths verlegt, so hat der Vormund dem
Gemeindewaisenrathe des bisherigen Aufenthaltsorts und dieser dem
Gemeindewaisenrathe des neuen Aufenthaltsorts die Verlegung mitzutheilen.
V. Befreite Vormundschaft.
§. 1852. Der Vater kann, wenn er einen Vormund
benennt, die Bestellung eines Gegenvormundes ausschließen.
Der Vater kann anordnen, daß der von ihm benannte
Vormund bei der Anlegung von Geld den in den §§. 1809, 1810 bestimmten
Beschränkungen nicht unterliegen und zu den im §. 1812 bezeichneten
Rechtsgeschäften der Genehmigung des Gegenvormundes oder des
Vormundschaftsgerichts nicht bedürfen soll. Diese Anordnungen sind als
getroffen anzusehen, wenn der Vater die Bestellung eines Gegenvormundes
ausgeschlossen hat.
§. 1853. Der Vater kann den von ihm benannten
Vormund von der Verpflichtung entbinden, Inhaber- und Orderpapiere zu
hinterlegen und den im §. 1816 bezeichneten Vermerk in das Reichsschuldbuch
oder das Staatsschuldbuch eintragen zu lassen.
§. 1854. Der Vater kann den von ihm benannten
Vormund von der Verpflichtung entbinden, während der Dauer seines Amtes
Rechnung zu legen.
Der Vormund hat in einem solchen Falle nach dem
Ablaufe von je zwei Jahren eine Uebersicht über den Bestand des seiner
Verwaltung unterliegenden Vermögens dem Vormundschaftsgericht einzureichen. Das
Vormundschaftsgericht kann anordnen, daß die Uebersicht in längeren, höchstens
fünfjährigen Zwischenräumen einzureichen ist.
Ist ein Gegenvormund vorhanden oder zu bestellen,
so hat ihm der Vormund die Uebersicht unter Nachweisung des Vermögensbestandes
vorzulegen. Der Gegenvormund hat die Uebersicht mit den Bemerkungen zu
versehen, zu denen die Prüfung ihm Anlaß giebt.
§. 1855. Benennt die eheliche Mutter einen Vormund,
so kann sie die gleichen Anordnungen treffen wie nach den §§. 1852 bis 1854 der
Vater.
§. 1856. Auf die nach den §§. 1852 bis 1855
zulässigen Anordnungen finden die Vorschriften des §. 1777 Anwendung.
§. 1857. Die Anordnungen des Vaters oder der Mutter
können von dem Vormundschaftsgericht außer Kraft gesetzt werden, wenn ihre
Befolgung das Interesse des Mündels gefährden würde.
VI. Familienrath.
§. 1858. Ein Familienrath soll von dem
Vormundschaftsgericht eingesetzt werden, wenn der Vater oder die eheliche
Mutter des Mündels die Einsetzung angeordnet hat.
Der Vater oder die Mutter kann die Einsetzung des
Familienraths von dem Eintritt oder Nichteintritt eines bestimmten Ereignisses
abhängig machen.
Die Einsetzung unterbleibt, wenn die erforderliche
Zahl geeigneter Personen nicht vorhanden ist.
§. 1859. Ein Familienrath soll von dem
Vormundschaftsgericht eingesetzt werden, wenn ein Verwandter oder
Verschwägerter des Mündels oder der Vormund oder der Gegenvormund die
Einsetzung beantragt und das Vormundschaftsgericht sie im Interesse des Mündels
für angemessen erachtet.
Die Einsetzung unterbleibt, wenn der Vater oder die
eheliche Mutter des Mündels sie untersagt hat.
§. 1860. Der Familienrath besteht aus dem
Vormundschaftsrichter als Vorsitzendem und aus mindestens zwei, höchstens sechs
Mitgliedern.
§. 1861. Als Mitglied des Familienraths ist
berufen, wer von dem Vater oder der ehelichen Mutter des Mündels als Mitglied
benannt ist. Die Vorschriften des §. 1778 Abs. 1, 2 finden entsprechende
Anwendung.
§. 1862. Soweit eine Berufung nach §. 1861 nicht
vorliegt oder die Berufenen die Uebernahme des Amtes ablehnen, hat das
Vormundschaftsgericht die zur Beschlußfähigkeit des Familienraths
erforderlichen Mitglieder auszuwählen. Vor der Auswahl sollen der
Gemeindewaisenrath und nach Maßgabe des §. 1847 Verwandte oder Verschwägerte
des Mündels gehört werden.
Die Bestimmung der Zahl weiterer Mitglieder und
ihre Auswahl steht dem Familienrathe zu.
§. 1863. Sind neben dem Vorsitzenden nur die zur
Beschlußfähigkeit des Familienraths erforderlichen Mitglieder vorhanden, so
sind ein oder zwei Ersatzmitglieder zu bestellen.
Der Familienrath wählt die Ersatzmitglieder aus und
bestimmt die Reihenfolge, in der sie bei der Verhinderung oder dem Wegfall
eines Mitglieds in den Familienrath einzutreten haben.
Hat der Vater oder die eheliche Mutter
Ersatzmitglieder benannt und die Reihenfolge ihres Eintritts bestimmt, so ist
diese Anordnung zu befolgen.
§. 1864. Wird der Familienrath durch vorübergehende
Verhinderung eines Mitglieds beschlußunfähig und ist ein Ersatzmitglied nicht
vorhanden, so ist für die Dauer der Verhinderung ein Ersatzmitglied zu
bestellen. Die Auswahl steht dem Vorsitzenden zu.
§. 1865. Zum Mitgliede des Familienraths kann nicht
bestellt werden, wer geschäftsunfähig oder wegen Geistesschwäche, Verschwendung
oder Trunksucht entmündigt ist.
§. 1866. Zum Mitgliede des Familienraths soll nicht
bestellt werden:
1. der Vormund des Mündels;
2. wer nach §. 1781 oder nach §. 1782 nicht zum
Vormunde bestellt werden soll;
3. wer durch Anordnung des
Vaters oder der ehelichen Mutter des Mündels von der Mitgliedschaft
ausgeschlossen ist.
§. 1867. Zum Mitgliede des Familienraths soll nicht
bestellt werden, wer mit dem Mündel weder verwandt noch verschwägert ist, es
sei denn, daß er von dem Vater oder der ehelichen Mutter des Mündels benannt
oder von dem Familienrath oder nach §. 1864 von dem Vorsitzenden ausgewählt
worden ist.
§. 1868. Für die nach den §§. 1858, 1859, 1861,
1863, 1866 zulässigen Anordnungen des Vaters oder der Mutter gelten die
Vorschriften des §. 1777.
Die Anordnungen des Vaters gehen den Anordnungen
der Mutter vor.
§. 1869. Niemand ist verpflichtet, das Amt eines
Mitglieds des Familienraths zu übernehmen.
§. 1870. Die Mitglieder des Familienraths werden
von dem Vorsitzenden durch Verpflichtung zu treuer und gewissenhafter Führung
des Amtes bestellt. Die Verpflichtung soll mittelst Handschlags an Eidesstatt
erfolgen.
§. 1871. Bei der Bestellung eines Mitglieds des Familienraths
kann die Entlassung für den Fall vorbehalten werden, daß ein bestimmtes
Ereigniß eintritt oder nicht eintritt.
§. 1872. Der Familienrath hat die Rechte und
Pflichten des Vormundschaftsgerichts. Die Leitung der Geschäfte liegt dem
Vorsitzenden ob.
Die Mitglieder des Familienraths können ihr Amt nur
persönlich ausüben. Sie sind in gleicher Weise verantwortlich wie der
Vormundschaftsrichter.
§. 1873. Der Familienrath wird von dem Vorsitzenden
einberufen. Die Einberufung hat zu erfolgen, wenn zwei Mitglieder, der Vormund
oder der Gegenvormund sie beantragen oder wenn das Interesse des Mündels sie
erfordert. Die Mitglieder können mündlich oder schriftlich eingeladen werden.
§. 1874. Zur Beschlußfähigkeit des Familienraths
ist die Anwesenheit des Vorsitzenden und mindestens zweier Mitglieder
erforderlich.
Der Familienrath faßt seine Beschlüsse nach der
Mehrheit der Stimmen der Anwesenden. Bei Stimmengleichheit entscheidet die
Stimme des Vorsitzenden.
Steht in einer Angelegenheit das Interesse des
Mündels zu dem Interesse eines Mitglieds in erheblichem Gegensatze, so ist das
Mitglied von der Theilnahme an der Beschlußfassung ausgeschlossen. Ueber die
Ausschließung entscheidet der Vorsitzende.
§. 1875. Ein Mitglied des Familienraths, das ohne
genügende Entschuldigung der Einberufung nicht Folge leistet oder die
rechtzeitige Anzeige seiner Verhinderung unterläßt oder sich der Theilnahme an
der Beschlußfassung enthält, ist von dem Vorsitzenden in die dadurch
verursachten Kosten zu verurtheilen.
Der Vorsitzende kann gegen das Mitglied eine
Ordnungsstrafe bis zu einhundert Mark verhängen.
Erfolgt nachträglich genügende Entschuldigung, so
sind die getroffenen Verfügungen aufzuheben.
§. 1876. Wird ein sofortiges Einschreiten nöthig,
so hat der Vorsitzende die erforderlichen Anordnungen zu treffen, den
Familienrath einzuberufen, ihn von den Anordnungen in Kenntniß zu setzen und
einen Beschluß über die etwa weiter erforderlichen Maßregeln herbeizuführen.
§. 1877. Die Mitglieder des Familienraths können
von dem Mündel Ersatz ihrer Auslagen verlangen; der Betrag der Auslagen wird
von dem Vorsitzenden festgesetzt.
§. 1878. Das Amt eines Mitglieds des Familienraths
endigt aus denselben Gründen, aus denen nach den §§. 1885, 1886, 1889 das Amt
eines Vormundes endigt.
Ein Mitglied kann gegen seinen Willen nur durch das
dem Vormundschaftsgericht im Instanzenzuge vorgeordnete Gericht entlassen
werden.
§. 1879. Das Vormundschaftsgericht hat den
Familienrath aufzuheben, wenn es an der zur Beschlußfähigkeit erforderlichen
Zahl von Mitgliedern fehlt und geeignete Personen zur Ergänzung nicht vorhanden
sind.
§. 1880. Der Vater des Mündels kann die Aufhebung
des von ihm angeordneten Familienraths für den Fall des Eintritts oder
Nichteintritts eines künftigen Ereignisses nach Maßgabe des §. 1777 anordnen.
Das gleiche Recht steht der ehelichen Mutter des Mündels für den von ihr
angeordneten Familienrath zu.
Tritt der Fall ein, so hat das
Vormundschaftsgericht den Familienrath aufzuheben.
§. 1881. Von der Aufhebung des Familienraths hat das
Vormundschaftsgericht die bisherigen Mitglieder, den Vormund und den
Gegenvormund in Kenntniß zu setzen.
Der Vormund und der Gegenvormund erhalten neue
Bestallungen. Die früheren Bestallungen sind dem Vormundschaftsgerichte
zurückzugeben.
VII. Beendigung der Vormundschaft.
§. 1882. Die Vormundschaft endigt mit dem Wegfalle
der im §. 1773 für die Anordnung der Vormundschaft bestimmten Voraussetzungen.
§. 1883. Wird der Mündel durch nachfolgende Ehe
legitimiert, so endigt die Vormundschaft erst dann, wenn die Vaterschaft des
Ehemanns durch ein zwischen ihm und dem Mündel ergangenes Urtheil rechtskräftig
festgestellt ist oder die Aufhebung der Vormundschaft von dem
Vormundschaftsgericht angeordnet wird.
Das Vormundschaftsgericht hat die Aufhebung
anzuordnen, wenn es die Voraussetzungen der Legitimation für vorhanden
erachtet. Solange der Ehemann lebt, soll die Aufhebung nur angeordnet werden,
wenn er die Vaterschaft anerkannt hat oder wenn er an der Abgabe einer
Erklärung dauernd verhindert oder sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist.
§. 1884. Ist der Mündel verschollen, so endigt die
Vormundschaft erst mit der Aufhebung durch das Vormundschaftsgericht. Das
Vormundschaftsgericht hat die Vormundschaft aufzuheben, wenn ihm der Tod des
Mündels bekannt wird.
Wird der Mündel für todt erklärt, so endigt die
Vormundschaft mit der Erlassung des die Todeserklärung aussprechenden Urtheils.
§. 1885. Das Amt des Vormundes endigt mit seiner
Entmündigung.
Wird der Vormund für todt erklärt, so endigt sein
Amt mit der Erlassung des die Todeserklärung aussprechenden Urtheils.
§. 1886. Das Vormundschaftsgericht hat den Vormund
zu entlassen, wenn die Fortführung des Amtes, insbesondere wegen
pflichtwidrigen Verhaltens des Vormundes, das Interesse des Mündels gefährden
würde oder wenn in der Person des Vormundes einer der im §. 1781 bestimmten
Gründe vorliegt.
§. 1887. Das Vormundschaftsgericht kann eine Frau,
die zum Vormunde bestellt ist, entlassen, wenn sie sich verheirathet.
Das Vormundschaftsgericht hat eine verheirathete
Frau, die zum Vormunde bestellt ist, zu entlassen, wenn der Mann seine
Zustimmung zur Uebernahme oder zur Fortführung der Vormundschaft versagt oder
die Zustimmung widerruft. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn der
Mann der Vater des Mündels ist.
§. 1888. Ist ein Beamter oder ein Religionsdiener
zum Vormunde bestellt, so hat ihn das Vormundschaftsgericht zu entlassen, wenn
die Erlaubniß, die nach den Landesgesetzen zur Uebernahme der Vormundschaft
oder zur Fortführung der vor dem Eintritt in das Amts- oder Dienstverhältniß
übernommenen Vormundschaft erforderlich ist, versagt oder zurückgenommen wird
oder wenn die nach den Landesgesetzen zulässige Untersagung der Fortführung der
Vormundschaft erfolgt.
§. 1889. Das Vormundschaftsgericht hat den Vormund
auf seinen Antrag zu entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein
wichtiger Grund ist insbesondere der Eintritt eines Umstandes, der den Vormund
nach §. 1786 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 berechtigen würde, die Uebernahme der
Vormundschaft abzulehnen.
§. 1890. Der Vormund hat nach der Beendigung seines
Amtes dem Mündel das verwaltete Vermögen herauszugeben und über die Verwaltung
Rechenschaft abzulegen. Soweit er dem Vormundschaftsgerichte Rechnung gelegt
hat, genügt die Bezugnahme auf diese Rechnung.
§. 1891. Ist ein Gegenvormund vorhanden, so hat ihm
der Vormund die Rechnung vorzulegen. Der Gegenvormund hat die Rechnung mit den
Bemerkungen zu versehen, zu denen die Prüfung ihm Anlaß giebt.
Der Gegenvormund hat über die Führung der
Gegenvormundschaft und, soweit er dazu im Stande ist, über das von dem Vormunde
verwaltete Vermögen auf Verlangen Auskunft zu ertheilen.
§. 1892. Der Vormund hat die Rechnung, nachdem er
sie dem Gegenvormunde vorgelegt hat, dem Vormundschaftsgericht einzureichen.
Das Vormundschaftsgericht hat die Rechnung
rechnungsmäßig und sachlich zu prüfen und deren Abnahme durch Verhandlung mit
den Betheiligten unter Zuziehung des Gegenvormundes zu vermitteln. Soweit die
Rechnung als richtig anerkannt wird, hat das Vormundschaftsgericht das
Anerkenntniß zu beurkunden.
§. 1893. Im Falle der Beendigung der Vormundschaft
oder des vormundschaftlichen Amtes finden die Vorschriften der §§. 1682, 1683
entsprechende Anwendung.
Der Vormund hat nach der Beendigung seines Amtes
die Bestallung dem Vormundschaftsgerichte zurückzugeben.
§. 1894. Den Tod des Vormundes hat dessen Erbe dem
Vormundschaftsgericht unverzüglich anzuzeigen.
Den Tod des Gegenvormundes oder eines Mitvormundes
hat der Vormund unverzüglich anzuzeigen.
§. 1895. Die Vorschriften der §§. 1885 bis 1889,
1893, 1894 finden auf den Gegenvormund entsprechende Anwendung.
Zweiter Titel.
Vormundschaft über Volljährige.
§. 1896. Ein Volljähriger erhält einen Vormund,
wenn er entmündigt ist.
§. 1897. Auf die Vormundschaft über einen
Volljährigen finden die für die Vormundschaft über einen Minderjährigen
geltenden Vorschriften Anwendung, soweit sich nicht aus den §§. 1898 bis 1908
ein Anderes ergiebt.
§. 1898. Der Vater und die Mutter des Mündels sind
nicht berechtigt, einen Vormund zu benennen oder Jemand von der Vormundschaft
auszuschließen.
§. 1899. Vor den Großvätern ist der Vater und nach
ihm die eheliche Mutter des Mündels als Vormund berufen.
Die Eltern sind nicht berufen, wenn der Mündel von
einem Anderen als dem Ehegatten seines Vaters oder seiner Mutter an Kindesstatt
angenommen ist.
Stammt der Mündel aus einer nichtigen Ehe, so ist
der Vater im Falle des §. 1701, die Mutter im Falle des §. 1702 nicht berufen.
§. 1900. Eine Ehefrau darf zum Vormund ihres Mannes
auch ohne dessen Zustimmung bestellt werden.
Der Ehegatte des Mündels darf vor den Eltern und
den Großvätern, die eheliche Mutter darf im Falle des §. 1702 vor den
Großvätern zum Vormunde bestellt werden.
Die uneheliche Mutter darf vor dem Großvater zum
Vormunde bestellt werden.
§. 1901. Der Vormund hat für die Person des Mündels
nur insoweit zu sorgen, als der Zweck der Vormundschaft es erfordert.
Steht eine Ehefrau unter Vormundschaft, so tritt
die im §. 1633 bestimmte Beschränkung nicht ein.
§. 1902. Der Vormund kann eine Ausstattung aus dem
Vermögen des Mündels nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts versprechen
oder gewähren.
Zu einem Mieth- oder Pachtvertrage sowie zu einem
anderen Vertrage, durch den der Mündel zu wiederkehrenden Leistungen
verpflichtet wird, bedarf der Vormund der Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts, wenn das Vertragsverhältniß länger als vier Jahre
dauern soll. Die Vorschrift des §. 1822 Nr. 4 bleibt unberührt.
§. 1903. Wird der Vater des Mündels zum Vormunde
bestellt, so unterbleibt die Bestellung eines Gegenvormundes. Dem Vater stehen
die Befreiungen zu, die nach den §§. 1852 bis 1854 angeordnet werden können.
Das Vormundschaftsgericht kann die Befreiungen außer Kraft setzen, wenn sie das
Interesse des Mündels gefährden.
Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn der
Vater im Falle der Minderjährigkeit des Mündels zur Vermögensverwaltung nicht
berechtigt sein würde.
§. 1904. Ist die eheliche Mutter des Mündels zum
Vormunde bestellt, so gilt für sie das Gleiche wie nach §. 1903 für den Vater.
Der Mutter ist jedoch ein Gegenvormund zu bestellen, wenn sie die Bestellung
beantragt oder wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen ihr nach §. 1687
Nr. 3 ein Beistand zu bestellen sein würde. Wird ein Gegenvormund bestellt, so
stehen der Mutter die im §. 1852 bezeichneten Befreiungen nicht zu.
§. 1905. Ein Familienrath kann nur nach §. 1859
Abs. 1 eingesetzt werden.
Der Vater und die Mutter des Mündels sind nicht
berechtigt, Anordnungen über die Einsetzung und Aufhebung eines Familienraths
oder über die Mitgliedschaft zu treffen.
§. 1906. Ein Volljähriger, dessen Entmündigung
beantragt ist, kann unter vorläufige Vormundschaft gestellt werden, wenn das
Vormundschaftsgericht es zur Abwendung einer erheblichen Gefährdung der Person
oder des Vermögens des Volljährigen für erforderlich erachtet.
§. 1907. Die Vorschriften über die Berufung zur
Vormundschaft gelten nicht für die vorläufige Vormundschaft.
§. 1908. Die vorläufige Vormundschaft endigt mit
der Rücknahme oder der rechtskräftigen Abweisung des Antrags auf Entmündigung.
Erfolgt die Entmündigung, so endigt die vorläufige
Vormundschaft, wenn auf Grund der Entmündigung ein Vormund bestellt wird.
Die vorläufige Vormundschaft ist von dem
Vormundschaftsgericht aufzuheben, wenn der Mündel des vorläufigen
vormundschaftlichen Schutzes nicht mehr bedürftig ist.
Dritter Titel.
Pflegschaft.
§. 1909. Wer unter elterlicher Gewalt oder unter
Vormundschaft steht, erhält für Angelegenheiten, an deren Besorgung der
Gewalthaber oder der Vormund verhindert ist, einen Pfleger. Er erhält insbesondere
einen Pfleger zur Verwaltung des Vermögens, das er von Todeswegen erwirbt oder
das ihm unter Lebenden von einem Dritten unentgeltlich zugewendet wird, wenn
der Erblasser durch letztwillige Verfügung, der Dritte bei der Zuwendung
bestimmt hat, daß dem Gewalthaber oder dem Vormunde die Verwaltung nicht
zustehen soll.
Tritt das Bedürfniß einer Pflegschaft ein, so hat
der Gewalthaber oder der Vormund dem Vormundschaftsgericht unverzüglich Anzeige
zu machen.
Die Pflegschaft ist auch dann anzuordnen, wenn die
Voraussetzungen für die Anordnung einer Vormundschaft vorliegen, ein Vormund
aber noch nicht bestellt ist.
§. 1910. Ein Volljähriger, der nicht unter
Vormundschaft steht, kann einen Pfleger für seine Person und sein Vermögen
erhalten, wenn er in Folge körperlicher Gebrechen, insbesondere weil er taub,
blind oder stumm ist, seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag.
Vermag ein Volljähriger, der nicht unter
Vormundschaft steht, in Folge geistiger oder körperlicher Gebrechen einzelne
seiner Angelegenheiten oder einen bestimmten Kreis seiner Angelegenheiten,
insbesondere seine Vermögensangelegenheiten, nicht zu besorgen, so kann er für
diese Angelegenheiten einen Pfleger erhalten.
Die Pflegschaft darf nur mit Einwilligung des
Gebrechlichen angeordnet werden, es sei denn, daß eine Verständigung mit ihm
nicht möglich ist.
§. 1911. Ein abwesender Volljähriger, dessen
Aufenthalt unbekannt ist, erhält für seine Vermögensangelegenheiten, soweit sie
der Fürsorge bedürfen, einen Abwesenheitspfleger. Ein solcher Pfleger ist ihm
insbesondere auch dann zu bestellen, wenn er durch Ertheilung eines Auftrags
oder einer Vollmacht Fürsorge getroffen hat, aber Umstände eingetreten sind,
die zum Widerrufe des Auftrags oder der Vollmacht Anlaß geben.
Das Gleiche gilt von einem Abwesenden, dessen
Aufenthalt bekannt, der aber an der Rückkehr und der Besorgung seiner
Vermögensangelegenheiten verhindert ist.
§. 1912. Eine Leibesfrucht erhält zur Wahrung ihrer
künftigen Rechte, soweit diese einer Fürsorge bedürfen, einen Pfleger. Die
Fürsorge steht jedoch dem Vater oder der Mutter zu, wenn das Kind, falls es
bereits geboren wäre, unter elterlicher Gewalt stehen würde.
§. 1913. Ist unbekannt oder ungewiß, wer bei einer
Angelegenheit der Betheiligte ist, so kann dem Betheiligten für diese
Angelegenheit, soweit eine Fürsorge erforderlich ist, ein Pfleger bestellt
werden. Insbesondere kann einem Nacherben, der noch nicht erzeugt ist oder
dessen Persönlichkeit erst durch ein künftiges Ereigniß bestimmt wird, für die
Zeit bis zum Eintritte der Nacherbfolge ein Pfleger bestellt werden.
§. 1914. Ist durch öffentliche Sammlung Vermögen
für einen vorübergehenden Zweck zusammengebracht worden, so kann zum Zwecke der
Verwaltung und Verwendung des Vermögens ein Pfleger bestellt werden, wenn die
zu der Verwaltung und Verwendung berufenen Personen weggefallen sind.
§. 1915. Auf die Pflegschaft finden die für die
Vormundschaft geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit sich nicht
aus dem Gesetz ein Anderes ergiebt.
Die Bestellung eines Gegenvormundes ist nicht
erforderlich.
§. 1916. Für die nach §. 1909 anzuordnende
Pflegschaft gelten die Vorschriften über die Berufung zur Vormundschaft nicht.
§. 1917. Wird die Anordnung einer Pflegschaft nach
§. 1909 Abs. 1 Satz 2 erforderlich, so ist als Pfleger berufen, wer als solcher
von dem Erblasser durch letztwillige Verfügung, von dem Dritten bei der
Zuwendung benannt worden ist; die Vorschriften des §. 1778 finden entsprechende
Anwendung.
Für den benannten Pfleger kann der Erblasser durch
letztwillige Verfügung, der Dritte bei der Zuwendung die in den §§. 1852 bis
1854 bezeichneten Befreiungen anordnen. Das Vormundschaftsgericht kann die
Anordnungen außer Kraft setzen, wenn sie das Interesse des Pflegebefohlenen
gefährden.
Zu einer Abweichung von den Anordnungen des Dritten
ist, solange er lebt, seine Zustimmung erforderlich und genügend. Die
Zustimmung des Dritten kann durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden,
wenn der Dritte zur Abgabe einer Erklärung dauernd außer Stande oder sein Aufenthalt
dauernd unbekannt ist.
§. 1918. Die Pflegschaft für eine unter elterlicher
Gewalt oder unter Vormundschaft stehende Person endigt mit der Beendigung der
elterlichen Gewalt oder der Vormundschaft.
Die Pflegschaft für eine Leibesfrucht endigt mit der
Geburt des Kindes.
Die Pflegschaft zur Besorgung einer einzelnen
Angelegenheit endigt mit deren Erledigung.
§. 1919. Die Pflegschaft ist von dem
Vormundschaftsgericht aufzuheben, wenn der Grund für die Anordnung der
Pflegschaft weggefallen ist.
§. 1920. Eine nach §. 1910 angeordnete Pflegschaft
ist von dem Vormundschaftsgericht aufzuheben, wenn der Pflegebefohlene die
Aufhebung beantragt.
§. 1921. Die Pflegschaft für einen Abwesenden ist
von dem Vormundschaftsgericht aufzuheben, wenn der Abwesende an der Besorgung
seiner Vermögensangelegenheiten nicht mehr verhindert ist.
Stirbt der Abwesende, so endigt die Pflegschaft
erst mit der Aufhebung durch das Vormundschaftsgericht. Das
Vormundschaftsgericht hat die Pflegschaft aufzuheben, wenn ihm der Tod des Abwesenden
bekannt wird.
Wird der Abwesende für todt erklärt, so endigt die
Pflegschaft mit der Erlassung des die Todeserklärung aussprechenden Urtheils.
Fünftes Buch.
Erbrecht.
Erster Abschnitt.
Erbfolge.
§. 1922. Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren
Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben)
über.
Auf den Antheil eines Miterben (Erbtheil) finden
die sich auf die Erbschaft beziehenden Vorschriften Anwendung.
§. 1923. Erbe kann nur werden, wer zur Zeit des
Erbfalls lebt.
Wer zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte, aber
bereits erzeugt war, gilt als vor dem Erbfalle geboren.
§. 1924. Gesetzliche Erben der ersten Ordnung sind
die Abkömmlinge des Erblassers.
Ein zur Zeit des Erbfalls lebender Abkömmling
schließt die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge von der
Erbfolge aus.
An die Stelle eines zur Zeit des Erbfalls nicht
mehr lebenden Abkömmlinges treten die durch ihn mit dem Erblasser verwandten
Abkömmlinge (Erbfolge nach Stämmen).
Kinder erben zu gleichen Theilen.
§. 1925. Gesetzliche Erben der zweiten Ordnung sind
die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge.
Leben zur Zeit des Erbfalls die Eltern, so erben
sie allein und zu gleichen Theilen.
Lebt zur Zeit des Erbfalls der Vater oder die
Mutter nicht mehr, so treten an die Stelle des Verstorbenen dessen Abkömmlinge
nach den für die Beerbung in der ersten Ordnung geltenden Vorschriften. Sind
Abkömmlinge nicht vorhanden, so erbt der überlebende Theil allein.
§. 1926. Gesetzliche Erben der dritten Ordnung sind
die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge.
Leben zur Zeit des Erbfalls die Großeltern, so
erben sie allein und zu gleichen Theilen.
Lebt zur Zeit des Erbfalls von den väterlichen oder
von den mütterlichen Großeltern der Großvater oder die Großmutter nicht mehr,
so treten an die Stelle des Verstorbenen dessen Abkömmlinge. Sind Abkömmlinge
nicht vorhanden, so fällt der Antheil des Verstorbenen dem anderen Theile des
Großelternpaars und, wenn dieser nicht mehr lebt, dessen Abkömmlingen zu.
Leben zur Zeit des Erbfalls die väterlichen oder
die mütterlichen Großeltern nicht mehr und sind Abkömmlinge der Verstorbenen
nicht vorhanden, so erben die anderen Großeltern oder ihre Abkömmlinge allein.
