(Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten Deutschen Erbländer
der Oesterreichischen Monarchie. I. Theil. Wien 1811.)
Wir Franz der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich; König zu Ungarn
und Böhmen; Erzherzog zu Oesterreich, etc. etc.
Aus der Betrachtung, daß die bürgerlichen Gesetze, um den Bürgern volle
Beruhigung über den gesicherten Genuß ihrer Privat-Rechte zu verschaffen, nicht
nur nach den allgemeinen Grundsätzen der Gerechtigkeit; sondern auch nach den
besonderen Verhältnissen der Einwohner bestimmt, in einer ihnen verständlichen
Sprache bekannt gemacht, und durch eine ordentliche Sammlung in stätem Andenken
erhalten werden sollen, haben Wir seit dem Antritte Unserer Regierung
unausgesetzt Sorge getragen, daß die schon von Unseren Vorfahren beschlossene
und unternommene Abfassung eines vollständigen, einheimischen bürgerlichen
Gesetzbuches ihrer Vollendung zugeführt werde.
Der während Unserer Regierung von Unserer Hofcommission in Gesetzsachen zu
Stande gebrachte Entwurf ward, so wie ehedem der Entwurf des Gesetzbuches über
Verbrechen und schwere Polizey-Uebertretungen, den in den verschiedenen
Provinzen eigens aufgestellten Commissionen zur Beurtheilung mitgetheilt, in
Galizien aber inzwischen schon in Anwendung gesetzt.
Nachdem auf solche Art die Meinungen der Sachverständigen, und die aus der
Anwendung eingehohlten Erfahrungen zur Berichtigung dieses so wichtigen Zweiges
der Gesetzgebung benützt worden sind; haben Wir nun beschlossen, dieses
allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für Unsere gesammten Deutschen Erbländer kund
zu machen, und zu verordnen, daß dasselbe mit dem ersten Januar 1812 zur
Anwendung kommen solle.
Dadurch wird das bis jetzt angenommene gemeine Recht, der am 1. November
1786 kund gemachte erste Theil des bürgerlichen Gesetzbuches, das für Galizien
gegebene bürgerliche Gesetzbuch, sammt allen auf die Gegenstände dieses
allgemeinen bürgerlichen Rechtes sich beziehenden Gesetzen und Gewohnheiten,
außer Wirksamkeit gesetzt.
Wie Wir aber in dem Gesetzbuche selbst zur allgemeinen Vorschrift
aufgestellt haben, daß die Gesetze nicht zurück wirken sollen; so soll auch
dieses Gesetzbuch auf Handlungen, die dem Tage, an welchem es verbindliche
Kraft erhält, vorhergegangen, und auf die nach den früheren Gesetzen bereits
erworbenen Rechte keinen Einfluß haben; diese Handlungen mögen in zweyseitig
verbindlichen Rechtsgeschäften, oder in solchen Willenserklärungen bestehen,
die von dem Erklärenden noch eigenmächtig abgeändert, und nach den in dem
gegenwärtigen Gesetzbuche enthaltenen Vorschriften eingerichtet werden könnten.
Daher ist auch eine schon vor der Wirksamkeit dieses Gesetzbuches
angefangene Ersitzung oder Verjährung nach den älteren Gesetzen zu beurtheilen.
Wollte sich jemand auf eine Ersitzung oder Verjährung berufen, die in dem
neueren Gesetze auf eine kürzere Zeit als in den früheren Gesetzen bestimmt
ist; so kann er auch diese kürzere Frist erst von dem Zeitpuncte, an welchem
das gegenwärtige Gesetz verbindliche Kraft erhält, zu berechnen anfangen.
Die Vorschriften dieses Gesetzbuches sind zwar allgemein verbindlich; doch
bestehen für den Militär-Stand und für die zum Militär-Körper gehörigen
Personen besondere, auf das Privat-Recht sich beziehende Vorschriften, welche
bey den von, oder mit ihnen vorzunehmenden Rechtsgeschäften, obschon in dem
Gesetzbuche nicht ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, zu beobachten
sind. Handels- und Wechselgeschäfte werden nach den besonderen Handels- und
Wechselgesetzen, in so fern sie von den Vorschriften dieses Gesetzbuches
abweichen, beurtheilt.
Auch bleiben die über politische, Cameral- oder Finanz-Gegenstände kund
gemachten, die Privat-Rechte beschränkenden, oder näher bestimmenden
Verordnungen, obschon in diesem Gesetzbuche sich darauf nicht ausdrücklich
bezogen wurde, in ihrer Kraft.
Ins besondere sind die auf Geldzahlungen sich beziehenden Rechte und
Verbindlichkeiten nach dem, über das zum Umlauf und zur gemeinen Landes-
(Wiener) Währung bestimmte Geld, bereits erlassenen Patente vom 20. Hornung
1811, oder nach den noch zu erlassenden besonderen Gesetzen, und nur bey deren
Ermanglung, nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzbuches zu beurtheilen.
Wir erklären zugleich den gegenwärtigen Deutschen Text des Gesetzbuches als
den Urtext, wonach die veranstalteten Uebersetzungen in die verschiedenen
Landessprachen Unserer Provinzen zu beurtheilen sind.
Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Wien, den ersten Monathstag
Junius, im eintausend achthundert und eilften, Unserer Reiche im neunzehnten
Jahre.
Franz (L. S.)
Aloys Graf von und zu Ugarte,
königlich-Böhmischer oberster und erzherzoglich-Oesterreichischer erster
Kanzler.
Franz Graf von Woyna.
Nach Sr. k. k. Majestät
höchst eigenem Befehle:
Johann Nepomuk Freyh. v. Geißlern.
Inhalt.
Einleitung. Von den bürgerlichen Gesetzen überhaupt. §. 1-14.
Erster Theil.
Von dem Personenrechte.
Erstes Hauptstück. Von den Rechten, welche sich auf persönliche
Eigenschaften und Verhältnisse beziehen. §. 15-43.
Zweytes Hauptstück. Von dem Eherechte. §. 44-136.
Drittes Hauptstück. Rechte zwischen Eltern und Kindern §. 137-186.
Viertes Hauptstück. Von der Obsorge einer anderen Person §. 187-267.
Fünftes Hauptstück. Von der Sachwalterschaft, der sonstigen gesetzlichen Vertretung
und der Vorsorgemacht §. 268-284.
Zweyter Theil.
Von dem Sachenrechte.
Von Sachen und ihrer rechtlichen Eintheilung. §. 285-308.
Erste Abtheilung
des Sachenrechtes.
Von den dinglichen Rechten.
Erstes Hauptstück. Von dem Besitze. §. 309-352.
Zweytes Hauptstück. Von dem Eigenthumsrechte. §. 353-379.
Drittes Hauptstück. Von der Erwerbung des Eigenthums durch Zueignung. §.
380-403.
Viertes Hauptstück. Von Erwerbung des Eigenthumes durch Zuwachs. §.
404-422.
Fünftes Hauptstück. Von Erwerbung des Eigenthumes durch Uebergabe. §.
423-446.
Sechstes Hauptstück. Von dem Pfandrechte. §. 447-471.
Siebentes Hauptstück. Von Dienstbarkeiten. (Servituten.) §. 472-530.
Achtes Hauptstück. Von dem Erbrechte. §. 531-551.
Neuntes Hauptstück. Von der Erklärung des letztes Willens überhaupt und den
Testamenten ins besondere. §. 552-603.
Zehntes Hauptstück. Von Nacherben und Fideicomissen. §. 604-646.
Eilftes Hauptstück. Von Vermächtnissen. §. 647-694.
Zwölftes Hauptstück. Von Einschränkung und Aufhebung des letzten Willens.
§. 695-726.
Dreyzehntes Hauptstück. Von der gesetzlichen Erbfolge. §. 727-761.
Vierzehntes Hauptstück. Von dem Pflichttheile und der Anrechnung in den
Pflicht- oder Erbtheil. §. 762-796.
Fünfzehntes Hauptstück. Von Besitznehmung der Erbschaft. §. 797-824.
Sechzehntes Hauptstück. Von der Gemeinschaft des Eigenthums und anderer
dinglichen Rechte. §. 825-858.
Zweyte Abtheilung.
Von den persönlichen Sachenrechten.
Siebzehntes Hauptstück. Von Verträgen und Rechtsgeschäften überhaupt. §.
859-937.
Achtzehntes Hauptstück. Von Schenkungen. §. 938-956.
Neunzehntes Hauptstück. Von dem Verwahrungsvertrage. §. 957-970.
Zwanzigstes Hauptstück. Von dem Leihvertrage. §. 971-982.
Ein und zwanzigstes Hauptstück. Von dem Darleihensvertrage. §. 983-1001.
Zwey und zwanzigstes Hauptstück. Von der Bevollmächtigung und andern Arten
der Geschäftsführung. §. 1002-1044.
Drey und zwanzigstes Hauptstück. Von dem Tauschvertrage. §. 1045-1052.
Vier und zwanzigstes Hauptstück. Von dem Kaufvertrage. §. 1053-1089.
Fünf und zwanzigstes Hauptstück. Von Bestand- Erbpacht- und
Erbzins-Verträgen. §. 1090-1150.
Sechs und zwanzigstes Hauptstück. Von Verträgen über Dienstleistungen §.
1151-1174.
Sieben und zwanzigstes Hauptstück. Von der Gesellschaft bürgerlichen
Rechts. §. 1175-1216e.
Acht und zwanzigstes Hauptstück. Von den Ehepacten. §. 1217-1266.
Neun und zwanzigstes Hauptstück. Von den Glücksverträgen. §. 1267-1292.
Dreyßigstes Hauptstück. Von dem Rechte des Schadenersatzes und der
Genugthuung. §. 1293-1341.
Dritter Theil.
Von den gemeinschaftlichen Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte.
Erstes Hauptstück. Von Befestigung der Rechte und Verbindlichkeiten. §.
1342-1374.
Zweytes Hauptstück. Von Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten. §.
1375-1410.
Drittes Hauptstück. Von Aufhebung der Rechte und Verbindlichkeiten. §.
1411-1450.
Viertes Hauptstück. Von der Verjährung und Ersitzung. §. 1451-1502.
Einleitung.
Von den bürgerlichen Gesetzen überhaupt.
Begriff des bürgerlichen Rechtes.
§. 1. Der Inbegriff der Gesetze, wodurch die Privat-Rechte und Pflichten
der Einwohner des Staates unter sich bestimmt werden, macht das bürgerliche
Recht in demselben aus.
§. 2. So bald ein Gesetz gehörig kund gemacht worden ist, kann sich niemand
damit entschuldigen, daß ihm dasselbe nicht bekannt geworden sey.
Anfang der Wirksamkeit der Gesetze.
§. 3. Die Wirksamkeit eines Gesetzes und die daraus entspringenden
rechtlichen Folgen nehmen gleich nach der Kundmachung ihren Anfang; es wäre
denn, daß in dem kund gemachten Gesetze selbst der Zeitpunct seiner Wirksamkeit
weiter hinaus bestimmt würde.
Umfang des Gesetzes.
§. 4. (Anm.: Aufgehoben durch § 51 Abs. 1 Z. 2, BGBl 1978/Nr. 304 –
IPR-Gesetz.)
§. 5. Gesetze wirken nicht zurück; sie haben daher auf vorhergegangene
Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluß.
Auslegung.
§. 6. Einem Gesetze darf in der Anwendung kein anderer Verstand beygelegt
werden, als welcher aus der eigenthümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhange
und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet.
§. 7. Läßt sich ein Rechtsfall weder aus den Worten, noch aus dem
natürlichen Sinne eines Gesetzes entscheiden, so muß auf ähnliche, in den
Gesetzen bestimmt entschiedene Fälle, und auf die Gründe anderer damit
verwandten Gesetze Rücksicht genommen werden. Bleibt der Rechtsfall noch
zweifelhaft; so muß solcher mit Hinsicht auf die sorgfältig gesammelten und
reiflich erwogenen Umstände nach den natürlichen Rechtsgrundsätzen entschieden
werden.
§. 8. Nur dem Gesetzgeber steht die Macht zu, ein Gesetz auf eine allgemein
verbindliche Art zu erklären. Eine solche Erklärung muß auf alle noch zu
entscheidende Rechtsfälle angewendet werden, dafern der Gesetzgeber nicht
hinzufügt, daß seine Erklärung bey Entscheidung solcher Rechtsfälle, welche die
vor der Erklärung unternommenen Handlungen und angesprochenen Rechte zum
Gegenstande haben, nicht bezogen werden solle.
Dauer des Gesetzes.
§. 9. Gesetze behalten so lange ihre Kraft, bis sie von dem Gesetzgeber
abgeändert oder ausdrücklich aufgehoben werden.
Andere Arten der Vorschriften, als: a) Gewohnheiten.
§. 10. Auf Gewohnheiten kann nur in den Fällen, in welchen sich ein Gesetz
darauf beruft, Rücksicht genommen werden.
b) Provinzial-Statuten.
§. 11. Nur jene Statuten einzelner Provinzen und Landesbezirke haben
Gesetzeskraft, welche nach der Kundmachung dieses Gesetzbuches von dem
Landesfürsten ausdrücklich bestätiget werden.
c) Richterliche Aussprüche.
§. 12. Die in einzelnen Fällen ergangenen Verfügungen und die von
Richterstühlen in besonderen Rechtsstreitigkeiten gefällten Urtheile haben nie
die Kraft eines Gesetzes, sie können auf andere Fälle oder auf andere Personen
nicht ausgedehnet werden.
d) Privilegien.
§. 13. Die einzelnen Personen oder auch ganzen Körpern verliehenen
Privilegien und Befreyungen sind, so fern hierüber die politischen Verordnungen
keine besondere Bestimmung enthalten, gleich den übrigen Rechten zu
beurtheilen.
Haupteintheilung des bürgerlichen Rechtes.
§. 14. Die in dem bürgerlichen Gesetzbuche enthaltenen Vorschriften haben
das Personen-Recht, das Sachenrecht und die denselben gemeinschaftlich
zukommenden Bestimmungen zum Gegenstande.
Erster Theil.
Von dem Personen-Rechte.
Erstes Hauptstück.
Von den Rechten, welche sich auf persönliche Eigenschaften und Verhältnisse
beziehen.
Personen-Rechte.
§. 15. Die Personen-Rechte beziehen sich theils auf persönliche
Eigenschaften und Verhältnisse; theils gründen sie sich in dem
Familien-Verhältnisse.
I. Aus dem Charakter der Persönlichkeit.
Angeborne Rechte.
§. 16. Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende
Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sclaverey oder
Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht wird in
diesen Ländern nicht gestattet.
Rechtliche Vermuthung derselben.
§. 17. Was den angebornen natürlichen Rechten angemessen ist, dieses wird
so lange als bestehend angenommen, als die gesetzmäßige Beschränkung dieser
Rechte nicht bewiesen wird.
Erwerbliche Rechte.
§. 18. Jedermann ist unter den von den Gesetzen vorgeschriebenen
Bedingungen fähig, Rechte zu erwerben.
Verfolgung der Rechte.
§. 19. Jedem, der sich in seinem Rechte gekränkt zu seyn erachtet, steht es
frey, seine Beschwerde vor der durch die Gesetze bestimmten Behörde
anzubringen. Wer sich aber mit Hintansetzung derselben der eigenmächtigen Hülfe
bedienet, oder, wer die Gränzen der Nothwehre überschreitet, ist dafür
verantwortlich.
§. 20. Auch solche Rechtsgeschäfte, die das Oberhaupt des Staates
betreffen, aber auf dessen Privat-Eigenthum, oder auf die in dem bürgerlichen
Rechte gegründeten Erwerbungsarten sich beziehen, sind von den Gerichtsbehörden
nach den Gesetzen zu beurtheilen.
II. Personenrechte der Minderjährigen und der sonst in ihrer
Handlungsfähigkeit Beeinträchtigten
§. 21. Minderjährige und Personen, die aus einem anderen Grund als dem
ihrer Minderjährigkeit alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten selbst gehörig
zu besorgen nicht vermögen, stehen unter dem besonderen Schutz der Gesetze.
Minderjährige sind Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht
vollendet haben; haben sie das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet, so
sind sie unmündig.
§. 22. Selbst ungeborne Kinder haben von dem Zeitpuncte ihrer Empfängniß an
einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze. In so weit es um ihre und nicht um
die Rechte eines Dritten zu thun ist, werden sie als Geborne angesehen; ein
todtgebornes Kind aber wird in Rücksicht auf die ihm für den Lebensfall
vorbehaltenen Rechte so betrachtet, als wäre es nie empfangen worden.
§. 23. In zweifelhaftem Falle, ob ein Kind lebendig oder todt geboren
worden sey, wird das Erstere vermuthet. Wer das Gegentheil behauptet, muß es
beweisen.
III. Aus dem Verhältnisse der Abwesenheit.
§. 24. (Anm.: Aufgehoben durch § 55 Abs. 2 lit. a, dRGBl I 1939/S. 1186.)
§. 25. (Anm.: Aufgehoben durch § 55 Abs. 2 lit. a, dRGBl I 1939/S. 1186.)
IV. Aus dem Verhältnisse einer moralischen Person.
§. 26. Die Rechte der Mitglieder einer erlaubten Gesellschaft unter sich
werden durch den Vertrag oder Zweck und die besonderen für dieselben
bestehenden Vorschriften bestimmt. Im Verhältnisse gegen Andere genießen
erlaubte Gesellschaften in der Regel gleiche Rechte mit den einzelnen Personen.
Unerlaubte Gesellschaften haben als solche keine Rechte, weder gegen die
Mitglieder, noch gegen Andere, und sie sind unfähig, Rechte zu erwerben.
Unerlaubte Gesellschaften sind aber diejenigen, welche durch die politischen
Gesetze insbesondere verbothen werden, oder offenbar der Sicherheit,
öffentlichen Ordnung oder den guten Sitten widerstreiten.
§. 27. In wie fern Gemeinden in Rücksicht ihrer Rechte unter einer
besonderen Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehen, ist in den politischen
Gesetzen enthalten.
V. Aus dem Verhältnisse eines Staatsbürgers.
§. 28. Den vollen Genuß der bürgerlichen Rechte erwirbt man durch die
Staatsbürgerschaft. Die Staatsbürgerschaft in diesen Erbstaaten ist Kindern
eines Oesterreichischen Staatsbürgers durch die Geburt eigen.
Wie die Staatsbürgerschaft erworben;
§. 29. Fremde erwerben die Oesterreichische Staatsbürgerschaft durch
Eintretung in einen öffentlichen Dienst; durch einen in diesen Staaten
vollendeten zehnjährigen ununterbrochenen Wohnsitz, jedoch unter der Bedingung,
daß der Fremde diese Zeit hindurch sich wegen eines Verbrechens keine Strafe
zugezogen habe.
§. 30. Auch ohne Antretung eines Gewerbes oder Handwerkes, und vor
verlaufenen zehn Jahren, kann die Einbürgerung bey den politischen Behörden
angesucht, und von denselben, nachdem das Vermögen, die Erwerbfähigkeit und das
sittliche Betragen des Ansuchenden beschaffen sind, verliehen werden.
§. 31. Durch die bloße Inhabung oder zeitliche Benützung eines Landgutes,
Hauses oder Grundstückes; durch die Anlegung eines Handels, einer Fabrik, oder
die Theilnahme an einem von beyden, ohne persönliche Ansässigkeit in einem
Lande dieser Staaten, wird die Oesterreichische Staatsbürgerschaft nicht
erworben.
wie sie verloren werde
§. 32. Der Verlust der Staatsbürgerschaft durch Auswanderung oder durch
Verehelichung einer Staatsbürgerinn an einen Ausländer, wird durch die
Auswanderungsgesetze bestimmt.
Rechte der Fremden.
§. 33. Den Fremden kommen überhaupt gleiche bürgerliche Rechte und
Verbindlichkeiten mit den Eingebornen zu, wenn nicht zu dem Genusse dieser
Rechte ausdrücklich die Eigenschaft eines Staatsbürgers erfordert wird. Auch
müssen die Fremden, um gleiches Recht mit den Eingebornen zu genießen, in
zweifelhaften Fällen beweisen, daß der Staat, dem sie angehören, die hierländigen
Staatsbürger in Rücksicht des Rechtes, wovon die Frage ist, ebenfalls wie die
seinigen behandle.
§. 34. (Anm.: Aufgehoben durch § 51 Abs. 1 Z. 2, BGBl 1978/Nr. 304 –
IPR-Gesetz.)
§. 35. (Anm.: Aufgehoben durch § 51 Abs. 1 Z. 2, BGBl 1978/Nr. 304 –
IPR-Gesetz.)
§. 36. (Anm.: Aufgehoben durch § 51 Abs. 1 Z. 2, BGBl 1978/Nr. 304 –
IPR-Gesetz.)
§. 37. (Anm.: Aufgehoben durch § 51 Abs. 1 Z. 2, BGBl 1978/Nr. 304 –
IPR-Gesetz.)
§. 38. Die Gesandten, die öffentlichen Geschäftsträger und die in ihren Diensten
stehenden Personen genießen die in dem Völkerrechte und in den öffentlichen
Verträgen gegründeten Befreyungen.
VI. Personen-Rechte aus dem Religions-Verhältnisse.
§. 39. Die Verschiedenheit der Religion hat auf die Privat-Rechte keinen Einfluß,
außer in so fern dieses bey einigen Gegenständen durch die Gesetze insbesondere
angeordnet wird.
VII. Aus dem Familien-Verhältnisse.
Familie, Verwandtschaft und Schwägerschaft.
§. 40. Unter Familie werden die Stammältern mit allen ihren Nachkommen
verstanden. Die Verbindung zwischen diesen Personen wird Verwandtschaft; die
Verbindung aber, welche zwischen einem Ehegatten und den Verwandten des anderen
Ehegatten entsteht, Schwägerschaft genannt.
§. 41. Die Grade der Verwandtschaft zwischen zwey Personen sind nach der
Zahl der Zeugungen, mittelst welcher in der geraden Linie eine derselben von
der anderen, und in der Seitenlinie beyde von ihrem nächsten gemeinschaftlichen
Stamme abhängen, zu bestimmen. In welcher Linie und in welchem Grade jemand mit
dem einen Ehegatten verwandt ist, in eben der Linie und in eben dem Grade ist
er mit dem anderen Ehegatten verschwägert.
§. 42. Unter den Nahmen Aeltern werden in der Regel ohne Unterschied des
Grades alle Verwandte in der aufsteigenden; und unter dem Nahmen Kinder, alle
Verwandte in der absteigenden Linie begriffen.
VIII. Schutz des Namens
§. 43. Wird jemandem das Recht zur Führung seines Namens bestritten oder
wird er durch unbefugten Gebrauch seines Namens (Decknamens) beeinträchtigt, so
kann er auf Unterlassung und bei Verschulden auf Schadenersatz klagen.
Zweytes Hauptstück.
Von dem Eherechte.
Begriff der Ehe,
§. 44. Die Familien-Verhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. In
dem Ehevertrage erklären zwey Personen verschiedenen Geschlechtes gesetzmäßig
ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie
zu erziehen, und sich gegenseitig Beystand zu leisten.
und des Eheverlöbnisses.
§. 45. Ein Eheverlöbniß oder ein vorläufiges Versprechen, sich zu
ehelichen, unter was für Umständen oder Bedingungen es gegeben oder erhalten
worden, zieht keine rechtliche Verbindlichkeit nach sich, weder zur Schließung
der Ehe selbst, noch zur Leistung desjenigen, was auf den Fall des Rücktrittes
bedungen worden ist.
Rechtliche Wirkung des Rücktrittes vom Eheverlöbnisse.
§. 46. Nur bleibt dem Theile, von dessen Seite keine gegründete Ursache zu
dem Rücktritte entstanden ist, der Anspruch auf den Ersatz des wirklichen
Schadens vorbehalten, welchen er aus diesem Rücktritte zu leiden beweisen kann.
Regel über die Fähigkeit zur Schließung einer Ehe.
§. 47. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
Hindernisse der Ehe:
I) Abgang der Einwilligung,
a) aus Mangel des Vermögens zur Einwilligung.
§. 48. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 49. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 50. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 51. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 52. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 53. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 54. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
b) aus Mangel der wirklichen Einwilligung.
§. 55. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 56. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 57. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 58. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 59. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
II. Abgang des Vermögens zum Zwecke:
a) des physischen Vermögens;
§. 60. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
b) des sittlichen Vermögens; wegen Verurtheilung zu einer schweren
Criminalstrafe;
§. 61. (Anm.: Aufgehoben durch § 5, RGBl 1867/Nr. 131.)
wegen Ehebandes;
§. 62. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
wegen Weihe oder Gelübdes;
§. 63. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
Religionsverschiedenheit;
§. 64. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
Verwandtschaft;
§. 65. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
oder Schwägerschaft;
§. 66. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
wegen Ehebruchs;
§. 67. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
oder Gattenmordes.
§. 68. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
III. Abgang der wesentlichen Feyerlichkeiten.
Solche sind:
§. 69. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
a) das Aufgeboth;
§. 70. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 71. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 3, RGBl 1869/Nr. 4.)
§. 72. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 73. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 74. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
b) die feyerliche Erklärung der Einwilligung.
§. 75. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 76. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 77. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 3, RGBl 1869/Nr. 4.)
§. 78. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 79. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 80. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 81. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 82. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
Dispensation von Ehehindernissen.
§. 83. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 84. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 85. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 86. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 87. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 88. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
Persönliche Rechtswirkungen der Ehe
§. 89. Die persönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten im Verhältnis
zueinander sind, soweit in diesem Hauptstück nicht anderes bestimmt ist,
gleich.
§. 90. Die Ehegatten sind einander zur umfassenden ehelichen
Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur
anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet.
Im Erwerb des anderen hat ein Ehegatte mitzuwirken, soweit ihm dies
zumutbar, es nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich und nicht
anderes vereinbart ist.
Jeder Ehegatte hat dem anderen in der Ausübung der Obsorge für dessen
Kinder in angemessener Weise beizustehen. Soweit es die Umstände erfordern,
vertritt er ihn auch in den Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens.
§. 91. Die Ehegatten sollen ihre eheliche Lebensgemeinschaft, besonders die
Haushaltsführung, die Erwerbstätigkeit, die Leistung des Beistandes und die
Obsorge, unter Rücksichtnahme aufeinander und auf das Wohl der Kinder mit dem
Ziel voller Ausgewogenheit ihrer Beiträge einvernehmlich gestalten.
Von einer einvernehmlichen Gestaltung kann ein Ehegatte abgehen, wenn dem
nicht ein wichtiges Anliegen des anderen oder der Kinder entgegensteht oder,
auch wenn ein solches Anliegen vorliegt, persönliche Gründe des Ehegatten,
besonders sein Wunsch nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, als gewichtiger
anzusehen sind. In diesen Fällen haben sich die Ehegatten um ein Einvernehmen
über die Neugestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu bemühen.
§. 92. Verlangt ein Ehegatte aus gerechtfertigten Gründen die Verlegung der
gemeinsamen Wohnung, so hat der andere diesem Verlangen zu entsprechen, es sei
denn, er habe gerechtfertigte Gründe von zumindest gleichem Gewicht, nicht
mitzuziehen.
Ungeachtet des Abs. 1, kann ein Ehegatte vorübergehend gesondert Wohnung
nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen
körperlicher Bedrohung, unzumutbar oder dies aus wichtigen persönlichen Gründen
gerechtfertigt ist.
In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann jeder der Ehegatten vor oder auch nach
der Verlegung der Wohnung oder der gesonderten Wohnungsnahme die Entscheidung
des Gerichtes beantragen. Das Gericht hat im Verfahren außer Streitsachen
festzustellen, ob das Verlangen auf Verlegung der gemeinsamen Wohnung oder die
Weigerung mitzuziehen oder die gesonderte Wohnungsnahme durch einen Ehegatten
rechtmäßig war oder ist. Es hat bei der Entscheidung auf die gesamten Umstände
der Familie, besonders auf das Wohl der Kinder, Bedacht zu nehmen.
Name
§. 93. Die Ehegatten führen den von ihnen bestimmten gemeinsamen
Familiennamen. Mangels einer solchen Bestimmung behalten sie ihre bisherigen
Familiennamen bei.
Zum gemeinsamen Familiennamen können die Verlobten oder Ehegatten einen
ihrer Namen bestimmen. Wird hiefür ein aus mehreren voneinander getrennten oder
durch einen Bindestrich verbundenen Teilen bestehender Name herangezogen, so
können der gesamte Name oder dessen Teile verwendet werden. Sie können auch
einen aus den Familiennamen beider gebildeten Doppelnamen zum gemeinsamen
Familiennamen bestimmen; dabei dürfen sie insgesamt zwei Teile dieser Namen
verwenden.
Derjenige Ehegatte, dessen Familienname nicht gemeinsamer Familienname ist,
kann auch schon vor Eheschließung bestimmen, dass er einen aus dem gemeinsamen
Familiennamen und seinem Familiennamen gebildeten Doppelnamen führt, sofern
nicht der gemeinsame Familienname bereits aus mehreren Teilen besteht; auch
darf der Ehegatte, dessen Familienname aus mehreren Teilen besteht, nur einen
dieser Teile verwenden.
Ein Doppelname ist durch einen Bindestrich zwischen dessen einzelnen Teilen
zu trennen.
§. 93a. Ändert sich der Familienname eines Ehegatten, so kann eine erneute
Bestimmung vorgenommen werden.
Wird die Ehe aufgelöst, so können die Ehegatten jeden früher rechtmäßig
geführten Familiennamen wieder annehmen.
Eine Person kann bestimmen, dass ihr Familienname dem Geschlecht angepasst
wird, soweit dies der Herkunft der Person oder der Tradition der Sprache
entspricht, aus der der Name stammt. Sie kann auch bestimmen, dass eine auf das
Geschlecht hinweisende Endung des Namens entfällt.
§. 93b. Die Bestimmung oder Wiederannahme eines Familiennamens nach den §§
93 und 93a ist nur einmalig zulässig.
§. 93c. Namensrechtliche Erklärungen sind dem Standesbeamten gegenüber in
öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde abzugeben. Ihre Wirkungen
treten ein, sobald sie dem Standesbeamten zukommen.
Sonstige Wirkungen der Ehe
§. 94. Die Ehegatten haben nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung
ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen
angemessenen Bedürfnisse gemeinsamen beizutragen.
Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, leistet dadurch seinen
Beitrag im Sinn des Abs. 1; er hat an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt,
wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies gilt nach der
Aufhebung des gemeinsamen Haushalts zugunsten des bisher Unterhaltsberechtigten
weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, besonders
wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben,
ein Mißbrauch des Rechtes wäre. Ein Unterhaltsanspruch steht einem Ehegatten
auch zu, soweit er seinen Beitrag nach Abs. 1 nicht zu leisten vermag.
Auf Verlangen des unterhaltsberechtigten Ehegatten ist der Unterhalt auch
bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft ganz oder zum Teil in Geld zu leisten,
soweit nicht ein solches Verlangen, insbesondere im Hinblick auf die zur
Deckung der Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel, unbillig wäre. Auf den
Unterhaltsanspruch an sich kann im vorhinein nicht verzichtet werden.
§. 95. Die Ehegatten haben an der Führung des gemeinsamen Haushalts nach
ihren persönlichen Verhältnissen, besonders unter Berücksichtigung ihrer
beruflichen Belastung, mitzuwirken. Ist jedoch ein Ehegatte nicht erwerbstätig,
so obliegt diesem die Haushaltsführung; der andere ist nach Maßgabe des § 91
zur Mithilfe verpflichtet.
§. 96. Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt und keine Einkünfte
hat, vertritt den anderen bei den Rechtsgeschäften des täglichen Lebens, die er
für den gemeinsamen Haushalt schließt und die ein den Lebensverhältnissen der Ehegatten
entsprechendes Maß nicht übersteigen. Dies gilt nicht, wenn der andere Ehegatte
dem Dritten zu erkennen gegeben hat, daß er von seinem Ehegatten nicht
vertreten sein wolle. Kann der Dritte aus den Umständen nicht erkennen, daß der
handelnde Ehegatte als Vertreter auftritt, dann haften beide Ehegatten zur
ungeteilten Hand.
§. 97. Ist ein Ehegatte über die Wohnung, die der Befriedigung des
dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Ehegatten dient, verfügungsberechtigt,
so hat dieser einen Anspruch darauf, daß der verfügungsberechtigte Ehegatte
alles unterlasse und vorkehre, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte
diese nicht verliere. Dies gilt nicht, wenn das Handeln oder Unterlassen des
verfügungsberechtigten Ehegatten durch die Umstände erzwungen wird.
§. 98. Wirkt ein Ehegatte im Erwerb des anderen mit, so hat er Anspruch auf
angemessene Abgeltung seiner Mitwirkung. Die Höhe des Anspruchs richtet sich
nach der Art und Dauer der Leistungen; die gesamten Lebensverhältnisse der
Ehegatten, besonders auch die gewährten Unterhaltsleistungen, sind angemessen
zu berücksichtigen.
§. 99. Ansprüche auf Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des
anderen (§ 98) sind vererblich, unter Lebenden oder von Todes wegen übertragbar
und verpfändbar, soweit sie durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder
gerichtlich geltend gemacht worden sind.
§. 100. Der § 98 berührt nicht vertragliche Ansprüche eines Ehegatten an
den anderen aus einem Mit- oder Zusammenwirken im Erwerb. Solche Ansprüche
schließen einen Anspruch nach § 98 aus; bei einem Dienstverhältnis bleibt dem
Ehegatten jedoch der Anspruch nach § 98 gewahrt, soweit er seine Ansprüche aus
dem Dienstverhältnis übersteigt.
§. 101. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 102. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
II. Wirkliche Aufhebung; a) zeitliche Scheidung; mit Einverständniß;
§. 103. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 104. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 105. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 106. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 107. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 2, BGBl 1975/Nr. 412.)
§. 108. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 109. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 110. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 2, BGBl 1975/Nr. 412.)
b) gänzliche Trennung; bey Katholiken durch den Tod,
§. 111. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
und die Todeserklärung;
§. 112. (Anm.: Aufgehoben durch § 55 Abs. 2 lit. a, dRGBl I 1939/S. 1186.)
§. 113. (Anm.: Aufgehoben durch § 55 Abs. 2 lit. a, dRGBl I 1939/S. 1186.)
§. 114. (Anm.: Aufgehoben durch § 55 Abs. 2 lit. a, dRGBl I 1939/S. 1186.)
bey andern christlichen Religions-Verwandten.
§. 115. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 116. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 117. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 2, BGBl 1975/Nr. 412.)
§. 118. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 2, BGBl 1975/Nr. 412.)
Beschränkung und Vorsichten in Rücksicht der Wiederverehelichung.
§. 119. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 120. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 121. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 2, BGBl 1975/Nr. 412.)
§. 122. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
Ausnahmen der Judenschaft;
§. 123. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
a) in Rücksicht der Ehehindernisse;
§. 124. (Anm.: Aufgehoben durch § 1, RGBl 1859/Nr. 217.)
§. 125. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
b) der Verkündigung.
§. 126. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
c) der Trauung;
§. 127. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 128. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 129. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 130. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 131. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
d) der Scheidung.
§. 132. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
e) der Trennung;
§. 133. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 134. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 135. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
§. 136. (Anm.: Aufgehoben durch § 128, dRGBl I 1938/S. 807 - Ehegesetz.)
Drittes Hauptstück.
Rechte zwischen Eltern und Kindern
Erster Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Allgemeine Grundsätze
§. 137. Eltern und Kinder haben einander beizustehen und mit Achtung zu
begegnen. Die Rechte und Pflichten des Vaters und der Mutter sind, soweit nicht
anderes bestimmt ist, gleich.
Eltern haben das Wohl ihrer minderjährigen Kinder zu fördern, ihnen
Fürsorge, Geborgenheit und eine sorgfältige Erziehung zu gewähren. Die
Anwendung jeglicher Gewalt und die Zufügung körperlichen oder seelischen Leides
sind unzulässig. Soweit tunlich und möglich sollen die Eltern die Obsorge
einvernehmlich wahrnehmen.
§. 137a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 137b. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 138. In allen das minderjährige Kind betreffenden Angelegenheiten,
insbesondere der Obsorge und der persönlichen Kontakte, ist das Wohl des Kindes
(Kindeswohl) als leitender Gesichtspunkt zu berücksichtigen und bestmöglich zu
gewährleisten. Wichtige Kriterien bei der Beurteilung des Kindeswohls sind
insbesondere
1. eine angemessene Versorgung, insbesondere mit Nahrung, medizinischer und
sanitärer Betreuung und Wohnraum, sowie eine sorgfältige Erziehung des Kindes;
2. die Fürsorge, Geborgenheit und der Schutz der körperlichen und
seelischen Integrität des Kindes;
3. die Wertschätzung und Akzeptanz des Kindes durch die Eltern;
4. die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und
Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes;
5. die Berücksichtigung der Meinung des Kindes in Abhängigkeit von dessen
Verständnis und der Fähigkeit zur Meinungsbildung;
6. die Vermeidung der Beeinträchtigung, die das Kind durch die Um- und Durchsetzung
einer Maßnahme gegen seinen Willen erleiden könnte;
7. die Vermeidung der Gefahr für das Kind, Übergriffe oder Gewalt selbst zu
erleiden oder an wichtigen Bezugspersonen mitzuerleben;
8. die Vermeidung der Gefahr für das Kind, rechtswidrig verbracht oder
zurückgehalten zu werden oder sonst zu Schaden zu kommen;
9. verlässliche Kontakte des Kindes zu beiden Elternteilen und wichtigen
Bezugspersonen sowie sichere Bindungen des Kindes zu diesen Personen;
10. die Vermeidung von Loyalitätskonflikten und Schuldgefühlen des Kindes;
11. die Wahrung der Rechte, Ansprüche und Interessen des Kindes sowie
12. die Lebensverhältnisse des Kindes, seiner Eltern und seiner sonstigen
Umgebung.
§. 138a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 138b. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 138c. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 138d. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 139. Dritte dürfen in die elterlichen Rechte nur insoweit eingreifen,
als ihnen dies durch die Eltern selbst, unmittelbar auf Grund des Gesetzes oder
durch eine behördliche Verfügung gestattet ist.
Eine mit einem Elternteil und dessen minderjährigem Kind nicht nur
vorübergehend im gemeinsamen Haushalt lebende volljährige Person, die in einem
familiären Verhältnis zum Elternteil steht, hat alles den Umständen nach
Zumutbare zu tun, um das Kindeswohl zu schützen. Soweit es die Umstände
erfordern, vertritt sie den Elternteil auch in Obsorgeangelegenheiten des
täglichen Lebens.
Zweiter Abschnitt
Abstammung des Kindes
a) Allgemeines
§. 140. Die nach diesem Gesetzbuch begründete Abstammung und deren Änderung
sowie die Feststellung der Nichtabstammung wirken gegenüber jedermann.
Handlungsfähigkeit in Abstammungssachen
§. 141.
Einsichts- und urteilsfähige Personen können, wenn sie nicht
eigenberechtigt sind, in Angelegenheiten ihrer Abstammung und der Abstammung
von ihnen rechtswirksam handeln, sofern ihr gesetzlicher Vertreter zustimmt.
Handelt in einem solchen Fall der gesetzliche Vertreter, so bedarf er der
Einwilligung der einsichts- und urteilsfähigen Person. Im Zweifel wird das
Vorliegen der Einsichts- und Urteilsfähigkeit bei mündigen Minderjährigen
vermutet.
Der gesetzliche Vertreter hat sich vom Wohl des Vertretenen leiten zu
lassen. Seine Vertretungshandlungen in Angelegenheiten der Abstammung bedürfen
nicht der Genehmigung des Gerichtes.
Rechtsnachfolge in Abstammungssachen
§. 142. Nach dem Tod der betroffenen Person kann die Feststellung der
Abstammung, deren Änderung oder die Feststellung der Nichtabstammung von den
Rechtsnachfolgern oder gegen diese bewirkt werden.
b) Abstammung von der Mutter
§. 143. Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat.
Abstammung vom Vater und vom anderen Elternteil
§. 144. Vater des Kindes ist der Mann,
1. der mit der Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet ist
oder als Ehemann der Mutter nicht früher als 300 Tage vor der Geburt des Kindes
verstorben ist oder
2. der die Vaterschaft anerkannt hat oder
3. dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist.
Ist an der Mutter innerhalb von nicht mehr als 300 und nicht weniger als
180 Tagen vor der Geburt eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung
durchgeführt worden, so ist die Frau Elternteil,
1. die mit der Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes in eingetragener
Partnerschaft verbunden ist oder als eingetragene Partnerin der Mutter nicht
früher als 300 Tage vor der Geburt des Kindes verstorben ist oder
2. die die Elternschaft anerkannt hat oder
3. deren Elternschaft gerichtlich festgestellt ist.
Auf diese Frau sind die auf den Vater und die Vaterschaft Bezug nehmenden
Bestimmungen in diesem Gesetz und anderen bundesgesetzlichen Vorschriften
sinngemäß anzuwenden. Gelten im Verhältnis der Eltern zu ihrem Kind und
zwischen den Eltern besondere Rechte und Pflichten, so kommen diese
gleichermaßen zur Anwendung.
Würden nach Abs. 1 Z 1 mehrere Männer als Vater in Betracht kommen, so ist
derjenige von ihnen Vater, der mit der Mutter zuletzt die Ehe geschlossen hat.
Würden nach Abs. 2 Z 1 mehrere Frauen in Betracht kommen, so ist diejenige von
ihnen Elternteil, die mit der Mutter zuletzt die eingetragene Partnerschaft
begründet hat.
Anerkenntnis des Vaters und des anderen Elternteils
§. 145. Die
Vaterschaft oder Elternschaft wird durch persönliche Erklärung in inländischer
öffentlicher oder öffentlich-beglaubigter Urkunde anerkannt. Dem Anerkenntnis
der Elternschaft ist ein Nachweis über die an der Mutter durchgeführte
medizinisch unterstützte Fortpflanzung (§ 144 Abs. 2) beizulegen. Das
Anerkenntnis wirkt ab dem Zeitpunkt der Erklärung, sofern die Urkunde oder ihre
öffentlichbeglaubigte Abschrift mit den nötigen Nachweisen dem Standesbeamten
zukommt.
Das Anerkenntnis soll eine genaue Bezeichnung des Anerkennenden, der Mutter
und des Kindes, sofern es bereits geboren ist, enthalten.
Für Zustimmungen zum Anerkenntnis gelten die Abs. 1 und 2 entsprechend.
§. 145a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 145b. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 145c. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 146. Das Kind oder die Mutter, sofern sie einsichts- und urteilsfähig
sowie am Leben ist, können gegen das Anerkenntnis innerhalb von zwei Jahren ab
Kenntnis von dessen Rechtswirksamkeit bei Gericht Widerspruch erheben.
Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange die zum Widerspruch berechtigte
Person nicht eigenberechtigt ist oder innerhalb des letzten Jahres der Frist
durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis am Widerspruch
gehindert ist.
§. 146a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 146b. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 146c. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 146d. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 147. Steht zum Zeitpunkt der Anerkennung bereits die Vaterschaft eines
anderen Mannes fest, so wird das Anerkenntnis erst rechtswirksam, sobald mit
allgemein verbindlicher Wirkung festgestellt ist, dass der andere Mann nicht
der Vater des betreffenden Kindes ist.
Ein zu einem Zeitpunkt, zu dem die Abstammung des Kindes von einem anderen
Mann feststand, abgegebenes Vaterschaftsanerkenntnis wird jedoch rechtswirksam,
wenn das Kind dem Anerkenntnis in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter
Urkunde zustimmt. Ist das Kind nicht eigenberechtigt, so wird das Anerkenntnis
überdies nur rechtswirksam, wenn die einsichts- und urteilsfähige Mutter selbst
den Anerkennenden in der genannten Form als Vater bezeichnet. Das Anerkenntnis
wirkt ab dem Zeitpunkt seiner Erklärung, sofern die über diese Erklärung sowie
über die Zustimmung zum Anerkenntnis und, falls erforderlich, über die
Bezeichnung des Anerkennenden als Vater errichteten Urkunden oder ihre
öffentlich-beglaubigten Abschriften dem Standesbeamten zukommen.
Der Mann, der als Vater feststand, oder die Mutter, sofern sie einsichts-
und urteilsfähig sowie am Leben ist und nicht nach Abs. 2 den Anerkennenden als
Vater bezeichnet hat, kann gegen das Anerkenntnis bei Gericht Widerspruch
erheben. § 146 gilt entsprechend.
Für die Zustimmung des minderjährigen Kindes ist der Jugendwohlfahrtsträger
gesetzlicher Vertreter des Kindes.
Gerichtliche Feststellung der Vaterschaft
§. 148. Als Vater hat das Gericht den Mann festzustellen, von dem das Kind
abstammt. Der Antrag kann vom Kind gegen den Mann oder von diesem gegen das
Kind gestellt werden.
Auf Antrag des Kindes kann der Mann als Vater festgestellt werden, welcher
der Mutter innerhalb von nicht mehr als 300 und nicht weniger als 180 Tagen vor
der Geburt beigewohnt hat oder mit dessen Samen an der Mutter in diesem
Zeitraum eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchgeführt worden ist,
es sei denn, er weist nach, dass das Kind nicht von ihm abstammt. Eine solche
Feststellung ist nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Tod des Mannes nicht mehr
möglich, es sei denn, das Kind weist nach, dass ihm der Beweis nach Abs. 1 aus
Gründen auf Seiten des Mannes nicht gelingt.
Ist an der Mutter innerhalb der im Abs. 2 genannten Frist eine medizinisch
unterstützte Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten durchgeführt worden, so
ist als Vater der Mann festzustellen, der dieser medizinisch unterstützten
Fortpflanzung in Form eines Notariatsakts zugestimmt hat, es sei denn, er weist
nach, dass das Kind nicht durch diese medizinisch unterstützte Fortpflanzung
gezeugt worden ist.
Ein Dritter, dessen Samen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung
verwendet wird, kann nicht als Vater des mit seinem Samen gezeugten Kindes
festgestellt werden. Dritter ist, wer seinen Samen einer für medizinisch
unterstützte Fortpflanzungen zugelassenen Krankenanstalt mit dem Willen
überlässt, nicht selbst als Vater eines mit diesem Samen gezeugten Kindes
festgestellt zu werden.
§. 149. Der gesetzliche Vertreter hat dafür zu sorgen, dass die Vaterschaft
festgestellt wird, es sei denn, dass die Feststellung der Vaterschaft für das
Wohl des Kindes nachteilig ist oder die Mutter von ihrem Recht, den Namen des
Vaters nicht bekanntzugeben, Gebrauch macht.
Der Jugendwohlfahrtsträger hat die Mutter darauf aufmerksam zu machen,
welche Folgen es hat, wenn die Vaterschaft nicht festgestellt wird.
Vaterschaftsfeststellung bei bestehender Abstammung
§. 150. Das Kind kann die Feststellung seiner Abstammung auch beantragen,
wenn die Vaterschaft eines anderen Mannes bereits feststeht. In einem solchen
Fall hat die Feststellung der Abstammung die vom Gericht auszusprechende
Wirkung, dass das Kind nicht vom anderen Mann abstammt.
Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter
§. 151. Stammt ein Kind, das während der Ehe der Mutter oder vor Ablauf von
300 Tagen nach dem Tod des Ehemanns der Mutter geboren worden ist, nicht von
diesem ab, so hat das Gericht dies auf Antrag festzustellen.
Der Antrag kann vom Kind gegen den Mann und von diesem gegen das Kind
gestellt werden.
§. 152. Hat der Ehemann der Mutter einer medizinisch unterstützten
Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten in Form eines Notariatsakts
zugestimmt, so kann nicht die Feststellung begehrt werden, dass das mit dem
Samen des Dritten gezeugte Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt.
§. 153. Ein Antrag auf Feststellung, dass das Kind nicht vom Ehemann der
Mutter abstammt, kann binnen zwei Jahren ab Kenntnis der hiefür sprechenden
Umstände gestellt werden. Diese Frist beginnt frühestens mit der Geburt des
Kindes, im Fall einer Änderung der Abstammung frühestens mit der Wirksamkeit
der Änderung. Ein Antrag ist nicht zulässig, solange die Abstammung des Kindes
von einem anderen Mann feststeht.
Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange die antragsberechtigte Person nicht
eigenberechtigt ist oder innerhalb des letzten Jahres der Frist durch ein
unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Antragstellung gehindert
ist.
Später als 30 Jahre nach der Geburt des Kindes oder nach einer Änderung der
Abstammung kann nur das Kind die Feststellung der Nichtabstammung begehren.
Rechtsunwirksamerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses
§. 154. Das Gericht hat das Anerkenntnis für rechtsunwirksam zu erklären
1. von Amts wegen, wenn
a) das Anerkenntnis oder – im Fall des § 147 Abs. 2 – die Zustimmung des
Kindes oder die Bezeichnung des Anerkennenden als Vater durch die Mutter nicht
den Formvorschriften entspricht oder
b) es auf Seiten des Anerkennenden oder – im Fall des § 147 Abs. 2 – des
Kindes oder der Mutter an der Einsichts- und Urteilsfähigkeit oder – beim
Anerkennenden oder beim Kind – an der gesetzlichen Vertretung gemangelt hat, es
sei denn, der Mangel der gesetzlichen Vertretung ist nachträglich behoben
worden oder der Anerkennende hat nach Erreichung der Eigenberechtigung das
Anerkenntnis gebilligt;
2. aufgrund eines Widerspruchs, es sei denn, es ist erwiesen, dass das Kind
vom Anerkennenden abstammt oder – wenn das Kind durch eine medizinisch
unterstützte Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten gezeugt worden ist –
dass der Anerkennende dem in Form eines Notariatsakts zugestimmt hat;
3. auf Antrag des Anerkennenden, wenn er beweist,
a) dass sein Anerkenntnis durch List, ungerechte und gegründete Furcht oder
Irrtum darüber veranlasst worden ist, dass das Kind von ihm abstammt oder dass
an der Mutter eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit seinem Samen oder
mit seiner Zustimmung mit dem Samen eines Dritten vorgenommen wurde oder
b) dass das Kind nicht von ihm abstammt und er erst nachträglich von
Umständen Kenntnis erlangt hat, die für die Nichtabstammung des Kindes
sprechen.
Der Antrag nach Abs. 1 Z 3 kann längstens bis zum Ablauf von zwei Jahren
nach Entdeckung der Täuschung, des Irrtums oder der genannten Umstände oder
nach Wegfall der Zwangslage erhoben werden. Die Frist beginnt frühestens mit
der Geburt des Kindes.
§. 154a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 154b. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
Dritter Abschnitt
Name
§. 155. Das Kind erhält den gemeinsamen Familiennamen der Eltern. Es kann
aber auch der Doppelname eines Elternteils (§ 93 Abs. 3) zum Familiennamen des
Kindes bestimmt werden.
Führen die Eltern keinen gemeinsamen Familiennamen, so kann zum
Familiennamen des Kindes der Familienname eines Elternteils bestimmt werden.
Wird hiefür ein aus mehreren voneinander getrennten oder durch einen
Bindestrich verbundenen Teilen bestehender Name herangezogen, so können der
gesamte Name oder dessen Teile verwendet werden. Es kann auch ein aus den
Familiennamen beider Elternteile gebildeter Doppelname bestimmt werden; dabei
dürfen aber höchstens zwei Teile dieser Namen verwendet werden. Ein Doppelname
ist durch einen Bindestrich zwischen dessen einzelnen Teilen zu trennen.
Mangels einer solchen Bestimmung erhält das Kind den Familiennamen der
Mutter, auch wenn dieser ein Doppelname ist.
§. 156. Den Familiennamen des Kindes bestimmt die mit der Pflege und
Erziehung betraute Person. Mehrere damit betraute Personen haben das
Einvernehmen herzustellen; es genügt aber die Erklärung einer von ihnen, sofern
sie versichert, dass die andere damit einverstanden ist oder das Einvernehmen
nicht mit zumutbarem Aufwand erreicht werden kann.
Einsichts- und urteilsfähige Personen bestimmen ihren Familiennamen selbst.
Die Einsichts- und Urteilsfähigkeit wird bei mündigen Minderjährigen vermutet.
§. 156a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 8, BGBl I 2004/Nr. 58.)
§. 157. Die Bestimmung eines Familiennamens nach § 155 ist nur einmalig
zulässig.
Ändert sich der Familienname der Eltern oder eines Elternteils oder
heiraten die Eltern einander, so kann der Familienname des Kindes erneut
bestimmt werden. Das Gleiche gilt bei Änderungen in der Person eines
Elternteils, etwa bei einer Annahme an Kindesstatt oder bei einer Begründung
oder Änderung der Abstammung des Kindes.
Auf die Bestimmung des Familiennamens des Kindes sind die §§ 93a und 93c
anzuwenden.
Vierter Abschnitt
Obsorge
Inhalt der Obsorge
§. 158. Wer mit der Obsorge für ein minderjähriges Kind betraut ist, hat es
zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und es in diesen sowie
allen anderen Angelegenheiten zu vertreten; Pflege und Erziehung sowie die
Vermögensverwaltung umfassen auch die gesetzliche Vertretung in diesen
Bereichen.
Solange ein Elternteil nicht voll geschäftsfähig ist, hat er nicht das
Recht und die Pflicht, das Vermögen des Kindes zu verwalten und das Kind zu
vertreten.
Wohlverhaltensgebot
§. 159. Bei Ausübung der Rechte und Erfüllung der Pflichten nach diesem
Hauptstück ist zur Wahrung des Kindeswohls alles zu unterlassen, was das
Verhältnis des Minderjährigen zu anderen Personen, denen nach diesem Hauptstück
das Kind betreffende Rechte und Pflichten zukommen, beeinträchtigt oder die
Wahrnehmung von deren Aufgaben erschwert.
§. 159a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 6, BGBl 1977/Nr. 403.)
§. 159b. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 6, BGBl 1977/Nr. 403.)
Pflege, Erziehung und Bestimmung des Aufenthalts des Kindes
§. 160. Die Pflege des minderjährigen Kindes umfasst besonders die
Wahrnehmung des körperlichen Wohles und der Gesundheit sowie die unmittelbare
Aufsicht, die Erziehung besonders die Entfaltung der körperlichen, geistigen,
seelischen und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten,
Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes sowie dessen Ausbildung in
Schule und Beruf.
Das Ausmaß der Pflege und Erziehung richtet sich nach den
Lebensverhältnissen der Eltern.
Die Eltern haben in Angelegenheiten der Pflege und Erziehung auch auf den
Willen des Kindes Bedacht zu nehmen, soweit dem nicht dessen Wohl oder ihre
Lebensverhältnisse entgegenstehen. Der Wille des Kindes ist umso maßgeblicher,
je mehr es den Grund und die Bedeutung einer Maßnahme einzusehen und seinen
Willen nach dieser Einsicht zu bestimmen vermag.
§. 161. Das minderjährige Kind hat die Anordnungen der Eltern zu befolgen.
Die Eltern haben bei ihren Anordnungen und deren Durchsetzung auf Alter,
Entwicklung und Persönlichkeit des Kindes Bedacht zu nehmen.
§. 162. Soweit die Pflege und Erziehung es erfordern, hat der hierzu
berechtigte Elternteil auch das Recht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen.
Hält sich das Kind woanders auf, so haben die Behörden und Organe des
öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Ersuchen eines berechtigten Elternteils
bei der Ermittlung des Aufenthalts, notfalls auch bei der Zurückholung des
Kindes mitzuwirken.
Haben die Eltern vereinbart oder das Gericht bestimmt, welcher der
obsorgeberechtigten Elternteile das Kind hauptsächlich in seinem Haushalt
betreuen soll, so hat dieser Elternteil das alleinige Recht, den Wohnort des
Kindes zu bestimmen.
Ist nicht festgelegt, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut
werden soll, so darf der Wohnort des Kindes nur mit Zustimmung beider
Elternteile oder Genehmigung des Gerichts in das Ausland verlegt werden. Das
Gericht hat bei der Entscheidung über die Genehmigung sowohl das Kindeswohl zu
beachten als auch die Rechte der Eltern auf Schutz vor Gewalt, Freizügigkeit
und Berufsfreiheit zu berücksichtigen.
§. 162a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 162b. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 162c. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 162d. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 163. Weder ein minderjähriges Kind noch die Eltern können in eine
medizinische Maßnahme, die eine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit des
minderjährigen Kindes zum Ziel hat, einwilligen.
§. 163a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 163b. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 163c. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 163d. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 163e. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
Vermögensverwaltung
§. 164. Die Eltern haben das Vermögen eines minderjährigen Kindes mit der Sorgfalt
ordentlicher Eltern zu verwalten. Sofern das Wohl des Kindes nicht anderes
erfordert, haben sie es in seinem Bestand zu erhalten und nach Möglichkeit zu
vermehren; Geld ist nach den Vorschriften über die Anlegung von Mündelgeld
anzulegen.
Aus dem Vermögen sind jedenfalls die Kosten der Verwaltung einschließlich
der für die Erhaltung des Vermögens und den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb
nötigen Aufwendungen und die fälligen Zahlungen zu berichtigen; weiter auch die
Kosten des Unterhalts, soweit das Kind nach den §§ 231 und 232 zur Heranziehung
seines Vermögens verpflichtet ist oder die Bedürfnisse des Kindes nicht in
anderer Weise gedeckt sind.
§. 164a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 20, BGBl I 2004/Nr. 58.)
§. 164b. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 20, BGBl I 2004/Nr. 58.)
§. 164c. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 20, BGBl I 2004/Nr. 58.)
§. 164d. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 20, BGBl I 2004/Nr. 58.)
§. 165. Die Eltern haben über das Vermögen des minderjährigen Kindes dem
Gericht Rechnung zu legen; über die Erträgnisse jedoch nur, soweit sie nicht
für den Unterhalt des Kindes verwendet worden sind. Näheres wird in den
Verfahrensgesetzen bestimmt.
Das Gericht kann die Eltern von der Rechnungslegung ganz oder zum Teil
befreien, soweit keine Bedenken bestehen, dass sie das Vermögen des Kindes
ordentlich verwalten werden.
§. 165a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 9, BGBl 1995/Nr. 25 -
Namensrechtsänderungsgesetz.)
§. 165b. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 9, BGBl 1995/Nr. 25 -
Namensrechtsänderungsgesetz.)
§. 165c. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 9, BGBl 1995/Nr. 25 -
Namensrechtsänderungsgesetz.)
§. 166. Wird einem minderjährigen Kind ein Vermögen zugewendet und ein
Elternteil von der Verwaltung ausgeschlossen, so ist der andere Elternteil mit
der Verwaltung betraut. Sind beide Elternteile oder jener Elternteil, der mit
der Obsorge allein betraut ist, ausgeschlossen, so hat das Gericht andere
Personen mit der Verwaltung zu betrauen.
§. 166a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 9, BGBl 1977/Nr. 403.)
Gesetzliche Vertretung des Kindes
§. 167. Sind beide Eltern mit der Obsorge betraut, so ist jeder Elternteil
für sich allein berechtigt und verpflichtet, das Kind zu vertreten; seine
Vertretungshandlung ist selbst dann rechtswirksam, wenn der andere Elternteil
mit ihr nicht einverstanden ist.
Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils, die die
Änderung des Vornamens oder des Familiennamens, den Eintritt in eine Kirche
oder Religionsgesellschaft und den Austritt aus einer solchen, die Übergabe in
fremde Pflege, den Erwerb einer Staatsangehörigkeit oder den Verzicht auf eine
solche, die vorzeitige Lösung eines Lehr-, Ausbildungs- oder Dienstvertrags und
die Anerkennung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind betreffen, bedürfen zu
ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen obsorgebetrauten
Elternteils. Dies gilt nicht für die Entgegennahme von Willenserklärungen und
Zustellstücken.
Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils in
Vermögensangelegenheiten bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des
anderen obsorgebetrauten Elternteils und der Genehmigung des Gerichtes, sofern
die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört.
Unter dieser Voraussetzung gehören dazu besonders die Veräußerung oder
Belastung von Liegenschaften, die Gründung, der, auch erbrechtliche, Erwerb,
die Umwandlung, Veräußerung oder Auflösung sowie die Änderung des Gegenstandes
eines Unternehmens, der, auch erbrechtliche, Eintritt in eine oder die Umwandlung
einer Gesellschaft oder Genossenschaft, der Verzicht auf ein Erbrecht, die
unbedingte Annahme oder die Ausschlagung einer Erbschaft, die Annahme einer mit
Belastungen verbundenen Schenkung oder die Ablehnung eines Schenkungsanbots,
die Anlegung von Geld mit Ausnahme der in den §§ 216 und 217 geregelten Arten
sowie die Erhebung einer Klage und alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die
den Verfahrensgegenstand an sich betreffen. Dies gilt nicht für die
Entgegennahme von Willenserklärungen und Zustellstücken.
§. 168. Bedarf ein Rechtsgeschäft der Einwilligung des gesetzlichen
Vertreters, der Zustimmung des anderen Elternteils oder der Genehmigung des
Pflegschaftsgerichts, so ist bei deren Fehlen das volljährig gewordene Kind nur
dann daraus wirksam verpflichtet, wenn es schriftlich erklärt, diese
Verpflichtungen als rechtswirksam anzuerkennen. Fordert der Gläubiger den
volljährig Gewordenen auf, sich nach dem ersten Satz zu erklären, so hat er ihm
dafür eine angemessene Frist zu setzen.
§. 169. In zivilgerichtlichen Verfahren ist nur ein obsorgebetrauter
Elternteil allein zur Vertretung des Kindes berechtigt; solange sich die Eltern
nicht auf den anderen Elternteil einigen oder das Gericht nach § 181 diesen
oder einen Dritten als Vertreter bestimmt, ist Vertreter derjenige Elternteil,
der die erste Verfahrenshandlung setzt.
Die nach § 167 erforderliche Zustimmung des anderen Elternteils und
Genehmigung des Gerichtes gelten für das ganze Verfahren.
§. 169a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 10, BGBl 1977/Nr. 403.)
Handlungsfähigkeit des Kindes
§. 170. Ein minderjähriges Kind kann ohne ausdrückliche oder
stillschweigende Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich
weder verfügen noch sich verpflichten.
Nach erreichter Mündigkeit kann es jedoch über Sachen, die ihm zur freien
Verfügung überlassen worden sind, und über sein Einkommen aus eigenem Erwerb so
weit verfügen und sich verpflichten, als dadurch nicht die Befriedigung seiner
Lebensbedürfnisse gefährdet wird.
Schließt ein minderjähriges Kind ein Rechtsgeschäft, das von Minderjährigen
seines Alters üblicherweise geschlossen wird und eine geringfügige
Angelegenheit des täglichen Lebens betrifft, so wird dieses Rechtsgeschäft,
auch wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, mit der Erfüllung der
das Kind treffenden Pflichten rückwirkend rechtswirksam.
§. 170a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 12, BGBl 1977/Nr. 403.)
§. 171. Soweit nicht anderes bestimmt ist, kann sich ein mündiges minderjähriges
Kind selbständig durch Vertrag zu Dienstleistungen verpflichten, ausgenommen zu
Dienstleistungen auf Grund eines Lehr- oder sonstigen Ausbildungsvertrags. Der
gesetzliche Vertreter des Kindes kann das durch den Vertrag begründete
Rechtsverhältnis aus wichtigen Gründen vorzeitig lösen.
§. 172. Hat das einsichts- und urteilsfähige Kind seine Meinung über seine
Ausbildung den Eltern erfolglos vorgetragen, so kann es das Gericht anrufen.
Dieses hat nach sorgfältiger Abwägung der von den Eltern und dem Kind
angeführten Gründe die zum Wohl des Kindes angemessenen Verfügungen zu treffen.
§. 173. Einwilligungen in medizinische Behandlungen kann das einsichts- und
urteilsfähige Kind nur selbst erteilen; im Zweifel wird das Vorliegen dieser
Einsichts- und Urteilsfähigkeit bei mündigen Minderjährigen vermutet. Mangelt
es an der notwendigen Einsichts- und Urteilsfähigkeit, so ist die Zustimmung
der Person erforderlich, die mit der gesetzlichen Vertretung bei Pflege und
Erziehung betraut ist.
Willigt ein einsichts- und urteilsfähiges minderjähriges Kind in eine
Behandlung ein, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen
Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit
verbunden ist, so darf die Behandlung nur vorgenommen werden, wenn auch die
Person zustimmt, die mit der gesetzlichen Vertretung bei Pflege und Erziehung
betraut ist.
Die Einwilligung des einsichts- und urteilsfähigen Kindes sowie die
Zustimmung der Person, die mit Pflege und Erziehung betraut ist, sind nicht
erforderlich, wenn die Behandlung so dringend notwendig ist, dass der mit der
Einholung der Einwilligung oder der Zustimmung verbundene Aufschub das Leben
des Kindes gefährden würde oder mit der Gefahr einer schweren Schädigung der
Gesundheit verbunden wäre.
§. 174. Ein verheiratetes minderjähriges Kind steht hinsichtlich seiner
persönlichen Verhältnisse einem Volljährigen gleich, solange die Ehe dauert.
§. 175. Soweit einem Kind infolge merkbar verzögerter Entwicklung, einer
psychischen Krankheit oder einer geistigen Behinderung die für eine einzelne
oder einen Kreis von Angelegenheiten erforderliche Einsichts- und
Urteilsfähigkeit oder Geschäftsfähigkeit fehlt, hat das Gericht dies von Amts
wegen oder auf Antrag einer Person, die ganz oder zum Teil mit der Obsorge
betraut ist, auszusprechen. Dieser Ausspruch wirkt, sofern er nicht vom Gericht
widerrufen oder befristet wurde, längstens bis zur Volljährigkeit des Kindes.
Deliktsfähigkeit des Kindes
§. 176. Soweit einem minderjährigen Kind nicht bereits früher ein
Verschulden zugerechnet werden kann (§ 1310), wird es mit der Erreichung der
Mündigkeit nach den schadensersatzrechtlichen Bestimmungen verschuldensfähig.
§. 176a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 28, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
§. 176b. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
Obsorge der Eltern
§. 177. Beide Elternteile sind mit der Obsorge betraut, wenn sie zum
Zeitpunkt der Geburt des Kindes miteinander verheiratet sind. Gleiches gilt ab
dem Zeitpunkt der Eheschließung, wenn sie einander nach der Geburt des Kindes
heiraten.
Sind die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes nicht miteinander
verheiratet, so ist allein die Mutter mit der Obsorge betraut. Die Eltern
können aber vor dem Standesbeamten persönlich und unter gleichzeitiger
Anwesenheit nach einer Belehrung über die Rechtsfolgen einmalig bestimmen, dass
sie beide mit der Obsorge betraut sind, sofern die Obsorge nicht bereits
gerichtlich geregelt ist. Die Bestimmung wird wirksam, sobald beide Eltern
persönlich vor dem Standesbeamten übereinstimmende Erklärungen abgegeben haben.
Innerhalb von acht Wochen ab ihrer Wirksamkeit kann die Bestimmung ohne
Begründung durch einseitige Erklärung eines Elternteils gegenüber dem
Standesbeamten widerrufen werden. Vorher gesetzte Vertretungshandlungen bleiben
davon unberührt.
Die Eltern können weiters dem Gericht – auch in Abänderung einer
bestehenden Regelung – eine Vereinbarung über die Betrauung mit der Obsorge
vorlegen, wobei die Betrauung eines Elternteils allein oder beider Eltern
vereinbart werden kann.
Sind beide Elternteile mit der Obsorge betraut und leben sie nicht in
häuslicher Gemeinschaft, so haben sie festzulegen, bei welchem Elternteil sich
das Kind hauptsächlich aufhalten soll. Außerdem muss der Elternteil, in dessen
Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird, vorbehaltlich des § 158 Abs. 2,
mit der gesamten Obsorge betraut sein. Im Fall des Abs. 3 kann die Obsorge des
Elternteils, in dessen Haushalt das Kind nicht hauptsächlich betreut wird, auf
bestimmte Angelegenheiten beschränkt sein.
§. 177a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 177b. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
Obsorge bei Verhinderung eines Elternteils
§. 178. Ist ein Elternteil, der mit der Obsorge für das Kind gemeinsam mit
dem anderen Elternteil betraut war, gestorben, ist sein Aufenthalt seit
mindestens sechs Monaten unbekannt, kann die Verbindung mit ihm nicht oder nur
mit unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten hergestellt werden oder ist ihm
die Obsorge ganz oder teilweise entzogen, so ist der andere Elternteil insoweit
allein mit der Obsorge betraut. Ist in dieser Weise der Elternteil, der mit der
Obsorge allein betraut ist, betroffen, so hat das Gericht unter Beachtung des
Wohles des Kindes zu entscheiden, ob der andere Elternteil oder ob und welches
Großelternpaar (Großelternteil) oder Pflegeelternpaar (Pflegeelternteil) mit
der Obsorge zu betrauen ist; Letzteres gilt auch, wenn beide Elternteile
betroffen sind. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für dieses
Großelternpaar (diesen Großelternteil).
Auf Antrag des Elternteiles, auf den die Obsorge nach Abs. 1 erster Satz
übergegangen ist, hat das Gericht diesen Übergang festzustellen.
Geht die Obsorge auf den anderen Elternteil über oder überträgt das Gericht
die Obsorge, so sind, sofern sich der Übergang oder die Übertragung der Obsorge
darauf bezieht, das Vermögen sowie sämtliche die Person des Kindes betreffenden
Urkunden und Nachweise zu übergeben.
§. 178a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 178b. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 33, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
Obsorge bei Auflösung der Ehe und der häuslichen Gemeinschaft
§. 179. Wird die Ehe oder die häusliche Gemeinschaft der Eltern aufgelöst,
so bleibt die Obsorge beider Eltern aufrecht. Sie können jedoch vor Gericht
eine Vereinbarung schließen, wonach ein Elternteil allein mit der Obsorge
betraut wird oder die Obsorge eines Elternteils auf bestimmte Angelegenheiten
beschränkt wird.
Im Fall einer Obsorge beider Eltern nach Auflösung der Ehe oder der
häuslichen Gemeinschaft haben diese vor Gericht eine Vereinbarung darüber zu
schließen, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird.
§. 179a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
Änderung der Obsorge
§. 180. Sofern dies dem Wohl des Kindes entspricht, hat das Gericht eine
vorläufige Regelung der elterlichen Verantwortung (Phase der vorläufigen
elterlichen Verantwortung) zu treffen, wenn
1. nach Auflösung der Ehe oder der häuslichen Gemeinschaft der Eltern
binnen angemessener Frist eine Vereinbarung nach § 179 nicht zustande kommt
oder
2. ein Elternteil die Übertragung der alleinigen Obsorge an ihn oder seine
Beteiligung an der Obsorge beantragt.
Die Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung besteht darin, dass das
Gericht einem mit der Obsorge betrauten Elternteil unter Aufrechterhaltung der
bisherigen Obsorgeregelung für einen Zeitraum von sechs Monaten die
hauptsächliche Betreuung des Kindes in seinem Haushalt aufträgt und dem anderen
ein derart ausreichendes Kontaktrecht einräumt, dass er auch die Pflege und
Erziehung des Kindes wahrnehmen kann. Für diesen Zeitraum sind im Einvernehmen
der Eltern oder auf gerichtliche Anordnung die Details des Kontaktrechts, der
Pflege und Erziehung sowie der Unterhaltsleistung festzulegen.
Nach Ablauf des Zeitraums hat das Gericht auf der Grundlage der Erfahrungen
in der Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung einschließlich der
Leistung des gesetzlichen Unterhalts und nach Maßgabe des Kindeswohls über die
Obsorge endgültig zu entscheiden. Zum Zweck der Vorbereitung der Entscheidung
kann das Gericht die Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung auch
verlängern. Wenn das Gericht beide Eltern mit der Obsorge betraut, hat es auch
festzulegen, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird.
Ist die Obsorge im Sinn des Abs. 2 endgültig geregelt, so kann jeder
Elternteil, sofern sich die Verhältnisse maßgeblich geändert haben, bei Gericht
eine Neuregelung der Obsorge beantragen. Für die Änderung einer geregelten
Obsorge gelten die Abs. 1 und 2 entsprechend.
§. 180a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
Entziehung oder Einschränkung der Obsorge
§. 181. Gefährden die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des
minderjährigen Kindes, so hat das Gericht, von wem immer es angerufen wird, die
zur Sicherung des Wohles des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen. Besonders
darf das Gericht die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise, auch gesetzlich
vorgesehene Einwilligungs- und Zustimmungsrechte, entziehen. Im Einzelfall kann
das Gericht auch eine gesetzlich erforderliche Einwilligung oder Zustimmung
ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.
Solche Verfügungen können von einem Elternteil, etwa wenn die Eltern in
einer wichtigen Angelegenheit des Kindes kein Einvernehmen erzielen, den
sonstigen Verwandten in gerader aufsteigender Linie, den Pflegeeltern (einem
Pflegeelternteil), dem Jugendwohlfahrtsträger und dem mündigen Minderjährigen,
von diesem jedoch nur in Angelegenheiten seiner Pflege und Erziehung, beantragt
werden. Andere Personen können solche Verfügungen anregen.
Die gänzliche oder teilweise Entziehung der Pflege und Erziehung oder der
Verwaltung des Vermögens des Kindes schließt die Entziehung der gesetzlichen
Vertretung in dem jeweiligen Bereich mit ein; die gesetzliche Vertretung in
diesen Bereichen kann für sich allein entzogen werden, wenn die Eltern oder der
betreffende Elternteil ihre übrigen Pflichten erfüllen.
Fordert das Gesetz die Einwilligung oder Zustimmung der mit Pflege und
Erziehung betrauten Personen (Erziehungsberechtigten), so ist die Erklärung der
mit der gesetzlichen Vertretung in diesem Bereich betrauten Person notwendig,
aber auch hinreichend, sofern nicht Abweichendes bestimmt ist.
§. 181a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 182. Durch eine Verfügung nach § 181 darf das Gericht die Obsorge nur so
weit beschränken, als dies zur Sicherung des Wohles des Kindes nötig ist.
§. 182a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 182b. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
Erlöschen der Obsorge
§. 183. Die Obsorge für das Kind erlischt mit dem Eintritt seiner
Volljährigkeit.
Der gesetzliche Vertreter hat dem volljährig gewordenen Kind dessen
Vermögen sowie sämtliche dessen Person betreffenden Urkunden und Nachweise zu
übergeben.
§. 183a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 11, BGBl 1995/Nr. 25 -
Namensrechtsänderungsgesetz.)
Pflegeeltern
§. 184. Pflegeeltern sind Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes
ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen
leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt
werden soll. Sie haben das Recht, in den die Person des Kindes betreffenden
Verfahren Anträge zu stellen.
§. 184a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 185. Das Gericht hat einem Pflegeelternpaar (Pflegeelternteil) auf
seinen Antrag die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise zu übertragen, wenn
das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist und die
Übertragung dem Wohl des Kindes entspricht. Die Regelungen über die Obsorge
gelten dann für dieses Pflegeelternpaar (diesen Pflegeelternteil).
Sind die Eltern oder Großeltern mit der Obsorge betraut und stimmen sie der
Übertragung nicht zu, so darf diese nur verfügt werden, wenn ohne sie das Wohl
des Kindes gefährdet wäre.
Die Übertragung ist aufzuheben, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht.
Gleichzeitig hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes
auszusprechen, auf wen die Obsorge übergeht.
Das Gericht hat vor seiner Entscheidung die Eltern, den gesetzlichen
Vertreter, weitere Erziehungsberechtigte, den Jugendwohlfahrtsträger und
jedenfalls das bereits zehnjährige Kind zu hören. § 196 Abs. 2 gilt sinngemäß.
§. 185a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
Fünfter Abschnitt
Sonstige Rechte und Pflichten
Persönliche Kontakte
§. 186. Jeder Elternteil eines minderjährigen Kindes hat mit dem Kind eine
persönliche Beziehung einschließlich der persönlichen Kontakte (§ 187) zu
pflegen.
§. 186a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 187. Das Kind und jeder Elternteil haben das Recht auf regelmäßige und
den Bedürfnissen des Kindes entsprechende persönliche Kontakte. Die
persönlichen Kontakte sollen das Kind und die Eltern einvernehmlich regeln.
Soweit ein solches Einvernehmen nicht erzielt wird, hat das Gericht auf Antrag
des Kindes oder eines Elternteils diese Kontakte in einer dem Wohl des Kindes
entsprechenden Weise zu regeln und die Pflichten festzulegen. Die Regelung hat
die Anbahnung und Wahrung des besonderen Naheverhältnisses zwischen Eltern und
Kind sicherzustellen und soll möglichst sowohl Zeiten der Freizeit als auch die
Betreuung im Alltag des Kindes umfassen. Das Alter, die Bedürfnisse und die
Wünsche des Kindes sowie die Intensität der bisherigen Beziehung sind besonders
zu berücksichtigen.
Das Gericht hat nötigenfalls die persönlichen Kontakte einzuschränken oder
zu untersagen, insbesondere soweit dies aufgrund der Anwendung von Gewalt gegen
das Kind oder eine wichtige Bezugsperson geboten erscheint oder der Elternteil,
der mit dem minderjährigen Kind nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, seine
Verpflichtung aus § 159 nicht erfüllt.
§. 188. Zwischen Enkeln und ihren Großeltern gilt § 187 entsprechend. Die
persönlichen Kontakte der Großeltern sind jedoch auch so weit einzuschränken
oder zu untersagen, als sonst das Familienleben der Eltern (eines Elternteils)
oder deren Beziehung zu dem Kind gestört würde.
Wenn persönliche Kontakte des minderjährigen Kindes mit einem hiezu
bereiten Dritten dem Wohl des Kindes dienen, hat das Gericht auf Antrag des
Kindes, eines Elternteils oder des Dritten, sofern dieser zu dem Kind in einem
besonderen persönlichen oder familiären Verhältnis steht oder gestanden ist,
die zur Regelung der persönlichen Kontakte nötigen Verfügungen zu treffen.
Solche Verfügungen hat es auf Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers oder von Amts
wegen zu treffen, wenn ansonsten das Kindeswohl gefährdet wäre.
Informations-, Äußerungs- und Vertretungsrecht
§. 189. Ein nicht mit der Obsorge betrauter Elternteil
1. ist durch die mit der Obsorge betraute Person von wichtigen
Angelegenheiten, insbesondere von beabsichtigten Maßnahmen nach § 167 Abs. 2
und 3, rechtzeitig zu verständigen und kann sich hiezu in angemessener Frist
äußern,
2. hat den mit der Obsorge betrauten Elternteil in Angelegenheiten des
täglichen Lebens zu vertreten sowie das Kind zu pflegen und zu erziehen, soweit
das die Umstände erfordern und sich das Kind rechtmäßig bei ihm aufhält.
Eine Äußerung nach Z 1 ist in jedem Fall zu berücksichtigen, wenn der darin
ausgedrückte Wunsch dem Wohl des Kindes besser entspricht.
Wenn der nicht mit der Obsorge betraute Elternteil bei der Wahrnehmung
seiner Rechte und Pflichten nach Abs. 1 das Wohl des Kindes gefährdet oder
diese Rechte rechtsmissbräuchlich oder in einer für den anderen Elternteil oder
das Kind nicht zumutbaren Weise in Anspruch nimmt, hat das Gericht diese Rechte
auf Antrag, sofern das Wohl des Kindes gefährdet wird, auch von Amts wegen,
einzuschränken oder zu entziehen. Die Rechte nach Abs. 1 entfallen, wenn der
mit der Obsorge nicht betraute Elternteil grundlos das Recht des Kindes auf
persönliche Kontakte ablehnt.
Finden trotz Bereitschaft des nicht mit der Obsorge betrauten Elternteils
persönliche Kontakte mit dem Kind nicht regelmäßig statt, so steht ihm das
Verständigungs- und Äußerungsrecht (Abs. 1 Z 1) auch in minderwichtigen
Angelegenheiten zu, sofern es sich dabei nicht bloß um Angelegenheiten des
täglichen Lebens handelt.
Wenn der mit der Obsorge betraute Elternteil die Rechte des anderen nach
Abs. 1 beharrlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag, sofern das Wohl des
Kindes gefährdet wird, auch von Amts wegen, die angemessenen Verfügungen zu
treffen.
Diese Bestimmung gilt sinngemäß auch für einen mit der Obsorge betrauten
Elternteil.
Vereinbarungen über die Obsorge, die persönlichen Kontakte und den
Unterhalt
§. 190. Die Eltern haben bei Vereinbarungen über die Obsorge, die
persönlichen Kontakte sowie die Betreuung des Kindes das Wohl des Kindes
bestmöglich zu wahren.
Die Bestimmung der Obsorge (§ 177 Abs. 2) und vor Gericht geschlossene
Vereinbarungen nach Abs. 1 bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit keiner
gerichtlichen Genehmigung. Das Gericht hat die Bestimmung der Obsorge und
Vereinbarungen der Eltern aber für unwirksam zu erklären und zugleich eine
davon abweichende Anordnung zu treffen, wenn ansonsten das Kindeswohl gefährdet
wäre.
Vor Gericht geschlossene Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher
Unterhaltsleistungen bedürfen zur ihrer Rechtswirksamkeit keiner gerichtlichen
Genehmigung und sind für den Unterhaltsverpflichteten verbindlich.
Sechster Abschnitt
Annahme an Kindesstatt
§. 191. Eigenberechtigte Personen können an Kindesstatt annehmen. Durch die
Annahme an Kindesstatt wird die Wahlkindschaft begründet.
Die Annahme eines Wahlkindes durch mehr als eine Person, sei es gleichzeitig,
sei es, solange die Wahlkindschaft besteht, nacheinander, ist nur zulässig,
wenn die Annehmenden miteinander verheiratet sind. Ehegatten dürfen in der
Regel nur gemeinsam annehmen. Ausnahmen sind zulässig, wenn das leibliche Kind
des anderen Ehegatten angenommen werden soll, wenn ein Ehegatte nicht annehmen
kann, weil er die gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich der
Eigenberechtigung oder des Alters nicht erfüllt, wenn sein Aufenthalt seit
mindestens einem Jahr unbekannt ist, wenn die Ehegatten seit mindestens drei
Jahren die eheliche Gemeinschaft aufgegeben haben oder wenn ähnliche und
besonders gewichtige Gründe die Annahme durch nur einen der Ehegatten
rechtfertigen.
Personen, denen die Sorge für das Vermögen des anzunehmenden Wahlkindes durch
gerichtliche Verfügung anvertraut ist, können dieses so lange nicht annehmen,
als sie nicht von dieser Pflicht entbunden sind. Sie müssen vorher Rechnung
gelegt und die Bewahrung des anvertrauten Vermögens nachgewiesen haben.
Form; Eintritt der Wirksamkeit
§. 192. Die Annahme an Kindesstatt kommt durch schriftlichen Vertrag
zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind und durch gerichtliche Bewilligung
auf Antrag eines Vertragsteiles zustande. Sie wird im Fall ihrer Bewilligung
mit dem Zeitpunkt der vertraglichen Willenseinigung wirksam. Stirbt der
Annehmende nach diesem Zeitpunkt, so hindert dies die Bewilligung nicht.
Das nicht eigenberechtigte Wahlkind schließt den Vertrag durch seinen
gesetzlichen Vertreter, dieser bedarf hiezu keiner gerichtlichen Genehmigung.
Verweigert der gesetzliche Vertreter seine Einwilligung, so hat das Gericht sie
auf Antrag des Annehmenden oder des Wahlkindes zu ersetzen, wenn keine
gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.
Alter
§. 193. Die Wahleltern müssen das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet
haben.
Wahlvater und Wahlmutter müssen mindestens sechzehn Jahre älter als das
Wahlkind sein.
Bewilligung
§. 194. Die Annahme eines nicht eigenberechtigten Kindes ist zu bewilligen,
wenn sie dessen Wohl dient und eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern
und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Ist
das Wahlkind eigenberechtigt, so ist die Annahme nur zu bewilligen, wenn die
Antragsteller nachweisen, dass bereits ein enges, der Beziehung zwischen
leiblichen Eltern und Kindern entsprechendes Verhältnis vorliegt, insbesondere
wenn Wahlkind und Annehmender während fünf Jahren entweder in häuslicher
Gemeinschaft gelebt oder einander in einer vergleichbar engen Gemeinschaft
Beistand geleistet haben.
Die Bewilligung ist, außer bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs. 1, zu
versagen, wenn ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes des
Annehmenden entgegensteht, insbesondere dessen Unterhalt oder Erziehung
gefährdet wäre; im übrigen sind wirtschaftliche Belange nicht zu beachten,
außer der Annehmende handelt in der ausschließlichen oder überwiegenden
Absicht, ein leibliches Kind zu schädigen.
§. 195. Die Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn folgende Personen der
Annahme zustimmen:
1. die Eltern des minderjährigen Wahlkindes;
2. der Ehegatte oder der eingetragene Partner des Annehmenden;
3. der Ehegatte oder der eingetragene Partner des Wahlkindes;
4. das Wahlkind ab Vollendung des 14. Lebensjahres.
Das Zustimmungsrecht nach Abs. 1 entfällt, wenn die zustimmungsberechtigte
Person als gesetzlicher Vertreter des Wahlkindes den Annahmevertrag geschlossen
hat, wenn sie zu einer verständigen Äußerung nicht nur vorübergehend unfähig
ist oder wenn der Aufenthalt einer der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Personen
seit mindestens sechs Monaten unbekannt ist.
Das Gericht hat die verweigerte Zustimmung einer der in Abs. 1 Z 1 bis 3
genannten Personen auf Antrag eines Vertragsteiles zu ersetzen, wenn keine
gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.
§. 196. Ein Recht auf Anhörung haben:
1. das nicht eigenberechtigte Wahlkind ab dem vollendeten fünften
Lebensjahr, außer es hat bereits seit diesem Zeitpunkt beim Annehmenden gelebt;
2. die Eltern des volljährigen Wahlkindes;
3. die Pflegeeltern oder der Leiter des Heimes, in dem sich das Wahlkind
befindet;
4. der Jugendwohlfahrtsträger.
Das Anhörungsrecht eines im Abs. 1 genannten Berechtigten entfällt, wenn er
als gesetzlicher Vertreter des Wahlkindes den Annahmevertrag geschlossen hat;
ferner, wenn er nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten gehört
werden könnte.
§. 197. Zwischen dem Annehmenden und dessen Nachkommen einerseits und dem
Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen
Nachkommen andererseits entstehen mit diesem Zeitpunkt die gleichen Rechte, wie
sie durch die Abstammung begründet werden.
Wird das Wahlkind durch Ehegatten als Wahleltern angenommen, so erlöschen
mit den in § 198 bestimmten Ausnahmen die nicht bloß in der Verwandtschaft an
sich (§ 40) bestehenden familienrechtlichen Beziehungen zwischen den leiblichen
Eltern und deren Verwandten einerseits und dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt
des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen Nachkommen andererseits mit
diesem Zeitpunkt.
Wird das Wahlkind nur durch einen Wahlvater (eine Wahlmutter) angenommen,
so erlöschen die familienrechtlichen Beziehungen nach Maßgabe des Abs. 2 zum
leiblichen Vater (zur leiblichen Mutter) und zu dessen (deren) Verwandten. Dem
nicht verdrängten leiblichen Elternteil gegenüber hat das Gericht das Erlöschen
auszusprechen, wenn dieser dem zustimmt. Das Erlöschen wirkt vom Zeitpunkt der
Abgabe der Zustimmungserklärung an, frühestens jedoch vom Zeitpunkt des
Wirksamwerdens der Annahme an.
Nimmt ein Ehegatte, ein eingetragener Partner oder ein Lebensgefährte das
Kind seines Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten an, so
erlöschen die familienrechtlichen Beziehungen nach Maßgabe des Abs. 2 lediglich
zum anderen Elternteil und zu dessen Verwandten.
§. 198. Die im Familienrecht begründeten Pflichten der leiblichen Eltern
und deren Verwandten zur Leistung des Unterhaltes und der Ausstattung gegenüber
dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen
Nachkommen bleiben aufrecht.
Das gleiche gilt für die Unterhaltspflicht des Wahlkindes gegenüber den
leiblichen Eltern, sofern diese ihre Unterhaltspflicht gegenüber dem noch nicht
vierzehn Jahre alten Kinde vor dessen Annahme an Kindesstatt nicht gröblich
vernachlässigt haben.
Die nach den Abs. 1 und 2 aufrecht bleibenden Pflichten stehen jedoch den
durch die Annahme begründeten gleichen Pflichten im Range nach.
§. 199. Die im Erbrecht begründeten Rechte zwischen den leiblichen Eltern
und deren Verwandten einerseits und dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des
Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen Nachkommen andererseits bleiben
aufrecht.
Bei der gesetzlichen Erbfolge in das Vermögen des Wahlkindes in der zweiten
Linie gehen die Wahleltern und deren Nachkommen einerseits den leiblichen
Eltern und deren Nachkommen andererseits vor.
Ist das Wahlkind nur durch eine Person angenommen worden und sind sowohl
diese Person oder deren Nachkommen als auch der nicht verdrängte leibliche
Elternteil oder dessen Nachkommen vorhanden, so fällt die Verlassenschaft –
ungeachtet eines allfälligen Erlöschens der familienrechtlichen Beziehungen
nach § 197 Abs. 3 zweiter Satz – je zur Hälfte auf den Stamm der annehmenden
Person und des nicht verdrängten leiblichen Elternteils.
Widerruf und Aufhebung
§. 200. Die gerichtliche Bewilligung ist vom Gericht mit rückwirkender
Kraft zu widerrufen:
1. von Amts wegen oder auf Antrag eines Vertragsteiles, wenn beim Abschluss
des Annahmevertrages der Annehmende nicht eigenberechtigt gewesen ist, außer er
hat nach der Erlangung seiner Eigenberechtigung zu erkennen gegeben, dass er
die Wahlkindschaft fortsetzen wolle;
2. von Amts wegen oder auf Antrag eines Vertragsteiles, wenn ein nicht
eigenberechtigtes Wahlkind selbst den Annahmevertrag geschlossen hat, außer es
hat der gesetzliche Vertreter oder nach Erlangung der Eigenberechtigung das
Wahlkind nachträglich zugestimmt oder das Gericht die verweigerte nachträgliche
Zustimmung des gesetzlichen Vertreters im Sinne des § 192 Abs. 2 ersetzt;
3. von Amts wegen oder auf Antrag eines Vertragsteiles, wenn das Wahlkind
durch mehr als eine Person angenommen worden ist, außer die Annehmenden sind im
Zeitpunkt der Bewilligung miteinander verheiratet gewesen;
4. von Amts wegen oder auf Antrag eines Vertragsteiles, wenn der
Annahmevertrag ausschließlich oder vorwiegend in der Absicht geschlossen worden
ist, dem Wahlkind die Führung des Familiennamens des Wahlvaters oder der
Wahlmutter zu ermöglichen oder den äußeren Schein einer Wahlkindschaft zur
Verdeckung rechtswidriger geschlechtlicher Beziehungen zu schaffen;
5. auf Antrag eines Vertragsteiles, wenn der Annahmevertrag nicht
schriftlich geschlossen worden ist und seit dem Eintritt der Rechtskraft des
Bewilligungsbeschlusses nicht mehr als fünf Jahre verstrichen sind.
Hat einer der Vertragsteile den Widerrufsgrund (Abs. 1 Z 1 bis 3 und 5) bei
Abschließung des Annahmevertrages nicht gekannt, so gilt in seinem Verhältnis
zum anderen Vertragsteil der Widerruf insoweit als Aufhebung (§ 201), als er
dies beansprucht.
Einem Dritten, der im Vertrauen auf die Gültigkeit der Annahme an
Kindesstatt vor dem Widerruf Rechte erworben hat, kann nicht eingewendet
werden, dass die Bewilligung widerrufen worden ist. Zum Nachteil eines der
Vertragsteile, der den Widerrufsgrund bei Abschließung des Annahmevertrages
nicht gekannt hat, kann ein Dritter nicht die Wirkungen des Widerrufes
beanspruchen.
§. 201. Die Wahlkindschaft ist vom Gericht aufzuheben:
1. wenn die Erklärung eines Vertragsteiles oder eines
Zustimmungsberechtigten durch List oder ungerechte und gegründete Furcht
veranlasst worden ist und der Betroffene die Aufhebung binnen Jahresfrist nach
Entdeckung der Täuschung oder Wegfall der Zwangslage beantragt;
2. von Amts wegen, wenn die Aufrechterhaltung der Wahlkindschaft das Wohl
des nicht eigenberechtigten Wahlkindes ernstlich gefährden würde;
3. auf Antrag des Wahlkindes, wenn die Aufhebung nach Auflösung oder
Nichtigerklärung der Ehe der Wahleltern oder des leiblichen Elternteils mit dem
Wahlelternteil oder nach Auflösung oder Nichtigerklärung der eingetragenen
Partnerschaft des leiblichen Elternteils mit dem Wahlelternteil oder nach dem
Tode des Wahlvaters (der Wahlmutter) dem Wohle des Wahlkindes dient und nicht
einem gerechtfertigten Anliegen des (der) von der Aufhebung betroffenen, wenn
auch bereits verstorbenen Wahlvaters (Wahlmutter) widerspricht;
4. wenn der Wahlvater (die Wahlmutter) und das eigenberechtigte Wahlkind
die Aufhebung beantragen.
Besteht die Wahlkindschaft gegenüber einem Wahlvater und einer Wahlmutter,
so darf die Aufhebung im Sinne des Abs. 1 nur beiden gegenüber bewilligt
werden; die Aufhebung gegenüber einem von ihnen allein ist nur im Falle der
Auflösung oder Nichtigerklärung ihrer Ehe zulässig.
§. 202. Mit dem Eintritt der Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses
erlöschen die durch die Annahme zwischen dem Wahlvater (der Wahlmutter) und
dessen (deren) Nachkommen einerseits und dem Wahlkind und dessen Nachkommen
andererseits begründeten Rechtsbeziehungen.
Mit diesem Zeitpunkt leben die familienrechtlichen Beziehungen zwischen den
leiblichen Eltern und deren Verwandten einerseits und dem Wahlkind und dessen
Nachkommen andererseits, soweit sie nach dem § 197 erloschen sind, wieder auf.
Mit dem im Abs. 1 genannten Zeitpunkt sind hinsichtlich des Wahlkindes und
dessen minderjährigen Nachkommen die namensrechtlichen Wirkungen der Annahme so
anzusehen, als wären sie nicht eingetreten.
§. 203. Ein Widerruf oder eine Aufhebung aus anderen als den in den §§ 200
und 201 angeführten Gründen ist unzulässig; ebenso eine vertragliche Einigung
oder ein Rechtsstreit über die Anfechtung des Annahmevertrages.
Viertes Hauptstück
Von der Obsorge einer anderen Person
§. 204. Soweit nach dem dritten Hauptstück weder Eltern noch Großeltern
oder Pflegeeltern mit der Obsorge betraut sind oder betraut werden können und
kein Fall des § 207 vorliegt, hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des
Kindes eine andere geeignete Person mit der Obsorge zu betrauen.
§. 205. Bei der Auswahl einer anderen Person für die Obsorge ist besonders
auf das Wohl des Kindes Bedacht zu nehmen. Wünsche des Kindes und der Eltern,
im Falle des § 166 des Zuwendenden, sind zu berücksichtigen, sofern sie dem
Wohl des Kindes entsprechen.
Mit der Obsorge dürfen nicht betraut werden
1. nicht voll handlungsfähige Personen;
2. Personen, von denen, besonders auch wegen der durch eine
strafgerichtliche Verurteilung zutage getretenen Veranlagung oder Eigenschaft,
eine dem Wohl des minderjährigen Kindes förderliche Ausübung der Obsorge nicht
zu erwarten ist.
§. 206. Derjenige, den das Gericht mit der Obsorge betrauen will, hat alle
Umstände, die ihn dafür ungeeignet erscheinen lassen, dem Gericht mitzuteilen.
Unterlässt er diese Mitteilung schuldhaft, so haftet er für alle dem
minderjährigen Kind daraus entstehenden Nachteile.
Eine besonders geeignete Person kann die Betrauung mit der Obsorge nur
ablehnen, wenn ihr diese unzumutbar wäre.
Aufgaben des Jugendwohlfahrtsträgers
§. 207. Wird ein minderjähriges Kind im Inland gefunden und sind dessen
Eltern unbekannt, so ist kraft Gesetzes der Jugendwohlfahrtsträger mit der
Obsorge betraut. Dies gilt für den Bereich der Vermögensverwaltung und der
Vertretung auch, wenn ein Kind im Inland geboren wird und in diesem Bereich
kein Elternteil mit der Obsorge betraut ist.
§. 208. Der Jugendwohlfahrtsträger hat, soweit es nach den Umständen
geboten scheint, den gesetzlichen Vertreter eines im Inland geborenen Kindes
innerhalb angemessener Frist nach der Geburt über die elterlichen Rechte und
Pflichten, besonders über den Unterhaltsanspruch des Kindes, gegebenenfalls
auch über die Feststellung der Vaterschaft, in Kenntnis zu setzen und ihm für
die Wahrnehmung der Rechte des Kindes seine Hilfe anzubieten.
Für die Festsetzung oder Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes
sowie gegebenenfalls in Abstammungsangelegenheiten ist der
Jugendwohlfahrtsträger Vertreter des Kindes, wenn die schriftliche Zustimmung
des sonstigen gesetzlichen Vertreters vorliegt.
Für andere Angelegenheiten ist der Jugendwohlfahrtsträger Vertreter des
Kindes, wenn er sich zur Vertretung bereit erklärt und die schriftliche
Zustimmung des sonstigen gesetzlichen Vertreters vorliegt.
Durch die Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers wird die
Vertretungsbefugnis des sonstigen gesetzlichen Vertreters nicht eingeschränkt,
jedoch gilt § 169 sinngemäß. Der Jugendwohlfahrtsträger und der sonstige
gesetzliche Vertreter haben einander über ihre Vertretungshandlungen in Kenntnis
zu setzen.
Die Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers endet, wenn der
sonstige gesetzliche Vertreter seine Zustimmung schriftlich widerruft, der
Jugendwohlfahrtsträger seine Erklärung nach Abs. 3 zurücknimmt oder das Gericht
den Jugendwohlfahrtsträger auf dessen Antrag als Vertreter enthebt, weil er zur
Wahrung der Rechte und zur Durchsetzung der Ansprüche des Kindes nach Lage des
Falles nichts mehr beizutragen vermag.
§. 209. Ist eine andere Person mit der Obsorge für einen Minderjährigen ganz
oder teilweise zu betrauen und lassen sich dafür Verwandte oder andere nahe
stehende oder sonst besonders geeignete Personen nicht finden, so hat das
Gericht die Obsorge dem Jugendwohlfahrtsträger zu übertragen. Gleiches gilt,
wenn einem Minderjährigen ein Kurator zu bestellen ist.
§. 210. Die § 213, 224, 228, 229 und 230 gelten für den
Jugendwohlfahrtsträger nicht. Dieser ist vor der Anlegung des Vermögens eines
Minderjährigen nur im Fall des § 220 verpflichtet, die Zustimmung des Gerichtes
einzuholen.
Der Jugendwohlfahrtsträger bedarf zum Abschluß von Vereinbarungen über die
Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen nicht der Genehmigung des Gerichtes.
Vereinbarungen über die Leistung des Unterhalts eines Minderjährigen, die vor
dem Jugendwohlfahrtsträger oder von ihm geschlossen und von ihm beurkundet
werden, haben die Wirkung eines gerichtlichen Vergleiches.
Der Jugendwohlfahrtsträger hat Personen, die ein Kind pflegen und erziehen
oder gesetzlich vertreten, über seine Vertretungstätigkeit bezüglich dieses
Kindes Auskünfte zu erteilen, soweit das Wohl des Kindes hiedurch nicht
gefährdet wird.
§. 211. Der Jugendwohlfahrtsträger hat die zur Wahrung des Wohles eines
Minderjährigen erforderlichen gerichtlichen Verfügungen im Bereich der Obsorge
zu beantragen. Bei Gefahr im Verzug kann er die erforderlichen Maßnahmen der
Pflege und Erziehung vorläufig mit Wirksamkeit bis zur gerichtlichen
Entscheidung selbst treffen; er hat diese Entscheidung unverzüglich, jedenfalls
innerhalb von acht Tagen, zu beantragen. Im Umfang der getroffenen Maßnahmen
ist der Jugendwohlfahrtsträger vorläufig mit der Obsorge betraut.
Eine einstweilige Verfügung nach den §§ 382b und 382e EO sowie deren
Vollzug kann der Jugendwohlfahrtsträger als Vertreter des Minderjährigen
beantragen, wenn der sonstige gesetzliche Vertreter einen erforderlichen Antrag
nicht unverzüglich gestellt hat; § 208 Abs. 4 gilt hiefür entsprechend.
§. 212. Sofern nicht anderes angeordnet ist, fallen die Aufgaben dem
Bundesland als Jugendwohlfahrtsträger zu, in dem das minderjährige Kind seinen
gewöhnlichen Aufenthalt, mangels eines solchen im Inland seinen Aufenthalt hat.
Fehlt ein Aufenthalt im Inland, so ist, sofern das minderjährige Kind
österreichischer Staatsbürger ist, für im Inland zu besorgende Aufgaben das Bundesland
als Jugendwohlfahrtsträger zuständig, in dem der Minderjährige seinen letzten
Aufenthalt gehabt hat, dann dasjenige, in dem ein Elternteil seinen Aufenthalt
hat oder zuletzt gehabt hat. Wechselt das minderjährige Kind seinen Aufenthalt
in ein anderes Bundesland, so kann der Jugendwohlfahrtsträger seine Aufgaben
dem anderen mit dessen Zustimmung übertragen. Hievon ist das Gericht zu
verständigen, wenn es mit den Angelegenheiten des minderjährigen Kindes bereits
befasst war.
§. 213. Ist eine andere Person mit der Obsorge betraut, so hat sie, soweit
nicht anderes bestimmt ist, in wichtigen, die Person des Kindes betreffenden
Angelegenheiten, insbesondere in den Angelegenheiten des § 167 Abs. 2, die
Genehmigung des Gerichtes einzuholen. Ohne Genehmigung getroffene Maßnahmen
oder Vertretungshandlungen sind unzulässig und unwirksam, sofern nicht Gefahr
im Verzug vorliegt.
Einer medizinischen Behandlung, die gewöhnlich mit einer schweren oder
nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der
Persönlichkeit verbunden ist, kann die mit der Obsorge betraute Person nur
zustimmen, wenn ein vom behandelnden Arzt unabhängiger Arzt in einem ärztlichen
Zeugnis bestätigt, dass das Kind nicht über die erforderliche Einsichts- und
Urteilsfähigkeit verfügt und die Vornahme der Behandlung zur Wahrung seines
Wohles erforderlich ist. Wenn ein solches Zeugnis nicht vorliegt oder das Kind
zu erkennen gibt, dass es die Behandlung ablehnt, bedarf die Zustimmung der
Genehmigung des Gerichts. Erteilt die mit der Obsorge betraute Person die
Zustimmung zu einer medizinischen Behandlung nicht und wird dadurch das Wohl
des Kindes gefährdet, so kann das Gericht die Zustimmung ersetzen oder die
Obsorge an eine andere Person übertragen.
§. 214. Die mit der gesetzlichen Vertretung in Angelegenheiten der
Vermögensverwaltung betraute Person hat bei Antritt der Obsorge nach
gründlicher Erforschung des Vermögensstandes dem Gericht gegenüber das Vermögen
im Einzelnen anzugeben und bei Beendigung der Obsorge Rechnung zu legen. Das
Gericht hat die Tätigkeit des gesetzlichen Vertreters zur Vermeidung einer
Gefährdung des Wohls des minderjährigen Kindes zu überwachen und die dazu
notwendigen Aufträge zu erteilen. Näheres wird in den Verfahrensgesetzen
bestimmt.
Auf Vertretungshandlungen und Einwilligungen in Vermögensangelegenheiten
ist § 167 Abs. 3 und § 168 sinngemäß anzuwenden.
Anlegung von Mündelgeld
§. 215. Soweit Geld eines Minderjährigen nicht, dem Gesetz entsprechend,
für besondere Zwecke zu verwenden ist, ist es unverzüglich sicher und möglichst
fruchtbringend durch Spareinlagen, den Erwerb von Wertpapieren (Forderungen),
die Gewährung von Darlehen, den Erwerb von Liegenschaften oder in anderer Weise
nach den folgenden Bestimmungen anzulegen.
Ist es wirtschaftlich zweckmäßig, so ist Mündelgeld auf mehrere dieser
Arten anzulegen.
§. 215a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 216. Spareinlagen bei einer inländischen Kreditunternehmung, die zur
Entgegennahme von Spareinlagen berechtigt ist, sind zur Anlegung von Mündelgeld
geeignet, wenn sie auf den Namen des Mündels lauten, ausdrücklich die
Bezeichnung „Mündelgeld“ tragen und entweder allgemein für die
Verbindlichkeiten der Kreditunternehmung der Bund oder eines der Länder oder
für die Verzinsung und Rückzahlung der Mündelgeldspareinlagen im besonderen ein
von der Kreditunternehmung gebildeter, jederzeit mit der jeweiligen Höhe
solcher Einlagen übereinstimmender unbelasteter Deckungsstock haftet. Dieser
Deckungsstock hat ausschließlich in mündelsicheren Wertpapieren (§ 217), in
Hypothekarforderungen mit gesetzgemäßer Sicherheit (§ 218), in Forderungen, für
die der Bund oder eines der Länder haftet, oder in Bargeld zu bestehen.
§. 217. Der Erwerb folgender Wertpapiere und Forderungen ist zur Anlegung
von Mündelgeld geeignet:
1. Teilschuldverschreibungen von Anleihen, für deren Verzinsung und
Rückzahlung der Bund oder eines der Länder haftet;
2. Forderungen, die in das Hauptbuch der Staatsschuld eingetragen sind;
3. Pfandbriefe und Kommunalschuldverschreibungen der nach den gesetzlichen
Vorschriften zur Ausgabe solcher Wertpapiere zugelassenen inländischen
Kreditunternehmungen;
4. von einer inländischen Kreditunternehmung ausgegebene
Teilschuldverschreibungen, sofern die Kreditunternehmung verpflichtet ist, die
Ansprüche aus diesen Teilschuldverschreibungen vorzugsweise zu befriedigen und
als Sicherheit für diese Befriedigung Forderungen der Kreditunternehmung, für
die der Bund haftet, Wertpapiere oder Forderungen gemäß den Z. 1 bis 3 und 5
oder Bargeld zu bestellen, und dies auf den Teilschuldverschreibungen
ausdrücklich ersichtlich gemacht ist;
5. sonstige Wertpapiere, sofern sie durch besondere gesetzliche
Vorschriften zur Anlegung von Mündelgeld geeignet erklärt worden sind.
§. 218. Darlehen sind zur Anlegung von Mündelgeld geeignet, wenn zu ihrer
Sicherstellung an einer inländischen Liegenschaft eine Hypothek bestellt wird
und die Liegenschaft samt ihrem Zubehör während der Laufzeit des Darlehens
ausreichend feuerversichert ist. Liegenschaften, deren Wert sich wegen eines
darauf befindlichen Abbaubetriebs ständig und beträchtlich vermindert, sind
nicht geeignet.
Es darf jedoch eine Liegenschaft nicht über die Hälfte des Verkehrswertes
belastet werden. Bei Weingärten, Wäldern und anderen Liegenschaften, deren
Ertrag auf ähnlichen dauernden Anpflanzungen beruht, ist die Belastungsgrenze
ohne Berücksichtigung des Wertes der Kulturgattung vom Grundwert zu errechnen.
Ebenso ist bei industriell oder gewerblich genutzten Liegenschaften vom bloßen
Grundwert auszugehen, doch sind von diesem die Kosten der Freimachung der
Liegenschaft von industriell oder gewerblich genutzten Baulichkeiten
abzuziehen.
§. 219. Der Erwerb inländischer Liegenschaften ist zur Anlegung von
Mündelgeld geeignet, wenn sich ihr Wert nicht wegen eines darauf befindlichen
Abbaubetriebs ständig und beträchtlich vermindert oder sie nicht ausschließlich
oder überwiegend industriellen oder gewerblichen Zwecken dienen.
Der Kaufpreis soll in der Regel den Verkehrswert nicht übersteigen.
§. 220. Eine andere Anlegung des Vermögens eines minderjährigen Kindes ist
zulässig, wenn sie nach den Verhältnissen des Einzelfalls den Grundsätzen einer
sicheren und wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entspricht. Dem Eintreten
eines größeren Schadens durch Verwirklichung von Risken ist tunlichst durch
deren Streuung entgegenzuwirken.
Bei Wertpapieren und Forderungen, die in den §§ 216 bis 218 nicht genannt
sind, muss dafür vorgesorgt sein, dass sie laufend sachkundig auf ihre
Sicherheit und Wirtschaftlichkeit hin verwaltet werden und ein Verkauf, falls
er durch die Marktentwicklung geboten sein sollte, unverzüglich vorgenommen
wird; die Haftung des Verwalters dem minderjährigen Kind gegenüber muss
gesichert sein. Bei Einlagen, die eine regelmäßige Einzahlung voraussetzen,
muss sichergestellt sein, dass diese aus dem Vermögen des minderjährigen Kindes
geleistet werden können.
Bei Liegenschaften, die im § 219 nicht genannt sind, muss ihr Erwerb dem
minderjährigen Kind mit Beziehung auf die gegenwärtige oder künftige Berufsausübung
oder sonst zum klaren Vorteil gereichen; der Kaufpreis darf den Verkehrswert
nicht übersteigen.
§. 221. Der gesetzliche Vertreter bedarf für Anlegungen des Vermögens eines
minderjährigen Kindes keiner Genehmigung, wenn die Anlegung zum ordentlichen
Wirtschaftsbetrieb gehört.
§. 222. Das übrige bewegliche Vermögen, das nicht zur Befriedigung der
gegenwärtigen oder zukünftigen Bedürfnisse des minderjährigen Kindes benötigt
wird oder zumindest nicht dazu geeignet scheint, ist bestmöglich zu verwerten. Einer
gerichtlichen Genehmigung bedarf es nur, wenn der Verkehrswert der einzelnen
Sache voraussichtlich 1000 Euro oder die Summe der Werte der zur Verwertung
bestimmten Sachen voraussichtlich 10000 Euro übersteigt.
§. 223. Ein unbewegliches Gut darf nur im Notfall oder zum offenbaren
Vorteil des minderjährigen Kindes mit gerichtlicher Genehmigung veräußert
werden.
§. 224. Der gesetzliche Vertreter kann 10000 Euro übersteigende Zahlungen
an das minderjährige Kind nur entgegennehmen und darüber quittieren, wenn er
dazu vom Gericht im Einzelfall oder allgemein ermächtigt wurde. Fehlt eine
solche Ermächtigung, so wird der Schuldner durch Zahlung an den Vertreter von
seiner Schuld nur befreit, wenn das Gezahlte noch im Vermögen des
minderjährigen Kindes vorhanden ist oder für seine Zwecke verwendet wurde.
Änderungen in der Obsorge
§. 225. Die Obsorge des Jugendwohlfahrtsträgers (§ 207) endet, sofern der
Umstand, der die Eltern von der Ausübung der Obsorge ausgeschlossen hat,
weggefallen ist; im ersten Fall des § 207 bedarf es hiezu jedoch der
Übertragung der Obsorge an die Eltern durch das Gericht.
§. 226. Das Gericht hat die Obsorge an eine andere Person zu übertragen,
wenn das Wohl des minderjährigen Kindes dies erfordert, insbesondere wenn die
mit der Obsorge betraute Person ihre Verpflichtungen aus § 159 nicht erfüllt,
einer der Umstände des § 205 Abs. 2 eintritt oder bekannt wird oder die Person,
die bisher mit der Obsorge betraut war, stirbt.
Haftung
§. 227. Die nach § 204 mit der Obsorge betrauten Personen haften dem Kind
gegenüber für jeden durch ihr Verschulden verursachten Schaden.
Soweit sich die mit der Obsorge betraute Person zu ihrer Ausübung
rechtmäßig anderer Personen bedient, haftet sie nur insoweit, als sie
schuldhaft eine untüchtige oder gefährliche Person ausgewählt, deren Tätigkeit
nur unzureichend überwacht oder die Geltendmachung von Ersatzansprüchen des
minderjährigen Kindes gegen diese Personen schuldhaft unterlassen hat.
§. 228. Der Richter kann die Ersatzpflicht nach § 227 insoweit mäßigen oder
ganz erlassen, als sie die mit der Obsorge betraute Person unter
Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Grades des Verschuldens oder
eines besonderen Naheverhältnisses zwischen dem minderjährigen Kind und der mit
der Obsorge betrauten Person, unbillig hart träfe.
Entschädigung
§. 229. Der nach § 204 mit der
Obsorge betrauten Person gebührt unter Bedachtnahme auf Art und Umfang ihrer
Tätigkeit und des damit gewöhnlich verbundenen Aufwands an Zeit und Mühe eine
jährliche Entschädigung, soweit dadurch die Befriedigung der Lebensbedürfnisse
des Kindes nicht gefährdet wird.
Sofern das Gericht nicht aus
besonderen Gründen eine geringere Entschädigung für angemessen findet, beträgt
sie fünf vom Hundert sämtlicher Einkünfte nach Abzug der hievon zu entrichtenden
gesetzlichen Steuern und Abgaben. Bezüge, die kraft besonderer gesetzlicher
Anordnung zur Deckung bestimmter Aufwendungen dienen, sind nicht als Einkünfte
zu berücksichtigen. Übersteigt der Wert des Vermögens des minderjährigen Kindes
10000 Euro, so kann das Gericht überdies pro Jahr bis zu zwei vom Hundert des
Mehrbetrags als Entschädigung gewähren, soweit sich die mit der Obsorge
betraute Person um die Erhaltung des Vermögens oder dessen Verwendung zur
Deckung von Bedürfnissen des Kindes besonders verdient gemacht hat. Betrifft
die Obsorge nur einen Teilbereich der Obsorge oder dauert die Tätigkeit der mit
der Obsorge betrauten Person nicht ein volles Jahr, so vermindert sich der
Anspruch auf Entschädigung entsprechend.
Bei besonders umfangreichen und
erfolgreichen Bemühungen der mit der Obsorge betrauten Person kann das Gericht
die Entschädigung auch höher als nach Abs. 2 erster Satz bemessen, jedoch nicht
höher als zehn vom Hundert der Einkünfte.
Entgelt und Aufwandsersatz
§. 230. Nützt die mit der Obsorge
betraute Person für Angelegenheiten, deren Besorgung sonst einem Dritten
übertragen werden müsste, ihre besonderen beruflichen Kenntnisse und
Fähigkeiten, so hat sie hiefür einen Anspruch auf angemessenes Entgelt. Dieser
Anspruch besteht für die Kosten einer rechtsfreundlichen Vertretung jedoch
nicht, soweit beim minderjährigen Kind die Voraussetzungen für die Bewilligung
der Verfahrenshilfe gegeben sind oder diese Kosten nach gesetzlichen
Vorschriften vom Gegner ersetzt werden.
Zur zweckentsprechenden Ausübung
der Obsorge notwendige Barauslagen, tatsächliche Aufwendungen und die Kosten
der Versicherung der Haftpflicht nach § 227 sind der mit der Obsorge betrauten
Person vom minderjährigen Kind jedenfalls zu erstatten, soweit sie nach gesetzlichen
Vorschriften nicht unmittelbar von Dritten getragen werden.
Ansprüche nach den Abs. 1 und 2
bestehen insoweit nicht, als durch sie die Befriedigung der Lebensbedürfnisse
des Kindes gefährdet wäre.
§. 230a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 230b. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 230c. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 230d. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 230e. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
Fünftes Hauptstück
Kindesunterhalt
§. 231. Die Eltern haben zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen
angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen,
Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften
anteilig beizutragen.
Der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, leistet
dadurch seinen Beitrag. Darüber hinaus hat er zum Unterhalt des Kindes
beizutragen, soweit der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse
des Kindes nicht imstande ist oder mehr leisten müsste, als es seinen eigenen
Lebensverhältnissen angemessen wäre.
Der Anspruch auf Unterhalt mindert sich insoweit, als das Kind eigene
Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse
selbsterhaltungsfähig ist.
Vereinbarungen, wonach sich ein Elternteil dem anderen gegenüber
verpflichtet, für den Unterhalt des Kindes allein oder überwiegend aufzukommen
und den anderen für den Fall der Inanspruchnahme mit der Unterhaltspflicht
schad- und klaglos zu halten, sind unwirksam, sofern sie nicht im Rahmen einer
umfassenden Regelung der Folgen einer Scheidung vor Gericht geschlossen werden.
§. 232. Soweit die Eltern nach ihren Kräften zur Leistung des Unterhalts
nicht imstande sind, schulden ihn die Großeltern nach den den
Lebensverhältnissen der Eltern angemessenen Bedürfnissen des Kindes. Im Übrigen
gilt der § 231 sinngemäß; der Unterhaltsanspruch eines Enkels mindert sich
jedoch auch insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens
zumutbar ist. Überdies hat ein Großelternteil nur insoweit Unterhalt zu
leisten, als er dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten
den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet.
§. 233. Die Schuld eines Elternteils, dem Kind den Unterhalt
zu leisten, geht bis zum Wert der Verlassenschaft auf seine Erben über. Auf den
Anspruch des Kindes ist alles anzurechnen, was das Kind nach dem Verstorbenen
durch eine vertragliche oder letztwillige Zuwendung, als gesetzlichen Erbteil,
als Pflichtteil oder durch eine öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche
Leistung erhält. Reicht der Wert der Verlassenschaft nicht aus, um dem Kind den
geschuldeten Unterhalt bis zum voraussichtlichen Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit
zu sichern, so mindert sich der Anspruch des Kindes entsprechend.
§. 234. Das Kind schuldet seinen Eltern und Großeltern unter
Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der
Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern
er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt
hat.
Die Unterhaltspflicht der Kinder steht der eines Ehegatten,
eines früheren Ehegatten, von Vorfahren und von Nachkommen näheren Grades des
Unterhaltsberechtigten im Rang nach. Mehrere Kinder haben den Unterhalt
anteilig nach ihren Kräften zu leisten.
Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils
mindert sich insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar
ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch
bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen
Unterhalt nicht gefährdet.
Ansprüche im Zusammenhang mit der Geburt
§. 235. Der Vater ist verpflichtet, der Mutter die Kosten der Entbindung
sowie die Kosten ihres Unterhaltes für die ersten acht Wochen nach der
Entbindung und, falls infolge der Entbindung weitere Auslagen notwendig werden,
auch diese zu ersetzen.
Die Forderung ist mit Ablauf von drei Jahren nach der Entbindung verjährt.
§. 236. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 56, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
§. 237. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 56, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
§. 238. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 56, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
§. 239. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 43, BGBl 1977/Nr. 403.)
§. 240. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 43, BGBl 1977/Nr. 403.)
§. 241. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 43, BGBl 1977/Nr. 403.)
§. 242. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 43, BGBl 1977/Nr. 403.)
§. 243. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 43, BGBl 1977/Nr. 403.)