Soweit Abkömmlinge an die Stelle ihrer Eltern oder
ihrer Voreltern treten, finden die für die Beerbung in der ersten Ordnung
geltenden Vorschriften Anwendung.
§. 1927. Wer in der ersten, der zweiten oder der
dritten Ordnung verschiedenen Stämmen angehört, erhält den in jedem dieser
Stämme ihm zufallenden Antheil. Jeder Antheil gilt als besonderer Erbtheil.
§. 1928. Gesetzliche Erben der vierten Ordnung sind
die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge.
Leben zur Zeit des Erbfalls Urgroßeltern, so erben
sie allein; mehrere erben zu gleichen Theilen, ohne Unterschied, ob sie
derselben Linie oder verschiedenen Linien angehören.
Leben zur Zeit des Erbfalls Urgroßeltern nicht
mehr, so erbt von ihren Abkömmlingen derjenige, welcher mit dem Erblasser dem
Grade nach am nächsten verwandt ist; mehrere gleich nahe Verwandte erben zu
gleichen Theilen.
§. 1929. Gesetzliche Erben der fünften Ordnung und
der ferneren Ordnungen sind die entfernteren Voreltern des Erblassers und deren
Abkömmlinge.
Die Vorschriften des §. 1928 Abs. 2, 3 finden
entsprechende Anwendung.
§. 1930. Ein Verwandter ist nicht zur Erbfolge
berufen, solange ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung vorhanden ist.
§. 1931. Der überlebende Ehegatte des Erblassers
ist neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertheile, neben Verwandten
der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft als
gesetzlicher Erbe berufen. Treffen mit Großeltern Abkömmlinge von Großeltern
zusammen, so erhält der Ehegatte auch von der anderen Hälfte den Antheil, der
nach §. 1926 den Abkömmlingen zufallen würde.
Sind weder Verwandte der ersten oder der zweiten
Ordnung noch Großeltern vorhanden, so erhält der überlebende Ehegatte die ganze
Erbschaft.
§. 1932. Ist der überlebende Ehegatte neben
Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern gesetzlicher Erbe, so
gebühren ihm außer dem Erbtheile die zum ehelichen Haushalte gehörenden
Gegenstände, soweit sie nicht Zubehör eines Grundstücks sind, und die
Hochzeitsgeschenke als Voraus. Auf den Voraus finden die für Vermächtnisse
geltenden Vorschriften Anwendung.
§. 1933. Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten
sowie das Recht auf den Voraus ist ausgeschlossen, wenn der Erblasser zur Zeit
seines Todes auf Scheidung wegen Verschuldens des Ehegatten zu klagen
berechtigt war und die Klage auf Scheidung oder auf Aufhebung der ehelichen
Gemeinschaft erhoben hatte.
§. 1934. Gehört der überlebende Ehegatte zu den
erbberechtigten Verwandten, so erbt er zugleich als Verwandter. Der Erbtheil,
der ihm auf Grund der Verwandtschaft zufällt, gilt als besonderer Erbtheil.
§. 1935. Fällt ein gesetzlicher Erbe vor oder nach
dem Erbfalle weg und erhöht sich in Folge dessen der Erbtheil eines anderen
gesetzlichen Erben, so gilt der Theil, um welchen sich der Erbtheil erhöht, in
Ansehung der Vermächtnisse und Auflagen, mit denen dieser Erbe oder der
wegfallende Erbe beschwert ist, sowie in Ansehung der Ausgleichungspflicht als
besonderer Erbtheil.
§. 1936. Ist zur Zeit des Erbfalls weder ein
Verwandter noch ein Ehegatte des Erblassers vorhanden, so ist der Fiskus des
Bundesstaats, dem der Erblasser zur Zeit des Todes angehört hat, gesetzlicher
Erbe. Hat der Erblasser mehreren Bundesstaaten angehört, so ist der Fiskus
eines jeden dieser Staaten zu gleichem Antheile zur Erbfolge berufen.
War der Erblasser ein Deutscher, der keinem Bundesstaat
angehörte, so ist der Reichsfiskus gesetzlicher Erbe.
§. 1937. Der Erblasser kann durch einseitige
Verfügung von Todeswegen (Testament, letztwillige Verfügung) den Erben
bestimmen.
§. 1938. Der Erblasser kann durch Testament einen
Verwandten oder den Ehegatten von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen, ohne
einen Erben einzusetzen.
§. 1939. Der Erblasser kann durch Testament einem
Anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvortheil zuwenden
(Vermächtniß).
§. 1940. Der Erblasser kann durch Testament den
Erben oder einen Vermächtnißnehmer zu einer Leistung verpflichten, ohne einem
Anderen ein Recht auf die Leistung zuzuwenden (Auflage).
§. 1941. Der Erblasser kann durch Vertrag einen
Erben einsetzen sowie Vermächtnisse und Auflagen anordnen (Erbvertrag).
Als Erbe (Vertragserbe) oder als Vermächtnißnehmer
kann sowohl der andere Vertragschließende als ein Dritter bedacht werden.
Zweiter Abschnitt.
Rechtliche Stellung des Erben.
Erster Titel.
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft. Fürsorge
des Nachlaßgerichts.
§. 1942. Die Erbschaft geht auf den berufenen Erben
unbeschadet des Rechtes über, sie auszuschlagen (Anfall der Erbschaft).
Der Fiskus kann die ihm als gesetzlichem Erben
angefallene Erbschaft nicht ausschlagen.
§. 1943. Der Erbe kann die Erbschaft nicht mehr
ausschlagen, wenn er sie angenommen hat oder wenn die für die Ausschlagung
vorgeschriebene Frist verstrichen ist; mit dem Ablaufe der Frist gilt die
Erbschaft als angenommen.
§. 1944. Die Ausschlagung kann nur binnen sechs
Wochen erfolgen.
Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der
Erbe von dem Anfall und dem Grunde der Berufung Kenntniß erlangt. Ist der Erbe
durch Verfügung von Todeswegen berufen, so beginnt die Frist nicht vor der
Verkündung der Verfügung. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung
geltenden Vorschriften der §§. 203, 206 entsprechende Anwendung.
Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser
seinen letzten Wohnsitz nur im Auslande gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei
dem Beginne der Frist im Ausland aufhält.
§. 1945. Die Ausschlagung erfolgt durch Erklärung
gegenüber dem Nachlaßgerichte; die Erklärung ist in öffentlich beglaubigter
Form abzugeben.
Ein Bevollmächtigter bedarf einer öffentlich
beglaubigten Vollmacht. Die Vollmacht muß der Erklärung beigefügt oder
innerhalb der Ausschlagungsfrist nachgebracht werden.
§. 1946. Der Erbe kann die Erbschaft annehmen oder
ausschlagen, sobald der Erbfall eingetreten ist.
§. 1947. Die Annahme und die Ausschlagung können
nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgen.
§. 1948. Wer durch Verfügung von Todeswegen als
Erbe berufen ist, kann, wenn er ohne die Verfügung als gesetzlicher Erbe
berufen sein würde, die Erbschaft als eingesetzter Erbe ausschlagen und als
gesetzlicher Erbe annehmen.
Wer durch Testament und durch Erbvertrag als Erbe
berufen ist, kann die Erbschaft aus dem einen Berufungsgrund annehmen und aus
dem anderen ausschlagen.
§. 1949. Die Annahme gilt als nicht erfolgt, wenn
der Erbe über den Berufungsgrund im Irrthume war.
Die Ausschlagung erstreckt sich im Zweifel auf alle
Berufungsgründe, die dem Erben zur Zeit der Erklärung bekannt sind.
§. 1950. Die Annahme und die Ausschlagung können
nicht auf einen Theil der Erbschaft beschränkt werden. Die Annahme oder
Ausschlagung eines Theiles ist unwirksam.
§. 1951. Wer zu mehreren Erbtheilen berufen ist,
kann, wenn die Berufung auf verschiedenen Gründen beruht, den einen Erbtheil
annehmen und den anderen ausschlagen.
Beruht die Berufung auf demselben Grunde, so gilt
die Annahme oder Ausschlagung des einen Erbtheils auch für den anderen, selbst
wenn der andere erst später anfällt. Die Berufung beruht auf demselben Grunde
auch dann, wenn sie in verschiedenen Testamenten oder vertragsmäßig in
verschiedenen zwischen denselben Personen geschlossenen Erbverträgen angeordnet
ist.
Setzt der Erblasser einen Erben auf mehrere
Erbtheile ein, so kann er ihm durch Verfügung von Todeswegen gestatten, den
einen Erbtheil anzunehmen und den anderen auszuschlagen.
§. 1952. Das Recht des Erben, die Erbschaft
auszuschlagen, ist vererblich.
Stirbt der Erbe vor dem Ablaufe der
Ausschlagungsfrist, so endigt die Frist nicht vor dem Ablaufe der für die
Erbschaft des Erben vorgeschriebenen Ausschlagungsfrist.
Von mehreren Erben des Erben kann jeder den seinem Erbtheil
entsprechenden Theil der Erbschaft ausschlagen.
§. 1953. Wird die Erbschaft ausgeschlagen, so gilt
der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt.
Die Erbschaft fällt demjenigen an, welcher berufen
sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte;
der Anfall gilt als mit dem Erbfall erfolgt.
Das Nachlaßgericht soll die Ausschlagung demjenigen
mittheilen, welchem die Erbschaft in Folge der Ausschlagung angefallen ist. Es
hat die Einsicht der Erklärung Jedem zu gestatten, der ein rechtliches
Interesse glaubhaft macht.
§. 1954. Ist die Annahme oder die Ausschlagung
anfechtbar, so kann die Anfechtung nur binnen sechs Wochen erfolgen.
Die Frist beginnt im Falle der Anfechtbarkeit wegen
Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört, in den übrigen
Fällen mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte von dem
Anfechtungsgrunde Kenntniß erlangt. Auf den Lauf der Frist finden die für die
Verjährung geltenden Vorschriften der §§. 203, 206, 207 entsprechende
Anwendung.
Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser
seinen letzten Wohnsitz nur im Auslande gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei
dem Beginne der Frist im Ausland aufhält.
Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der
Annahme oder der Ausschlagung dreißig Jahre verstrichen sind.
§. 1955. Die Anfechtung der Annahme oder der
Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgerichte. Für die
Erklärung gelten die Vorschriften des §. 1945.
§. 1956. Die Versäumung der Ausschlagungsfrist kann
in gleicher Weise wie die Annahme angefochten werden.
§. 1957. Die Anfechtung der Annahme gilt als
Ausschlagung, die Anfechtung der Ausschlagung gilt als Annahme.
Das Nachlaßgericht soll die Anfechtung der
Ausschlagung demjenigen mittheilen, welchem die Erbschaft in Folge der
Ausschlagung angefallen war. Die Vorschrift des §. 1953 Abs. 3 Satz 2 findet
Anwendung.
§. 1958. Vor der Annahme der Erbschaft kann ein
Anspruch, der sich gegen den Nachlaß richtet, nicht gegen den Erben gerichtlich
geltend gemacht werden.
§. 1959. Besorgt der Erbe vor der Ausschlagung
erbschaftliche Geschäfte, so ist er demjenigen gegenüber, welcher Erbe wird,
wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag berechtigt und verpflichtet.
Verfügt der Erbe vor der Ausschlagung über einen
Nachlaßgegenstand, so wird die Wirksamkeit der Verfügung durch die Ausschlagung
nicht berührt, wenn die Verfügung nicht ohne Nachtheil für den Nachlaß
verschoben werden konnte.
Ein Rechtsgeschäft, das gegenüber dem Erben als
solchem vorgenommen werden muß, bleibt, wenn es vor der Ausschlagung dem
Ausschlagenden gegenüber vorgenommen wird, auch nach der Ausschlagung wirksam.
§. 1960. Bis zur Annahme der Erbschaft hat das
Nachlaßgericht für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfniß
besteht. Das Gleiche gilt, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiß ist, ob er
die Erbschaft angenommen hat.
Das Nachlaßgericht kann insbesondere die Anlegung
von Siegeln, die Hinterlegung von Geld, Werthpapieren und Kostbarkeiten sowie
die Aufnahme eines Nachlaßverzeichnisses anordnen und für denjenigen, welcher
Erbe wird, einen Pfleger (Nachlaßpfleger) bestellen.
Die Vorschrift des §. 1958 findet auf den
Nachlaßpfleger keine Anwendung.
§. 1961. Das Nachlaßgericht hat in den Fällen des
§. 1960 Abs. 1 einen Nachlaßpfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zum
Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den
Nachlaß richtet, von dem Berechtigten beantragt wird.
§. 1962. Für die Nachlaßpflegschaft tritt an die
Stelle des Vormundschaftsgerichts das Nachlaßgericht.
§. 1963. Ist zur Zeit des Erbfalls die Geburt eines
Erben zu erwarten, so kann die Mutter, falls sie außer Stande ist, sich selbst
zu unterhalten, bis zur Entbindung standesmäßigen Unterhalt aus dem Nachlaß
oder, wenn noch andere Personen als Erben berufen sind, aus dem Erbtheile des
Kindes verlangen. Bei der Bemessung des Erbtheils ist anzunehmen, daß nur ein
Kind geboren wird.
§. 1964. Wird der Erbe nicht innerhalb einer den
Umständen entsprechenden Frist ermittelt, so hat das Nachlaßgericht
festzustellen, daß ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist.
Die Feststellung begründet die Vermuthung, daß der
Fiskus gesetzlicher Erbe sei.
§. 1965. Der Feststellung hat eine öffentliche
Aufforderung zur Anmeldung der Erbrechte unter Bestimmung einer Anmeldungsfrist
vorauszugehen; die Art der Bekanntmachung und die Dauer der Anmeldungsfrist
bestimmen sich nach den für das Aufgebotsverfahren geltenden Vorschriften. Die
Aufforderung darf unterbleiben, wenn die Kosten dem Bestande des Nachlasses
gegenüber unverhältnißmäßig groß sind.
Ein Erbrecht bleibt unberücksichtigt, wenn nicht
dem Nachlaßgerichte binnen drei Monaten nach dem Ablaufe der Anmeldungsfrist
nachgewiesen wird, daß das Erbrecht besteht oder daß es gegen den Fiskus im
Wege der Klage geltend gemacht ist. Ist eine öffentliche Aufforderung nicht
ergangen, so beginnt die dreimonatige Frist mit der gerichtlichen Aufforderung,
das Erbrecht oder die Erhebung der Klage nachzuweisen.
§. 1966. Von dem Fiskus als gesetzlichem Erben und
gegen den Fiskus als gesetzlichen Erben kann ein Recht erst geltend gemacht
werden, nachdem von dem Nachlaßgerichte festgestellt worden ist, daß ein
anderer Erbe nicht vorhanden ist.
Zweiter Titel.
Haftung des Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten.
I. Nachlaßverbindlichkeiten.
§. 1967. Der Erbe haftet für die
Nachlaßverbindlichkeiten.
Zu den Nachlaßverbindlichkeiten gehören außer den
vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden
Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichttheilsrechten,
Vermächtnissen und Auflagen.
§. 1968. Der Erbe trägt die Kosten der
standesmäßigen Beerdigung des Erblassers.
§. 1969. Der Erbe ist verpflichtet,
Familienangehörigen des Erblassers, die zur Zeit des Todes des Erblassers zu
dessen Hausstande gehört und von ihm Unterhalt bezogen haben, in den ersten
dreißig Tagen nach dem Eintritte des Erbfalls in demselben Umfange, wie der
Erblasser es gethan hat, Unterhalt zu gewähren und die Benutzung der Wohnung
und der Haushaltsgegenstände zu gestatten. Der Erblasser kann durch
letztwillige Verfügung eine abweichende Anordnung treffen.
Die Vorschriften über Vermächtnisse finden
entsprechende Anwendung.
II. Aufgebot der Nachlaßgläubiger.
§. 1970. Die Nachlaßgläubiger können im Wege des
Aufgebotsverfahrens zur Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert werden.
§. 1971. Pfandgläubiger und Gläubiger, die im
Konkurse den Pfandgläubigern gleichstehen, sowie Gläubiger, die bei der
Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen ein Recht auf Befriedigung aus
diesem Vermögen haben, werden, soweit es sich um die Befriedigung aus den ihnen
haftenden Gegenständen handelt, durch das Aufgebot nicht betroffen. Das Gleiche
gilt von Gläubigern, deren Ansprüche durch eine Vormerkung gesichert sind oder
denen im Konkurs ein Aussonderungsrecht zusteht, in Ansehung des Gegenstandes
ihres Rechtes.
§. 1972. Pflichttheilsrechte, Vermächtnisse und
Auflagen werden durch das Aufgebot nicht betroffen, unbeschadet der Vorschrift
des §. 2060 Nr. 1.
§. 1973. Der Erbe kann die Befriedigung eines im
Aufgebotsverfahren ausgeschlossenen Nachlaßgläubigers insoweit verweigern, als
der Nachlaß durch die Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger
erschöpft wird. Der Erbe hat jedoch den ausgeschlossenen Gläubiger vor den
Verbindlichkeiten aus Pflichttheilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen zu
befriedigen, es sei denn, daß der Gläubiger seine Forderung erst nach der
Berichtigung dieser Verbindlichkeiten geltend macht.
Einen Ueberschuß hat der Erbe zum Zwecke der
Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung nach den
Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung
herauszugeben. Er kann die Herausgabe der noch vorhandenen Nachlaßgegenstände
durch Zahlung des Werthes abwenden. Die rechtskräftige Verurtheilung des Erben
zur Befriedigung eines ausgeschlossenen Gläubigers wirkt einem anderen
Gläubiger gegenüber wie die Befriedigung.
§. 1974. Ein Nachlaßgläubiger, der seine Forderung
später als fünf Jahre nach dem Erbfalle dem Erben gegenüber geltend macht,
steht einem ausgeschlossenen Gläubiger gleich, es sei denn, daß die Forderung
dem Erben vor dem Ablaufe der fünf Jahre bekannt geworden oder im
Aufgebotsverfahren angemeldet worden ist. Wird der Erblasser für todt erklärt,
so beginnt die Frist nicht vor der Erlassung des die Todeserklärung
aussprechenden Urtheils.
Die dem Erben nach §. 1973 Abs. 1 Satz 2 obliegende
Verpflichtung tritt im Verhältnisse von Verbindlichkeiten aus
Pflichttheilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen zu einander nur insoweit ein,
als der Gläubiger im Falle des Nachlaßkonkurses im Range vorgehen würde.
Soweit ein Gläubiger nach §. 1971 von dem Aufgebote
nicht betroffen wird, finden die Vorschriften des Abs. 1 auf ihn keine
Anwendung.
III. Beschränkung der Haftung des Erben.
§. 1975. Die Haftung des Erben für die
Nachlaßverbindlichkeiten beschränkt sich auf den Nachlaß, wenn eine
Nachlaßpflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlaßgläubiger
(Nachlaßverwaltung) angeordnet oder der Nachlaßkonkurs eröffnet ist.
§. 1976. Ist die Nachlaßverwaltung angeordnet oder
der Nachlaßkonkurs eröffnet, so gelten die in Folge des Erbfalls durch
Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung
erloschenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen.
§. 1977. Hat ein Nachlaßgläubiger vor der Anordnung
der Nachlaßverwaltung oder vor der Eröffnung des Nachlaßkonkurses seine
Forderung gegen eine nicht zum Nachlasse gehörende Forderung des Erben ohne
dessen Zustimmung aufgerechnet, so ist nach der Anordnung der Nachlaßverwaltung
oder der Eröffnung des Nachlaßkonkurses die Aufrechnung als nicht erfolgt
anzusehen.
Das Gleiche gilt, wenn ein Gläubiger, der nicht
Nachlaßgläubiger ist, die ihm gegen den Erben zustehende Forderung gegen eine
zum Nachlasse gehörende Forderung aufgerechnet hat.
§. 1978. Ist die Nachlaßverwaltung angeordnet oder
der Nachlaßkonkurs eröffnet, so ist der Erbe den Nachlaßgläubigern für die
bisherige Verwaltung des Nachlasses so verantwortlich, wie wenn er von der
Annahme der Erbschaft an die Verwaltung für sie als Beauftragter zu führen
gehabt hätte. Auf die vor der Annahme der Erbschaft von dem Erben besorgten
erbschaftlichen Geschäfte finden die Vorschriften über die Geschäftsführung
ohne Auftrag entsprechende Anwendung.
Die den Nachlaßgläubigern nach Abs. 1 zustehenden
Ansprüche gelten als zum Nachlasse gehörend.
Aufwendungen sind dem Erben aus dem Nachlasse zu
ersetzen, soweit er nach den Vorschriften über den Auftrag oder über die
Geschäftsführung ohne Auftrag Ersatz verlangen könnte.
§. 1979. Die Berichtigung einer
Nachlaßverbindlichkeit durch den Erben müssen die Nachlaßgläubiger als für
Rechnung des Nachlasses erfolgt gelten lassen, wenn der Erbe den Umständen nach
annehmen durfte, daß der Nachlaß zur Berichtigung aller
Nachlaßverbindlichkeiten ausreiche.
§. 1980. Beantragt der Erbe nicht unverzüglich,
nachdem er von der Ueberschuldung des Nachlasses Kenntniß erlangt hat, die
Eröffnung des Nachlaßkonkurses, so ist er den Gläubigern für den daraus
entstehenden Schaden verantwortlich. Bei der Bemessung der Zulänglichkeit des
Nachlasses bleiben die Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen und Auflagen außer
Betracht.
Der Kenntniß der Ueberschuldung steht die auf
Fahrlässigkeit beruhende Unkenntniß gleich. Als Fahrlässigkeit gilt es
insbesondere, wenn der Erbe das Aufgebot der Nachlaßgläubiger nicht beantragt,
obwohl er Grund hat, das Vorhandensein unbekannter Nachlaßverbindlichkeiten
anzunehmen; das Aufgebot ist nicht erforderlich, wenn die Kosten des Verfahrens
dem Bestande des Nachlasses gegenüber unverhältnißmäßig groß sind.
§. 1981. Die Nachlaßverwaltung ist von dem
Nachlaßgericht anzuordnen, wenn der Erbe die Anordnung beantragt.
Auf Antrag eines Nachlaßgläubigers ist die
Nachlaßverwaltung anzuordnen, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß die
Befriedigung der Nachlaßgläubiger aus dem Nachlasse durch das Verhalten oder
die Vermögenslage des Erben gefährdet wird. Der Antrag kann nicht mehr gestellt
werden, wenn seit der Annahme der Erbschaft zwei Jahre verstrichen sind.
Die Vorschriften des §. 1785 finden keine Anwendung.
§. 1982. Die Anordnung der Nachlaßverwaltung kann
abgelehnt werden, wenn eine den Kosten entsprechende Masse nicht vorhanden ist.
§. 1983. Das Nachlaßgericht hat die Anordnung der
Nachlaßverwaltung durch das für seine Bekanntmachungen bestimmte Blatt zu veröffentlichen.
§. 1984. Mit der Anordnung der Nachlaßverwaltung
verliert der Erbe die Befugniß, den Nachlaß zu verwalten und über ihn zu
verfügen. Die Vorschriften der §§. 6, 7 der Konkursordnung finden entsprechende
Anwendung. Ein Anspruch, der sich gegen den Nachlaß richtet, kann nur gegen den
Nachlaßverwalter geltend gemacht werden.
Zwangsvollstreckungen und Arreste in den Nachlaß zu
Gunsten eines Gläubigers, der nicht Nachlaßgläubiger ist, sind ausgeschlossen.
§. 1985. Der Nachlaßverwalter hat den Nachlaß zu
verwalten und die Nachlaßverbindlichkeiten aus dem Nachlasse zu berichtigen.
Der Nachlaßverwalter ist für die Verwaltung des
Nachlasses auch den Nachlaßgläubigern verantwortlich. Die Vorschriften des §.
1978 Abs. 2 und der §§. 1979, 1980 finden entsprechende Anwendung.
§. 1986. Der Nachlaßverwalter darf den Nachlaß dem
Erben erst ausantworten, wenn die bekannten Nachlaßverbindlichkeiten berichtigt
sind.
Ist die Berichtigung einer Verbindlichkeit zur Zeit
nicht ausführbar oder ist eine Verbindlichkeit streitig, so darf die
Ausantwortung des Nachlasses nur erfolgen, wenn dem Gläubiger Sicherheit
geleistet wird. Für eine bedingte Forderung ist Sicherheitsleistung nicht
erforderlich, wenn die Möglichkeit des Eintritts der Bedingung eine so
entfernte ist, daß die Forderung einen gegenwärtigen Vermögenswerth nicht hat.
§. 1987. Der Nachlaßverwalter kann für die Führung
seines Amtes eine angemessene Vergütung verlangen.
§. 1988. Die Nachlaßverwaltung endigt mit der
Eröffnung des Nachlaßkonkurses.
Die Nachlaßverwaltung kann aufgehoben werden, wenn
sich ergiebt, daß eine den Kosten entsprechende Masse nicht vorhanden ist.
§. 1989. Ist der Nachlaßkonkurs durch Vertheilung
der Masse oder durch Zwangsvergleich beendigt, so finden auf die Haftung des
Erben die Vorschriften des §. 1973 entsprechende Anwendung.
§. 1990. Ist die Anordnung der Nachlaßverwaltung
oder die Eröffnung des Nachlaßkonkurses wegen Mangels einer den Kosten
entsprechenden Masse nicht thunlich oder wird aus diesem Grunde die
Nachlaßverwaltung aufgehoben oder das Konkursverfahren eingestellt, so kann der
Erbe die Befriedigung eines Nachlaßgläubigers insoweit verweigern, als der
Nachlaß nicht ausreicht. Der Erbe ist in diesem Falle verpflichtet, den Nachlaß
zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung
herauszugeben.
Das Recht des Erben wird nicht dadurch
ausgeschlossen, daß der Gläubiger nach dem Eintritte des Erbfalls im Wege der
Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung ein Pfandrecht oder eine
Hypothek oder im Wege der einstweiligen Verfügung eine Vormerkung erlangt hat.
§. 1991. Macht der Erbe von dem ihm nach §. 1990
zustehenden Rechte Gebrauch, so finden auf seine Verantwortlichkeit und den
Ersatz seiner Aufwendungen die Vorschriften der §§. 1978, 1979 Anwendung.
Die in Folge des Erbfalls durch Vereinigung von
Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen
Rechtsverhältnisse gelten im Verhältnisse zwischen dem Gläubiger und dem Erben
als nicht erloschen.
Die rechtskräftige Verurtheilung des Erben zur
Befriedigung eines Gläubigers wirkt einem anderen Gläubiger gegenüber wie die
Befriedigung.
Die Verbindlichkeiten aus Pflichttheilsrechten,
Vermächtnissen und Auflagen hat der Erbe so zu berichtigen, wie sie im Falle
des Konkurses zur Berichtigung kommen würden.
§. 1992. Beruht die Ueberschuldung des Nachlasses
auf Vermächtnissen und Auflagen, so ist der Erbe, auch wenn die Voraussetzungen
des §. 1990 nicht vorliegen, berechtigt, die Berichtigung dieser
Verbindlichkeiten nach den Vorschriften der §§. 1990, 1991 zu bewirken. Er kann
die Herausgabe der noch vorhandenen Nachlaßgegenstände durch Zahlung des
Werthes abwenden.
IV. Inventarerrichtung. Unbeschränkte Haftung des
Erben.
§. 1993. Der Erbe ist berechtigt, ein Verzeichniß
des Nachlasses (Inventar) bei dem Nachlaßgericht einzureichen
(Inventarerrichtung).
§. 1994. Das Nachlaßgericht hat dem Erben auf
Antrag eines Nachlaßgläubigers zur Errichtung des Inventars eine Frist
(Inventarfrist) zu bestimmen. Nach dem Ablaufe der Frist haftet der Erbe für die
Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt, wenn nicht vorher das Inventar errichtet
wird.
Der Antragsteller hat seine Forderung glaubhaft zu
machen. Auf die Wirksamkeit der Fristbestimmung ist es ohne Einfluß, wenn die
Forderung nicht besteht.
§. 1995. Die Inventarfrist soll mindestens einen
Monat, höchstens drei Monate betragen. Sie beginnt mit der Zustellung des
Beschlusses, durch den die Frist bestimmt wird.
Wird die Frist vor der Annahme der Erbschaft
bestimmt, so beginnt sie erst mit der Annahme der Erbschaft.
Auf Antrag des Erben kann das Nachlaßgericht die
Frist nach seinem Ermessen verlängern.
§. 1996. Ist der Erbe durch höhere Gewalt
verhindert worden, das Inventar rechtzeitig zu errichten oder die nach den
Umständen gerechtfertigte Verlängerung der Inventarfrist zu beantragen, so hat
ihm auf seinen Antrag das Nachlaßgericht eine neue Inventarfrist zu bestimmen.
Das Gleiche gilt, wenn der Erbe von der Zustellung des Beschlusses, durch den
die Inventarfrist bestimmt worden ist, ohne sein Verschulden Kenntniß nicht
erlangt hat.
Der Antrag muß binnen zwei Wochen nach der
Beseitigung des Hindernisses und spätestens vor dem Ablauf eines Jahres nach
dem Ende der zuerst bestimmten Frist gestellt werden.
Vor der Entscheidung soll der Nachlaßgläubiger, auf
dessen Antrag die erste Frist bestimmt worden ist, wenn thunlich gehört werden.
§. 1997. Auf den Lauf der Inventarfrist und der im
§. 1996 Abs. 2 bestimmten Frist von zwei Wochen finden die für die Verjährung
geltenden Vorschriften des §. 203 Abs. 1 und des §. 206 entsprechende
Anwendung.