§. 244. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 33, BGBl 1989/Nr. 162 – Kindschaftsrecht-Änderungsgesetz.)
§. 245. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 57, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
§. 246. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 8, BGBl 1973/Nr. 108.)
§. 247. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 45, BGBl 1977/Nr. 403.)
§. 248. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 9, BGBl 1973/Nr. 108.)
§. 249. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 58, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
§. 250. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 251. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 61, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
§. 252. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 11, BGBl 1973/Nr. 108.)
§. 253. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 254. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 63, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
§. 255. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 63, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
§. 256. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 63, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
§. 257. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 63, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
§. 258. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 63, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
§. 259. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 47, BGBl 1977/Nr. 403.)
§. 260. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 12, BGBl 1973/Nr. 108.)
§. 261. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 63, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
§. 262. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 63, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
§. 263. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 63, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
§. 264. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 265. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 266. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
§. 267. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2013/Nr. 15.)
Sechstes Hauptstück
Von der Sachwalterschaft, der sonstigen gesetzlichen Vertretung und der
Vorsorgevollmacht
Voraussetzungen für die Bestellung eines Sachwalters oder Kurators
a) für behinderte Personen;
§. 268. Vermag eine volljährige Person, die an einer psychischen Krankheit
leidet oder geistig behindert ist (behinderte Person), alle oder einzelne ihrer
Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen,
so ist ihr auf ihren Antrag oder von Amts wegen dazu ein Sachwalter zu
bestellen.
Die Bestellung eines Sachwalters ist unzulässig, soweit Angelegenheiten der
behinderten Person durch einen anderen gesetzlichen Vertreter oder im Rahmen
einer anderen Hilfe, besonders in der Familie, in Pflegeeinrichtungen, in
Einrichtungen der Behindertenhilfe oder im Rahmen sozialer oder psychosozialer
Dienste, im erforderlichen Ausmaß besorgt werden. Ein Sachwalter darf auch dann
nicht bestellt werden, soweit durch eine Vollmacht, besonders eine
Vorsorgevollmacht, oder eine verbindliche Patientenverfügung für die Besorgung
der Angelegenheiten der behinderten Person im erforderlichen Ausmaß vorgesorgt
ist. Ein Sachwalter darf nicht nur deshalb bestellt werden, um einen Dritten
vor der Verfolgung eines, wenn auch bloß vermeintlichen, Anspruchs zu schützen.
Je nach Ausmaß der Behinderung sowie Art und Umfang der zu besorgenden
Angelegenheiten ist der Sachwalter zu betrauen
1. mit der Besorgung einzelner Angelegenheiten, etwa der Durchsetzung oder
der Abwehr eines Anspruchs oder der Eingehung und der Abwicklung eines
Rechtsgeschäfts,
2. mit der Besorgung eines bestimmten Kreises von Angelegenheiten, etwa der
Verwaltung eines Teiles oder des gesamten Vermögens, oder,
3. soweit dies unvermeidlich ist, mit der Besorgung aller Angelegenheiten
der behinderten Person.
Sofern dadurch nicht das Wohl der behinderten Person gefährdet wird, kann
das Gericht auch bestimmen, dass die Verfügung oder Verpflichtung hinsichtlich bestimmter
Sachen, des Einkommens oder eines bestimmten Teiles davon vom Wirkungsbereich
des Sachwalters ausgenommen ist.
b) für Ungeborene;
§. 269. In Rücksicht auf Ungeborne wird ein Kurator entweder für die
Nachkommenschaft überhaupt, oder für eine bereits vorhandene Leibesfrucht (§.
22) aufgestellet. Im ersten Falle hat der Kurator dafür zu sorgen, daß die
Nachkommenschaft bey einer ihr bestimmten Verlassenschaft nicht verkürzet
werde; im zweyten Falle aber, daß die Rechte des noch ungebornen Kindes erhalten
werden.
c) für Abwesende und für unbekannte Teilnehmer an einem Geschäft;
§. 270. Die Bestellung eines Curators für Abwesende, oder für die dem
Gerichte zur Zeit noch unbekannten Theilnehmer an einem Geschäfte findet dann
Statt, wenn sie keinen ordentlichen Vertreter zurückgelassen haben, ohne
solchen aber ihre Rechte durch Verzug gefährdet, oder die Rechte eines Anderen
in ihrem Gange gehemmet würden und nicht in anderer Weise, etwa durch die
Bestellung eines Kurators in einem bestimmten gerichtlichen Verfahren durch das
dort zur Entscheidung berufene Gericht, für die Wahrung dieser Rechte Sorge
getragen werden kann. Ist der Aufenthaltsort eines Abwesenden bekannt, so muß
ihn sein Curator von der Lage seiner Angelegenheiten unterrichten, und diese Angelegenheiten,
wenn keine andere Verfügung getroffen wird, wie jene eines Minderjährigen
besorgen.
d) im Kollisionsfall
§. 271. Widerstreiten einander in einer bestimmten Angelegenheit die
Interessen einer minderjährigen oder sonst nicht voll handlungsfähigen Person
und jene ihres gesetzlichen Vertreters, so hat das Gericht der Person zur
Besorgung dieser Angelegenheiten einen besonderen Kurator zu bestellen.
Der Bestellung eines Kurators bedarf es nicht, wenn eine Gefährdung der
Interessen des minderjährigen Kindes oder der sonst nicht voll handlungsfähigen
Person nicht zu besorgen ist und die Interessen des minderjährigen Kindes oder
der sonst nicht voll handlungsfähigen Person vom Gericht ausreichend
wahrgenommen werden können. Dies gilt im Allgemeinen in Verfahren zur
Durchsetzung der Rechte des Kindes nach §§ 187, 188 und 231, auch wenn es durch
den betreuenden Elternteil vertreten wird, sowie in Verfahren über Ansprüche
nach § 229 Abs. 1 und 2 oder § 230.
§. 272. Widerstreiten einander die Interessen zweier oder mehrerer
minderjähriger oder sonst nicht voll handlungsfähiger Personen, die denselben
gesetzlichen Vertreter haben, so darf dieser keine der genannten Personen
vertreten. Das Gericht hat für jede von ihnen einen besonderen Kurator zu
bestellen.
§ 271 Abs. 2 gilt entsprechend.
Bestellung
§. 273. Bei der Auswahl des Sachwalters oder Kurators ist auf die Art der
Angelegenheiten, die für die zu vertretende Person (den Pflegebefohlenen) zu
besorgen sind, zu achten.
Mit der Sachwalterschaft oder Kuratel dürfen nicht betraut werden
1. nicht eigenberechtigte Personen;
2. Personen, von denen, besonders auch wegen einer strafgerichtlichen
Verurteilung, eine dem Wohl des Pflegebefohlenen förderliche Ausübung der
Sachwalterschaft oder Kuratel nicht zu erwarten ist.
§. 273a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 9, BGBl I 2006/Nr. 92 –
Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006.)
§. 274. Derjenige, den das Gericht zum Sachwalter (Kurator) bestellen will,
hat alle Umstände, die ihn dafür ungeeignet erscheinen lassen, dem Gericht
mitzuteilen. Unterlässt er diese Mitteilung schuldhaft, so haftet er für alle
dem Pflegebefohlenen daraus entstehenden Nachteile.
Ein Rechtsanwalt oder Notar kann die Übernahme einer Sachwalterschaft
(Kuratel) nur ablehnen, wenn ihm diese unter Berücksichtigung seiner
persönlichen, familiären, beruflichen und sonstigen Verhältnisse nicht
zugemutet werden kann. Dies wird bei mehr als fünf Sachwalterschaften
(Kuratelen) vermutet.
Rechte und Pflichten
§. 275. Die Sachwalterschaft (Kuratel) umfasst alle Tätigkeiten, die
erforderlich sind, um die dem Sachwalter (Kurator) übertragenen Angelegenheiten
zu besorgen. Der Sachwalter (Kurator) hat dabei das Wohl des Pflegebefohlenen
bestmöglich zu fördern.
In wichtigen, die Person des Pflegebefohlenen betreffenden Angelegenheiten
hat der Sachwalter (Kurator) die Genehmigung des Gerichts einzuholen. Ohne
Genehmigung getroffene Maßnahmen oder Vertretungshandlungen sind unzulässig und
unwirksam, sofern nicht Gefahr im Verzug vorliegt.
In Vermögensangelegenheiten gelten die §§ 214 bis 224 sinngemäß.
Entschädigung, Entgelt und Aufwandersatz
§. 276. Dem Sachwalter (Kurator) gebührt unter Bedachtnahme auf Art und
Umfang seiner Tätigkeit, insbesondere auch im Bereich der Personensorge, und
des damit gewöhnlich verbundenen Aufwands an Zeit und Mühe eine jährliche
Entschädigung. Diese beträgt fünf Prozent sämtlicher Einkünfte nach Abzug der
hievon zu entrichtenden Steuern und Abgaben, wobei Bezüge, die kraft besonderer
gesetzlicher Anordnung zur Deckung bestimmter Aufwendungen dienen, nicht als
Einkünfte zu berücksichtigen sind; bei besonders umfangreichen und
erfolgreichen Bemühungen des Sachwalters kann das Gericht die Entschädigung
auch mit bis zu zehn Prozent dieser Einkünfte bemessen. Übersteigt der Wert des
Vermögens des Pflegebefohlenen 10 000 Euro, so ist darüber hinaus pro Jahr zwei
Prozent des Mehrbetrags an Entschädigung zu gewähren. Das Gericht hat die
Entschädigung zu mindern, wenn es dies aus besonderen Gründen für angemessen
hält.
Nützt der Sachwalter (Kurator) für Angelegenheiten, deren Besorgung sonst
einem Dritten entgeltlich übertragen werden müsste, seine besonderen
beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, so hat er hiefür einen Anspruch auf
angemessenes Entgelt. Dieser Anspruch besteht für die Kosten einer rechtsfreundlichen
Vertretung jedoch nicht, soweit beim Pflegebefohlenen die Voraussetzungen für
die Bewilligung der Verfahrenshilfe gegeben sind oder diese Kosten nach
gesetzlichen Vorschriften vom Gegner ersetzt werden.
Die zur zweckentsprechenden Ausübung der Sachwalterschaft (Kuratel)
notwendigen Barauslagen, die tatsächlichen Aufwendungen und die Kosten einer
zur Deckung der Haftung nach § 277 abgeschlossenen Haftpflichtversicherung sind
dem Sachwalter vom Pflegebefohlenen jedenfalls zu erstatten, soweit sie nach
gesetzlichen Vorschriften nicht unmittelbar von Dritten getragen werden.
Ansprüche nach den vorstehenden Absätzen bestehen insoweit nicht, als durch
sie die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Pflegebefohlenen gefährdet wäre.
Haftung
§. 277. Der Sachwalter (Kurator) haftet dem Pflegebefohlenen für jeden
durch sein Verschulden verursachten Schaden. Der Richter kann die Ersatzpflicht
insoweit mäßigen oder ganz erlassen, als sie den Sachwalter (Kurator) unter
Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Grades des Verschuldens oder
eines besonderen Naheverhältnisses zwischen dem Pflegebefohlenen und dem
Sachwalter (Kurator), unbillig hart träfe.
Änderung und Beendigung
§. 278. Das Gericht hat die Sachwalterschaft (Kuratel) auf Antrag oder von
Amts wegen einer anderen Person zu übertragen, wenn der Sachwalter (Kurator)
stirbt, nicht die erforderliche Eignung aufweist, ihm die Ausübung des Amtes
nicht zugemutet werden kann, einer der Umstände des § 273 Abs. 2 eintritt oder
bekannt wird oder das Wohl des Pflegebefohlenen dies aus anderen Gründen
erfordert. § 178 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden.
Der Sachwalter (Kurator) ist auf Antrag oder von Amts wegen zu entheben,
wenn die Voraussetzungen für seine Bestellung nach den §§ 268 bis 272
wegfallen; fallen diese Voraussetzungen nur für einen Teil der dem Sachwalter
(Kurator) übertragenen Angelegenheiten weg, so ist sein Wirkungskreis
einzuschränken. Sein Wirkungskreis ist zu erweitern, wenn dies erforderlich
ist. Stirbt der Pflegebefohlene, so erlischt die Sachwalterschaft (Kuratel). §
183 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden.
Das Gericht hat in angemessenen, fünf Jahre nicht überschreitenden
Zeitabständen zu prüfen, ob das Wohl des Pflegebefohlenen die Beendigung oder
Änderung der Sachwalterschaft (Kuratel) erfordert.
Besondere Vorschriften für die Sachwalterschaft
a) Auswahl des Sachwalters;
§. 279. Bei der Auswahl des Sachwalters ist besonders auf die Bedürfnisse
der behinderten Person und darauf Bedacht zu nehmen, dass der Sachwalter nicht
in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung zu einer
Krankenanstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung steht, in der sich
die behinderte Person aufhält oder von der sie betreut wird. Wünsche der
behinderten Person, insbesondere solche, die sie vor Verlust der
Geschäftsfähigkeit und Einsichts- und Urteilsfähigkeit geäußert hat
(Sachwalterverfügung), und Anregungen nahe stehender Personen sind zu
berücksichtigen, sofern sie dem Wohl der behinderten Person entsprechen.
Einer behinderten Person ist eine geeignete, ihr nahe stehende Person zum
Sachwalter zu bestellen. Wird eine behinderte Person volljährig, so ist ein
bisher mit der Obsorge betrauter Elternteil zum Sachwalter zu bestellen, sofern
dies dem Wohl der behinderten Person nicht widerspricht.
Ist eine geeignete, nahe stehende Person nicht verfügbar, so ist ein
geeigneter Verein mit dessen Zustimmung zum Sachwalter zu bestellen. Kommt auch
ein Verein nicht in Betracht, so ist nach Maßgabe des § 274 Abs. 2 ein
Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) oder eine
andere geeignete Person mit deren Zustimmung zu bestellen.
Ein Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) ist
vor allem dann zum Sachwalter zu bestellen, wenn die Besorgung der
Angelegenheiten vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert, ein geeigneter Verein
vor allem dann, wenn sonst besondere Anforderungen mit der Sachwalterschaft
verbunden sind.
Eine Person darf nur so viele Sachwalterschaften übernehmen, wie sie unter
Bedachtnahme auf die Pflichten eines Sachwalters, insbesondere jene zur
persönlichen Kontaktnahme, ordnungsgemäß besorgen kann. Es wird vermutet, dass
eine Person – ausgenommen ein geeigneter Verein – insgesamt nicht mehr als
fünf, ein Rechtsanwalt oder Notar nicht mehr als 25 Sachwalterschaften
übernehmen kann; Sachwalterschaften zur Besorgung einzelner Angelegenheiten
bleiben dabei außer Betracht.
b) Geschäftsfähigkeit der behinderten Person;
§. 280. Die behinderte Person kann innerhalb des Wirkungskreises des
Sachwalters ohne dessen ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung
rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten.
Schließt die behinderte Person im Rahmen des Wirkungskreises des
Sachwalters ein Rechtsgeschäft, das eine geringfügige Angelegenheit des
täglichen Lebens betrifft, so wird dieses Rechtsgeschäft mit der Erfüllung der
die behinderte Person treffenden Pflichten rückwirkend rechtswirksam.
c) Berücksichtigung des Willens und der Bedürfnisse der behinderten Person;
§. 281. Der Sachwalter hat danach zu trachten, dass die behinderte Person
im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten ihre Lebensverhältnisse nach
ihren Wünschen und Vorstellungen gestalten kann.
Die behinderte Person hat das Recht, von beabsichtigten, ihre Person oder
ihr Vermögen betreffenden wichtigen Maßnahmen vom Sachwalter rechtzeitig
verständigt zu werden und sich hiezu, wie auch zu anderen Maßnahmen, in
angemessener Frist zu äußern; diese Äußerung ist zu berücksichtigen, wenn der
darin ausgedrückte Wunsch dem Wohl der behinderten Person nicht weniger
entspricht.
Ist der Sachwalter mit der Verwaltung des Vermögens oder des Einkommens der
behinderten Person betraut, so hat er diese vorrangig zur Deckung der den
persönlichen Lebensverhältnissen entsprechenden Bedürfnisse der behinderten
Person zu verwenden.
Ist das Wohl der behinderten Person gefährdet, so hat das Gericht
jederzeit, von wem immer es angerufen wird, die zur Sicherung ihres Wohles
nötigen Verfügungen zu treffen.
d) Personensorge;
§. 282. Der Sachwalter hat mit der behinderten Person in dem nach den
Umständen des Einzelfalls erforderlichen Ausmaß persönlichen Kontakt zu halten
und sich darum zu bemühen, dass der behinderten Person die gebotene ärztliche
und soziale Betreuung gewährt wird. Sofern der Sachwalter nicht bloß zur
Besorgung einzelner Angelegenheiten bestellt ist, soll der Kontakt mindestens
einmal im Monat stattfinden.
§. 283. In eine medizinische Behandlung kann eine behinderte Person, soweit
sie einsichts- und urteilsfähig ist, nur selbst einwilligen. Sonst ist die
Zustimmung des Sachwalters erforderlich, dessen Wirkungsbereich die Besorgung
dieser Angelegenheit umfasst.
Einer medizinischen Behandlung, die gewöhnlich mit einer schweren oder
nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der
Persönlichkeit verbunden ist, kann der Sachwalter nur zustimmen, wenn ein vom
behandelnden Arzt unabhängiger Arzt in einem ärztlichen Zeugnis bestätigt, dass
die behinderte Person nicht über die erforderliche Einsichts- und
Urteilsfähigkeit verfügt und die Vornahme der Behandlung zur Wahrung ihres
Wohles erforderlich ist. Wenn ein solches Zeugnis nicht vorliegt oder die
behinderte Person zu erkennen gibt, dass sie die Behandlung ablehnt, bedarf die
Zustimmung der Genehmigung des Gerichts. Erteilt der Sachwalter die Zustimmung
zu einer medizinischen Behandlung nicht und wird dadurch das Wohl der
behinderten Person gefährdet, so kann das Gericht die Zustimmung des
Sachwalters ersetzen oder die Sachwalterschaft einer anderen Person übertragen.
Die Einwilligung der einsichts- und urteilsfähigen behinderten Person, die
Zustimmung des Sachwalters und die Entscheidung des Gerichts sind nicht
erforderlich, wenn die Behandlung so dringend notwendig ist, dass der mit der
Einholung der Einwilligung, der Zustimmung oder der gerichtlichen Entscheidung
verbundene Aufschub das Leben der behinderten Person gefährden würde oder mit
der Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit verbunden wäre.
§. 284. Der Sachwalter kann einer medizinischen Maßnahme, die eine dauernde
Fortpflanzungsunfähigkeit der behinderten Person zum Ziel hat, nicht zustimmen,
es sei denn, dass sonst wegen eines dauerhaften körperlichen Leidens eine
ernste Gefahr für das Leben oder einer schweren Schädigung der Gesundheit der
behinderten Person besteht. Ebenso kann der Sachwalter einer Forschung, die mit
einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit
der behinderten Person verbunden ist, nicht zustimmen, es sei denn, die
Forschung kann für deren Gesundheit oder Wohlbefinden von unmittelbarem Nutzen
sein. Die Zustimmung bedarf in jedem Fall einer gerichtlichen Genehmigung.
§. 284a. Über ihren Wohnort entscheidet eine behinderte Person, soweit sie
einsichts- und urteilsfähig ist, selbst.
Sonst hat der Sachwalter diese Aufgabe zu besorgen, soweit dies zur Wahrung
des Wohles der behinderten Person erforderlich ist und sein Wirkungskreis die
Besorgung dieser Angelegenheit umfasst. Soll der Wohnort der behinderten Person
dauerhaft geändert werden, so bedarf dies der gerichtlichen Genehmigung.
Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger
§. 284b. Vermag eine volljährige Person aufgrund einer psychischen
Krankheit oder geistigen Behinderung Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens nicht
selbst zu besorgen und hat sie dafür keinen Sachwalter und auch sonst keinen
gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter, so kann sie bei diesen
Rechtsgeschäften, soweit sie ihren Lebensverhältnissen entsprechen, von einem
nächsten Angehörigen vertreten werden. Gleiches gilt für Rechtsgeschäfte zur
Deckung des Pflegebedarfs sowie die Geltendmachung von Ansprüchen, die aus
Anlass von Alter, Krankheit, Behinderung oder Armut zustehen, insbesondere von
sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen, Ansprüchen auf Pflegegeld und
Sozialhilfe sowie Gebührenbefreiungen und anderen Begünstigungen.
Der nächste Angehörige ist befugt, über laufende Einkünfte der vertretenen
Person und pflegebezogene Leistungen an diese insoweit zu verfügen, als dies
zur Besorgung der Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens und zur Deckung des
Pflegebedarfs erforderlich ist.
Die Vertretungsbefugnis des nächsten Angehörigen umfasst auch die
Zustimmung zu einer medizinischen Behandlung, sofern diese nicht gewöhnlich mit
einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen
Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist und der vertretenen Person
die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit fehlt.
§. 284c. Nächste Angehörige sind die Eltern, volljährige Kinder, der im
gemeinsamen Haushalt mit der vertretenen Person lebende Ehegatte oder
eingetragene Partner und der Lebensgefährte, wenn dieser mit der vertretenen
Person seit mindestens drei Jahren im gemeinsamen Haushalt lebt.
Sind mehrere Angehörige vertretungsbefugt, so genügt die Erklärung einer
Person. Liegen dem Erklärungsempfänger widerstreitende Erklärungen vor, so ist
keine wirksam. Für die Vertretung in zivilgerichtlichen Verfahren gilt § 169
sinngemäß.
§. 284d. Der nächste Angehörige hat die vertretene Person von der
Wahrnehmung seiner Vertretungsbefugnis zu informieren.
Die Vertretungsbefugnis eines nächsten Angehörigen tritt nicht ein oder
endet, soweit ihr die vertretene Person ungeachtet des Verlusts ihrer
Geschäftsfähigkeit oder Einsichts- und Urteilsfähigkeit widersprochen hat oder
widerspricht.
§. 284e. Bei Wahrnehmung seiner Vertretungsbefugnisse hat der nächste
Angehörige das Wohl der vertretenen Person bestmöglich zu fördern und danach zu
trachten, dass sie im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten ihre
Lebensverhältnisse nach ihren Wünschen und Vorstellungen gestalten kann.
Der nächste Angehörige hat seine Vertretungsbefugnis vor der Vornahme einer
Vertretungshandlung im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis
registrieren zu lassen. Ein Dritter darf auf die Vertretungsbefugnis eines
nächsten Angehörigen vertrauen, wenn ihm dieser bei Vornahme einer
Vertretungshandlung nach § 284b eine Bestätigung über die Registrierung der
Vertretungsbefugnis im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis
vorlegt. Dies gilt für Geldbezüge von einem Konto der vertretenen Person,
soweit sie den erhöhten allgemeinen Grundbetrag des Existenzminimums (§ 291a
Abs. 2 Z 1 EO) monatlich nicht überschreiten. Das Vertrauen des Dritten ist
nicht geschützt, wenn ihm die mangelnde Vertretungsbefugnis des nächsten
Angehörigen bekannt oder fahrlässig unbekannt ist.
Vorsorgevollmacht
§. 284f. Eine Vorsorgevollmacht ist eine Vollmacht, die nach ihrem Inhalt
dann wirksam werden soll, wenn der Vollmachtgeber die zur Besorgung der
anvertrauten Angelegenheiten erforderliche Geschäftsfähigkeit oder Einsichts-
und Urteilsfähigkeit oder seine Äußerungsfähigkeit verliert. Die
Angelegenheiten, zu deren Besorgung die Vollmacht erteilt wird, müssen bestimmt
angeführt sein. Der Bevollmächtigte darf nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis
oder in einer anderen engen Beziehung zu einer Krankenanstalt, einem Heim oder
einer sonstigen Einrichtung stehen, in der sich der Vollmachtgeber aufhält oder
von der dieser betreut wird.
Die Vorsorgevollmacht muss vom Vollmachtgeber eigenhändig geschrieben und
unterschrieben werden. Hat der Vollmachtgeber die Vollmacht zwar eigenhändig
unterschrieben, nicht aber eigenhändig geschrieben, so muss er in Gegenwart
dreier unbefangener, eigenberechtigter und sprachkundiger Zeugen bekräftigen,
dass der Inhalt der von ihm unterschriebenen Vollmachtsurkunde seinem Willen
entspricht. Die Einhaltung dieses Formerfordernisses ist von den Zeugen
unmittelbar nach der Erklärung des Vollmachtgebers mit einem auf ihre
Zeugeneigenschaft hinweisenden Zusatz auf der Urkunde zu bestätigen.
Unterschreibt der Vollmachtgeber die Vollmachtsurkunde nicht, so muss ein Notar
die Bekräftigung durch den Vollmachtgeber beurkunden. Die Vorsorgevollmacht
kann immer auch als Notariatsakt aufgenommen werden.
Soll die Vorsorgevollmacht auch Einwilligungen in medizinische Behandlungen
im Sinn des § 283 Abs. 2, Entscheidungen über dauerhafte Änderungen des
Wohnorts sowie die Besorgung von Vermögensangelegenheiten, die nicht zum
ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, umfassen, so muss sie unter
ausdrücklicher Bezeichnung dieser Angelegenheiten vor einem Rechtsanwalt, einem
Notar oder bei Gericht errichtet werden. Dabei ist der Vollmachtgeber über die
Rechtsfolgen einer solchen Vorsorgevollmacht sowie die Möglichkeit des
jederzeitigen Widerrufs zu belehren. Der Rechtsanwalt, der Notar oder das
Gericht hat die Vornahme dieser Belehrung in der Vollmachtsurkunde unter Angabe
seines Namens und seiner Anschrift durch eigenhändige Unterschrift zu
dokumentieren.
§. 284g. Eine behinderte Person, die eine Vorsorgevollmacht erteilt hat,
bedarf insoweit keines Sachwalters, es sei denn, dass der Bevollmächtigte nicht
oder nicht im Sinn des Bevollmächtigungsvertrags tätig wird, durch seine Tätigkeit
sonst ihr Wohl gefährdet oder die behinderte Person zu erkennen gibt, dass sie
vom Bevollmächtigten nicht mehr vertreten sein will. Von der Bestellung eines
Sachwalters kann auch dann abgesehen werden, wenn eine Vollmacht zwar nicht die
Voraussetzungen des § 284f erfüllt, aber auf Grund der Umstände des
Einzelfalles nicht zu befürchten ist, dass der Bevollmächtigte seine Aufgaben
zum Nachteil der behinderten Person besorgen wird.
§. 284h. Der Bevollmächtigte hat bei Besorgung der anvertrauten Angelegenheiten
dem Willen des Vollmachtgebers, wie er in dem Bevollmächtigungsvertrag zum
Ausdruck gebracht wird, zu entsprechen. Einem Willen des Vollmachtgebers, der
nach Eintritt des Vorsorgefalls aus Äußerungen des Vollmachtgebers oder sonst
aus den Umständen des Einzelfalls hervorgeht, hat der Bevollmächtigte Rechnung
zu tragen, wenn er dem Wohl des Vollmachtgebers nicht weniger entspricht.
Mangels eines feststellbaren Willens hat der Bevollmächtigte das Wohl des
Vollmachtgebers bestmöglich zu fördern.
Ein Dritter darf auf den Eintritt des Vorsorgefalls vertrauen, wenn ihm der
Bevollmächtigte bei Vornahme einer Vertretungshandlung eine Bestätigung über
die Registrierung des Wirksamwerdens der Vorsorgevollmacht im Österreichischen
Zentralen Vertretungsverzeichnis vorlegt. Das Vertrauen des Dritten ist nicht
geschützt, wenn ihm bekannt oder fahrlässig unbekannt ist, dass der
Vorsorgefall nicht eingetreten ist.
Der Bevollmächtigte kann die Vollmacht zur Einwilligung in eine
medizinische Behandlung oder zur Entscheidung über Änderungen des Wohnorts
nicht weitergeben.
Zweyter Theil des bürgerlichen Gesetzbuches.
Von dem Sachenrechte.
Von Sachen und ihrer rechtlichen Eintheilung.
Begriff von Sachen im rechtlichen Sinne.
§. 285. Alles, was von der Person unterschieden ist, und zum Gebrauche der
Menschen dient, wird im rechtlichen Sinne eine Sache genannt.
§. 285a. Tiere sind keine Sachen; sie werden durch besondere Gesetze
geschützt. Die für Sachen geltenden Vorschriften sind auf Tiere nur insoweit
anzuwenden, als keine abweichenden Regelungen bestehen.
Eintheilung der Sachen nach Verschiedenheit des Subjectes, dem sie gehören.
§. 286. Die Sachen in dem Staatsgebiethe sind entweder ein Staats- oder ein
Privat-Gut. Das Letztere gehört einzelnen oder moralischen Personen, kleineren
Gesellschaften, oder ganzen Gemeinden.
Freystehende Sachen; öffentliches Gut und Staatsvermögen.
§. 287. Sachen, welche allen Mitgliedern des Staates zur Zueignung
überlassen sind, heißen freystehende Sachen. Jene, die ihnen nur zum Gebrauche
verstattet werden, als: Landstraßen, Ströme, Flüsse, Seehäfen und Meeresufer,
heißen ein allgemeines oder öffentliches Gut. Was zur Bedeckung der
Staatsbedürfnisse bestimmt ist, als: das Münz- oder Post- und andere Regalien,
Kammergüter, Berg- und Salzwerke, Steuern und Zölle, wird das Staatsvermögen
genannt.
Gemeindegut; Gemeindevermögen.
§. 288. Auf gleiche Weise machen die Sachen, welche nach der
Landesverfassung zum Gebrauche eines jeden Mitgliedes einer Gemeinde dienen,
das Gemeindegut; diejenigen aber, deren Einkünfte zur Bestreitung der
Gemeindeauslagen bestimmt sind, das Gemeindevermögen aus.
Privat-Gut des Landesfürsten.
§. 289. Auch dasjenige Vermögen des Landesfürsten, welches er nicht als Oberhaupt
des Staates besitzt, wird als ein Privat-Gut betrachtet.
Allgemeine Vorschrift in Rücksicht dieser verschiedenen Arten der Güter.
§. 290. Die in diesem Privat-Rechte enthaltenen Vorschriften über die Art,
wie Sachen rechtmäßig erworben, erhalten und auf Andere übertragen werden
können, sind in der Regel auch von den Verwaltern der Staats- und
Gemeindegüter, oder des Staats- und Gemeindevermögens zu beobachten. Die in
Hinsicht auf die Verwaltung und den Gebrauch dieser Güter sich beziehenden Abweichungen
und besonderen Vorschriften sind in dem Staatsrechte und in den politischen
Verordnungen enthalten.
Eintheilung der Sachen nach dem Unterschiede ihrer Beschaffenheit.
§. 291. Die Sachen werden nach dem Unterschiede ihrer Beschaffenheit
eingetheilt: in körperliche und unkörperliche; in bewegliche und unbewegliche;
in verbrauchbare und unverbrauchbare; in schätzbare und unschätzbare.
Körperliche und unkörperliche Sachen;
§. 292. Körperliche Sachen sind diejenigen, welche in die Sinne fallen;
sonst heißen sie unkörperliche; z. B. das Recht zu jagen, zu fischen und alle
andere Rechte.
bewegliche und unbewegliche.
§. 293. Sachen, welche ohne Verletzung ihrer Substanz von einer Stelle zur
anderen versetzt werden können, sind beweglich; im entgegengesetzten Falle sind
sie unbeweglich. Sachen, die an sich beweglich sind, werden im rechtlichen
Sinne für unbeweglich gehalten, wenn sie vermöge des Gesetzes oder der
Bestimmung des Eigenthümers das Zugehör einer unbeweglichen Sache ausmachen.
Zugehör überhaupt;
§. 294. Unter Zugehör versteht man dasjenige, was mit einer Sache in
fortdauernde Verbindung gesetzt wird. Dahin gehören nicht nur der Zuwachs einer
Sache, so lange er von derselben nicht abgesondert ist; sondern auch die
Nebensachen, ohne welche die Hauptsache nicht gebraucht werden kann, oder die
das Gesetz oder der Eigenthümer zum fortdauernden Gebrauche der Hauptsache
bestimmt hat.
insbesondere bey Grundstücken und Teichen;
§. 295. Gras, Bäume, Früchte und alle brauchbare Dinge, welche die Erde auf
ihrer Oberfläche hervorbringt, bleiben so lange ein unbewegliches Vermögen, als
sie nicht von Grund und Boden abgesondert worden sind. Selbst die Fische in
einem Teiche, und das Wild in einem Walde werden erst dann ein bewegliches Gut,
wenn der Teich gefischet, und das Wild gefangen oder erlegt worden ist.
§. 296. Auch das Getreide, das Holz, das Viehfutter und alle übrige,
obgleich schon eingebrachte Erzeugnisse, so wie alles Vieh und alle zu einem
liegenden Gute gehörige Werkzeuge und Geräthschaften werden in so fern für
unbewegliche Sachen gehalten, als sie zur Fortsetzung des ordentlichen
Wirthschaftsbetriebes erforderlich sind.
und bey Gebäuden.
§. 297. Eben so gehören zu den unbeweglichen Sachen diejenigen, welche auf
Grund und Boden in der Absicht aufgeführt werden, daß sie stets darauf bleiben
sollen, als: Häuser und andere Gebäude mit dem in senkrechter Linie darüber
befindlichen Luftraume; ferner: nicht nur Alles, was erd- mauer- niet- und
nagelfest ist, als: Braupfannen, Branntweinkessel und eingezimmerte Schränke,
sondern auch diejenigen Dinge, die zum anhaltenden Gebrauche eines Ganzen
bestimmt sind: z. B. Brunneneimer, Seile, Ketten, Löschgeräthe und dergleichen.
Maschinen.
§. 297a. Werden mit einer unbeweglichen Sache Maschinen in Verbindung
gebracht, so gelten sie nicht als Zugehör, wenn mit Zustimmung des Eigentümers
der Liegenschaft im öffentlichen Buch angemerkt wird, daß die Maschinen
Eigentum eines anderen sind. Werden sie als Ersatz an Stelle solcher Maschinen
angebracht, die als Zugehör anzusehen waren, so ist zu dieser Anmerkung auch
die Zustimmung der früher eingetragenen bücherlich Berechtigten erforderlich.
Die Anmerkung verliert mit Ablauf von fünf Jahren nach der Eintragung ihre
Wirkung; durch das Insolvenz- oder Zwangsversteigerungsverfahren wird der
Ablauf der Frist gehemmt.
Rechte sind insgemein als bewegliche Sachen anzusehen;
§. 298. Rechte werden den beweglichen Sachen beygezählt, wenn sie nicht mit
dem Besitze einer unbeweglichen Sache verbunden, oder durch die
Landesverfassung für eine unbewegliche Sache erkläret sind.
auch die vorgemerkten Forderungen.
§. 299. Schuldforderungen werden durch die Sicherstellung auf ein
unbewegliches Gut nicht in ein unbewegliches Vermögen verwandelt.
Kellereigentum
§. 300. An Räumen und Bauwerken, die sich unter der Erdoberfläche der
Liegenschaft eines anderen befinden und nicht der Fundierung von über der
Erdoberfläche errichteten Bauwerken dienen, wie Kellern, Tiefgaragen und
industriellen oder wirtschaftlichen Zwecken gewidmeten Stollen, kann mit Einwilligung
des Liegenschaftseigentümers gesondert Eigentum begründet werden.
Verbrauchbare und unverbrauchbare Sachen.
§. 301. Sachen, welche ohne ihre Zerstörung oder Verzehrung den
gewöhnlichen Nutzen nicht gewähren, heißen verbrauchbare; die von entgegengesetzter
Beschaffenheit aber, unverbrauchbare Sachen.
Gesammtsache (universitas rerum).
§. 302. Ein Inbegriff von mehreren besonderen Sachen, die als Eine Sache
angesehen, und mit einem gemeinschaftlichen Nahmen bezeichnet zu werden
pflegen, macht eine Gesammtsache aus, und wird als ein Ganzes betrachtet.
Schätzbare und unschätzbare;
§. 303. Schätzbare Sachen sind diejenigen, deren Werth durch Vergleichung
mit anderen zum Verkehre bestimmt werden kann; darunter gehören auch Dienstleistungen,
Hand- und Kopfarbeiten. Sachen hingegen, deren Werth durch keine Vergleichung
mit anderen im Verkehre befindlichen Sachen bestimmt werden kann, heißen
unschätzbare.
Maßstab der gerichtlichen Schätzung.
§. 304. Der bestimmte Werth einer Sache heißt ihr Preis. Wenn eine Sache
vom Gerichte zu schätzen ist, so muß die Schätzung nach einer bestimmten Summe
Geldes geschehen.
Ordentlicher und außerordentlicher Preis.
§. 305. Wird eine Sache nach dem Nutzen geschätzt, den sie mit Rücksicht
auf Zeit und Ort gewöhnlich und allgemein leistet, so fällt der ordentliche und
gemeine Preis aus; nimmt man aber auf die besonderen Verhältnisse und auf die
in zufälligen Eigenschaften der Sache gegründete besondere Vorliebe desjenigen,
dem der Werth ersetzt werden muß, Rücksicht, so entsteht ein außerordentlicher
Preis.
Welcher bey gerichtlichen Schätzungen zur Richtschnur zu nehmen.
§. 306. In allen Fällen, wo nichts Anderes entweder bedungen, oder von dem
Gesetze verordnet wird, muß bey der Schätzung einer Sache der gemeine Preis zur
Richtschnur genommen werden.
Begriffe vom dinglichen und persönlichen Sachenrechte.
§. 307. Rechte, welche einer Person über eine Sache ohne Rücksicht auf
gewisse Personen zustehen, werden dingliche Rechte genannt. Rechte, welche zu
einer Sache nur gegen gewisse Personen unmittelbar aus einem Gesetze, oder aus
einer verbindlichen Handlung entstehen, heißen persönliche Sachenrechte.
§. 308. Dingliche Sachenrechte sind das Recht des Besitzes, des Eigentums,
des Pfandes und der Dienstbarkeit.
Erste Abtheilung des Sachenrechtes.
Von den dinglichen Rechten.
Erstes Hauptstück.
Von dem Besitze.
Inhaber. Besitzer.
§. 309. Wer eine Sache in seiner Macht oder Gewahrsame hat, heißt ihr
Inhaber. Hat der Inhaber einer Sache den Willen, sie als die seinige zu
behalten, so ist er ihr Besitzer.
Erwerbung des Besitzes. Fähigkeit der Person zur Besitzerwerbung.
§. 310. Kinder unter sieben Jahren und Personen über sieben Jahre, die den
Gebrauch der Vernunft nicht haben, können – außer in den Fällen des § 170 Abs.
3 und § 280 Abs. 2 – Besitz nur durch ihren gesetzlichen Vertreter erwerben. Im
übrigen ist die Fähigkeit zum selbständigen Besitzerwerb gegeben.
Gegenstände des Besitzes.
§. 311. Alle körperliche und unkörperliche Sachen, welche ein Gegenstand
des rechtlichen Verkehres sind, können in Besitz genommen werden.
Arten der Besitzerwerbung;
§. 312. Körperliche, bewegliche Sachen werden durch physische Ergreifung,
Wegführung oder Verwahrung; unbewegliche aber durch Betretung, Verrainung,
Einzäunung, Bezeichnung oder Bearbeitung in Besitz genommen. In den Besitz
unkörperlicher Sachen oder Rechte kommt man durch den Gebrauch derselben im
eigenen Nahmen.
insbesondere von einem bejahenden, verneinenden oder einem Verbothsrechte.
§. 313. Der Gebrauch eines Rechtes wird gemacht, wenn jemand von einem
Anderen etwas als eine Schuldigkeit fordert, und dieser es ihm leistet; ferner,
wenn jemand die einem Anderen gehörige Sache mit dessen Gestattung zu seinem
Nutzen anwendet; endlich, wenn auf fremdes Verboth ein Anderer das, was er
sonst zu thun befugt wäre, unterläßt.
Unmittelbare und mittelbare Erwerbungsart des Besitzes.
§. 314. Den Besitz sowohl von Rechten, als von körperlichen Sachen erlangt
man entweder unmittelbar, wenn man freystehender Rechte und Sachen; oder
mittelbar, wenn man eines Rechtes, oder einer Sache, die einem Anderen gehört,
habhaft wird.
Umfang der Erwerbung.
§. 315. Durch die unmittelbare und durch die mittelbare eigenmächtige Besitzergreifung
erhält man nur so viel in Besitz, als wirklich ergriffen, betreten, gebraucht,
bezeichnet, oder in Verwahrung gebracht worden ist; bey der mittelbaren, wenn
uns der Inhaber in seinem oder eines Anderen Nahmen ein Recht oder eine Sache
überläßt, erhält man Alles, was der vorige Inhaber gehabt und durch deutliche
Zeichen übergeben hat, ohne daß es nöthig ist, jeden Theil des Ganzen besonders
zu übernehmen.
Rechtmäßiger, unrechtmäßiger Besitz.
§. 316. Der Besitz einer Sache heißt rechtmäßig, wenn er auf einem gültigen
Titel, das ist, auf einem zur Erwerbung tauglichen Rechtsgrunde beruhet. Im
entgegengesetzten Falle heißt er unrechtmäßig.
Haupttitel des rechtmäßigen Besitzes.
§. 317. Der Titel liegt bey freystehenden Sachen in der angebornen Freyheit
zu Handlungen, wodurch die Rechte Anderer nicht verletzet werden; bey Anderen
in dem Willen des vorigen Besitzers, oder in dem Ausspruche des Richters, oder
endlich in dem Gesetze, wodurch jemanden das Recht zum Besitze ertheilet wird.
Der Inhaber hat noch keinen Titel;
§. 318. Dem Inhaber, der eine Sache nicht in seinem, sondern im Nahmen
eines Anderen inne hat, kommt noch kein Rechtsgrund zur Besitznahme dieser
Sache zu.
und kann ihn nicht eigenmächtig erlangen.
§. 319. Der Inhaber einer Sache ist nicht berechtiget, den Grund seiner
Gewahrsame eigenmächtig zu verwechseln, und sich dadurch eines Titels
anzumaßen; wohl aber kann derjenige, welcher bisher eine Sache in eigenem
Nahmen rechtmäßig besaß, das Besitzrecht einem Anderen überlassen, und sie künftig
in dessen Nahmen inne haben.
Wirkung des bloßen Titels.
§. 320. Durch einen gültigen Titel erhält man nur das Recht zum Besitze
einer Sache, nicht den Besitz selbst. Wer nur das Recht zum Besitze hat, darf
sich im Verweigerungsfalle nicht eigenmächtig in den Besitz setzen; er muß ihn
von dem ordentlichen Richter mit Anführung seines Titels im Wege Rechtens
fordern.
Erforderung zum wirklichen Besitzrechte.
§. 321. Wo so genannte Landtafeln, Stadt- oder Grundbücher, oder andere
dergleichen öffentliche Register eingeführt sind, wird der rechtmäßige Besitz
eines dinglichen Rechtes auf unbewegliche Sachen nur durch die ordentliche
Eintragung in diese öffentlichen Bücher erlangt.
§. 322. Ist eine bewegliche Sache nach und nach mehreren Personen übergeben
worden; so gebühret das Besitzrecht derjenigen, welche sie in ihrer Macht hat.
Ist aber die Sache unbeweglich, und sind öffentliche Bücher eingeführt; so
steht das Besitzrecht ausschließlich demjenigen zu, welcher als Besitzer
derselben eingeschrieben ist.
Der Besitzer kann zur Angabe des Rechtsgrundes nicht aufgefordert werden.
§. 323. Der Besitzer einer Sache hat die rechtliche Vermuthung eines
gültigen Titels für sich; er kann also zur Angabe desselben nicht aufgefordert
werden.
§. 324. Diese Aufforderung findet auch dann noch nicht Statt, wenn jemand
behauptet, daß der Besitz seines Gegners mit anderen rechtlichen Vermuthungen,
z. B. mit der Freyheit des Eigenthumes, sich nicht vereinbaren lasse. In
solchen Fällen muß der behauptende Gegner vor dem ordentlichen Richter klagen,
und sein vermeintliches stärkeres Recht darthun. Im Zweifel gebührt dem
Besitzer der Vorzug.
Ausnahme.
§. 325. In wie fern der Besitzer einer Sache, deren Verkehr verbothen; oder
die entwendet zu seyn scheint, den Titel seines Besitzes anzuzeigen verbunden
sey, darüber entscheiden die Straf- und politischen Gesetze.
Redlicher und unredlicher Besitzer.
§. 326. Wer aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er besitzt, für die
seinige hält, ist ein redlicher Besitzer. Ein unredlicher Besitzer, ist
derjenige, welcher weiß oder aus den Umständen vermuthen muß, daß die in seinem
Besitze befindliche Sache einem Anderen zugehöre. Aus Irrthum in Thatsachen
oder aus Unwissenheit der gesetzlichen Vorschriften kann man ein unrechtmäßiger
(§. 316) und doch ein redlicher Besitzer seyn.
Wie ein Mitbesitzer zum unredlichen oder unrechtmäßigen Besitzer werde.
§. 327. Besitzt eine Person die Sache selbst, eine andere aber das Recht
auf alle oder auf einige Nutzungen dieser Sache; so kann eine und dieselbe
Person, wenn sie die Gränzen ihres Rechtes überschreitet, in verschiedenen
Rücksichten ein redlicher und unredlicher, ein rechtmäßiger und unrechtmäßiger
Besitzer seyn.
Entscheidung über die Redlichkeit des Besitzes.
§. 328. Die Redlichkeit oder Unredlichkeit des Besitzes muß im Falle eines
Rechtsstreites durch richterlichen Ausspruch entschieden werden. Im Zweifel ist
die Vermuthung für die Redlichkeit des Besitzes.
Fortdauer des Besitzes. Rechte des redlichen Besitzes; a) in Rücksicht der
Substanz der Sache;
§. 329. Ein redlicher Besitzer kann schon allein aus dem Grunde des
redlichen Besitzes die Sache, die er besitzt, ohne Verantwortung nach Belieben
brauchen, verbrauchen, auch wohl vertilgen.
b) der Nutzungen;
§. 330. Dem redlichen Besitzer gehören alle aus der Sache entspringende
Früchte, so bald sie von der Sache abgesondert worden sind; ihm gehören auch
alle andere schon eingehobene Nutzungen, in so fern sie während des ruhigen
Besitzes bereits fällig gewesen sind.
c) des Aufwandes.
§. 331. Hat der redliche Besitzer an die Sache entweder zur fortwährenden
Erhaltung der Substanz einen nothwendigen, oder, zur Vermehrung noch
fortdauernder Nutzungen einen nützlichen Aufwand gemacht; so gebührt ihm der
Ersatz nach dem gegenwärtigen Werthe, in so fern er den wirklich gemachten
Aufwand nicht übersteigt.
§. 332. Von dem Aufwande, welcher nur zum Vergnügen und zur Verschönerung
gemacht worden ist, wird nur so viel ersetzt, als die Sache dem gemeinen Werthe
nach wirklich dadurch gewonnen hat; doch hat der vorige Besitzer die Wahl,
Alles für sich wegzunehmen, was davon ohne Schaden der Substanz weggenommen
werden kann.
Anspruch auf den Ersatz des Preises.
§. 333. Selbst der redliche Besitzer kann den Preis, welchen er seinem
Vormanne für die ihm überlassene Sache gegeben hat, nicht fordern. Wer aber
eine fremde Sache, die der Eigenthümer sonst schwerlich wieder erlangt haben
würde, redlicher Weise an sich gelöset, und dadurch dem Eigenthümer einen
erweislichen Nutzen verschaffet hat, kann eine angemessene Vergütung fordern.
§. 334. Ob einem redlichen Inhaber das Recht zustehe, seiner Forderung
wegen die Sache zurück zu behalten, wird in dem Hauptstücke vom Pfandrechte
bestimmt.
Verbindlichkeit des unredlichen Besitzers.
§. 335. Der unredliche Besitzer ist verbunden, nicht nur alle durch den
Besitz einer fremden Sache erlangte Vortheile zurück zu stellen; sondern auch
diejenigen, welche der Verkürzte erlangt haben würde, und allen durch seinen
Besitz entstandenen Schaden zu ersetzen. In dem Falle, daß der unredliche
Besitzer durch eine in den Strafgesetzen verbothene Handlung zum Besitze
gelanget ist, erstrecket sich der Ersatz bis zum Werthe der besonderen
Vorliebe.
§. 336. Hat der unredliche Besitzer einen Aufwand auf die Sache gemacht, so
ist dasjenige anzuwenden, was in Rücksicht des von einem Geschäftsführer ohne
Auftrag gemachten Aufwandes in dem Hauptstücke von der Bevollmächtigung
verordnet ist.
Beurtheilung der Redlichkeit des Besitzes einer Gemeinde.
§. 337. Der Besitz einer Gemeinde wird nach der Redlichkeit oder
Unredlichkeit der im Nahmen der Mitglieder handelnden Machthaber beurtheilet.
Immer müssen jedoch die unredlichen sowohl den redlichen Mitgliedern, als dem
Eigenthümer den Schaden ersetzen.
In wie fern durch die Klage der Besitz unredlich werde.
§. 338. Auch der redliche Besitzer, wenn er durch richterlichen Ausspruch
zur Zurückstellung der Sache verurtheilet wird, ist in Rücksicht des Ersatzes
der Nutzungen und des Schadens, wie auch in Rücksicht des Aufwandes, von dem
Zeitpuncte der ihm zugestellten Klage, gleich einem unredlichen Besitzer zu
behandeln; doch haftet er für den Zufall, der die Sache bey dem Eigenthümer
nicht getroffen hätte, nur in dem Falle, daß er die Zurückgabe durch einen
muthwilligen Rechtsstreit verzögert hat.
Rechtsmittel des Besitzers bey einer Störung seines Besitzes;
§. 339. Der Besitz mag von was immer für einer Beschaffenheit seyn, so ist
niemand befugt, denselben eigenmächtig zu stören. Der Gestörte hat das Recht,
die Untersagung des Eingriffes, und den Ersatz des erweislichen Schadens
gerichtlich zu fordern.
besonders durch eine Bauführung;
§. 340. Wird der Besitzer einer unbeweglichen Sache oder eines dinglichen
Rechtes durch Führung eines neuen Gebäudes, Wasserwerkes, oder anderen Werkes
in seinen Rechten gefährdet, ohne daß sich der Bauführer nach Vorschrift der
allgemeinen Gerichtsordnung gegen ihn geschützt hat; so ist der Gefährdete
berechtiget, das Verboth einer solchen Neuerung vor Gericht zu fordern, und das
Gericht ist verbunden, die Sache auf das schleunigste zu entscheiden.
§. 341. Bis zur Entscheidung der Sache ist die Fortsetzung des Baues von
dem Gerichte in der Regel nicht zu gestatten. Nur bey einer nahen, offenbaren
Gefahr, oder, wenn der Bauführer eine angemessene Sicherheit leistet, daß er
die Sache in den vorigen Stand setzen, und den Schaden vergüten wolle, der
Verbothsleger dagegen in dem letzteren Falle keine ähnliche Sicherstellung für
die Folgen seines Verboths leistet, ist die einstweilige Fortsetzung des Baues
zu bewilligen.
§. 342. Was in den vorhergehenden §§. in Rücksicht einer neuen Bauführung
verordnet wird, ist auch auf die Niederreißung eines alten Gebäudes, oder
anderen Werkes anzuwenden.
und bey der Gefahr eines vorhandenen Baues.
§. 343. Kann der Besitzer eines dinglichen Rechtes beweisen, daß ein
bereits vorhandener fremder Bau oder eine andere fremde Sache dem Einsturze
nahe sey, und ihm offenbarer Schaden drohe; so ist er befugt, gerichtlich auf
Sicherstellung zu dringen, wenn anders die politische Behörde nicht bereits hinlänglich
für die öffentliche Sicherheit gesorgt hat.
Rechtsmittel zur Erhaltung des Besitzstandes: a) bey dringender Gefahr;
§. 344. Zu den Rechten des Besitzes gehört auch das Recht, sich in seinem
Besitze zu schützen, und in dem Falle, daß die richterliche Hülfe zu spät
kommen würde, Gewalt mit angemessener Gewalt abzutreiben (§. 19). Uebrigens hat
die politische Behörde für die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, so wie das
Strafgericht für die Bestrafung öffentlicher Gewaltthätigkeiten, zu sorgen.
b) gegen den unechten Besitzer;
§. 345. Wenn sich jemand in den Besitz eindringt, oder durch List oder
Bitte heimlich einschleicht, und das, was man ihm aus Gefälligkeit, ohne sich
einer fortdauernden Verbindlichkeit zu unterziehen gestattet, in ein
fortwährendes Recht zu verwandeln sucht; so wird der an sich unrechtmäßige und
unredliche Besitz noch überdieß unecht; in entgegengesetzten Fällen wird der
Besitz für echt angesehen.
§. 346. Gegen jeden unechten Besitzer kann so wohl die Zurücksetzung in die
vorige Lage, als auch die Schadloshaltung eingeklagt werden. Beydes muß das
Gericht nach rechtlicher Verhandlung, selbst ohne Rücksicht auf ein stärkeres
Recht, welches der Geklagte auf die Sache haben könnte, verordnen.
c) beym Zweifel über die Echtheit des Besitzes.
§. 347. Zeigt es sich nicht gleich auf der Stelle, wer sich in einem echten
Besitze befinde, und in wie fern der eine oder der andere Theil auf
gerichtliche Unterstützung Anspruch habe; so wird die im Streite verfangene
Sache so lange der Gewahrsame des Gerichtes oder eines Dritten anvertraut, bis
der Streit über den Besitz verhandelt und entschieden worden ist. Der
Sachfällige kann auch nach dieser Entscheidung die Klage aus einem vermeintlich
stärkeren Rechte auf die Sache noch anhängig machen.
Verwahrungsmittel des Inhabers gegen mehrere zusammentreffende
Besitzwerber.
§. 348. Wenn der bloße Inhaber von mehreren Besitzwerbern zugleich um die
Uebergabe der Sache angegangen wird, und sich Einer darunter befindet, in dessen
Nahmen die Sache aufbewahrt wurde; so wird sie vorzüglich diesem übergeben, und
die Uebergabe den Uebrigen bekannt gemacht. Kommt dieser Umstand Keinem zu
Statten, so wird die Sache der Gewahrsame des Richters oder eines Dritten
anvertraut. Der Richter hat die Rechtsgründe der Besitzwerber zu prüfen, und
darüber zu entscheiden.
Erlöschung des Besitzes: a) körperlicher Sachen;
§. 349. Der Besitz einer körperlichen Sache geht insgemein verloren, wenn
dieselbe ohne Hoffnung, wieder gefunden zu werden, in Verlust geräth; wenn sie
freywillig verlassen wird; oder in fremden Besitz kommt.
b) der in die öffentlichen Bücher eingetragenen Rechte;
§. 350. Der Besitz derjenigen Rechte und unbeweglichen Sachen, welche einen
Gegenstand der öffentlichen Bücher ausmachen, erlischt, wenn sie aus den
landtäflichen, Stadt- oder Grundbüchern gelöscht; oder, wenn sie auf den Nahmen
eines Anderen eingetragen werden.
c) anderer Rechte.
§. 351. Bey anderen Rechten hört der Besitz auf, wenn der Gegentheil das,
was er sonst geleistet hat, nicht mehr leisten zu wollen erkläret; wenn er die
Ausübung des Rechtes eines Anderen nicht mehr duldet; oder, wenn er das
Verboth, etwas zu unterlassen, nicht mehr achtet, der Besitzer aber in allen
diesen Fällen es dabey bewenden läßt, und die Erhaltung des Besitzes nicht
einklagt. Durch den bloßen Nichtgebrauch eines Rechtes geht der Besitz, außer
den im Gesetze bestimmten Verjährungsfällen, nicht verloren.
§. 352. So lange noch Hoffnung vorhanden ist, eine verlorne Sache zu
erhalten, kann man sich durch den bloßen Willen in ihrem Besitze erhalten. Die
Abwesenheit des Besitzers oder die eintretende Unfähigkeit, einen Besitz zu
erwerben, heben den bereits erworbenen Besitz nicht auf.
Zweytes Hauptstück.
Von dem Eigenthumsrechte.
Begriff des Eigenthumes; Eigenthum im objectiven Sinne;
§. 353. Alles, was jemanden zugehöret, alle seine körperlichen und
unkörperlichen Sachen, heißen sein Eigenthum.
im subjectiven.
§. 354. Als ein Recht betrachtet, ist Eigenthum das Befugniß, mit der
Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkühr zu schalten, und jeden
Anderen davon auszuschließen.
objective und subjective Möglichkeit der Erwerbung des Eigenthumes.
§. 355. Alle Sachen sind insgemein Gegenstände des Eigenthumsrechtes, und
jedermann, den die Gesetze nicht ausdrücklich ausschließen, ist befugt,
dasselbe durch sich selbst oder durch einen Anderen in seinem Nahmen zu
erwerben.
§. 356. Wer also behauptet, daß der Person, die etwas erwerben will, in
Rücksicht ihrer persönlichen Fähigkeit, oder in Rücksicht auf die Sache, die
erworben werden soll, ein gesetzliches Hinderniß entgegen stehe, dem liegt der
Beweis ob.
§. 357. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 1, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 358. Alle Arten der Beschränkungen durch das Gesetz oder durch den
Willen des Eigenthümers heben die Vollständigkeit des Eigenthumes nicht auf.
§. 359. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 3, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 360. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 3, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
Miteigenthum.
§. 361. Wenn eine noch ungetheilte Sache mehreren Personen zugleich
zugehört; so entsteht ein gemeinschaftliches Eigenthum. In Beziehung auf das
Ganze werden die Miteigenthümer für eine einzige Person angesehen; in so weit
ihnen aber gewisse, obgleich unabgesonderte Theile angewiesen sind, hat jeder
Miteigenthümer das vollständige Eigenthum des ihm gehörigen Theiles.
Rechte des Eigenthümers.
§. 362. Kraft des Rechtes, frey über sein Eigenthum zu verfügen, kann der
vollständige Eigenthümer in der Regel seine Sache nach Willkühr benützen oder
unbenützt lassen; er kann sie vertilgen, ganz oder zum Theile auf Andere
übertragen, oder unbedingt sich derselben begeben, das ist, sie verlassen.
Beschränkungen derselben.
§. 363. Eben diese Rechte genießen auch unvollständige, sowohl Ober- als
Nutzungseigenthümer; nur darf der Eine nichts vornehmen, was mit dem Rechte des
Anderen im Widerspruche steht.
§. 364. Ueberhaupt findet die Ausübung des Eigenthumsrechtes nur in so fern
Statt, als dadurch weder in die Rechte eines Dritten ein Eingriff geschieht,
noch die in den Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles
vorgeschriebenen Einschränkungen übertreten werden. Im Besonderen haben die
Eigentümer benachbarter Grundstücke bei der Ausübung ihrer Rechte aufeinander
Rücksicht zu nehmen.
Der Eigentümer eines Grundstückes kann dem Nachbarn die von dessen Grund
ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung
und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen
gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes
wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen
Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig.
Ebenso kann der Grundstückseigentümer einem Nachbarn die von dessen Bäumen
oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder
Luft insoweit untersagen, als diese das Maß des Abs. 2 überschreiten und zu
einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führen.
Bundes- und landesgesetzliche Regelungen über den Schutz von oder vor Bäumen
und anderen Pflanzen, insbesondere über den Wald-, Flur-, Feld-, Ortsbild-,
Natur- und Baumschutz, bleiben unberührt.