§. 1998. Stirbt der Erbe vor dem Ablaufe der
Inventarfrist oder der im §. 1996 Abs. 2 bestimmten Frist von zwei Wochen, so
endigt die Frist nicht vor dem Ablaufe der für die Erbschaft des Erben
vorgeschriebenen Ausschlagungsfrist.
§. 1999. Steht der Erbe unter elterlicher Gewalt
oder unter Vormundschaft, so soll das Nachlaßgericht dem Vormundschaftsgerichte
von der Bestimmung der Inventarfrist Mittheilung machen.
§. 2000. Die Bestimmung einer Inventarfrist wird
unwirksam, wenn eine Nachlaßverwaltung angeordnet oder der Nachlaßkonkurs
eröffnet wird. Während der Dauer der Nachlaßverwaltung oder des
Nachlaßkonkurses kann eine Inventarfrist nicht bestimmt werden. Ist der
Nachlaßkonkurs durch Vertheilung der Masse oder durch Zwangsvergleich beendigt,
so bedarf es zur Abwendung der unbeschränkten Haftung der Inventarerrichtung
nicht.
§. 2001. In dem Inventar sollen die bei dem
Eintritte des Erbfalls vorhandenen Nachlaßgegenstände und die
Nachlaßverbindlichkeiten vollständig angegeben werden.
Das Inventar soll außerdem eine Beschreibung der
Nachlaßgegenstände, soweit eine solche zur Bestimmung des Werthes erforderlich
ist, und die Angabe des Werthes enthalten.
§. 2002. Der Erbe muß zu der Aufnahme des Inventars
eine zuständige Behörde oder einen zuständigen Beamten oder Notar zuziehen.
§. 2003. Auf Antrag des Erben hat das
Nachlaßgericht entweder das Inventar selbst aufzunehmen oder die Aufnahme einer
zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten oder Notar zu übertragen.
Durch die Stellung des Antrags wird die Inventarfrist gewahrt.
Der Erbe ist verpflichtet, die zur Aufnahme des
Inventars erforderliche Auskunft zu ertheilen.
Das Inventar ist von der Behörde, dem Beamten oder
dem Notar bei dem Nachlaßgericht einzureichen.
§. 2004. Befindet sich bei dem Nachlaßgerichte
schon ein den Vorschriften der §§. 2002, 2003 entsprechendes Inventar, so
genügt es, wenn der Erbe vor dem Ablaufe der Inventarfrist dem Nachlaßgerichte
gegenüber erklärt, daß das Inventar als von ihm eingereicht gelten soll.
§. 2005. Führt der Erbe absichtlich eine erhebliche
Unvollständigkeit der im Inventar enthaltenen Angabe der Nachlaßgegenstände
herbei oder bewirkt er in der Absicht, die Nachlaßgläubiger zu benachtheiligen,
die Aufnahme einer nicht bestehenden Nachlaßverbindlichkeit, so haftet er für
die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt. Das Gleiche gilt, wenn er im Falle
des §. 2003 die Ertheilung der Auskunft verweigert oder absichtlich in
erheblichem Maße verzögert.
Ist die Angabe der Nachlaßgegenstände unvollständig,
ohne daß ein Fall des Abs. 1 vorliegt, so kann dem Erben zur Ergänzung eine
neue Inventarfrist bestimmt werden.
§. 2006. Der Erbe hat auf Verlangen eines
Nachlaßgläubigers vor dem Nachlaßgerichte den Offenbarungseid dahin zu leisten:
daß er nach bestem Wissen die Nachlaßgegenstände so
vollständig angegeben habe, als er dazu im Stande sei.
Der Erbe kann vor der Leistung des Eides das
Inventar vervollständigen.
Verweigert der Erbe die Leistung des Eides, so
haftet er dem Gläubiger, der den Antrag gestellt hat, unbeschränkt. Das Gleiche
gilt, wenn er weder in dem Termine noch in einem auf Antrag des Gläubigers
bestimmten neuen Termin erscheint, es sei denn, daß ein Grund vorliegt, durch
den das Nichterscheinen in diesem Termine genügend entschuldigt wird.
Eine wiederholte Leistung des Eides kann derselbe
Gläubiger oder ein anderer Gläubiger nur verlangen, wenn Grund zu der Annahme
besteht, daß dem Erben nach der Eidesleistung weitere Nachlaßgegenstände
bekannt geworden sind.
§. 2007. Ist ein Erbe zu mehreren Erbtheilen
berufen, so bestimmt sich seine Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten in
Ansehung eines jeden der Erbtheile so, wie wenn die Erbtheile verschiedenen
Erben gehörten. In den Fällen der Anwachsung und des §. 1935 gilt dies nur
dann, wenn die Erbtheile verschieden beschwert sind.
§. 2008. Ist eine Ehefrau die Erbin und gehört die
Erbschaft zum eingebrachten Gute oder zum Gesammtgute, so ist die Bestimmung
der Inventarfrist nur wirksam, wenn sie auch dem Manne gegenüber erfolgt.
Solange nicht die Frist dem Manne gegenüber verstrichen ist, endigt sie auch
nicht der Frau gegenüber. Die Errichtung des Inventars durch den Mann kommt der
Frau zu Statten.
Gehört die Erbschaft zum Gesammtgute, so gelten
diese Vorschriften auch nach der Beendigung der Gütergemeinschaft.
§. 2009. Ist das Inventar rechtzeitig errichtet
worden, so wird im Verhältnisse zwischen dem Erben und den Nachlaßgläubigern
vermuthet, daß zur Zeit des Erbfalls weitere Nachlaßgegenstände als die
angegebenen nicht vorhanden gewesen seien.
§. 2010. Das Nachlaßgericht hat die Einsicht des
Inventars Jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht.
§. 2011. Dem Fiskus als gesetzlichen Erben kann
eine Inventarfrist nicht bestimmt werden. Der Fiskus ist den Nachlaßgläubigern
gegenüber verpflichtet, über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu ertheilen.
§. 2012. Einem nach den §§. 1960, 1961 bestellten
Nachlaßpfleger kann eine Inventarfrist nicht bestimmt werden. Der
Nachlaßpfleger ist den Nachlaßgläubigern gegenüber verpflichtet, über den
Bestand des Nachlasses Auskunft zu ertheilen. Der Nachlaßpfleger kann nicht auf
die Beschränkung der Haftung des Erben verzichten.
Diese Vorschriften gelten auch für den
Nachlaßverwalter.
§. 2013. Haftet der Erbe für die
Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt, so finden die Vorschriften der §§. 1973
bis 1975, 1977 bis 1980, 1989 bis 1992 keine Anwendung; der Erbe ist nicht
berechtigt, die Anordnung einer Nachlaßverwaltung zu beantragen. Auf eine nach
§. 1973 oder nach §. 1974 eingetretene Beschränkung der Haftung kann sich der
Erbe jedoch berufen, wenn später der Fall des §. 1994 Abs. 1 Satz 2 oder des §.
2005 Abs. 1 eintritt.
Die Vorschriften der §§. 1977 bis 1980 und das
Recht des Erben, die Anordnung einer Nachlaßverwaltung zu beantragen, werden
nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Erbe einzelnen Nachlaßgläubigern
gegenüber unbeschränkt haftet.
V. Aufschiebende Einreden.
§. 2014. Der Erbe ist berechtigt, die Berichtigung
einer Nachlaßverbindlichkeit bis zum Ablaufe der ersten drei Monate nach der
Annahme der Erbschaft, jedoch nicht über die Errichtung des Inventars hinaus,
zu verweigern.
§. 2015. Hat der Erbe den Antrag auf Erlassung des
Aufgebots der Nachlaßgläubiger innerhalb eines Jahres nach der Annahme der
Erbschaft gestellt und ist der Antrag zugelassen, so ist der Erbe berechtigt,
die Berichtigung einer Nachlaßverbindlichkeit bis zur Beendigung des
Aufgebotsverfahrens zu verweigern.
Der Beendigung des Aufgebotsverfahrens steht es
gleich, wenn der Erbe in dem Aufgebotstermine nicht erschienen ist und nicht
binnen zwei Wochen die Bestimmung eines neuen Termins beantragt oder wenn er
auch in dem neuen Termine nicht erscheint.
Wird das Ausschlußurtheil erlassen oder der Antrag
auf Erlassung des Urtheils zurückgewiesen, so ist das Verfahren nicht vor dem
Ablauf einer mit der Verkündung der Entscheidung beginnenden Frist von zwei
Wochen und nicht vor der Erledigung einer rechtzeitig eingelegten Beschwerde
als beendigt anzusehen.
§. 2016. Die Vorschriften der §§. 2014, 2015 finden
keine Anwendung, wenn der Erbe unbeschränkt haftet.
Das Gleiche gilt, soweit ein Gläubiger nach §. 1971
von dem Aufgebote der Nachlaßgläubiger nicht betroffen wird, mit der Maßgabe,
daß ein erst nach dem Eintritte des Erbfalls im Wege der Zwangsvollstreckung
oder der Arrestvollziehung erlangtes Recht sowie eine erst nach diesem
Zeitpunkt im Wege der einstweiligen Verfügung erlangte Vormerkung außer
Betracht bleibt.
§. 2017. Wird vor der Annahme der Erbschaft zur
Verwaltung des Nachlasses ein Nachlaßpfleger bestellt, so beginnen die im §.
2014 und im §. 2015 Abs. 1 bestimmten Fristen mit der Bestellung.
Dritter Titel.
Erbschaftsanspruch.
§. 2018. Der Erbe kann von Jedem, der auf Grund
eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Erbrechts etwas aus der Erbschaft
erlangt hat (Erbschaftsbesitzer), die Herausgabe des Erlangten verlangen.
§. 2019. Als aus der Erbschaft erlangt gilt auch,
was der Erbschaftsbesitzer durch Rechtsgeschäft mit Mitteln der Erbschaft
erwirbt.
Die Zugehörigkeit einer in solcher Weise erworbenen
Forderung zur Erbschaft hat der Schuldner erst dann gegen sich gelten zu
lassen, wenn er von der Zugehörigkeit Kenntniß erlangt; die Vorschriften der
§§. 406 bis 408 finden entsprechende Anwendung.
§. 2020. Der Erbschaftsbesitzer hat dem Erben die
gezogenen Nutzungen herauszugeben; die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt
sich auch auf Früchte, an denen er das Eigenthum erworben hat.
§. 2021. Soweit der Erbschaftsbesitzer zur
Herausgabe außer Stande ist, bestimmt sich seine Verpflichtung nach den
Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung.
§. 2022. Der Erbschaftsbesitzer ist zur Herausgabe
der zur Erbschaft gehörenden Sachen nur gegen Ersatz aller Verwendungen
verpflichtet, soweit nicht die Verwendungen durch Anrechnung auf die nach §. 2021
herauszugebende Bereicherung gedeckt werden. Die für den Eigenthumsanspruch
geltenden Vorschriften der §§. 1000 bis 1003 finden Anwendung.
Zu den Verwendungen gehören auch die Aufwendungen,
die der Erbschaftsbesitzer zur Bestreitung von Lasten der Erbschaft oder zur
Berichtigung von Nachlaßverbindlichkeiten macht.
Soweit der Erbe für Aufwendungen, die nicht auf
einzelne Sachen gemacht worden sind, insbesondere für die im Abs. 2
bezeichneten Aufwendungen, nach den allgemeinen Vorschriften in weiterem Umfang
Ersatz zu leisten hat, bleibt der Anspruch des Erbschaftsbesitzers unberührt.
§. 2023. Hat der Erbschaftsbesitzer zur Erbschaft
gehörende Sachen herauszugeben, so bestimmt sich von dem Eintritte der
Rechtshängigkeit an der Anspruch des Erben auf Schadensersatz wegen
Verschlechterung, Unterganges oder einer aus einem anderen Grunde eintretenden
Unmöglichkeit der Herausgabe nach den Vorschriften, die für das Verhältniß
zwischen dem Eigenthümer und dem Besitzer von dem Eintritte der
Rechtshängigkeit des Eigenthumsanspruchs an gelten.
Das Gleiche gilt von dem Anspruche des Erben auf
Herausgabe oder Vergütung von Nutzungen und von dem Anspruche des
Erbschaftsbesitzers auf Ersatz von Verwendungen.
§. 2024. Ist der Erbschaftsbesitzer bei dem Beginne
des Erbschaftsbesitzes nicht in gutem Glauben, so haftet er so, wie wenn der
Anspruch des Erben zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre. Erfährt der
Erbschaftsbesitzer später, daß er nicht Erbe ist, so haftet er in gleicher
Weise von der Erlangung der Kenntniß an. Eine weitergehende Haftung wegen
Verzugs bleibt unberührt.
§. 2025. Hat der Erbschaftsbesitzer einen
Erbschaftsgegenstand durch eine strafbare Handlung oder eine zur Erbschaft
gehörende Sache durch verbotene Eigenmacht erlangt, so haftet er nach den Vorschriften
über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen. Ein gutgläubiger
Erbschaftsbesitzer haftet jedoch wegen verbotener Eigenmacht nach diesen
Vorschriften nur, wenn der Erbe den Besitz der Sache bereits thatsächlich
ergriffen hatte.
§. 2026. Der Erbschaftsbesitzer kann sich dem Erben
gegenüber, solange nicht der Erbschaftsanspruch verjährt ist, nicht auf die
Ersitzung einer Sache berufen, die er als zur Erbschaft gehörend im Besitze
hat.
§. 2027. Der Erbschaftsbesitzer ist verpflichtet,
dem Erben über den Bestand der Erbschaft und über den Verbleib der
Erbschaftsgegenstände Auskunft zu ertheilen.
Die gleiche Verpflichtung hat, wer, ohne
Erbschaftsbesitzer zu sein, eine Sache aus dem Nachlaß in Besitz nimmt, bevor
der Erbe den Besitz thatsächlich ergriffen hat.
§. 2028. Wer sich zur Zeit des Erbfalls mit dem
Erblasser in häuslicher Gemeinschaft befunden hat, ist verpflichtet, dem Erben
auf Verlangen Auskunft darüber zu ertheilen, welche erbschaftliche Geschäfte er
geführt hat und was ihm über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände bekannt
ist.
Besteht Grund zu der Annahme, daß die Auskunft
nicht mit der erforderlichen Sorgfalt ertheilt worden ist, so hat der
Verpflichtete auf Verlangen des Erben den Offenbarungseid dahin zu leisten:
daß er seine Angaben nach bestem Wissen so
vollständig gemacht habe, als er dazu im Stande sei.
Die Vorschriften des §. 259 Abs. 3 und des §. 261
finden Anwendung.
§. 2029. Die Haftung des Erbschaftsbesitzers
bestimmt sich auch gegenüber den Ansprüchen, die dem Erben in Ansehung der
einzelnen Erbschaftsgegenstände zustehen, nach den Vorschriften über den
Erbschaftsanspruch.
§. 2030. Wer die Erbschaft durch Vertrag von einem
Erbschaftsbesitzer erwirbt, steht im Verhältnisse zu dem Erben einem
Erbschaftsbesitzer gleich.
§. 2031. Ueberlebt eine für todt erklärte Person
den Zeitpunkt, der als Zeitpunkt ihres Todes gilt, so kann sie die Herausgabe
ihres Vermögens nach den für den Erbschaftsanspruch geltenden Vorschriften
verlangen. Solange der für todt Erklärte noch lebt, wird die Verjährung seines
Anspruchs nicht vor dem Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkte vollendet, in
welchem er von der Todeserklärung Kenntniß erlangt.
Das Gleiche gilt, wenn der Tod einer Person ohne
Todeserklärung mit Unrecht angenommen worden ist.
Vierter Titel.
Mehrheit von Erben.
I. Rechtsverhältniß der Erben unter einander.
§. 2032. Hinterläßt der Erblasser mehrere Erben, so
wird der Nachlaß gemeinschaftliches Vermögen der Erben.
Bis zur Auseinandersetzung gelten die Vorschriften
der §§. 2033 bis 2041.
§. 2033. Jeder Miterbe kann über seinen Antheil an
dem Nachlasse verfügen. Der Vertrag, durch den ein Miterbe über seinen Antheil
verfügt, bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung.
Ueber seinen Antheil an den einzelnen
Nachlaßgegenständen kann ein Miterbe nicht verfügen.
§. 2034. Verkauft ein Miterbe seinen Antheil an
einen Dritten, so sind die übrigen Miterben zum Vorkaufe berechtigt.
Die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts
beträgt zwei Monate. Das Vorkaufsrecht ist vererblich.
§. 2035. Ist der verkaufte Antheil auf den Käufer
übertragen, so können die Miterben das ihnen nach §. 2034 dem Verkäufer
gegenüber zustehende Vorkaufsrecht dem Käufer gegenüber ausüben. Dem Verkäufer
gegenüber erlischt das Vorkaufsrecht mit der Uebertragung des Antheils.
Der Verkäufer hat die Miterben von der Uebertragung
unverzüglich zu benachrichtigen.
§. 2036. Mit der Uebertragung des Antheils auf die
Miterben wird der Käufer von der Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten frei.
Seine Haftung bleibt jedoch bestehen, soweit er den Nachlaßgläubigern nach den
§§. 1978 bis 1980 verantwortlich ist; die Vorschriften der §§. 1990, 1991
finden entsprechende Anwendung.
§. 2037. Ueberträgt der Käufer den Antheil auf
einen Anderen, so finden die Vorschriften der §§. 2033, 2035, 2036
entsprechende Anwendung.
§. 2038. Die Verwaltung des Nachlasses steht den
Erben gemeinschaftlich zu. Jeder Miterbe ist den anderen gegenüber
verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung
erforderlich sind; die zur Erhaltung nothwendigen Maßregeln kann jeder Miterbe
ohne Mitwirkung der anderen treffen.
Die Vorschriften der §§. 743, 745, 746, 748 finden
Anwendung. Die Theilung der Früchte erfolgt erst bei der Auseinandersetzung.
Ist die Auseinandersetzung auf längere Zeit als ein Jahr ausgeschlossen, so
kann jeder Miterbe am Schlusse jedes Jahres die Theilung des Reinertrags
verlangen.
§. 2039. Gehört ein Anspruch zum Nachlasse, so kann
der Verpflichtete nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten und jeder Miterbe
nur die Leistung an alle Erben fordern. Jeder Miterbe kann verlangen, daß der
Verpflichtete die zu leistende Sache für alle Erben hinterlegt oder, wenn sie
sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden
Verwahrer abliefert.
§. 2040. Die Erben können über einen
Nachlaßgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen.
Gegen eine zum Nachlasse gehörende Forderung kann
der Schuldner nicht eine ihm gegen einen einzelnen Miterben zustehende
Forderung aufrechnen.
§. 2041. Was auf Grund eines zum Nachlasse
gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder
Entziehung eines Nachlaßgegenstandes oder durch ein Rechtsgeschäft erworben
wird, das sich auf den Nachlaß bezieht, gehört zum Nachlasse. Auf eine durch
ein solches Rechtsgeschäft erworbene Forderung findet die Vorschrift des §.
2019 Abs. 2 Anwendung.
§. 2042. Jeder Miterbe kann jederzeit die
Auseinandersetzung verlangen, soweit sich nicht aus den §§. 2043 bis 2045 ein
Anderes ergiebt.
Die Vorschriften des §. 749 Abs. 2, 3 und der §§.
750 bis 758 finden Anwendung.
§. 2043. Soweit die Erbtheile wegen der zu
erwartenden Geburt eines Miterben noch unbestimmt sind, ist die
Auseinandersetzung bis zur Hebung der Unbestimmtheit ausgeschlossen.
Das Gleiche gilt, soweit die Erbtheile deshalb noch
unbestimmt sind, weil die Entscheidung über eine Ehelichkeitserklärung, über
die Bestätigung einer Annahme an Kindesstatt oder über die Genehmigung einer
vom Erblasser errichteten Stiftung noch aussteht.
§. 2044. Der Erblasser kann durch letztwillige
Verfügung die Auseinandersetzung in Ansehung des Nachlasses oder einzelner
Nachlaßgegenstände ausschließen oder von der Einhaltung einer Kündigungsfrist
abhängig machen. Die Vorschriften des §. 749 Abs. 2, 3, der §§. 750, 751 und
des §. 1010 Abs. 1 finden entsprechende Anwendung.
Die Verfügung wird unwirksam, wenn dreißig Jahre
seit dem Eintritte des Erbfalls verstrichen sind. Der Erblasser kann jedoch
anordnen, daß die Verfügung bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses in
der Person eines Miterben oder, falls er eine Nacherbfolge oder ein Vermächtniß
anordnet, bis zum Eintritte der Nacherbfolge oder bis zum Anfalle des
Vermächtnisses gelten soll. Ist der Miterbe, in dessen Person das Ereigniß
eintreten soll, eine juristische Person, so bewendet es bei der dreißigjährigen
Frist.
§. 2045. Jeder Miterbe kann verlangen, daß die
Auseinandersetzung bis zur Beendigung des nach §. 1970 zulässigen
Aufgebotsverfahrens oder bis zum Ablaufe der im §. 2061 bestimmten
Anmeldungsfrist aufgeschoben wird. Ist das Aufgebot noch nicht beantragt oder
die öffentliche Aufforderung nach §. 2061 noch nicht erlassen, so kann der
Aufschub nur verlangt werden, wenn unverzüglich der Antrag gestellt oder die
Aufforderung erlassen wird.
§. 2046. Aus dem Nachlasse sind zunächst die Nachlaßverbindlichkeiten
zu berichtigen. Ist eine Nachlaßverbindlichkeit noch nicht fällig oder ist sie
streitig, so ist das zur Berichtigung Erforderliche zurückzubehalten.
Fällt eine Nachlaßverbindlichkeit nur einigen
Miterben zur Last, so können diese die Berichtigung nur aus dem verlangen, was
ihnen bei der Auseinandersetzung zukommt.
Zur Berichtigung ist der Nachlaß, soweit
erforderlich, in Geld umzusetzen.
§. 2047. Der nach der Berichtigung der
Nachlaßverbindlichkeiten verbleibende Ueberschuß gebührt den Erben nach dem
Verhältnisse der Erbtheile.
Schriftstücke, die sich auf die persönlichen
Verhältnisse des Erblassers, auf dessen Familie oder auf den ganzen Nachlaß
beziehen, bleiben gemeinschaftlich.
§. 2048. Der Erblasser kann durch letztwillige
Verfügung Anordnungen für die Auseinandersetzung treffen. Er kann insbesondere
anordnen, daß die Auseinandersetzung nach dem billigen Ermessen eines Dritten
erfolgen soll. Die von dem Dritten auf Grund der Anordnung getroffene
Bestimmung ist für die Erben nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist;
die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urtheil.
§. 2049. Hat der Erblasser angeordnet, daß einer
der Miterben das Recht haben soll, ein zum Nachlasse gehörendes Landgut zu
übernehmen, so ist im Zweifel anzunehmen, daß das Landgut zu dem Ertragswerth
angesetzt werden soll.
Der Ertragswerth bestimmt sich nach dem
Reinertrage, den das Landgut nach seiner bisherigen wirthschaftlichen
Bestimmung bei ordnungsmäßiger Bewirthschaftung nachhaltig gewähren kann.
§. 2050. Abkömmlinge, die als gesetzliche Erben zur
Erbfolge gelangen, sind verpflichtet, dasjenige, was sie von dem Erblasser bei
dessen Lebzeiten als Ausstattung erhalten haben, bei der Auseinandersetzung
unter einander zur Ausgleichung zu bringen, soweit nicht der Erblasser bei der
Zuwendung ein Anderes angeordnet hat.
Zuschüsse, die zu dem Zwecke gegeben worden sind,
als Einkünfte verwendet zu werden, sowie Aufwendungen für die Vorbildung zu
einem Berufe sind insoweit zur Ausgleichung zu bringen, als sie das den
Vermögensverhältnissen des Erblassers entsprechende Maß überstiegen haben.
Andere Zuwendungen unter Lebenden sind zur
Ausgleichung zu bringen, wenn der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichung
angeordnet hat.
§. 2051. Fällt ein Abkömmling, der als Erbe zur
Ausgleichung verpflichtet sein würde, vor oder nach dem Erbfalle weg, so ist
wegen der ihm gemachten Zuwendungen der an seine Stelle tretende Abkömmling zur
Ausgleichung verpflichtet.
Hat der Erblasser für den wegfallenden Abkömmling
einen Ersatzerben eingesetzt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß dieser nicht
mehr erhalten soll, als der Abkömmling unter Berücksichtigung der
Ausgleichungspflicht erhalten würde.
§. 2052. Hat der Erblasser die Abkömmlinge auf
dasjenige als Erben eingesetzt, was sie als gesetzliche Erben erhalten würden,
oder hat er ihre Erbtheile so bestimmt, daß sie zu einander in demselben
Verhältnisse stehen wie die gesetzlichen Erbtheile, so ist im Zweifel
anzunehmen, daß die Abkömmlinge nach den §§. 2050, 2051 zur Ausgleichung verpflichtet
sein sollen.
§. 2053. Eine Zuwendung, die ein entfernterer
Abkömmling vor dem Wegfalle des ihn von der Erbfolge ausschließenden näheren
Abkömmlinges oder ein an die Stelle eines Abkömmlinges als Ersatzerbe tretender
Abkömmling von dem Erblasser erhalten hat, ist nicht zur Ausgleichung zu
bringen, es sei denn, daß der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichung
angeordnet hat.
Das Gleiche gilt, wenn ein Abkömmling, bevor er die
rechtliche Stellung eines solchen erlangt hatte, eine Zuwendung von dem
Erblasser erhalten hat.
§. 2054. Eine Zuwendung, die aus dem Gesammtgute
der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenschaftsgemeinschaft oder der
Fahrnißgemeinschaft erfolgt, gilt als von jedem der Ehegatten zur Hälfte
gemacht. Die Zuwendung gilt jedoch, wenn sie an einen Abkömmling erfolgt, der
nur von einem der Ehegatten abstammt, oder wenn einer der Ehegatten wegen der
Zuwendung zu dem Gesammtgut Ersatz zu leisten hat, als von diesem Ehegatten
gemacht.
Diese Vorschriften finden auf eine Zuwendung aus
dem Gesammtgute der fortgesetzten Gütergemeinschaft entsprechende Anwendung.
§. 2055. Bei der Auseinandersetzung wird jedem
Miterben der Werth der Zuwendung, die er zur Ausgleichung zu bringen hat, auf
seinen Erbtheil angerechnet. Der Werth der sämmtlichen Zuwendungen, die zur
Ausgleichung zu bringen sind, wird dem Nachlasse hinzugerechnet, soweit dieser
den Miterben zukommt, unter denen die Ausgleichung stattfindet.
Der Werth bestimmt sich nach der Zeit, zu der die
Zuwendung erfolgt ist.
§. 2056. Hat ein Miterbe durch die Zuwendung mehr
erhalten, als ihm bei der Auseinandersetzung zukommen würde, so ist er zur
Herauszahlung des Mehrbetrags nicht verpflichtet. Der Nachlaß wird in einem
solchen Falle unter die übrigen Erben in der Weise getheilt, daß der Werth der
Zuwendung und der Erbtheil des Miterben außer Ansatz bleiben.
§. 2057. Jeder Miterbe ist verpflichtet, den
übrigen Erben auf Verlangen Auskunft über die Zuwendungen zu ertheilen, die er
nach den §§. 2050 bis 2053 zur Ausgleichung zu bringen hat. Die Vorschriften
der §§. 260, 261 über die Verpflichtung zur Leistung des Offenbarungseids
finden entsprechende Anwendung.
II. Rechtsverhältniß zwischen den Erben und den
Nachlaßgläubigern.
§. 2058. Die Erben haften für die
gemeinschaftlichen Nachlaßverbindlichkeiten als Gesammtschuldner.
§. 2059. Bis zur Theilung des Nachlasses kann jeder
Miterbe die Berichtigung der Nachlaßverbindlichkeiten aus dem Vermögen, das er
außer seinem Antheil an dem Nachlasse hat, verweigern. Haftet er für eine
Nachlaßverbindlichkeit unbeschränkt, so steht ihm dieses Recht in Ansehung des
seinem Erbtheil entsprechenden Theiles der Verbindlichkeit nicht zu.
Das Recht der Nachlaßgläubiger, die Befriedigung
aus dem ungetheilten Nachlasse von sämmtlichen Miterben zu verlangen, bleibt
unberührt.
§. 2060. Nach der Theilung des Nachlasses haftet
jeder Miterbe nur für den seinem Erbtheil entsprechenden Theil einer
Nachlaßverbindlichkeit:
1. wenn der Gläubiger im
Aufgebotsverfahren ausgeschlossen ist; das Aufgebot erstreckt sich insoweit auch
auf die im §. 1972 bezeichneten Gläubiger sowie auf die Gläubiger, denen der
Miterbe unbeschränkt haftet;
2. wenn der Gläubiger seine
Forderung später als fünf Jahre nach dem im §. 1974 Abs. 1 bestimmten
Zeitpunkte geltend macht, es sei denn, daß die Forderung vor dem Ablaufe der
fünf Jahre dem Miterben bekannt geworden oder im Aufgebotsverfahren angemeldet
worden ist; die Vorschrift findet keine Anwendung, soweit der Gläubiger nach §.
1971 von dem Aufgebote nicht betroffen wird;
3. wenn der Nachlaßkonkurs
eröffnet und durch Vertheilung der Masse oder durch Zwangsvergleich beendigt
worden ist.