§. 364a. Wird jedoch die Beeinträchtigung durch eine Bergwerksanlage oder
eine behördlich genehmigte Anlage auf dem nachbarlichen Grund in einer dieses
Maß überschreitenden Weise verursacht, so ist der Grundbesitzer nur berechtigt,
den Ersatz des zugefügten Schadens gerichtlich zu verlangen, auch wenn der
Schaden durch Umstände verursacht wird, auf die bei der behördlichen
Verhandlung keine Rücksicht genommen wurde.
§. 364b. Ein Grundstück darf nicht in der Weise vertieft werden, daß der Boden
oder das Gebäude des Nachbars die erforderliche Stütze verliert, es sei denn,
daß der Besitzer des Grundstückes für eine genügende anderweitige Befestigung
Vorsorge trifft.
§. 364c. Ein vertragsmäßiges oder letztwilliges Veräußerungs- oder
Belastungsverbot hinsichtlich einer Sache oder eines dinglichen Rechtes
verpflichtet nur den ersten Eigentümer, nicht aber seine Erben oder sonstigen
Rechtsnachfolger. Gegen Dritte wirkt es dann, wenn es zwischen Ehegatten,
eingetragenen Partnern, Eltern und Kindern, Wahl- oder Pflegekindern oder deren
Ehegatten oder eingetragenen Partnern begründet und im öffentlichen Buche
eingetragen wurde.
§. 365. Wenn es das allgemeine Beste erheischt, muß ein Mitglied des
Staates gegen eine angemessene Schadloshaltung selbst das vollständige
Eigenthum einer Sache abtreten.
Klagen aus dem Eigenthumsrechte:
a) Eigentliche Eigenthumsklage: wem und gegen wen sie gebühre?
§. 366. Mit dem Rechte des Eigenthümers jeden Anderen von dem Besitze
seiner Sache auszuschließen, ist auch das Recht verbunden, seine ihm
vorenthaltene Sache von jedem Inhaber durch die Eigenthumsklage gerichtlich zu
fordern. Doch steht dieses Recht demjenigen nicht zu, welcher eine Sache zur
Zeit, da er noch nicht Eigenthümer war, in seinem eigenen Nahmen veräußert, in
der Folge aber das Eigenthum derselben erlangt hat.
Gutgläubiger Erwerb
§. 367. Die Eigentumsklage gegen den rechtmäßigen und redlichen Besitzer
einer beweglichen Sache ist abzuweisen, wenn er beweist, dass er die Sache
gegen Entgelt in einer öffentlichen Versteigerung, von einem Unternehmer im
gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens oder von jemandem erworben hat, dem
sie der vorige Eigentümer anvertraut hatte. In diesen Fällen erwirbt der
rechtmäßige und redliche Besitzer das Eigentum. Der Anspruch des vorigen
Eigentümers auf Schadenersatz gegen seinen Vertrauensmann oder gegen andere
Personen bleibt unberührt.
Ist die Sache mit dem Recht eines Dritten belastet, so erlischt dieses
Recht mit dem Erwerb des Eigentums durch den rechtmäßigen und redlichen
Besitzer, es sei denn, dass dieser in Ansehung dieses Rechtes nicht redlich
ist.
§. 368. Der Besitzer ist redlich, wenn er weder weiß noch vermuten muss,
dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Beim Erwerb von einem Unternehmer
im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens genügt der gute Glaube an die
Befugnis des Veräußerers, über die Sache zu verfügen.
Beweist der Eigentümer, dass der Besitzer aus der Natur der Sache, aus
ihrem auffällig geringen Preis, aus den ihm bekannten persönlichen
Eigenschaften seines Vormanns, aus dessen Unternehmen oder aus anderen
Umständen einen gegründeten Verdacht hätte schöpfen müssen, so hat der Besitzer
die Sache dem Eigentümer zu überlassen.
Was dem Kläger zu beweisen obliege?
§. 369. Wer die Eigenthumsklage übernimmt, muß den Beweis führen, daß der
Geklagte die eingeklagte Sache in seiner Macht habe, und daß diese Sache sein
Eigenthum sey.
§. 370. Wer eine bewegliche Sache gerichtlich zurückfordert, muß sie durch
Merkmahle beschreiben, wodurch sie von allen ähnlichen Sachen gleicher Gattung
ausgezeichnet wird.
§. 371. Sachen, die sich auf diese Art nicht unterscheiden lassen, wie
bares Geld mit anderem baren Gelde vermenget, oder auf den Ueberbringer
lautende Schuldbriefe, sind also in der Regel kein Gegenstand der Eigenthumsklage;
wenn nicht solche Umstände eintreten, aus denen der Kläger sein Eigenthumsrecht
beweisen kann, und aus denen der Geklagte wissen mußte, daß er die Sache sich
zuzuwenden nicht berechtiget sey.
b) Eigenthumsklage aus dem rechtlich vermutheten Eigenthume des Klägers.
Gegen welche Besitzer diese Vermuthung eintrete?
§. 372. Wenn der Kläger mit dem Beweise des erworbenen Eigenthumes einer
ihm vorenthaltenen Sache zwar nicht ausreicht, aber den gültigen Titel, und die
echte Art, wodurch er zu ihrem Besitze gelangt ist, dargethan hat; so wird er
doch in Rücksicht eines jeden Besitzers, der keinen, oder nur einen schwächeren
Titel seines Besitzes anzugeben vermag, für den wahren Eigenthümer gehalten.
§. 373. Wenn also der Geklagte die Sache auf eine unredliche oder
unrechtmäßige Weise besitzt; wenn er keinen oder nur einen verdächtigen Vormann
anzugeben vermag; oder, wenn er die Sache ohne Entgeld, der Kläger aber gegen
Entgeld erhalten hat; so muß er dem Kläger weichen.
§. 374. Haben der Geklagte und der Kläger einen gleichen Titel ihres echten
Besitzes, so gebühret dem Geklagten kraft des Besitzes der Vorzug.
§. 375. Wer eine Sache in fremdem Nahmen besitzt, kann sich gegen die
Eigenthumsklage dadurch schützen, daß er seinen Vormann nahmhaft macht, und sich
darüber ausweiset.
Gesetzliche Folge: a) der Abläugnung des Besitzes;
§. 376. Wer den Besitz einer Sache vor Gericht läugnet, und dessen
überwiesen wird, muß dem Kläger deßwegen allein schon den Besitz abtreten; doch
behält er das Recht, in der Folge seine Eigenthumsklage anzustellen.
b) des vorgegebenen Besitzes;
§. 377. Wer eine Sache, die er nicht besitzt, zu besitzen vorgibt, und den
Kläger dadurch irre führt, haftet für allen daraus entstehenden Schaden.
c) des aufgegebenen Besitzes der streitigen Sache.
§. 378. Wer eine Sache im Besitze hatte, und nach zugestellter Klage fahren
ließ, muß sie dem Kläger, wenn dieser sich nicht an den wirklichen Inhaber
halten will, auf seine Kosten zurück verschaffen, oder den außerordentlichen Werth
derselben ersetzen.
Was der Besitzer dem Eigenthümer erstatte.
§. 379. Was sowohl der redliche als unredliche Besitzer dem Eigenthümer in
Ansehung des entgangenen Nutzens, oder des erlittenen Schadens zu ersetzen
habe, ist in dem vorigen Hauptstücke bestimmt worden.
Drittes Hauptstück.
Von der Erwerbung des Eigenthumes durch Zueignung.
Rechtliche Erfordernisse der Erwerbung.
§. 380. Ohne Titel und ohne rechtliche Erwerbungsart kann kein Eigenthum
erlangt werden.
Titel und Art der unmittelbaren Erwerbung:
Die Zueignung.
§. 381. Bey freystehenden Sachen besteht der Titel in der angebornen
Freyheit, sie in Besitz zu nehmen. Die Erwerbungsart ist die Zueignung, wodurch
man sich einer freystehenden Sache bemächtiget, in der Absicht, sie als die
seinige zu behandeln.
§. 382. Freystehende Sachen können von allen Mitgliedern des Staates durch
die Zueignung erworben werden, in so fern dieses Befugniß nicht durch
politische Gesetze eigeschränkt ist, oder einigen Mitgliedern das Vorrecht der
Zueignung zusteht.
1) durch den Thierfang.
§. 383. Dieses gilt insbesondere von dem Thierfange. Wem das Recht zu jagen
oder zu fischen gebühre; wie der übermäßige Anwachs des Wildes gehemmet, und
der vom Wilde verursachte Schade ersetzet werde; wie der Honigraub, der durch
fremde Bienen geschieht, zu verhindern sey; ist in den politischen Gesetzen
festgesetzt. Wie Wilddiebe zu bestrafen seyn, wird in den Strafgesetzen
bestimmt.
§. 384. Häusliche Bienenschwärme und andere zahme oder zahm gemachte Thiere
sind kein Gegenstand des freyen Thierfanges, vielmehr hat der Eigenthümer das
Recht, sie auf fremdem Grunde zu verfolgen; doch soll er dem Grundbesitzer den
ihm etwa verursachten Schaden ersetzen. Im Falle, daß der Eigenthümer des
Mutterstockes den Schwarm durch zwey Tage nicht verfolgt hat; oder, daß ein
zahm gemachtes Thier durch zwey und vierzig Tage von selbst ausgeblieben ist,
kann sie auf gemeinem Grunde jedermann; auf dem seinigen der Grundeigenthümer
für sich nehmen, und behalten.
2) durch das Finden freystehender Sachen.
§. 385. Keine Privat-Person ist berechtiget, die dem Staate durch die
politischen Verordnungen vorbehaltenen Erzeugnisse sich zuzueignen.
§. 386. Bewegliche Sachen, welche der Eigenthümer nicht mehr als die
seinigen behalten will, und daher verläßt, kann sich jedes Mitglied des Staates
eigen machen. Im Zweifel ist nicht zu vermuten, dass jemand sein Eigentum
aufgeben wolle; daher darf kein Finder eine gefundene Sache für verlassen
ansehen und sich diese zueignen.
§. 387. In wie fern Grundstücke wegen gänzlicher Unterlassung ihres
Anbaues, oder Gebäude wegen der unterlassenen Herstellung für verlassen
anzusehen, oder einzuziehen seyn, bestimmen die politischen Gesetze.
Vorschriften über das Finden
a) verlorener und vergessener Sachen
§. 388. Verloren sind bewegliche, in niemandes Gewahrsame stehende Sachen,
die ohne den Willen des Inhabers aus seiner Gewalt gekommen sind.
Vergessen sind bewegliche Sachen, die ohne den Willen des Inhabers an einem
fremden, unter der Aufsicht eines anderen stehenden Ort zurückgelassen worden
und dadurch in fremde Gewahrsame gekommen sind.
§. 389. Finder ist, wer eine verlorene oder vergessene Sache entdeckt und
an sich nimmt.
Verlustträger sind der Eigentümer und andere zur Innehabung der verlorenen
oder vergessenen Sache berechtigte Personen.
§. 390. Der Finder hat den Fund unverzüglich der zuständigen Fundbehörde (§
14 Abs. 5 SPG) unter Abgabe der gefundenen Sache anzuzeigen und über alle für
die Ausforschung eines Verlustträgers maßgeblichen Umstände Auskunft zu geben.
§. 391. Die Pflichten nach § 390 bestehen nicht, wenn
1. der Finder die gefundene Sache einem Verlustträger vor der
Anzeigeerstattung ausfolgt oder
2. der gemeine Wert der gefundenen Sache 10 Euro nicht übersteigt, es sei
denn erkennbar, dass die Wiedererlangung der Sache für einen Verlustträger von
erheblicher Bedeutung ist.
§. 392. Der Finder hat gegen den, dem der Fundgegenstand ausgefolgt wird,
Anspruch auf Finderlohn und auf Ersatz des notwendig und zweckmäßig gemachten
Aufwandes.
§. 393. Der Finderlohn beträgt bei verlorenen Sachen 10 vH, bei vergessenen
Sachen 5 vH des gemeinen Wertes. Übersteigt der gemeine Wert 2 000 Euro, so
beträgt der Finderlohn in Rücksicht des Übermaßes die Hälfte dieser
Hundertersätze.
Bei unschätzbaren Sachen und solchen, deren Wiedererlangung für den
Verlustträger von erheblicher Bedeutung ist, ist der Finderlohn nach billigem
Ermessen festzulegen; hierbei ist auf die Grundsätze des Abs. 1, auf die dem
Finder entstandene Mühe und auf den dem Verlustträger durch die Wiedererlangung
der gefundenen Sache verschafften Vorteil Bedacht zu nehmen.
§. 394. Ein Anspruch auf Finderlohn besteht nicht, wenn
1. die Sache von einer Person im Rahmen ihrer privat- oder
öffentlich-rechtlichen, die Rettung der Sache umfassenden Pflicht gefunden
worden ist oder
2. der Finder die in den §§ 390 und 391 enthaltenen Anordnungen schuldhaft
verletzt hat oder
3. die vergessene Sache auch sonst ohne deren Gefährdung wiedererlangt
worden wäre.
§. 395. Wird die Sache innerhalb eines Jahres von keinem Verlustträger
angesprochen, so erwirbt der Finder das Eigentum an der in seiner Gewahrsame
befindlichen Sache mit Ablauf der Frist, an der abgegebenen Sache mit ihrer
Ausfolgung an ihn. Die Frist beginnt im Fall des § 391 Z 2 mit dem Zeitpunkt
des Findens, sonst mit der Erstattung der Anzeige (§ 390).
§. 396. Wer eine verlorene oder vergessene Sache entdeckt, sie aber nicht
an sich nehmen kann, hat Anspruch auf die Hälfte des im § 393 bestimmten
Finderlohnes, wenn er die Entdeckung einer im § 390 bezeichneten Stelle anzeigt
und der Verlustträger die Sache dadurch wiedererlangt, es sei denn, dass dieser
die Sache auch sonst ohne deren Gefährdung wiedererlangt hätte. § 394 Z 1 ist
anzuwenden.
b) verborgener Gegenstände
§. 397. Werden vergrabene, eingemauerte oder sonst verborgene Sachen eines
unbekannten Eigentümers entdeckt, so gilt sinngemäß das, was für die verlorenen
Sachen bestimmt ist.
Der Finderlohn ist auch dann nicht zu entrichten, wenn die Sache auch sonst
ohne deren Gefährdung wiedererlangt worden wäre.
e) eines Schatzes;
§. 398. Bestehen die entdeckten Sachen in Geld, Schmuck oder anderen
Kostbarkeiten, die so lange im Verborgenen gelegen haben, daß man ihren vorigen
Eigenthümer nicht mehr erfahren kann, dann heißen sie ein Schatz. Die
Entdeckung eines Schatzes ist von der Obrigkeit der Landesstelle anzuzeigen.
§. 399. Von einem Schatz erhalten der Finder und der Eigentümer des Grundes
je die Hälfte.
§. 400. Wer sich dabey einer unerlaubten Handlung schuldig gemacht; wer
ohne Wissen und Willen des Nutzungseigenthümers den Schatz aufgesucht; oder den
Fund verheimlichet hat; dessen Antheil soll dem Angeber; oder, wenn kein
Angeber vorhanden ist, dem Staate zufallen.
§. 401. Finden Arbeitsleute zufälliger Weise einen Schatz, so gebührt ihnen
als Findern ein Drittheil davon. Sind sie aber von dem Eigenthümer ausdrücklich
zur Aufsuchung eines Schatzes gedungen worden, so müssen sie sich mit ihrem
ordentlichen Lohne begnügen.
3) Von der Beute.
§. 402. Ueber das Recht der Beute und der von dem Feinde zurück erbeuteten
Sachen sind die Vorschriften in den Kriegsgesetzen enthalten.
Von dem Rechte aus der Rettung einer fremden beweglichen Sache.
§. 403. Wer eine fremde bewegliche Sache von dem unvermeidlichen Verluste
oder Untergange rettet, ist berechtiget, von dem rückfordernden Eigenthümer den
Ersatz seines Aufwandes und eine verhältnißmäßige Belohnung von höchstens Zehen
von Hundert zu fordern.
Viertes Hauptstück.
Von Erwerbung des Eigenthumes durch Zuwachs.
Zuwachs.
§. 404. Zuwachs heißt Alles, was aus einer Sache entsteht, oder neu zu
derselben kommt, ohne daß es dem Eigenthümer von jemand Anderen übergeben
worden ist. Der Zuwachs wird durch Natur, durch Kunst, oder durch beyde
zugleich bewirkt.
I. Natürlicher Zuwachs:
a) an Natur-Producten;
b) Werfen der Thiere;
§. 405. Die natürlichen Früchte eines Grundes, nähmlich solche Nutzungen,
die er, ohne bearbeitet zu werden, hervor bringt, als: Kräuter, Schwämme und
dergleichen, wachsen dem Eigenthümer des Grundes, so wie alle Nutzungen, welche
aus einem Thiere entstehen, dem Eigenthümer des Thieres zu.
§. 406. Der Eigenthümer eines Thieres, welches durch das Thier eines andern
befruchtet wird, ist diesem keinen Lohn schuldig, wenn er nicht bedungen worden
ist.
c) Inseln;
§. 407. Wenn in der Mitte eines Gewässers eine Insel entsteht, so sind die
Eigenthümer der nach der Länge derselben an beyden Ufern liegenden Grundstücke
ausschließend befugt, die entstandene Insel in zwey gleichen Theilen sich
zuzueignen, und nach Maß der Länge ihrer Grundstücke unter sich zu theilen.
Entsteht die Insel auf der einen Hälfte des Gewässers, so hat der Eigenthümer
des näheren Uferlandes allein darauf Anspruch. Inseln auf schiffbaren Flüssen
bleiben dem Staate vorbehalten.
§. 408. Werden bloß durch die Austrocknung des Gewässers, oder durch
desselben Theilung in mehrere Arme, Inseln gebildet, oder Grundstücke
überschwemmt; so bleiben die Rechte des vorigen Eigenthumes unverletzt.
d) vom verlassenen Wasserbeete;
§. 409. Wenn ein Gewässer sein Beet verläßt, so haben vor Allem die
Grundbesitzer, welche durch den neuen Lauf des Gewässers Schaden leiden, das
Recht, aus dem verlassenen Beete oder dessen Werthe entschädigt zu werden.
§. 410. Außer dem Falle einer solchen Entschädigung gehört das verlassene
Beet, so wie von einer entstandenen Insel verordnet wird, den angränzenden
Uferbesitzern.
e) vom Anspühlen;
§. 411. Das Erdreich, welches ein Gewässer unmerklich an ein Ufer anspühlt,
gehört dem Eigenthümer des Ufers.
f) vom abgerissenen Lande.
§. 412. Wird aber ein merklicher Erdtheil durch die Gewalt des Flusses an
ein fremdes Ufer gelegt; so verliert der vorige Besitzer sein Eigenthumsrecht
darauf nur in dem Falle, wenn er es in einer Jahresfrist nicht ausübt.
§. 413. Jeder Grundbesitzer ist befugt, sein Ufer gegen das Ausreißen des
Flusses zu befestigen. Allein niemand darf solche Werke oder Pflanzungen
anlegen, die den ordentlichen Lauf des Flusses verändern, oder die der
Schiffahrt, den Mühlen, der Fischerey oder andern fremden Rechten nachtheilig
werden könnten. Ueberhaupt können ähnliche Anlagen nur mit Erlaubniß der
politischen Behörde gemacht werden.
II. Künstlicher Zuwachs durch Verarbeitung oder Vereinigung überhaupt;
§. 414. Wer fremde Sachen verarbeitet; wer sie mit den seinigen vereinigt,
vermengt, oder vermischt, erhält dadurch noch keinen Anspruch auf das fremde
Eigenthum.
§. 415. Können dergleichen verarbeitete Sachen in ihren vorigen Stand
zurückgebracht; vereinigte, vermengte oder vermischte Sachen wieder abgesondert
werden; so wird einem jeden Eigenthümer das Seinige zurückgestellet, und
demjenigen Schadloshaltung geleistet, dem sie gebührt. Ist die Zurücksetzung in
den vorigen Stand, oder die Absonderung nicht möglich, so wird die Sache den
Theilnehmern gemein; doch steht demjenigen, mit dessen Sache der Andere durch
Verschulden die Vereinigung vorgenommen hat, die Wahl frey, ob er den ganzen
Gegenstand gegen Ersatz der Verbesserung behalten, oder ihn dem Andern
ebenfalls gegen Vergütung überlassen wolle. Der Schuld tragende Theilnehmer
wird nach Beschaffenheit seiner redlichen oder unredlichen Absicht behandelt.
Kann aber keinem Theile ein Verschulden beygemessen werden, so bleibt dem,
dessen Antheil mehr werth ist, die Auswahl vorbehalten.
§. 416. Werden fremde Materialien nur zur Ausbesserung einer Sache verwendet,
so fällt die fremde Materie dem Eigenthümer der Hauptsache zu, und dieser ist
verbunden, nach Beschaffenheit seines redlichen oder unredlichen Verfahrens,
dem vorigen Eigenthümer der verbrauchten Materialien den Werth derselben zu
bezahlen.
insbesondere bey einem Baue.
§. 417. Wenn jemand auf eigenem Boden ein Gebäude aufführet, und fremde
Materialien dazu verwendet hat, so bleibt das Gebäude zwar sein Eigenthum; doch
muß selbst ein redlicher Bauführer dem Beschädigten die Materialien, wenn er
sie außer den im §. 367. angeführten Verhältnissen an sich gebracht hat, nach
dem gemeinen; ein unredlicher aber muß sie nach dem höchsten Preise, und
überdieß noch allen anderweitigen Schaden ersetzen.
§. 418. Hat im entgegen gesetzten Falle jemand mit eigenen Materialien,
ohne Wissen und Willen des Eigenthümers auf fremdem Grunde gebaut, so fällt das
Gebäude dem Grundeigenthümer zu. Der redliche Bauführer kann den Ersatz der
nothwendigen und nützlichen Kosten fordern; der unredliche wird gleich einem
Geschäftsführer ohne Auftrag behandelt. Hat der Eigenthümer des Grundes die
Bauführung gewußt, und sie nicht sogleich dem redlichen Bauführer untersagt, so
kann er nur den gemeinen Werth für den Grund fordern.
§. 419. Ist das Gebäude auf fremden Grunde, und aus fremden Materialien
entstanden, so wächst auch in diesem Falle das Eigenthum desselben dem
Grundeigenthümer zu. Zwischen dem Grundeigenthümer und dem Bauführer treten die
nähmlichen Rechte und Verbindlichkeiten, wie in dem vorstehenden Paragraphe,
ein, und der Bauführer muß dem vorigen Eigenthümer der Materialien, nach
Beschaffenheit seiner redlichen oder unredlichen Absicht, den gemeinen oder den
höchsten Werth ersetzen.
III. Vermischter Zuwachs.
§. 420. Was bisher wegen der mit fremden Materialien aufgeführten Gebäude
bestimmt worden ist, gilt auch für die Fälle, wenn ein Feld mit fremden Samen
besäet, oder mit fremde Pflanzen besetzt worden ist. Ein solcher Zuwachs gehört
dem Eigenthümer des Grundes, wenn anders die Pflanzen schon Wurzel geschlagen
haben.
§. 421. Das Eigenthum eines Baumes wird nicht nach den Wurzeln, die sich in
einem angränzenden Grunde verbreiten, sondern nach dem Stamme bestimmt, der aus
dem Grunde hervorragt. Steht der Baum auf den Gränzen mehrerer Eigenthümer, so
ist ihnen der Baum gemein.
§. 422. Jeder Eigentümer kann die in seinen Grund eindringenden Wurzeln
eines fremden Baumes oder einer anderen fremden Pflanze aus seinem Boden
entfernen und die über seinem Luftraum hängenden Äste abschneiden oder sonst
benützen. Dabei hat er aber fachgerecht vorzugehen und die Pflanze möglichst zu
schonen. Bundes- und landesgesetzliche Regelungen über den Schutz von oder vor
Bäumen und anderen Pflanzen, insbesondere über den Wald-, Flur-, Feld-,
Ortsbild-, Natur- und Baumschutz, bleiben unberührt.
Die für die Entfernung der Wurzeln oder das Abschneiden der Äste
notwendigen Kosten hat der beeinträchtigte Grundeigentümer zu tragen. Sofern
diesem aber durch die Wurzeln oder Äste ein Schaden entstanden ist oder
offenbar droht, hat der Eigentümer des Baumes oder der Pflanze die Hälfte der
notwendigen Kosten zu ersetzen.
Fünftes Hauptstück.
Von Erwerbung des Eigenthumes durch Uebergabe.
Mittelbare Erwerbung.
§. 423. Sachen, die schon einen Eigenthümer haben, werden mittelbar erworben,
indem sie auf eine rechtliche Art von dem Eigenthümer auf einen Andern
übergehen.
Titel derselben.
§. 424. Der Titel der mittelbaren Erwerbung liegt in einem Vertrage; in
einer Verfügung auf den Todesfall; in dem richterlichen Ausspruche; oder, in
der Anordnung des Gesetzes.
Mittelbare Erwerbungsart.
§. 425. Der bloße Titel gibt noch kein Eigenthum. Das Eigenthum und alle
dingliche Rechte überhaupt können, außer den in dem Gesetze bestimmten Fällen,
nur durch die rechtliche Uebergabe und Uebernahme erworben werden.
Arten der Uebergabe:
1) bey beweglichen Sachen:
a) körperliche Uebergabe;
§. 426. Bewegliche Sachen können in der Regel nur durch körperliche
Uebergabe von Hand zu Hand an einen Andern übertragen werden.
b) Uebergabe durch Zeichen;
§. 427. Bey solchen beweglichen Sachen aber, welche ihrer Beschaffenheit
nach keine körperliche Uebergabe zulassen, wie bey Schuldforderungen,
Frachtgütern, bey einem Waarenlager oder einer andern Gesammtsache, gestattet
das Gesetz die Uebergabe durch Zeichen; indem der Eigenthümer dem Uebernehmer
die Urkunden, wodurch das Eigenthum dargethan wird, oder die Werkzeuge
übergibt, durch die der Uebernehmer in den Stand gesetzt wird, ausschließend
den Besitz der Sache zu ergreifen; oder, indem man mit der Sache ein Merkmahl
verbindet, woraus jedermann deutlich erkennen kann, daß die Sache einem Andern
überlassen worden ist.
c) durch Erklärung.
§. 428. Durch Erklärung wird die Sache übergeben, wenn der Veräußerer auf
eine erweisliche Art seinen Willen an den Tag legt, daß er die Sache künftig im
Nahmen des Uebernehmers inne habe; oder, daß der Uebernehmer die Sache, welche
er bisher ohne ein dingliches Recht inne hatte, künftig aus einem dinglichen
Recht besitzen solle.
Folge in Rücksicht der übersendeten;
§. 429. Wenn die Sache mit Willen des Übernehmers an einen anderen Ort als
den Erfüllungsort übersendet wird, ist die Sache bereits mit ihrer Aushändigung
an eine mit der Übersendung betraute Person übergeben, sofern die Art der
Übersendung der getroffenen Vereinbarung, mangels einer solchen der
Verkehrsübung entspricht.
§. 430. Hat ein Eigenthümer eben dieselbe bewegliche Sache an zwey
verschiedene Personen, an Eine mit, an die Andere ohne Uebergabe veräußert; so
gebührt sie derjenigen, welcher sie zuerst übergeben worden ist; doch hat der
Eigenthümer dem verletzten Theile zu haften.
2. Bei unbeweglichen Sachen und Bauwerken.
§. 431. Zur Uebertragung des Eigenthumes unbeweglicher Sachen muß das
Erwerbungsgeschäft in die dazu bestimmten öffentlichen Bücher eingetragen werden.
Diese Eintragung nennt man Einverleibung (Intabulation).
Insbesondere bei Erwerbung
a) durch Vertrag
§. 432. Zu diesem Zwecke muß über das Erwerbungsgeschäft eine beglaubigte
Urkunde in der zur Gültigkeit des Geschäftes vorgeschriebenen Form oder eine
öffentliche Urkunde ausgefertigt werden.
§. 433. Die Urkunde muß die genaue Angabe der Personen, die das Eigentum
übergeben und übernehmen; die Liegenschaft, die übergeben werden soll, mit
ihren Bestandteilen; des Rechtsgrundes der Übergabe; ferner des Ortes und der
Zeit des Vertragsschlusses enthalten; und es muß von dem Übergeber in dieser
oder in einer besonderen Urkunde die ausdrückliche Erklärung abgegeben werden,
daß er in die Einverleibung einwillige.
§. 434. Zur Übertragung des Eigentums an Liegenschaften, die in keinem
Grundbuche eingetragen sind, muß eine mit den Erfordernissen der §§ 432 und 433
versehene Urkunde bei Gericht hinterlegt werden. An die Stelle der Bewilligung
der Einverleibung tritt die Erklärung der Einwilligung zur Hinterlegung der
Urkunde.
§. 435. Dasselbe gilt auch für die Übertragung des Eigentums an Bauwerken,
die auf fremdem Grund in der Absicht aufgeführt sind, daß sie nicht stets
darauf bleiben sollen, soferne sie nicht Zugehör eines Baurechtes sind.
b) durch Urtheil und andere gerichtliche Urkunden;
§. 436. Wenn das Eigentum unbeweglicher Sachen oder eines Bauwerkes zufolge
rechtskräftigen Urteils, gerichtlicher Teilung oder Einantwortung einer
Erbschaft übertragen werden soll, ist ebenfalls die Einverleibung (§§ 431 bis
433) oder die Hinterlegung der Urkunde (§§ 434, 435) erforderlich.
oder c) durch Vermächtniß.
§. 437. Ebenso ist es, um das Eigentum eines vermachten unbeweglichen Gutes
oder eines Bauwerkes zu erwerben, notwendig, daß die Sache dem
Vermächtnisnehmer gemäß §§ 431 bis 435 übergeben werde.
Bedingte Aufzeichnung in das öffentliche Buch; oder Vormerkung.
§. 438. Wenn derjenige, welcher das Eigenthum einer unbeweglichen Sache
anspricht, darüber zwar eine glaubwürdige, aber nicht mit allen in den §§. 434 und
435 zur Einverleibung vorgeschriebenen Erfordernissen versehene Urkunde
besitzt; so kann er doch, damit ihm niemand ein Vorrecht abgewinne, die
bedingte Eintragung in das öffentliche Buch bewirken, welche Vormerkung
(Pränotation) genannt wird. Dadurch erhält er ein bedingtes Eigenthumsrecht,
und er wird, sobald er zu Folge richterlichen Anspruches die Vormerkung
gerechtfertiget hat, von der Zeit des nach gesetzlicher Ordnung eingereichten
Vormerkungsgesuches, für den wahren Eigenthümer gehalten.
§. 439. Die geschehene Vormerkung muß sowohl demjenigen, der sie bewirkt
hat, als auch seinem Gegner durch Zustellung zu eigenen Handen bekannt gemacht
werden. Der Vormerkungswerber muß binnen vierzehn Tagen, vom Tage der
erhaltenen Zustellung, die ordentliche Klage zum Erweise des Eigenthumsrechtes
einreichen; widrigen Falls soll die bewirkte Vormerkung auf Ansuchen des
Gegners gelöschet werden.
Vorschrift über die Collision der Einverleibungen.
§. 440. Hat der Eigenthümer eben dieselbe unbewegliche Sache zwey verschiedenen
Personen überlassen; so fällt sie derjenigen zu, welche früher die
Einverleibung angesucht hat.
Folge der Erwerbung:
a) in Rücksicht des Besitzes;
§. 441. So bald die Urkunde über das Eigenthumsrecht in das öffentliche
Buch eingetragen ist, tritt der neue Eigenthümer in den rechtmäßigen Besitz.
b) der damit verbundenen Rechte;
§. 442. Wer das Eigenthum einer Sache erwirbt, erlangt auch die damit
verbundenen Rechte. Rechte, die auf die Person des Uebergebers eingeschränkt
sind, kann er nicht übergeben. Ueberhaupt kann niemand einem Andern mehr Recht
abtreten, als er selbst hat.
c) Lasten.
§. 443. Mit dem Eigenthume unbeweglicher Sachen werden auch die darauf
haftenden, in den öffentlichen Büchern angemerkten Lasten übernommen. Wer diese
Bücher nicht einsieht, leidet in allen Fällen für seine Nachlässigkeit. Andere
Forderungen und Ansprüche, die jemand an den vorigen Eigenthümer hat, gehen
nicht auf den neuen Erwerbe über.
Erlöschung des Eigenthumsrechtes.
§. 444. Das Eigenthum überhaupt kann durch den Willen des Eigenthümers;
durch das Gesetz; und durch richterlichen Ausspruch verloren gehen. Das
Eigenthum der unbeweglichen Sachen aber wird nur durch die Löschung aus den
öffentlichen Büchern aufgehoben.
Ausdehnung dieser Vorschriften auf andere dingliche Rechte.
§. 445. Nach den in diesem Hauptstücke über die Erwerbungs- und
Erlöschungsart des Eigenthumsrechtes unbeweglicher Sachen gegebenen
Vorschriften hat man sich auch bey den übrigen, auf unbewegliche Sachen sich
beziehenden, dinglichen Rechten zu verhalten.
Form und Vorsichten der Einverleibungen.
§. 446. Auf was Art und mit welchen Vorsichten überhaupt bey Einverleibung
dinglicher Rechte vorzugehen sey, ist in den über die Einrichtung der
Landtafeln und Grundbücher bestehenden besondern Anordnungen enthalten.
Sechstes Hauptstück.
Von dem Pfandrechte.
Begriff von dem Pfandrechte und Pfande.
§. 447. Das Pfandrecht ist das dingliche Recht, welches vom Gläubiger
eingeräumt wird, aus einer Sache, wenn die Verbindlichkeit zur bestimmten Zeit
nicht erfüllt wird, die Befriedigung zu erlangen. Die Sache, worauf dem
Gläubiger dieses Recht zusteht, heißt überhaupt ein Pfand.
Arten des Pfandes.
§. 448. Als Pfand kann jede Sache dienen, die im Verkehre steht. Ist sie
beweglich, so wird sie Handpfand, oder ein Pfand in enger Bedeutung genannt;
ist sie unbeweglich, so heißt sie eine Hypothek oder ein Grundpfand.
Titel des Pfandrechtes:
§. 449. Das Pfandrecht bezieht sich zwar immer auf eine gültige Forderung,
aber nicht jede Forderung gibt einen Titel zur Erwerbung des Pfandrechtes.
Dieser gründet sich auf das Gesetz; auf einen richterlichen Ausspruch; auf
einen Vertrag; oder den letzten Willen des Eigenthümers.
§. 450. Die Fälle, in welchen das Gesetz jemanden das Pfandrecht einräumt,
sind am gehörigen Orte dieses Gesetzbuches und bey dem Verfahren in
Concurs-Fällen angegeben. In wie fern das Gericht ein Pfandrecht einräumen
könne, bestimmt die Gerichtsordnung. Soll durch die Einwilligung des Schuldners
oder eines Dritten, der seine Sache für ihn verhaftet, das Pfandrecht erworben
werden; so dienen die Vorschriften von Verträgen und Vermächtnissen zur
Richtschnur.
Erwerbungsart des Pfandrechtes:
a) durch körperliche Übergabe;
b) durch Einverleibung oder gerichtliche Urkundenhinterlegung;
§. 451. Um das Pfandrecht wirklich zu erwerben, muß der mit einem Titel
versehene Gläubiger, die verpfändete Sache, wenn sie beweglich ist, in
Verwahrung nehmen; und, wenn sie unbeweglich ist, seine Forderung auf die zur
Erwerbung des Eigenthumes liegender Güter vorgeschriebene Art einverleiben
lassen. Der Titel allein gibt nur ein persönliches Recht zu der Sache, aber
kein dingliches Recht auf die Sache.
Das Pfandrecht an bücherlich nicht eingetragenen Liegenschaften (§ 434)
oder an Bauwerken (§ 435) wird durch die gerichtliche Hinterlegung einer
beglaubigten Pfandbestellungsurkunde erworben. Die Urkunde muß die genaue
Angabe des Pfandgegenstandes und der Forderung mit einer ziffermäßig bestimmten
Geldsumme, bei einer verzinslichen Forderung auch die Höhe der Zinsen; ferner
die ausdrückliche Zustimmung des Verpfänders zu der gerichtlichen Hinterlegung
enthalten.
c) durch symbolische Uebergabe;
§. 452. Bey Verpfändung derjenigen beweglichen Sachen, welche keine
körperliche Uebergabe von Hand zu Hand zulassen, muß man sich, wie bey der
Uebertragung des Eigenthumes (§. 427.), solcher Zeichen bedienen, woraus
jedermann die Verpfändung leicht erfahren kann. Wer diese Vorsicht unterläßt,
haftet für die nachtheiligen Folgen.
d) durch die Vormerkung.
§. 453. Findet die Einverleibung einer Forderung in die öffentlichen Bücher
wegen Mangels gesetzmäßiger Förmlichkeit in der Urkunde nicht Statt; so kann
sich der Gläubiger vormerken (pränotiren) lassen. Durch die Vormerkung erhält
er ein bedingtes Pfandrecht, welches, wenn die Forderung auf die oben §§. 438
und 439. angeführte Art gerechtfertiget worden ist, von dem Zeitpuncte des nach
gesetzlicher Ordnung eingereichten Vormerkungsgesuches in ein unbedingtes
übergeht.
Erwerbung eines Afterpfandes.
§. 454. Der Pfandinhaber kann sein Pfand, in so weit er ein Recht darauf
hat, einem Dritten wieder verpfänden, und in so fern wird es zum Afterpfande,
wenn zugleich Letzterer sie dasselbe übergeben, oder die Afterverpfändung auf
das Pfandrecht in die öffentlichen Bücher eintragen läßt.
§. 455. Wird der Eigenthümer von der weiteren Verpfändung benachrichtiget;
so kann er seine Schuld nur mit Willen dessen, der das Afterpfand hat, dem
Gläubiger abführen, oder er muß sie gerichtlich hinterlegen, sonst bleibt das
Pfand dem Inhaber des Afterpfandes verhaftet.
Verpfändung einer fremden Sache.
§. 456. Wird eine bewegliche Sache von jemandem verpfändet, dem sie nicht
gehört und der darüber auch nicht verfügen kann, so hat der Eigentümer zwar in
der Regel das Recht, sie zurückzufordern. In solchen Fällen, in denen die
Eigentumsklage gegen einen rechtmäßigen und redlichen Besitzer abzuweisen ist
(§§ 367 und 368), ist er aber verpflichtet, den Pfandbesitzer schadlos zu
halten oder das Pfand fahren zu lassen und sich mit dem Schadenersatzanspruch
gegen den Verpfänder oder dritte Personen zu begnügen.
Ist die Sache mit dem Recht eines Dritten belastet, so geht das Pfandrecht
des rechtmäßigen und redlichen Pfandbesitzers diesem Recht vor, es sei denn,
dass der Pfandbesitzer in Ansehung dieses Rechtes nicht redlich ist (§ 368).
Objectiver Umfang des Pfandrechtes.
§. 457. Das Pfandrecht erstreckt sich auf alle zu dem freyen Eigenthume des
Verpfänders gehörige Theile, auf Zuwachs und Zugehör des Pfandes, folglich auch
auf die Früchte, in so lange sie noch nicht abgesondert oder bezogen sind. Wenn
also ein Schuldner einem Gläubiger sein Gut, und einem andern später die
Früchte desselben verpfändet; so ist die spätere Verpfändung nur in Rücksicht
auf die schon abgesonderten und bezogenen Früchte wirksam.
Rechte und Verbindlichkeiten des Pfandgläubigers:
a) bey Entdeckung eines unzureichenden Pfandes;
§. 458. Wenn der Werth eines Pfandes durch Verschulden des Pfandgebers,
oder wegen eines erst offenbar gewordenen Mangels der Sache zur Bedeckung der
Schuld nicht mehr zureichend gefunden wird; so ist der Gläubiger berechtigt,
von dem Pfandgeber ein anderes angemessenes Pfand zu fordern.
b) vor dem Verfalle;
§. 459. Ohne Bewilligung des Pfandgebers darf der Gläubiger das Pfandstück
nicht benützen; er muß es vielmehr genau bewahren, und, wenn es durch sein
Verschulden in Verlust geräth, dafür haften. Geht es ohne sein Verschulden
verloren, so verliert er deswegen seine Forderung nicht.
§. 460. Hat der Gläubiger das Pfand weiter verpfändet; so haftet er selbst
für einen solchen Zufall, wodurch das Pfand bey ihm nicht zu Grunde gegangen
oder verschlimmert worden wäre.
§. 460a. Wenn eine bewegliche körperliche Sache einschließlich eines
Inhaber- oder Orderpapiers als Pfand zu verderben oder erheblich und dauernd so
an Wert zu verlieren droht, dass die Sicherheit des Pfandgläubigers gefährdet
wird, kann dieser das Pfand bereits vor der Fälligkeit seiner Forderung gemäß
den §§ 466a bis 466d außergerichtlich verwerten. Der Pfandgläubiger hat dem
Pfandgeber tunlichst die Gelegenheit zur Leistung einer anderweitigen
Sicherheit einzuräumen.
Der Erlös tritt an die Stelle des Pfandes. Auf Verlangen des Pfandgebers
ist der Erlös zu hinterlegen.
c) nach dem Verfalle der Forderung.
§. 461. Wird der Pfandgläubiger nach Verlauf der bestimmten Zeit nicht
befriediget; so ist er befugt, Feilbiethung des Pfandes gerichtlich zu
verlangen. Das Gericht hat dabey nach Vorschrift der Gerichtsordnung zu
verfahren.
§. 462. Vor der Feilbiethung des Gutes ist jedem darauf eingetragenen
Pfandgläubiger die Einlösung der Forderung, wegen welcher die Feilbiethung
angesucht worden, zu gestatten.
§. 463. Schuldner haben kein Recht bey Versteigerung einer von ihnen
verpfändeten Sache mitzubiethen.
§. 464. Wird der Schuldbetrag aus dem Pfande nicht gelöset, so ersetzt der
Schuldner das Fehlende; ihm fällt aber auch das zu, was über den Schuldbetrag
gelöset wird.
§. 465. In wie fern ein Pfandgläubiger sich an sein Pfand zu halten
schuldig; oder, auf ein anderes Vermögen seines Schuldners zu greifen berechtiget
sey, bestimmt die Gerichtsordnung.
§. 466. Hat der Schuldner während der Verpfändungszeit das Eigenthum der
verpfändeten Sache auf einen Andern übertragen, so steht dem Gläubiger frey,
erst sein persönliches Recht gegen den Schuldner, und dann seine volle
Befriedigung an der verpfändeten Sache zu suchen.
d) außergerichtliche Pfandverwertung
§. 466a. Der Pfandgläubiger kann sich aus einer beweglichen körperlichen
Sache (§ 460a Abs. 1), die ihm verpfändet worden ist oder an der er ein
gesetzliches Pfandrecht erworben hat, auch durch den Verkauf der Sache
befriedigen.
Der Pfandgläubiger hat bei der Verwertung der Sache angemessen auf die
Interessen des Pfandgebers Bedacht zu nehmen.
Der Pfandgläubiger und der Pfandgeber können abweichende Arten der außergerichtlichen
Pfandverwertung vereinbaren. Besondere Vorschriften über die außergerichtliche
Verwertung von Sicherheiten bleiben unberührt.
§. 466b. Der Pfandgläubiger hat dem Pfandgeber nach Eintritt der Fälligkeit
der gesicherten Forderung den Verkauf der Sache anzudrohen, soweit dies nicht
untunlich ist. Er hat dabei die Höhe der ausstehenden Forderung anzugeben. Der
Verkauf darf erst einen Monat nach dessen Androhung oder, wenn diese untunlich
war, nach Eintritt der Fälligkeit stattfinden. Besteht an der Sache ein anderes
Pfandrecht, so hat der Gläubiger den Verkauf auch dem anderen Pfandgläubiger
anzudrohen. Diesem ist die Einlösung der Forderung zu gestatten (§ 462).
Der Verkauf ist im Wege einer öffentlichen Versteigerung durch einen dazu
befugten Unternehmer zu bewirken.
Zeit und Ort der Versteigerung sind unter allgemeiner Bezeichnung des
Pfandes öffentlich bekannt zu machen. Der Pfandgeber und Dritte, denen Rechte
am Pfand zustehen, sind hievon zu benachrichtigen.
Sachen mit einem Börsen- oder Marktpreis dürfen zu diesem Preis vom
Pfandgläubiger auch aus freier Hand verkauft werden. Wertpapiere, die einen
Börsen- oder Marktpreis haben, sowie Sparurkunden dürfen nur aus freier Hand zu
ihrem Preis oder Wert verkauft werden.
§. 466c. Das Pfand darf nur mit der Bestimmung verkauft werden, dass der
Erwerber den Kaufpreis sofort zu entrichten hat. Wird die Sache dem Erwerber
vor der Entrichtung des Preises übergeben, so gilt auch der Kaufpreis als dem
Pfandgläubiger übergeben.
Der Pfandgläubiger hat den Pfandgeber vom Verkauf des Pfandes und von
dessen Ergebnis unverzüglich zu verständigen.
Mit dem Verkauf erlöschen die Pfandrechte an der Sache selbst. Das Gleiche
gilt für andere dingliche Rechte, sofern diese nicht allen Pfandrechten im Rang
vorgehen.
Der Kaufpreis gebührt dem Pfandgläubiger nach Maßgabe seines Ranges im
Ausmaß der gesicherten Forderung und der angemessenen Kosten einer
zweckentsprechenden Verwertung. Im Übrigen tritt der Anspruch des Pfandgebers
auf Herausgabe des Mehrbetrags an die Stelle des Pfandes.
Wenn der Pfandgläubiger und der Pfandgeber eine abweichende Art der
Pfandverwertung vereinbaren und am Pfand einem Dritten ein Recht zusteht, das
durch die Verwertung erlischt, so bedarf die Vereinbarung zu ihrer Wirksamkeit
der Zustimmung des Dritten.
§. 466d. Wenn der Pfandgläubiger die Sache außergerichtlich als Pfand
verwertet, genügt für die Redlichkeit des Erwerbers (§§ 367 und 368) der gute
Glaube in die Befugnis des Pfandgläubigers, über die Sache zu verfügen.
§. 466e. Besteht das Pfandrecht an einem Inhaber- oder Orderpapier, so ist
der Pfandgläubiger berechtigt, eine etwa erforderliche Kündigung vorzunehmen
und die Forderung aus dem Wertpapier einzuziehen.
Ist die Forderung aus dem verpfändeten Papier bereits fällig, so kann der Pfandgläubiger
diese auch dann einziehen, wenn die gesicherte Forderung noch nicht fällig ist.
In diesem Fall erwirbt der Pfandgläubiger ein Pfandrecht an der erhaltenen
Leistung. Besteht die Leistung in Geld, so hat der Pfandgläubiger den
erhaltenen Betrag nach den Bestimmungen über die Anlegung von Mündelgeld zu
veranlagen.
Erlöschung des Pfandrechtes.
§. 467. Wenn die verpfändete Sache zerstört wird; wenn sich der Gläubiger
seines Rechtes darauf gesetzmäßig begibt; oder, wenn er sie dem Schuldner ohne
Vorbehalt zurückstellt; so erlischt zwar das Pfandrecht, aber die
Schuldforderung besteht noch.
§. 468. Das Pfandrecht erlischt ferner mit der Zeit, auf welche es
eingeschränkt war, folglich auch mit dem zeitlichen Rechte des Pfandgebers auf
die verpfändete Sache; wenn anders dieser Umstand dem Gläubiger bekannt war,
oder aus den öffentlichen Büchern bekannt seyn konnte.
§. 469. (Durch Tilgung der Schuld hört das Pfandrecht auf. Der Pfandgeber
ist aber die Schuld nur gegen dem zu tilgen verbunden, daß ihm das Pfand
zugleich zurückgestellt werde. Zur Aufhebung einer Hypothek ist die Tilgung der
Schuld allein nicht hinreichend. Ein Hypothekargut bleibt so lange verhaftet,
bis die Schuld aus den öffentlichen Büchern gelöscht ist.) Bis dahin kann der
Eigentümer des Gutes auf Grund einer Quittung oder einer anderen, das Erlöschen
der Pfandschuld dartuenden Urkunde das Pfandrecht auf eine neue Forderung
übertragen, die den Betrag der eingetragenen Pfandforderung nicht übersteigt.
§. 469a. Bei Bestellung des Pfandrechtes kann auf dieses Verfügungsrecht
nicht verzichtet werden. Ist jedoch im öffentlichen Buch ein der Hypothek im
Rang nachfolgendes oder ihr gleichrangiges, rechtsgeschäftlich bestelltes Recht
eingetragen, so kann der Eigentümer über die Hypothek nur dann verfügen, wenn
er sich das Verfügungsrecht gegenüber dem Buchberechtigten vertraglich
vorbehalten hat und dieser Vorbehalt im öffentlichen Buch bei der Hypothek
angemerkt ist.
§. 470. Wird nach Tilgung der Schuld (§ 469) oder eingetretener Vereinigung
(§ 1446), bevor das Pfandrecht bücherlich gelöscht oder die Liegenschaft oder
das Pfandrecht übertragen worden ist, das Hypothekargut zwangsweise versteigert
oder dessen Zwangsverwaltung bewilligt, so ist bei Verteilung des Erlöses auf
dieses Pfandrecht keine Rücksicht zu nehmen. Nur insoweit die durch das
Pfandrecht gesicherte Forderung gegen einen Dritten noch fortbesteht oder dem
Eigentümer der Ersatz für deren Tilgung gebührt (§ 1358), wird der darauf
entfallende Teil dem Eigentümer zugewiesen.
Von dem Retentions-Rechte.
§. 471. Wer zur Herausgabe einer Sache verpflichtet ist, kann sie zur
Sicherung seiner fälligen Forderungen wegen des für die Sache gemachten
Aufwandes oder des durch die Sache ihm verursachten Schadens mit der Wirkung
zurückbehalten, daß er zur Herausgabe nur gegen die Zug um Zug zu bewirkende
Gegenleistung verurteilt werden kann.
Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes kann durch Sicherheitsleistung
abgewendet werden; Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.
Siebentes Hauptstück.
Von Dienstbarkeiten.
(Servituten.)
Begriff des Rechtes der Dienstbarkeit.
§. 472. Durch das Recht der Dienstbarkeit wird ein Eigenthümer verbunden,
zum Vortheile eines Andern in Rücksicht seiner Sache etwas zu dulden oder zu unterlassen.
Es ist ein dingliches, gegen jeden Besitzer der dienstbaren Sache wirksames
Recht.
Eintheilung der Dienstbarkeiten in Grunddienstbarkeiten und persönliche;
§. 473. Wird das Recht der Dienstbarkeit mit dem Besitze eines Grundstückes
zu dessen vortheilhafteren oder bequemeren Benützung verknüpft; so entsteht
eine Grunddienstbarkeit; außer dem ist die Dienstbarkeit persönlich.
in Feld- und Haus-Servituten.
§. 474. Grunddienstbarkeiten setzen zwey Grundbesitzer voraus, deren Einem
als Verpflichteten das dienstbare; dem Andern als Berechtigten das herrschende
Gut gehört. Das herrschende Grundstück ist entweder zur Landwirthschaft oder zu
einem andern Gebrauche bestimmt; daher unterscheidet man auch die Feld- und
Haus-Servituten.
Gewöhnlichere Arten: a) der Haus-Servituten;
§. 475. Die Haus-Servituten sind gewöhnlich:
1) Das Recht, eine Last seines Gebäudes auf ein fremdes Gebäude zu setzen;
2) Einen Balken oder Sparren in eine fremde Wand einfügen;
3) Ein Fenster in der fremden Wand zu öffnen; es sey des Lichtes oder der
Aussicht wegen;
4) Ein Dach oder einen Erker über des Nachbars Luftraum zu bauen;
5) Den Rauch durch des Nachbars Schorstein zu führen;
6) Die Dachtraufe auf fremden Grund zu leiten;
7) Flüssigkeiten auf des Nachbars Grund zu gießen oder durchzuführen.
Durch diese und ähnliche Haus-Servituten wird ein Hausbesitzer befugt,
etwas auf dem Grunde seines Nachbars vorzunehmen, was dieser dulden muß.
§. 476. Durch andere Haus-Servituten wird der Besitzer des dienstbaren
Grundes verpflichtet, etwas zu unterlassen, was ihm sonst zu thun frey stand.
Dergleichen sind:
8) sein Haus nicht zu erhöhen;
9) es nicht niedriger zu machen;
10) dem herrschenden Gebäude Licht und Luft;
11) oder Aussicht nicht zu benehmen;
12) die Dachtraufe seines Hauses von dem Grunde des Nachbars, dem sie zur
Bewässerung seines Gartens oder zur Füllung seiner Zisterne, oder auf eine
andere Art nützlich seyn kann, nicht abzuleiten.
b) der Feld-Servituten;
§. 477. Die vorzüglichen Feld-Servituten sind:
1) das Recht, einen Fußsteig, Viehtrieb oder Fahrweg auf fremden Grund und
Boden zu halten.
2) das Wasser zu schöpfen, das Vieh zu tränken, das Wasser ab- und
herzuleiten;
3) Das Vieh zu hüthen und zu weiden;
4) Holz zu fällen, verdorrte Aeste und Reiser zu sammeln, Eicheln zu lösen,
Laub zu rechen;
5) zu jagen, zu fischen, Vögel zu fangen;
6) Steine zu brechen, Sand zu graben, Kalk zu brennen.
Arten der persönlichen Dienstbarkeiten.
§. 478. Die persönlichen Servituten sind: der nöthige Gebrauch einer Sache;
die Fruchtnießung; und die Wohnung.
Unregelmäßige und Schein-Servituten.
§. 479. Es können aber auch Dienstbarkeiten, welche an sich
Grunddienstbarkeiten sind, der Person allein; oder, es können Begünstigungen,
die ordentlicher Weise Servituten sind, nur bloß auf Widerrufen zugestanden
werden. Die Abweichungen von der Natur einer Servitut werden jedoch nicht
vermuthet; wer sie behauptet, dem liegt der Beweis ob.
Erwerbung des Rechtes der Dienstbarkeit. Titel zur Erwerbung.
§. 480. Der Titel zu einer Servitut ist auf einem Vertrage; auf einer
letzten Willenserklärung; auf einem bey der Theilung gemeinschaftlicher
Grundstücke erfolgten Rechtsspruche; oder endlich, auf Verjährung gegründet.
Erwerbungsart.
§. 481. Das dingliche Recht der Dienstbarkeit kann an Gegenständen, die in
den öffentlichen Büchern eingetragen sind, nur durch die Eintragung in diese
erworben werden.
An bücherlich nicht eingetragenen Liegenschaften (§ 434) oder an Bauwerken
(§ 435) wird das dingliche Recht durch die gerichtliche Hinterlegung einer über
die Einräumung der Dienstbarkeit errichteten beglaubigten Urkunde; auf andere
Sachen aber durch die oben (§§ 426 bis 428) angegebenen Arten der Übergabe
erworben.
Rechtsverhältniß bey den Dienstbarkeiten.
Allgemeine Vorschriften über das Recht der Dienstbarkeit.
§. 482. Alle Servituten kommen darin überein, daß der Besitzer der
dienstbaren Sache in der Regel nicht verbunden ist, etwas zu thun; sondern nur
einem Andern die Ausübung eines Rechtes zu gestatten, oder das zu unterlassen,
was er als Eigenthümer sonst zu thun berechtiget wäre.
§. 483. Daher muß auch der Aufwand zur Erhaltung und Herstellung der Sache,
welche zur Dienstbarkeit bestimmt ist, in der Regel von dem Berechtigten
getragen werden. Wenn aber diese Sache auch von dem Verpflichteten benützet
wird; so muß er verhältnißmäßig zu dem Aufwande beytragen, und nur durch die
Abtretung derselben an dem Berechtigten kann er sich, auch ohne dessen
Beystimmung, von dem Beytrage befreyen.
§. 484. Der Besitzer des herrschenden Gutes kann zwar sein Recht auf die
ihm gefällige Art ausüben; doch dürfen Servituten nicht erweitert, sie müssen
vielmehr, in so weit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet,
eingeschränkt werden.
§. 485. Keine Servitut läßt sich eigenmächtig von der dienstbaren Sache
absondern, noch auf eine andere Sache oder Person übertragen. Auch wird jede
Servitut insofern für unteilbar gehalten, als das auf dem Grundstücke haftende
Recht durch Vergrößerung, Verkleinerung oder Zerstücklung desselben, abgesehen
von dem im § 847 bezeichneten Falle, weder verändert noch geteilt werden kann.
§. 486. Ein Grundstück kann mehrern Personen zugleich dienstbar seyn, wenn
anders die ältern Rechte eines Dritten nicht darunter leiden.
Anwendung auf die Grunddienstbarkeiten; insbesondere auf das Recht, eine
Last, einen Balken auf fremdem Gebäude zu haben, oder, den Rauch durchzuführen.
§. 487. Nach den hier aufgestellten Grundsätzen sind die Rechtsverhältnisse
bey den besondern Arten der Servituten zu bestimmen. Wer also die Last des
benachbarten Gebäudes zu tragen; die Einfügung des fremden Balkens an seiner
Wand; oder, den Durchzug des fremden Rauches in seinem Schorsteine zu dulden
hat; der muß verhältnißmäßig zur Erhaltung der dazu bestimmten Mauer, Säule,
Wand oder des Schorsteines beytragen. Es kann ihm aber nicht zugemuthet werden,
daß er das herrschende Gut unterstützen oder den Schorstein des Nachbars
ausbessern lasse.
Fensterrecht.
§. 488. Das Fensterrecht gibt nur auf Licht und Luft Anspruch; die Aussicht
muß besonders bewilliget werden. Wer kein Recht zur Aussicht hat, kann
angehalten werden, das Fenster zu vergittern. Mit dem Fensterrechte ist die
Schuldigkeit verbunden, die Oeffnung zu verwahren; wer diese Verwahrung
vernachlässiget, haftet für den daraus entstehenden Schaden.
Recht der Dachtraufe.
§. 489. Wer das Recht der Dachtraufe besitzt, kann das Regenwasser auf das
fremde Dach frey oder durch Rinnen abfließen lassen; er kann auch sein Dach
erhöhen; doch muß er solche Vorkehrungen treffen, daß dadurch die Dienstbarkeit
nicht lästiger werde. Eben so muß er häufig gefallenen Schnee zeitig
hinwegräumen, wie auch die zum Abflusse bestimmten Rinnen unterhalten.
Recht der Ableitung des Regenwassers.
§. 490. Wer das Recht hat, das Regenwasser von dem benachbarten Dache auf
seinen Grund zu leiten, hat die Obliegenheit, für Rinnen, Wasserkästen und
andere dazu gehörige Anstalten die Auslagen allein zu bestreiten.
§. 491. Erfordern die abzuführenden Flüssigkeiten Gräben und Canäle; so muß
sie der Eigenthümer des herrschenden Grundes errichten; er muß sie auch
ordentlich decken und reinigen, und dadurch die Last des dienstbaren Grundes
erleichtern.
Recht des Fußsteiges, Viehtriebes und Fahrweges.
§. 492. Das Recht des Fußsteiges begreift das Recht in sich, auf diesem
Steige zu gehen, sich von Menschen tragen, oder andere Menschen zu sich kommen
zu lassen. Mit dem Viehtriebe ist das Recht, einen Schiebkarren zu gebrauchen;
und, mit dem Fahrwege das Recht, mit Einem oder mehrern Zügen zu fahren,
verbunden.
§. 493. Hingegen kann, ohne besondere Bewilligung das Recht zu gehen, nicht
auf das Recht, zu reiten oder sich durch Thiere tragen zu lassen; weder das
Recht des Viehtriebes auf das Recht, schwere Lasten über den dienstbaren Grund
zu schleifen; noch das Recht zu fahren, auf das Recht, frey gelassenes Vieh
darüber zu treiben, ausgedehnet werden.