§. 2061. Jeder Miterbe kann die Nachlaßgläubiger
öffentlich auffordern, ihre Forderungen binnen sechs Monaten bei ihm oder bei
dem Nachlaßgericht anzumelden. Ist die Aufforderung erfolgt, so haftet nach der
Theilung jeder Miterbe nur für den seinem Erbtheil entsprechenden Theil einer
Forderung, soweit nicht vor dem Ablaufe der Frist die Anmeldung erfolgt oder
die Forderung ihm zur Zeit der Theilung bekannt ist.
Die Aufforderung ist durch den Deutschen
Reichsanzeiger und durch das für die Bekanntmachungen des Nachlaßgerichts
bestimmte Blatt zu veröffentlichen. Die Frist beginnt mit der letzten
Einrückung. Die Kosten fallen dem Erben zur Last, der die Aufforderung erläßt.
§. 2062. Die Anordnung einer Nachlaßverwaltung kann
von den Erben nur gemeinschaftlich beantragt werden; sie ist ausgeschlossen,
wenn der Nachlaß getheilt ist.
§. 2063. Die Errichtung des Inventars durch einen
Miterben kommt auch den übrigen Erben zu Statten, soweit nicht ihre Haftung für
die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt ist.
Ein Miterbe kann sich den übrigen Erben gegenüber
auf die Beschränkung seiner Haftung auch dann berufen, wenn er den anderen
Nachlaßgläubigern gegenüber unbeschränkt haftet.
Dritter Abschnitt.
Testament.
Erster Titel.
Allgemeine Vorschriften.
§. 2064. Der Erblasser kann ein Testament nur
persönlich errichten.
§. 2065. Der Erblasser kann eine letztwillige
Verfügung nicht in der Weise treffen, daß ein Anderer zu bestimmen hat, ob sie
gelten oder nicht gelten soll.
Der Erblasser kann die Bestimmung der Person, die
eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstandes der
Zuwendung nicht einem Anderen überlassen.
§. 2066. Hat der Erblasser seine gesetzlichen Erben
ohne nähere Bestimmung bedacht, so sind diejenigen, welche zur Zeit des
Erbfalls seine gesetzlichen Erben sein würden, nach dem Verhältniß ihrer
gesetzlichen Erbtheile bedacht. Ist die Zuwendung unter einer aufschiebenden
Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins gemacht und tritt die
Bedingung oder der Termin erst nach dem Erbfall ein, so sind im Zweifel
diejenigen als bedacht anzusehen, welche die gesetzlichen Erben sein würden,
wenn der Erblasser zur Zeit des Eintritts der Bedingung oder des Termins
gestorben wäre.
§. 2067. Hat der Erblasser seine Verwandten oder
seine nächsten Verwandten ohne nähere Bestimmung bedacht, so sind im Zweifel
diejenigen Verwandten, welche zur Zeit des Erbfalls seine gesetzlichen Erben
sein würden, als nach dem Verhältniß ihrer gesetzlichen Erbtheile bedacht
anzusehen. Die Vorschrift des §. 2066 Satz 2 findet Anwendung.
§. 2068. Hat der Erblasser seine Kinder ohne nähere
Bestimmung bedacht und ist ein Kind vor der Errichtung des Testaments mit
Hinterlassung von Abkömmlingen gestorben, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die
Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an die
Stelle des Kindes treten würden.
§. 2069. Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge
bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im
Zweifel anzunehmen, daß dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei
der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.
§. 2070. Hat der Erblasser die Abkömmlinge eines
Dritten ohne nähere Bestimmung bedacht, so ist im Zweifel anzunehmen, daß
diejenigen Abkömmlinge nicht bedacht sind, welche zur Zeit des Erbfalls oder,
wenn die Zuwendung unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung
eines Anfangstermins gemacht ist und die Bedingung oder der Termin erst nach
dem Erbfall eintritt, zur Zeit des Eintritts der Bedingung oder des Termins
noch nicht erzeugt sind.
§. 2071. Hat der Erblasser ohne nähere Bestimmung
eine Klasse von Personen oder Personen bedacht, die zu ihm in einem Dienst-
oder Geschäftsverhältnisse stehen, so ist im Zweifel anzunehmen, daß diejenigen
bedacht sind, welche zur Zeit des Erbfalls der bezeichneten Klasse angehören
oder in dem bezeichneten Verhältnisse stehen.
§. 2072. Hat der Erblasser die Armen ohne nähere
Bestimmung bedacht, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die öffentliche
Armenkasse der Gemeinde, in deren Bezirk er seinen letzten Wohnsitz gehabt hat,
unter der Auflage bedacht ist, das Zugewendete unter Arme zu vertheilen.
§. 2073. Hat der Erblasser den Bedachten in einer
Weise bezeichnet, die auf mehrere Personen paßt, und läßt sich nicht ermitteln,
wer von ihnen bedacht werden sollte, so gelten sie als zu gleichen Theilen
bedacht.
§. 2074. Hat der Erblasser eine letztwillige
Zuwendung unter einer aufschiebenden Bedingung gemacht, so ist im Zweifel
anzunehmen, daß die Zuwendung nur gelten soll, wenn der Bedachte den Eintritt
der Bedingung erlebt.
§. 2075. Hat der Erblasser eine letztwillige
Zuwendung unter der Bedingung gemacht, daß der Bedachte während eines Zeitraums
von unbestimmter Dauer etwas unterläßt oder fortgesetzt thut, so ist, wenn das
Unterlassen oder das Thun lediglich in der Willkür des Bedachten liegt, im
Zweifel anzunehmen, daß die Zuwendung von der auflösenden Bedingung abhängig
sein soll, daß der Bedachte die Handlung vornimmt oder das Thun unterläßt.
§. 2076. Bezweckt die Bedingung, unter der eine
letztwillige Zuwendung gemacht ist, den Vortheil eines Dritten, so gilt sie im
Zweifel als eingetreten, wenn der Dritte die zum Eintritte der Bedingung erforderliche
Mitwirkung verweigert.
§. 2077. Eine letztwillige Verfügung, durch die der
Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, ist unwirksam, wenn die Ehe nichtig
oder wenn sie vor dem Tode des Erblassers aufgelöst worden ist. Der Auflösung
der Ehe steht es gleich, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes auf Scheidung
wegen Verschuldens des Ehegatten zu klagen berechtigt war und die Klage auf
Scheidung oder auf Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft erhoben hatte.
Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser
seinen Verlobten bedacht hat, ist unwirksam, wenn das Verlöbniß vor dem Tode
des Erblassers aufgelöst worden ist.
Die Verfügung ist nicht unwirksam, wenn anzunehmen
ist, daß der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde.
§. 2078. Eine letztwillige Verfügung kann
angefochten werden, soweit der Erblasser über den Inhalt seiner Erklärung im
Irrthume war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte
und anzunehmen ist, daß er die Erklärung bei Kenntniß der Sachlage nicht
abgegeben haben würde.
Das Gleiche gilt, soweit der Erblasser zu der
Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder
Nichteintritts eines Umstandes oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt
worden ist.
Die Vorschriften des §. 122 finden keine Anwendung.
§. 2079. Eine letztwillige Verfügung kann
angefochten werden, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen
Pflichttheilsberechtigten übergangen hat, dessen Vorhandensein ihm bei der
Errichtung der Verfügung nicht bekannt war oder der erst nach der Errichtung
geboren oder pflichttheilsberechtigt geworden ist. Die Anfechtung ist
ausgeschlossen, soweit anzunehmen ist, daß der Erblasser auch bei Kenntniß der
Sachlage die Verfügung getroffen haben würde.
§. 2080. Zur Anfechtung ist derjenige berechtigt,
welchem die Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zu Statten kommen
würde.
Bezieht sich in den Fällen des §. 2078 der Irrthum
nur auf eine bestimmte Person und ist diese anfechtungsberechtigt oder würde
sie anfechtungsberechtigt sein, wenn sie zur Zeit des Erbfalls gelebt hätte, so
ist ein Anderer zur Anfechtung nicht berechtigt.
Im Falle des §. 2079 steht das Anfechtungsrecht nur
dem Pflichttheilsberechtigten zu.
§. 2081. Die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung,
durch die ein Erbe eingesetzt, ein gesetzlicher Erbe von der Erbfolge
ausgeschlossen, ein Testamentsvollstrecker ernannt oder eine Verfügung solcher
Art aufgehoben wird, erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgerichte.
Das Nachlaßgericht soll die Anfechtungserklärung
demjenigen mittheilen, welchem die angefochtene Verfügung unmittelbar zu
Statten kommt. Es hat die Einsicht der Erklärung Jedem zu gestatten, der ein
rechtliches Interesse glaubhaft macht.
Die Vorschrift des Abs. 1 gilt auch für die
Anfechtung einer letztwilligen Verfügung, durch die ein Recht für einen Anderen
nicht begründet wird, insbesondere für die Anfechtung einer Auflage.
§. 2082. Die Anfechtung kann nur binnen Jahresfrist
erfolgen.
Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der
Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrunde Kenntniß erlangt. Auf den Lauf
der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§. 203,
206, 207 entsprechende Anwendung.
Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit dem
Erbfalle dreißig Jahre verstrichen sind.
§. 2083. Ist eine letztwillige Verfügung, durch die
eine Verpflichtung zu einer Leistung begründet wird, anfechtbar, so kann der
Beschwerte die Leistung verweigern, auch wenn die Anfechtung nach §. 2082
ausgeschlossen ist.
§. 2084. Läßt der Inhalt einer letztwilligen
Verfügung verschiedene Auslegungen zu, so ist im Zweifel diejenige Auslegung
vorzuziehen, bei welcher die Verfügung Erfolg haben kann.
§. 2085. Die Unwirksamkeit einer von mehreren in
einem Testament enthaltenen Verfügungen hat die Unwirksamkeit der übrigen
Verfügungen nur zur Folge, wenn anzunehmen ist, daß der Erblasser diese ohne
die unwirksame Verfügung nicht getroffen haben würde.
§. 2086. Ist einer letztwilligen Verfügung der
Vorbehalt einer Ergänzung beigefügt, die Ergänzung aber unterblieben, so ist
die Verfügung wirksam, sofern nicht anzunehmen ist, daß die Wirksamkeit von der
Ergänzung abhängig sein sollte.
Zweiter Titel.
Erbeinsetzung.
§. 2087. Hat der Erblasser sein Vermögen oder einen
Bruchtheil seines Vermögens dem Bedachten zugewendet, so ist die Verfügung als
Erbeinsetzung anzusehen, auch wenn der Bedachte nicht als Erbe bezeichnet ist.
Sind dem Bedachten nur einzelne Gegenstände
zugewendet, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, daß er Erbe sein soll, auch
wenn er als Erbe bezeichnet ist.
§. 2088. Hat der Erblasser nur einen Erben
eingesetzt und die Einsetzung auf einen Bruchtheil der Erbschaft beschränkt, so
tritt in Ansehung des übrigen Theiles die gesetzliche Erbfolge ein.
Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser mehrere Erben
unter Beschränkung eines jeden auf einen Bruchtheil eingesetzt hat und die
Bruchtheile das Ganze nicht erschöpfen.
§. 2089. Sollen die eingesetzten Erben nach dem
Willen des Erblassers die alleinigen Erben sein, so tritt, wenn jeder von ihnen
auf einen Bruchtheil der Erbschaft eingesetzt ist und die Bruchtheile das Ganze
nicht erschöpfen, eine verhältnißmäßige Erhöhung der Bruchtheile ein.
§. 2090. Ist jeder der eingesetzten Erben auf einen
Bruchtheil der Erbschaft eingesetzt und übersteigen die Bruchtheile das Ganze,
so tritt eine verhältnißmäßige Minderung der Bruchtheile ein.
§. 2091. Sind mehrere Erben eingesetzt, ohne daß
die Erbtheile bestimmt sind, so sind sie zu gleichen Theilen eingesetzt, soweit
sich nicht aus den §§. 2066 bis 2069 ein Anderes ergiebt.
§. 2092. Sind von mehreren Erben die einen auf
Bruchtheile, die anderen ohne Bruchtheile eingesetzt, so erhalten die letzteren
den freigebliebenen Theil der Erbschaft.
Erschöpfen die bestimmten Bruchtheile die
Erbschaft, so tritt eine verhältnißmäßige Minderung der Bruchtheile in der
Weise ein, daß jeder der ohne Bruchtheile eingesetzten Erben so viel erhält wie
der mit dem geringsten Bruchtheile bedachte Erbe.
§. 2093. Sind einige von mehreren Erben auf einen
und denselben Bruchtheil der Erbschaft eingesetzt (gemeinschaftlicher
Erbtheil), so finden in Ansehung des gemeinschaftlichen Erbtheils die
Vorschriften der §§. 2089 bis 2092 entsprechende Anwendung.
§. 2094. Sind mehrere Erben in der Weise
eingesetzt, daß sie die gesetzliche Erbfolge ausschließen, und fällt einer der
Erben vor oder nach dem Eintritte des Erbfalls weg, so wächst dessen Erbtheil
den übrigen Erben nach dem Verhältniß ihrer Erbtheile an. Sind einige der Erben
auf einen gemeinschaftlichen Erbtheil eingesetzt, so tritt die Anwachsung
zunächst unter ihnen ein.
Ist durch die Erbeinsetzung nur über einen Theil
der Erbschaft verfügt und findet in Ansehung des übrigen Theiles die
gesetzliche Erbfolge statt, so tritt die Anwachsung unter den eingesetzten
Erben nur ein, soweit sie auf einen gemeinschaftlichen Erbtheil eingesetzt
sind.
Der Erblasser kann die Anwachsung ausschließen.
§. 2095. Der durch Anwachsung einem Erben
anfallende Erbtheil gilt in Ansehung der Vermächtnisse und Auflagen, mit denen
dieser Erbe oder der wegfallende Erbe beschwert ist, sowie in Ansehung der
Ausgleichungspflicht als besonderer Erbtheil.
§. 2096. Der Erblasser kann für den Fall, daß ein
Erbe vor oder nach dem Eintritte des Erbfalls wegfällt, einen Anderen als Erben
einsetzen (Ersatzerbe).
§. 2097. Ist Jemand für den Fall, daß der zunächst
berufene Erbe nicht Erbe sein kann, oder für den Fall, daß er nicht Erbe sein
will, als Ersatzerbe eingesetzt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß er für beide
Fälle eingesetzt ist.
§. 2098. Sind die Erben gegenseitig oder sind für
einen von ihnen die übrigen als Ersatzerben eingesetzt, so ist im Zweifel
anzunehmen, daß sie nach dem Verhältniß ihrer Erbtheile als Ersatzerben
eingesetzt sind.
Sind die Erben gegenseitig als Ersatzerben
eingesetzt, so gehen Erben, die auf einen gemeinschaftlichen Erbtheil
eingesetzt sind, im Zweifel als Ersatzerben für diesen Erbtheil den anderen
vor.
§. 2099. Das Recht des Ersatzerben geht dem
Anwachsungsrechte vor.
Dritter Titel.
Einsetzung eines Nacherben.
§. 2100. Der Erblasser kann einen Erben in der
Weise einsetzen, daß dieser erst Erbe wird, nachdem zunächst ein Anderer Erbe
geworden ist (Nacherbe).
§. 2101. Ist eine zur Zeit des Erbfalls noch nicht
erzeugte Person als Erbe eingesetzt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß sie als
Nacherbe eingesetzt ist. Entspricht es nicht dem Willen des Erblassers, daß der
Eingesetzte Nacherbe werden soll, so ist die Einsetzung unwirksam.
Das Gleiche gilt von der Einsetzung einer
juristischen Person, die erst nach dem Erbfalle zur Entstehung gelangt; die
Vorschrift des §. 84 bleibt unberührt.
§. 2102. Die Einsetzung als Nacherbe enthält im
Zweifel auch die Einsetzung als Ersatzerbe.
Ist zweifelhaft, ob Jemand als Ersatzerbe oder als
Nacherbe eingesetzt ist, so gilt er als Ersatzerbe.
§. 2103. Hat der Erblasser angeordnet, daß der Erbe
mit dem Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses die Erbschaft
einem Anderen herausgeben soll, so ist anzunehmen, daß der Andere als Nacherbe
eingesetzt ist.
§. 2104. Hat der Erblasser angeordnet, daß der Erbe
nur bis zu dem Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses Erbe sein
soll, ohne zu bestimmen, wer alsdann die Erbschaft erhalten soll, so ist
anzunehmen, daß als Nacherben diejenigen eingesetzt sind, welche die
gesetzlichen Erben des Erblassers sein würden, wenn er zur Zeit des Eintritts
des Zeitpunkts oder des Ereignisses gestorben wäre. Der Fiskus gehört nicht zu
den gesetzlichen Erben im Sinne dieser Vorschrift.
§. 2105. Hat der Erblasser angeordnet, daß der
eingesetzte Erbe die Erbschaft erst mit dem Eintritt eines bestimmten
Zeitpunkts oder Ereignisses erhalten soll, ohne zu bestimmen, wer bis dahin
Erbe sein soll, so sind die gesetzlichen Erben des Erblassers die Vorerben.
Das Gleiche gilt, wenn die Persönlichkeit des Erben
durch ein erst nach dem Erbfall eintretendes Ereigniß bestimmt werden soll oder
wenn die Einsetzung einer zur Zeit des Erbfalls noch nicht erzeugten Person
oder einer zu dieser Zeit noch nicht entstandenen juristischen Person als Erbe
nach §. 2101 als Nacherbeinsetzung anzusehen ist.
§. 2106. Hat der Erblasser einen Nacherben
eingesetzt, ohne den Zeitpunkt oder das Ereigniß zu bestimmen, mit dem die
Nacherbfolge eintreten soll, so fällt die Erbschaft dem Nacherben mit dem Tode
des Vorerben an.
Ist die Einsetzung einer noch nicht erzeugten
Person als Erbe nach §. 2101 Abs. 1 als Nacherbeinsetzung anzusehen, so fällt
die Erbschaft dem Nacherben mit dessen Geburt an. Im Falle des §. 2101 Abs. 2
tritt der Anfall mit der Entstehung der juristischen Person ein.
§. 2107. Hat der Erblasser einem Abkömmlinge, der
zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung keinen Abkömmling hat oder
von dem der Erblasser zu dieser Zeit nicht weiß, daß er einen Abkömmling hat,
für die Zeit nach dessen Tode einen Nacherben bestimmt, so ist anzunehmen, daß
der Nacherbe nur für den Fall eingesetzt ist, daß der Abkömmling ohne
Nachkommenschaft stirbt.
§. 2108. Die Vorschriften des §. 1923 finden auf
die Nacherbfolge entsprechende Anwendung.
Stirbt der eingesetzte Nacherbe vor dem Eintritte
des Falles der Nacherbfolge, aber nach dem Eintritte des Erbfalls, so geht sein
Recht auf seine Erben über, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers
anzunehmen ist. Ist der Nacherbe unter einer aufschiebenden Bedingung
eingesetzt, so bewendet es bei der Vorschrift des §. 2074.
§. 2109. Die Einsetzung eines Nacherben wird mit
dem Ablaufe von dreißig Jahren nach dem Erbfall unwirksam, wenn nicht vorher
der Fall der Nacherbfolge eingetreten ist. Sie bleibt auch nach dieser Zeit
wirksam:
1. wenn die Nacherbfolge
für den Fall angeordnet ist, daß in der Person des Vorerben oder des Nacherben
ein bestimmtes Ereigniß eintritt, und derjenige, in dessen Person das Ereigniß
eintreten soll, zur Zeit des Erbfalls lebt;
2. wenn dem Vorerben oder
einem Nacherben für den Fall, daß ihm ein Bruder oder eine Schwester geboren
wird, der Bruder oder die Schwester als Nacherbe bestimmt ist.
Ist der Vorerbe oder der Nacherbe, in dessen Person
das Ereigniß eintreten soll, eine juristische Person, so bewendet es bei der
dreißigjährigen Frist.
§. 2110. Das Recht des Nacherben erstreckt sich im
Zweifel auf einen Erbtheil, der dem Vorerben in Folge des Wegfalls eines
Miterben anfällt.
Das Recht des Nacherben erstreckt sich im Zweifel
nicht auf ein dem Vorerben zugewendetes Vorausvermächtniß.
§. 2111. Zur Erbschaft gehört, was der Vorerbe auf
Grund eines zur Erbschaft gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die
Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Erbschaftsgegenstandes oder
durch Rechtsgeschäft mit Mitteln der Erbschaft erwirbt, sofern nicht der Erwerb
ihm als Nutzung gebührt. Die Zugehörigkeit einer durch Rechtsgeschäft
erworbenen Forderung zur Erbschaft hat der Schuldner erst dann gegen sich
gelten zu lassen, wenn er von der Zugehörigkeit Kenntniß erlangt; die Vorschriften
der §§. 406 bis 408 finden entsprechende Anwendung.
Zur Erbschaft gehört auch, was der Vorerbe dem
Inventar eines erbschaftlichen Grundstücks einverleibt.
§. 2112. Der Vorerbe kann über die zur Erbschaft
gehörenden Gegenstände verfügen, soweit sich nicht aus den Vorschriften der §§.
2113 bis 2115 ein Anderes ergiebt.
§. 2113. Die Verfügung des Vorerben über ein zur
Erbschaft gehörendes Grundstück oder über ein zur Erbschaft gehörendes Recht an
einem Grundstück ist im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit
unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen
würde.
Das Gleiche gilt von der Verfügung über einen
Erbschaftsgegenstand, die unentgeltlich oder zum Zwecke der Erfüllung eines von
dem Vorerben ertheilten Schenkungsversprechens erfolgt. Ausgenommen sind
Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu
nehmenden Rücksicht entsprochen wird.
Die Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche
Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung.
§. 2114. Gehört zur Erbschaft eine
Hypothekenforderung, eine Grundschuld oder eine Rentenschuld, so steht die
Kündigung und die Einziehung dem Vorerben zu. Der Vorerbe kann jedoch nur
verlangen, daß das Kapital an ihn nach Beibringung der Einwilligung des
Nacherben gezahlt oder daß es für ihn und den Nacherben hinterlegt wird. Auf
andere Verfügungen über die Hypothekenforderung, die Grundschuld oder die
Rentenschuld finden die Vorschriften des §. 2113 Anwendung.
§. 2115. Eine Verfügung über einen
Erbschaftsgegenstand, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder der
Arrestvollziehung oder durch den Konkursverwalter erfolgt, ist im Falle des
Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben
vereiteln oder beeinträchtigen würde. Die Verfügung ist unbeschränkt wirksam,
wenn der Anspruch eines Nachlaßgläubigers oder ein an einem
Erbschaftsgegenstande bestehendes Recht geltend gemacht wird, das im Falle des
Eintritts der Nacherbfolge dem Nacherben gegenüber wirksam ist.
§. 2116. Der Vorerbe hat auf Verlangen des
Nacherben die zur Erbschaft gehörenden Inhaberpapiere nebst den
Erneuerungsscheinen bei einer Hinterlegungsstelle oder bei der Reichsbank mit
der Bestimmung zu hinterlegen, daß die Herausgabe nur mit Zustimmung des
Nacherben verlangt werden kann. Die Hinterlegung von Inhaberpapieren, die nach
§. 92 zu den verbrauchbaren Sachen gehören, sowie von Zins-, Renten- oder
Gewinnantheilscheinen kann nicht verlangt werden. Den Inhaberpapieren stehen
Orderpapiere gleich, die mit Blankoindossament versehen sind.
Ueber die hinterlegten Papiere kann der Vorerbe nur
mit Zustimmung des Nacherben verfügen.
§. 2117. Der Vorerbe kann die Inhaberpapiere, statt
sie nach §. 2116 zu hinterlegen, auf seinen Namen mit der Bestimmung umschreiben
lassen, daß er über sie nur mit Zustimmung des Nacherben verfügen kann. Sind
die Papiere von dem Reiche oder einem Bundesstaat ausgestellt, so kann er sie
mit der gleichen Bestimmung in Buchforderungen gegen das Reich oder den
Bundesstaat umwandeln lassen.
§. 2118. Gehören zur Erbschaft Buchforderungen
gegen das Reich oder einen Bundesstaat, so ist der Vorerbe auf Verlangen des
Nacherben verpflichtet, in das Schuldbuch den Vermerk eintragen zu lassen, daß
er über die Forderungen nur mit Zustimmung des Nacherben verfügen kann.
§. 2119. Geld, das nach den Regeln einer
ordnungsmäßigen Wirthschaft dauernd anzulegen ist, darf der Vorerbe nur nach
den für die Anlegung von Mündelgeld geltenden Vorschriften anlegen.
§. 2120. Ist zur ordnungsmäßigen Verwaltung, insbesondere
zur Berichtigung von Nachlaßverbindlichkeiten, eine Verfügung erforderlich, die
der Vorerbe nicht mit Wirkung gegen den Nacherben vornehmen kann, so ist der
Nacherbe dem Vorerben gegenüber verpflichtet, seine Einwilligung zu der
Verfügung zu ertheilen. Die Einwilligung ist auf Verlangen in öffentlich
beglaubigter Form zu erklären. Die Kosten der Beglaubigung fallen dem Vorerben
zur Last.
§. 2121. Der Vorerbe hat dem Nacherben auf
Verlangen ein Verzeichniß der zur Erbschaft gehörenden Gegenstände
mitzutheilen. Das Verzeichniß ist mit der Angabe des Tages der Aufnahme zu
versehen und von dem Vorerben zu unterzeichnen; der Vorerbe hat auf Verlangen
die Unterzeichnung öffentlich beglaubigen zu lassen.
Der Nacherbe kann verlangen, daß er bei der Aufnahme
des Verzeichnisses zugezogen wird.
Der Vorerbe ist berechtigt und auf Verlangen des
Nacherben verpflichtet, das Verzeichniß durch die zuständige Behörde oder durch
einen zuständigen Beamten oder Notar aufnehmen zu lassen.
Die Kosten der Aufnahme und der Beglaubigung fallen
der Erbschaft zur Last.
§. 2122. Der Vorerbe kann den Zustand der zur
Erbschaft gehörenden Sachen auf seine Kosten durch Sachverständige feststellen
lassen. Das gleiche Recht steht dem Nacherben zu.
§. 2123. Gehört ein Wald zur Erbschaft, so kann
sowohl der Vorerbe als der Nacherbe verlangen, daß das Maß der Nutzung und die
Art der wirthschaftlichen Behandlung durch einen Wirthschaftsplan festgestellt
werden. Tritt eine erhebliche Aenderung der Umstände ein, so kann jeder Theil
eine entsprechende Aenderung des Wirthschaftsplans verlangen. Die Kosten fallen
der Erbschaft zur Last.
Das Gleiche gilt, wenn ein Bergwerk oder eine
andere auf Gewinnung von Bodenbestandtheilen gerichtete Anlage zur Erbschaft
gehört.
§. 2124. Der Vorerbe trägt dem Nacherben gegenüber
die gewöhnlichen Erhaltungskosten.
Andere Aufwendungen, die der Vorerbe zum Zwecke der
Erhaltung von Erbschaftsgegenständen den Umständen nach für erforderlich halten
darf, kann er aus der Erbschaft bestreiten. Bestreitet er sie aus seinem
Vermögen, so ist der Nacherbe im Falle des Eintritts der Nacherbfolge zum
Ersatze verpflichtet.
§. 2125. Macht der Vorerbe Verwendungen auf die
Erbschaft, die nicht unter die Vorschrift des §. 2124 fallen, so ist der
Nacherbe im Falle des Eintritts der Nacherbfolge nach den Vorschriften über die
Geschäftsführung ohne Auftrag zum Ersatze verpflichtet.
Der Vorerbe ist berechtigt, eine Einrichtung, mit
der er eine zur Erbschaft gehörende Sache versehen hat, wegzunehmen.
§. 2126. Der Vorerbe hat im Verhältnisse zu dem
Nacherben nicht die außerordentlichen Lasten zu tragen, die als auf den
Stammwerth der Erbschaftsgegenstände gelegt anzusehen sind. Auf diese Lasten
finden die Vorschriften des §. 2124 Abs. 2 Anwendung.
§. 2127. Der Nacherbe ist berechtigt, von dem
Vorerben Auskunft über den Bestand der Erbschaft zu verlangen, wenn Grund zu
der Annahme besteht, daß der Vorerbe durch seine Verwaltung die Rechte des
Nacherben erheblich verletzt.
§. 2128. Wird durch das Verhalten des Vorerben oder
durch seine ungünstige Vermögenslage die Besorgniß einer erheblichen Verletzung
der Rechte des Nacherben begründet, so kann der Nacherbe Sicherheitsleistung
verlangen.
Die für die Verpflichtung des Nießbrauchers zur
Sicherheitsleistung geltenden Vorschriften des §. 1052 finden entsprechende
Anwendung.
§. 2129. Wird dem Vorerben die Verwaltung nach den
Vorschriften des §. 1052 entzogen, so verliert er das Recht, über
Erbschaftsgegenstände zu verfügen.
Die Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche
Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung.
Für die zur Erbschaft gehörenden Forderungen ist die Entziehung der Verwaltung
dem Schuldner gegenüber erst wirksam, wenn er von der getroffenen Anordnung
Kenntniß erlangt oder wenn ihm eine Mittheilung von der Anordnung zugestellt
wird. Das Gleiche gilt von der Aufhebung der Entziehung.