§. 494. Zur Erhaltung des Weges, der Brücken und Stege tragen
verhältnißmäßig alle Personen oder Grundbesitzer, denen der Gebrauch derselben
zusteht, folglich auch der Besitzer des dienstbaren Grundes, so weit bey, als
er davon Nutzen zieht.
Raum hierzu.
§. 495. Der Raum für diese drey Servituten muß dem nöthigen Gebrauche und
den Umständen des Ortes angemessen seyn. Werden Wege und Steige durch
Überschwemmung oder durch einen andern Zufall unbrauchbar; so muß, bis zu der
Herstellung in den vorigen Stand, wenn nicht schon die politische Behörde eine
Vorkehrung getroffen hat, ein neuer Raum angewiesen werden.
Recht, Wasser zu schöpfen.
§. 496. Mit dem Rechte, fremdes Wasser zu schöpfen, wird auch der Zugang zu
demselben gestattet.
Recht der Wasserleitung
§. 497. Wer das Recht hat, Wasser von fremdem Grunde auf den seinigen;
oder, von seinem Grunde auf fremden zu leiten, ist auch berechtigt, die dazu
nöthigen Röhren, Rinnen und Schleußen auf eigene Kosten anzulegen. Das nicht zu
überschreitende Maß dieser Anlagen wird durch das Bedürfniß des herrschenden
Grundes festgesetzt.
Weiderecht.
§. 498. Ist bey Erwerbung des Weiderechtes die Gattung und die Anzahl des
Triebviehes; ferner, die Zeit und das Maß des Genusses nicht bestimmt worden;
so ist der ruhige dreyßigjährige Besitz zu schützen. In zweifelhaften Fällen
dienen folgende Vorschriften zur Richtschnur.
Gesetzliche Bestimmung:
a) über die Gattung des Triebviehes;
§. 499. Das Weiderecht erstrecket sich, in so weit die politischen und im
Forstwesen gegebenen Verordnungen nicht entgegenstehen, auf jede Gattung von
Zug-, Rind- und Schafvieh, aber nicht auf Schweine und Federvieh; eben so wenig
in waldigen Gegenden auf Ziegen. Unreines, ungesundes und fremdes Vieh ist
stets von der Weide ausgeschlossen.
b) dessen Anzahl;
§. 500. Hat die Anzahl des Triebviehes während der letzten dreyßig Jahre
abgewechselt; so muß aus dem Triebe der drey ersten Jahre die Mittelzahl
angenommen werden. Erhellet auch diese nicht; so ist theils auf den Umfang,
theils auf die Beschaffenheit der Weide billige Rücksicht zu nehmen, und dem
Berechtigten wenigstens nicht gestattet, daß er mehr Vieh auf der fremden Weide
halte, als er mit dem auf dem herrschenden Grunde erzeugten Futter durchwintern
kann. Säugevieh wird nicht zur bestimmten Anzahl gerechnet.
c) Triftzeit;
§. 501. Die Triftzeit wird zwar überhaupt durch den in jeder Feldmarke
eingeführten unangefochtenen Gebrauch bestimmt: allein in keinem Falle darf der
vermöge politischer Bestimmungen geordnete Wirtschaftsbetrieb durch die
Behütung verhindert, oder erschweret werden.
d) Maß des Genusses.
§. 502. Der Genuß des Weiderechtes erstreckt sich auf keine andere
Benutzung. Der Berechtigte darf weder Gras mähen, noch in der Regel den
Eigenthümer des Grundstückes von der Mitweide ausschließen, am wenigsten aber
die Substanz der Weide verletzen.
Wenn ein Schade zu befürchten ist, muß er sein Vieh von einem Hirten hüthen
lassen.
Anwendung dieser Bestimmungen auf andere Servituten.
§. 503. Was bisher in Rücksicht auf das Weiderecht vorgeschrieben worden,
ist verhältnißmäßig auch auf die Rechte des Thierfanges, des Holzschlages, des
Steinbrechens und die übrigen Servituten anzuwenden. Glaubt jemand diese Rechte
auf das Miteigenthum gründen zu können; so sind die darüber entstehenden
Streitigkeiten nach den, in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des
Eigenthumes, enthaltenen Grundsätzen zu entscheiden.
Persönliche Dienstbarkeiten; insbesondere:
1) das Recht des Gebrauches;
§. 504. Die Ausübung persönlicher Servituten wird, wenn nichts anderes
verabredet worden ist, nach folgenden Grundsätzen bestimmt: Die Servitut des
Gebrauches besteht darin, daß jemand befugt ist, eine fremde Sache, ohne
Verletzung der Substanz, bloß zu seinem Bedürfnisse zu benützen.
Bestimmung in Rücksicht der Nutzungen;
§. 505. Wer also das Gebrauchsrecht einer Sache hat, der darf, ohne
Rücksicht auf sein übriges Vermögen, den seinem Stande, seinem Gewerbe, und
seinem Hauswesen angemessenen Nutzen davon ziehen.
§. 506. Das Bedürfniß ist nach dem Zeitpuncte der Bewilligung des
Gebrauches zu bestimmen. Nachfolgende Veränderungen in dem Stande oder Gewerbe
des Berechtigten geben keinen Anspruch auf einen ausgedehnteren Gebrauch.
der Substanz;
§. 507. Der Berechtigte darf die Substanz der ihm zum Gebrauche bewilligten
Sache nicht verändern; er darf auch das Recht an keinen Andern übertragen.
und der Lasten;
§. 508. Alle Benützungen, die sich ohne Störung des Gebrauchsberechtigten
aus der Sache schöpfen lassen, kommen dem Eigenthümer zu Statten. Dieser ist
aber verbunden, alle ordentliche und außerordentliche, auf der Sache haftende
Lasten zu tragen, und sie auf seine Kosten in gutem Stande zu erhalten. Nur
wenn die Kosten denjenigen Nutzen übersteigen, der dem Eigenthümer übrig
bleibt, muß der Berechtigte den Ueberschuß tragen, aber vom Gebrauche abstehen.
2) der Fruchtnießung.
§. 509. Die Fruchtnießung ist das Recht, eine fremde Sache, mit Schonung
der Substanz, ohne alle Einschränkung zu genießen.
In wie fern sie sich auf verbrauchbare Sachen erstrecken könne.
§. 510. Verbrauchbare Sachen sind an sich selbst kein Gegenstand des
Gebrauches oder der Fruchtnießung, sondern nur ihr Werth. Mit dem baren Gelde
kann der Berechtigte nach Belieben verfügen. Wird aber ein bereits anliegendes
Capital zum Fruchtgenusse oder Gebrauche bewilliget; so kann der Berechtigte
nur die Zinsen fordern.
Rechte und Verbindlichkeiten des Fruchtnießers.
§. 511. Der Fruchtnießer hat ein Recht auf den vollen, sowohl gewöhnlichen
als ungewöhnlichen, Ertrag; ihm gehört daher auch die mit Beobachtung der
bestehenden Bergwerksordnung erhaltene reine Ausbeute von Bergwerksantheilen,
und das forstmäßig geschlagene Holz. Auf einen Schatz, welcher in dem zur
Fruchtnießung bestimmten Grunde gefunden wird, hat er keinen Anspruch.
Insbesondere:
a) in Rücksicht der auf der Sache haftenden Lasten;
§. 512. Als ein reiner Ertrag kann aber nur das angesehen werden, was nach
Abzug aller nöthigen Auslagen übrig bleibt. Der Fruchtnießer übernimmt also
alle Lasten, welche zur Zeit der bewilligten Fruchtnießung mit der dienstbaren
Sache verbunden waren, mithin auch die Zinsen der darauf eingetragenen Capitalien.
Auf ihn fallen alle ordentliche und außerordentliche, von der Sache zu
leistende Schuldigkeiten, in so fern sie aus den während der Dauer der
Fruchtnießung gezogenen Nutzungen bestritten werden können; er trägt auch die
Kosten, ohne welche die Früchte nicht erzielet werden.
b) der Erhaltung der Sache;
§. 513. Der Fruchtnießer ist verbunden, die dienstbare Sache als ein guter
Haushälter in dem Stande, in welchem er sie übernommen hat, zu erhalten, und
aus dem Ertrage die Ausbesserungen, Ergänzungen und Herstellungen zu besorgen.
Wird dessen ungeachtet der Werth der dienstbaren Sache bloß durch den
rechtmäßigen Genuß ohne Verschulden des Fruchtnießers verringert; so ist er
dafür nicht verantwortlich.
c) der Bauführungen;
§. 514. Wenn der Eigenthümer Bauführungen, die durch das Alter des
Gebäudes, oder durch einen Zufall nothwendig gemacht werden, auf Anzeige des
Fruchtnießers auf seine Kosten besorgt; ist ihm der Fruchtnießer, nach Maß der
dadurch verbesserten Fruchtnießung, die Zinsen des verwendeten Capitals zu
vergüten schuldig.
§. 515. Kann oder will der Eigenthümer dazu sich nicht verstehen; so ist
der Fruchtnießer berechtigt, entweder den Bau zu führen, und nach geendigter
Fruchtnießung, gleich einem redlichen Besitzer, den Ersatz zu fordern; oder,
für die durch Unterbleibung des Baues vermißte Fruchtnießung, eine angemessene
Vergütung zu verlangen.
§. 516. Bauführungen, welche nicht nothwendig, obgleich sonst zur
Vermehrung des Ertrages gedeihlich sind, ist der Fruchtnießer nicht verbunden,
ohne vollständige Entschädigung zu gestatten.
d) der Meliorationskosten.
§. 517. Was der Fruchtnießer ohne Einwilligung des Eigenthümers zur
Vermehrung fortdauernder Nutzungen verwendet hat, kann er zurücknehmen; eine
Vergütung der aus der Verbesserung noch bestehenden Nutzungen aber kann er nur
fordern, in so fern sie ein Geschäftsführer ohne Auftrag zu fordern berechtigt
ist.
Beweismittel darüber.
§. 518. Zur Erleichterung des Beweises der gegenseitigen Forderungen,
sollen der Eigenthümer und der Fruchtnießer eine beglaubte Beschreibung aller
dienstbaren Sachen aufnehmen lassen. Ist sie unterlassen worden; so wird
vermuthet, daß der Fruchtnießer die Sache sammt allen zur ordentlichen
Benützung derselben erforderlichen Stücken in brauchbarem Zustande von
mittlerer Beschaffenheit erhalten habe.
Zutheilung der Nutzungen bey Erlöschung der Fruchtnießung.
§. 519. Nach geendigter Fruchtnießung gehören die noch stehenden Früchte
dem Eigenthümer; doch muß er die auf deren Erzielung verwendeten Kosten dem
Fruchtnießer oder dessen Erben, gleich einem redlichen Besitzer, ersetzen. Auf
andere Nutzungen haben der Fruchtnießer oder dessen Erben den Anspruch nach Maß
der Dauer der Fruchtnießung.
In wie fern der Gebrauchsberechtigte oder der Fruchtnießer zur
Sicherstellung verbunden sey.
§. 520. In der Regel kann der Eigenthümer von dem Gebrauchsberechtigten
oder Fruchtnießer nur bey einer sich äußernden Gefahr die Sicherstellung der
Substanz verlangen. Wird sie nicht geleistet; so soll die Sache entweder dem
Eigenthümer gegen eine billige Abfindung überlassen, oder nach Umständen in
gerichtliche Verwaltung gegeben werden.
Dienstbarkeit der Wohnung.
§. 521. Die Servitut der Wohnung ist das Recht, die bewohnbaren Theile
eines Hauses zu seinem Bedürfnisse zu benützen. Sie ist also ein Servitut des
Gebrauches von dem Wohngebäude. Werden aber jemanden alle bewohnbare Theile des
Hauses, mit Schonung der Substanz, ohne Einschränkung zu genießen überlassen;
so ist es eine Fruchtnießung des Wohngebäudes. Hiernach sind die oben gegebenen
Vorschriften auf das rechtliche Verhältniß zwischen dem Berechtigten und dem
Eigenthümer anzuwenden.
§. 522. In jedem Falle behält der Eigenthümer das Recht, über alle Theile
des Hauses, die nicht zur eigentlichen Wohnung gehören, zu verfügen; auch darf ihm
die nöthige Aufsicht über sein Haus nicht erschweret werden.
Klagerecht in Rücksicht der Servituten.
§. 523. In Ansehung der Servituten findet ein doppeltes Klagerecht Statt.
Man kann gegen den Eigenthümer das Recht der Servitut behaupten; oder der Eigenthümer
kann sich über die Anmaßung einer Servitut beschweren. Im ersten Falle muß der
Kläger die Erwerbung der Servitut, oder wenigstens den Besitz derselben als
eines dinglichen Rechtes, im zweyten Falle muß er die Anmaßung der Servitut in
seiner Sache beweisen.
Erlöschung der Dienstbarkeiten.
Im Allgemeinen.
§. 524. Die Servituten erlöschen im Allgemeinen auf diejenigen Arten,
wodurch, nach dem dritten und vierten Hauptstücke des dritten Theiles, Rechte
und Verbindlichkeiten überhaupt aufgehoben werden.
Besondere Anordnung bey deren Erlöschung:
a) durch den Untergang des dienstbaren oder herrschenden Grundes.
§. 525. Der Untergang des dienstbaren oder des herrschenden Grundes stellt
zwar die Dienstbarkeit ein; sobald aber der Grund, oder das Gebäude wieder in
den vorigen Stand gesetzt ist, erhält die Servitut wieder ihre vorige Kraft.
b) durch Vereinigung;
§. 526. Wenn das Eigenthum des dienstbaren und des herrschenden Grundes in
Einer Person vereiniget wird, hört die Dienstbarkeit von selbst auf. Wird aber
in der Folge Einer dieser vereinigten Gründe wieder veräußert, ohne daß
inzwischen in den öffentlichen Büchern die Dienstbarkeit gelöschet worden; so
ist der neue Besitzer des herrschenden Grundes befugt, die Servitut auszuüben.
c) durch Zeitverlauf.
§. 527. Hat das bloß zeitliche Recht desjenigen, der die Servitut bestellt
hat, oder die Zeit, auf welche sie beschränkt worden ist, dem Servituts-Inhaber
aus öffentlichen Büchern, oder auf eine andere Art bekannt seyn können; so hört
nach Verlauf dieser Zeit die Servitut von selbst auf.
§. 528. Eine Servitut, welche jemanden bis zur Zeit, da ein Dritter ein
bestimmtes Alter erreicht, verliehen wird, erlischt erst zu der bestimmten
Zeit, obschon der Dritte vor diesem Alter verstorben ist.
Erlöschung der persönlichen Servituten insbesondere.
§. 529. Persönliche Servituten hören mit dem Tode auf. Werden sie
ausdrücklich auf die Erben ausgedehnt; so sind im Zweifel nur die ersten
gesetzlichen Erben darunter verstanden. Das einer Familie verliehene Recht aber
geht auf alle Mitglieder derselben über. Die von einer Gemeinde oder einer
andern moralischen Person erworbene persönliche Servitut dauert so lange, als
die moralische Person besteht.
Unanwendbarkeit auf beständige Renten.
§. 530. Beständige jährliche Renten sind keine persönliche Servitut, und
können also ihrer Natur nach auf alle Nachfolger übertragen werden.
Achtes Hauptstück
Vom Erbrecht allgemein
I. Begriffe
Verlassenschaft
§. 531. Die Rechte und
Verbindlichkeiten eines Verstorbenen bilden, soweit sie nicht
höchstpersönlicher Art sind, dessen Verlassenschaft.
Erbrecht
§. 532. Das Erbrecht ist das
absolute Recht, die ganze Verlassenschaft oder einen bestimmten Teil davon zu
erwerben. Diejenige Person, der das Erbrecht gebührt, wird Erbe genannt.
Erbrechtstitel
§. 533. Das Erbrecht gründet sich
auf einen Erbvertrag, auf den letzten Willen des Verstorbenen oder auf das
Gesetz.
Mehrere Berufungsgründe
§. 534. Die angeführten
Erbrechtstitel können auch nebeneinander bestehen, sodass einem Erben ein bestimmter
Teil der Verlassenschaft aus dem letzten Willen, einem anderen ein Teil aus dem
Erbvertrag und einem dritten ein Teil aus dem Gesetz gebühren können.
Unterschied zwischen Erbschaft
und Vermächtnis
§. 535. Wird einer Person nicht
ein Erbteil, der sich auf die ganze Verlassenschaft bezieht, sondern eine
bestimmte Sache, eine oder mehrere Sachen einer Gattung, ein Betrag oder ein
Recht zugedacht, so ist das Zugedachte, auch wenn sein Wert einen erheblichen
Teil der Verlassenschaft ausmacht, ein Vermächtnis. Diejenige Person, der es
hinterlassen wurde, ist nicht Erbe, sondern Vermächtnisnehmer.
II. Entstehung des Erbrechts
Erbanfall
§. 536. Der Erbe erwirbt das
Erbrecht (Erbanfall) mit dem Tod des Verstorbenen (Erbfall) oder mit dem
Eintritt einer aufschiebenden Bedingung (§§ 696 und 703).
Wenn ein möglicher Erbe vor dem
Erbanfall verstirbt, erwirbt er kein Erbrecht; es kann daher auch nicht auf
seine Erben übergehen.
Vererblichkeit des Erbrechts
§. 537. Wenn der Erbe den
Verstorbenen überlebt hat, geht das Erbrecht auch vor Einantwortung der
Erbschaft auf seine Erben (Erbeserben) über, es sei denn, dass der Verstorbene
dies ausgeschlossen hat, die Erbschaft ausgeschlagen wurde oder das Erbrecht
auf eine andere Art erloschen ist.
Die Erbeserben gehen Anwachsungsberechtigten
(§ 560) jedenfalls und Ersatzerben (§ 604) dann vor, wenn der Erbe nach Abgabe
seiner Erbantrittserklärung verstirbt.
§. 537a. (Anm.: Aufgehoben durch
Art. 1, Z. 5, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG 2015.)
Erbfähigkeit
§. 538. Erbfähig ist, wer
rechtsfähig und erbwürdig ist.
Gründe für die Erbunwürdigkeit
§. 539. Wer gegen den
Verstorbenen oder die Verlassenschaft eine gerichtlich strafbare Handlung
begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als
einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, ist erbunwürdig, sofern der
Verstorbene nicht zu erkennen gegeben hat, dass er ihm verziehen hat.
§. 540. Wer absichtlich die
Verwirklichung des wahren letzten Willens des Verstorbenen vereitelt oder zu
vereiteln versucht hat, etwa indem er ihn zur Erklärung des letzten Willens
gezwungen oder arglistig verleitet, ihn an der Erklärung oder Änderung des
letzten Willens gehindert oder einen bereits errichteten letzten Willen
unterdrückt hat, ist erbunwürdig, sofern der Verstorbene nicht zu erkennen
gegeben hat, dass er ihm verziehen hat. Er haftet für jeden einem Dritten
dadurch zugefügten Schaden.
§. 541. Wer
1. gegen den Ehegatten,
eingetragenen Partner oder Lebensgefährten des Verstorbenen oder gegen dessen
Verwandte in gerader Linie eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat,
die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger
Freiheitsstrafe bedroht ist,
2. dem Verstorbenen in
verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zugefügt hat oder
3. sonst gegenüber dem Verstorbenen
seine Pflichten aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern gröblich
vernachlässigt hat,
ist erbunwürdig, wenn der
Verstorbene aufgrund seiner Testierunfähigkeit, aus Unkenntnis oder aus
sonstigen Gründen nicht in der Lage war, ihn zu enterben, und er auch nicht zu
erkennen gegeben hat, dass er ihm verziehen hat.
Eintrittsrecht bei
Erbunwürdigkeit
§. 542. Bei gesetzlicher Erbfolge
treten die Nachkommen der erbunwürdigen Person an deren Stelle, auch wenn diese
den Verstorbenen überlebt hat.
Beurteilung der Erbfähigkeit
§. 543. Die Erbfähigkeit muss im
Zeitpunkt des Erbanfalls vorliegen. Eine später erlangte Erbfähigkeit ist
unbeachtlich und berechtigt daher nicht, anderen das zu entziehen, was ihnen
bereits rechtmäßig zugekommen ist.
Wer nach dem Erbanfall eine
gerichtlich strafbare Handlung gegen die Verlassenschaft im Sinn des § 539
begeht oder die Verwirklichung des wahren letzten Willens des Verstorbenen
vereitelt oder zu vereiteln versucht (§ 540), verliert nachträglich seine Erbfähigkeit.
§. 544. (Anm.: Aufgehoben durch
Art. 1, Z. 6, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG 2015.)
§. 545. (Anm.: Aufgehoben durch
Art. 1, Z. 6, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG 2015.)
Verlassenschaft als juristische
Person
§. 546. Mit dem Tod setzt die Verlassenschaft
als juristische Person die Rechtsposition des Verstorbenen fort.
Gesamtrechtsnachfolge
§. 547. Mit der Einantwortung
folgt der Erbe der Rechtsposition der Verlassenschaft nach; dasselbe gilt mit
Übergabebeschluss für die Aneignung durch den Bund.
Verbindlichkeiten
§. 548. Verbindlichkeiten, die
der Verstorbene aus seinem Vermögen zu leisten gehabt hätte, übernimmt sein
Erbe. Geldstrafen gehen nicht auf den Erben über.
Begräbniskosten
§. 549. Zu den auf einer
Verlassenschaft haftenden Lasten gehören auch die Kosten für ein ortsübliches
und den Lebensverhältnissen sowie dem Vermögen des Verstorbenen angemessenes
Begräbnis.
Erbengemeinschaft
§. 550. Mehrere Erben bilden in
Ansehung ihres gemeinschaftlichen Erbrechts eine Erbengemeinschaft. Der Anteil
eines dieser Miterben richtet sich nach seiner Erbquote. Im Übrigen sind die
Bestimmungen des Fünfzehnten und Sechzehnten Hauptstücks entsprechend
anzuwenden.Verzicht auf das Erbrecht.
Erbverzicht
§. 551. Wer über sein Erbrecht
gültig verfügen kann, kann auch durch Vertrag mit dem Verstorbenen im Voraus
darauf verzichten. Der Vertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Aufnahme eines
Notariatsakts oder der Beurkundung durch gerichtliches Protokoll; die Aufhebung
des Vertrags bedarf der Schriftform.
Soweit nichts anderes vereinbart
ist, erstreckt sich ein solcher Verzicht auch auf den Pflichtteil und auf die
Nachkommen.
Neuntes Hauptstück
Gewillkürte Erbfolge
I. Grundsätze
Letztwillige Verfügung
§. 552. Mit einer letztwilligen
Verfügung wird das Schicksal der künftigen Verlassenschaft auf den Todesfall
geregelt. Eine letztwillige Verfügung kann jederzeit widerrufen werden.
Wird über die Erbfolge verfügt,
so liegt ein Testament vor. Es können aber auch sonstige letztwillige
Verfügungen getroffen werden, insbesondere über Vermächtnisse, Auflagen oder
die Einsetzung von Testamentsvollstreckern.
Auslegung letztwilliger
Verfügungen
§. 553. Wörter sind nach ihrer
gewöhnlichen Bedeutung auszulegen, außer der Verstorbene hat mit gewissen
Ausdrücken einen besonderen Sinn verbunden. Maßgeblich ist der wahre Wille des
Verstorbenen, der im Wortlaut der Verfügung zumindest angedeutet sein muss. Die
Auslegung soll so erfolgen, dass der vom Verstorbenen angestrebte Erfolg
eintritt und dass die letztwillige Verfügung als solche zumindest teilweise
aufrecht bleiben kann. Die §§ 681 bis 683 sind anzuwenden.
Einsetzung eines einzigen Erben
§. 554. Hat der Verstorbene nur
eine Person unbestimmt, also ohne ihren Erbteil festzulegen, als Erben
eingesetzt, so erhält sie die gesamte Verlassenschaft. Hat er einer Person nur
einen bestimmten Erbteil zugedacht, so fällt der übrige Teil an die
gesetzlichen Erben.
Einsetzung mehrerer Erben
§. 555. Hat der Verstorbene
mehrere Personen unbestimmt als Erben eingesetzt, so erben sie zu gleichen
Teilen.
§. 556. Hat der Verstorbene
mehrere Personen als Erben zu bestimmten, die Verlassenschaft nicht
erschöpfenden Erbteilen eingesetzt, so fällt der übrige Teil an die
gesetzlichen Erben. Hat der Verstorbene die Erben zur gesamten Verlassenschaft
berufen, so schließt dies im Zweifel das gesetzliche Erbrecht aus, selbst wenn
der Verstorbene sich verrechnet oder die Erbstücke unvollständig aufgezählt
hat.
Bestimmte und unbestimmte
Einsetzung nebeneinander
§. 557. Hat der Verstorbene nur
den Anteil eines oder mehrerer Erben bestimmt, die Anteile der übrigen Erben
aber nicht, so erhalten diese den Rest zu gleichen Teilen.
§. 558. Wenn danach für einen
unbestimmt eingesetzten Erben nichts übrig bleibt, muss für ihn von sämtlichen
bestimmten Teilen der anderen Erben verhältnismäßig so viel abgezogen werden,
dass er den gleichen Anteil erhält wie der am geringsten bedachte Erbe.
Erbeinsetzung mehrerer Personen
zu unbestimmten Anteilen
§. 559. Sind unter mehreren unbestimmt
eingesetzten Erben auch solche Personen, die nach der gesetzlichen Erbfolge als
eine Person anzusehen sind (etwa die Kinder des einen Bruders gegenüber dem
anderen Bruder des Verstorbenen), so gelten sie im Zweifel auch bei
testamentarischer Einsetzung als eine Person. Hat der Verstorbene als Erben
bestimmbare Personen eingesetzt, so wird vermutet, dass er sie nebeneinander zu
einzelnen Anteilen als Erben einsetzen wollte. Wird eine Mehrheit
unbestimmbarer Personen eingesetzt, so ist sie im Zweifel als eine Person zu
betrachten.
Anwachsung
§. 560. Wenn der Verstorbene über
die gesamte Verlassenschaft verfügt und mehrere Erben eingesetzt hat, einer der
Erben aber von seinem Erbrecht keinen Gebrauch machen kann oder will und für
diesen kein Ersatzerbe bestimmt ist, wächst der frei gewordene Teil im Zweifel
den übrigen eingesetzten Erben im Verhältnis ihrer Erbteile an. Gleiches gilt,
wenn die Einsetzung eines von mehreren Erben unwirksam ist.
Kommt es zu keiner Anwachsung, so
fällt der frei gewordene Teil an die gesetzlichen Erben.
§. 561. (Anm.: Aufgehoben durch
Art. 1, Z. 8, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG 2015.)
§. 562. (Anm.: Aufgehoben durch
Art. 1, Z. 8, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG 2015.)
§. 563. Wer den frei gewordenen
Erbteil erhält, übernimmt auch die damit verknüpften Lasten, soweit sie nicht
in höchstpersönlichen Verpflichtungen des eingesetzten Erben bestehen.
II. Anforderungen an den letzten
Willen
Höchstpersönliche
Willenserklärung
§. 564. Man kann seinen letzten
Willen nur selbst erklären, den Erben nur selbst einsetzen und diese
Erklärungen nicht einer dritten Person überlassen. Auch genügt die bloße
Bejahung des Vorschlags einer dritten Person nicht.
Bestimmtheit und Mangelfreiheit
§. 565. Der letzte Wille muss
bestimmt, mit Überlegung, ernst sowie frei von Drohung, List und wesentlichem
Irrtum erklärt werden.
Testierfähigkeit
§. 566. Testierfähig ist, wer die
Bedeutung und die Folgen seiner letztwilligen Verfügung verstehen und sich
entsprechend verhalten kann.
§. 567. Hat der Verstorbene seinen letzten Willen in einem die
Testierfähigkeit ausschließenden Zustand erklärt, etwa unter dem Einfluss einer
psychischen Krankheit oder im Rausch, so ist die letztwillige Verfügung
ungültig.
§. 568. Wer behauptet, dass ein sonst nach § 566 testierunfähiger
Verstorbener bei Erklärung des letzten Willens testierfähig war (lichter
Augenblick), hat dies zu beweisen.
Alter
§. 569. Unmündige Personen sind testierunfähig. Mündige Minderjährige
können – ausgenommen im Notfall (§ 584) – nur mündlich vor Gericht oder Notar
testieren. Das Gericht oder der Notar hat sich davon zu überzeugen, dass die
Erklärung des letzten Willens frei und überlegt erfolgt. Die Erklärung des
letzten Willens und das Ergebnis der Erhebungen sind in einem Protokoll
festzuhalten.
Wesentlicher Irrtum
§. 570. Ein wesentlicher Irrtum des Verstorbenen macht die Anordnung
ungültig. Der Irrtum ist insbesondere wesentlich, wenn der Verstorbene die
bedachte Person oder die zugewendete Sache verfehlt hat.§. 571. Zeigt sich, daß
die bedachte Person, oder die vermachte Sache nur unrichtig benannt, oder
beschrieben worden; so ist die Verfügung gültig.
Falsche Bezeichnung
§. 571. Wenn sich zeigt, dass der Verstorbene die bedachte Person oder die
zugewendete Sache nur unrichtig benannt oder beschrieben hat, ist die Verfügung
gültig.
Motivirrtum
§. 572. Auch wenn sich der vom Verstorbenen angegebene Beweggrund als
falsch herausstellt, bleibt die Verfügung gültig, es sei denn, dass sein Wille
einzig und allein auf diesem irrigen Beweggrund beruht hat.
§. 573. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 10, BGBl 2015/Nr. 87 –
ErbRÄG 2015.)
§. 574. (Anm.: Aufgehoben durch § 5, RGBl 1867/Nr. 131.)
Zeitpunkt für die Beurteilung der Gültigkeit
§. 575. Die Voraussetzungen der Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung
müssen bei deren Errichtung vorliegen.
§. 576. Eine anfänglich ungültige letztwillige Verfügung wird durch den
späteren Wegfall des Hindernisses nicht gültig. Wird in diesem Fall keine neue Verfügung
getroffen, so tritt die gesetzliche Erbfolge ein.
III. Form der letztwilligen Verfügung
Arten
§. 577. Eine letztwillige Verfügung kann nach Maßgabe der folgenden
Bestimmungen außergerichtlich oder gerichtlich, schriftlich oder mündlich und
schriftlich mit oder ohne Zeugen errichtet werden.
Eigenhändige Verfügung
§. 578. Wer schriftlich ohne Zeugen letztwillig verfügen will, muss die
Verfügung eigenhändig schreiben und eigenhändig mit seinem Namen
unterschreiben. Die Beisetzung von Ort und Datum der Errichtung ist zwar nicht
notwendig, aber ratsam.
Fremdhändige Verfügung
§. 579. Eine von ihm nicht eigenhändig geschriebene letztwillige Verfügung
muss der Verfügende in Gegenwart von drei gleichzeitig anwesenden Zeugen
eigenhändig unterschreiben und mit einem eigenhändig geschriebenen Zusatz
versehen, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthält.
Die Zeugen, deren Identität aus der Urkunde hervorgehen muss, haben auf der
Urkunde mit einem auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden und eigenhändig
geschriebenen Zusatz zu unterschreiben. Den Inhalt der letztwilligen Verfügung
müssen sie nicht kennen.
§. 580. Wenn der letztwillig Verfügende nicht schreiben kann, muss er statt
der Unterschrift und des eigenhändigen Zusatzes sein Handzeichen in Gegenwart der
in § 579 genannten Zeugen eigenhändig setzen und ausdrücklich vor ihnen
erklären, dass die Urkunde sein letzter Wille ist. Die Anführung des Namens des
letztwillig Verfügenden durch einen Zeugen ist zwar nicht notwendig, aber
ratsam.
Wer nicht lesen kann, muss sich die fremdhändige Verfügung von einem Zeugen
in Gegenwart der beiden anderen Zeugen, die den Inhalt eingesehen haben,
vorlesen lassen und bekräftigen, dass dieser seinem Willen entspricht.
Gerichtliche Verfügung
§. 581. Eine letztwillige Verfügung kann auch vor Gericht schriftlich oder
mündlich errichtet werden.
Die schriftliche Verfügung muss der Verfügende eigenhändig unterschreiben
und dem Gericht persönlich übergeben. Das Gericht hat ihn darüber zu belehren,
dass die Verfügung eigenhändig unterschrieben sein muss, die Verfügung
gerichtlich zu versiegeln und auf dem Umschlag anzumerken, wessen letzter Wille
darin enthalten ist. Über die Amtshandlung ist ein Protokoll aufzunehmen. Die
letztwillige Verfügung ist gegen Ausstellung einer Empfangsbestätigung
gerichtlich zu hinterlegen.
Will der letztwillig Verfügende seinen letzten Willen mündlich erklären, so
ist über die Erklärung ein Protokoll aufzunehmen und dieses versiegelt zu
hinterlegen.
§. 582. Das Gericht, das die schriftliche oder mündliche Erklärung des
letzten Willens aufnimmt, muss zumindest aus zwei Gerichtsbediensteten
bestehen, wobei eine Person an diesem Gericht als Richter tätig sein muss. Der
zweite Gerichtsbedienstete kann durch zwei andere Zeugen ersetzt werden.
Im Notfall kann sich das Gericht zu der Person begeben, die eine
letztwillige Verfügung errichten will, und seinen letzten Willen zu Protokoll
nehmen.
Notarielle Verfügung
§. 583. Eine letztwillige Verfügung kann weiters vor zwei Notaren oder vor
einem Notar und zwei Zeugen schriftlich oder mündlich errichtet werden. Die §§
67 und 70 bis 75 Notariatsordnung sind anzuwenden.
Nottestament
§. 584. Droht aus Sicht des letztwillig Verfügenden unmittelbar die
begründete Gefahr, dass er stirbt oder die Testierfähigkeit verliert, bevor er
seinen letzten Willen auf andere Weise zu erklären vermag, so kann er seinen
letzten Willen in Gegenwart von zwei Zeugen fremdhändig (§ 579) oder mündlich
erklären. Eine solche mündliche letztwillige Verfügung muss durch die
übereinstimmenden Aussagen der Zeugen bestätigt werden, widrigenfalls diese
Erklärung des letzten Willens ungültig ist.
Ein so erklärter letzter Wille verliert drei Monate nach Wegfall der Gefahr
seine Gültigkeit und gilt als nicht errichtet. Im Zweifel ist damit auch der
durch das Nottestament erfolgte Widerruf einer früheren letztwilligen Verfügung
(§§ 713 und 714) aufgehoben.
Verweisende Verfügung
§. 585. Eine Verfügung des Verstorbenen durch Verweis auf einen Zettel oder
auf eine andere Urkunde ist nur wirksam, wenn eine solche Urkunde alle
Gültigkeitserfordernisse einer letztwilligen Verfügung erfüllt. Sonst können
derartige schriftliche Bemerkungen des Verstorbenen nur zur Auslegung seines
Willens herangezogen werden.
Gemeinschaftliche letztwillige Verfügungen
§. 586. In der Regel gilt ein und dieselbe schriftliche letztwillige
Verfügung nur für einen Verstorbenen.
Allerdings können Ehegatten oder eingetragene Partner in einem Testament
einander gegenseitig oder andere Personen als Erben einsetzen. Ein solches
Testament ist widerruflich. Aus dem Widerruf der gegenseitigen Erbeinsetzung
durch einen Teil kann auf den Widerruf dieser Erbeinsetzung durch den anderen
geschlossen werden.
Zeugen
§. 587. Unmündige Minderjährige, Personen, die auf Grund einer körperlichen
oder geistigen Beeinträchtigung nicht fähig sind, entsprechend der jeweiligen
Testamentsform einen letzten Willen zu bezeugen, sowie Personen, die die
Sprache des letztwillig Verfügenden nicht verstehen, können nicht Zeugen
letztwilliger Verfügungen sein. Mündige Minderjährige können nur Zeugen eines
Nottestaments sein.
§. 588. Ein Erbe oder Vermächtnisnehmer ist für die ihm zugedachte
Zuwendung kein fähiger Zeuge, ebenso wenig sein Ehegatte, eingetragener Partner
oder Lebensgefährte, seine Eltern, Kinder, Geschwister sowie die Eltern, Kinder
und Geschwister des Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten des
Erben oder Vermächtnisnehmers.
Zeugnisunfähig sind auch gesetzliche Vertreter, Vorsorgebevollmächtigte,
vertretungsbefugte Organe, Gesellschafter, Machthaber und Dienstnehmer
bedachter Personen oder rechtsfähiger Gesellschaften.
§. 589. Die Bestimmungen über die Fähigkeit und Unbefangenheit der Zeugen
sind auch auf die Gerichtsbediensteten und Notare anzuwenden, die den letzten
Willen aufnehmen.
Ausgeschlossenheit des Verfassers
§. 590. Der Verfasser einer nicht vom letztwillig Verfügenden
handschriftlich geschriebenen Erklärung kann zugleich Zeuge sein, ist aber,
wenn der Verfügende nicht lesen kann, vom Vorlesen des letzten Willens
ausgeschlossen.
§. 591. Für den bedachten Verfasser einer letztwilligen Verfügung und ihm
nahestehende bedachte Personen oder Gesellschaften gilt § 588 entsprechend.
§. 592. (Anm.: Aufgehoben durch § 57, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste
Teilnovelle.)
§. 593. (Anm.: Aufgehoben durch § 1, RGBl 1860/Nr. 9.)
§. 594. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 12, BGBl 2015/Nr. 87 –
ErbRÄG 2015.)
§. 595. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 12, BGBl 2015/Nr. 87 –
ErbRÄG 2015.)
§. 596. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 12, BGBl 2015/Nr. 87 –
ErbRÄG 2015.)
§. 597. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 12, BGBl 2015/Nr. 87 –
ErbRÄG 2015.)
§. 598. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 33, BGBl I 2004/Nr. 58.)
§. 599. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 33, BGBl I 2004/Nr. 58.)
§. 600. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 33, BGBl I 2004/Nr. 58.)
Formungültige letztwillige Verfügungen
§. 601. Wurde bei Errichtung einer letztwilligen Verfügung eine zwingende
Formvorschrift nicht eingehalten, so ist die letztwillige Verfügung ungültig.
IV. Vereinbarungen von Todes wegen
Erbverträge
§. 602. Erbverträge können nur zwischen Ehegatten, eingetragenen Partnern
sowie Personen, die sich verlobt oder die eingetragene Partnerschaft
versprochen haben, gültig geschlossen werden. Die Vorschriften hierüber sind im
Achtundzwanzigsten Hauptstück enthalten.
Schenkung auf den Todesfall
§. 603. Eine Schenkung auf den Todesfall ist auch nach dem Tod des
Geschenkgebers als Vertrag anzusehen, wenn er sich kein Widerrufsrecht
vertraglich vorbehalten hat und der Vertrag als Notariatsakt aufgenommen wurde.
Die Bestimmungen des Achtzehnten Hauptstücks von Schenkungen und § 1253 sind
anzuwenden.
Zehntes Hauptstück
Von der Ersatz- und Nacherbschaft
Ersatzerbschaft
§. 604. Für den Fall, dass der eingesetzte oder gesetzliche Erbe die
Erbschaft nicht erlangt, können ein Ersatzerbe, und wenn auch dieser sie nicht
erlangt, ein zweiter oder auch noch weitere Ersatzerben berufen werden.
Ersatzerben gehen Anwachsungsberechtigten (§ 560) jedenfalls vor.
Vermutete Ersatzerbschaft
§. 605. Es wird vermutet, dass der Verstorbene die Nachkommen eingesetzter
Kinder zu Ersatzerben einsetzen wollte.
Rechte und Pflichten des Ersatzerben
§. 606. Die Rechte und Pflichten des Erben kommen auch dem an seine Stelle tretenden
Ersatzerben zu, sofern sie nicht nach dem ausdrücklichen Willen des
Verstorbenen oder nach den Umständen des Falles allein die Person des Erben
betreffen. Für einschränkende Bedingungen gilt § 702.
Gegenseitige Ersatzerbschaft
§. 607. Sind allein Miterben gegenseitig zu Ersatzerben berufen, so wird
vermutet, dass der Verstorbene die in der Einsetzung bestimmten Teile auch auf
die Ersatzerbschaft ausdehnen wollte. Ist aber in der Ersatzerbschaft außer den
Miterben auch eine andere Person zum Ersatzerben berufen, so fällt der frei
gewordene Erbteil allen zu gleichen Teilen zu.
Nacherbschaft
§. 608. Der letztwillig Verfügende kann einen Erben so einsetzen, dass
dieser erst nach einem anderen Erben erbt. Der Nacherbe ist im Zweifel auch
Ersatzerbe.
Hat der Verstorbene nichts anderes verfügt, so tritt der Nacherbfall mit
dem Tod des Vorerben ein.
Nacherbschaft auf den Überrest
§. 609. Eine Nacherbschaft auf den Überrest liegt vor, wenn der Nacherbe
nach dem Willen des Verstorbenen nur das erhalten soll, was beim Ableben des
Vorerben noch übrig ist.
Umdeutung von Testieranordnungen
§. 610. Hat der letztwillig Verfügende dem Erben verboten oder zugunsten
einer bestimmten Person geboten, über die Verlassenschaft zu testieren, so ist
dies im Zweifel in eine Nacherbschaft auf den Überrest umzudeuten, und zwar im
Fall des Verbots zugunsten der gesetzlichen Erben, im Fall des Gebots zugunsten
der bestimmten Person.
Das Verbot, eine Sache zu veräußern, schließt im Zweifel das Recht, darüber
letztwillig zu verfügen, nicht aus.
Nacherbschaft bei Zeitgenossen
§. 611. Wenn die Nacherben Zeitgenossen des letztwillig Verfügenden sind,
kann er sie ohne zahlenmäßige Beschränkung als Nacherben einsetzen.
Zeitgenossen sind natürliche Personen, die zum Zeitpunkt der Errichtung der
Nacherbschaft bereits gezeugt (§ 22) oder geboren sind.
Einschränkung der Nacherbschaft
§. 612. Sind die Nacherben im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen
Verfügung noch keine Zeitgenossen des Verfügenden, so ist die Nacherbschaft bei
Geld und anderen beweglichen Sachen auf zwei Nacherbfälle, bei unbeweglichen
Sachen auf einen Nacherbfall beschränkt.
Rechte des Vorerben
§. 613. Bis zum Eintritt der Nacherbschaft kommt dem eingesetzten Vorerben
das eingeschränkte Eigentumsrecht mit den Rechten und Verbindlichkeiten eines
Fruchtnießers zu.
Verfügungen über Sachen der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft
sind mit der Zustimmung des Nacherben zulässig, sonst nur zur Erfüllung von
Verbindlichkeiten der Verlassenschaft, zur Vermeidung von Schäden an derselben
oder soweit sie im Rahmen der ordentlichen Verwaltung erfolgen.
Erlangt der Vorerbe durch die Verfügung über eine Sache der von der
Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft Geld oder eine andere Sache, so wird
diese Ersatzsache im Zweifel Teil der Verlassenschaft.
Ist jedoch die angeordnete Nacherbschaft eine solche auf den Überrest, so
kann der Vorerbe wie jeder Eigentümer über Sachen der Verlassenschaft unter
Lebenden verfügen.
Auslegung einer Ersatz- oder Nacherbschaft
§. 614. Ist eine Ersatz- oder Nacherbschaft undeutlich ausgedrückt, so ist
sie auf eine solche Art auszulegen, dass die Freiheit des Erben, über das
Eigentum zu verfügen, am wenigsten eingeschränkt wird. Dies gilt auch für die
Frage, ob überhaupt eine Ersatz- oder Nacherbschaft angeordnet wurde.
Erlöschen der Ersatz- und Nacherbschaft
§. 615. Eine Ersatzerbschaft erlischt im Zweifel, sobald der eingesetzte
Erbe die Erbschaft angetreten hat. Eine Nacherbschaft erlischt, wenn kein
berufener Nacherbe mehr vorhanden ist oder wenn sie unter einer aufschiebenden
Bedingung errichtet wurde, die endgültig nicht eintreten kann.
Das Recht eines Nacherben geht im Zweifel auch dann auf seine Erben über (§
537 Abs. 1), wenn er den Eintritt des Nacherbfalls nicht erlebt.
§. 616. Ist für eine vermeintlich testierunfähige Person ein Nacherbe
bestimmt, so ist die Nacherbschaft im Zweifel ungültig, wenn diese Person im
Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung testierfähig war.
Ist für eine tatsächlich testierunfähige Person ein Nacherbe bestimmt, so
erlischt die Nacherbschaft im Zweifel, wenn diese Person die Testierfähigkeit
später erlangt. Die Nacherbschaft lebt nicht wieder auf, wenn sie später wieder
testierunfähig wird.
§. 617. Die von einem letztwillig Verfügenden seinem Kind in einem
Zeitpunkt angeordnete Ersatz oder Nacherbschaft, in dem dieses noch keine
Kinder hatte, erlischt im Zweifel, wenn es später doch erbfähige Kinder
hinterlassen hat.
Fideicommiß.
§. 618. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
Hauptarten der Fideicommisse:
§. 619. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
§. 620. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
Erbfolge in denselben.
§. 621. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
§. 622. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
§. 623. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
§. 624. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
§. 625. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
§. 626. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
Bedingungen zur Errichtung eines Fideicommisses.
§. 627. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
Widerruf der Errichtung.
§. 628. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
Grundsatz über die Rechte der Anwärter u. des Inhabers des Fideicommisses.
§. 629. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
Besondere Rechte der Anwärter.
§. 630. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
Uneingeschränkte Rechte des Inhabers u. Verbindlichkeiten desselben.
§. 631. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
Eingeschränkte Rechte:
a) zur Verzichtung und Verpfändung.
§. 632. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
b) zur Verwandlung, Vertauschung oder Erbverpachtung des Fideicommiß-Gutes.
§. 633. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
§. 634. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
c) Verschuldung.
§. 635. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
Bestimmung des zu verschuldenden Drittheils,
§. 636. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
und des Werthes des Fideicommiß-Gutes.
§. 637. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
Art der Rückzahlung.
§. 638. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
§. 639. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
Haftung des Nachfolgers für die Schulden.
§. 640. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
§. 641. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
§. 642. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
Theilung der Früchte des letzten Jahres.
§. 643. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
Auflösung,
§. 644. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
oder Erlöschung eines Fideicommisses.
§. 645. (Anm.: Aufgehoben durch dRGBl I 1938/S. 825.)
§. 646. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 14, BGBl 2015/Nr. 87 –
ErbRÄG 2015.)
Elftes Hauptstück
Vermächtnisse
I. Grundsätze
Berufung zum Vermächtnisnehmer
§. 647. Ein Vermächtnis (§ 535) gründet sich auf einen Erb- oder
Vermächtnisvertrag, auf den gültig erklärten Willen des Verstorbenen oder auf
das Gesetz.
Die Bestimmungen über die Vererblichkeit des Erbrechts (§ 537) und die
Erbfähigkeit (§§ 538 bis 543) sowie über die Ausschlagung der Erbschaft (§§ 803
ff.) sind entsprechend anzuwenden.
Erbe und Vermächtnisnehmer
§. 648. Einem Erben kann auch ein Vermächtnis zugedacht werden. Insoweit wird
der Erbe als Vermächtnisnehmer behandelt. Im Zweifel ist ein solches
Vermächtnis nicht auf den Anteil des begünstigten Erben anzurechnen und
belastet alle Erben nach ihrer Erbquote (Vorausvermächtnis).
Wenn die Anrechnung des Vermächtnisses auf den Erbteil ausdrücklich
angeordnet wurde oder sich aus der Auslegung des letzten Willens ergibt
(Hineinvermächtnis), liegt darin im Zweifel eine Teilungsanordnung.
Übersteigt der Wert des Hineinvermächtnisses den letztwillig zugedachten
Erbteil, so erhöht sich im Zweifel der Erbteil dieses Erben entsprechend. Im
selben Ausmaß vermindern sich die Erbteile der übrigen eingesetzten Erben
verhältnismäßig. Im Zweifel kommt es auf den Wert des Hineinvermächtnisses im Zeitpunkt
der Errichtung der letztwilligen Verfügung an.
Vermächtnisschuldner
§. 649. Aufgrund des Vermächtnisses erwirbt der Vermächtnisnehmer eine
Forderung gegen die Verlassenschaft und nach der Einantwortung gegen die Erben.
Im Zweifel haften die Erben zur ungeteilten Hand. Sie haben im Zweifel
untereinander im Verhältnis ihrer Erbteile zur Leistung des Vermächtnisses
beizutragen, selbst wenn die Sache eines Miterben vermacht worden ist. Die
Leistung des Vermächtnisses kann aber auch einem Miterben allein oder einem
Vermächtnisnehmer aufgetragen werden.
Untervermächtnis
§. 650. Ein Vermächtnisnehmer kann sich von der vollständigen Erfüllung des
ihm aufgetragenen weiteren Vermächtnisses nicht mit der Begründung befreien,
dass es den Wert des ihm zugedachten Vermächtnisses übersteigt. Nimmt er das
Vermächtnis nicht an, so muss derjenige, dem es zufällt, das Untervermächtnis
erfüllen oder das ihm zugefallene Vermächtnis dem darauf gewiesenen
Untervermächtnisnehmer herausgeben.
Verteilungsvermächtnis
§. 651. Wer ein Vermächtnis einer gewissen Personengruppe, etwa seinen
Verwandten, seinen Dienstnehmern oder bedürftigen Menschen, zukommen lassen
will, kann die Verteilung, welchen Personen was zukommen soll, dem Erben oder
einem Dritten überlassen. Ist dazu nichts bestimmt, so kann der Erbe die
Verteilung vornehmen.
Ersatz- und Nachvermächtnis
§. 652. Es kann auch ein Ersatz- oder Nachvermächtnis angeordnet werden;
die Bestimmungen des Zehnten Hauptstücks sind darauf sinngemäß anzuwenden.
Gegenstand eines Vermächtnisses
§. 653. Jede Sache, die im Verkehr steht, vererblich ist und den Inhalt
einer selbstständigen Forderung bilden kann, kann Gegenstand eines
Vermächtnisses sein.
Ist die vermachte Sache verpfändet oder sonst wie belastet, so hat der
Vermächtnisnehmer auch die darauf haftenden Lasten zu übernehmen.
Unmöglichkeit
§. 654. Ist die Leistung des Vermächtnisses ohne Verschulden des
Vermächtnisschuldners oder eines Dritten unmöglich, so erhält der
Vermächtnisnehmer keinen Ersatz. Werden aber verkehrsfähige Sachen vermacht,
die der Vermächtnisnehmer aus rechtlichen Gründen nicht erwerben kann, so
gebührt ihm der Verkehrswert.
§. 655. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 16, BGBl 2015/Nr. 87 –
ErbRÄG 2015.)
II. Arten von Vermächtnissen
1. Gattungsvermächtnisse
§. 656. Wenn eine oder mehrere Sachen einer Gattung ohne eine nähere
Bestimmung vermacht werden und sich mehrere solche Sachen in der
Verlassenschaft befinden, kann die Wahl dem Erben, einem Dritten oder dem
Vermächtnisnehmer überlassen werden. Im Zweifel steht dem Erben die Wahl zu.
Der Erbe und der Dritte müssen ein Stück wählen, das unter Beachtung des
letzten Willens den Bedürfnissen des Vermächtnisnehmers entspricht. Der
Vermächtnisnehmer kann auch das beste Stück wählen.
§. 657. Wenn eine oder mehrere Sachen einer Gattung nach dem Willen des
Verstorbenen dessen Eigentum entstammen sollen, sich aber nicht in der
Verlassenschaft befinden, ist das Vermächtnis ungültig. Finden sie sich nicht
in der bestimmten Zahl, so muss sich der Vermächtnisnehmer mit den vorhandenen
begnügen.
§. 658. Wenn hingegen solche Sachen nach dem Willen des Verstorbenen nicht
ausdrücklich aus seinem Eigentum stammen sollen und sich nicht in der
Verlassenschaft befinden, muss sie der Erbe dem Vermächtnisnehmer in einer
dessen Bedürfnissen entsprechenden Eigenschaft verschaffen.
Ein Geldvermächtnis verpflichtet den Erben zur Zahlung der bestimmten Summe
ohne Rücksicht darauf, ob Bargeld in der Verlassenschaft vorhanden ist oder
nicht.
§. 659. Kann oder will der Dritte oder der wahlberechtigte
Vermächtnisnehmer nicht wählen, so hat das Gericht das Vermächtnis mit
Rücksicht auf die Bedürfnisse des Vermächtnisnehmers zu bestimmen.
2. Vermächtnis einer bestimmten Sache
§. 660. Der Vermächtnisnehmer kann die Erfüllung des Vermächtnisses einer bestimmten
Sache nicht zugleich in Natur und dem Wert nach verlangen, auch wenn der
Verstorbene ihm diese Sache mehrfach, sei dies in einer oder in mehreren
letztwilligen Verfügungen, vermacht hat. Andere Vermächtnisse, die eine Sache
derselben Art oder denselben Betrag betreffen, gebühren dem Vermächtnisnehmer
im Zweifel so oft, wie sie der Verstorbene wiederholt hat.
Wie beim Gattungsvermächtnis kann auch einem Erben, Vermächtnisnehmer oder
Dritten die Wahl überlassen werden, aus mehreren bestimmten Sachen auszuwählen.
§. 661. Das Vermächtnis ist ungültig, wenn die vermachte Sache im Zeitpunkt
der Errichtung der letztwilligen Verfügung schon im Eigentum des
Vermächtnisnehmers stand. Hat er sie später erworben, so gebührt ihm der
Verkehrswert. Wenn er sie aber vom Verstorbenen vor dessen Tod unentgeltlich
erhalten hat, gilt das Vermächtnis als aufgehoben.
3. Vermächtnis einer fremden Sache
§. 662. Das Vermächtnis einer fremden Sache, die weder dem Vermächtnisgeber
noch dem Erben noch dem Vermächtnisnehmer, der sie einem Dritten leisten soll,
gehört, ist unwirksam. Gebührt diesen Personen ein Anteil oder Recht an der
Sache, so umfasst das Vermächtnis nur diesen Anteil oder dieses Recht.
Wenn der Verstorbene ausdrücklich angeordnet hat, dass eine bestimmte
fremde Sache gekauft und dem Vermächtnisnehmer geleistet werden soll
(Verschaffungsvermächtnis) und der Eigentümer diese Sache nicht um den
Verkehrswert veräußern will, ist dem Vermächtnisnehmer dieser Wert zu leisten.
4. Vermächtnis einer Forderung
§. 663. Das Vermächtnis einer Forderung, die der Verstorbene gegen den
Vermächtnisnehmer hatte (Befreiungsvermächtnis), verpflichtet den Erben, die
Forderung samt den rückständigen Zinsen zu erlassen.
§. 664. Hat der Verstorbene dem Vermächtnisnehmer eine Forderung vermacht,
die ihm gegen einen Dritten zustand (Forderungsvermächtnis), so muss der Erbe
die Forderung samt den rückständigen und weiter laufenden Zinsen dem
Vermächtnisnehmer abtreten.
§. 665. Das Vermächtnis der Schuld, die der Verstorbene dem
Vermächtnisnehmer gegenüber zu erfüllen hatte (Schuldvermächtnis), bewirkt,
dass der Erbe die vom Verstorbenen bestimmte oder vom Vermächtnisnehmer
ausgewiesene Schuld anerkennen und sie, ohne Rücksicht auf die mit der Schuld
verbundenen Bedingungen oder Fristen, längstens binnen der zur Leistung der
übrigen Vermächtnisse bestimmten Frist erfüllen muss.
§. 666. Das Befreiungsvermächtnis umfasst im Zweifel nicht die erst nach
Errichtung des Vermächtnisses entstandenen Schulden. Hat der Verstorbene durch
ein Vermächtnis ein Pfandrecht oder eine Bürgschaft erlassen, so folgt daraus
nicht, dass er auch die Schuld erlassen hat. Hat er die Zahlungsfristen
verlängert, so müssen die Zinsen weiter bezahlt werden.
§. 667. Wenn der Verstorbene einer Person den gleichen Betrag vermacht hat,
den er ihr geschuldet hat, wird nicht vermutet, dass er die Schuld mit dem
Vermächtnis erfüllen wollte.
§. 668. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 18, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
§. 669. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 6, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 670. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 6, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 671. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 6, BGBl 2009/Nr. 75 – Familienrechts-Änderungsgesetz
2009.)
5. Vermächtnis des Unterhalts oder der Ausbildung
§. 672. Das Vermächtnis des Unterhalts umfasst im Zweifel Nahrung,
Kleidung, Wohnung, die nötige Ausbildung und die übrigen Bedürfnisse des
Vermächtnisnehmers. Das Ausmaß richtet sich im Zweifel nach den bisherigen
Lebensverhältnissen des Vermächtnisnehmers.
Das Unterhaltsvermächtnis gewährt im Zweifel Unterhalt bis zur
Selbsterhaltungsfähigkeit des Vermächtnisnehmers, wenn dieser im Zeitpunkt der
Errichtung des Vermächtnisses nicht selbsterhaltungsfähig war. Das einem
selbsterhaltungsfähigen Vermächtnisnehmer eingeräumte Unterhaltsvermächtnis
gewährt im Zweifel Unterhalt bis zum Lebensende.
§. 673. Das Vermächtnis der Ausbildung umfasst im Zweifel alle Kosten einer
den Fähigkeiten und Neigungen des Vermächtnisnehmers entsprechenden Ausbildung
nach denselben Grundsätzen, wie sie für die Verpflichtung von Eltern gegenüber
ihren Kindern gelten. Die Kosten des notwendigen Lebensunterhalts sind im
Zweifel insoweit mit umfasst, als dem Vermächtnisnehmer wegen seiner Ausbildung
eine Erwerbstätigkeit nicht zuzumuten ist.
6. Vermächtnis der Möbel und des Hausrats
§. 674. Unter den Möbeln oder der Einrichtung werden nur die zum
gewöhnlichen Gebrauch der Wohnung, unter dem Hausrat die zur Führung des
Haushalts erforderlichen Sachen verstanden. Sachen zum Betrieb eines
Unternehmens fallen im Zweifel nicht darunter.
7. Vermächtnis eines Behältnisses
§. 675. Wenn der Verstorbene ein Behältnis vermacht hat, das nicht für sich
selbst besteht (etwa eine Schublade), so wird vermutet, dass nur diejenigen
Sachen erfasst sind, die sich bei seinem Ableben darin befinden und zu deren
Aufbewahrung das Behältnis seiner Natur nach bestimmt oder vom Verstorbenen
gewöhnlich verwendet worden ist.
§. 676. Besteht das Behältnis dagegen für sich selbst (etwa ein Kasten), so
hat der Vermächtnisnehmer im Zweifel nur auf das Behältnis, nicht aber auf die
darin befindlichen Sachen Anspruch.
8. Pflegevermächtnis
§. 677. Einer dem Verstorbenen nahe stehenden Person, die diesen in den
letzten drei Jahren vor seinem Tod mindestens sechs Monate in nicht bloß
geringfügigem Ausmaß gepflegt hat, gebührt dafür ein gesetzliches Vermächtnis,
soweit nicht eine Zuwendung gewährt oder ein Entgelt vereinbart wurde.
Pflege ist jede Tätigkeit, die dazu dient, einer pflegebedürftigen Person
soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die
Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu
führen.
Nahe stehend sind Personen aus dem Kreis der gesetzlichen Erben des
Verstorbenen, deren Ehegatte, eingetragener Partner oder Lebensgefährte und
deren Kinder sowie der Lebensgefährte des Verstorbenen und dessen Kinder.
§. 678. Die Höhe des Vermächtnisses richtet sich nach Art, Dauer und Umfang
der Leistungen.
Das Vermächtnis gebührt jedenfalls neben dem Pflichtteil, neben anderen
Leistungen aus der Verlassenschaft nur dann nicht, wenn der Verstorbene das
verfügt hat. Das Vermächtnis kann nur bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes
entzogen werden.
§. 679. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 20, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
§. 680. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 20, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
9. Auslegung bestimmter Begriffe
a) Kinder
§. 681. Unter dem Wort Kinder werden, wenn der Verstorbene die Kinder eines
anderen bedacht hat, nur dessen Söhne und Töchter, wenn er aber seine eigenen
Kinder bedacht hat, auch die an deren Stelle tretenden Nachkommen verstanden,
die beim Ableben des Verstorbenen schon gezeugt waren.
b) Verwandte
§. 682. Ein ohne nähere Bestimmung für die Verwandten ausgesetztes
Vermächtnis wird den nach der gesetzlichen Erbfolge nächsten Verwandten
zugewendet. § 555 ist sinngemäß anzuwenden.
c) Dienstnehmer
§. 683. Hat der Verstorbene seinen Dienstnehmern ein Vermächtnis
hinterlassen und sie bloß durch das Dienstverhältnis bezeichnet, so wird
vermutet, dass es diejenigen erhalten sollen, die im Zeitpunkt seines Ablebens
in einem Dienstverhältnis zu ihm stehen.
III. Erwerb von Vermächtnissen
Anfallstag und Erwerbsvoraussetzungen bei Vermächtnissen
§. 684. Der Vermächtnisnehmer erwirbt in der Regel (§ 699) mit dem Tod des
Vermächtnisgebers für sich und seine Nachfolger das Recht auf das Vermächtnis.
Das Eigentum an der vermachten Sache wird nach den Bestimmungen des Fünften
Hauptstücks über den Erwerb des Eigentums erlangt.
Fälligkeit des Vermächtnisses
§. 685. Das Vermächtnis ist im Zweifel sogleich mit dem Tod des
Vermächtnisgebers zu erfüllen. Geldvermächtnisse und Vermächtnisse von Sachen,
die sich nicht in der Verlassenschaft befinden, können erst nach Ablauf eines
Jahres nach dem Tod des Vermächtnisgebers geltend gemacht werden.
§. 686. Beim Vermächtnis von Sachen aus der Verlassenschaft gebühren dem
Vermächtnisnehmer auch die seit dem Tod des Vermächtnisgebers laufenden Zinsen
und entstandenen Nutzungen sowie jeder andere Zuwachs. Er trägt hingegen alle
auf dem Vermächtnis haftenden Lasten und selbst den Verlust, wenn es ohne
Verschulden eines Dritten gemindert oder die Leistung gänzlich unmöglich wird.
§. 687. Wenn der Verstorbene dem Vermächtnisnehmer ein Rentenvermächtnis,
also einen bestimmten, jährlich, monatlich oder sonst in periodischen
Zeiträumen zu leistenden Betrag vermacht hat, erhält der Vermächtnisnehmer ein
Recht auf den ganzen Betrag für den Zeitraum, dessen Anfang er erlebt hat. Den
Betrag selbst kann er jedoch erst mit Ende des Zeitraums fordern. Der erste
Zeitraum beginnt mit dem Tod des Vermächtnisgebers.
Recht des Vermächtnisnehmers auf Sicherstellung
§. 688. In allen Fällen, in denen ein Gläubiger von einem Schuldner
Sicherstellung fordern kann, kann auch ein Vermächtnisnehmer die Sicherstellung
seines Vermächtnisses verlangen.
Wem ein frei gewordenes Vermächtnis zufällt
§. 689. Ein Vermächtnis, das der Vermächtnisnehmer nicht annehmen kann oder
will, fällt dem Nachberufenen zu (§ 652). Wenn kein Nachberufener vorhanden ist
und das gesamte Vermächtnis mehreren Personen zugedacht worden ist, wächst der
Anteil, den einer von ihnen nicht erhält, den übrigen Vermächtnisnehmern zu.
Außer diesen beiden Fällen bleibt ein frei gewordenes Vermächtnis in der
Verlassenschaft.
Recht des Erben, wenn die Lasten die Verlassenschaft erschöpfen
§. 690. Wenn die gesamte Verlassenschaft durch Vermächtnisse erschöpft ist,
kann der beschränkt haftende Erbe nur die Vergütung seiner zum Besten der
Verlassenschaft gemachten Auslagen und eine seinen Bemühungen angemessene
Belohnung fordern. Will er die Verlassenschaft nicht selbst verwalten, so muss
er die Bestellung eines Kurators beantragen.
§. 691. Können nicht alle Vermächtnisnehmer aus der Verlassenschaft
befriedigt werden, so wird das Vermächtnis des Unterhalts vor allen anderen
entrichtet; diesem Vermächtnisnehmer gebührt der Unterhalt mit dem Erbfall.
Recht des Erben, wenn die Lasten die Verlassenschaft übersteigen
§. 692. Reicht die Verlassenschaft nicht zur Zahlung der Schulden und
anderer pflichtmäßiger Auslagen sowie zur Leistung aller Vermächtnisse aus, so
erleiden die Vermächtnisnehmer bei beschränkter Haftung der Erben (§ 802) einen
verhältnismäßigen Abzug. Der beschränkt haftende Erbe kann, so lange eine
solche Gefahr besteht, die Vermächtnisse auch nur gegen Sicherstellung leisten.
§. 693. Haben die Vermächtnisnehmer die Vermächtnisse bereits empfangen, so
wird der verhältnismäßige Abzug nach dem Wert, den das Vermächtnis zum
Zeitpunkt des Empfangs hatte, und den daraus gezogenen Nutzungen bestimmt.
§. 694. Der Vermächtnisnehmer kann zur Vermeidung einer Zahlung an die
Verlassenschaft das Vermächtnis oder den in § 693 angeführten Wert und die
bezogenen Nutzungen in die Verlassenschaft zurückstellen; in Rücksicht auf die
Verbesserungen und Verschlechterungen wird er als ein redlicher Besitzer
behandelt.
Zwölftes Hauptstück
Von der Einschränkung und Aufhebung des letzten Willens
I. Allgemeines
§. 695. Der letztwillig Verfügende kann die Rechte der Erben oder
Vermächtnisnehmer einschränken, etwa durch eine Bedingung, eine Befristung oder
eine Auflage, sowie seine Beweggründe und den Zweck seiner Anordnung schildern.
Er kann seine letztwillige Verfügung auch ändern oder ganz aufheben.
II. Arten der Einschränkung
1. Bedingung
§. 696. Eine Bedingung ist ein ungewisses Ereignis, von dem ein Recht
abhängig gemacht wird. Die Bedingung ist bejahend oder verneinend, je nachdem,
ob sie sich auf den Eintritt oder Nichteintritt des Ereignisses bezieht. Sie
ist aufschiebend, wenn das zugedachte Recht erst nach ihrer Erfüllung wirksam
wird, und auflösend, wenn das zugedachte Recht bei ihrem Eintritt verloren
geht.
a) Unverständliche und gesetz- oder sittenwidrige Bedingungen
§. 697. Unverständliche, unbestimmte sowie gesetz- oder sittenwidrige
Bedingungen gelten als nicht beigesetzt.
b) Unmögliche Bedingungen
§. 698. Die Anordnung, durch die einer Person unter einer aufschiebenden unmöglichen
Bedingung ein Recht zukommen soll, ist ungültig, selbst wenn die Erfüllung der
Bedingung erst in der Folge unmöglich und die Unmöglichkeit dem Verstorbenen
bekannt geworden war. Eine auflösende unmögliche Bedingung ist als nicht
beigesetzt anzusehen.
c) Mögliche und erlaubte Bedingungen
§. 699. Sind die Bedingungen möglich und erlaubt, so kann das davon
abhängende Recht nur durch ihre genaue Erfüllung erworben werden, mögen sie vom
Zufall oder vom Willen des bedachten Erben, Vermächtnisnehmers oder eines
Dritten abhängen.
§. 700. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 22, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
d) Erfüllung der Bedingung zu Lebzeiten des Verstorbenen
§. 701. Ist die im letzten Willen vorgeschriebene Bedingung schon zu
Lebzeiten des Verstorbenen erfüllt worden, so muss sie nach dessen Tod nur dann
neuerlich erfüllt werden, wenn sie in einer Handlung des Erben oder
Vermächtnisnehmers besteht, die von ihm wiederholt werden kann.
e) Keine Erfüllung der Bedingung durch Nachberufene
§. 702. Eine den Erben oder Vermächtnisnehmer einschränkende Bedingung ist
ohne ausdrückliche Erklärung des Verstorbenen nicht auf den von diesem
nachberufenen Erben oder Vermächtnisnehmer auszudehnen.
f) Wirkung einer möglichen aufschiebenden Bedingung
§. 703. Um eine unter einer aufschiebenden Bedingung zugedachte
Verlassenschaft zu erwerben, muss die bedachte Person den Eintritt der
Bedingung erleben und in diesem Zeitpunkt erbfähig sein.
§. 704. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 24, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
2. Befristung
§. 705. Ist der Eintritt des Ereignisses, auf das der Verstorbene das
zugedachte Recht einschränkt hat, gewiss, so geht das zugedachte Recht wie
andere unbedingte Rechte auch auf die Erben der bedachten Person über. In einem
solchen Fall wird nur die Übergabe bis zum gesetzten Termin aufgeschoben.
§. 706. Ein unmöglicher Anfangstermin macht die Anordnung ungültig. Ein
unmöglicher Endtermin gilt als nicht beigesetzt. Wenn sich der Verstorbene in
der Berechnung der Zeit geirrt hat, ist die Befristung nach seinem mutmaßlichen
Willen zu bestimmen.
Vorberechtigung
§. 707. Solange das Recht des Erben wegen einer noch nicht erfüllten
Bedingung oder wegen einer Befristung in Schwebe bleibt, gelten zwischen dem
gesetzlichen und dem eingesetzten Erben im Hinblick auf den einstweiligen
Besitz und Genuss der Verlassenschaft die gleichen Rechte und Pflichten wie bei
der Nacherbschaft. Dies gilt sinngemäß für das Verhältnis zwischen dem Erben
und dem bedingt oder befristet bedachten Vermächtnisnehmer.
Nachberechtigung
§. 708. Wer eine Erbschaft oder ein Vermächtnis unter einer verneinenden
oder auflösenden Bedingung oder nur auf eine gewisse Zeit erhält, hat gegen
den, dem die Erbschaft oder das Vermächtnis bei Eintritt der Bedingung oder des
bestimmten Zeitpunktes zufällt, die gleichen Rechte und Pflichten, die einem
Vorerben oder Vorvermächtnisnehmer gegen den Nacherben oder
Nachvermächtnisnehmer zukommen (§§ 613 und 652).
3. Auflage
§. 709. Hat der Verstorbene die Verlassenschaft einer Person unter einer
Auflage zugewendet, so muss der Belastete die Auflage möglichst genau erfüllen.
§. 710. Wenn der Belastete die Auflage aus seinem Alleinverschulden nicht
oder nicht vollständig erfüllt hat, ist die Auflage im Zweifel als auflösende
Bedingung (§ 696) zu behandeln.
§. 711. Ob der Verstorbene mit der Schilderung der Beweggründe oder des
Zwecks seiner Verfügung eine Verpflichtung auferlegen wollte oder seine
Erklärung nur ein Rat, ein Wunsch oder eine Bitte ist, dessen oder deren Nichteinhaltung
keinen Nachteil bewirkt, ist durch Auslegung zu ermitteln.
Strafvermächtnis und Bestreitungsverbot
§. 712. Die Anordnung des Verstorbenen, dass der Erbe einem Dritten ein
Vermächtnis entrichten soll, wenn er eine Auflage nicht befolgt, ist insoweit
gültig, als die Auflage möglich und erlaubt ist.
Eine Anordnung des Verstorbenen, mit der er dem Erben oder
Vermächtnisnehmer unter angedrohter Entziehung eines Vorteils verboten hat, den
letzten Willen zu bestreiten, ist insoweit unwirksam, als nur die Echtheit oder
der Sinn der letztwilligen Verfügung und die Auslegung des
Bestreitungsverbots angefochten, sittenwidrige oder gesetzlich verbotene
Anordnungen bekämpft oder Verstöße gegen zwingende Formvorschriften eingewendet
werden.
III. Aufhebung letztwilliger Verfügungen
1. durch Errichtung eines späteren Testaments
§. 713. Ein früheres Testament wird durch ein späteres gültiges Testament
nicht nur in der Erbeinsetzung, sondern auch in den übrigen Anordnungen
aufgehoben, sofern der Verstorbene in der späteren Verfügung nicht zu erkennen
gegeben hat, dass die frühere ganz oder zum Teil weiter bestehen soll. Dies
gilt auch dann, wenn der Erbe im späteren Testament nur zu einem Teil der
Erbschaft berufen wurde. Der übrig bleibende Teil fällt nicht den im früheren
Testament eingesetzten, sondern den gesetzlichen Erben zu.
Frühere letztwillige Verfügungen ohne Erbeinsetzung (§ 552 Abs. 2) werden
im Zweifel nur durch ein späteres Testament, mit dem über die gesamte
Verlassenschaft verfügt wird, aufgehoben.
oder einer sonstigen späteren letztwilligen Verfügung
§. 714. Durch eine spätere letztwillige Verfügung ohne Erbeinsetzung werden
frühere Vermächtnisse oder andere letztwillige Verfügungen ohne Erbeinsetzung
nur insoweit aufgehoben, als sie ihr widersprechen.
§. 715. Kann nicht festgestellt werden, welche von mehreren letztwilligen
Verfügungen früher oder später errichtet wurde, so gelten alle, soweit sie
nebeneinander bestehen können. Die Bestimmungen des Sechzehnten Hauptstücks
gelten entsprechend.
Unbeachtlichkeit der früher erklärten Unabänderlichkeit
§. 716. Die Erklärung in einer letztwilligen Verfügung, wonach jede spätere
letztwillige Verfügung überhaupt oder dann unwirksam sein soll, wenn sie nicht
in einer besonderen Form errichtet oder besonders gekennzeichnet wird, gilt als
nicht beigesetzt.
2. durch Widerruf
a) Allgemeines
§. 717. Will der letztwillig Verfügende seine Verfügung aufheben, ohne eine
neue zu errichten, so muss er sie ausdrücklich oder stillschweigend widerrufen.
§. 718. Der Widerruf kann nur im Zustand der Testierfähigkeit gültig
erfolgen.
b) Ausdrücklicher Widerruf
§. 719. Der ausdrückliche Widerruf einer letztwilligen Verfügung kann nur
in einer solchen Form erfolgen, die zur Errichtung einer letztwilligen
Verfügung nötig ist.
§. 720. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 26, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
c) Stillschweigender Widerruf
§. 721. Wer seine letztwillige Verfügung zerstört, etwa indem er sie
zerreißt, zerschneidet, verbrennt oder die Unterschrift oder den ganzen Inhalt durchstreicht,
widerruft sie. Wenn von mehreren gleichlautenden Urkunden nur eine zerstört
wird, so ist daraus im Zweifel nicht auf einen Widerruf der letztwilligen
Verfügung zu schließen.
§. 722. Wenn die Urkunde nur zufällig zerstört wird oder verloren geht,
bleibt der letzte Wille wirksam, sofern der Zufall oder Verlust und der Inhalt
der Urkunde bewiesen werden.
§. 723. Hat der Verstorbene eine spätere letztwillige Verfügung zerstört,
eine frühere Verfügung aber unversehrt gelassen, so tritt im Zweifel diese
frühere Anordnung wieder in Kraft. Eine frühere mündliche Verfügung,
ausgenommen die mündliche gerichtliche oder mündliche notarielle Verfügung,
lebt dadurch aber nicht wieder auf.
d) Vermuteter Widerruf
§. 724. Der Widerruf eines Vermächtnisses wird vermutet, wenn der
Verstorbene
1. die vermachte Forderung eingetrieben oder sonst zum Erlöschen gebracht
hat,
2. die zugedachte Sache veräußert und nicht wieder zurück erhalten hat oder
3. die Sache derart umgestaltet hat, dass sie ihre vorige Gestalt und
Bezeichnung verliert.
Wenn aber der Schuldner die Forderung aus eigenem Antrieb berichtigt hat,
die Veräußerung des Vermächtnisses auf gerichtliche oder behördliche Anordnung
erfolgt ist oder die Sache ohne Einwilligung des Verstorbenen umgestaltet
worden ist, bleibt das Vermächtnis wirksam.
3. durch Verlust der Angehörigenstellung
§. 725. Mit Auflösung der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft oder der
Lebensgemeinschaft zu Lebzeiten des Verstorbenen werden davor errichtete
letztwillige Verfügungen, soweit sie den früheren Ehegatten, eingetragenen
Partner oder Lebensgefährten betreffen, aufgehoben, es sei denn, dass der
Verstorbene ausdrücklich das Gegenteil angeordnet hat. Das Gleiche gilt für die
Aufhebung der Abstammung oder den Widerruf oder die Aufhebung der Adoption,
auch wenn sie nach dem Erbfall erfolgt, für letztwillige Verfügungen zugunsten
des früheren Angehörigen.
Die letztwillige Anordnung wird im Zweifel auch dann aufgehoben, wenn der
Verstorbene oder die letztwillig bedachte Person das gerichtliche Verfahren zur
Auflösung der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft oder zum Widerruf oder zur
Aufhebung der Adoption eingeleitet hat. Das Gleiche gilt auch für den Fall,
dass der Verstorbene das gerichtliche Abstammungsverfahren eingeleitet hat,
wenn sich in der Folge herausstellt, dass der vermeintliche Angehörige
tatsächlich nicht vom Verstorbenen abstammt.
4. durch Ausfall des eingesetzten Erben
§. 726. Wenn weder ein Erbe noch ein Nacherbe die Erbschaft annehmen will
oder kann, fällt das Erbrecht auf die gesetzlichen Erben. Diese sind
verpflichtet, die übrigen Verfügungen des Verstorbenen zu befolgen.
Dreizehntes Hauptstück
Von der gesetzlichen Erbfolge
I. Grundsätze
Fälle der gesetzlichen Erbfolge
§. 727. Wenn der Verstorbene seinen letzten Willen nicht gültig erklärt
oder nicht über sein gesamtes Vermögen verfügt hat oder wenn die eingesetzten
Erben die Verlassenschaft nicht annehmen können oder wollen, kommt es ganz oder
zum Teil zur gesetzlichen Erbfolge.
§. 728. Mangels einer gültigen Erklärung des letzten Willens fällt die
gesamte Verlassenschaft den gesetzlichen Erben zu. Hat der Verstorbene über
einen Teil seines Vermögens nicht gültig verfügt, so kommt allein dieser den
gesetzlichen Erben zu.
Verkürzter Pflichtteil und Folgen einer Enterbung
§. 729. Ist eine pflichtteilsberechtigte Person durch eine letztwillige
Verfügung verkürzt worden, so kann sie sich auf das Gesetz berufen und den ihr
gebührenden Pflichtteil fordern.
Hat der Verstorbene die gänzliche oder teilweise Entziehung des Pflichtteils
verfügt, so wird vermutet, dass er der enterbten Person auch deren gesetzlichen
Erbteil entziehen wollte.
Bei gesetzlicher Erbfolge erben die Nachkommen der enterbten Person an
deren Stelle, auch wenn diese den Verstorbenen überlebt hat.
Gesetzliche Erben
§. 730. Gesetzliche Erben sind die in nächster Linie mit dem Verstorbenen
Verwandten und sein Ehegatte oder eingetragener Partner.
II. Gesetzliches Erbrecht der Verwandten
§. 731. Zur ersten Linie gehören diejenigen Verwandten, die vom
Verstorbenen abstammen, also seine Kinder und deren Nachkommen.
Zur zweiten Linie gehören die Eltern des Verstorbenen und deren Nachkommen,
also seine Geschwister und deren Nachkommen.
Zur dritten Linie gehören die Großeltern des Verstorbenen und deren
Nachkommen, also seine Onkel und Tanten und deren Nachkommen.
In der vierten Linie sind nur die Urgroßeltern des Verstorbenen zur
Erbfolge berufen.
1. Linie: Kinder
§. 732. Wenn der Verstorbene Kinder hat, fällt ihnen die gesamte
Verlassenschaft zu, mögen sie zu seinen Lebzeiten oder nach seinem Tod geboren
sein. Mehreren Kindern fällt die Verlassenschaft zu gleichen Teilen zu. Enkel
von noch lebenden Kindern und Urenkel von noch lebenden Enkeln haben kein Recht
zur Erbfolge.
§. 733. Wenn ein Nachkomme des Verstorbenen vor ihm gestorben ist und
seinerseits Nachkommen hinterlassen hat, fällt der Anteil, der dem verstorbenen
Nachkommen gebührt hätte, dessen Kindern zu gleichen Teilen zu.
§. 734. Auf diese Art wird eine Verlassenschaft nicht nur dann geteilt,
wenn Enkel von verstorbenen Kindern mit noch lebenden Kindern oder entferntere
Nachkommen mit näheren Nachkommen des Verstorbenen zusammen treffen, sondern
auch dann, wenn die Verlassenschaft bloß zwischen Enkeln von verschiedenen
Kindern oder zwischen Urenkeln von verschiedenen Enkeln zu teilen ist. Es
können also die von jedem Kind hinterlassenen Enkel und die von jedem Enkel
hinterlassenen Urenkel nie mehr und nie weniger erhalten, als das verstorbene
Kind oder der verstorbene Enkel erhalten hätte, wenn es oder er am Leben
geblieben wäre.
2. Linie: Eltern und ihre Nachkommen
§. 735. Ist kein Nachkomme des Verstorbenen vorhanden, so fällt die
Verlassenschaft den mit ihm in zweiter Linie Verwandten, also seinen Eltern und
deren Nachkommen zu. Leben noch beide Eltern, so gebührt ihnen die ganze
Verlassenschaft zu gleichen Teilen. Ist ein Elternteil verstorben, so treten
dessen Nachkommen in sein Recht ein. Die Hälfte, die dem Verstorbenen gebührt
hätte, wird nach den §§ 732 bis 734 geteilt.
§. 736. Wenn beide Eltern des Verstorbenen verstorben sind, wird die eine
Hälfte der Verlassenschaft, die dem einen Elternteil zugefallen wäre, unter
dessen Nachkommen, die andere Hälfte aber unter den Nachkommen des anderen nach
den §§ 732 bis 734 geteilt. Haben die Eltern nur gemeinsame Kinder oder deren
Nachkommen hinterlassen, so teilen diese die beiden Hälften unter sich gleich.
Sind aber außer diesen noch Kinder nur eines Elternteils vorhanden, so erhalten
diese und deren Nachkommen nur den ihnen von der Hälfte gebührenden Anteil.
§. 737. Hat ein verstorbener Elternteil des Verstorbenen keine Nachkommen
hinterlassen, so fällt die gesamte Verlassenschaft dem anderen noch lebenden
Elternteil zu. Ist auch dieser verstorben, so wird die gesamte Verlassenschaft
unter seinen Kindern und Nachkommen nach den bereits angeführten Grundsätzen
verteilt.
3. Linie: Großeltern und ihre Nachkommen
§. 738. Sind die Eltern des Verstorbenen ohne Nachkommen verstorben, so
fällt die Verlassenschaft der dritten Linie, also den Großeltern und ihren
Nachkommen zu. Die Verlassenschaft wird dann in zwei gleiche Teile geteilt. Die
eine Hälfte gebührt den Eltern des einen Elternteils des Verstorbenen und ihren
Nachkommen, die andere den Eltern des anderen und ihren Nachkommen.
§. 739. Jede dieser Hälften wird unter den Großeltern der einen und der
anderen Seite, wenn sie beide noch leben, gleich geteilt. Ist ein
Großelternteil oder sind beide Großeltern von der einen oder anderen Seite
gestorben, so wird die dieser Seite zugefallene Hälfte zwischen den Kindern und
Nachkommen dieser Großeltern nach den Grundsätzen geteilt, nach denen in der
zweiten Linie die ganze Verlassenschaft zwischen den Kindern und Nachkommen der
Eltern des Verstorbenen geteilt wird (§§ 735 bis 737).
§. 740. Sind von der Seite eines Elternteils beide Großeltern ohne
Nachkommen verstorben, so fällt den von der anderen Seite noch lebenden
Großeltern oder nach deren Tod deren Kindern und Nachkommen die gesamte
Verlassenschaft zu.
4. Linie: Urgroßeltern
§. 741. Nach gänzlichem Ausfall der dritten Linie sind die Urgroßeltern des
Verstorbenen zur gesetzlichen Erbfolge berufen. Auf die Großeltern des einen
Elternteils des Verstorbenen entfällt die eine Hälfte der Verlassenschaft, auf
die Großeltern des anderen Elternteils die andere Hälfte. Jede Hälfte der
Verlassenschaft teilen sich die beiden Großelternpaare zu gleichen Teilen. Ist
ein Teil eines Großelternpaares nicht vorhanden, so fällt das auf diesen Teil
entfallende Achtel der Verlassenschaft an den überlebenden Teil dieses
Großelternpaares. Fehlt ein Großelternpaar, so ist zu seinem Viertel das andere
Großelternpaar desselben Elternteiles des Verstorbenen berufen.
Fehlen die Großelternpaare des einen Elternteils des Verstorbenen, so sind
zu der auf sie entfallenden Verlassenschaftshälfte die Großelternpaare des
anderen Elternteils in demselben Ausmaß wie zu der ihnen unmittelbar
zufallenden Verlassenschaftshälfte berufen.
Mehrfache Verwandtschaft
§. 742. Wenn jemand mit dem Verstorbenen mehrfach verwandt ist, genießt er
von jeder Seite das Erbrecht, das ihm als einem Verwandten von dieser Seite
gebührt.
Ausschluss von entfernten Verwandten
§. 743. Auf diese vier Linien der Verwandtschaft (§ 731) wird die
gesetzliche Erbfolge eingeschränkt.
III. Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten und eingetragenen Partners
§. 744. Der Ehegatte oder eingetragene Partner des Verstorbenen ist neben
Kindern des Verstorbenen und deren Nachkommen zu einem Drittel der
Verlassenschaft, neben Eltern des Verstorbenen zu zwei Dritteln der
Verlassenschaft und in den übrigen Fällen zur Gänze gesetzlicher Erbe. Ist ein
Elternteil vorverstorben, so fällt auch dessen Anteil dem Ehegatten oder dem
eingetragenen Partner zu.
Auf den Erbteil des Ehegatten oder eingetragenen Partners ist alles
anzurechnen, was er durch Ehe- oder Partnerschaftspakt oder Erbvertrag aus dem
Vermögen des Verstorbenen erhält.
Gesetzliches Vorausvermächtnis
§. 745. Sofern der Ehegatte oder eingetragene Partner nicht rechtmäßig
enterbt worden ist, gebühren ihm als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht,
in der Ehe- oder Partnerschaftswohnung weiter zu wohnen, und die zum ehelichen
oder partnerschaftlichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu
dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich
sind.
Dem Lebensgefährten des Verstorbenen steht ein solches gesetzliches
Vermächtnis zu, sofern er mit dem Verstorbenen als dessen Lebensgefährte
zumindest in den letzten drei Jahren im gemeinsamen Haushalt gelebt hat und der
Verstorbene im Zeitpunkt des Todes weder verheiratet war noch in einer
eingetragenen Partnerschaft gelebt hat. Die in Abs. 1 erwähnten Rechte enden
ein Jahr nach dem Tod des Verstorbenen.
Auflösung der Ehe oder Partnerschaft
§. 746. Nach Auflösung der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft zu
Lebzeiten des Verstorbenen steht dem früheren Ehegatten oder eingetragenen
Partner weder ein gesetzliches Erbrecht noch das gesetzliche Vorausvermächtnis
zu.
Das gesetzliche Erbrecht und das gesetzliche Vorausvermächtnis stehen dem
überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partner auch dann nicht zu, wenn in
einem im Zeitpunkt des Erbfalls anhängigen Verfahren über die Auflösung der Ehe
oder eingetragenen Partnerschaft eine Vereinbarung über die Aufteilung des
Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse für den Fall der Rechtskraft der
Auflösungsentscheidung vorliegt. Eine solche Vereinbarung gilt im Zweifel auch
für die Auflösung der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft durch den Tod eines
Ehegatten oder eingetragenen Partners.
Anspruch auf Unterhalt
§. 747. Der Ehegatte oder eingetragene Partner hat, außer in den Fällen der
§§ 746 und 777, gegen die Verlassenschaft und nach Einantwortung gegen die
Erben bis zum Wert der Verlassenschaft einen Anspruch auf Unterhalt nach den
sinngemäß anzuwendenden Grundsätzen des § 94 oder des § 12 EPG, solange er
nicht wieder eine Ehe oder eingetragene Partnerschaft eingeht. Auf diesen
Anspruch ist alles anzurechnen, was der Ehegatte oder eingetragene Partner nach
dem Verstorbenen durch vertragliche oder letztwillige Zuwendung, als
gesetzlichen Erbteil, als Pflichtteil und durch öffentlich-rechtliche oder
privatrechtliche Leistung erhält, desgleichen eigenes Vermögen des Ehegatten
oder eingetragenen Partners sowie Erträgnisse einer von ihm tatsächlich
ausgeübten oder einer solchen Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach
erwartet werden kann.
IV. Außerordentliches Erbrecht und Aneignung durch den Bund
Außerordentliches Erbrecht des Lebensgefährten
§. 748. Gelangt kein gesetzlicher Erbe zur Verlassenschaft, so fällt dem
Lebensgefährten des Verstorbenen die ganze Erbschaft zu, sofern er mit dem
Verstorbenen als dessen Lebensgefährte zumindest in den letzten drei Jahren vor
dem Tod des Verstorbenen im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.
Vom Erfordernis eines gemeinsamen Haushalts ist dann abzusehen, wenn diesem
erhebliche Gründe, etwa gesundheitlicher oder beruflicher Art, entgegenstanden,
ansonsten aber eine für Lebensgefährten typische besondere Verbundenheit
bestand.
Außerordentliches Erbrecht der Vermächtnisnehmer
§. 749. Gelangt weder ein gesetzlicher Erbe noch der Lebensgefährte des
Verstorbenen zur Verlassenschaft, so werden die vom Verstorbenen bedachten
Vermächtnisnehmer verhältnismäßig als Erben betrachtet.
Aneignung durch den Bund
§. 750. Wenn kein zur Erbfolge Berechtigter vorhanden ist und auch sonst
niemand die Verlassenschaft erwirbt, hat der Bund das Recht, sie sich
anzueignen.
Soweit eine Verlassenschaft, die sich im Zeitpunkt des Todes des
Verstorbenen in Österreich befindet, weder auf einen durch Verfügung von Todes
wegen eingesetzten Erben oder Vermächtnisnehmer noch auf eine natürliche Person
als gesetzlicher Erbe übergeht, hat der Bund das Recht, sie sich anzueignen,
auch wenn sich die Erbfolge nicht nach österreichischem Recht richtet.
Abweichungen von der allgemeinen Erbfolge
§. 751. Abweichungen von der in diesem Hauptstück bestimmten gesetzlichen
Erbfolge, insbesondere für land- und forstwirtschaftliche Betriebe, sind
gesondert geregelt.
V. Anrechnung beim Erbteil
§. 752. Bei der gewillkürten und bei der gesetzlichen Erbfolge muss sich
der Erbe eine Schenkung unter Lebenden (§ 781) anrechnen lassen, wenn der
Verstorben das letztwillig angeordnet oder mit dem Geschenknehmer vereinbart
hat. Dieser Vertrag und seine Aufhebung bedürfen der Schriftform, bei Abschluss
erst nach erfolgter Schenkung aber der Formvorschriften für einen Erbverzicht.
§. 753. Bei der gesetzlichen Erbfolge der Kinder muss sich ein Kind auf
Verlangen eines anderen Kindes eine Schenkung unter Lebenden (§ 781) anrechnen
lassen, es sei denn, dass der Verstorbene die Schenkung aus Einkünften ohne
Schmälerung des Stammvermögens gemacht hat oder den Erlass dieser Anrechnung
letztwillig verfügt oder mit dem Geschenknehmer vereinbart hat. Dieser Vertrag
und seine Aufhebung bedürfen der Schriftform.
§. 754. Einem Nachkommen wird nicht nur das, was er selbst, sondern auch
das, was seine Vorfahren, an deren Stelle er tritt, auf solche Art empfangen
haben, auf den Erbteil angerechnet. Auch wer einen Erbteil im Wege der
Anwachsung erhält (§ 560), hat sich Schenkungen an denjenigen, dessen frei
gewordenen Erbteil er übernimmt, anrechnen zu lassen.
Rechenmethode
§. 755. Das bei der Anrechnung zu berücksichtigende Vermögen ist auf den
Zeitpunkt zu bewerten, in dem die Schenkung wirklich gemacht wurde. Dieser Wert
ist sodann auf den Todeszeitpunkt nach einem von der Statistik Austria
verlautbarten Verbraucherpreisindex aufzuwerten und der Verlassenschaft
hinzuzurechnen.
Von dem Erbteil des anrechnungspflichtigen Erben ist das anzurechnende
Vermögen abzuziehen. Der anrechnungspflichtige Erbe ist nicht zur Herausgabe
seines Geschenks verpflichtet.
§. 755a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 6, BGBl 1989/Nr. 656 –
Erbrechtsänderungsgesetz 1989.)
Vierzehntes Hauptstück
Vom Pflichtteil und der Anrechnung auf den Pflichtteil
I. Allgemeines
1. Pflichtteilsberechtigung
§. 756. Der Pflichtteil ist der Anteil am Wert des Vermögens des
Verstorbenen, der dem Pflichtteilsberechtigten zukommen soll.
§. 757. Pflichtteilsberechtigt sind die Nachkommen sowie der Ehegatte oder
eingetragene Partner des Verstorbenen.
§. 758. Einer in § 757 angeführten Person steht ein Pflichtteil zu, wenn
ihr bei gesetzlicher Erbfolge ein Erbrecht zustünde, sie nicht enterbt wurde
und nicht auf den Pflichtteil verzichtet worden ist.
Den Nachkommen einer erbunfähigen oder enterbten vorverstorbenen Person
steht ein Pflichtteil zu, wenn sie die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen. Der
Verzicht auf den Pflichtteil und die Ausschlagung der Erbschaft erstrecken sich
im Zweifel auch auf die Nachkommen. Die Nachkommen eines vorverstorbenen
Pflichtteilsberechtigten, dessen Pflichtteil gemindert worden ist, müssen sich
mit dem geminderten Pflichtteil begnügen, wenn auch für sie die Voraussetzungen
für die Minderung vorliegen (§ 776 Abs. 1 und 2).
Eine in ihrem Pflichtteil verkürzte Person kann sich auch dann auf ihre
Pflichtteilsberechtigung stützen, wenn ihr ein Erbrecht aus einem Erbvertrag,
einem letzten Willen oder dem Gesetz gebührt.
2. Höhe
§. 759. Als Pflichtteil gebührt jeder pflichtteilsberechtigten Person die
Hälfte dessen, was ihr nach der gesetzlichen Erbfolge zustünde.
§. 760. Wenn einer der in § 757 angeführten Personen infolge
Pflichtteilsverzichtes oder Ausschlagung der Erbschaft kein Pflichtteil
zusteht, erhöht dies im Zweifel die Pflichtteile der anderen
Pflichtteilsberechtigten nicht.
Wenn aber einer der in § 757 angeführten Personen aus anderen Gründen kein
oder nur ein geminderter Pflichtteil zusteht und an ihrer Stelle auch keine
Nachkommen den Pflichtteil erhalten, erhöhen sich die Pflichtteile der anderen
Pflichtteilsberechtigten anteilig; die §§ 733 und 734 sind anzuwenden.
3. Erfüllungsarten
Leistung und Deckung des Pflichtteils
§. 761. Der Pflichtteil ist in Geld zu leisten. Er kann aber auch durch
eine Zuwendung auf den Todesfall des Verstorbenen (§ 780) oder eine Schenkung
unter Lebenden (§ 781) gedeckt werden.
Wenn der Verstorbene jemanden auf den Pflichtteil gesetzt hat, wird
vermutet, dass er ihm einen Geldanspruch und nicht ein Vermächtnis zuwenden
wollte.
Bedingungen und Belastungen
§. 762. Haften einer Zuwendung oder Schenkung im Sinn der §§ 780 und 781
Bedingungen oder Belastungen an, die der Verwertung des zugewendeten Vermögens
entgegenstehen, so hindert dies nicht deren Eignung zur Pflichtteilsdeckung;
ein dadurch fehlender oder verminderter Nutzen ist aber bei der Bewertung der
Zuwendung oder Schenkung zu berücksichtigen.
Geldpflichtteil
§. 763. Soweit der Pflichtteil durch eine Zuwendung oder Schenkung im Sinn
der §§ 780 und 781 nicht oder nicht voll gedeckt wird, kann der
Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil selbst oder dessen Ergänzung in Geld
fordern.
4. Pflichtteilsschuldner
§. 764. Der Pflichtteilsanspruch ist von der Verlassenschaft und nach der
Einantwortung von den Erben zu erfüllen.
Wenn der Pflichtteil durch eine Zuwendung oder Schenkung im Sinn der §§ 780
und 781 nicht oder nicht voll gedeckt wird, haben neben den Erben auch die
Vermächtnisnehmer höchstens bis zum Wert der Verlassenschaft zu seiner
Bedeckung verhältnismäßig beizutragen, nicht jedoch der Ehegatte oder
eingetragene Partner mit dem gesetzlichen Vorausvermächtnis, der Lebensgefährte
mit einem solchen gesetzlichen Vermächtnis und der Begünstigte aus einem
Pflegevermächtnis.
5. Anfall und Fälligkeit
§. 765. Der Pflichtteilsberechtigte erwirbt den Anspruch für sich und seine
Nachfolger mit dem Tod des Verstorbenen.
Den Geldpflichtteil kann der Pflichtteilsberechtigte erst ein Jahr nach dem
Tod des Verstorbenen fordern.
Stundung
§. 766. Der letztwillig Verfügende kann die Stundung des
Pflichtteilsanspruchs auf höchstens fünf Jahre nach seinem Tod oder die Zahlung
in Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraums anordnen. Ebenso kann er die Deckung
des Pflichtteils durch eine Zuwendung ganz oder zum Teil auf diesen Zeitraum erstrecken.
In den Fällen des Abs. 1 kann der Pflichtteilsberechtigte den gesamten oder
restlichen Geldpflichtteil erst mit Ende dieses Zeitraums fordern, es sei denn,
dass ihn dies unter Berücksichtigung aller Umstände unbillig hart träfe. Die
Interessen und die Vermögenslage des Pflichtteilsschuldners sind angemessen zu
berücksichtigen.
In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann der in Abs. 1 genannte
Zeitraum auf insgesamt höchstens zehn Jahre durch das Gericht verlängert
werden.
§. 767. Der Pflichtteilsanspruch ist auf Verlangen eines
Pflichtteilsschuldners auch gerichtlich zu stunden, soweit diesen die Erfüllung
unter Berücksichtigung aller Umstände unbillig hart träfe. Dies kann
insbesondere der Fall sein, wenn er mangels ausreichenden anderen Vermögens die
Wohnung, die ihm zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient,
oder ein Unternehmen, das seine wirtschaftliche Lebensgrundlage darstellt,
veräußern müsste. Ebenso ist der Geldpflichtteilsanspruch auf Verlangen eines
Pflichtteilsschuldners zu stunden, wenn dessen sofortige Entrichtung den
Fortbestand eines Unternehmens erheblich gefährdet. Die Interessen des
Pflichtteilsberechtigten sind angemessen zu berücksichtigen.
Das Gericht kann den Pflichtteilsanspruch auf höchstens fünf Jahre nach dem
Tod des Verstorbenen stunden oder die Zahlung in Teilbeträgen innerhalb dieses
Zeitraums bewilligen.
In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann der in Abs. 2 genannte
Zeitraum auf insgesamt höchstens zehn Jahre durch das Gericht verlängert
werden.
Sicherstellung des Pflichtteilsanspruchs und Anpassung einer
Stundungsregelung
§. 768. Das Gericht kann auf Antrag die Sicherstellung des
Pflichtteilsanspruchs anordnen und bei einer erheblichen Änderung der Umstände
eine Stundungsregelung ändern oder aufheben. Der Pflichtteilsschuldner und der
Pflichtteilsberechtigte haben einander über eine wesentliche Änderung der
Umstände unverzüglich zu informieren.
II. Ausschluss von der Pflichtteilsberechtigung
1. Enterbung
Allgemeines
§. 769. Enterbung ist die gänzliche oder teilweise Entziehung des
Pflichtteils durch letztwillige Verfügung.
Enterbungsgründe
§. 770. Ein Pflichtteilsberechtigter kann enterbt werden, wenn er
1. gegen den Verstorbenen eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat,
die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger
Freiheitsstrafe bedroht ist,
2. gegen den Ehegatten, eingetragenen Partner, Lebensgefährten oder
Verwandten in gerader Linie, die Geschwister des Verstorbenen und deren Kinder,
Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten sowie die Stiefkinder des
Verstorbenen eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur
vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe
bedroht ist,
3. absichtlich die Verwirklichung des wahren letzten Willens des
Verstorbenen vereitelt oder zu vereiteln versucht hat (§ 540),
4. dem Verstorbenen in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid
zugefügt hat,
5. sonst seine familienrechtlichen Pflichten gegenüber dem Verstorbenen
gröblich vernachlässigt hat, oder
6. wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen
zu einer lebenslangen oder zwanzigjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden
ist.
Enterbung aus guter Absicht
§. 771. Wenn auf Grund der Verschuldung oder des verschwenderischen
Lebensstils eines Pflichtteilsberechtigten die Gefahr besteht, dass der ihm
gebührende Pflichtteil ganz oder größtenteils seinen Kindern entgehen wird,
kann ihm der Pflichtteil zugunsten seiner Kinder entzogen werden.
Art der Erklärung und Ursächlichkeit des Grundes
§. 772. Die Enterbung kann ausdrücklich oder stillschweigend durch
Übergehung in der letztwilligen Verfügung erfolgen.
Der Enterbungsgrund muss für die Enterbung durch den Verstorbenen
ursächlich gewesen sein.
Widerruf der Enterbung und Verzeihung
§. 773. Die Enterbung kann widerrufen werden, und zwar ausdrücklich oder
stillschweigend durch die nachträgliche letztwillige Bedenkung des vorher
Enterbten oder durch den Widerruf der letztwilligen Verfügung, welche die
Enterbung anordnet.
Konnte der Verstorbene die Enterbung auf Grund fehlender Testierfähigkeit
nicht mehr widerrufen, so ist die Enterbung unwirksam, wenn der Verstorbene zu
erkennen gegeben hat, dass er dem Enterbten verziehen hat.
§. 773a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 27, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
Beweislast
§. 774. Das Vorliegen eines Enterbungsgrundes muss der
Pflichtteilsschuldner beweisen.
Bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes wird vermutet, dass dieser für die
ausdrückliche oder stillschweigende Enterbung ursächlich war.
Enterbung ohne Grund und Übergehung
§. 775. Hat der Verstorbene den Pflichtteilsberechtigten wegen eines
bestimmten Verhaltens, das keinen Enterbungsgrund darstellt, ausdrücklich oder
stillschweigend enterbt, so wird vermutet, dass er ihn auf den Pflichtteil
setzen und nicht mit einem Erbteil bedenken wollte.
Wenn der Verstorbene Kinder und deren Nachkommen hatte, von deren Geburt er
bei Errichtung einer letztwilligen Verfügung nicht wusste, wird vermutet, dass
er ihnen letztwillig etwas zukommen lassen wollte. Hatte er daneben noch andere
Kinder, so wird vermutet, dass er das ihm nicht bekannte Kind zumindest gleich
bedacht hätte wie das am mindesten bedachte Kind. Wenn das ihm nicht bekannte
Kind sein einziges war, gilt die letztwillige Verfügung als widerrufen, es sei
denn, dass der Verstorbene diese Verfügung auch in Kenntnis von seinem Kind
errichtet hätte.
2. Pflichtteilsminderung
§. 776. Der Verfügende kann den Pflichtteil letztwillig auf die Hälfte
mindern, wenn er und der Pflichtteilsberechtigte zu keiner Zeit oder zumindest
über einen längeren Zeitraum vor dem Tod des Verfügenden nicht in einem
Naheverhältnis standen, wie es zwischen solchen Familienangehörigen gewöhnlich
besteht.
Das Recht auf Pflichtteilsminderung steht nicht zu, wenn der Verstorbene
den Kontakt grundlos gemieden oder berechtigten Anlass für den fehlenden
Kontakt gegeben hat.
Die §§ 773 und 774 gelten sinngemäß für die Pflichtteilsminderung; die
Pflichtteilsminderung kann auch stillschweigend durch Übergehung in der
letztwilligen Verfügung angeordnet worden sein.
3. Notwendiger Unterhalt des Pflichtteilsberechtigten
§. 777. Selbst wenn ein Pflichtteilsberechtigter erbunwürdig oder enterbt
worden ist, steht ihm doch stets der notwendige Unterhalt zu.
III. Pflichtteilsermittlung
1. Ermittlung und Berechnung des Pflichtteils
§. 778. Auf Antrag eines Pflichtteilsberechtigten wird zur Ermittlung des
Pflichtteils die gesamte Verlassenschaft genau beschrieben und geschätzt.
Die Schätzung hat auf den Todestag des Verstorbenen abzustellen. Bis zur
Erfüllung des Geldpflichtteils stehen dem Pflichtteilsberechtigten die
gesetzlichen Zinsen zu.
§. 779. Schulden und andere Lasten, die schon zu Lebzeiten des Verstorbenen
auf dem Vermögen hafteten, werden von der Verlassenschaft ebenso abgezogen wie
alle nach dem Erbfall und vor der Einantwortung entstandenen und mit der
Besorgung, Verwaltung und Abhandlung der Verlassenschaft verbundenen Kosten.
Der Pflichtteil wird aber ohne Rücksicht auf Vermächtnisse und andere aus
dem letzten Willen entspringende Lasten berechnet.
2. Anrechnung von Zuwendungen auf den Todesfall
§. 780. Alles, was der Pflichtteilsberechtigte als Erbteil, Vermächtnis
oder nach dem Erbfall als Begünstigter einer vom Verstorbenen errichteten
Privatstiftung oder vergleichbaren Vermögensmasse erhält, wird auf den
Geldpflichtteil angerechnet, also von diesem abgezogen.
Zuwendungen auf den Todesfall sind auf den Zeitpunkt des Todes des
Verstorbenen zu bewerten.
3. Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen unter Lebenden
§. 781. Schenkungen, die der Pflichtteilsberechtigte oder auch ein Dritter
vom Verstorbenen zu dessen Lebzeiten oder auf den Todesfall erhalten hat, sind
der Verlassenschaft nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen hinzuzurechnen und
auf einen allfälligen Geldpflichtteil des Geschenknehmers anzurechnen.
Als Schenkung in diesem Sinn gelten auch
1. die Ausstattung eines Kindes,
2. ein Vorschuss auf den Pflichtteil,
3. die Abfindung für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht,
4. die Vermögenswidmung an eine Privatstiftung,
5. die Einräumung der Stellung als Begünstigter einer Privatstiftung,
soweit ihr der Verstorbene sein Vermögen gewidmet hat, sowie
6. jede andere Leistung, die nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt einem unentgeltlichen
Rechtsgeschäft unter Lebenden gleichkommt.
Schenkungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen
§. 782. Auf Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten sind Schenkungen, die
der Verstorbene in den letzten beiden Jahren vor seinem Tod an Personen, die
nicht dem Kreis der Pflichtteilsberechtigten angehören (§ 757), wirklich
gemacht hat, bei der Berechnung der Verlassenschaft hinzuzurechnen.
Dieses Recht steht einem Nachkommen nur bei Schenkungen zu, die der
Verstorbene zu einer Zeit gemacht hat, zu der er ein pflichtteilsberechtigtes
Kind gehabt hat, dem Ehegatten oder eingetragenen Partner nur bei Schenkungen,
die während seiner Ehe oder eingetragenen Partnerschaft mit dem Verstorbenen
gemacht worden sind.
Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte
§. 783. Auf Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten oder eines Erben sind
Schenkungen an Personen, die dem Kreis der Pflichtteilsberechtigten angehören
(§ 757), der Verlassenschaft hinzuzurechnen und auf den Pflichtteil der
beschenkten Person oder derjenigen Person, die an deren Stelle tritt,
anzurechnen. Ein Geschenknehmer, der im Zeitpunkt der Schenkung allgemein zum
Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehörte (§ 757) und dem deshalb
kein Pflichtteil zukommt, weil er auf seinen Pflichtteil verzichtet hat oder
die Erbschaft ausgeschlagen hat, kann ebenfalls die Hinzu- und Anrechnung von
Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte verlangen.
Die Hinzu- und Anrechnung kann auch ein Vermächtnisnehmer verlangen, soweit
er zur Pflichtteilserfüllung beizutragen hat oder einen verhältnismäßigen Abzug
erleidet.
Ausnahmen
§. 784. Schenkungen, die der Verstorbene aus Einkünften ohne Schmälerung
des Stammvermögens, zu gemeinnützigen Zwecken, in Entsprechung einer sittlichen
Pflicht oder aus Gründen des Anstandes gemacht hat, sind weder hinzu- noch
anzurechnen, sofern der Verstorbene und der Geschenknehmer nichts anderes
vereinbart haben.
§. 785. Schenkungen an einen Pflichtteilsberechtigten sind auf dessen
Pflichtteil insoweit nicht anzurechnen, als der Verstorbene den Erlass dieser
Anrechnung letztwillig verfügt oder mit ihm vereinbart hat. In einem solchen
Fall ist die von der Anrechnung befreite Zuwendung bei der Ermittlung des
Pflichtteils dieses von der Anrechnung befreiten Pflichtteilsberechtigten nicht
hinzuzurechnen. Der Vertrag über den Erlass der Anrechnung bedarf der
Schriftform; die Aufhebung dieses Vertrags bedarf der Formvorschriften für
einen Pflichtteilsverzicht.
Auskunftsanspruch
§. 786. Wer berechtigt ist, die Hinzurechnung bestimmter Schenkungen zu verlangen,
hat in Bezug auf diese einen Auskunftsanspruch gegen die Verlassenschaft, die
Erben und den Geschenknehmer.
Rechenmethode
§. 787. Eine Schenkung, die der Verlassenschaft nach den vorstehenden
Bestimmungen hinzugerechnet wird, ist ihr rechnerisch hinzuzuschlagen. Von der
dadurch vergrößerten Verlassenschaft sind die Pflichtteile zu ermitteln.
Von einem auf solche Art und Weise vergrößerten Pflichtteil ist die
Schenkung an den pflichtteilsberechtigten Geschenknehmer, soweit sie auf seinen
Pflichtteil anzurechnen ist, abzuziehen.
Bewertung der Schenkung
§. 788. Die geschenkte Sache ist auf den Zeitpunkt zu bewerten, in dem die
Schenkung wirklich gemacht wurde. Dieser Wert ist sodann auf den Todeszeitpunkt
nach einem von der Statistik Austria verlautbarten Verbraucherpreisindex
anzupassen.
IV. Haftung des Geschenknehmers
§. 789. Wenn bei Bestimmung der Pflichtteile Schenkungen hinzu- oder
angerechnet werden, die Verlassenschaft aber zur Deckung der Pflichtteile nicht
ausreicht, kann der verkürzte Pflichtteilsberechtigte vom Geschenknehmer die
Zahlung des Fehlbetrags verlangen. Dies gilt nicht für die Ausstattung, die ein
Kind erhalten hat, soweit es auf diese nach § 1220 einen Anspruch hatte.
Mehrere Geschenknehmer haften für den Ausfall am Pflichtteil anteilig im
Verhältnis des Wertes ihrer Geschenke.
Bezahlt der Geschenknehmer den Fehlbetrag oder den Anteil, für den er nach
Abs. 2 einzustehen hat, nicht, so haftet er nur mit der zugewendeten Sache.
§. 790. Besitzt der Geschenknehmer die zugewendete Sache oder ihren Wert
nicht mehr oder hat sich ihr Wert vermindert, so haftet er mit seinem gesamten
Vermögen, wenn er diesen Verlust unredlich zugelassen hat.
Auf den Anspruch auf Zahlung des Fehlbetrags sind §§ 766 bis 768 über die
Stundung des Pflichtteils sinngemäß anzuwenden.
§. 791. Ein pflichtteilsberechtigter Geschenknehmer (§ 758) haftet einem
anderen verkürzten Pflichtteilsberechtigten nur insoweit, als er infolge der
Schenkung mehr als den ihm bei Berücksichtigung der hinzuzurechnenden Schenkungen
gebührenden Pflichtteil erhalten hat.
Ist der Geschenknehmer vorverstorben, hat er auf seinen Pflichtteil
verzichtet oder die Erbschaft ausgeschlagen, so steht ihm oder seinen Erben die
Haftungsfreistellung in Höhe seines hypothetischen Pflichtteils, der zum
Todeszeitpunkt des Verstorbenen zu berechnen ist, zu. Die Schenkung ist selbst
dann hinzuzurechnen, wenn der Verstorbene die Anrechnung auf den Pflichtteil
erlassen hat.
Soweit der Geschenknehmer oder dessen Erbe eine Haftungsbeschränkung bereits
geltend gemacht hat, kann eine Person, der der Pflichtteil anstelle des
Pflichtteilsberechtigten zufällt oder deren Pflichtteil durch den Wegfall des
Pflichtteilsberechtigten erhöht wird, keine weitere solche Haftungsbeschränkung
geltend machen.
§. 792. Wenn der Geschenknehmer im Zeitpunkt der Schenkung nicht zum Kreis
der pflichtteilsberechtigten Personen gehörte (§ 757), haftet er nicht, wenn
der Verstorbene die Schenkung mehr als zwei Jahre vor seinem Tod wirklich
gemacht hat.
§. 793. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 28, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
§. 794. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 28, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
§. 795. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 28, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
§. 796. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 28, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
Fünfzehntes Hauptstück
Erwerb einer Erbschaft
I. Voraussetzungen für den Erwerb einer Erbschaft
Einantwortungsprinzip
§. 797. Niemand darf eine Erbschaft eigenmächtig in Besitz nehmen. Der
Erwerb einer Erbschaft erfolgt in der Regel nach Durchführung des
Verlassenschaftsverfahrens durch die Einantwortung der Verlassenschaft, das ist
die Übergabe in den rechtlichen Besitz der Erben.
Wie weit das Gericht nach einem Todesfall von Amts wegen vorzugehen hat und
welche Fristen und Sicherungsmittel bei der Abhandlung zu beachten sind,
bestimmen die Verfahrensgesetze. Sie regeln auch, wie ein Erbe oder Gläubiger
Ansprüche gegen die Verlassenschaft geltend machen kann.
Überlassung der Verlassenschaft
§. 798. Überlässt das Gericht eine überschuldete Verlassenschaft an
Zahlungs statt, so bildet der Überlassungsbeschluss den Titel zum Erwerb. Das
Gleiche gilt für die gerichtlich erteilte Ermächtigung,
Verlassenschaftsvermögen zu übernehmen.
§. 798a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 29, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
Nachweis des Rechtstitels; Erbantrittserklärung
§. 799. Wer eine Erbschaft erwerben will, muss dem Gericht den Rechtstitel
(Erbvertrag, letztwillige Verfügung oder Gesetz) nachweisen und ausdrücklich
erklären, die Erbschaft anzutreten.
Bedingte und unbedingte Erbantrittserklärung
§. 800. Die Erbantrittserklärung kann unbedingt oder bedingt, also unter
dem Vorbehalt der Errichtung eines Inventars, abgegeben werden.
Wirkung der unbedingten Erbantrittserklärung
§. 801. Die unbedingte Erbantrittserklärung bewirkt, dass der Erbe
persönlich allen Gläubigern des Verstorbenen für ihre Forderungen und allen
Vermächtnisnehmern für ihre Vermächtnisse haftet, selbst wenn die
Verlassenschaft zur Deckung dieser Lasten nicht hinreicht.
Wirkung der bedingten Erbantrittserklärung
§. 802. Wird die Erbschaft mit Vorbehalt des Inventars angetreten, so hat
das Gericht auf Kosten der Verlassenschaft ein Inventar zu errichten. Ein
solcher Erbe haftet den Gläubigern und Vermächtnisnehmern nur so weit, als die
Verlassenschaft für ihre und auch seine eigenen Forderungen, das Erbrecht
ausgenommen, hinreicht.
Berechtigung zum Antritt oder zur Ausschlagung der Erbschaft
§. 803. Letztwillige Anordnungen, wonach der Erbe die Erbschaft nur unbedingt
antreten darf oder bei Abgabe einer bedingten Erbantrittserklärung oder bei
Antragstellung auf Inventarisierung der Verlassenschaft verliert, sind ungültig
und gelten als nicht beigesetzt.
Auf das Recht, eine Erbschaft bedingt oder unbedingt anzutreten, sie
auszuschlagen oder die Errichtung eines Inventars zu verlangen, kann im Voraus
nicht verzichtet werden.
§. 804. Auch ein Pflichtteilsberechtigter kann die Errichtung des Inventars
beantragen.
§. 805. Der Erbe kann die Erbschaft auch ausschlagen.
§. 806. Der Erbe kann weder die Ausschlagung noch seine
Erbantrittserklärung widerrufen noch seine unbedingte in eine bedingte
Erbantrittserklärung ändern und sich die Errichtung des Inventars vorbehalten.
§. 807. Wenn auch nur ein Miterbe eine bedingte Erbantrittserklärung
abgibt, so ist ein Inventar zu errichten, das der Verlassenschaftsabhandlung zu
Grunde zu legen ist. Nach Errichtung eines Inventars genießt auch ein Erbe, der
eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben hat, die damit verbundene Haftungsbeschränkung.
§. 808. Wird eine Person zum Erben eingesetzt, der auch ohne letztwillige
Verfügung das Erbrecht ganz oder zum Teil gebührt hätte, so ist sie nicht
befugt, sich auf die gesetzliche Erbfolge zu berufen, wenn dadurch vom
Verstorbenen getroffene Anordnungen unausgeführt blieben. In einem solchen Fall
muss sie die Erbschaft entweder aus dem letzten Willen antreten oder sie zur
Gänze ausschlagen.
Eine pflichtteilsberechtigte Person kann die Erbschaft nicht unter dem
Vorbehalt ihres Pflichtteiles ausschlagen.
Übertragung des Erbrechts
§. 809. Stirbt der Erbe, bevor er die angefallene Erbschaft angetreten oder
ausgeschlagen hat, so treten seine Erben in das Recht, die Erbschaft anzunehmen
oder auszuschlagen, ein (§ 537).
II. Vorkehrungen vor Einantwortung
1. Verwaltung
§. 810. Der Erbe, der bei Antretung der Erbschaft sein Erbrecht hinreichend
ausweist, hat das Recht, das Verlassenschaftsvermögen zu benützen, zu verwalten
und die Verlassenschaft zu vertreten, solange das Verlassenschaftsgericht nichts
anderes anordnet. Trifft dies auf mehrere Personen zu, so üben sie dieses Recht
gemeinsam aus, soweit sie nichts anderes vereinbaren.
Verwaltungs- und Vertretungshandlungen vor Abgabe von
Erbantrittserklärungen zur gesamten Verlassenschaft sowie alle Veräußerungen
von Gegenständen aus dem Verlassenschaftsvermögen bedürfen der Genehmigung des
Verlassenschaftsgerichts, wenn sie nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb
gehören. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Handlung für die
Verlassenschaft offenbar nachteilig wäre.