§. 2130. Der Vorerbe ist nach dem Eintritte der
Nacherbfolge verpflichtet, dem Nacherben die Erbschaft in dem Zustande
herauszugeben, der sich bei einer bis zur Herausgabe fortgesetzten
ordnungsmäßigen Verwaltung ergiebt. Auf die Herausgabe eines
landwirthschaftlichen Grundstücks findet die Vorschrift des §. 592, auf die
Herausgabe eines Landguts finden die Vorschriften der §§. 592, 593
entsprechende Anwendung.
Der Vorerbe hat auf Verlangen Rechenschaft
abzulegen.
§. 2131. Der Vorerbe hat dem Nacherben gegenüber in
Ansehung der Verwaltung nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in
eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
§. 2132. Veränderungen oder Verschlechterungen von
Erbschaftssachen, die durch ordnungsmäßige Benutzung herbeigeführt werden, hat
der Vorerbe nicht zu vertreten.
§. 2133. Zieht der Vorerbe Früchte den Regeln einer
ordnungsmäßigen Wirthschaft zuwider oder zieht er Früchte deshalb im Uebermaße,
weil dies in Folge eines besonderen Ereignisses nothwendig geworden ist, so
gebührt ihm der Werth der Früchte nur insoweit, als durch den ordnungswidrigen
oder den übermäßigen Fruchtbezug die ihm gebührenden Nutzungen beeinträchtigt
werden und nicht der Werth der Früchte nach den Regeln einer ordnungsmäßigen
Wirthschaft zur Wiederherstellung der Sache zu verwenden ist.
§. 2134. Hat der Vorerbe einen Erbschaftsgegenstand
für sich verwendet, so ist er nach dem Eintritte der Nacherbfolge dem Nacherben
gegenüber zum Ersatze des Werthes verpflichtet. Eine weitergehende Haftung
wegen Verschuldens bleibt unberührt.
§. 2135. Hat der Vorerbe ein zur Erbschaft
gehörendes Grundstück vermiethet oder verpachtet, so finden, wenn das Mieth-
oder Pachtverhältniß bei dem Eintritte der Nacherbfolge noch besteht, die
Vorschriften des §. 1056 entsprechende Anwendung.
§. 2136. Der Erblasser kann den Vorerben von den
Beschränkungen und Verpflichtungen des §. 2113 Abs. 1 und der §§. 2114, 2116
bis 2119, 2123, 2127 bis 2131, 2133, 2134 befreien.
§. 2137. Hat der Erblasser den Nacherben auf
dasjenige eingesetzt, was von der Erbschaft bei dem Eintritte der Nacherbfolge
übrig sein wird, so gilt die Befreiung von allen im §. 2136 bezeichneten
Beschränkungen und Verpflichtungen als angeordnet.
Das Gleiche ist im Zweifel anzunehmen, wenn der
Erblasser bestimmt hat, daß der Vorerbe zur freien Verfügung über die Erbschaft
berechtigt sein soll.
§. 2138. Die Herausgabepflicht des Vorerben
beschränkt sich in den Fällen des §. 2137 auf die bei ihm noch vorhandenen
Erbschaftsgegenstände. Für Verwendungen auf Gegenstände, die er in Folge dieser
Beschränkung nicht herauszugeben hat, kann er nicht Ersatz verlangen.
Hat der Vorerbe der Vorschrift des §. 2113 Abs. 2
zuwider über einen Erbschaftsgegenstand verfügt oder hat er die Erbschaft in
der Absicht, den Nacherben zu benachtheiligen, vermindert, so ist er dem
Nacherben zum Schadensersatze verpflichtet.
§. 2139. Mit dem Eintritte des Falles der
Nacherbfolge hört der Vorerbe auf, Erbe zu sein, und fällt die Erbschaft dem
Nacherben an.
§. 2140. Der Vorerbe ist auch nach dem Eintritte
des Falles der Nacherbfolge zur Verfügung über Nachlaßgegenstände in dem
gleichen Umfange wie vorher berechtigt, bis er von dem Eintritte Kenntniß
erlangt oder ihn kennen muß. Ein Dritter kann sich auf diese Berechtigung nicht
berufen, wenn er bei der Vornahme eines Rechtsgeschäfts den Eintritt kennt oder
kennen muß.
§. 2141. Ist bei dem Eintritte des Falles der
Nacherbfolge die Geburt eines Nacherben zu erwarten, so finden auf den
Unterhaltsanspruch der Mutter die Vorschriften des §. 1963 entsprechende
Anwendung.
§. 2142. Der Nacherbe kann die Erbschaft
ausschlagen, sobald der Erbfall eingetreten ist.
Schlägt der Nacherbe die Erbschaft aus, so
verbleibt sie dem Vorerben, soweit nicht der Erblasser ein Anderes bestimmt
hat.
§. 2143. Tritt die Nacherbfolge ein, so gelten die
in Folge des Erbfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von
Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen.
§. 2144. Die Vorschriften über die Beschränkung der
Haftung des Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten gelten auch für den
Nacherben; an die Stelle des Nachlasses tritt dasjenige, was der Nacherbe aus
der Erbschaft erlangt, mit Einschluß der ihm gegen den Vorerben als solchen
zustehenden Ansprüche.
Das von dem Vorerben errichtete Inventar kommt auch
dem Nacherben zu Statten.
Der Nacherbe kann sich dem Vorerben gegenüber auf
die Beschränkung seiner Haftung auch dann berufen, wenn er den übrigen
Nachlaßgläubigern gegenüber unbeschränkt haftet.
§. 2145. Der Vorerbe haftet nach dem Eintritte der
Nacherbfolge für die Nachlaßverbindlichkeiten noch insoweit, als der Nacherbe
nicht haftet. Die Haftung bleibt auch für diejenigen Nachlaßverbindlichkeiten
bestehen, welche im Verhältnisse zwischen dem Vorerben und dem Nacherben dem
Vorerben zur Last fallen.
Der Vorerbe kann nach dem Eintritte der
Nacherbfolge die Berichtigung der Nachlaßverbindlichkeiten, sofern nicht seine
Haftung unbeschränkt ist, insoweit verweigern, als dasjenige nicht ausreicht,
was ihm von der Erbschaft gebührt. Die Vorschriften der §§. 1990, 1991 finden
entsprechende Anwendung.
§. 2146. Der Vorerbe ist den Nachlaßgläubigern
gegenüber verpflichtet, den Eintritt der Nacherbfolge unverzüglich dem
Nachlaßgericht anzuzeigen. Die Anzeige des Vorerben wird durch die Anzeige des
Nacherben ersetzt.
Das Nachlaßgericht hat die Einsicht der Anzeige
Jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht.
Vierter Titel.
Vermächtniß.
§. 2147. Mit einem Vermächtnisse kann der Erbe oder
ein Vermächtnißnehmer beschwert werden. Soweit nicht der Erblasser ein Anderes
bestimmt hat, ist der Erbe beschwert.
§. 2148. Sind mehrere Erben oder mehrere
Vermächtnißnehmer mit demselben Vermächtnisse beschwert, so sind im Zweifel die
Erben nach dem Verhältnisse der Erbtheile, die Vermächtnißnehmer nach dem
Verhältnisse des Werthes der Vermächtnisse beschwert.
§. 2149. Hat der Erblasser bestimmt, daß dem
eingesetzten Erben ein Erbschaftsgegenstand nicht zufallen soll, so gilt der
Gegenstand als den gesetzlichen Erben vermacht.
Der Fiskus gehört nicht zu den gesetzlichen Erben
im Sinne dieser Vorschrift.
§. 2150. Das einem Erben zugewendete Vermächtniß
(Vorausvermächtniß) gilt als Vermächtniß auch insoweit, als der Erbe selbst beschwert
ist.
§. 2151. Der Erblasser kann Mehrere mit einem
Vermächtniß in der Weise bedenken, daß der Beschwerte oder ein Dritter zu
bestimmen hat, wer von den Mehreren das Vermächtniß erhalten soll.
Die Bestimmung des Beschwerten erfolgt durch
Erklärung gegenüber demjenigen, welcher das Vermächtniß erhalten soll; die
Bestimmung des Dritten erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten.
Kann der Beschwerte oder der Dritte die Bestimmung
nicht treffen, so sind die Bedachten Gesammtgläubiger. Das Gleiche gilt, wenn
das Nachlaßgericht dem Beschwerten oder dem Dritten auf Antrag eines der
Betheiligten eine Frist zur Abgabe der Erklärung bestimmt hat und die Frist
verstrichen ist, sofern nicht vorher die Erklärung erfolgt. Der Bedachte, der
das Vermächtniß erhält, ist im Zweifel nicht zur Theilung verpflichtet.
§. 2152. Hat der Erblasser Mehrere mit einem
Vermächtniß in der Weise bedacht, daß nur der Eine oder der Andere das
Vermächtniß erhalten soll, so ist anzunehmen, daß der Beschwerte bestimmen
soll, wer von ihnen das Vermächtniß erhält.
§. 2153. Der Erblasser kann Mehrere mit einem
Vermächtniß in der Weise bedenken, daß der Beschwerte oder ein Dritter zu
bestimmen hat, was jeder von dem vermachten Gegenstand erhalten soll. Die
Bestimmung erfolgt nach §. 2151 Abs. 2.
Kann der Beschwerte oder der Dritte die Bestimmung
nicht treffen, so sind die Bedachten zu gleichen Theilen berechtigt. Die
Vorschrift des §. 2151 Abs. 3 Satz 2 findet entsprechende Anwendung.
§. 2154. Der Erblasser kann ein Vermächtniß in der Art
anordnen, daß der Bedachte von mehreren Gegenständen nur den einen oder den
anderen erhalten soll. Ist in einem solchen Falle die Wahl einem Dritten
übertragen, so erfolgt sie durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten.
Kann der Dritte die Wahl nicht treffen, so geht das
Wahlrecht auf den Beschwerten über. Die Vorschrift des §. 2151 Abs. 3 Satz 2
findet entsprechende Anwendung.
§. 2155. Hat der Erblasser die vermachte Sache nur
der Gattung nach bestimmt, so ist eine den Verhältnissen des Bedachten entsprechende
Sache zu leisten.
Ist die Bestimmung der Sache dem Bedachten oder
einem Dritten übertragen, so finden die nach §. 2154 für die Wahl des Dritten
geltenden Vorschriften Anwendung.
Entspricht die von dem Bedachten oder dem Dritten
getroffene Bestimmung den Verhältnissen des Bedachten offenbar nicht, so hat
der Beschwerte so zu leisten, wie wenn der Erblasser über die Bestimmung der
Sache keine Anordnung getroffen hätte.
§. 2156. Der Erblasser kann bei der Anordnung eines
Vermächtnisses, dessen Zweck er bestimmt hat, die Bestimmung der Leistung dem
billigen Ermessen des Beschwerten oder eines Dritten überlassen. Auf ein
solches Vermächtniß finden die Vorschriften der §§. 315 bis 319 entsprechende
Anwendung.
§. 2157. Ist Mehreren derselbe Gegenstand vermacht,
so finden die Vorschriften der §§. 2089 bis 2093 entsprechende Anwendung.
§. 2158. Ist Mehreren derselbe Gegenstand vermacht,
so wächst, wenn einer von ihnen vor oder nach dem Erbfalle wegfällt, dessen
Antheil den übrigen Bedachten nach dem Verhältniß ihrer Antheile an. Dies gilt
auch dann, wenn der Erblasser die Antheile der Bedachten bestimmt hat. Sind
einige der Bedachten zu demselben Antheile berufen, so tritt die Anwachsung
zunächst unter ihnen ein.
Der Erblasser kann die Anwachsung ausschließen.
§. 2159. Der durch Anwachsung einem
Vermächtnißnehmer anfallende Antheil gilt in Ansehung der Vermächtnisse und
Auflagen, mit denen dieser oder der wegfallende Vermächtnißnehmer beschwert
ist, als besonderes Vermächtniß.
§. 2160. Ein Vermächtniß ist unwirksam, wenn der
Bedachte zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebt.
§. 2161. Ein Vermächtniß bleibt, sofern nicht ein
anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist, wirksam, wenn der Beschwerte nicht
Erbe oder Vermächtnißnehmer wird. Beschwert ist in diesem Falle derjenige,
welchem der Wegfall des zunächst Beschwerten unmittelbar zu Statten kommt.
§. 2162. Ein Vermächtniß, das unter einer
aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins angeordnet
ist, wird mit dem Ablaufe von dreißig Jahren nach dem Erbfall unwirksam, wenn
nicht vorher die Bedingung oder der Termin eingetreten ist.
Ist der Bedachte zur Zeit des Erbfalls noch nicht
erzeugt oder wird seine Persönlichkeit durch ein erst nach dem Erbfall
eintretendes Ereigniß bestimmt, so wird das Vermächtniß mit dem Ablaufe von
dreißig Jahren nach dem Erbfall unwirksam, wenn nicht vorher der Bedachte
erzeugt oder das Ereigniß eingetreten ist, durch das seine Persönlichkeit
bestimmt wird.
§. 2163. Das Vermächtniß bleibt in den Fällen des
§. 2162 auch nach dem Ablaufe von dreißig Jahren wirksam:
1. wenn es für den Fall
angeordnet ist, daß in der Person des Beschwerten oder des Bedachten ein
bestimmtes Ereigniß eintritt, und derjenige, in dessen Person das Ereigniß
eintreten soll, zur Zeit des Erbfalls lebt;
2. wenn ein Erbe, ein
Nacherbe oder ein Vermächtnißnehmer für den Fall, daß ihm ein Bruder oder eine
Schwester geboren wird, mit einem Vermächtnisse zu Gunsten des Bruders oder der
Schwester beschwert ist.
Ist der Beschwerte oder der Bedachte, in dessen
Person das Ereigniß eintreten soll, eine juristische Person, so bewendet es bei
der dreißigjährigen Frist.
§. 2164. Das Vermächtniß einer Sache erstreckt sich
im Zweifel auf das zur Zeit des Erbfalls vorhandene Zubehör.
Hat der Erblasser wegen einer nach der Anordnung
des Vermächtnisses erfolgten Beschädigung der Sache einen Anspruch auf Ersatz
der Minderung des Werthes, so erstreckt sich im Zweifel das Vermächtniß auf
diesen Anspruch.
§. 2165. Ist ein zur Erbschaft gehörender
Gegenstand vermacht, so kann der Vermächtnißnehmer im Zweifel nicht die
Beseitigung der Rechte verlangen, mit denen der Gegenstand belastet ist. Steht
dem Erblasser ein Anspruch auf die Beseitigung zu, so erstreckt sich im Zweifel
das Vermächtniß auf diesen Anspruch.
Ruht auf einem vermachten Grundstück eine Hypothek,
Grundschuld oder Rentenschuld, die dem Erblasser selbst zusteht, so ist aus den
Umständen zu entnehmen, ob die Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld als
mitvermacht zu gelten hat.
§. 2166. Ist ein vermachtes Grundstück, das zur
Erbschaft gehört, mit einer Hypothek für eine Schuld des Erblassers oder für
eine Schuld belastet, zu deren Berichtigung der Erblasser dem Schuldner
gegenüber verpflichtet ist, so ist der Vermächtnißnehmer im Zweifel dem Erben
gegenüber zur rechtzeitigen Befriedigung des Gläubigers insoweit verpflichtet,
als die Schuld durch den Werth des Grundstücks gedeckt wird. Der Werth bestimmt
sich nach der Zeit, zu welcher das Eigenthum auf den Vermächtnißnehmer
übergeht; er wird unter Abzug der Belastungen berechnet, die der Hypothek im
Range vorgehen.
Ist dem Erblasser gegenüber ein Dritter zur
Berichtigung der Schuld verpflichtet, so besteht die Verpflichtung des
Vermächtnißnehmers im Zweifel nur insoweit, als der Erbe die Berichtigung nicht
von dem Dritten erlangen kann.
Auf eine Hypothek der im §. 1190 bezeichneten Art
finden diese Vorschriften keine Anwendung.
§. 2167. Sind neben dem vermachten Grundstück
andere zur Erbschaft gehörende Grundstücke mit der Hypothek belastet, so
beschränkt sich die im §. 2166 bestimmte Verpflichtung des Vermächtnißnehmers
im Zweifel auf den Theil der Schuld, der dem Verhältnisse des Werthes des
vermachten Grundstücks zu dem Werthe der sämmtlichen Grundstücke entspricht.
Der Werth wird nach §. 2166 Abs. 1 Satz 2 berechnet.
§. 2168. Besteht an mehreren zur Erbschaft
gehörenden Grundstücken eine Gesammtgrundschuld oder eine Gesammtrentenschuld
und ist eines dieser Grundstücke vermacht, so ist der Vermächtnißnehmer im
Zweifel dem Erben gegenüber zur Befriedigung des Gläubigers in Höhe des Theiles
der Grundschuld oder der Rentenschuld verpflichtet, der dem Verhältnisse des
Werthes des vermachten Grundstücks zu dem Werthe der sämmtlichen Grundstücke
entspricht. Der Werth wird nach §. 2166 Abs. 1 Satz 2 berechnet.
Ist neben dem vermachten Grundstück ein nicht zur
Erbschaft gehörendes Grundstück mit einer Gesammtgrundschuld oder einer
Gesammtrentenschuld belastet, so finden, wenn der Erblasser zur Zeit des
Erbfalls gegenüber dem Eigenthümer des anderen Grundstücks oder einem Rechtsvorgänger
des Eigenthümers zur Befriedigung des Gläubigers verpflichtet ist, die
Vorschriften des §. 2166 Abs. 1 und des §. 2167 entsprechende Anwendung.
§. 2169. Das Vermächtniß eines bestimmten
Gegenstandes ist unwirksam, soweit der Gegenstand zur Zeit des Erbfalls nicht
zur Erbschaft gehört, es sei denn, daß der Gegenstand dem Bedachten auch für
den Fall zugewendet sein soll, daß er nicht zur Erbschaft gehört.
Hat der Erblasser nur den Besitz der vermachten
Sache, so gilt im Zweifel der Besitz als vermacht, es sei denn, daß er dem
Bedachten keinen rechtlichen Vortheil gewährt.
Steht dem Erblasser ein Anspruch auf Leistung des
vermachten Gegenstandes oder, falls der Gegenstand nach der Anordnung des
Vermächtnisses untergegangen oder dem Erblasser entzogen worden ist, ein
Anspruch auf Ersatz des Werthes zu, so gilt im Zweifel der Anspruch als
vermacht.
Zur Erbschaft gehört im Sinne des Abs. 1 ein
Gegenstand nicht, wenn der Erblasser zu dessen Veräußerung verpflichtet ist.
§. 2170. Ist das Vermächtniß eines Gegenstandes,
der zur Zeit des Erbfalls nicht zur Erbschaft gehört, nach §. 2169 Abs. 1
wirksam, so hat der Beschwerte den Gegenstand dem Bedachten zu verschaffen.
Ist der Beschwerte zur Verschaffung außer Stande,
so hat er den Werth zu entrichten. Ist die Verschaffung nur mit
unverhältnißmäßigen Aufwendungen möglich, so kann sich der Beschwerte durch
Entrichtung des Werthes befreien.
§. 2171. Ein Vermächtniß, das auf eine zur Zeit des
Erbfalls unmögliche Leistung gerichtet ist oder gegen ein zu dieser Zeit bestehendes
gesetzliches Verbot verstößt, ist unwirksam. Die Vorschriften des §. 308 finden
entsprechende Anwendung.
§. 2172. Die Leistung einer vermachten Sache gilt
auch dann als unmöglich, wenn die Sache mit einer anderen Sache in solcher
Weise verbunden, vermischt oder vermengt worden ist, daß nach den §§. 946 bis
948 das Eigenthum an der anderen Sache sich auf sie erstreckt oder das
Miteigenthum eingetreten ist, oder wenn sie in solcher Weise verarbeitet oder
umgebildet worden ist, daß nach §. 950 derjenige, welcher die neue Sache
hergestellt hat, Eigenthümer geworden ist.
Ist die Verbindung, Vermischung oder Vermengung
durch einen Anderen als den Erblasser erfolgt und hat der Erblasser dadurch
Miteigenthum erworben, so gilt im Zweifel das Miteigenthum als vermacht; steht
dem Erblasser ein Recht zur Wegnahme der verbundenen Sache zu, so gilt im
Zweifel dieses Recht als vermacht. Im Falle der Verarbeitung oder Umbildung
durch einen Anderen als den Erblasser bewendet es bei der Vorschrift des §.
2169 Abs. 3.
§. 2173. Hat der Erblasser eine ihm zustehende
Forderung vermacht, so ist, wenn vor dem Erbfalle die Leistung erfolgt und der
geleistete Gegenstand noch in der Erbschaft vorhanden ist, im Zweifel
anzunehmen, daß dem Bedachten dieser Gegenstand zugewendet sein soll. War die
Forderung auf die Zahlung einer Geldsumme gerichtet, so gilt im Zweifel die
entsprechende Geldsumme als vermacht, auch wenn sich eine solche in der
Erbschaft nicht vorfindet.
§. 2174. Durch das Vermächtniß wird für den
Bedachten das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten
Gegenstandes zu fordern.
§. 2175. Hat der Erblasser eine ihm gegen den Erben
zustehende Forderung oder hat er ein Recht vermacht, mit dem eine Sache oder
ein Recht des Erben belastet ist, so gelten die in Folge des Erbfalls durch
Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung
erloschenen Rechtsverhältnisse in Ansehung des Vermächtnisses als nicht
erloschen.
§. 2176. Die Forderung des Vermächtnißnehmers
kommt, unbeschadet des Rechtes, das Vermächtniß auszuschlagen, zur Entstehung
(Anfall des Vermächtnisses) mit dem Erbfalle.
§. 2177. Ist das Vermächtniß unter einer
aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins angeordnet
und tritt die Bedingung oder der Termin erst nach dem Erbfall ein, so erfolgt
der Anfall des Vermächtnisses mit dem Eintritte der Bedingung oder des Termins.
§. 2178. Ist der Bedachte zur Zeit des Erbfalls
noch nicht erzeugt oder wird seine Persönlichkeit durch ein erst nach dem
Erbfall eintretendes Ereigniß bestimmt, so erfolgt der Anfall des
Vermächtnisses im ersteren Falle mit der Geburt, im letzteren Falle mit dem
Eintritte des Ereignisses.
§. 2179. Für die Zeit zwischen dem Erbfall und dem
Anfalle des Vermächtnisses finden in den Fällen der §§. 2177, 2178 die
Vorschriften Anwendung, die für den Fall gelten, daß eine Leistung unter einer
aufschiebenden Bedingung geschuldet wird.
§. 2180. Der Vermächtnißnehmer kann das Vermächtniß
nicht mehr ausschlagen, wenn er es angenommen hat.
Die Annahme sowie die Ausschlagung des
Vermächtnisses erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten. Die Erklärung
kann erst nach dem Eintritte des Erbfalls abgegeben werden; sie ist unwirksam,
wenn sie unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben wird.
Die für die Annahme und die Ausschlagung einer
Erbschaft geltenden Vorschriften des §. 1950, des §. 1952 Abs. 1, 3 und des §.
1953 Abs. 1, 2 finden entsprechende Anwendung.
§. 2181. Ist die Zeit der Erfüllung eines
Vermächtnisses dem freien Belieben des Beschwerten überlassen, so wird die
Leistung im Zweifel mit dem Tode des Beschwerten fällig.
§. 2182. Ist eine nur der Gattung nach bestimmte
Sache vermacht, so hat der Beschwerte die gleichen Verpflichtungen wie ein
Verkäufer nach den Vorschriften des §. 433 Abs. 1, der §§. 434 bis 437, des §.
440 Abs. 2 bis 4 und der §§. 441 bis 444.
Dasselbe gilt im Zweifel, wenn ein bestimmter nicht
zur Erbschaft gehörender Gegenstand vermacht ist, unbeschadet der sich aus dem
§. 2170 ergebenden Beschränkung der Haftung.
Ist ein Grundstück Gegenstand des Vermächtnisses,
so haftet der Beschwerte im Zweifel nicht für die Freiheit des Grundstücks von
Grunddienstbarkeiten, beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten und Reallasten.
§. 2183. Ist eine nur der Gattung nach bestimmte
Sache vermacht, so kann der Vermächtnißnehmer, wenn die geleistete Sache
mangelhaft ist, verlangen, daß ihm an Stelle der mangelhaften Sache eine
mangelfreie geliefert wird.
Hat der Beschwerte einen Fehler arglistig
verschwiegen, so kann der Vermächtnißnehmer statt der Lieferung einer
mangelfreien Sache Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Auf diese
Ansprüche finden die für die Gewährleistung wegen Mängel einer verkauften Sache
geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.
§. 2184. Ist ein bestimmter zur Erbschaft
gehörender Gegenstand vermacht, so hat der Beschwerte dem Vermächtnißnehmer
auch die seit dem Anfalle des Vermächtnisses gezogenen Früchte sowie das sonst
auf Grund des vermachten Rechtes Erlangte herauszugeben. Für Nutzungen, die
nicht zu den Früchten gehören, hat der Beschwerte nicht Ersatz zu leisten.
§. 2185. Ist eine bestimmte zur Erbschaft gehörende
Sache vermacht, so kann der Beschwerte für die nach dem Erbfall auf die Sache
gemachten Verwendungen sowie für Aufwendungen, die er nach dem Erbfalle zur
Bestreitung von Lasten der Sache gemacht hat, Ersatz nach den Vorschriften
verlangen, die für das Verhältniß zwischen dem Besitzer und dem Eigenthümer
gelten.
§. 2186. Ist ein Vermächtnißnehmer mit einem
Vermächtniß oder einer Auflage beschwert, so ist er zur Erfüllung erst dann
verpflichtet, wenn er die Erfüllung des ihm zugewendeten Vermächtnisses zu
verlangen berechtigt ist.
§. 2187. Ein Vermächtnißnehmer, der mit einem
Vermächtniß oder einer Auflage beschwert ist, kann die Erfüllung auch nach der
Annahme des ihm zugewendeten Vermächtnisses insoweit verweigern, als dasjenige,
was er aus dem Vermächtniß erhält, zur Erfüllung nicht ausreicht.
Tritt nach §. 2161 ein Anderer an die Stelle des
beschwerten Vermächtnißnehmers, so haftet er nicht weiter, als der
Vermächtnißnehmer haften würde.
Die für die Haftung des Erben geltenden
Vorschriften des §. 1992 finden entsprechende Anwendung.
§. 2188. Wird die einem Vermächtnißnehmer
gebührende Leistung auf Grund der Beschränkung der Haftung des Erben, wegen
eines Pflichttheilsanspruchs oder in Gemäßheit des §. 2187 gekürzt, so kann der
Vermächtnißnehmer, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen
ist, die ihm auferlegten Beschwerungen verhältnißmäßig kürzen.
§. 2189. Der Erblasser kann für den Fall, daß die
dem Erben oder einem Vermächtnißnehmer auferlegten Vermächtnisse und Auflagen
auf Grund der Beschränkung der Haftung des Erben, wegen eines
Pflichttheilsanspruchs oder in Gemäßheit der §§. 2187, 2188 gekürzt werden, durch
Verfügung von Todeswegen anordnen, daß ein Vermächtniß oder eine Auflage den
Vorrang vor den übrigen Beschwerungen haben soll.
§. 2190. Hat der Erblasser für den Fall, daß der
zunächst Bedachte das Vermächtniß nicht erwirbt, den Gegenstand des Vermächtnisses
einem Anderen zugewendet, so finden die für die Einsetzung eines Ersatzerben
geltenden Vorschriften der §§. 2097 bis 2099 entsprechende Anwendung.
§. 2191. Hat der Erblasser den vermachten
Gegenstand von einem nach dem Anfalle des Vermächtnisses eintretenden
bestimmten Zeitpunkt oder Ereigniß an einem Dritten zugewendet, so gilt der
erste Vermächtnißnehmer als beschwert.
Auf das Vermächtniß finden die für die Einsetzung
eines Nacherben geltenden Vorschriften des §. 2102, des §. 2106 Abs. 1, des §.
2107 und des §. 2110 Abs. 1 entsprechende Anwendung.
Fünfter Titel.
Auflage.
§. 2192. Auf eine Auflage finden die für
letztwillige Zuwendungen geltenden Vorschriften der §§. 2065, 2147, 2148, 2154
bis 2156, 2161, 2171, 2181 entsprechende Anwendung.
§. 2193. Der Erblasser kann bei der Anordnung einer
Auflage, deren Zweck er bestimmt hat, die Bestimmung der Person, an welche die
Leistung erfolgen soll, dem Beschwerten oder einem Dritten überlassen.
Steht die Bestimmung dem Beschwerten zu, so kann
ihm, wenn er zur Vollziehung der Auflage rechtskräftig verurtheilt ist, von dem
Kläger eine angemessene Frist zur Vollziehung bestimmt werden; nach dem Ablaufe
der Frist ist der Kläger berechtigt, die Bestimmung zu treffen, wenn nicht die
Vollziehung rechtzeitig erfolgt.
Steht die Bestimmung einem Dritten zu, so erfolgt
sie durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten. Kann der Dritte die Bestimmung
nicht treffen, so geht das Bestimmungsrecht auf den Beschwerten über. Die
Vorschrift des §. 2151 Abs. 3 Satz 2 findet entsprechende Anwendung; zu den
Betheiligten im Sinne dieser Vorschrift gehören der Beschwerte und diejenigen,
welche die Vollziehung der Auflage zu verlangen berechtigt sind.
§. 2194. Die Vollziehung einer Auflage können der
Erbe, der Miterbe und derjenige verlangen, welchem der Wegfall des mit der
Auflage zunächst Beschwerten unmittelbar zu Statten kommen würde. Liegt die
Vollziehung im öffentlichen Interesse, so kann auch die zuständige Behörde die
Vollziehung verlangen.
§. 2195. Die Unwirksamkeit einer Auflage hat die
Unwirksamkeit der unter der Auflage gemachten Zuwendung nur zur Folge, wenn
anzunehmen ist, daß der Erblasser die Zuwendung nicht ohne die Auflage gemacht
haben würde.
§. 2196. Wird die Vollziehung einer Auflage in
Folge eines von dem Beschwerten zu vertretenden Umstandes unmöglich, so kann
derjenige, welchem der Wegfall des zunächst Beschwerten unmittelbar zu Statten
kommen würde, die Herausgabe der Zuwendung nach den Vorschriften über die
Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung insoweit fordern, als die
Zuwendung zur Vollziehung der Auflage hätte verwendet werden müssen.
Das Gleiche gilt, wenn der Beschwerte zur
Vollziehung einer Auflage, die nicht durch einen Dritten vollzogen werden kann,
rechtskräftig verurtheilt ist und die zulässigen Zwangsmittel erfolglos gegen
ihn angewendet worden sind.
Sechster Titel.
Testamentsvollstrecker.
§. 2197. Der Erblasser kann durch Testament einen
oder mehrere Testamentsvollstrecker ernennen.
Der Erblasser kann für den Fall, daß der ernannte
Testamentsvollstrecker vor oder nach der Annahme des Amtes wegfällt, einen
anderen Testamentsvollstrecker ernennen.
§. 2198. Der Erblasser kann die Bestimmung der
Person des Testamentsvollstreckers einem Dritten überlassen. Die Bestimmung
erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgerichte; die Erklärung ist in
öffentlich beglaubigter Form abzugeben.
Das Bestimmungsrecht des Dritten erlischt mit dem
Ablauf einer ihm auf Antrag eines der Betheiligten von dem Nachlaßgerichte
bestimmten Frist.
§. 2199. Der Erblasser kann den
Testamentsvollstrecker ermächtigen, einen oder mehrere Mitvollstrecker zu
ernennen.
Der Erblasser kann den Testamentsvollstrecker
ermächtigen, einen Nachfolger zu ernennen.
Die Ernennung erfolgt nach §. 2198 Abs. 1 Satz 2.
§. 2200. Hat der Erblasser in dem Testamente das
Nachlaßgericht ersucht, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen, so kann das
Nachlaßgericht die Ernennung vornehmen.
Das Nachlaßgericht soll vor der Ernennung die
Betheiligten hören, wenn es ohne erhebliche Verzögerung und ohne unverhältnißmäßige
Kosten geschehen kann.
§. 2201. Die Ernennung des Testamentsvollstreckers
ist unwirksam, wenn er zu der Zeit, zu welcher er das Amt anzutreten hat,
geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist oder nach §.
1910 zur Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten einen Pfleger erhalten hat.
§. 2202. Das Amt des Testamentsvollstreckers
beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Ernannte das Amt annimmt.
Die Annahme sowie die Ablehnung des Amtes erfolgt
durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgerichte. Die Erklärung kann erst nach dem
Eintritte des Erbfalls abgegeben werden; sie ist unwirksam, wenn sie unter
einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben wird.
Das Nachlaßgericht kann dem Ernannten auf Antrag
eines der Betheiligten eine Frist zur Erklärung über die Annahme bestimmen. Mit
dem Ablaufe der Frist gilt das Amt als abgelehnt, wenn nicht die Annahme vorher
erklärt wird.
§. 2203. Der Testamentsvollstrecker hat die
letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen.
§. 2204. Der Testamentsvollstrecker hat, wenn
mehrere Erben vorhanden sind, die Auseinandersetzung unter ihnen nach Maßgabe
der §§. 2042 bis 2056 zu bewirken.
Der Testamentsvollstrecker hat die Erben über den
Auseinandersetzungsplan vor der Ausführung zu hören.
§. 2205. Der Testamentsvollstrecker hat den Nachlaß
zu verwalten. Er ist insbesondere berechtigt, den Nachlaß in Besitz zu nehmen
und über die Nachlaßgegenstände zu verfügen. Zu unentgeltlichen Verfügungen ist
er nur berechtigt, soweit sie einer sittlichen Pflicht oder einer auf den
Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen.
§. 2206. Der Testamentsvollstrecker ist berechtigt,
Verbindlichkeiten für den Nachlaß einzugehen, soweit die Eingehung zur
ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich ist. Die Verbindlichkeit zu einer
Verfügung über einen Nachlaßgegenstand kann der Testamentsvollstrecker für den
Nachlaß auch dann eingehen, wenn er zu der Verfügung berechtigt ist.
Der Erbe ist verpflichtet, zur Eingehung solcher
Verbindlichkeiten seine Einwilligung zu ertheilen, unbeschadet des Rechtes, die
Beschränkung seiner Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten geltend zu machen.
§. 2207. Der Erblasser kann anordnen, daß der
Testamentsvollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlaß
nicht beschränkt sein soll. Der Testamentsvollstrecker ist auch in einem
solchen Falle zu einem Schenkungsversprechen nur nach Maßgabe des §. 2205 Satz
3 berechtigt.
§. 2208. Der Testamentsvollstrecker hat die in den
§§. 2203 bis 2206 bestimmten Rechte nicht, soweit anzunehmen ist, daß sie ihm
nach dem Willen des Erblassers nicht zustehen sollen. Unterliegen der
Verwaltung des Testamentsvollstreckers nur einzelne Nachlaßgegenstände, so
stehen ihm die im §. 2205 Satz 2 bestimmten Befugnisse nur in Ansehung dieser Gegenstände
zu.
Hat der Testamentsvollstrecker Verfügungen des
Erblassers nicht selbst zur Ausführung zu bringen, so kann er die Ausführung
von dem Erben verlangen, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers
anzunehmen ist.
§. 2209. Der Erblasser kann einem
Testamentsvollstrecker die Verwaltung des Nachlasses übertragen, ohne ihm
andere Aufgaben als die Verwaltung zuzuweisen; er kann auch anordnen, daß der
Testamentsvollstrecker die Verwaltung nach der Erledigung der ihm sonst
zugewiesenen Aufgaben fortzuführen hat. Im Zweifel ist anzunehmen, daß einem
solchen Testamentsvollstrecker die im §. 2207 bezeichnete Ermächtigung ertheilt
ist.
§. 2210. Eine nach §. 2209 getroffene Anordnung
wird unwirksam, wenn seit dem Erbfalle dreißig Jahre verstrichen sind. Der Erblasser
kann jedoch anordnen, daß die Verwaltung bis zum Tode des Erben oder des
Testamentsvollstreckers oder bis zum Eintritt eines anderen Ereignisses in der
Person des einen oder des anderen fortdauern soll. Die Vorschrift des §. 2163
Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
§. 2211. Ueber einen der Verwaltung des
Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlaßgegenstand kann der Erbe nicht
verfügen.
Die Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche
Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung.
§. 2212. Ein der Verwaltung des
Testamentsvollstreckers unterliegendes Recht kann nur von dem
Testamentsvollstrecker gerichtlich geltend gemacht werden.
§. 2213. Ein Anspruch, der sich gegen den Nachlaß
richtet, kann sowohl gegen den Erben als gegen den Testamentsvollstrecker
gerichtlich geltend gemacht werden. Steht dem Testamentsvollstrecker nicht die
Verwaltung des Nachlasses zu, so ist die Geltendmachung nur gegen den Erben
zulässig. Ein Pflichttheilsanspruch kann, auch wenn dem Testamentsvollstrecker
die Verwaltung des Nachlasses zusteht, nur gegen den Erben geltend gemacht
werden.
Die Vorschrift des §. 1958 findet auf den
Testamentsvollstrecker keine Anwendung.
Ein Nachlaßgläubiger, der seinen Anspruch gegen den
Erben geltend macht, kann den Anspruch auch gegen den Testamentsvollstrecker
dahin geltend machen, daß dieser die Zwangsvollstreckung in die seiner
Verwaltung unterliegenden Nachlaßgegenstände dulde.
§. 2214. Gläubiger des Erben, die nicht zu den
Nachlaßgläubigern gehören, können sich nicht an die der Verwaltung des
Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlaßgegenstände halten.
§. 2215. Der Testamentsvollstrecker hat dem Erben
unverzüglich nach der Annahme des Amtes ein Verzeichniß der seiner Verwaltung
unterliegenden Nachlaßgegenstände und der bekannten Nachlaßverbindlichkeiten
mitzutheilen und ihm die zur Aufnahme des Inventars sonst erforderliche
Beihülfe zu leisten.
Das Verzeichniß ist mit der Angabe des Tages der
Aufnahme zu versehen und von dem Testamentsvollstrecker zu unterzeichnen; der
Testamentsvollstrecker hat auf Verlangen die Unterzeichnung öffentlich
beglaubigen zu lassen.
Der Erbe kann verlangen, daß er bei der Aufnahme
des Verzeichnisses zugezogen wird.
Der Testamentsvollstrecker ist berechtigt und auf
Verlangen des Erben verpflichtet, das Verzeichniß durch die zuständige Behörde
oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufnehmen zu lassen.
Die Kosten der Aufnahme und der Beglaubigung fallen
dem Nachlasse zur Last.
§. 2216. Der Testamentsvollstrecker ist zur
ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses verpflichtet.
Anordnungen, die der Erblasser für die Verwaltung
durch letztwillige Verfügung getroffen hat, sind von dem Testamentsvollstrecker
zu befolgen. Sie können jedoch auf Antrag des Testamentsvollstreckers oder
eines anderen Betheiligten von dem Nachlaßgericht außer Kraft gesetzt werden,
wenn ihre Befolgung den Nachlaß erheblich gefährden würde. Das Gericht soll vor
der Entscheidung soweit thunlich die Betheiligten hören.
§. 2217. Der Testamentsvollstrecker hat
Nachlaßgegenstände, deren er zur Erfüllung seiner Obliegenheiten offenbar nicht
bedarf, dem Erben auf Verlangen zur freien Verfügung zu überlassen. Mit der
Ueberlassung erlischt sein Recht zur Verwaltung der Gegenstände.
Wegen Nachlaßverbindlichkeiten, die nicht auf einem
Vermächtniß oder einer Auflage beruhen, sowie wegen bedingter und betagter
Vermächtnisse oder Auflagen kann der Testamentsvollstrecker die Ueberlassung
der Gegenstände nicht verweigern, wenn der Erbe für die Berichtigung der Verbindlichkeiten
oder für die Vollziehung der Vermächtnisse oder Auflagen Sicherheit leistet.
§. 2218. Auf das Rechtsverhältniß zwischen dem
Testamentsvollstrecker und dem Erben finden die für den Auftrag geltenden
Vorschriften der §§. 664, 666 bis 668, 670, des §. 673 Satz 2 und des §. 674
entsprechende Anwendung.
Bei einer länger dauernden Verwaltung kann der Erbe
jährlich Rechnungslegung verlangen.
§. 2219. Verletzt der Testamentsvollstrecker die
ihm obliegenden Verpflichtungen, so ist er, wenn ihm ein Verschulden zur Last
fällt, für den daraus entstehenden Schaden dem Erben und, soweit ein
Vermächtniß zu vollziehen ist, auch dem Vermächtnißnehmer verantwortlich.
Mehrere Testamentsvollstrecker, denen ein
Verschulden zur Last fällt, haften als Gesammtschuldner.
§. 2220. Der Erblasser kann den
Testamentsvollstrecker nicht von den ihm nach den §§. 2215, 2216, 2218, 2219
obliegenden Verpflichtungen befreien.
§. 2221. Der Testamentsvollstrecker kann für die
Führung seines Amtes eine angemessene Vergütung verlangen, sofern nicht der
Erblasser ein Anderes bestimmt hat.
§. 2222. Der Erblasser kann einen
Testamentsvollstrecker auch zu dem Zwecke ernennen, daß dieser bis zu dem
Eintritt einer angeordneten Nacherbfolge die Rechte des Nacherben ausübt und
dessen Pflichten erfüllt.
§. 2223. Der Erblasser kann einen
Testamentsvollstrecker auch zu dem Zwecke ernennen, daß dieser für die
Ausführung der einem Vermächtnißnehmer auferlegten Beschwerungen sorgt.
§. 2224. Mehrere Testamentsvollstrecker führen das
Amt gemeinschaftlich; bei einer Meinungsverschiedenheit entscheidet das
Nachlaßgericht. Fällt einer von ihnen weg, so führen die übrigen das Amt
allein. Der Erblasser kann abweichende Anordnungen treffen.
Jeder Testamentsvollstrecker ist berechtigt, ohne
Zustimmung der anderen Testamentsvollstrecker diejenigen Maßregeln zu treffen,
welche zur Erhaltung eines der gemeinschaftlichen Verwaltung unterliegenden
Nachlaßgegenstandes nothwendig sind.
§. 2225. Das Amt des Testamentsvollstreckers
erlischt, wenn er stirbt oder wenn ein Fall eintritt, in welchem die Ernennung
nach §. 2201 unwirksam sein würde.
§. 2226. Der Testamentsvollstrecker kann das Amt
jederzeit kündigen. Die Kündigung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem
Nachlaßgerichte. Die Vorschriften des §. 671 Abs. 2, 3 finden entsprechende
Anwendung.
§. 2227. Das Nachlaßgericht kann den
Testamentsvollstrecker auf Antrag eines der Betheiligten entlassen, wenn ein
wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe
Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung.
Der Testamentsvollstrecker soll vor der Entlassung
wenn thunlich gehört werden.
§. 2228. Das Nachlaßgericht hat die Einsicht der
nach §. 2198 Abs. 1 Satz 2, §. 2199 Abs. 3, §. 2202 Abs. 2, §. 2226 Satz 2
abgegebenen Erklärungen Jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse
glaubhaft macht.
Siebenter Titel.
Errichtung und Aufhebung eines Testaments.
§. 2229. Wer in der Geschäftsfähigkeit beschränkt
ist, bedarf zur Errichtung eines Testaments nicht der Zustimmung seines
gesetzlichen Vertreters.
Ein Minderjähriger kann ein Testament erst
errichten, wenn er das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat.
Wer wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder
Trunksucht entmündigt ist, kann ein Testament nicht errichten. Die Unfähigkeit
tritt schon mit der Stellung des Antrags ein, auf Grund dessen die Entmündigung
erfolgt.
§. 2230. Hat ein Entmündigter ein Testament
errichtet, bevor der die Entmündigung aussprechende Beschluß unanfechtbar
geworden ist, so steht die Entmündigung der Gültigkeit des Testaments nicht
entgegen, wenn der Entmündigte noch vor dem Eintritte der Unanfechtbarkeit
stirbt.
Das Gleiche gilt, wenn der Entmündigte nach der
Stellung des Antrags auf Wiederaufhebung der Entmündigung ein Testament
errichtet und die Entmündigung dem Antrage gemäß wiederaufgehoben wird.
§. 2231. Ein Testament kann in ordentlicher Form
errichtet werden:
1. vor einem Richter oder vor einem Notar;
2. durch eine von dem
Erblasser unter Angabe des Ortes und Tages eigenhändig geschriebene und
unterschriebene Erklärung.
§. 2232. Für die Errichtung eines Testaments vor
einem Richter oder vor einem Notar gelten die Vorschriften der §§. 2233 bis
2246.
§. 2233. Zur Errichtung des Testaments muß der
Richter einen Gerichtsschreiber oder zwei Zeugen, der Notar einen zweiten Notar
oder zwei Zeugen zuziehen.
§. 2234. Als Richter, Notar, Gerichtsschreiber oder
Zeuge kann bei der Errichtung des Testaments nicht mitwirken:
1. der Ehegatte des Erblassers, auch wenn die Ehe
nicht mehr besteht;
2. wer mit dem Erblasser in
gerader Linie oder im zweiten Grade der Seitenlinie verwandt oder verschwägert
ist.
§. 2235. Als Richter, Notar, Gerichtsschreiber oder
Zeuge kann bei der Errichtung des Testaments nicht mitwirken, wer in dem
Testamente bedacht wird oder wer zu einem Bedachten in einem Verhältnisse der
im §. 2234 bezeichneten Art steht.
Die Mitwirkung einer hiernach ausgeschlossenen
Person hat nur zur Folge, daß die Zuwendung an den Bedachten nichtig ist.
§. 2236. Als Gerichtsschreiber oder zweiter Notar
oder Zeuge kann bei der Errichtung des Testaments nicht mitwirken, wer zu dem
Richter oder dem beurkundenden Notar in einem Verhältnisse der im §. 2234
bezeichneten Art steht.
§. 2237. Als Zeuge soll bei der Errichtung des
Testaments nicht mitwirken:
1. ein Minderjähriger;
2. wer der bürgerlichen
Ehrenrechte für verlustig erklärt ist, während der Zeit, für welche die
Aberkennung der Ehrenrechte erfolgt ist;
3. wer nach den
Vorschriften der Strafgesetze unfähig ist, als Zeuge eidlich vernommen zu
werden;
4. wer als Gesinde oder
Gehülfe im Dienste des Richters oder des beurkundenden Notars steht.
§. 2238. Die Errichtung des Testaments erfolgt in
der Weise, daß der Erblasser dem Richter oder dem Notar seinen letzten Willen
mündlich erklärt oder eine Schrift mit der mündlichen Erklärung übergiebt, daß
die Schrift seinen letzten Willen enthalte. Die Schrift kann offen oder
verschlossen übergeben werden. Sie kann von dem Erblasser oder von einer
anderen Person geschrieben sein.
Wer minderjährig ist oder Geschriebenes nicht zu
lesen vermag, kann das Testament nur durch mündliche Erklärung errichten.
§. 2239. Die bei der Errichtung des Testaments
mitwirkenden Personen müssen während der ganzen Verhandlung zugegen sein.
§. 2240. Ueber die Errichtung des Testaments muß
ein Protokoll in deutscher Sprache aufgenommen werden.
§. 2241. Das Protokoll muß enthalten:
1. Ort und Tag der Verhandlung;
2. die Bezeichnung des Erblassers und der bei der
Verhandlung mitwirkenden Personen;
3. die nach §. 2238
erforderlichen Erklärungen des Erblassers und im Falle der Uebergabe einer
Schrift die Feststellung der Uebergabe.
§. 2242. Das Protokoll muß vorgelesen, von dem
Erblasser genehmigt und von ihm eigenhändig unterschrieben werden. Im
Protokolle muß festgestellt werden, daß dies geschehen ist. Das Protokoll soll
dem Erblasser auf Verlangen auch zur Durchsicht vorgelegt werden.
Erklärt der Erblasser, daß er nicht schreiben
könne, so wird seine Unterschrift durch die Feststellung dieser Erklärung im
Protokoll ersetzt.
Das Protokoll muß von den mitwirkenden Personen
unterschrieben werden.
§. 2243. Wer nach der Ueberzeugung des Richters
oder des Notars stumm oder sonst am Sprechen verhindert ist, kann das Testament
nur durch Uebergabe einer Schrift errichten. Er muß die Erklärung, daß die
Schrift seinen letzten Willen enthalte, bei der Verhandlung eigenhändig in das
Protokoll oder auf ein besonderes Blatt schreiben, das dem Protokoll als Anlage
beigefügt werden muß.
Das eigenhändige Niederschreiben der Erklärung
sowie die Ueberzeugung des Richters oder des Notars, daß der Erblasser am
Sprechen verhindert ist, muß im Protokolle festgestellt werden. Das Protokoll
braucht von dem Erblasser nicht besonders genehmigt zu werden.
§. 2244. Erklärt der Erblasser, daß er der
deutschen Sprache nicht mächtig sei, so muß bei der Errichtung des Testaments
ein vereideter Dolmetscher zugezogen werden. Auf den Dolmetscher finden die
nach den §§. 2234 bis 2237 für einen Zeugen geltenden Vorschriften
entsprechende Anwendung.
Das Protokoll muß in die Sprache, in der sich der
Erblasser erklärt, übersetzt werden. Die Uebersetzung muß von dem Dolmetscher
angefertigt oder beglaubigt und vorgelesen werden; die Uebersetzung muß dem
Protokoll als Anlage beigefügt werden.
Das Protokoll muß die Erklärung des Erblassers, daß
er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, sowie den Namen des Dolmetschers
und die Feststellung enthalten, daß der Dolmetscher die Uebersetzung
angefertigt oder beglaubigt und sie vorgelesen hat. Der Dolmetscher muß das
Protokoll unterschreiben.
§. 2245. Sind sämmtliche mitwirkende Personen ihrer
Versicherung nach der Sprache, in der sich der Erblasser erklärt, mächtig, so
ist die Zuziehung eines Dolmetschers nicht erforderlich.
Unterbleibt die Zuziehung eines Dolmetschers, so
muß das Protokoll in der fremden Sprache aufgenommen werden und die Erklärung
des Erblassers, daß er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, sowie die
Versicherung der mitwirkenden Personen, daß sie der fremden Sprache mächtig
seien, enthalten. Eine deutsche Uebersetzung soll als Anlage beigefügt werden.
§. 2246. Das über die Errichtung des Testaments
aufgenommene Protokoll soll nebst Anlagen, insbesondere im Falle der Errichtung
durch Uebergabe einer Schrift nebst dieser Schrift, von dem Richter oder dem
Notar in Gegenwart der übrigen mitwirkenden Personen und des Erblassers mit dem
Amtssiegel verschlossen, mit einer das Testament näher bezeichnenden
Aufschrift, die von dem Richter oder dem Notar zu unterschreiben ist, versehen
und in besondere amtliche Verwahrung gebracht werden.
Dem Erblasser soll über das in amtliche Verwahrung
genommene Testament ein Hinterlegungsschein ertheilt werden.
§. 2247. Wer minderjährig ist oder Geschriebenes
nicht zu lesen vermag, kann ein Testament nicht nach §. 2231 Nr. 2 errichten.
§. 2248. Ein nach §. 2231 Nr. 2 errichtetes
Testament ist auf Verlangen des Erblassers in amtliche Verwahrung zu nehmen.
Die Vorschrift des §. 2246 Abs. 2 findet Anwendung.
§. 2249. Ist zu besorgen, daß der Erblasser früher
sterben werde, als die Errichtung eines Testaments vor einem Richter oder vor
einem Notar möglich ist, so kann er das Testament vor dem Vorsteher der
Gemeinde, in der er sich aufhält, oder, falls er sich in dem Bereich eines
durch Landesgesetz einer Gemeinde gleichgestellten Verbandes oder Gutsbezirkes
aufhält, vor dem Vorsteher dieses Verbandes oder Bezirkes errichten. Der
Vorsteher muß zwei Zeugen zuziehen. Die Vorschriften der §§. 2234 bis 2246
finden Anwendung; der Vorsteher tritt an die Stelle des Richters oder des
Notars.
Die Besorgniß, daß die Errichtung eines Testaments
vor einem Richter oder vor einem Notar nicht mehr möglich sein werde, muß im
Protokolle festgestellt werden. Der Gültigkeit des Testaments steht nicht
entgegen, daß die Besorgniß nicht begründet war.
§. 2250. Wer sich an einem Orte aufhält, der in
Folge des Ausbruchs einer Krankheit oder in Folge sonstiger außerordentlicher
Umstände dergestalt abgesperrt ist, daß die Errichtung eines Testaments vor
einem Richter oder vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist,
kann das Testament in der durch den §. 2249 Abs. 1 bestimmten Form oder durch
mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichten.
Wird die mündliche Erklärung vor drei Zeugen
gewählt, so muß über die Errichtung des Testaments ein Protokoll aufgenommen
werden. Auf die Zeugen finden die Vorschriften der §§. 2234, 2235 und des §.
2237 Nr. 1 bis 3, auf das Protokoll finden die Vorschriften der §§. 2240 bis
2242, 2245 Anwendung. Unter Zuziehung eines Dolmetschers kann ein Testament in
dieser Form nicht errichtet werden.
§. 2251. Wer sich während einer Seereise an Bord
eines deutschen, nicht zur Kaiserlichen Marine gehörenden Fahrzeugs außerhalb
eines inländischen Hafens befindet, kann ein Testament durch mündliche
Erklärung vor drei Zeugen nach §. 2250 errichten.
§. 2252. Ein nach §. 2249, §. 2250 oder §. 2251
errichtetes Testament gilt als nicht errichtet, wenn seit der Errichtung drei
Monate verstrichen sind und der Erblasser noch lebt.
Beginn und Lauf der Frist sind gehemmt, solange der
Erblasser außer Stande ist, ein Testament vor einem Richter oder vor einem
Notar zu errichten.
Tritt im Falle des §. 2251 der Erblasser vor dem
Ablaufe der Frist eine neue Seereise an, so wird die Frist dergestalt
unterbrochen, daß nach der Beendigung der neuen Reise die volle Frist von neuem
zu laufen beginnt.
Wird der Erblasser nach dem Ablaufe der Frist für
todt erklärt, so behält das Testament seine Kraft, wenn die Frist zu der Zeit,
zu welcher der Erblasser den vorhandenen Nachrichten zufolge noch gelebt hat,
noch nicht verstrichen war.
§. 2253. Ein Testament sowie eine einzelne in einem
Testament enthaltene Verfügung kann von dem Erblasser jederzeit widerrufen
werden.
Die Entmündigung des Erblassers wegen
Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht steht dem Widerruf eines vor der
Entmündigung errichteten Testaments nicht entgegen.
§. 2254. Der Widerruf erfolgt durch Testament.
§. 2255. Ein Testament kann auch dadurch widerrufen
werden, daß der Erblasser in der Absicht, es aufzuheben, die Testamentsurkunde
vernichtet oder an ihr Veränderungen vornimmt, durch die der Wille, eine
schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt zu werden pflegt.
Hat der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet
oder in der bezeichneten Weise verändert, so wird vermuthet, daß er die
Aufhebung des Testaments beabsichtigt habe.
§. 2256. Ein vor einem Richter oder vor einem Notar
oder nach §. 2249 errichtetes Testament gilt als widerrufen, wenn die in
amtliche Verwahrung genommene Urkunde dem Erblasser zurückgegeben wird.
Der Erblasser kann die Rückgabe jederzeit
verlangen. Die Rückgabe darf nur an den Erblasser persönlich erfolgen.
Die Vorschriften des Abs. 2 gelten auch für ein
nach §. 2248 hinterlegtes Testament; die Rückgabe ist auf die Wirksamkeit des
Testaments ohne Einfluß.
§. 2257. Wird der durch Testament erfolgte Widerruf
einer letztwilligen Verfügung widerrufen, so ist die Verfügung wirksam, wie
wenn sie nicht widerrufen worden wäre.
§. 2258. Durch die Errichtung eines Testaments wird
ein früheres Testament insoweit aufgehoben, als das spätere Testament mit dem
früheren in Widerspruch steht.
Wird das spätere Testament widerrufen, so ist das
frühere Testament in gleicher Weise wirksam, wie wenn es nicht aufgehoben
worden wäre.
§. 2259. Wer ein Testament, das nicht in amtliche
Verwahrung gebracht ist, im Besitze hat, ist verpflichtet, es unverzüglich,
nachdem er von dem Tode des Erblassers Kenntniß erlangt hat, an das
Nachlaßgericht abzuliefern.
Befindet sich ein Testament bei einer anderen
Behörde als einem Gericht oder befindet es sich bei einem Notar in amtlicher
Verwahrung, so ist es nach dem Tode des Erblassers an das Nachlaßgericht
abzuliefern. Das Nachlaßgericht hat, wenn es von dem Testamente Kenntniß
erlangt, die Ablieferung zu veranlassen.
§. 2260. Das Nachlaßgericht hat, sobald es von dem
Tode des Erblassers Kenntniß erlangt, zur Eröffnung eines in seiner Verwahrung
befindlichen Testaments einen Termin zu bestimmen. Zu dem Termine sollen die
gesetzlichen Erben des Erblassers und die sonstigen Betheiligten soweit
thunlich geladen werden.
In dem Termin ist das Testament zu öffnen, den
Betheiligten zu verkünden und ihnen auf Verlangen vorzulegen. Die Verkündung
darf im Falle der Vorlegung unterbleiben.
Ueber die Eröffnung ist ein Protokoll aufzunehmen.
War das Testament verschlossen, so ist in dem Protokolle festzustellen, ob der
Verschluß unversehrt war.
§. 2261. Hat ein anderes Gericht als das
Nachlaßgericht das Testament in amtlicher Verwahrung, so liegt dem anderen
Gerichte die Eröffnung des Testaments ob. Das Testament ist nebst einer
beglaubigten Abschrift des über die Eröffnung aufgenommenen Protokolls dem
Nachlaßgerichte zu übersenden; eine beglaubigte Abschrift des Testaments ist
zurückzubehalten.
§. 2262. Das Nachlaßgericht hat die Betheiligten,
welche bei der Eröffnung des Testaments nicht zugegen gewesen sind, von dem sie
betreffenden Inhalte des Testaments in Kenntniß zu setzen.
§. 2263. Eine Anordnung des Erblassers, durch die
er verbietet, das Testament alsbald nach seinem Tode zu eröffnen, ist nichtig.
§. 2264. Wer ein rechtliches Interesse glaubhaft
macht, ist berechtigt, von einem eröffneten Testament Einsicht zu nehmen sowie
eine Abschrift des Testaments oder einzelner Theile zu fordern; die Abschrift
ist auf Verlangen zu beglaubigen.
Achter Titel.
Gemeinschaftliches Testament.