Ist nach der Aktenlage die Errichtung eines Inventars zu erwarten, so
dürfen Vermögensgegenstände, deren Veräußerung nicht zum ordentlichen
Wirtschaftsbetrieb gehört, erst veräußert werden, nachdem sie in ein Inventar
(Teilinventar) aufgenommen worden sind.
2. Sicherstellung oder Befriedigung der Gläubiger
§. 811. Die Gläubiger können die Befriedigung oder Sicherstellung ihrer
Forderungen gegen die Verlassenschaft bereits vor Abgabe einer
Erbantrittserklärung verlangen und zur Vertretung der Verlassenschaft die
Bestellung eines Kurators beantragen.
3. Absonderung der Verlassenschaft vom Vermögen des Erben
§. 812. Wenn die Forderung eines Gläubigers der Verlassenschaft durch
Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben gefährdet wäre, kann
der Gläubiger vor der Einantwortung beantragen, dass ein seiner Forderung
entsprechender Teil der Verlassenschaft vom Vermögen des Erben abgesondert, vom
Gericht verwahrt oder von einem Kurator verwaltet wird, bis sein Anspruch
berichtigt ist.
In einem solchen Fall haftet der Erbe den Separationsgläubigern auch nach
Abgabe einer unbedingten Erbantrittserklärung nur mit der abgesonderten
Verlassenschaft, den übrigen Gläubigern aber wie ein bedingt
erbantrittserklärter Erbe.
Die Absonderung kann durch eine angemessene Sicherheitsleistung des Erben,
die auch der Verlassenschaft entnommen werden kann, abgewendet oder aufgehoben
werden. Die Absonderung ist weiters von Amts wegen oder auf Antrag aufzuheben,
wenn sie zu Unrecht bewilligt wurde, ihre Voraussetzungen weggefallen sind oder
die Separationsgläubiger ihre Ansprüche nicht ohne Verzug gehörig betreiben.
4. Aufforderung der Verlassenschaftsgläubiger
§. 813. Der Erbe oder Verlassenschaftskurator kann zur Feststellung des Schuldenstandes
beantragen, dass mit Edikt alle Gläubiger aufgefordert werden, ihre Forderungen
binnen einer zu bestimmenden angemessenen Frist anzumelden. Dieses Edikt hat
den Hinweis zu enthalten, dass bis zum Ablauf der Frist mit der Befriedigung
der Gläubiger innegehalten werden kann.
Wirkung der Aufforderung oder ihrer Unterlassung
§. 814. Die gerichtliche Aufforderung bewirkt, dass den Gläubigern, die
ihre Forderung nicht fristgerecht angemeldet haben, gegen die Verlassenschaft
kein weiterer Anspruch zusteht, wenn sie durch Befriedigung der angemeldeten
Forderungen erschöpft ist. Das gilt nicht, soweit die Forderung pfandrechtlich
gesichert ist.
§. 815. Wenn der Erbe die Aufforderung unterlässt oder nur einige Gläubiger
befriedigt, ohne auf die Rechte der anderen Rücksicht zu nehmen, und deshalb
einige Gläubiger wegen Überschuldung der Verlassenschaft unbefriedigt bleiben,
haftet der Erbe diesen Gläubigern, ungeachtet einer bedingten
Erbantrittserklärung, mit seinem ganzen Vermögen für denjenigen Betrag, den sie
bei gehöriger Aufforderung oder Befriedigung erhalten hätten.
5. Nachweis über die Erfüllung des letzten Willens
Testamentsvollstrecker
§. 816. Der Verstorbene kann letztwillig einen Vollstrecker seines letzten
Willens ernennen. Übernimmt der Testamentsvollstrecker diese Aufgabe, so hat er
entweder als Machthaber die Anordnungen des Verstorbenen selbst zu vollziehen
oder deren Einhaltung zu überwachen und den säumigen Erben zur Vollziehung
derselben zu veranlassen.
Nachweis der Testamentserfüllung
§. 817. Ist kein Testamentsvollstrecker ernannt oder nimmt dieser seine
Ernennung nicht an, so hat der Erbe dem Gericht nachzuweisen, dass er den
Willen des Verstorbenen möglichst erfüllt oder Sicherheit geleistet hat.
§. 818. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 32, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
III. Einantwortung und ihre Folgen
Einantwortung
§. 819. Sobald die Erbantrittserklärungen abgegeben wurden, die Erben und
ihre Quoten feststehen und die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, wird den
Erben die Erbschaft eingeantwortet und die Abhandlung beendet. Die Erben haben
ihr durch die Einantwortung begründetes Eigentum an unbeweglichen Sachen in die
öffentlichen Bücher eintragen zu lassen (§ 436).
Haftung mehrerer Erben
§. 820. Mehrere Erben, die eine Erbschaft unbedingt angetreten haben,
haften Erbschaftsgläubigern und Vermächtnisnehmern zur ungeteilten Hand. Im
Verhältnis zueinander haften sie nach dem Verhältnis ihrer Erbteile.
§. 821. Wenn ein Inventar errichtet wurde und die Schuld teilbar ist,
haftet jeder Miterbe persönlich nur für denjenigen Teil einer Forderung, der
seiner Erbquote entspricht. Ist die Schuld unteilbar, so haften die Erben trotz
Inventarisierung zur ungeteilten Hand, insgesamt jedoch höchstens bis zum Wert
der eingeantworteten Verlassenschaft.
§. 822. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 32, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
Erbschafts- und Aneignungsklage
§. 823. Auch nach Einantwortung kann der Erwerber der Verlassenschaft von
jeder Person, die ein besseres oder gleichwertiges Erbrecht behauptet, auf
Herausgabe der Erbschaft oder des seiner Berechtigung entsprechenden Teils der
Erbschaft belangt werden. Das Eigentum an einzelnen Erbschaftstücken wird aber
nicht mit der Erbschafts-, sondern mit der Eigentumsklage geltend gemacht.
Der Bund kann in sinngemäßer Anwendung des Abs. 1 gegen den
eingeantworteten Erben das Recht, sich die Verlassenschaft anzueignen, geltend
machen.
Wirkung der Erbschafts- und Aneignungsklage
§. 824. Wenn der Beklagte ganz oder zum Teil zur Herausgabe der Verlassenschaft
verurteilt wird, sind die Ansprüche auf die Zurückstellung der von ihm
gezogenen Früchte oder auf die Vergütung der von ihm getätigten Aufwendungen
und Kosten nach denjenigen Grundsätzen zu beurteilen, die für den redlichen
oder unredlichen Besitzer im Hauptstück vom Besitz festgesetzt sind. Ein
dritter redlicher Erwerber ist für die in der Zwischenzeit erworbenen Erbstücke
niemandem verantwortlich.
Sechzehntes Hauptstück.
Von der Gemeinschaft des Eigenthums und anderer dinglichen Rechte.
Ursprung einer Gemeinschaft.
§. 825. So oft das Eigenthum der nähmlichen Sache, oder ein und dasselbe
Recht mehreren Personen ungetheilt zukommt; besteht eine Gemeinschaft. Sie
gründet sich auf eine zufällige Ereignung; auf ein Gesetz; auf eine letzte
Willenserklärung; oder auf einen Vertrag.
§. 826. Nach Verschiedenheit der Quellen, aus denen eine Gemeinschaft
entspringt, erhalten auch die Rechte und Pflichten der Theilhaber ihre nähere
Bestimmung. Für eine bloße Miteigentumsgemeinschaft gelten die Bestimmungen des
siebenundzwanzigsten Hauptstücks nur dann, wenn die Miteigentümer ausdrücklich
vereinbaren, als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
zusammenwirken zu wollen.
§. 827. Wer einen Antheil an einer gemeinschaftlichen Sache anspricht, der
muß sein Recht, wenn es von den übrigen Theilnehmern widersprochen wird,
beweisen.
Gemeinschaftliche Rechte der Theilhaber.
§. 828. So lange alle Theilhaber einverstanden sind, stellen sie nur Eine Person
vor, und haben das Recht, mit der gemeinschaftlichen Sache nach Belieben zu
schalten. Sobald sie uneinig sind, kann kein Theilhaber in der
gemeinschaftlichen Sache eine Veränderung vornehmen, wodurch über den Antheil
des Andern verfügt würde.
Eine gerichtliche oder vertraglich vereinbarte Benützungsregelung zwischen
den Teilhabern einer unbeweglichen Sache wirkt auch für deren Rechtsnachfolger,
wenn sie im Grundbuch angemerkt ist.
Rechte des Theilhabers auf seinen Antheil.
§. 829. Jeder Theilhaber ist vollständiger Eigenthümer seines Antheiles. In
so fern er die Rechte seiner Mitgenossen nicht verletzt, kann er denselben,
oder die Nutzungen davon willkührlich und unabhängig verpfänden, vermachen,
oder sonst veräußern. (§. 361.)
§. 830. Jeder Theilhaber ist befugt, auf Ablegung der Rechnung und auf
Vertheilung des Ertrages zu dringen. Er kann in der Regel auch die Aufhebung
der Gemeinschaft verlangen; doch nicht zur Unzeit, oder zum Nachtheile der
Uebrigen. Er muß sich daher einen, den Umständen angemessenen, nicht wohl
vermeidlichen Aufschub gefallen lassen.
§. 831. Hat sich ein Theilhaber zur Fortsetzung der Gemeinschaft verbunden,
so kann er zwar vor Verlauf der Zeit nicht austreten; allein diese
Verbindlichkeit wird, wie andere Verbindlichkeiten, aufgehoben, und erstreckt
sich nicht auf die Erben, wenn diese nicht selbst dazu eingewilliget haben.
§. 832. Auch die Anordnung eines Dritten, wodurch eine Sache zur
Gemeinschaft bestimmt wird, muß zwar von den ersten Theilhabern, nicht auch von
ihren Erben befolgt werden. Eine Verbindlichkeit zu einer immerwährenden
Gemeinschaft kann nicht bestehen.
Rechte der Theilhaber in der gemeinschaftlichen Sache:
a) In Rücksicht des Hauptstammes.
§. 833. Der Besitz und die Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache kommt
allen Theilhabern insgesammt zu. In Angelegenheiten, welche nur die ordentliche
Verwaltung und Benützung des Hauptstammes betreffen, entscheidet die Mehrheit
der Stimmen, welche nicht nach den Personen, sondern nach Verhältniß der
Antheile der Theilnehmer gezählet werden.
§. 834. Bey wichtigen Veränderungen aber, welche zur Erhaltung oder bessern
Benützung des Hauptstammes vorgeschlagen werden, können die Ueberstimmten
Sicherstellung für künftigen Schaden; oder, wenn diese verweigert wird, den
Austritt aus der Gemeinschaft verlangen.
§. 835. Wollen sie nicht austreten; oder geschähe der Austritt zur Unzeit;
so soll das Los, ein Schiedsmann, oder, wofern sie sich darüber nicht einhellig
vereinigen, der Richter entscheiden, ob die Veränderung unbedingt oder gegen
Sicherstellung Statt finden soll oder nicht. Diese Arten der Entscheidung
treten auch bey gleichen Stimmen der Mitglieder ein.
§. 836. Ist ein Verwalter der gemeinschaftlichen Sachen zu bestellen; so
entscheidet über dessen Auswahl die Mehrheit der Stimmen, und in deren Abgang
der Richter.
§. 837. Der Verwalter des gemeinschaftlichen Gutes wird als ein Machthaber
angesehen. Er ist einerseits verbunden, ordentliche Rechnung abzulegen;
andererseits aber befugt, alle nützlich gemachte Auslagen in Abrechnung zu
bringen. Dieses gilt auch in dem Falle, daß ein Theilgenosse ein
gemeinschaftliches Gut ohne Auftrag der übrigen Theilnehmer verwaltet.
§. 838. Wird die Verwaltung Mehrern überlassen; so entscheidet auch unter
ihnen die Mehrheit der Stimmen.
§. 838a. Streitigkeiten zwischen den Teilhabern über die mit der Verwaltung
und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte
und Pflichten sind im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden.
b) der Nutzungen und Lasten.
§. 839. Die gemeinschaftlichen Nutzungen und Lasten werden nach Verhältniß
der Antheile ausgemessen. Im Zweifel wird jeder Antheil gleich groß angesehen;
wer das Gegentheil behauptet, muß es beweisen.
§. 840. Ordentlicher Weise sind die erzielten Nutzungen in Natur zu
theilen. Ist aber diese Vertheilung nicht thunlich; so ist jeder berechtigt,
auf die öffentliche Feilbiethung zu dringen. Der gelöste Werth wird den
Theilhabern verhältnißmäßig entrichtet.
c) der Theilung.
§. 841. Bey der nach aufgehobener Gemeinschaft vorzunehmenden Theilung der
gemeinschaftlichen Sache gilt keine Mehrheit der Stimmen. Die Theilung muß zur
Zufriedenheit eines jeden Sachgenossen vorgenommen werden. Können sie nicht
einig werden; so entscheidet das Los, oder ein Schiedsmann, oder, wenn sie sich
über die Bestimmung der einen oder andern dieser Entscheidungsarten nicht
einhellig vereinigen, der Richter.
§. 842. Ein Schiedsmann oder der Richter entscheidet auch, ob bey der
Theilung liegender Gründe oder Gebäude ein Theilgenosse, zur Benützung seines
Antheiles, einer Servitut bedürfe, und unter welcher Bedingung sie ihm zu
verwilligen sey.
§. 843. Kann eine gemeinschaftliche Sache entweder gar nicht, oder nicht
ohne beträchtliche Verminderung des Werthes getheilt werden, so ist sie, und
zwar wenn auch nur Ein Theilgenosse es verlangt, vermittelst gerichtlicher
Feilbiethung zu verkaufen, und der Kaufschilling unter die Theilhaber zu
vertheilen.
§. 844. Servituten, Grenzzeichen und die zum gemeinschaftlichen Gebrauche
nötigen Urkunden sind keiner Teilung fähig. Die Urkunden werden, wenn sonst
nichts im Wege steht, bei dem ältesten Teilhaber niedergelegt. Die übrigen
erhalten auf ihre Kosten beglaubigte Abschriften. Die Grunddienstbarkeiten
bestehen mangels Vereinbarung zugunsten aller Teile fort; jedoch darf die
Dienstbarkeit dadurch nicht erweitert oder für das dienstbare Gut
beschwerlicher werden. Kommt die Ausübung der Dienstbarkeit nur einzelnen
Teilen zugute, so erlischt das Recht hinsichtlich der übrigen Teile.
§. 845. Bei Teilungen der Grundstücke sind die gegenseitigen Grenzen durch
entsprechende Grenzzeichen auf eine deutliche und unwandelbare Art zu
bezeichnen.
§. 846. Ueber die gemachte Theilung sind Urkunden zu errichten. Ein
Theilhaber einer unbeweglichen Sache erhält auch erst dadurch ein dingliches
Recht auf seinen Antheil, daß die darüber errichtete Urkunde den öffentlichen
Büchern einverleibt wird. (§. 436.)
§. 847. Die bloße Teilung was immer für eines gemeinschaftlichen Gutes kann
einem Dritten nicht zum Nachteile gereichen; alle ihm zustehenden Pfand-,
Servituts- und anderen dinglichen Rechte werden nach wie vor der Teilung
ausgeübt. Trifft jedoch die Ausübung einer Grunddienstbarkeit nur ein
Teilstück, so erlischt das Recht hinsichtlich der übrigen Teile.
§. 848. Auch persönliche Rechte, die einem Dritten gegen eine Gemeinschaft
zustehen, haben ungeachtet des erfolgten Austrittes ihre vorige Kraft. Ebenso
kann derjenige, welcher an eine Gemeinschaft schuldig ist, die Zahlung nicht an
einzelne Teilnehmer entrichten. Solche Schulden müssen an die ganze
Gemeinschaft oder an jenen, der sie ordentlich vorstellt, abgetragen werden.
§. 848a. Gewährt eine Dienstbarkeit oder eine andere dingliche Last einen
Anspruch auf Nutzungen, so kann bei Teilung des herrschenden Grundstückes jeder
Berechtigte und bei Teilung des belasteten Grundstückes jeder Belastete eine
gerichtliche Regelung der Ausübung begehren. Die Ausübung ist mit Rücksicht auf
die Natur und Zweckbestimmung des Rechtes sowie auf das Größenverhältnis und
die wirtschaftliche Besonderheit der einzelnen Liegenschaftsteile ohne
Erschwerung der Last so zu regeln, wie es allen Interessen billigerweise
entspricht.
§. 849. Was bisher von der Gemeinschaft überhaupt bestimmt worden ist, läßt
sich auch auf die einer Familie, als einer Gemeinschaft, zustehenden Rechte und
Sachen, z. B. Stiftungen, Fideicommisse u. dgl. anwenden.
Erneuerung und Berichtigung der Grenzen
§. 850. Wenn die Grenzzeichen zwischen zwei Grundstücken durch was immer
für Umstände so verletzt worden sind, daß sie ganz unkenntlich werden könnten,
oder wenn die Grenzen wirklich unkennbar oder streitig sind, so hat jeder der
Nachbarn das Recht, die gerichtliche Erneuerung oder Berichtigung der Grenze zu
verlangen. Zu diesem Behufe sind die Nachbarn zu einer Verhandlung im Verfahren
außer Streitsachen mit dem Bedeuten zu laden, daß trotz Ausbleibens des
Geladenen die Grenze festgesetzt und vermarkt werden wird.
§. 851. Sind die Grenzen wirklich unkennbar geworden oder streitig, so
werden sie nach dem letzten ruhigen Besitzstande festgesetzt. Läßt sich dieser
nicht feststellen, so hat das Gericht die streitige Fläche nach billigem
Ermessen zu verteilen.
Jeder Partei bleibt es vorbehalten, ihr besseres Recht im Prozeßweg geltend
zu machen.
§. 852. Die wichtigsten Behelfe bey einer Gränzberichtigung sind: die
Ausmessung und Beschreibung, oder auch die Abzeichnung des streitigen Grundes;
dann, die sich darauf beziehenden öffentlichen Bücher und andere Urkunden;
endlich, die Aussagen sachkündiger Zeugen, und das von Sachverständigen nach
vorgenommenem Augenscheine gegebene Gutachten.
§. 853. Die Kosten des Verfahrens sind von den Nachbarn nach Maß ihrer
Grenzlinien zu bestreiten. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu
tragen, wenn sich aus der Verhandlung ergibt, daß die Grenzerneuerung oder
Grenzberichtigung nicht notwendig war, weil die Grenze nicht bestritten oder
hinlänglich kenntlich gewesen ist, oder weil die anderen Beteiligten zur
außergerichtlichen Vermarkung bereit waren.
Wenn das Verfahren durch Störung des ruhigen Besitzes veranlaßt wurde, kann
das Gericht die Kosten ganz oder teilweise der Partei auferlegen, die den
Streit veranlaßt hat.
Vermuthete Gemeinschaft.
§. 853a. Für Grenzen von Grundstücken, die im Grenzkataster enthalten sind,
finden die Bestimmungen der §§ 850 bis 853 keine Anwendung.
§. 854. Erdfurchen, Zäune, Hecken, Planken, Mauern, Privat-Bäche, Canäle,
Plätze und andere dergleichen Scheidewände, die sich zwischen benachbarten
Grundstücken befinden, werden für ein gemeinschaftliches Eigenthum angesehen;
wenn nicht Wapen, Auf- oder Inschriften, oder andere Kennzeichen und Behelfe
das Gegentheil beweisen.
§. 855. Jeder Mitgenosse kann eine gemeinschaftliche Mauer auf seiner Seite
bis zur Hälfte in der Dicke benützen, auch Blindthüren und Wandschränke dort
anbringen, wo auf der entgegengesetzten Seite noch keine angebracht sind. Doch
darf das Gebäude durch einen Schorstein, Feuerherd oder andere Anlagen nicht in
Gefahr gesetzt, und der Nachbar auf keine Art in dem Gebrauche seines Antheiles
gehindert werden.
§. 856. Alle Miteigenthümer tragen zur Erhaltung solcher gemeinschaftlichen
Scheidewände verhältnißmäßig bey. Wo sie doppelt vorhanden sind; oder das
Eigenthum getheilt ist, bestreitet jeder die Unterhaltungskosten für das, was
ihm allein gehört.
§. 857. Ist die Stellung einer Scheidewand von der Art, daß die Ziegel,
Latten oder Steine nur auf einer Seite vorlaufen oder abhängen; oder sind die
Pfeiler, Säulen, Ständer, Bachställe auf einer Seite eingegraben; so ist im
Zweifel auf dieser Seite das ungetheilte Eigenthum der Scheidewand, wenn nicht
aus einer beyderseitigen Belastung, Einfügung, aus andern Kennzeichen, oder
sonstigen Beweisen das Gegentheil erhellet. Auch derjenige wird für den
ausschließenden Besitzer einer Mauer gehalten, welcher eine in der Richtung
gleich fortlaufende Mauer von gleicher Höhe und Dicke unstreitig besitzt.
§. 858. In der Regel ist der ausschließende Besitzer nicht schuldig, seine
verfallene Mauer oder Planke neu aufzuführen; nur dann muß er sie in gutem
Stande erhalten, wenn durch die Oeffung für den Gränznachbar Schaden zu
befürchten stünde. Es ist aber jeder Eigenthümer verbunden, auf der rechten
Seite seines Haupteinganges für die nöthige Einschließung seines Raumes, und
für die Abtheilung von dem fremden Raume zu sorgen.
Zweyter Theil.
Zweyte Abtheilung.
Von den persönlichen Sachenrechten.
Siebzehntes Hauptstück.
Von Verträgen und Rechtsgeschäften überhaupt.
Grund der persönlichen Sachenrechte.
§. 859. Die persönlichen Sachenrechte, vermöge welcher eine Person einer
andern zu einer Leistung verbunden ist, gründen sich unmittelbar auf ein
Gesetz; oder auf ein Rechtsgeschäft; oder auf eine erlittene Beschädigung.
Auslobung
§. 860. Die nicht an bestimmte Personen gerichtete Zusage einer Belohnung
für eine Leistung oder einen Erfolg (Auslobung) wird durch die öffentliche
Bekanntmachung verbindlich. Eine Auslobung, die eine Preisbewerbung zum
Gegenstande hat, ist nur gültig, wenn in der Bekanntmachung eine Frist für die
Bewerbung bestimmt ist.
§. 860a. Bis zur Vollendung der Leistung kann die Auslobung in derselben
Form, in welcher sie bekannt gemacht war, oder einer gleich wirksamen Form,
oder durch besondere Mitteilung widerrufen werden, wenn anders darauf in der
Bekanntmachung nicht ausdrücklich oder durch Bestimmung einer Frist verzichtet
ist. Der Widerruf ist aber unwirksam gegenüber demjenigen, der die Leistung im
Hinblick auf die Auslobung vollbracht hat, wenn er dartut, daß der Widerruf ihm
zu dieser Zeit ohne sein Verschulden nicht bekannt geworden war.
§. 860b. Ist die Leistung von mehreren Personen vollbracht worden, so
gebührt, falls nicht aus der Auslobung ein anderer Wille hervorgeht, die
Belohnung demjenigen, der die Leistung zuerst vollbracht hat, und bei
gleichzeitiger Vollendung allen zu gleichen Teilen.
Abschließung des Vertrages.
§. 861. Wer sich erkläret, daß er jemanden sein Recht übertragen, daß
heißt, daß er ihm etwas gestatten, etwas geben, daß er für ihn etwas thun, oder
seinetwegen etwas unterlassen wolle, macht ein Versprechen; nimmt aber der Andere
das Versprechen gültig an, so kommt durch den übereinstimmenden Willen beyder
Theile ein Vertrag zu Stande. So lange die Unterhandlungen dauern, und das
Versprechen noch nicht gemacht, oder weder zum voraus, noch nachher angenommen
ist, entsteht kein Vertrag.
§. 862. Das Versprechen (Antrag) muß innerhalb der vom Antragsteller
bestimmten Frist angenommen werden. In Ermanglung einer solchen muß der einem
Anwesenden oder mittels Fernsprechers von Person zu Person gemachte Antrag
sogleich, der sonst einem Abwesenden gemachte Antrag längstens bis zu dem
Zeitpunkte angenommen werden, in welchem der Antragsteller unter der
Voraussetzung, daß sein Antrag rechtzeitig angekommen sei, bei rechtzeitiger
und ordnungsmäßiger Absendung der Antwort deren Eintreffen erwarten darf;
widrigenfalls ist der Antrag erloschen. Vor Ablauf der Annahmefrist kann der
Antrag nicht zurückgenommen werden. Er erlischt auch nicht, wenn ein Teil
während der Annahmefrist stirbt oder handlungsunfähig wird, sofern nicht ein
anderer Wille des Antragstellers aus den Umständen hervorgeht.
§. 862a. Als rechtzeitig gilt die Annahme, wenn die Erklärung innerhalb der
Annahmefrist dem Antragsteller zugekommen ist. Trotz ihrer Verspätung kommt
jedoch der Vertrag zustande, wenn der Antragsteller erkennen mußte, daß die
Annahmeerklärung rechtzeitig abgesendet wurde, und gleichwohl seinen Rücktritt
dem andern nicht unverzüglich anzeigt.
§. 863. Man kann seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Worte und
allgemein angenommene Zeichen; sondern auch stillschweigend durch solche
Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen
Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen.
In bezug auf die Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen
ist auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht
zu nehmen.
§. 864. Ist eine ausdrückliche Erklärung der Annahme nach der Natur des
Geschäftes oder der Verkehrssitte nicht zu erwarten, so kommt der Vertrag
zustande, wenn dem Antrag innerhalb der hierfür bestimmten oder den Umständen
angemessenen Frist tatsächlich entsprochen worden ist.
Das Behalten, Verwenden oder Verbrauchen einer Sache, die dem Empfänger
ohne seine Veranlassung übersandt worden ist, gilt nicht als Annahme eines
Antrags. Der Empfänger ist nicht verpflichtet, die Sache zu verwahren oder
zurückzuleiten, er darf sich ihrer auch entledigen. Muß ihm jedoch nach den
Umständen auffallen, daß die Sache irrtümlich an ihn gelangt ist, so hat er in
angemessener Frist dies dem Absender mitzuteilen oder die Sache an den Absender
zurückzuleiten.
§. 864a. Bestimmungen ungewöhnlichen Inhaltes in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet
hat, werden nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind
und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren
Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte; es sei denn, der eine
Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen.
Erfordernisse eines gültigen Vertrages:
1) Fähigkeiten der Personen;
§. 865. Kinder unter sieben Jahren und Personen über sieben Jahre, die den
Gebrauch der Vernunft nicht haben, sind – außer in den Fällen des § 170 Abs. 3
– unfähig, ein Versprechen zu machen oder es anzunehmen. Andere Minderjährige
oder Personen, denen ein Sachwalter bestellt ist, können zwar ein bloß zu ihrem
Vorteil gemachtes Versprechen annehmen; wenn sie aber eine damit verknüpfte
Last übernehmen oder selbst etwas versprechen, hängt – außer in den Fällen des
§ 170 Abs. 3 und des § 280 Abs. 2 – die Gültigkeit des Vertrages nach den in
dem dritten und vierten Hauptstück des ersten Teiles gegebenen Vorschriften in
der Regel von der Einwilligung des Vertreters oder zugleich des Gerichtes ab.
Bis diese Einwilligung erfolgt, kann der andere Theil nicht zurücktreten, aber
eine angemessene Frist zur Erklärung verlangen.
§. 866. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 83, BGBl 2000/Nr. 135 –
Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.)
§. 867. Was zur Gültigkeit eines Vertrages mit einer unter der besondern
Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehenden Gemeinde, (§. 27.) oder ihren
einzelnen Gliedern und Stellvertretern erfordert werde, ist aus der Verfassung
derselben und den politischen Gesetzen zu entnehmen. (§. 290.)
§. 868. (Anm.: Aufgehoben durch § 5, RGBl 1867/Nr. 131.)
2) wahre Einwilligung.
§. 869. Die Einwilligung in einen Vertrag muß frey, ernstlich, bestimmt und
verständlich erkläret werden. Ist die Erklärung unverständlich; ganz
unbestimmt; oder erfolgt die Annahme unter andern Bestimmungen, als unter
welchen das Versprechen geschehen ist; so entsteht kein Vertrag. Wer sich, um
einen Andern zu bevortheilen, undeutlicher Ausdrücke bedient, oder ein
Scheinhandlung unternimmt, leistet Genugthuung.
§. 870. Wer von dem anderen Teile durch List oder durch ungerechte und
gegründete Furcht (§ 55) zu einem Vertrage veranlaßt worden, ist ihn zu halten
nicht verbunden.
§. 871. War ein Teil über den Inhalt der von ihm abgegebenen oder dem
anderen zugegangenen Erklärung in einem Irrtum befangen, der die Hauptsache
oder eine wesentliche Beschaffenheit derselben betrifft, worauf die Absicht
vorzüglich gerichtet und erklärt wurde, so entsteht für ihn keine
Verbindlichkeit, falls der Irrtum durch den anderen veranlaßt war, oder diesem
aus den Umständen offenbar auffallen mußte oder noch rechtzeitig aufgeklärt
wurde.
Ein Irrtum eines Teiles über einen Umstand, über den ihn der andere nach
geltenden Rechtsvorschriften aufzuklären gehabt hätte, gilt immer als Irrtum
über den Inhalt des Vertrages und nicht bloß als solcher über den
Bewegungsgrund oder den Endzweck (§ 901).
§. 872. Betrifft aber der Irrthum weder die Hauptsache, noch eine
wesentliche Beschaffenheit derselben, sondern einen Nebenumstand; so bleibt der
Vertrag, in so fern beyde Theile in den Hauptgegenstand gewilliget, und den
Nebenumstand nicht als vorzügliche Absicht erkläret haben, noch immer gültig:
allein dem Irregeführten ist von dem Urheber des Irrthumes die angemessene
Vergütung zu leisten.
§. 873. Eben diese Grundsätze sind auch auf den Irrthum in der Person
desjenigen, welchem ein Versprechen gemacht worden ist, anzuwenden; in so fern
ohne den Irrthum der Vertrag entweder gar nicht, oder doch nicht auf solche Art
errichtet worden wäre. Als Irrtum in der Person gilt jedenfalls der Irrtum über
das Vorhandensein einer erforderlichen verwaltungsrechtlichen Befugnis zur
Erbringung der Leistung.
§. 874. In jedem Falle muß derjenige, welcher einen Vertrag durch List oder
ungerechte Furcht bewirket hat, für die nachtheiligen Folgen Genugthuung
leisten.
§. 875. Ist einer der Vertragschließenden von einem Dritten durch List oder
durch ungerechte und gegründete Furcht zu einem Vertrage bewogen; oder zu einer
irrtümlichen Erklärung veranlaßt worden; so ist der Vertrag gültig. Nur in dem
Falle, daß der andere Teil an der Handlung des Dritten teilnahm oder von
derselben offenbar wissen mußte, kommen die §§ 870 bis 874 zur Anwendung.
§. 876. Die vorstehenden Bestimmungen (§§ 869 bis 875) finden entsprechende
Anwendung auf sonstige Willenserklärungen, welche einer anderen Person
gegenüber abzugeben sind.
§. 877. Wer die Aufhebung eines Vertrages aus Mangel der Einwilligung
verlangt, muß dagegen auch Alles zurückstellen, was es aus einem solchen
Vertrage zu seinem Vortheile erhalten hat.
3) Möglichkeit der Leistung.
§. 878. Was geradezu unmöglich ist, kann nicht Gegenstand eines gültigen
Vertrages werden. Ist Mögliches und Unmögliches zugleich bedungen, so bleibt
der Vertrag in ersterem Teile gültig, wenn anders aus dem Vertrage nicht
hervorgeht, daß kein Punkt von dem anderen abgesondert werden könne. Wer bei
Abschließung des Vertrages die Unmöglichkeit kannte oder kennen mußte, hat dem
anderen Teile, falls von diesem nicht dasselbe gilt, den Schaden zu ersetzen,
den er durch das Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages erlitten hat.
§. 879. Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten
Sitten verstößt, ist nichtig.
Insbesondere sind folgende Verträge nichtig:
1. wenn etwas für die Unterhandlung eines Ehevertrages bedungen wird;
1a. wenn etwas für die Vermittlung einer medizinisch unterstützten
Fortpflanzung bedungen wird;
2. wenn ein Rechtsfreund eine ihm anvertraute Streitsache ganz oder
teilweise an sich löst oder sich einen bestimmten Teil des Betrages versprechen
läßt, der der Partei zuerkannt wird;
3. wenn eine Erbschaft oder ein Vermächtnis, die man von einer dritten
Person erhofft, noch bei Lebzeiten derselben veräußert wird;
4. wenn jemand den Leichtsinn, die Zwangslage, Verstandesschwäche,
Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung eines anderen dadurch ausbeutet, daß er
sich oder einem Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder
gewähren läßt, deren Vermögenswert zu dem Werte der Leistung in auffallendem
Mißverhältnisse steht.
Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern
enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen
Hauptleistungen festlegt, ist jedenfalls nichtig, wenn sie unter
Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt.
§. 880. Wird der Gegenstand, worüber ein Vertrag geschlossen worden, vor
dessen Uebergabe dem Verkehre entzogen; so ist es eben so viel, als wenn man
den Vertrag nicht geschlossen hätte.
§. 880a. Hat jemand einem andern eine Leistung eines Dritten versprochen,
so gilt dies als Zusage seiner Verwendung bei dem Dritten; ist er aber für den
Erfolg eingestanden, so haftet er für volle Genugtuung, wenn die Leistung des
Dritten ausbleibt.
Verträge zugunsten Dritter
§. 881. Hat sich jemand eine Leistung an einen Dritten versprechen lassen,
so kann er fordern, daß an den Dritten geleistet werde.
Ob und in welchem Zeitpunkt auch der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt,
vom Versprechenden Erfüllung zu fordern, ist aus der Vereinbarung und der Natur
und dem Zwecke des Vertrages zu beurteilen. Im Zweifel erwirbt der Dritte
dieses Recht, wenn die Leistung hauptsächlich ihm zum Vorteile gereichen soll.
Das Recht auf die bei einer Gutsabtretung vom Übernehmer zugunsten eines
Dritten versprochenen Leistungen gilt mangels anderer Vereinbarungen dem
Dritten als mit der Übergabe des Gutes erworben.
§. 882. Weist der Dritte das aus dem Vertrag erworbene Recht zurück, so
gilt das Recht als nicht erworben.
Einwendungen aus dem Vertrage stehen dem Versprechenden auch gegen den
Dritten zu.
Form der Verträge.
§. 883. Ein Vertrag kann mündlich oder schriftlich; vor Gericht oder
außerhalb desselben; mit oder ohne Zeugen errichtet werden. Diese
Verschiedenheit der Form macht, außer den im Gesetze bestimmten Fällen, in
Ansehung der Verbindlichkeit keinen Unterschied.
§. 884. Haben die Parteien für einen Vertrag die Anwendung einer bestimmten
Form vorbehalten, so wird vermutet, daß sie vor Erfüllung dieser Form nicht
gebunden sein wollen.
§. 885. Ist zwar noch nicht die förmliche Urkunde, aber doch ein Aufsatz
über die Hauptpunkte errichtet und von den Parteien unterfertigt worden
(Punktation), so gründet auch schon ein solcher Aufsatz diejenigen Rechte und
Verbindlichkeiten, welche darin ausgedrückt sind.
§. 886. Ein Vertrag, für den Gesetz oder Parteiwille Schriftlichkeit
bestimmt, kommt durch die Unterschrift der Parteien oder, falls sie des
Schreibens unkundig oder wegen Gebrechens unfähig sind, durch Beisetzung ihres
gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichens oder Beisetzung des
Handzeichens vor zwei Zeugen, deren einer den Namen der Partei unterfertigt,
zustande. Der schriftliche Abschluß des Vertrages wird durch gerichtliche oder
notarielle Beurkundung ersetzt. Eine Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift
auf mechanischem Wege ist nur da genügend, wo sie im Geschäftsverkehr üblich
ist.
§. 887. (Anm.: Aufgehoben durch § 95, RGBl 1916/Nr. 69 - Dritte
Teilnovelle.)
Gemeinschaftliche Verbindlichkeit oder Berechtigung.
§. 888. Wenn zwey oder mehrere Personen jemanden eben dasselbe Recht zu
einer Sache versprechen, oder es von ihm annehmen; so wird sowohl die
Forderung, als die Schuld nach den Grundsätzen der Gemeinschaft des Eigenthumes
getheilt.
§. 889. Außer den in dem Gesetze bestimmten Fällen haftet also aus mehrern
Mitschuldnern einer theilbaren Sache jeder nur für seinen Antheil, und eben so
muß von mehrern Mitgenossen einer theilbaren Sache, jeder sich mit dem ihm
gebührenden Theile begnügen.
§. 890. Betrifft es hingegen untheilbare Sachen; so kann ein Gläubiger,
wenn er der einzige ist, solche von einem jeden Mitschuldner fordern. Wenn aber
mehrere Gläubiger und nur Ein Schuldner da sind; so ist dieser die Sache einem
einzelnen Mitgläubiger, ohne Sicherstellung heraus zu geben, nicht
verpflichtet; er kann auf die Uebereinkunft aller Mitgläubiger dringen, oder
die gerichtliche Verwahrung der Sache verlangen.
Correalität.
§. 891. Versprechen mehrere Personen ein und dasselbe Ganze zur
ungetheilten Hand dergestalt, daß sich Einer für Alle, und Alle für Einen
ausdrücklich verbinden; so haftet jede einzelne Person für das Ganze. Es hängt
dann von dem Gläubiger ab, ob er von allen, oder von einigen Mitschuldnern das
Ganze, oder nach von ihm gewählten Antheilen, oder ob er es von einem Einzigen
fordern wolle. Selbst nach erhobener Klage bleibt ihm, wenn er von derselben
absteht, diese Wahl vorbehalten; und, wenn er von einem oder dem andern
Mitschuldner nur zum Theile befriediget wird; so kann er das Rückständige von
den übrigen fordern.
§. 892. Hat hingegen einer mehrern Personen eben dasselbe Ganze zugesagt,
und sind diese ausdrücklich berechtiget worden, es zur ungetheilten Hand
fordern zu können; so muß der Schuldner das Ganze demjenigen dieser Gläubiger
entrichten, der ihn zuerst darum angeht.
§. 893. Sobald ein Mitschuldner dem Gläubiger das Ganze entrichtet hat,
darf dieser von den übrigen Mitschuldnern nichts mehr fordern; und sobald ein
Mitgläubiger von dem Schuldner ganz befriediget worden ist, haben die übrigen
Mitgläubiger keinen Anspruch mehr.
§. 894. Ein Mitschuldner kann dadurch, daß er mit dem Gläubiger lästigere
Bedingungen eingeht, den übrigen keinen Nachtheil zuziehen, und die Nachsicht
oder Befreyung, welche ein Mitschuldner für seine Person erhält, kommt den
übrigen nicht zu Statten.
§. 895. Wie weit aus mehrern Mitgläubigern, welchen eben dasselbe Ganze zur
ungetheilten Hand zugesagt worden ist, derjenige, welcher die ganze Forderung
für sich erhalten hat, den übrigen Gläubigern hafte, muß aus den besondern,
zwischen den Mitgläubigern bestehenden, rechtlichen Verhältnissen bestimmt
werden. Besteht kein solches Verhältniß; so ist einer dem andern keine
Rechenschaft schuldig.
§. 896. Ein Mitschuldner zur ungetheilten Hand, welcher die ganze Schuld
aus dem Seinigen abgetragen hat, ist berechtiget, auch ohne geschehene
Rechtsabtretung, von den übrigen den Ersatz, und zwar, wenn kein anderes
besonderes Verhältniß unter ihnen besteht, zu gleichen Theilen zu fordern. War
einer aus ihnen unfähig, sich zu verpflichten, oder ist er unvermögend, seiner
Verpflichtung Genüge zu leisten; so muß ein solcher ausfallender Antheil
ebenfalls von allen Mitverpflichteten übernommen werden. Die erhaltene
Befreyung eines Mitverpflichteten kann den übrigen bey der Forderung des
Ersatzes nicht nachtheilig seyn. (§. 894.)
Nebenbestimmungen bey Verträgen:
1) Bedingungen;
§. 897. In Ansehung der Bedingungen bey Verträgen gelten überhaupt die
nähmlichen Vorschriften, welche über die den Erklärungen des letzten Willens
beygesetzten Bedingungen aufgestellt worden sind.
§. 898. Verabredungen unter solchen Bedingungen, welche bey einem letzten
Willen für nicht beigesetzt angesehen werden, sind ungültig.
§. 899. Ist die in einem Vertrage vorgeschriebene Bedingung schon vor dem
Vertrage eingetroffen; so muß sie nach dem Vertrage nur dann wiederhohlet
werden, wenn sie in einer Handlung dessen, der das Recht erwerben soll, besteht
und von ihm wiederhohlet werden kann.
2) Bewegungsgrund;
§. 900. Ein unter einer aufschiebenden Bedingung zugesagtes Recht geht auch
auf die Erben über.
§. 901. Haben die Parteyen den Bewegungsgrund, oder den Endzweck ihrer
Einwilligung ausdrücklich zur Bedingung gemacht; so wird der Bewegungsgrund
oder Endzweck wie eine andere Bedingung angesehen. Außer dem haben dergleichen
Aeußerungen auf die Gültigkeit entgeldlicher Verträge keinen Einfluß. Bey den
unentgeldlichen aber sind die bey den letzten Anordnungen gegebenen
Vorschriften anzuwenden.
3) Zeit, Ort und Art der Erfüllung;
§. 902. Eine durch Vertrag oder Gesetz bestimmte Frist ist vorbehaltlich anderer
Festsetzung so zu berechnen, daß bei einer nach Tagen bestimmten Frist der Tag
nicht mitgezählt wird, in welchen das Ereignis fällt, von dem der Fristenlauf
beginnt.
Das Ende einer nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmten Frist fällt auf
denjenigen Tag der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach seiner
Benennung oder Zahl dem Tage des Ereignisses entspricht, mit dem der Lauf der
Frist beginnt, wenn aber dieser Tag in dem letzten Monat fehlt, auf den letzten
Tag dieses Monats.
Unter einem halben Monate sind fünfzehn Tage zu verstehen, unter der Mitte
eines Monats der fünfzehnte dieses Monats.
§. 903. Ein Recht, dessen Erwerbung an einen bestimmten Tag gebunden ist,
wird mit dem Anfang dieses Tages erworben. Die Rechtsfolgen der Nichterfüllung
einer Verbindlichkeit oder eines Versäumnisses treten erst mit dem Ablauf des
letzten Tages der Frist ein. Fällt der für die Abgabe einer Erklärung oder für
eine Leistung bestimmte letzte Tag auf einen Sonntag oder anerkannten Feiertag,
so tritt an dessen Stelle, vorbehaltlich gegenteiliger Vereinbarung, der
nächstfolgende Werktag.
§. 904. Ist keine gewisse Zeit für die Erfüllung des Vertrages bestimmt
worden; so kann sie sogleich, nähmlich ohne unnöthigen Aufschub, gefordert
werden. Hat der Verpflichtete die Erfüllungszeit seiner Willkühr vorbehalten;
so muß man entweder seinen Tod abwarten, und sich an die Erben halten; oder,
wenn es um eine bloß persönliche, nicht vererbliche, Pflicht zu thun ist, die
Erfüllungszeit von dem Richter nach Billigkeit festsetzen lassen. Letzteres
findet auch dann Statt, wenn der Verpflichtete die Erfüllung, nach Möglichkeit,
oder Thunlichkeit versprochen hat. Uebrigens müssen die Vorschriften, welche
oben (§§. 704-706) in Rücksicht der den letzten Anordnungen beygerückten
Zeitbestimmung gegeben werden, auch hier angewendet werden.
§. 905. Kann der Erfüllungsort weder aus der Verabredung noch aus der Natur
oder dem Zwecke des Geschäftes bestimmt werden, so ist an dem Orte zu leisten,
wo der Schuldner zur Zeit des Vertragsabschlusses seinen Wohnsitz hatte, oder,
wenn die Verbindlichkeit im Betriebe des gewerblichen oder geschäftlichen
Unternehmens des Schuldners entstand, am Orte der Niederlassung. Für das Maß
und das Gewicht ist der Ort der Erfüllung maßgeblich.
Aus der Übernahme der Kosten der Versendung durch den Schuldner allein
folgt noch nicht, dass der Ort, an den die Versendung zu erfolgen hat, für den
Schuldner als Erfüllungsort zu gelten hat.
Die Gefahr für eine mit Willen des Gläubigers an einen anderen Ort als den
Erfüllungsort übersendete Sache geht mit dem Zeitpunkt der Übergabe (§ 429) an
den Gläubiger über.
§. 905a. Wird eine nur der Gattung nach bestimmte Sache geschuldet, so ist
diese in mittlerer Art und Güte zu leisten.
§. 906. Kann das Versprechen auf mehrere Arten erfüllt werden, so hat der
Schuldner die Wahl. Er kann aber von der einmal getroffenen Wahl für sich
allein nicht abgehen.
Hat der Gläubiger die Wahl und ist er mit ihr in Verzug, so kann der
Schuldner die Wahl an Stelle des Gläubigers treffen oder nach den §§ 918 und
919 vorgehen. Wenn er die Wahl an Stelle des Gläubigers trifft, hat er diesen
davon zu verständigen und ihm zugleich eine angemessene Frist zur Vornahme
einer anderen Wahl zu setzen. Trifft der Gläubiger keine solche Wahl, so ist die
Wahl des Schuldners maßgebend. In jedem Fall gebührt dem Schuldner der Ersatz
des Schadens.
§. 907. Wird ein Vertrag ausdrücklich mit Vorbehalt der Wahl geschlossen,
und dieselbe durch zufälligen Untergang eines oder mehrerer Wahlstücke
vereitelt; so ist der Theil, dem die Wahl zusteht, an den Vertrag nicht
gebunden. Unterläuft aber ein Verschulden des Verpflichteten; so muß er dem
Berechtigten für die Vereitlung der Wahl haften.
§. 907a. Eine Geldschuld ist am Wohnsitz oder an der Niederlassung des
Gläubigers zu erfüllen, indem der Geldbetrag dort übergeben oder auf ein vom
Gläubiger bekanntgegebenes Bankkonto überwiesen wird. Haben sich nach der
Entstehung der Forderung der Wohnsitz oder die Niederlassung des Gläubigers
oder dessen Bankverbindung geändert, so trägt der Gläubiger eine dadurch
bewirkte Erhöhung der Gefahr und der Kosten für die Erfüllung.
Wird eine Geldschuld durch Banküberweisung erfüllt, so hat der Schuldner
den Überweisungsauftrag so rechtzeitig zu erteilen, dass der geschuldete Betrag
bei Fälligkeit auf dem Konto des Gläubigers wertgestellt ist. Wenn der
Fälligkeitstermin nicht schon im Vorhinein bestimmt ist, sondern die Fälligkeit
erst durch Erbringung der Gegenleistung, Rechnungsstellung,
Zahlungsaufforderung oder einen gleichartigen Umstand ausgelöst wird, hat der
Schuldner den Überweisungsauftrag ohne unnötigen Aufschub nach Eintritt des für
die Fälligkeit maßgeblichen Umstands zu erteilen. Der Schuldner trägt die
Gefahr für die Verzögerung oder das Unterbleiben der Gutschrift auf dem Konto
des Gläubigers, soweit die Ursache dafür nicht beim Bankinstitut des Gläubigers
liegt.
§. 907b. Ist eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld im
Inland zu zahlen, so kann die Zahlung in inländischer Währung erfolgen, es sei
denn, dass die Zahlung in ausländischer Währung ausdrücklich bedungen worden
ist.
Die Umrechnung erfolgt nach dem zur Zeit der Zahlung am Zahlungsort
maßgeblichen Kurswert. Wenn der Schuldner die Zahlung verzögert, hat der
Gläubiger die Wahl zwischen dem bei Fälligkeit und dem zur Zeit der Zahlung
maßgeblichen Kurswert.
4) Angeld;
§. 908. Was bey Abschließung eines Vertrages voraus gegeben wird, ist,
außer dem Falle einer besondern Verabredung, nur als ein Zeichen der
Abschließung, oder als eine Sicherstellung für die Erfüllung des Vertrages zu
betrachten, und heißt Angeld. Wird der Vertrag durch Schuld einer Partey nicht
erfüllet; so kann die schuldlose Partey das von ihr empfangene Angeld behalten,
oder den doppelten Betrag des von ihr gegebenen Angeldes zurückfordern. Will
sie sich aber damit nicht begnügen, so kann sie auf die Erfüllung; oder, wenn
diese nicht mehr möglich ist, auf den Ersatz dringen.
5) Reugeld;
§. 909. Wird bey Schließung eines Vertrages ein Betrag bestimmt, welchen ein
oder der andere Theil in dem Falle, daß er von dem Vertrage vor der Erfüllung
zurücktreten will, entrichten muß; so wird der Vertrag gegen Reugeld
geschlossen. In diesem Falle muß entweder der Vertrag erfüllt, oder das Reugeld
bezahlet werden. Wer den Vertrag auch nur zum Theile erfüllet; oder das, was
von dem Andern auch nur zum Theile zur Erfüllung geleistet worden ist,
angenommen hat, kann selbst gegen Entrichtung des Reugeldes nicht mehr
zurücktreten.
§. 910. Wenn ein Angeld gegeben, und zugleich das Befugniß des Rücktrittes
ohne Bestimmung eines besondern Reugeldes bedungen wird; so vertritt das Angeld
die Stelle des Reugeldes. Im Falle des Rücktrittes verliert also der Geber das
Angeld; oder der Empfänger stellt das Doppelte zurück.
§. 911. Wer nicht durch bloßen Zufall, sondern durch sein Verschulden an
der Erfüllung des Vertrages verhindert wird, muß ebenfalls das Reugeld
entrichten.
6) Nebengebühren.
§. 912. Der Gläubiger ist von seinem Schuldner außer der Hauptschuld
zuweilen auch Nebengebühren zu fordern berechtiget. Sie bestehen in dem
Zuwachse, und in den Früchten der Hauptsache; in den bestimmten oder in den
Zögerungs-Zinsen; oder in dem Ersatze des verursachten Schadens; oder dessen,
was dem Andern daran liegt, daß die Verbindlichkeit nicht gehörig erfüllet
worden; endlich in dem Betrage, welchen ein Theil sich auf diesen Fall bedungen
hat.
§. 913. In wie weit mit einem dinglichen Rechte das Recht auf den Zuwachs,
oder auf die Früchte verbunden sey, ist in dem ersten und vierten Hauptstücke des
zweyten Theiles bestimmet worden. Wegen eines bloß persönlichen Rechtes hat der
Berechtigte noch keinen Anspruch auf Nebengebühren. In wie weit dem Gläubiger
ein Recht auf diese zukomme, ist theils aus den besondern Arten und
Bestimmungen der Verträge; theils aus dem Hauptstücke, von dem Rechte des
Schadenersatzes und der Genugthuung, zu entnehmen.
Auslegungsregeln bey Verträgen.
§. 914. Bei Auslegung von Verträgen ist nicht an dem buchstäblichen Sinne
des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der
Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht.
§. 915. Bey einseitig verbindlichen Verträgen wird im Zweifel angenommen,
daß sich der Verpflichtete eher die geringere als die schwerere Last auflegen
wollte; bey zweyseitig verbindlichen wird eine undeutliche Aeußerung zum
Nachtheile desjenigen erkläret, der sich derselben bedienet hat. (§. 869.)
§. 916. Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber mit dessen
Einverständnis zum Schein abgegeben wird, ist nichtig. Soll dadurch ein anderes
Geschäft verborgen werden, so ist dieses nach seiner wahren Beschaffenheit zu
beurteilen.
Einem Dritten, der im Vertrauen auf die Erklärung Rechte erworben hat, kann
die Einrede des Scheingeschäftes nicht entgegengesetzt werden.
Allgemeine Bestimmungen über entgeltliche Verträge und Geschäfte
§. 917. Bei einem entgeltlichen Vertrage werden entweder Sachen mit Sachen,
oder Handlungen, worunter auch die Unterlassungen gehören, mit Handlungen, oder
endlich Sachen mit Handlungen und Handlungen mit Sachen vergolten.
§. 917a. Ist zum Schutz eines Vertragspartners gesetzlich bestimmt, daß
kein höheres oder kein niedrigeres als ein bestimmtes Entgelt vereinbart werden
darf, so ist eine Entgeltvereinbarung soweit unwirksam, als sie dieses
Höchstmaß über- beziehungsweise dieses Mindestmaß unterschreitet. Im zweiten
Fall gilt das festgelegte Mindestentgelt als vereinbart.
§. 918. Wenn ein entgeltlicher Vertrag von einem Teil entweder nicht zur
gehörigen Zeit, am gehörigen Ort oder auf die bedungene Weise erfüllt wird,
kann der andere entweder Erfüllung und Schadenersatz wegen der Verspätung
begehren oder unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung den
Rücktritt vom Vertrag erklären.
Ist die Erfüllung für beide Seiten teilbar, so kann wegen Verzögerung einer
Teilleistung der Rücktritt nur hinsichtlich der einzelnen oder auch aller noch
ausstehenden Teilleistungen erklärt werden.
§. 919. Ist die Erfüllung zu einer festbestimmten Zeit oder binnen einer
festbestimmten Frist bei sonstigem Rücktritt bedungen, so muß der
Rücktrittsberechtigte, wenn er auf der Erfüllung bestehen will, das nach Ablauf
der Zeit dem andern ohne Verzug anzeigen; unterläßt er dies, so kann er später
nicht mehr auf der Erfüllung bestehen. Dasselbe gilt, wenn die Natur des
Geschäftes oder der dem Verpflichteten bekannte Zweck der Leistung entnehmen
läßt, daß die verspätete Leistung oder, im Falle der Verspätung einer
Teilleistung, die noch übrigen Leistungen für den Empfänger kein Interesse
haben.
§. 920. Wird die Erfüllung durch Verschulden des Verpflichteten oder einen
von ihm zu vertretenden Zufall vereitelt, so kann der andere Teil entweder
Schadenersatz wegen Nichterfüllung fordern oder vom Vertrage zurücktreten. Bei
teilweiser Vereitlung steht ihm der Rücktritt zu, falls die Natur des
Geschäftes oder der dem Verpflichteten bekannte Zweck der Leistung entnehmen
läßt, daß die teilweise Erfüllung für ihn kein Interesse hat.
§. 921. Der Rücktritt vom Vertrage läßt den Anspruch auf Ersatz des durch verschuldete
Nichterfüllung verursachten Schadens unberührt. Das bereits empfangene Entgelt
ist auf solche Art zurückzustellen oder zu vergüten, daß kein Teil aus dem
Schaden des anderen Gewinn zieht.
Gewährleistung
§. 922. Wer einem anderen eine Sache gegen Entgelt überlässt, leistet
Gewähr, dass sie dem Vertrag entspricht. Er haftet also dafür, dass die Sache
die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat, dass sie
seiner Beschreibung, einer Probe oder einem Muster entspricht und dass sie der
Natur des Geschäftes oder der getroffenen Verabredung gemäß verwendet werden
kann.
Ob die Sache dem Vertrag entspricht, ist auch danach zu beurteilen, was der
Übernehmer auf Grund der über sie gemachten öffentlichen Äußerungen des
Übergebers oder des Herstellers, vor allem in der Werbung und in den der Sache
beigefügten Angaben, erwarten kann; das gilt auch für öffentliche Äußerungen
einer Person, die die Sache in den Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt hat
oder die sich durch die Anbringung ihres Namens, ihrer Marke oder eines anderen
Kennzeichens an der Sache als Hersteller bezeichnet. Solche öffentlichen
Äußerungen binden den Übergeber jedoch nicht, wenn er sie weder kannte noch
kennen konnte, wenn sie beim Abschluss des Vertrags berichtigt waren oder wenn
sie den Vertragsabschluss nicht beeinflusst haben konnten.
Fälle der Gewährleistung.
§. 923. Wer also der Sache Eigenschaften beylegt, die sie nicht hat, und
die ausdrücklich oder vermöge der Natur des Geschäftes stillschweigend bedungen
worden sind; wer ungewöhnliche Mängel, oder Lasten derselben verschweigt; wer
eine nicht mehr vorhandene, oder eine fremde Sache als die seinige veräußert;
wer fälschlich vorgibt, daß die Sache zu einem bestimmten Gebrauche tauglich;
oder daß sie auch von den gewöhnlichen Mängeln und Lasten frey sey; der hat,
wenn das Widerspiel hervorkommt, dafür zu haften.
Vermutung der Mangelhaftigkeit
§. 924. Der Übergeber leistet Gewähr für Mängel, die bei der Übergabe
vorhanden sind. Dies wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, wenn der
Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe hervorkommt. Die Vermutung
tritt nicht ein, wenn sie mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar
ist.
§. 925. Durch Verordnung wird bestimmt, inwiefern die Vermutung eintritt,
daß ein Tier schon vor der Übergabe krank gewesen ist, wenn innerhalb
bestimmter Fristen gewisse Krankheiten und Mängel hervorkommen.
§. 926. Von der rechtlichen Vermutung, daß der Mangel schon vor der
Übergabe des Tieres vorhanden war, kann aber der Übernehmer nur dann Gebrauch
machen, wenn er dem Übergeber oder in dessen Abwesenheit dem Gemeindevorsteher
sogleich von dem bemerkten Fehler Nachricht gibt oder das Tier durch einen
Sachverständigen untersuchen läßt oder die gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung
des Beweises beantragt.
§. 927. Vernachlässigt der Übernehmer diese Vorsicht, so liegt ihm der
Beweis ob, daß das Tier schon vor der Übergabe mangelhaft war. Immer steht aber
auch dem Übergeber der Beweis offen, daß der gerügte Mangel erst nach der Übergabe
eingetreten sei.
§. 928. Fallen die Mängel einer Sache in die Augen oder sind die auf der
Sache haftenden Lasten aus den öffentlichen Büchern zu ersehen, so findet außer
dem Falle arglistigen Verschweigens des Mangels oder einer ausdrücklichen Zusage,
daß die Sache von allen Fehlern und Lasten frei sei, keine Gewährleistung statt
(§ 443). Schulden und Rückstände, welche auf der Sache haften, müssen stets
vertreten werden.
§. 929. Wer eine fremde Sache wissentlich an sich bringt, hat eben so wenig
Anspruch auf eine Gewährleistung, als derjenige, welcher ausdrücklich darauf
Verzicht gethan hat.
§. 930. Werden Sachen in Pausch und Bogen, nähmlich so, wie sie stehen und
liegen, ohne Zahl, Maß und Gewicht übergeben; so ist der Uebergeber, außer dem
Falle, daß eine von ihm fälschlich vorgegebene, oder von dem Empfänger
bedungene Beschaffenheit mangelt, für die daran entdeckten Fehler nicht
verantwortlich.
Bedingung der Gewährleistung.
§. 931. Wenn der Übernehmer wegen eines von einem Dritten auf die Sache erhobenen
Anspruches von der Gewährleistung Gebrauch machen will, so muß er seinem
Vormann den Streit verkündigen. Unterläßt er dies, so verliert er zwar noch
nicht das Recht der Schadloshaltung, aber sein Vormann kann ihm alle wider den
Dritten unausgeführt gebliebenen Einwendungen entgegensetzen und sich dadurch
von der Entschädigung in dem Maße befreien, als erkannt wird, daß diese
Einwendungen, wenn von ihnen der gehörige Gebrauch gemacht worden wäre, eine
andere Entscheidung gegen den Dritten veranlaßt haben würden.
Rechte aus der Gewährleistung
§. 932. Der Übernehmer kann wegen eines Mangels die Verbesserung
(Nachbesserung oder Nachtrag des Fehlenden), den Austausch der Sache, eine
angemessene Minderung des Entgelts (Preisminderung) oder die Aufhebung des
Vertrags (Wandlung) fordern.