§. 2265. Ein gemeinschaftliches Testament kann nur
von Ehegatten errichtet werden.
§. 2266. Ein gemeinschaftliches Testament kann nach
§. 2249 auch dann errichtet werden, wenn die Voraussetzung des §. 2249 nur auf
Seiten eines der Ehegatten vorliegt.
§. 2267. Zur Errichtung eines gemeinschaftlichen
Testaments nach §. 2231 Nr. 2 genügt es, wenn einer der Ehegatten das Testament
in der dort vorgeschriebenen Form errichtet und der andere Ehegatte die
Erklärung beifügt, daß das Testament auch als sein Testament gelten solle. Die
Erklärung muß unter Angabe des Ortes und Tages eigenhändig geschrieben und
unterschrieben werden.
§. 2268. Ein gemeinschaftliches Testament ist in
den Fällen des §. 2077 seinem ganzen Inhalte nach unwirksam.
Wird die Ehe vor dem Tode eines der Ehegatten
aufgelöst oder liegen die Voraussetzungen des §. 2077 Abs. 1 Satz 2 vor, so
bleiben die Verfügungen insoweit wirksam, als anzunehmen ist, daß sie auch für
diesen Fall getroffen sein würden.
§. 2269. Haben die Ehegatten in einem
gemeinschaftlichen Testamente, durch das sie sich gegenseitig als Erben
einsetzen, bestimmt, daß nach dem Tode des Ueberlebenden der beiderseitige
Nachlaß an einen Dritten fallen soll, so ist im Zweifel anzunehmen, daß der
Dritte für den gesammten Nachlaß als Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten
eingesetzt ist.
Haben die Ehegatten in einem solchen Testament ein
Vermächtniß angeordnet, das nach dem Tode des Ueberlebenden erfüllt werden
soll, so ist im Zweifel anzunehmen, daß das Vermächtniß dem Bedachten erst mit
dem Tode des Ueberlebenden anfallen soll.
§. 2270. Haben die Ehegatten in einem
gemeinschaftlichen Testamente Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist,
daß die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein
würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die
Unwirksamkeit der anderen zur Folge.
Ein solches Verhältniß der Verfügungen zu einander
ist im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder
wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den
Fall des Ueberlebens des Bedachten eine Verfügung zu Gunsten einer Person
getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe
steht.
Auf andere Verfügungen als Erbeinsetzungen,
Vermächtnisse oder Auflagen findet die Vorschrift des Abs. 1 keine Anwendung.
§. 2271. Der Widerruf einer Verfügung, die mit
einer Verfügung des anderen Ehegatten in dem im §. 2270 bezeichneten
Verhältnisse steht, erfolgt bei Lebzeiten der Ehegatten nach den für den
Rücktritt von einem Erbvertrage geltenden Vorschriften des §. 2296. Durch eine
neue Verfügung von Todeswegen kann ein Ehegatte bei Lebzeiten des anderen seine
Verfügung nicht einseitig aufheben.
Das Recht zum Widerruf erlischt mit dem Tode des
anderen Ehegatten; der Ueberlebende kann jedoch seine Verfügung aufheben, wenn
er das ihm Zugewendete ausschlägt. Auch nach der Annahme der Zuwendung ist der
Ueberlebende zur Aufhebung nach Maßgabe des §. 2294 und des §. 2336 berechtigt.
Ist ein pflichttheilsberechtigter Abkömmling der
Ehegatten oder eines der Ehegatten bedacht, so findet die Vorschrift des §.
2289 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
§. 2272. Ein gemeinschaftliches Testament kann nach
§. 2256 nur von beiden Ehegatten zurückgenommen werden.
§. 2273. Bei der Eröffnung eines gemeinschaftlichen
Testaments sind die Verfügungen des überlebenden Ehegatten, soweit sie sich
sondern lassen, weder zu verkünden noch sonst zur Kenntniß der Betheiligten zu
bringen. Von den Verfügungen des verstorbenen Ehegatten ist eine beglaubigte
Abschrift anzufertigen. Das Testament ist wieder zu verschließen und in die
besondere amtliche Verwahrung zurückzubringen.
Vierter Abschnitt.
Erbvertrag.
§. 2274. Der Erblasser kann einen Erbvertrag nur
persönlich schließen.
§. 2275. Einen Erbvertrag kann als Erblasser nur
schließen, wer unbeschränkt geschäftsfähig ist.
Ein Ehegatte kann als Erblasser mit seinem
Ehegatten einen Erbvertrag schließen, auch wenn er in der Geschäftsfähigkeit
beschränkt ist. Er bedarf in diesem Falle der Zustimmung seines gesetzlichen
Vertreters; ist der gesetzliche Vertreter ein Vormund, so ist auch die
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich.
Die Vorschriften des Abs. 2 gelten auch für
Verlobte.
§. 2276. Ein Erbvertrag kann nur vor einem Richter
oder vor einem Notar bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Theile geschlossen
werden. Die Vorschriften der §§. 2233 bis 2245 finden Anwendung; was nach
diesen Vorschriften für den Erblasser gilt, gilt für jeden der
Vertragschließenden.
Für einen Erbvertrag zwischen Ehegatten oder
zwischen Verlobten, der mit einem Ehevertrag in derselben Urkunde verbunden
wird, genügt die für den Ehevertrag vorgeschriebene Form.
§. 2277. Die über einen Erbvertrag aufgenommene
Urkunde soll nach Maßgabe des §. 2246 verschlossen, mit einer Aufschrift
versehen und in besondere amtliche Verwahrung gebracht werden, sofern nicht die
Parteien das Gegentheil verlangen. Das Gegentheil gilt im Zweifel als verlangt,
wenn der Erbvertrag mit einem anderen Vertrag in derselben Urkunde verbunden
wird.
Ueber einen in besondere amtliche Verwahrung
genommenen Erbvertrag soll jedem der Vertragschließenden ein
Hinterlegungsschein ertheilt werden.
§. 2278. In einem Erbvertrage kann jeder der
Vertragschließenden vertragsmäßige Verfügungen von Todeswegen treffen.
Andere Verfügungen als Erbeinsetzungen,
Vermächtnisse und Auflagen können vertragsmäßig nicht getroffen werden.
§. 2279. Auf vertragsmäßige Zuwendungen und
Auflagen finden die für letztwillige Zuwendungen und Auflagen geltenden
Vorschriften entsprechende Anwendung.
Die Vorschriften des §. 2077 gelten für einen
Erbvertrag zwischen Ehegatten oder Verlobten auch insoweit, als ein Dritter
bedacht ist.
§. 2280. Haben Ehegatten in einem Erbvertrage,
durch den sie sich gegenseitig als Erben einsetzen, bestimmt, daß nach dem Tode
des Ueberlebenden der beiderseitige Nachlaß an einen Dritten fallen soll, oder
ein Vermächtniß angeordnet, das nach dem Tode des Ueberlebenden zu erfüllen
ist, so finden die Vorschriften des §. 2269 entsprechende Anwendung.
§. 2281. Der Erbvertrag kann auf Grund der §§.
2078, 2079 auch von dem Erblasser angefochten werden; zur Anfechtung auf Grund
des §. 2079 ist erforderlich, daß der Pflichttheilsberechtigte zur Zeit der
Anfechtung vorhanden ist.
Soll nach dem Tode des anderen Vertragschließenden
eine zu Gunsten eines Dritten getroffene Verfügung von dem Erblasser
angefochten werden, so ist die Anfechtung dem Nachlaßgerichte gegenüber zu
erklären. Das Nachlaßgericht soll die Erklärung dem Dritten mittheilen.
§. 2282. Die Anfechtung kann nicht durch einen
Vertreter des Erblassers erfolgen. Ist der Erblasser in der Geschäftsfähigkeit
beschränkt, so bedarf er zur Anfechtung nicht der Zustimmung seines
gesetzlichen Vertreters.
Für einen geschäftsunfähigen Erblasser kann sein
gesetzlicher Vertreter mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts den
Erbvertrag anfechten.
Die Anfechtungserklärung bedarf der gerichtlichen
oder notariellen Beurkundung.
§. 2283. Die Anfechtung durch den Erblasser kann
nur binnen Jahresfrist erfolgen.
Die Frist beginnt im Falle der Anfechtbarkeit wegen
Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört, in den übrigen
Fällen mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erblasser von dem Anfechtungsgrunde
Kenntniß erlangt. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung
geltenden Vorschriften der §§. 203, 206 entsprechende Anwendung.
Hat im Falle des §. 2282 Abs. 2 der gesetzliche
Vertreter den Erbvertrag nicht rechtzeitig angefochten, so kann nach dem
Wegfalle der Geschäftsunfähigkeit der Erblasser selbst den Erbvertrag in
gleicher Weise anfechten, wie wenn er ohne gesetzlichen Vertreter gewesen wäre.
§. 2284. Die Bestätigung eines anfechtbaren
Erbvertrags kann nur durch den Erblasser persönlich erfolgen. Ist der Erblasser
in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so ist die Bestätigung ausgeschlossen.
§. 2285. Die im §. 2080 bezeichneten Personen
können den Erbvertrag auf Grund der §§. 2078, 2079 nicht mehr anfechten, wenn
das Anfechtungsrecht des Erblassers zur Zeit des Erbfalls erloschen ist.
§. 2286. Durch den Erbvertrag wird das Recht des
Erblassers, über sein Vermögen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zu verfügen,
nicht beschränkt.
§. 2287. Hat der Erblasser in der Absicht, den
Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der
Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die
Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer
ungerechtfertigten Bereicherung fordern.
Der Anspruch verjährt in drei Jahren von dem
Anfalle der Erbschaft an.
§. 2288. Hat der Erblasser den Gegenstand eines
vertragsmäßig angeordneten Vermächtnisses in der Absicht, den Bedachten zu
beeinträchtigen, zerstört, bei Seite geschafft oder beschädigt, so tritt,
soweit der Erbe dadurch außer Stand gesetzt ist, die Leistung zu bewirken, an
die Stelle des Gegenstandes der Werth.
Hat der Erblasser den Gegenstand in der Absicht,
den Bedachten zu beeinträchtigen, veräußert oder belastet, so ist der Erbe
verpflichtet, dem Bedachten den Gegenstand zu verschaffen oder die Belastung zu
beseitigen; auf diese Verpflichtung finden die Vorschriften des §. 2170 Abs. 2
entsprechende Anwendung. Ist die Veräußerung oder die Belastung schenkweise
erfolgt, so steht dem Bedachten, soweit er Ersatz nicht von dem Erben erlangen
kann, der im §. 2287 bestimmte Anspruch gegen den Beschenkten zu.
§. 2289. Durch den Erbvertrag wird eine frühere
letztwillige Verfügung des Erblassers aufgehoben, soweit sie das Recht des
vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde. In dem gleichen Umfang ist eine
spätere Verfügung von Todeswegen unwirksam, unbeschadet der Vorschrift des §.
2297.
Ist der Bedachte ein pflichttheilsberechtigter
Abkömmling des Erblassers, so kann der Erblasser durch eine spätere
letztwillige Verfügung die nach §. 2338 zulässigen Anordnungen treffen.
§. 2290. Ein Erbvertrag sowie eine einzelne
vertragsmäßige Verfügung kann durch Vertrag von den Personen aufgehoben werden,
die den Erbvertrag geschlossen haben. Nach dem Tode einer dieser Personen kann
die Aufhebung nicht mehr erfolgen.
Der Erblasser kann den Vertrag nur persönlich
schließen. Ist er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er nicht der
Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters.
Steht der andere Theil unter Vormundschaft, so ist
die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich. Das Gleiche gilt, wenn
er unter elterlicher Gewalt steht, es sei denn, daß der Vertrag unter Ehegatten
oder unter Verlobten geschlossen wird.
Der Vertrag bedarf der im §. 2276 für den
Erbvertrag vorgeschriebenen Form.
§. 2291. Eine vertragsmäßige Verfügung, durch die
ein Vermächtniß oder eine Auflage angeordnet ist, kann von dem Erblasser durch
Testament aufgehoben werden. Zur Wirksamkeit der Aufhebung ist die Zustimmung
des anderen Vertragschließenden erforderlich; die Vorschriften des §. 2290 Abs.
3 finden Anwendung.
Die Zustimmungserklärung bedarf der gerichtlichen
oder notariellen Beurkundung; die Zustimmung ist unwiderruflich.
§. 2292. Ein zwischen Ehegatten geschlossener
Erbvertrag kann auch durch ein gemeinschaftliches Testament der Ehegatten
aufgehoben werden; die Vorschriften des §. 2290 Abs. 3 finden Anwendung.
§. 2293. Der Erblasser kann von dem Erbvertrage
zurücktreten, wenn er sich den Rücktritt im Vertrage vorbehalten hat.
§. 2294. Der Erblasser kann von einer
vertragsmäßigen Verfügung zurücktreten, wenn sich der Bedachte einer Verfehlung
schuldig macht, die den Erblasser zur Entziehung des Pflichttheils berechtigt
oder, falls der Bedachte nicht zu den Pflichttheilsberechtigten gehört, zu der
Entziehung berechtigen würde, wenn der Bedachte ein Abkömmling des Erblassers
wäre.
§. 2295. Der Erblasser kann von einer
vertragsmäßigen Verfügung zurücktreten, wenn die Verfügung mit Rücksicht auf
eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen
Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, insbesondere Unterhalt zu
gewähren, getroffen ist und die Verpflichtung vor dem Tode des Erblassers
aufgehoben wird.
§. 2296. Der Rücktritt kann nicht durch einen
Vertreter erfolgen. Ist der Erblasser in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so
bedarf er nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters.
Der Rücktritt erfolgt durch Erklärung gegenüber dem
anderen Vertragschließenden. Die Erklärung bedarf der gerichtlichen oder
notariellen Beurkundung.
§. 2297. Soweit der Erblasser zum Rücktritte
berechtigt ist, kann er nach dem Tode des anderen Vertragschließenden die
vertragsmäßige Verfügung durch Testament aufheben. In den Fällen des §. 2294
finden die Vorschriften des §. 2336 Abs. 2 bis 4 entsprechende Anwendung.
§. 2298. Sind in einem Erbvertrage von beiden
Theilen vertragsmäßige Verfügungen getroffen, so hat die Nichtigkeit einer
dieser Verfügungen die Unwirksamkeit des ganzen Vertrags zur Folge.
Ist in einem solchen Vertrage der Rücktritt
vorbehalten, so wird durch den Rücktritt eines der Vertragschließenden der
ganze Vertrag aufgehoben. Das Rücktrittsrecht erlischt mit dem Tode des anderen
Vertragschließenden. Der Ueberlebende kann jedoch, wenn er das ihm durch den
Vertrag Zugewendete ausschlägt, seine Verfügung durch Testament aufheben.
Die Vorschriften des Abs. 1 und des Abs. 2 Satz 1,
2 finden keine Anwendung, wenn ein anderer Wille der Vertragschließenden
anzunehmen ist.
§. 2299. Jeder der Vertragschließenden kann in dem
Erbvertrag einseitig jede Verfügung treffen, die durch Testament getroffen
werden kann.
Für eine Verfügung dieser Art gilt das Gleiche, wie
wenn sie durch Testament getroffen worden wäre. Die Verfügung kann auch in
einem Vertrag aufgehoben werden, durch den eine vertragsmäßige Verfügung
aufgehoben wird.
Wird der Erbvertrag durch Ausübung des
Rücktrittsrechts oder durch Vertrag aufgehoben, so tritt die Verfügung außer
Kraft, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist.
§. 2300. Die für die Eröffnung eines Testaments
geltenden Vorschriften der §§. 2259 bis 2263, 2273 finden auf den Erbvertrag
entsprechende Anwendung, die Vorschriften des §. 2273 Satz 2, 3 jedoch nur
dann, wenn sich der Erbvertrag in besonderer amtlicher Verwahrung befindet.
§. 2301. Auf ein Schenkungsversprechen, welches
unter der Bedingung ertheilt wird, daß der Beschenkte den Schenker überlebt,
finden die Vorschriften über Verfügungen von Todeswegen Anwendung. Das Gleiche
gilt für ein schenkweise unter dieser Bedingung ertheiltes Schuldversprechen
oder Schuldanerkenntniß der in den §§. 780, 781 bezeichneten Art.
Vollzieht der Schenker die Schenkung durch Leistung
des zugewendeten Gegenstandes, so finden die Vorschriften über Schenkungen
unter Lebenden Anwendung.
§. 2302. Ein Vertrag, durch den sich Jemand
verpflichtet, eine Verfügung von Todeswegen zu errichten oder nicht zu
errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben, ist nichtig.
Fünfter Abschnitt.
Pflichttheil.
§. 2303. Ist ein Abkömmling des Erblassers durch
Verfügung von Todeswegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so kann er von dem
Erben den Pflichttheil verlangen. Der Pflichttheil besteht in der Hälfte des
Werthes des gesetzlichen Erbtheils.
Das gleiche Recht steht den Eltern und dem
Ehegatten des Erblassers zu, wenn sie durch Verfügung von Todeswegen von der
Erbfolge ausgeschlossen sind.
§. 2304. Die Zuwendung des Pflichttheils ist im
Zweifel nicht als Erbeinsetzung anzusehen.
§. 2305. Ist einem Pflichttheilsberechtigten ein
Erbtheil hinterlassen, der geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen
Erbtheils, so kann der Pflichttheilsberechtigte von den Miterben als
Pflichttheil den Werth des an der Hälfte fehlenden Theiles verlangen.
§. 2306. Ist ein als Erbe berufener
Pflichttheilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung
eines Testamentsvollstreckers oder eine Theilungsanordnung beschränkt oder ist
er mit einem Vermächtniß oder einer Auflage beschwert, so gilt die Beschränkung
oder die Beschwerung als nicht angeordnet, wenn der ihm hinterlassene Erbtheil
die Hälfte des gesetzlichen Erbtheils nicht übersteigt. Ist der hinterlassene Erbtheil
größer, so kann der Pflichttheilsberechtigte den Pflichttheil verlangen, wenn
er den Erbtheil ausschlägt; die Ausschlagungsfrist beginnt erst, wenn der
Pflichttheilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntniß
erlangt.
Einer Beschränkung der Erbeinsetzung steht es
gleich, wenn der Pflichttheilsberechtigte als Nacherbe eingesetzt ist.
§. 2307. Ist ein Pflichttheilsberechtigter mit
einem Vermächtnisse bedacht, so kann er den Pflichttheil verlangen, wenn er das
Vermächtniß ausschlägt. Schlägt er nicht aus, so steht ihm ein Recht auf den
Pflichttheil nicht zu, soweit der Werth des Vermächtnisses reicht; bei der
Berechnung des Werthes bleiben Beschränkungen und Beschwerungen der im §. 2306
bezeichneten Art außer Betracht.
Der mit dem Vermächtnisse beschwerte Erbe kann den
Pflichttheilsberechtigten unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur
Erklärung über die Annahme des Vermächtnisses auffordern. Mit dem Ablaufe der
Frist gilt das Vermächtniß als ausgeschlagen, wenn nicht vorher die Annahme
erklärt wird.
§. 2308. Hat ein Pflichttheilsberechtigter, der als
Erbe oder als Vermächtnißnehmer in der im §. 2306 bezeichneten Art beschränkt
oder beschwert ist, die Erbschaft oder das Vermächtniß ausgeschlagen, so kann
er die Ausschlagung anfechten, wenn die Beschränkung oder die Beschwerung zur
Zeit der Ausschlagung weggefallen und der Wegfall ihm nicht bekannt war.
Auf die Anfechtung der Ausschlagung eines
Vermächtnisses finden die für die Anfechtung der Ausschlagung einer Erbschaft
geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Die Anfechtung erfolgt durch
Erklärung gegenüber dem Beschwerten.
§. 2309. Entferntere Abkömmlinge und die Eltern des
Erblassers sind insoweit nicht pflichttheilsberechtigt, als ein Abkömmling, der
sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichttheil
verlangen kann oder das ihm Hinterlassene annimmt.
§. 2310. Bei der Feststellung des für die
Berechnung des Pflichttheils maßgebenden Erbtheils werden diejenigen
mitgezählt, welche durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen
sind oder die Erbschaft ausgeschlagen haben oder für erbunwürdig erklärt sind.
Wer durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist, wird
nicht mitgezählt.
§. 2311. Der Berechnung des Pflichttheils wird der
Bestand und der Werth des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zu Grunde gelegt.
Bei der Berechnung des Pflichttheils der Eltern des Erblassers bleibt der dem
überlebenden Ehegatten gebührende Voraus außer Ansatz.
Der Werth ist, soweit erforderlich, durch Schätzung
zu ermitteln. Eine vom Erblasser getroffene Werthbestimmung ist nicht
maßgebend.
§. 2312. Hat der Erblasser angeordnet oder ist nach
§. 2049 anzunehmen, daß einer von mehreren Erben das Recht haben soll, ein zum
Nachlasse gehörendes Landgut zu dem Ertragswerthe zu übernehmen, so ist, wenn
von dem Rechte Gebrauch gemacht wird, der Ertragswerth auch für die Berechnung
des Pflichttheils maßgebend. Hat der Erblasser einen anderen Uebernahmepreis
bestimmt, so ist dieser maßgebend, wenn er den Ertragswerth erreicht und den
Schätzungswerth nicht übersteigt.
Hinterläßt der Erblasser nur einen Erben, so kann
er anordnen, daß der Berechnung des Pflichttheils der Ertragswerth oder ein
nach Abs. 1 Satz 2 bestimmter Werth zu Grunde gelegt werden soll.
Diese Vorschriften finden nur Anwendung, wenn der
Erbe, der das Landgut erwirbt, zu den im §. 2303 bezeichneten
pflichttheilsberechtigten Personen gehört.
§. 2313. Bei der Feststellung des Werthes des
Nachlasses bleiben Rechte und Verbindlichkeiten, die von einer aufschiebenden
Bedingung abhängig sind, außer Ansatz. Rechte und Verbindlichkeiten, die von
einer auflösenden Bedingung abhängig sind, kommen als unbedingte in Ansatz.
Tritt die Bedingung ein, so hat die der veränderten Rechtslage entsprechende
Ausgleichung zu erfolgen.
Für ungewisse oder unsichere Rechte sowie für
zweifelhafte Verbindlichkeiten gilt das Gleiche wie für Rechte und
Verbindlichkeiten, die von einer aufschiebenden Bedingung abhängig sind. Der
Erbe ist dem Pflichttheilsberechtigten gegenüber verpflichtet, für die
Feststellung eines ungewissen und für die Verfolgung eines unsicheren Rechtes
zu sorgen, soweit es einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht.
§. 2314. Ist der Pflichttheilsberechtigte nicht
Erbe, so hat ihm der Erbe auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses
Auskunft zu ertheilen. Der Pflichttheilsberechtigte kann verlangen, daß er bei
der Aufnahme des ihm nach §. 260 vorzulegenden Verzeichnisses der
Nachlaßgegenstände zugezogen und daß der Werth der Nachlaßgegenstände ermittelt
wird. Er kann auch verlangen, daß das Verzeichniß durch die zuständige Behörde
oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird.
Die Kosten fallen dem Nachlasse zur Last.
§. 2315. Der Pflichttheilsberechtigte hat sich auf
den Pflichttheil anrechnen zu lassen, was ihm von dem Erblasser durch
Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet worden ist, daß es
auf den Pflichttheil angerechnet werden soll.
Der Werth der Zuwendung wird bei der Bestimmung des
Pflichttheils dem Nachlasse hinzugerechnet. Der Werth bestimmt sich nach der
Zeit, zu welcher die Zuwendung erfolgt ist.
Ist der Pflichttheilsberechtigte ein Abkömmling des
Erblassers, so findet die Vorschrift des §. 2051 Abs. 1 entsprechende
Anwendung.
§. 2316. Der Pflichttheil eines Abkömmlinges
bestimmt sich, wenn mehrere Abkömmlinge vorhanden sind und unter ihnen im Falle
der gesetzlichen Erbfolge eine Zuwendung des Erblassers zur Ausgleichung zu
bringen sein würde, nach demjenigen, was auf den gesetzlichen Erbtheil unter
Berücksichtigung der Ausgleichungspflicht bei der Theilung entfallen würde. Ein
Abkömmling, der durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen
ist, bleibt bei der Berechnung außer Betracht.
Ist der Pflichttheilsberechtigte Erbe und beträgt
der Pflichttheil nach Abs. 1 mehr als der Werth des hinterlassenen Erbtheils,
so kann der Pflichttheilsberechtigte von den Miterben den Mehrbetrag als
Pflichttheil verlangen, auch wenn der hinterlassene Erbtheil die Hälfte des
gesetzlichen Erbtheils erreicht oder übersteigt.
Eine Zuwendung der im §. 2050 Abs. 1 bezeichneten
Art kann der Erblasser nicht zum Nachtheil eines Pflichttheilsberechtigten von
der Berücksichtigung ausschließen.
Ist eine nach Abs. 1 zu berücksichtigende Zuwendung
zugleich nach §. 2315 auf den Pflichttheil anzurechnen, so kommt sie auf diesen
nur mit der Hälfte des Werthes zur Anrechnung.
§. 2317. Der Anspruch auf den Pflichttheil entsteht
mit dem Erbfalle.
Der Anspruch ist vererblich und übertragbar.
§. 2318. Der Erbe kann die Erfüllung eines ihm
auferlegten Vermächtnisses soweit verweigern, daß die Pflichttheilslast von ihm
und dem Vermächtnißnehmer verhältnißmäßig getragen wird. Das Gleiche gilt von
einer Auflage.
Einem pflichttheilsberechtigten Vermächtnißnehmer
gegenüber ist die Kürzung nur soweit zulässig, daß ihm der Pflichttheil
verbleibt.
Ist der Erbe selbst pflichttheilsberechtigt, so
kann er wegen der Pflichttheilslast das Vermächtniß und die Auflage soweit
kürzen, daß ihm sein eigener Pflichttheil verbleibt.
§. 2319. Ist einer von mehreren Erben selbst
pflichttheilsberechtigt, so kann er nach der Theilung die Befriedigung eines
anderen Pflichttheilsberechtigten soweit verweigern, daß ihm sein eigener
Pflichttheil verbleibt. Für den Ausfall haften die übrigen Erben.
§. 2320. Wer an Stelle des
Pflichttheilsberechtigten gesetzlicher Erbe wird, hat im Verhältnisse zu
Miterben die Pflichttheilslast und, wenn der Pflichttheilsberechtigte ein ihm
zugewendetes Vermächtniß annimmt, das Vermächtniß in Höhe des erlangten
Vortheils zu tragen.
Das Gleiche gilt im Zweifel von demjenigen, welchem
der Erblasser den Erbtheil des Pflichttheilsberechtigten durch Verfügung von
Todeswegen zugewendet hat.
§. 2321. Schlägt der Pflichttheilsberechtigte ein
ihm zugewendetes Vermächtniß aus, so hat im Verhältnisse der Erben und der
Vermächtnißnehmer zu einander derjenige, welchem die Ausschlagung zu Statten
kommt, die Pflichttheilslast in Höhe des erlangten Vortheils zu tragen.
§. 2322. Ist eine von dem Pflichttheilsberechtigten
ausgeschlagene Erbschaft oder ein von ihm ausgeschlagenes Vermächtniß mit einem
Vermächtniß oder einer Auflage beschwert, so kann derjenige, welchem die
Ausschlagung zu Statten kommt, das Vermächtniß oder die Auflage soweit kürzen,
daß ihm der zur Deckung der Pflichttheilslast erforderliche Betrag verbleibt.
§. 2323. Der Erbe kann die Erfüllung eines
Vermächtnisses oder einer Auflage auf Grund des §. 2318 Abs. 1 insoweit nicht
verweigern, als er die Pflichttheilslast nach den §§. 2320 bis 2322 nicht zu
tragen hat.
§. 2324. Der Erblasser kann durch Verfügung von
Todeswegen die Pflichttheilslast im Verhältnisse der Erben zu einander
einzelnen Erben auferlegen und von den Vorschriften des §. 2318 Abs. 1 und der
§§. 2320 bis 2323 abweichende Anordnungen treffen.
§. 2325. Hat der Erblasser einem Dritten eine
Schenkung gemacht, so kann der Pflichttheilsberechtigte als Ergänzung des
Pflichttheils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichttheil erhöht, wenn
der verschenkte Gegenstand dem Nachlasse hinzugerechnet wird.
Eine verbrauchbare Sache kommt mit dem Werthe in
Ansatz, den sie zur Zeit der Schenkung hatte. Ein anderer Gegenstand kommt mit
dem Werthe in Ansatz, den er zur Zeit des Erbfalls hat; hatte er zur Zeit der
Schenkung einen geringeren Werth, so wird nur dieser in Ansatz gebracht.
Die Schenkung bleibt unberücksichtigt, wenn zur
Zeit des Erbfalls zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes
verstrichen sind; ist die Schenkung an den Ehegatten des Erblassers erfolgt, so
beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe.
§. 2326. Der Pflichttheilsberechtigte kann die
Ergänzung des Pflichttheils auch dann verlangen, wenn ihm die Hälfte des
gesetzlichen Erbtheils hinterlassen ist. Ist dem Pflichttheilsberechtigten mehr
als die Hälfte hinterlassen, so ist der Anspruch ausgeschlossen, soweit der
Werth des mehr Hinterlassenen reicht.
§. 2327. Hat der Pflichttheilsberechtigte selbst
ein Geschenk von dem Erblasser erhalten, so ist das Geschenk in gleicher Weise
wie das dem Dritten gemachte Geschenk dem Nachlasse hinzuzurechnen und zugleich
dem Pflichttheilsberechtigten auf die Ergänzung anzurechnen. Ein nach §. 2315
anzurechnendes Geschenk ist auf den Gesammtbetrag des Pflichttheils und der
Ergänzung anzurechnen.
Ist der Pflichttheilsberechtigte ein Abkömmling des
Erblassers, so findet die Vorschrift des §. 2051 Abs. 1 entsprechende
Anwendung.
§. 2328. Ist der Erbe selbst
pflichttheilsberechtigt, so kann er die Ergänzung des Pflichttheils soweit
verweigern, daß ihm sein eigener Pflichttheil mit Einschluß dessen verbleibt,
was ihm zur Ergänzung des Pflichttheils gebühren würde.
§. 2329. Soweit der Erbe zur Ergänzung des
Pflichttheils nicht verpflichtet ist, kann der Pflichttheilsberechtigte von dem
Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes zum Zwecke der Befriedigung wegen des
fehlenden Betrags nach den Vorschriften über die Herausgabe einer
ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Ist der Pflichttheilsberechtigte der
alleinige Erbe, so steht ihm das gleiche Recht zu.
Der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung
des fehlenden Betrags abwenden.
Unter mehreren Beschenkten haftet der früher
Beschenkte nur insoweit, als der später Beschenkte nicht verpflichtet ist.
§. 2330. Die Vorschriften der §§. 2325 bis 2329
finden keine Anwendung auf Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder
einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird.
§. 2331. Eine Zuwendung, die aus dem Gesammtgute
der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenschaftsgemeinschaft oder der
Fahrnißgemeinschaft erfolgt, gilt als von jedem Ehegatten zur Hälfte gemacht.
Die Zuwendung gilt jedoch, wenn sie an einen Abkömmling, der nur von einem der
Ehegatten abstammt, oder an eine Person, von der nur einer der Ehegatten
abstammt, erfolgt oder wenn einer der Ehegatten wegen der Zuwendung zu dem
Gesammtgut Ersatz zu leisten hat, als von diesem Ehegatten gemacht.
Diese Vorschriften finden auf eine Zuwendung aus
dem Gesammtgute der fortgesetzten Gütergemeinschaft entsprechende Anwendung.
§. 2332. Der Pflichttheilsanspruch verjährt in drei
Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichttheilsberechtigte von dem
Eintritte des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntniß
erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntniß in dreißig Jahren von dem Eintritte
des Erbfalls an.
Der nach §. 2329 dem Pflichttheilsberechtigten
gegen den Beschenkten zustehende Anspruch verjährt in drei Jahren von dem
Eintritte des Erbfalls an.
Die Verjährung wird nicht dadurch gehemmt, daß die
Ansprüche erst nach der Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses
geltend gemacht werden können.
§. 2333. Der Erblasser kann einem Abkömmlinge den
Pflichttheil entziehen:
1. wenn der Abkömmling dem
Erblasser, dem Ehegatten oder einem anderen Abkömmlinge des Erblassers nach dem
Leben trachtet;
2. wenn der Abkömmling sich
einer vorsätzlichen körperlichen Mißhandlung des Erblassers oder des Ehegatten
des Erblassers schuldig macht, im Falle der Mißhandlung des Ehegatten jedoch
nur, wenn der Abkömmling von diesem abstammt;
3. wenn der Abkömmling sich
eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den
Erblasser oder dessen Ehegatten schuldig macht;
4. wenn der Abkömmling die
ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig
verletzt;
5. wenn der Abkömmling
einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel wider den Willen des Erblassers
führt.
§. 2334. Der Erblasser kann dem Vater den
Pflichttheil entziehen, wenn dieser sich einer der im §. 2333 Nr. 1, 3, 4
bezeichneten Verfehlungen schuldig macht. Das gleiche Recht steht dem Erblasser
der Mutter gegenüber zu, wenn diese sich einer solchen Verfehlung schuldig
macht.
§. 2335. Der Erblasser kann dem Ehegatten den
Pflichttheil entziehen, wenn der Ehegatte sich einer Verfehlung schuldig macht,
auf Grund deren der Erblasser nach den §§. 1565 bis 1568 auf Scheidung zu
klagen berechtigt ist.
Das Recht zur Entziehung erlischt nicht durch den
Ablauf der für die Geltendmachung des Scheidungsgrundes im §. 1571 bestimmten
Frist.
§. 2336. Die Entziehung des Pflichttheils erfolgt
durch letztwillige Verfügung.
Der Grund der Entziehung muß zur Zeit der
Errichtung bestehen und in der Verfügung angegeben werden.
Der Beweis des Grundes liegt demjenigen ob, welcher
die Entziehung geltend macht.
Im Falle des §. 2333 Nr. 5 ist die Entziehung
unwirksam, wenn sich der Abkömmling zur Zeit des Erbfalls von dem ehrlosen oder
unsittlichen Lebenswandel dauernd abgewendet hat.
§. 2337. Das Recht zur Entziehung des Pflichttheils
erlischt durch Verzeihung. Eine Verfügung, durch die der Erblasser die
Entziehung angeordnet hat, wird durch die Verzeihung unwirksam.
§. 2338. Hat sich ein Abkömmling in solchem Maße
der Verschwendung ergeben oder ist er in solchem Maße überschuldet, daß sein
späterer Erwerb erheblich gefährdet wird, so kann der Erblasser das
Pflichttheilsrecht des Abkömmlinges durch die Anordnung beschränken, daß nach
dem Tode des Abkömmlinges dessen gesetzliche Erben das ihm Hinterlassene oder
den ihm gebührenden Pflichttheil als Nacherben oder als Nachvermächtnißnehmer
nach dem Verhältniß ihrer gesetzlichen Erbtheile erhalten sollen. Der Erblasser
kann auch für die Lebenszeit des Abkömmlinges die Verwaltung einem
Testamentsvollstrecker übertragen; der Abkömmling hat in einem solchen Falle
Anspruch auf den jährlichen Reinertrag.
Auf Anordnungen dieser Art finden die Vorschriften
des §. 2336 Abs. 1 bis 3 entsprechende Anwendung. Die Anordnungen sind
unwirksam, wenn zur Zeit des Erbfalls der Abkömmling sich dauernd von dem
verschwenderischen Leben abgewendet hat oder die den Grund der Anordnung
bildende Ueberschuldung nicht mehr besteht.
Sechster Abschnitt.
Erbunwürdigkeit.
§. 2339. Erbunwürdig ist:
1. wer den Erblasser
vorsätzlich und widerrechtlich getödtet oder zu tödten versucht oder in einen
Zustand versetzt hat, in Folge dessen der Erblasser bis zu seinem Tode unfähig
war, eine Verfügung von Todeswegen zu errichten oder aufzuheben;
2. wer den Erblasser
vorsätzlich und widerrechtlich verhindert hat, eine Verfügung von Todeswegen zu
errichten oder aufzuheben;
3. wer den Erblasser durch
arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt hat, eine
Verfügung von Todeswegen zu errichten oder aufzuheben;
4. wer sich in Ansehung
einer Verfügung des Erblassers von Todeswegen einer nach den Vorschriften der
§§. 267 bis 274 des Strafgesetzbuchs strafbaren Handlung schuldig gemacht hat.
Die Erbunwürdigkeit tritt in den Fällen des Abs. 1
Nr. 3, 4 nicht ein, wenn vor dem Eintritte des Erbfalls die Verfügung, zu deren
Errichtung der Erblasser bestimmt oder in Ansehung deren die strafbare Handlung
begangen worden ist, unwirksam geworden ist, oder die Verfügung, zu deren
Aufhebung er bestimmt worden ist, unwirksam geworden sein würde.
§. 2340. Die Erbunwürdigkeit wird durch Anfechtung
des Erbschaftserwerbes geltend gemacht.
Die Anfechtung ist erst nach dem Anfalle der
Erbschaft zulässig. Einem Nacherben gegenüber kann die Anfechtung erfolgen,
sobald die Erbschaft dem Vorerben angefallen ist.
Die Anfechtung kann nur innerhalb der im §. 2082
bestimmten Fristen erfolgen.
§. 2341. Anfechtungsberechtigt ist Jeder, dem der
Wegfall des Erbunwürdigen, sei es auch nur bei dem Wegfall eines Anderen, zu
Statten kommt.
§. 2342. Die Anfechtung erfolgt durch Erhebung der
Anfechtungsklage. Die Klage ist darauf zu richten, daß der Erbe für erbunwürdig
erklärt wird.
Die Wirkung der Anfechtung tritt erst mit der
Rechtskraft des Urtheils ein.
§. 2343. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn
der Erblasser dem Erbunwürdigen verziehen hat.
§. 2344. Ist ein Erbe für erbunwürdig erklärt, so
gilt der Anfall an ihn als nicht erfolgt.
Die Erbschaft fällt demjenigen an, welcher berufen
sein würde, wenn der Erbunwürdige zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte; der
Anfall gilt als mit dem Eintritte des Erbfalls erfolgt.
§. 2345. Hat sich ein Vermächtnißnehmer einer der
im §. 2339 Abs. 1 bezeichneten Verfehlungen schuldig gemacht, so ist der
Anspruch aus dem Vermächtniß anfechtbar. Die Vorschriften der §§. 2082, 2083,
des §. 2339 Abs. 2 und der §§. 2341, 2343 finden Anwendung.
Das Gleiche gilt für einen Pflichttheilsanspruch,
wenn der Pflichttheilsberechtigte sich einer solchen Verfehlung schuldig
gemacht hat.
Siebenter Abschnitt.
Erbverzicht.
§. 2346. Verwandte sowie der Ehegatte des
Erblassers können durch Vertrag mit dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht
verzichten. Der Verzichtende ist von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen,
wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte; er hat kein
Pflichttheilsrecht.
Der Verzicht kann auf das Pflichttheilsrecht
beschränkt werden.
§. 2347. Zu dem Erbverzicht ist, wenn der
Verzichtende unter Vormundschaft steht, die Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts erforderlich; steht er unter elterlicher Gewalt, so gilt
das Gleiche, sofern nicht der Vertrag unter Ehegatten oder unter Verlobten
geschlossen wird.
Der Erblasser kann den Vertrag nur persönlich
schließen; ist er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er nicht der
Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Ist der Erblasser geschäftsunfähig,
so kann der Vertrag durch den gesetzlichen Vertreter geschlossen werden; die
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ist in gleichem Umfange wie nach Abs. 1
erforderlich.
§. 2348. Der Erbverzichtsvertrag bedarf der
gerichtlichen oder notariellen Beurkundung.
§. 2349. Verzichtet ein Abkömmling oder ein
Seitenverwandter des Erblassers auf das gesetzliche Erbrecht, so erstreckt sich
die Wirkung des Verzichts auf seine Abkömmlinge, sofern nicht ein Anderes
bestimmt wird.
§. 2350. Verzichtet Jemand zu Gunsten eines Anderen
auf das gesetzliche Erbrecht, so ist im Zweifel anzunehmen, daß der Verzicht
nur für den Fall gelten soll, daß der Andere Erbe wird.
Verzichtet ein Abkömmling des Erblassers auf das
gesetzliche Erbrecht, so ist im Zweifel anzunehmen, daß der Verzicht nur zu
Gunsten der anderen Abkömmlinge und des Ehegatten des Erblassers gelten soll.
§. 2351. Auf einen Vertrag, durch den ein
Erbverzicht aufgehoben wird, findet die Vorschrift des §. 2348 und in Ansehung
des Erblassers auch die Vorschrift des §. 2347 Abs. 2 Anwendung.
§. 2352. Wer durch Testament als Erbe eingesetzt
oder mit einem Vermächtnisse bedacht ist, kann durch Vertrag mit dem Erblasser
auf die Zuwendung verzichten. Das Gleiche gilt für eine Zuwendung, die in einem
Erbvertrag einem Dritten gemacht ist. Die Vorschriften der §§. 2347, 2348
finden Anwendung.
Achter Abschnitt.
Erbschein.
§. 2353. Das Nachlaßgericht hat dem Erben auf
Antrag ein Zeugniß über sein Erbrecht und, wenn er nur zu einem Theile der
Erbschaft berufen ist, über die Größe des Erbtheils zu ertheilen (Erbschein).
§. 2354. Wer die Ertheilung des Erbscheins als
gesetzlicher Erbe beantragt, hat anzugeben:
1. die Zeit des Todes des Erblassers;
2. das Verhältniß, auf dem sein Erbrecht beruht;
3. ob und welche Personen
vorhanden sind oder vorhanden waren, durch die er von der Erbfolge
ausgeschlossen oder sein Erbtheil gemindert werden würde;
4. ob und welche Verfügungen des Erblassers von
Todeswegen vorhanden sind;
5. ob ein Rechtsstreit über sein Erbrecht anhängig
ist.
Ist eine Person weggefallen, durch die der
Antragsteller von der Erbfolge ausgeschlossen oder sein Erbtheil gemindert
werden würde, so hat der Antragsteller anzugeben, in welcher Weise die Person
weggefallen ist.
§. 2355. Wer die Ertheilung des Erbscheins auf
Grund einer Verfügung von Todeswegen beantragt, hat die Verfügung zu
bezeichnen, auf der sein Erbrecht beruht, anzugeben, ob und welche sonstigen
Verfügungen des Erblassers von Todeswegen vorhanden sind, und die im §. 2354
Abs. 1 Nr. 1, 5, Abs. 2 vorgeschriebenen Angaben zu machen.
§. 2356. Der Antragsteller hat die Richtigkeit der
in Gemäßheit des §. 2354 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 gemachten Angaben durch
öffentliche Urkunden nachzuweisen und im Falle des §. 2355 die Urkunde
vorzulegen, auf der sein Erbrecht beruht. Sind die Urkunden nicht oder nur mit
unverhältnißmäßigen Schwierigkeiten zu beschaffen, so genügt die Angabe anderer
Beweismittel.
In Ansehung der übrigen nach den §§. 2354, 2355
erforderlichen Angaben hat der Antragsteller vor Gericht oder vor einem Notar
an Eidesstatt zu versichern, daß ihm nichts bekannt sei, was der Richtigkeit
seiner Angaben entgegensteht. Das Nachlaßgericht kann die Versicherung
erlassen, wenn es sie für nicht erforderlich erachtet.
Diese Vorschriften finden keine Anwendung, soweit
die Thatsachen bei dem Nachlaßgericht offenkundig sind.
§. 2357. Sind mehrere Erben vorhanden, so ist auf
Antrag ein gemeinschaftlicher Erbschein zu ertheilen. Der Antrag kann von jedem
der Erben gestellt werden.
In dem Antrage sind die Erben und ihre Erbtheile
anzugeben.
Wird der Antrag nicht von allen Erben gestellt, so
hat er die Angabe zu enthalten, daß die übrigen Erben die Erbschaft angenommen
haben. Die Vorschriften des §. 2356 gelten auch für die sich auf die übrigen
Erben beziehenden Angaben des Antragstellers.
Die Versicherung an Eidesstatt ist von allen Erben
abzugeben, sofern nicht das Nachlaßgericht die Versicherung eines oder einiger
von ihnen für ausreichend erachtet.
§. 2358. Das Nachlaßgericht hat unter Benutzung der
von dem Antragsteller angegebenen Beweismittel von Amtswegen die zur
Feststellung der Thatsachen erforderlichen Ermittelungen zu veranstalten und
die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen.
Das Nachlaßgericht kann eine öffentliche
Aufforderung zur Anmeldung der anderen Personen zustehenden Erbrechte erlassen;
die Art der Bekanntmachung und die Dauer der Anmeldungsfrist bestimmen sich
nach den für das Aufgebotsverfahren geltenden Vorschriften.
§. 2359. Der Erbschein ist nur zu ertheilen, wenn
das Nachlaßgericht die zur Begründung des Antrags erforderlichen Thatsachen für
festgestellt erachtet.
§. 2360. Ist ein Rechtsstreit über das Erbrecht anhängig,
so soll vor der Ertheilung des Erbscheins der Gegner des Antragstellers gehört
werden.
Ist die Verfügung, auf der das Erbrecht beruht,
nicht in einer dem Nachlaßgerichte vorliegenden öffentlichen Urkunde enthalten,
so soll vor der Ertheilung des Erbscheins derjenige über die Gültigkeit der
Verfügung gehört werden, welcher im Falle der Unwirksamkeit der Verfügung Erbe
sein würde.
Die Anhörung ist nicht erforderlich, wenn sie
unthunlich ist.
§. 2361. Ergiebt sich, daß der ertheilte Erbschein
unrichtig ist, so hat ihn das Nachlaßgericht einzuziehen. Mit der Einziehung
wird der Erbschein kraftlos.
Kann der Erbschein nicht sofort erlangt werden, so
hat ihn das Nachlaßgericht durch Beschluß für kraftlos zu erklären. Der
Beschluß ist nach den für die öffentliche Zustellung einer Ladung geltenden
Vorschriften der Zivilprozeßordnung bekannt zu machen. Mit dem Ablauf eines
Monats nach der letzten Einrückung des Beschlusses in die öffentlichen Blätter
wird die Kraftloserklärung wirksam.
Das Nachlaßgericht kann von Amtswegen über die
Richtigkeit eines ertheilten Erbscheins Ermittelungen veranstalten.
§. 2362. Der wirkliche Erbe kann von dem Besitzer
eines unrichtigen Erbscheins die Herausgabe an das Nachlaßgericht verlangen.
Derjenige, welchem ein unrichtiger Erbschein
ertheilt worden ist, hat dem wirklichen Erben über den Bestand der Erbschaft
und über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände Auskunft zu ertheilen.
§. 2363. In dem Erbscheine, der einem Vorerben
ertheilt wird, ist anzugeben, daß eine Nacherbfolge angeordnet ist, unter
welchen Voraussetzungen sie eintritt und wer der Nacherbe ist. Hat der
Erblasser den Nacherben auf dasjenige eingesetzt, was von der Erbschaft bei dem
Eintritte der Nacherbfolge übrig sein wird, oder hat er bestimmt, daß der
Vorerbe zur freien Verfügung über die Erbschaft berechtigt sein soll, so ist
auch dies anzugeben.
Dem Nacherben steht das im §. 2362 Abs. 1 bestimmte
Recht zu.
§. 2364. Hat der Erblasser einen
Testamentsvollstrecker ernannt, so ist die Ernennung in dem Erbschein anzugeben.
Dem Testamentsvollstrecker steht das im §. 2362
Abs. 1 bestimmte Recht zu.
§. 2365. Es wird vermuthet, daß demjenigen, welcher
in dem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, das in dem Erbschein angegebene
Erbrecht zustehe und daß er nicht durch andere als die angegebenen Anordnungen
beschränkt sei.
§. 2366. Erwirbt Jemand von demjenigen, welcher in
einem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, durch Rechtsgeschäft einen
Erbschaftsgegenstand, ein Recht an einem solchen Gegenstand oder die Befreiung
von einem zur Erbschaft gehörenden Rechte, so gilt zu seinen Gunsten der Inhalt
des Erbscheins, soweit die Vermuthung des §. 2365 reicht, als richtig, es sei
denn, daß er die Unrichtigkeit kennt oder weiß, daß das Nachlaßgericht die
Rückgabe des Erbscheins wegen Unrichtigkeit verlangt hat.
§. 2367. Die Vorschriften des §. 2366 finden
entsprechende Anwendung, wenn an denjenigen, welcher in einem Erbschein als
Erbe bezeichnet ist, auf Grund eines zur Erbschaft gehörenden Rechtes eine
Leistung bewirkt oder wenn zwischen ihm und einem Anderen in Ansehung eines
solchen Rechtes ein nicht unter die Vorschrift des §. 2366 fallendes
Rechtsgeschäft vorgenommen wird, das eine Verfügung über das Recht enthält.
§. 2368. Einem Testamentsvollstrecker hat das
Nachlaßgericht auf Antrag ein Zeugniß über die Ernennung zu ertheilen. Ist der
Testamentsvollstrecker in der Verwaltung des Nachlasses beschränkt oder hat der
Erblasser angeordnet, daß der Testamentsvollstrecker in der Eingehung von
Verbindlichkeiten für den Nachlaß nicht beschränkt sein soll, so ist dies in
dem Zeugniß anzugeben.
Ist die Ernennung nicht in einer dem
Nachlaßgerichte vorliegenden öffentlichen Urkunde enthalten, so soll vor der
Ertheilung des Zeugnisses der Erbe wenn thunlich über die Gültigkeit der
Ernennung gehört werden.
Die Vorschriften über den Erbschein finden auf das
Zeugniß entsprechende Anwendung; mit der Beendigung des Amtes des
Testamentsvollstreckers wird das Zeugniß kraftlos.
§. 2369. Gehören zu einer Erbschaft, für die es an
einem zur Ertheilung des Erbscheins zuständigen deutschen Nachlaßgerichte
fehlt, Gegenstände, die sich im Inlande befinden, so kann die Ertheilung eines
Erbscheins für diese Gegenstände verlangt werden.
Ein Gegenstand, für den von einer deutschen Behörde
ein zur Eintragung des Berechtigten bestimmtes Buch oder Register geführt wird,
gilt als im Inlande befindlich. Ein Anspruch gilt als im Inlande befindlich,
wenn für die Klage ein deutsches Gericht zuständig ist.
§. 2370. Hat eine für todt erklärte Person den
Zeitpunkt überlebt, der als Zeitpunkt ihres Todes gilt, oder ist sie vor diesem
Zeitpunkte gestorben, so gilt derjenige, welcher auf Grund der Todeserklärung
Erbe sein würde, in Ansehung der in den §§. 2366, 2367 bezeichneten
Rechtsgeschäfte zu Gunsten des Dritten auch ohne Ertheilung eines Erbscheins
als Erbe, es sei denn, daß der Dritte die Unrichtigkeit der Todeserklärung
kennt oder weiß, daß die Todeserklärung in Folge einer Anfechtungsklage
aufgehoben worden ist.
Ist ein Erbschein ertheilt worden, so stehen dem
für todt Erklärten, wenn er noch lebt, die im §. 2362 bestimmten Rechte zu. Die
gleichen Rechte hat eine Person, deren Tod ohne Todeserklärung mit Unrecht
angenommen worden ist.
Neunter Abschnitt.
Erbschaftskauf.
§. 2371. Ein Vertrag, durch den der Erbe die ihm
angefallene Erbschaft verkauft, bedarf der gerichtlichen oder notariellen
Beurkundung.
§. 2372. Die Vortheile, welche sich aus dem Wegfall
eines Vermächtnisses oder einer Auflage oder aus der Ausgleichungspflicht eines
Miterben ergeben, gebühren dem Käufer.
§. 2373. Ein Erbtheil, der dem Verkäufer nach dem
Abschlusse des Kaufes durch Nacherbfolge oder in Folge des Wegfalls eines
Miterben anfällt, sowie ein dem Verkäufer zugewendetes Vorausvermächtniß ist im
Zweifel nicht als mitverkauft anzusehen. Das Gleiche gilt von Familienpapieren
und Familienbildern.
§. 2374. Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer
die zur Zeit des Verkaufs vorhandenen Erbschaftsgegenstände mit Einschluß
dessen herauszugeben, was er vor dem Verkauf auf Grund eines zur Erbschaft
gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder
Entziehung eines Erbschaftsgegenstandes oder durch ein Rechtsgeschäft erlangt
hat, das sich auf die Erbschaft bezog.
§. 2375. Hat der Verkäufer vor dem Verkauf einen
Erbschaftsgegenstand verbraucht, unentgeltlich veräußert oder unentgeltlich
belastet, so ist er verpflichtet, dem Käufer den Werth des verbrauchten oder
veräußerten Gegenstandes, im Falle der Belastung die Werthminderung zu
ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Käufer den Verbrauch oder
die unentgeltliche Verfügung bei dem Abschlusse des Kaufes kennt.
Im Uebrigen kann der Käufer wegen Verschlechterung,
Unterganges oder einer aus einem anderen Grunde eingetretenen Unmöglichkeit der
Herausgabe eines Erbschaftsgegenstandes nicht Ersatz verlangen.
§. 2376. Die Verpflichtung des Verkäufers zur
Gewährleistung wegen eines Mangels im Rechte beschränkt sich auf die Haftung
dafür, daß ihm das Erbrecht zusteht, daß es nicht durch das Recht eines
Nacherben oder durch die Ernennung eines Testamentsvollstreckers beschränkt
ist, daß nicht Vermächtnisse, Auflagen, Pflichttheilslasten,
Ausgleichungspflichten oder Theilungsanordnungen bestehen und daß nicht
unbeschränkte Haftung gegenüber den Nachlaßgläubigern oder einzelnen von ihnen
eingetreten ist.
Fehler einer zur Erbschaft gehörenden Sache hat der
Verkäufer nicht zu vertreten.
§. 2377. Die in Folge des Erbfalls durch
Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung
erloschenen Rechtsverhältnisse gelten im Verhältnisse zwischen dem Käufer und
dem Verkäufer als nicht erloschen. Erforderlichen Falles ist ein solches
Rechtsverhältniß wiederherzustellen.
§. 2378. Der Käufer ist dem Verkäufer gegenüber
verpflichtet, die Nachlaßverbindlichkeiten zu erfüllen, soweit nicht der
Verkäufer nach §. 2376 dafür haftet, daß sie nicht bestehen.
Hat der Verkäufer vor dem Verkauf eine
Nachlaßverbindlichkeit erfüllt, so kann er von dem Käufer Ersatz verlangen.
§. 2379. Dem Verkäufer verbleiben die auf die Zeit
vor dem Verkaufe fallenden Nutzungen. Er trägt für diese Zeit die Lasten, mit
Einschluß der Zinsen der Nachlaßverbindlichkeiten. Den Käufer treffen jedoch
die von der Erbschaft zu entrichtenden Abgaben sowie die außerordentlichen
Lasten, welche als auf den Stammwerth der Erbschaftsgegenstände gelegt
anzusehen sind.
§. 2380. Der Käufer trägt von dem Abschlusse des
Kaufes an die Gefahr des zufälligen Unterganges und einer zufälligen
Verschlechterung der Erbschaftsgegenstände. Von diesem Zeitpunkt an gebühren
ihm die Nutzungen und trägt er die Lasten.
§. 2381. Der Käufer hat dem Verkäufer die
nothwendigen Verwendungen zu ersetzen, die der Verkäufer vor dem Verkauf auf
die Erbschaft gemacht hat.
Für andere vor dem Verkaufe gemachte Aufwendungen
hat der Käufer insoweit Ersatz zu leisten, als durch sie der Werth der
Erbschaft zur Zeit des Verkaufs erhöht ist.
§. 2382. Der Käufer haftet von dem Abschlusse des
Kaufes an den Nachlaßgläubigern, unbeschadet der Fortdauer der Haftung des
Verkäufers. Dies gilt auch von den Verbindlichkeiten, zu deren Erfüllung der
Käufer dem Verkäufer gegenüber nach den §§. 2378, 2379 nicht verpflichtet ist.
Die Haftung des Käufers den Gläubigern gegenüber
kann nicht durch Vereinbarung zwischen dem Käufer und dem Verkäufer
ausgeschlossen oder beschränkt werden.
§. 2383. Für die Haftung des Käufers gelten die
Vorschriften über die Beschränkung der Haftung des Erben. Er haftet
unbeschränkt, soweit der Verkäufer zur Zeit des Verkaufs unbeschränkt haftet.
Beschränkt sich die Haftung des Käufers auf die Erbschaft, so gelten seine
Ansprüche aus dem Kaufe als zur Erbschaft gehörend.
Die Errichtung des Inventars durch den Verkäufer
oder den Käufer kommt auch dem anderen Theile zu Statten, es sei denn, daß
dieser unbeschränkt haftet.
§. 2384. Der Verkäufer ist den Nachlaßgläubigern
gegenüber verpflichtet, den Verkauf der Erbschaft und den Namen des Käufers
unverzüglich dem Nachlaßgericht anzuzeigen. Die Anzeige des Verkäufers wird
durch die Anzeige des Käufers ersetzt.
Das Nachlaßgericht hat die Einsicht der Anzeige
Jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht.
§. 2385. Die Vorschriften über den Erbschaftskauf
finden entsprechende Anwendung auf den Kauf einer von dem Verkäufer durch
Vertrag erworbenen Erbschaft sowie auf andere Verträge, die auf die Veräußerung
einer dem Veräußerer angefallenen oder anderweit von ihm erworbenen Erbschaft
gerichtet sind.
Im Falle einer Schenkung ist der Schenker nicht
verpflichtet, für die vor der Schenkung verbrauchten oder unentgeltlich
veräußerten Erbschaftsgegenstände oder für eine vor der Schenkung unentgeltlich
vorgenommene Belastung dieser Gegenstände Ersatz zu leisten. Die im §. 2376
bestimmte Verpflichtung zur Gewährleistung wegen eines Mangels im Rechte trifft
den Schenker nicht; hat der Schenker den Mangel arglistig verschwiegen, so ist
er verpflichtet, dem Beschenkten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen
Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Neues Palais, den 18. August 1896.
Wilhelm.
Fürst zu Hohenlohe.
1 Beachte § 3,
Reichsgesetzblatt 1919, S. 285, Nr. 55, ausgegeben am 07. 03. 1919, in Kraft
seit 07. 03. 1919 - Übergangsgesetz:
„Soweit in Gesetzen oder
Verordnungen des Reichs auf den Bundesrat verwiesen wird, tritt an seine Stelle
der Staatenausschuß.“