Zunächst kann der Übernehmer nur die Verbesserung oder den Austausch der
Sache verlangen, es sei denn, dass die Verbesserung oder der Austausch
unmöglich ist oder für den Übergeber, verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem
unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Ob dies der Fall ist, richtet
sich auch nach dem Wert der mangelfreien Sache, der Schwere des Mangels und den
mit der anderen Abhilfe für den Übernehmer verbundenen Unannehmlichkeiten.
Die Verbesserung oder der Austausch ist in angemessener Frist und mit
möglichst geringen Unannehmlichkeiten für den Übernehmer zu bewirken, wobei die
Art der Sache und der mit ihr verfolgte Zweck zu berücksichtigen sind.
Sind sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich oder für den
Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden, so hat der
Übernehmer das Recht auf Preisminderung oder, sofern es sich nicht um einen
geringfügigen Mangel handelt, das Recht auf Wandlung. Dasselbe gilt, wenn der
Übergeber die Verbesserung oder den Austausch verweigert oder nicht in
angemessener Frist vornimmt, wenn diese Abhilfen für den Übernehmer mit
erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wären oder wenn sie ihm aus triftigen,
in der Person des Übergebers liegenden Gründen unzumutbar sind.
§. 932a. Während des Rechtsstreites über die Aufhebung des Vertrages wegen
eines Viehmangels hat das Gericht auf Antrag einer der Parteien, sobald die
Besichtigung nicht mehr erforderlich ist, durch einstweilige Verfügung den
gerichtlichen Verkauf des Tieres und die gerichtliche Hinterlegung des Erlöses
anzuordnen.
Verjährung
§. 933. Das Recht auf die Gewährleistung muss, wenn es unbewegliche Sachen
betrifft, binnen drei Jahren, wenn es bewegliche Sachen betrifft, binnen zwei
Jahren gerichtlich geltend gemacht werden. Die Frist beginnt mit dem Tag der
Ablieferung der Sache, bei Rechtsmängeln aber erst mit dem Tag, an dem der
Mangel dem Übernehmer bekannt wird. Die Parteien können eine Verkürzung oder
Verlängerung dieser Frist vereinbaren.
Bei Viehmängeln beträgt die Frist sechs Wochen. Sie beginnt bei Mängeln,
für die eine Vermutungsfrist besteht, erst nach deren Ablauf.
In jedem Fall bleibt dem Übernehmer die Geltendmachung durch Einrede
vorbehalten, wenn er innerhalb der Frist dem Übergeber den Mangel anzeigt.
Schadenersatz
§. 933a. Hat der Übergeber den Mangel verschuldet, so kann der Übernehmer
auch Schadenersatz fordern.
Wegen des Mangels selbst kann der Übernehmer auch als Schadenersatz
zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch verlangen. Er kann jedoch
Geldersatz verlangen, wenn sowohl die Verbesserung als auch der Austausch
unmöglich ist oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand
verbunden wäre. Dasselbe gilt, wenn der Übergeber die Verbesserung oder den
Austausch verweigert oder nicht in angemessener Frist vornimmt, wenn diese
Abhilfen für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wären
oder wenn sie ihm aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen
unzumutbar sind.
Nach Ablauf von zehn Jahren ab der Übergabe der Sache obliegt für einen
Ersatzanspruch wegen der Mangelhaftigkeit selbst und wegen eines durch diese
verursachten weiteren Schadens dem Übernehmer der Beweis des Verschuldens des
Übergebers.
Besonderer Rückgriff
§. 933b. Hat ein Unternehmer einem Verbraucher Gewähr geleistet, so kann er
von seinem Vormann, wenn auch dieser Unternehmer ist, auch nach Ablauf der
Fristen des § 933 die Gewährleistung fordern. Dasselbe gilt für frühere
Übergeber im Verhältnis zu ihren Vormännern, wenn sie selbst wegen der
Gewährleistungsrechte des letzten Käufers ihrem Nachmann Gewähr geleistet
haben. Der Anspruch ist mit der Höhe des eigenen Aufwandes beschränkt.
Ansprüche nach Abs. 1 sind innerhalb von zwei Monaten ab Erfüllung der
eigenen Gewährleistungspflicht gerichtlich geltend zu machen. Die Haftung eines
Rückgriffspflichtigen verjährt jedenfalls in fünf Jahren nach Erbringung seiner
Leistung. Die Frist wird durch eine Streitverkündigung für die Dauer des
Rechtsstreits gehemmt.
Schadloshaltung wegen Verkürzung über die Hälfte.
§. 934. Hat bey zweyseitig verbindlichen Geschäften ein Theil nicht einmahl
die Hälfte dessen, was er dem andern gegeben hat, von diesem an dem gemeinen
Werthe erhalten; so räumt das Gesetz dem verletzten Theile das Recht ein, die
Aufhebung und die Herstellung in den vorigen Stand zu fordern. Dem andern
Theile steht aber bevor, das Geschäft dadurch aufrecht zu erhalten, daß er den
Abgang bis zum gemeinen Werthe zu ersetzen bereit ist. Das Mißverhältniß des
Werthes wird nach dem Zeitpuncte des geschlossenen Geschäftes bestimmt.
§. 935. Die Anwendung des § 934 kann vertraglich nicht ausgeschlossen
werden; er ist jedoch dann nicht anzuwenden, wenn jemand erklärt hat, die Sache
aus besonderer Vorliebe um einen außerordentlichen Werth zu übernehmen; wenn
er, obgleich ihm der wahre Werth bekannt war, sich dennoch zu dem
unverhältnißmäßigen Werthe verstanden hat; ferner, wenn aus dem Verhältnisse
der Personen zu vermuthen ist, daß sie einen, aus einem entgeldlichen und
unentgeldlichen vermischten, Vertrag schließen wollten; wenn sich der
eigentliche Werth nicht mehr erheben läßt; endlich wenn die Sache von dem
Gerichte versteigert worden ist.
Von der Verabredung eine künftigen Vertrages.
§. 936. Die Verabredung, künftig erst einen Vertrag schließen zu wollen,
ist nur dann verbindlich, wenn sowohl die Zeit der Abschließung, als die
wesentlichen Stücke des Vertrages bestimmt, und die Umstände inzwischen nicht
dergestalt verändert worden sind, daß dadurch der ausdrücklich bestimmte, oder
aus den Umständen hervorleuchtende Zweck vereitelt, oder das Zutrauen des einen
oder andern Theiles verloren wird. Ueberhaupt muß auf die Vollziehung solcher
Zusagen längstens in einem Jahre nach dem bedungenen Zeitpuncte gedrungen werden;
widrigen Falls ist das Recht erloschen.
Von dem Verzicht auf Einwendungen.
§. 937. Allgemeine, unbestimmte Verzichtleistungen auf Einwendungen gegen
die Gültigkeit eines Vertrages sind ohne Wirkung.
Achtzehntes Hauptstück.
Von Schenkungen.
Schenkung.
§. 938. Ein Vertrag, wodurch eine Sache jemanden unentgeldlich überlassen
wird, heißt eine Schenkung.
In wie fern eine Verzichtleistung eine Schenkung sey.
§. 939. Wer auf ein gehofftes, oder wirklich angefallenes, oder
zweifelhaftes Recht Verzicht thut, ohne es einem Andern ordentlich abzutreten,
oder dasselbe dem Verpflichteten mit dessen Einwilligung zu erlassen, ist für
keinen Geschenkgeber anzusehen.
Belohnende Schenkung.
§. 940. Es verändert die Wesenheit der Schenkung nicht, wenn sie aus
Erkenntlichkeit; oder in Rücksicht auf die Verdienste des Beschenkten; oder als
eine besondere Belohnung desselben gemacht worden ist; nur darf er vorher kein
Klagerecht darauf gehabt haben.
§. 941. Hat der Beschenkte ein Klagerecht auf die Belohnung gehabt,
entweder, weil sie unter den Parteyen schon bedungen, oder durch das Gesetz
vorgeschrieben war; so hört das Geschäft auf, eine Schenkung zu seyn, und ist
als ein entgeldlicher Vertrag anzusehen.
Wechselseitige Schenkungen.
§. 942. Sind Schenkungen vorher dergestalt bedungen, das der Schenkende
wieder beschenkt werden muß; so entsteht keine wahre Schenkung im Ganzen;
sondern nur in Ansehung des übersteigenden Werthes.
Form des Schenkungsvertrages,
§. 943. Aus einem bloß mündlichen, ohne wirkliche Uebergabe geschlossenen
Schenkungsvertrage erwächst dem Geschenknehmer kein Klagerecht. Dieses Recht
muß durch eine schriftliche Urkunde begründet werden.
und Maß einer Schenkung.
§. 944. Ein unbeschränkter Eigenthümer kann mit Beobachtung der
gesetzlichen Vorschriften auch sein ganzes gegenwärtiges Vermögen verschenken.
Ein Vertrag aber, wodurch das künftige Vermögen verschenket wird, besteht nur
in so weit, als er die Hälfte diese Vermögens nicht übersteigt.
In wie fern der Geber für das Geschenkte hafte.
§. 945. Wer wissentlich eine fremde Sache verschenkt, und dem
Geschenknehmer diesen Umstand verschweigt, haftet für die nachtheiligen Folgen.
Unwiderruflichkeit der Schenkungen.
§. 946. Schenkungsverträge dürfen in der Regel nicht widerrufen werden.
Ausnahmen:
1) wegen Dürftigkeit;
§. 947. Geräth der Geschenkgeber in der Folge in solche Dürftigkeit, daß es
ihm an dem nöthigen Unterhalte gebricht; so ist er befugt, jährlich von dem
geschenkten Betrage die gesetzlichen Zinsen, in so weit die geschenkte Sache,
oder derselben Werth noch vorhanden ist, und ihm der nöthige Unterhalt mangelt,
von dem Beschenkten zu fordern, wenn sich anders dieser nicht selbst in gleich
dürftigen Umständen befindet. Aus mehrern Geschenknehmern ist der frühere nur
in so weit verbunden, als die Beyträge der spätern zum Unterhalte nicht
zureichen.
2) Undanks;
§. 948. Wenn der Beschenkte sich gegen seinen Wohlthäter eines groben
Undankes schuldig macht, kann die Schenkung widerrufen werden. Unter groben
Undanke wird eine Verletzung am Leibe, an Ehre, an Freyheit, oder am Vermögen
verstanden, welche von der Art ist, daß gegen den Verletzer von Amts wegen,
oder auf Verlangen des Verletzten nach dem Strafgesetze verfahren werden kann.
§. 949. Der Undank macht den Undankbaren für seine Person zum unredlichen Besitzer,
und gibt selbst dem Erben, des Verletzten, in so fern der letztere den Undank
nicht verziehen hat, und noch etwas von dem Geschenke in Natur oder Werthe
vorhanden ist, ein Recht zur Widerrufungsklage auch gegen den Erben des
Verletzers.
3) Verkürzung des schuldigen Unterhalts;
§. 950. Wer jemanden den Unterhalt zu reichen schuldig ist, kann dessen
Recht durch Beschenkung eines Dritten nicht verletzen. Der auf solche Art
Verkürzte ist befugt, den Beschenkten um die Ergänzung desjenigen zu belangen, was
ihm der Schenkende nun nicht mehr zu leisten vermag. Bey mehrern
Geschenknehmern ist die obige (§. 947.) Vorschrift anzuwenden.
§. 951. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 36, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
§. 952. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 36, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
5) der Gläubiger;
§. 953. Unter eben dieser (§. 952.) Beschränkung können auch diejenigen
Geschenke zurückgefordert werden, wodurch die zur Zeit der Schenkung schon
vorhandenen Gläubiger verkürzt worden sind. Auf Gläubiger, deren Forderungen
jünger sind, als die Schenkung, erstreckt sich dieses Recht nur dann, wenn der
Beschenkte eines hinterlistigen Einverständnisses überwiesen werden kann.
6) wegen nachgeborner Kinder.
§. 954. Dadurch, daß einem kinderlosen Geschenkgeber nach geschlossenem
Schenkungsvertrage Kinder geboren werden, erwächst weder ihm, noch den
nachgebornen Kindern das Recht, die Schenkung zu widerrufen. Doch kann er, oder
das nachgeborne Kind, im Nothfalle sowohl gegen den Beschenkten, als gegen
dessen Erben das oben angeführte Recht auf die gesetzlichen Zinsen des
geschenkten Betrages geltend machen. (§. 947.)
Welche Schenkungen auf die Erben nicht übergehen.
§. 955. Hat der Geschenkgeber dem Beschenkten eine Unterstützung in
gewissen Fristen zugesichert, so erwächst für die Erben derselben weder ein
Recht, noch eine Verbindlichkeit; es müßte denn in dem Schenkungsvertrage
ausdrücklich anders bedungen worden seyn.
§. 956. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 36, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
Neunzehntes Hauptstück.
Von dem Verwahrungsvertrage.
Verwahrungsvertrag.
§. 957. Wenn jemand eine fremde Sache in seine Obsorge übernimmt; so
entsteht ein Verwahrungsvertrag. Das angenommene Versprechen, eine fremde, noch
nicht übergebene Sache in die Obsorge zu übernehmen, macht zwar den
versprechenden Theil verbindlich; es ist aber noch kein Verwahrungsvertrag.
§. 958. Durch den Verwahrungsvertrag erwirbt der Uebernehmer weder
Eigenthum, noch Besitz, noch Gebrauchsrecht; er ist bloßer Inhaber mit der
Pflicht, die ihm anvertraute Sache vor Schaden zu sichern.
Wann er in einen Darleihens- oder Leihvertrag;
§. 959. Wird dem Verwahrer auf sein Verlangen, oder durch freywilliges
Anerbiethen des Hinterlegers der Gebrauch gestattet; so hört im ersten Falle
der Vertrag gleich nach der Verwilligung; im zweyten aber von dem Augenblicke,
da das Anerbiethen angenommen, oder von der hinterlegten Sache wirklich
Gebrauch gemacht worden ist, auf, ein Verwahrungsvertrag zu seyn; er wird bey verbrauchbaren
Sachen in einen Darleihens-, bey unverbrauchbaren in einen Leihvertrag
umgeändert, und es treten die damit verbundenen Rechte und Pflichten ein.
oder in eine Bevollmächtigung übergehe.
§. 960. Es können bewegliche und unbewegliche Sachen in Obsorge gegeben
werden. Wird aber dem Uebernehmer zugleich ein anderes, auf die anvertraute
Sache sich beziehendes, Geschäft aufgetragen; so wird er als ein Gewalthaber
angesehen.
Pflichten und Rechte des Verwahrers;
§. 961. Die Hauptpflicht des Verwahrers ist: die ihm anvertraute Sache
durch die bestimmte Zeit sorgfältig zu bewahren, und nach Verlauf derselben dem
Hinterleger in eben dem Zustande, in welchem er sie übernommen hat, und mit
allem Zuwachse zurückzustellen.
§. 962. Der Verwahrer muß dem Hinterleger auf Verlangen die Sache auch noch
vor Verlauf der Zeit zurückstellen, und kann nur den Ersatz des ihm etwa
verursachten Schadens begehren. Er kann hingegen die ihm anvertraute Sache
nicht früher zurückgeben; es wäre denn, daß ein unvorhergesehener Umstand ihn
außer Stand setzte, die Sache mit Sicherheit oder ohne seinen eigenen Nachtheil
zu verwahren.
§. 963. Ist die Verwahrungszeit weder ausdrücklich bestimmt worden, noch
sonst aus Nebenumständen abzunehmen; so kann die Verwahrung nach Belieben aufgekündet
werden.
§. 964. Der Verwahrer haftet dem Hinterleger für den aus der Unterlassung
der pflichtmäßigen Obsorge verursachten Schaden, aber nicht für den Zufall;
selbst dann nicht, wenn er die anvertraute, obschon kostbarere Sache, mit
Aufopferung seiner eigenen hätte retten können.
§. 965. Hat aber der Verwahrer von der hinterlegten Sache Gebrauch gemacht;
hat er sie ohne Noth und ohne Erlaubniß des Hinterlegers einem Dritten in
Verwahrung gegeben; oder die Zurückstellung verzögert, und die Sache leidet
einen Schaden, welchem sie bey dem Hinterleger nicht ausgesetzt gewesen wäre;
so kann er keinen Zufall vorschützen, und die Beschädigung wird ihm
zugerechnet.
§. 966. Wenn Sachen verschlossen oder versiegelt hinterlegt, und in der
Folge das Schloß oder Siegel verletzt worden; so ist der Hinterleger, wenn er
eine Abgang behauptet, zur Beschwörung seiner Schadens, in so fern derselbe
nach seinem Stande, Gewerbe, Vermögen und den übrigen Umständen wahrscheinlich
ist, nach Vorschrift der Gerichtsordnung zuzulassen; es wäre denn, daß der
Verwahrer beweisen könnte, daß die Verletzung des Schlosses oder Siegels ohne
sein Verschulden geschehen sey. Das Nähmliche hat auch dann zu gelten, wenn
sämmtliche auf solche Art hinterlegte Sachen in Verlust gerathen sind.
und des Hinterlegers.
§. 967. Der Hinterleger ist verpflichtet, dem Verwahrer den schuldbarer
Weise zugefügten Schaden, und die zur Erhaltung der verwahrten Sache, oder zur
Vermehrung der fortdauernden Nutzungen verwendeten Kosten zu ersetzen. Hat der
Verwahrer im Nothfalle, um das hinterlegte Gut zu retten, seine eigenen Sachen
aufgeopfert; so kann er einen angemessenen Ersatz fordern. Die wechselseitigen
Forderungen des Verwahrers und Hinterlegers einer beweglichen Sache können aber
nur binnen dreyßig Tagen von Zeit der Zurückstellung angebracht werden.
Sequester.
§. 968. Wird eine in Anspruch genommene Sache von den streitenden Parteyen
oder vom Gerichte jemanden in Verwahrung gegeben; so heißt der Verwahrer, Sequester.
Die Rechte und Verbindlichkeiten des Sequesters werden nach den hier
festgesetzten Grundsätzen beurtheilt.
Ob dem Verwahrer ein Lohn gebühre.
§. 969. Ein Lohn kann für die Aufbewahrung nur dann gefordert werden, wenn
er ausdrücklich, oder nach dem Stande des Aufbewahrers stillschweigend bedungen
worden ist.
Gastaufnahme
§. 970. Gastwirte, die Fremde beherbergen, haften als Verwahrer für die von
den aufgenommenen Gästen eingebrachten Sache, sofern sie nicht beweisen, daß
der Schaden weder durch sie oder einen ihrer Leute verschuldet noch durch
fremde, in dem Hause aus- und eingehende Personen verursacht ist. Hat bei der
Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hat der
Richter nach den Umständen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz
gebührt.
Als eingebracht gelten die Sachen, die dem Wirte oder einem seiner Leute
übergeben oder an einen von diesen angewiesenen oder hierzu bestimmten Ort
gebracht sind. Ebenso haften Unternehmer, die Stallungen und Aufbewahrungsräume
halten, für die bei ihnen eingestellten Tiere und Fahrzeuge und die auf diesen
befindlichen Sachen.
Den Wirten werden gleichgehalten die Besitzer von Badeanstalten in
Rücksicht auf die üblicherweise eingebrachten Sachen der Badegäste. 4 8
§. 970a. Ablehnung der Haftung durch Anschlag ist ohne rechtliche Wirkung.
Für Kostbarkeiten, Geld und Wertpapiere haftet der Gastwirt nur bis zum Betrage
von 550 Euro, es sei denn, daß er diese Sachen in Kenntnis ihrer Beschaffenheit
zur Aufbewahrung übernommen hat oder daß der Schaden von ihm selbst oder seinen
Leuten verschuldet ist.
§. 970b. Der Ersatzanspruch aus der Gastaufnahme erlischt, wenn der
Beschädigte nach erlangter Kenntnis von dem Schaden nicht ohne Verzug dem Wirte
die Anzeige macht. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Sachen vom Wirte zur
Aufbewahrung übernommen waren.
§. 970c. Den im § 970 bezeichneten Personen steht das Recht zu, zur
Sicherung ihrer Forderungen aus der Beherbergung und Verpflegung sowie ihrer
Auslagen für die Gäste die eingebrachten Sachen zurückzuhalten.
Zwanzigstes Hauptstück.
Von dem Leihvertrage.
Leihvertrag.
§. 971. Wenn jemanden eine unverbrauchbare Sache bloß zum unentgeldlichen
Gebrauch auf eine bestimmte Zeit übergeben wird; so entsteht ein Leihvertrag.
Der Vertrag, wodurch man jemanden eine Sache zu leihen verspricht, ohne sie zu
übergeben, ist zwar verbindlich, aber noch kein Leihvertrag.
Rechte und Pflichten des Entlehners:
1) in Rücksicht des Verbrauches;
§. 972. Der Entlehner erwirbt das Recht, den ordentlichen oder näher
bestimmten Gebrauch von der Sache zu machen. Nach Verlauf der Zeit ist er
verpflichtet, eben dieselbe Sache zurückzustellen.
2) der Zurückstellung;
§. 973. Wenn keine Zeit zur Zurückgabe festgesetzt, wohl aber die Absicht
des Gebrauches bestimmt worden ist; so ist der Entlehner verbunden, mit dem
Gebrauche nicht zu zögern, und die Sache so bald als möglich zurück zu geben.
§. 974. Hat man weder die Dauer, noch die Absicht des Gebrauches bestimmt;
so entsteht kein wahrer Vertrag, sondern ein unverbindliches Bittleihen
(Precarium), und der Verleiher kann die entlehnte Sache nach Willkühr
zurückfordern.
§. 975. Bey einem Streite über die Dauer des Gebrauches muß der Entlehner
das Recht auf den längern Gebrauch beweisen.
§. 976. Wenn gleich die verlehnte Sache vor Verlauf der Zeit und vor
geendigtem Gebrauche dem Verleiher selbst unentbehrlich wird; so hat er ohne
ausdrückliche Verabredung doch kein Recht, die Sache früher zurück zu nehmen.
§. 977. Der Entlehner ist zwar in der Regel berechtiget, die entlehnte
Sache auch vor der bestimmten Zeit zurück zu geben: fällt aber die frühere
Zurückgabe dem Verleiher beschwerlich, so kann sie wider seinen Willen nicht
Statt finden.
3) der Beschädigung;
§. 978. Wenn der Entlehner die geliehene Sache anders gebraucht, als es
bedungen war, oder den Gebrauch derselben eigenmächtig einem Dritten gestattet;
so ist er dem Verleiher verantwortlich, und dieser auch berechtiget, die Sache
sogleich zurück zu fordern.
§. 979. Wird die geliehene Sache beschädiget, oder zu Grunde gerichtet; so
muß der Entlehner nicht nur den zunächst durch sein Verschulden verursachten,
sondern auch den zufälligen Schaden, den er durch eine widerrechtliche Handlung
veranlaßt hat, so wie der Verwahrer einer Sache ersetzen. (§. 965.)
§. 980. Dadurch, daß der Entlehner für ein verlornes Lehnstück den Werth
erlegt, hat er noch kein Recht, dasselbe, wenn es wieder gefunden wird, gegen
den Willen des Eigenthümers für sich zu behalten, wenn dieser bereit ist, den
empfangenen Werth zurück zu geben.
4) der Erhaltungskosten.
§. 981. Die mit dem Gebrauche ordentlicher Weise verbunden Kosten muß der
Entlehner selbst bestreiten. Die außerordentlichen Erhaltungskosten hat er
zwar, dafern er die Sache dem Verleiher nicht zur eigenen Besorgung überlassen kann
oder will, inzwischen vorzuschießen; doch werden sie ihm gleich einem redlichen
Besitzer vergütet.
Beschädigung der wechselseitigen Klagen.
§. 982. Wenn der Verleiher nach der Zurücknahme des Lehnstückes dessen
Mißbrauch, oder übertriebene Abnutzung innerhalb dreyßig Tagen nicht gerüget;
oder, wenn der Entlehner nach der Zurückgabe von den auf die Sache verwendeten
außerordentlichen Kosten binnen eben diesem Zeitraume keine Meldung gemacht
hat; so ist die Klage erloschen.
Ein u. zwanzigstes Hauptstück.
Von dem Darleihensvertrage.
Darlehensvertrag
§. 983. Im Darlehensvertrag verpflichtet sich der Darlehensgeber, dem
Darlehensnehmer vertretbare Sachen mit der Bestimmung zu übergeben, dass der
Darlehensnehmer über die Sachen nach seinem Belieben verfügen kann. Der
Darlehensnehmer ist verpflichtet, dem Darlehensgeber spätestens nach
Vertragsende ebenso viele Sachen derselben Gattung und Güte zurückzugeben.
Arten des Darlehensvertrags
§. 984. Gegenstand eines Darlehensvertrags können Geld oder andere vertretbare
Sachen sein. Ein Darlehen kann entweder unentgeltlich oder gegen Entgelt
gewährt werden. Wenn die Parteien nichts über ein Entgelt vereinbaren, gilt der
Darlehensvertrag im Zweifel als entgeltlich.
Ein unentgeltlicher Darlehensvertrag ohne Übergabe der Sachen ist nur
wirksam, wenn der Darlehensgeber seine Vertragserklärung schriftlich abgibt.
Steigerung und Minderung des Werts
§. 985. Der Darlehensnehmer hat, sofern nichts anderes vereinbart ist, bei
der Rückgabe der Sachen einen in der Zwischenzeit eingetretenen Wertverlust
nicht auszugleichen. Gleichermaßen kann er sich auch nicht auf eine
Wertsteigerung zur Minderung seiner Rückgabepflicht berufen.
Dauer und Auflösung des Darlehensvertrags
§. 986. Der Darlehensvertrag kann auf eine im Voraus bestimmte oder auf
unbestimmte Zeit geschlossen werden.
Ein auf unbestimmte Zeit geschlossener Darlehensvertrag kann von jedem
Vertragsteil unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist gekündigt
werden.
Ein auf bestimmte Zeit geschlossener Darlehensvertrag endet durch
Zeitablauf.
Außerordentliche Kündigung des Darlehensvertrags
§. 987. Jeder Vertragsteil kann den Darlehensvertrag jederzeit ohne
Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn ihm die Aufrechterhaltung des
Vertrags aus wichtigen Gründen unzumutbar ist.
Kreditvertrag
§. 988. Der entgeltliche Darlehensvertrag über Geld heißt Kreditvertrag;
dazu zählt auch ein Vertrag, mit dem ein Geldbetrag zum Abruf zur Verfügung
gestellt wird. Die Parteien dieses Vertrags heißen Kreditgeber und
Kreditnehmer. Das Entgelt besteht in der Regel in den vom Kreditnehmer zu
zahlenden Zinsen; für diese gilt § 1000 Abs. 1.
Befristung und Ende des Kreditvertrags
§. 989. Beim Kreditvertrag kann sich eine bestimmte Vertragsdauer nicht
bloß aus der datumsmäßigen Festlegung eines Endtermins ergeben, sondern auch
aus den Vereinbarungen über den Kreditbetrag sowie über die Art der Rückzahlung
des Kredits und die zu leistenden Zinsen.
Nach Ende des Kreditvertrags hat der Kreditnehmer den Kreditbetrag samt den
noch zu leistenden Zinsen zurückzuzahlen.
Unwirksame Vereinbarungen über das Kündigungsrecht des Kreditgebers
§. 990. Vereinbarungen, durch die dem Kreditgeber ein nicht an sachlich
gerechtfertigte Gründe geknüpftes Recht zur vorzeitigen Kündigung eines auf
bestimmte Zeit geschlossenen und seinerseits schon erfüllten Kreditvertrags
eingeräumt wird, sind nicht wirksam.
Verweigerung der Kreditauszahlung
§. 991. Der Kreditgeber kann die Auszahlung des Kreditbetrags verweigern,
wenn sich nach Vertragsabschluss Umstände ergeben, die eine Verschlechterung
der Vermögenslage des Kreditnehmers oder eine Entwertung bedungener
Sicherheiten in einem solchen Ausmaß erweisen, dass die Rückzahlung des Kredits
oder die Entrichtung der Zinsen selbst bei Verwertung der Sicherheiten
gefährdet sind.
§. 992. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 2, BGBl 2010/Nr. 28 – Darlehens-
und Kreditrechts-Änderungsgesetz.)
§. 993. (Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)
§. 994. (Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)
§. 995. (Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)
§. 996. (Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)
§. 997. (Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)
§. 998. (Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)
§. 999. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 2, BGBl 2010/Nr. 28 – Darlehens-
und Kreditrechts-Änderungsgesetz.)
Zinsen und Zinseszinsen
§. 1000. An Zinsen, die ohne Bestimmung der Höhe vereinbart worden sind
oder aus dem Gesetz gebühren, sind, sofern gesetzlich nicht anderes bestimmt
ist, vier vom Hundert auf ein Jahr zu entrichten.
Der Gläubiger einer Geldforderung kann Zinsen von Zinsen verlangen, wenn
die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben. Sonst kann er, sofern fällige
Zinsen eingeklagt werden, Zinseszinsen vom Tag der Streitanhängigkeit an
fordern. Wurde über die Höhe der Zinseszinsen keine Vereinbarung getroffen, so
sind ebenfalls vier vom Hundert auf ein Jahr zu entrichten.
Haben die Parteien über die Frist zur Zahlung der Zinsen keine Vereinbarung
getroffen, so sind diese bei der Zurückzahlung des Kapitals oder, sofern der
Vertrag auf mehrere Jahre abgeschlossen worden ist, jährlich zu zahlen.
§. 1001. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 2010/Nr. 28 –
Darlehens- und Kreditrechts-Änderungsgesetz.)
Zwey u. zwanzigstes Hauptstück.
Von der Bevollmächtigung und andern Arten der Geschäftsführung.
Bevollmächtigungsvertrag.
§. 1002. Der Vertrag, wodurch jemand ein ihm aufgetragenes Geschäft im
Nahmen des Andern zur Besorgung übernimmt, heißt Bevollmächtigungsvertrag.
§. 1003. Personen, welche zur Besorgung bestimmter Geschäfte öffentlich
bestellt worden, sind schuldig, über einen darauf sich beziehenden Auftrag ohne
Zögerung gegen den Auftragenden sich ausdrücklich zu erklären, ob sie denselben
annehmen oder nicht; widrigen Falls bleiben sie dem Auftragenden für den
dadurch veranlaßten Nachtheil verantwortlich.
Eintheilung der Bevollmächtigung in eine unentgeldliche oder entgeldliche;
§. 1004. Wird für die Besorgung eines fremden Geschäftes entweder
ausdrücklich, oder nach dem Stande des Geschäftsträgers auch nur
stillschweigend eine Belohnung bedungen; so gehört der Vertrag zu den
entgeldlichen, außer dem aber zu den unentgeldlichen.
mündliche oder schriftliche;
§. 1005. Bevollmächtigungsverträge können mündlich oder schriftlich
geschlossen werden. Die von dem Gewaltgeber dem Gewalthaber hierüber
ausgestellte Urkunde wird Vollmacht genannt.
allgemeine oder besondere;
§. 1006. Es gibt allgemeine und besondere Vollmachten, je nachdem jemanden
die Besorgung aller, oder nur einiger Geschäfte anvertraut wird. Die besonderen
Vollmachten können bloß gerichtliche oder bloß außergerichtliche Geschäfte
überhaupt; oder sie können einzelne Angelegenheiten der einen oder andern
Gattung zum Gegenstande haben.
Unumschränkte, oder beschränkte;
§. 1007. Vollmachten werden entweder mit unumschränkter oder mit
beschränkter Freyheit zu handeln ertheilet. Durch die erstere wird der
Gewalthaber berechtiget, das Geschäft nach seinem besten Wissen und Gewissen zu
leiten; durch die letztere aber werden ihm die Gränzen, wie weit, und die Art,
wie er dasselbe betreiben soll, vorgeschrieben.
§. 1008. Folgende Geschäfte: Wenn im Nahmen eines Andern Sachen veräußert,
oder entgeldlich übernommen; Anleihen oder Darleihen geschlossen; Geld oder
Geldeswerth erhoben; Processe anhängig gemacht; Eide aufgetragen, angenommen
oder zurückgeschoben, oder Vergleiche getroffen werden sollen, erfordern eine
besondere, auf diese Gattungen der Geschäfte lautende Vollmacht. Wenn aber eine
Erbschaft unbedingt angenommen oder ausgeschlagen; Gesellschaftsverträge
errichtet; Schenkungen gemacht; das Befugniß, einen Schiedsrichter zu wählen,
eingeräumt, oder Rechte unentgeldlich aufgegeben werden sollen; ist eine
besondere, auf das einzelne Geschäft ausgestellte Vollmacht nothwendig.
Allgemeine, selbst unbeschränkte Vollmachten sind in diesen Fällen nur
hinreichend, wenn die Gattung des Geschäftes in der Vollmacht ausgedrückt
worden ist.
Rechte und Verbindlichkeiten des Gewalthabers;
§. 1009. Der Gewalthaber ist verpflichtet, das Geschäft seinem Versprechen
und der erhaltenen Vollmacht gemäß, emsig und redlich zu besorgen, und allen
aus dem Geschäfte entspringenden Nutzen dem Machtgeber zu überlassen. Er ist,
ob er gleich eine beschränkte Vollmacht hat, berechtiget, alle Mittel anzuwenden,
die mit der Natur des Geschäftes nothwendig verbunden, oder der erklärten
Absicht des Machtgebers gemäß sind. Ueberschreitet er aber die Gränzen der
Vollmacht; so haftet er für die Folgen.
§. 1010. Trägt der Gewalthaber das Geschäft ohne Noth einem Dritten auf; so
haftet er ganz allein für den Erfolg. Wird ihm aber die Bestellung eines
Stellvertreters in der Vollmacht ausdrücklich gestattet, oder durch die
Umstände unvermeidlich; so verantwortet er nur ein bey der Auswahl der Person
begangenes Verschulden.
§. 1011. Wird mehrern Bevollmächtigten zugleich ein Geschäft aufgetragen;
so ist die Mitwirkung Aller zur Gültigkeit des Geschäftes, und Verpflichtung
des Machtgebers nothwendig; wenn nicht ausdrücklich Einem oder Mehreren aus
ihnen die volle Befugniß in der Vollmacht ertheilt worden ist.
§. 1012. Der Gewalthaber ist schuldig, dem Machtgeber den durch sein
Verschulden verursachten Schaden zu ersetzen, und die bey dem Geschäfte
vorkommenden Rechnungen, so oft dieser es verlangt, vorzulegen.
§. 1013. Gewalthaber sind, außer dem im §. 1004. enthaltenen Falle, nicht
befugt, ihrer Bemühung wegen eine Belohnung zu fordern. Es ist ihnen nicht
erlaubt, ohne Willen des Machtgebers in Rücksicht auf die Geschäftsverwaltung
von einem Dritten Geschenke anzunehmen. Die erhaltenen werden zur Armen-Casse
eingezogen.
des Gewaltgebers;
§. 1014. Der Gewaltgeber ist verbunden, dem Gewalthaber allen zur Besorgung
des Geschäftes nothwendig oder nützlich gemachten Aufwand, selbst bey
fehlgeschlagenem Erfolge, zu ersetzen, und ihm auf Verlangen zur Bestreitung
der baren Auslagen auch einen angemessenen Vorschuß zu leisten; er muß ferner
allen durch sein Verschulden entstandenen, oder mit der Erfüllung des Auftrages
verbundenen Schaden vergüten.
§. 1015. Leidet der Gewalthaber bey der Geschäftsführung nur zufälliger
Weise Schaden; so kann er in dem Falle, daß er das Geschäft unentgeldlich zu
besorgen übernahm, einen solchen Betrag fordern, welcher ihm bey einem entgeldlichen
Vertrage zur Vergütung der Bemühung nach dem höchsten Schätzungswerthe gebührt
haben würde.
§. 1016. Ueberschreitet der Gewalthaber die Gränzen seiner Vollmacht; so
ist der Gewaltgeber nur in so fern verbunden, als er das Geschäft genehmiget,
oder den aus dem Geschäfte entstandenen Vortheil sich zuwendet.
in Rücksicht eines Dritten.
§. 1017. In so fern der Gewalthaber nach dem Inhalte der Vollmacht den
Gewaltgeber vorstellt, kann er ihm Rechte erwerben und Verbindlichkeiten
auflegen. Hat er also innerhalb der Gränzen der offenen Vollmacht mit einem
Dritten einen Vertrag geschlossen; so kommen die dadurch gegründeten Rechte und
Verbindlichkeiten dem Gewaltgeber und dem Dritten; nicht aber dem Gewalthaber
zu. Die dem Gewalthaber ertheilte geheime Vollmacht hat auf die Rechte des
Dritten keinen Einfluß.
§. 1018. Auch in dem Falle, daß der Gewaltgeber einen solchen Gewalthaber,
der sich selbst zu verbinden unfähig ist, aufgestellt hat, sind die innerhalb
der Gränzen der Vollmacht geschlossenen Geschäfte sowohl für den Gewaltgeber,
als für den Dritten verbindlich.
§. 1019. Ist der Gewalthaber zu dem von ihm geschlossenen Geschäft nicht
oder nicht ausreichend bevollmächtigt, so ist er, wenn der Gewaltgeber weder
das Geschäft genehmigt noch sich den aus dem Geschäft entstandenen Vorteil
zuwendet (§ 1016), dem anderen Teil zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den
dieser im Vertrauen auf die Vertretungsmacht erleidet. Der Gewalthaber haftet
jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, das der andere Teil an der
Wirksamkeit des Vertrages hat.
Auflösung des Vertrages durch den Widerruf.
§. 1020. Es steht dem Machtgeber frey, die Vollmacht nach Belieben zu
widerrufen; doch muß er dem Gewalthaber nicht nur die in der Zwischenzeit
gehabten Kosten und den sonst erlittenen Schaden ersetzen; sondern auch einen
der Bemühung angemessenen Theil der Belohnung entrichten. Dieses findet auch
dann Statt, wenn die Vollendung des Geschäftes durch einen Zufall verhindert
worden ist.
die Aufkündung;
§. 1021. Auch der Machthaber kann die angenommene Vollmacht aufkünden. Wenn
er sie aber vor Vollendung des ihm insbesondere aufgetragenen, oder vermöge der
allgemeinen Vollmacht angefangenen Geschäftes aufkündet; so muß er, dafern
nicht ein unvorgesehenes und unvermeidliches Hinderniß eingetreten ist, allen
daraus entstandenen Schaden ersetzen.
den Tod.
§. 1022. In der Regel wird die Vollmacht sowohl durch den Tod des
Gewaltgebers, als des Gewalthabers aufgehoben. Läßt sich aber das angefangene
Geschäft ohne offenbaren Nachtheil der Erben nicht unterbrechen, oder erstreckt
sich die Vollmacht selbst auf den Sterbefall des Gewaltgebers; so hat der
Gewalthaber das Recht und die Pflicht, das Geschäft zu vollenden.
§. 1023. Die von einem Körper (Gemeinschaft) ausgestellten und übernommenen
Vollmachten werden durch die Erlöschung der Gemeinschaft aufgehoben.
oder ein Insolvenzverfahren.
§. 1024. Wird über das Vermögen des Machtgebers das Insolvenzverfahren
eröffnet, so sind Vertretungshandlungen des Machthabers ab der Bekanntmachung
der Insolvenzeröffnung nicht rechtswirksam. Durch die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Machthabers erlischt dessen
Vollmacht.
In wie fern die Verbindlichkeit fortdauere.
§. 1025. Wird die Vollmacht durch Widerruf, Aufkündung, oder durch den Tod
des Gewaltgebers oder Gewalthabers aufgehoben; so müssen doch die Geschäfte,
welche keinen Aufschub leiden, so lange fortgesetzt werden, bis von dem
Machtgeber oder dessen Erben eine andere Verfügung getroffen worden ist, oder
füglich getroffen werden konnte.
§. 1026. Auch bleiben die mit einem Dritten, dem die Aufhebung der
Vollmacht ohne sein Verschulden unbekannt war, geschlossenen Verträge
verbindlich, und der Gewaltgeber kann sich nur bey dem Gewalthaber, der die
Aufhebung verschwiegen hat, wegen seines Schadens erhohlen.
Stillschweigende Bevollmächtigung der Dienstpersonen.
§. 1027. Die in diesem Hauptstücke enthaltenen Vorschriften haben auch ihre
Anwendung auf die Eigenthümer einer Handlung, eines Schiffes, Kaufladens oder
andern Gewerbes, welche die Verwaltung einem Factor, Schiffer, Ladendiener oder
andern Geschäftsträgern anvertrauen.
§. 1028. Die Rechte solcher Geschäftsführer sind vorzüglich aus der Urkunde
ihrer Bestellung, dergleichen unter Handelsleuten das ordentlich kundgemachte
Befugniß der Unterzeichnung (Firma) ist, zu beurtheilen.
§. 1029. Ist die Vollmacht nicht schriftlich gegeben worden; so wird ihr
Umfang aus dem Gegenstande, und aus der Natur des Geschäftes beurtheilet. Wer
einem Andern eine Verwaltung anvertraut hat, von dem wird vermuthet, daß er ihm
auch die Macht eingeräumt habe, alles dasjenige zu thun, was die Verwaltung
selbst erfordert und was gewöhnlich damit verbunden ist. (§. 1009.)
Der Überbringer einer Quittung gilt als ermächtigt, die Leistung zu
empfangen, sofern nicht dem Leistenden bekannte Umstände der Annahme einer
solchen Ermächtigung entgegenstehen.
§. 1030. Gestattet der Eigenthümer einer Handlung, oder eines Gewerbes
seinem Diener oder Lehrlinge, Waaren im Laden oder außer demselben zu verkaufen;
so wird vermuthet, daß sie bevollmächtigt seyn, die Bezahlung zu empfangen, und
Quittungen dagegen auszustellen.
§. 1031. Die Vollmacht, Waaren im Nahmen des Eigenthümers zu verkaufen,
erstreckt sich aber nicht auf das Recht, in seinem Nahmen Waaren einzukaufen;
auch dürfen Fuhrleute weder den Werth der ihnen anvertrauten Güter beziehen,
noch Geld darauf anleihen, wenn es nicht ausdrücklich in Frachtbriefen bestimmt
worden ist.
§. 1032. Dienstgeber und Familienhäupter sind nicht verbunden, das, was von
ihren Dienstpersonen oder andern Hausgenossen in ihrem Nahmen auf Borg genommen
wird, zu bezahlen. Der Borger muß in solchen Fällen den gemachten Auftrag
erweisen.
§. 1033. Besteht aber zwischen dem Borgnehmer und dem Borggeber ein
ordentliches Einschreibebuch, worin die ausgeborgten Sachen aufgezeichnet
werden; so gilt die Vermuthung, daß der Ueberbringer dieses Buches
bevollmächtiget sey, die Waare auf Borg zu nehmen.
Gerichtliche und gesetzliche Bevollmächtigung.
§. 1034. Das Recht der Großeltern, der Pflegeeltern, anderer mit der
Obsorge betrauter Personen, der Sachwalter und Kuratoren, die Geschäfte ihrer
Pflegebefohlenen zu verwalten, gründet sich auf die Anordnung des Gerichts. Die
Eltern (ein Elternteil) werden unmittelbar durch das Gesetz mit der Vertretung
ihrer minderjährigen Kinder betraut; Gleiches gilt nach Maßgabe der §§ 207, 208
und 211 Abs. 1 letzter Satz für Jugendwohlfahrtsträger und nach Maßgabe der §§
284b bis 284e für nächste Angehörige.
Geschäftsführung ohne Auftrag;
§. 1035. Wer weder durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag,
noch vom Gerichte, noch aus dem Gesetze das Befugniß erhalten hat, darf der
Regel nach sich in das Geschäft eines Andern nicht mengen. Hätte er sich dessen
angemaßt; so ist er für alle Folgen verantwortlich.
im Nothfalle;
§. 1036. Wer, obgleich unberufen, ein fremdes Geschäft zur Abwendung eines
bevorstehenden Schadens besorgt, dem ist derjenige, dessen Geschäft er besorgt
hat, den nothwendigen und zweckmäßig gemachten Aufwand zu ersetzen schuldig;
wenn gleich die Bemühung ohne Verschulden fruchtlos geblieben ist. (§. 403.)
oder zum Nutzen des Andern;
§. 1037. Wer fremde Geschäfte bloß, um den Nutzen des Andern zu befördern,
übernehmen will, soll sich um dessen Einwilligung bewerben. Hat der Geschäftsführer
zwar diese Vorschrift unterlassen, aber das Geschäft auf seine Kosten zu des
Andern klarem, überwiegenden Vortheile geführet; so müssen ihm von diesem die
darauf verwendeten Kosten ersetzt werden.
§. 1038. Ist aber der überwiegende Vortheil nicht klar; oder hat der
Geschäftsführer eigenmächtig so wichtige Veränderungen in einer fremden Sache
vorgenommen, daß die Sache dem Andern zu dem Zwecke, wozu er sie bisher
benützte, unbrauchbar wird, so ist dieser zu keinem Ersatze verbunden; er kann
vielmehr verlangen, daß der Geschäftsführer auf eigene Kosten die Sache in den
vorigen Stand zurücksetze, oder, wenn das nicht möglich ist, ihm volle
Genugthuung leiste.
§. 1039. Wer ein fremdes Geschäft ohne Auftrag auf sich genommen hat, muß
es bis zur Vollendung fortsetzen, und gleich einem Bevollmächtigten genaue
Rechnung darüber ablegen.
gegen den Willen des Andern.
§. 1040. Wenn jemand gegen den gültig erklärten Willen des Eigenthümers
sich eines fremden Geschäftes anmasset, oder den rechtmäßigen Bevollmächtigten
durch eine solche Einmengung an der Besorgung des Geschäftes verhindert; so
verantwortet er nicht nur den hieraus erwachsenen Schaden und entgangenen
Gewinn, sondern er verliert auch den gemachten Aufwand, in so fern er nicht in
Natur zurück genommen werden kann.
Verwendung einer Sache zum Nutzen des Andern.
§. 1041. Wenn ohne Geschäftsführung eine Sache zum Nutzen eines Anderen
verwendet worden ist; kann der Eigenthümer sie in Natur, oder, wenn dieß nicht
mehr geschehen kann, den Werth verlangen, den sie zur Zeit der Verwendung
gehabt hat, obgleich der Nutzen in der Folge vereitelt worden ist.
§. 1042. Wer für einen Andern einen Aufwand macht, den dieser nach dem
Gesetze selbst hätte machen müssen, hat das Recht, den Ersatz zu fordern.
§. 1043. Hat jemand in einem Nothfalle, um einen größern Schaden von sich
und Andern abzuwenden, sein Eigenthum aufgeopfert; so müssen ihn Alle, welche
daraus Vortheil zogen, verhältnißmäßig entschädigen. Die ausführlichere
Anwendung dieser Vorschrift auf Seegefahren ist ein Gegenstand der Seegesetze.
§. 1044. Die Vertheilung der Kriegsschäden wird nach besondern Vorschriften
von den politischen Behörden bestimmt.
Drey u. zwanzigstes Hauptstück.
Von dem Tauschvertrage.
Tausch.
§. 1045. Der Tausch ist ein Vertrag, wodurch eine Sache gegen eine andere
Sache überlassen wird. Die wirkliche Uebergabe ist nicht zur Errichtung;
sondern nur zur Erfüllung des Tauschvertrages, und zur Erwerbung des
Eigenthumes nothwendig.
§. 1046. Das Geld ist kein Gegenstand des Tauschvertrages; doch lassen sich
Gold und Silber als eine Waare und selbst als Münz-Sorten in so weit
vertauschen, als sie nur gegen andere Münz-Sorten, goldene nähmlich gegen
silberne, kleinere gegen größere Stücke verwechselt werden sollen.
Rechte und Pflichten der Tauschenden
§. 1047. Tauschende sind vermöge des Vertrages verpflichtet, die
vertauschten Sachen der Verabredung gemäß mit ihren Bestandteilen und mit allem
Zugehör zu rechter Zeit, am gehörigen Ort und in eben dem Zustand, in welchem
sie sich bei Schließung des Vertrages befunden haben, zum freien Besitze zu
übergeben und zu übernehmen.
insbesondere in Rücksicht der Gefahr
§. 1048. Ist keine Zeit bedungen, zu welcher die Uebergabe geschehen soll, und
wird in der Zwischenzeit entweder die vertauschte bestimmte Sache durch Verboth
außer Verkehr gesetzt, oder zufälliger Weise ganz, oder doch über die Hälfte am
Werthe zu Grunde gerichtet, so ist der Tausch für nicht geschlossen anzusehen.
§. 1049. Andere in dieser Zwischenzeit durch Zufall erfolgte
Verschlimmerungen der Sache und Lasten gehen auf die Rechnung des Besitzers.
Sind jedoch Sachen in Pausch und Bogen behandelt worden; so trägt der
Uebernehmer den zufälligen Untergang einzelner Stücke, wenn anders hierdurch
das Ganze nicht über die Hälfte am Werthe verändert worden ist.
und der Nutzungen vor der Uebergabe.
§. 1050. Dem Besitzer gebühren die Nutzungen der vertauschten Sache bis zur
bedungenen Zeit der Uebergabe. Von dieser Zeit an gebühren sie, sammt dem
Zuwachse, dem Uebernehmer, obgleich die Sache noch nicht übergeben worden ist.
§. 1051. Ist keine Zeit zur Uebergabe der bestimmten Sache bedungen, und
fällt keinem Theile ein Versehen zur Last; so sind die obigen Vorschriften
wegen Gefahr und Nutzungen (§§. 1048-1050) auf den Zeitpunct der Uebergabe
selbst anzuwenden; in so fern die Parteyen nicht etwas Anderes festgesetzt
haben.
§. 1052. Wer auf die Übergabe dringen will, muß seine Verbindlichkeit
erfüllt haben oder sie zu erfüllen bereit sein. Auch der zur Vorausleistung
Verpflichtete kann seine Leistung bis zur Bewirkung oder Sicherstellung der
Gegenleistung verweigern, wenn diese durch schlechte Vermögensverhältnisse des
anderen Teiles gefährdet ist, die ihm zur Zeit des Vertragsabschlusses nicht
bekannt sein mußten.
Vier u. zwanzigstes Hauptstück.
Von dem Kaufvertrage.
Kaufvertrag.
§. 1053. Durch den Kaufvertrag wird eine Sache um eine bestimmte Summe
Geldes einem Andern überlassen. Er gehört, wie der Tausch zu den Titeln ein
Eigenthum zu erwerben. Die Erwerbung erfolgt erst durch die Uebergabe des
Kaufgegenstandes. Bis zur Uebergabe behält der Verkäufer das Eigenthumsrecht.
Erfordernisse des Kaufvertrages.
§. 1054. Wie die Einwilligung des Käufers und Verkäufers beschaffen seyn
müssen, und welche Sache gekauft und verkauft werden dürfen, dieses wird nach
den Regeln des Verträge überhaupt bestimmt. Der Kaufpreis muß im baren Gelde
bestehen, und darf weder unbestimmt, noch gesetzwidrig seyn.
Der Kaufpreis muß
a) im baren Gelde bestehen;
§. 1055. Wird eine Sache theils gegen Geld; theils gegen eine andere Sache
veräußert; so wird der Vertrag, je nachdem der Werth am Gelde mehr oder
weniger, als der gemeine Werth der gegebenen Sache beträgt, zum Kaufe oder
Tausche, und bey gleichem Werthe der Sache, zum Kaufe gerechnet.
b) bestimmt;
§. 1056. Käufer und Verkäufer können die Festsetzung des Preises auch einer
dritten bestimmten Person überlassen. Wird von dieser in dem bedungenen
Zeitraume nichts festgesetzt; oder will im Falle, daß kein Zeitraum bedungen
worden ist, ein Theil vor der Bestimmung des Preises zurücktreten; so wird der
Kaufvertrag als nicht geschlossen angesehen.
§. 1057. Wird die Bestimmung des Preises mehreren Personen überlassen, so
entscheidet die Mehrheit der Stimmen. Fallen die Stimmen so verschieden aus,
daß der Preis nicht einmahl durch wirkliche Mehrheit der Stimmen festgesetzt
wird; so ist der Kauf für nicht eingegangen zu achten.
§. 1058. Auch der Werth, welcher bey einer frühern Veräußerung bedungen
worden ist, kann zur Bestimmung des Preises dienen. Hat man den ordentlichen
Marktpreis zum Grunde gelegt, so wird der mittlere Marktpreis des Ortes und der
Zeit, wo und in welcher der Vertrag erfüllet werden muß, angenommen.
c) nicht gesetzwidrig seyn.
§. 1059. (Anm.: Aufgehoben durch § 33 Z. 7, BGBl 1979/Nr. 140 -
Konsumentenschutzgesetz.)
§. 1060. Außer diesem Falle kann der Kauf sowohl von dem Käufer als
Verkäufer nur wegen Verletzung über die Hälfte bestritten werden (§§. 934-935).
Diese Beschwerde findet auch dann Statt, wenn der Ausspruch des Kaufpreises
einem Dritten überlassen worden ist.
Pflichten des Verkäufers,
§. 1061. Der Verkäufer ist schuldig, die Sache bis zur Zeit der Uebergabe
sorgfältig zu verwahren und sie dem Käufer nach eben den Vorschriften zu
übergeben, welche oben bey dem Tausche (§. 1047) aufgestellt worden sind.
und des Käufers.
§. 1062. Der Käufer hingegen ist verbunden, die Sache sogleich, oder zur
bedungenen Zeit zu übernehmen, zugleich aber auch das Kaufgeld bar abzuführen;
widrigen Falls ist der Verkäufer ihm die Uebergabe der Sache zu verweigern
berechtiget.
§. 1063. Wird die Sache dem Käufer von dem Verkäufer ohne das Kaufgeld zu
erhalten, übergeben; so ist die Sache auf Borg verkauft, und das Eigenthum
derselben geht gleich auf den Käufer über.
§. 1063a. Die Kosten der Übergabe der verkauften Ware, insbesondere die
Kosten des Messens und des Wägens, fallen dem Verkäufer zur Last, die Kosten
der Abnahme und der Versendung der Sache an einen anderen Ort als den
Erfüllungsort aber dem Käufer.
§. 1063b. Wenn dem Käufer beim Kauf einer beweglichen Sache die nähere
Bestimmung der Form, des Maßes oder ähnlicher Verhältnisse vorbehalten ist, ist
er verpflichtet, die vorbehaltene Bestimmung zu treffen. Im Übrigen gilt § 906
Abs. 2 sinngemäß.
Gefahr und Nutzen des Kaufgegenstandes.
§. 1064. In Rücksicht der Gefahr und Nutzungen einer zwar gekauften, aber
noch nicht übergebenen Sache gelten die nähmlichen Vorschriften, die bey dem
Tauschvertrage gegeben worden sind. (§§. 1048-1051.)
Kauf einer gehofften Sache.
§. 1065. Wenn Sachen, die noch zu erwarten stehen, gekauft werden; so sind
die in dem Hauptstücke von gewagten Geschäften gegebenen Anordnungen
anzuwenden.
Allgemeine Vorschrift.
§. 1066. In allen bey einem Kaufvertrag vorkommenden Fällen, welche in dem Gesetze
nicht ausdrücklich entschieden werden, sind die in den Hauptstücken von
Verträgen überhaupt, und von dem Tauschvertrage insbesondere aufgestellten
Vorschriften anzuwenden.
Besondere Arten oder Nebenverträge eines Kaufvertrages.
§. 1067. Besondere Arten oder Nebenverträge eines Kaufvertrages sind: der
Vorbehalt des Wiederkaufes, des Rückverkaufes, des Vorkaufes; der Verkauf auf
die Probe; der Verkauf mit Vorbehalt eines bessern Käufers; und der
Verkaufsauftrag.
Verkauf mit Vorbehalt des Wiederkaufes.
§. 1068. Das Recht eine verkaufte Sache wieder einzulösen, heißt das Recht
des Wiederkaufes. Ist dieses Recht dem Verkäufer überhaupt und ohne nähere
Bestimmung eingeräumt, so wird von einer Seite das Kaufstück in einem nicht
verschlimmerten Zustande; von der andern Seite aber das erlegte Kaufgeld zurück
gegeben, und die inzwischen beyderseits aus dem Gelde und der Sache gezogenen
Nutzungen bleiben gegen einander aufgehoben.
§. 1069. Hat der Käufer das Kaufstück aus dem Seinigen verbessert; oder zu
dessen Erhaltung außerordentliche Kosten verwendet, so gebührt ihm gleich einem
redlichen Besitzer der Ersatz; er haftet aber auch dafür, wenn durch sein
Verschulden der Werth verändert, oder die Zurückgabe vereitelt worden ist.
§. 1070. Der Vorbehalt des Wiederkaufes findet nur bei unbeweglichen Sachen
statt und gebührt dem Verkäufer nur für seine Lebenszeit. Er kann sein Recht
weder auf die Erben noch auf einen anderen übertragen. Ist das Recht in die
öffentlichen Bücher einverleibt, so kann die Sache auch einem Dritten
abgefordert werden und dieser wird nach Beschaffenheit seines redlichen oder
unredlichen Besitzes behandelt.
Kauf mit Vorbehalt des Rückverkaufes.
§. 1071. Den nähmlichen Beschränkungen unterliegt das von dem Käufer
ausbedungene Recht, die Sache dem Verkäufer wieder zurück zu verkaufen; und es
sind auf dasselbe die für den Wiederkauf ertheilten Vorschriften anzuwenden.
Ist aber die Bedingung des Wiederverkaufs oder Wiederkaufs verstellt, und
eigentlich, um ein Pfandrecht oder ein Borggeschäft zu verbergen, gebraucht
worden, so tritt die Vorschrift des §. 916 ein.
Vorbehalt des Vorkaufsrechtes.
§. 1072. Wer eine Sache mit der Bedingung verkauft, daß der Käufer, wenn er
solche wieder verkaufen will, ihm die Einlösung anbiethen soll, der hat das
Vorkaufsrecht.
§. 1073. Das Vorkaufsrecht ist in der Regel ein persönliches Recht. In
Rücksicht auf unbewegliche Güter kann es durch Eintragung in die öffentlichen
Bücher in ein dingliches verwandelt werden.
§. 1074. Auch kann das Vorkaufsrecht weder einem Dritten abgetreten, noch
auf die Erben des Berechtigten übertragen werden.
§. 1075. Der Berechtigte muß bewegliche Sachen binnen vier und zwanzig
Stunden; unbewegliche aber binnen dreyßig Tagen, nach der geschehenen
Anbiethung, wirklich einlösen. Nach Verlauf dieser Zeit ist das Vorkaufsrecht
erloschen.
§. 1076. Das Vorkaufsrecht hat im Falle einer gerichtlichen Feilbiethung
der mit diesem Rechte belasteten Sache keine andere Wirkung, als daß der den
öffentlichen Büchern einverleibte Berechtigte zur Feilbiethung insbesondere
vorgeladen werden muß.
§. 1077. Der zur Einlösung Berechtigte muß außer dem Falle einer andern
Verabredung, den vollständigen Preis, welcher von einem Dritten angebothen
worden ist, entrichten. Kann er die außer dem gewöhnlichen Kaufpreise angebothenen
Nebenbedingungen nicht erfüllen, und lassen sie sich auch durch einen
Schätzungswerth nicht ausgleichen; so kann das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt
werden.
§. 1078. Das Vorkaufsrecht läßt sich auf andere Veräußerungsarten ohne eine
besondere Verabredung nicht ausdehnen.
§. 1079. Hat der Besitzer dem Berechtigten die Einlösung nicht angebothen,
so muß er ihm für allen Schaden haften. Im Falle eines dinglichen
Vorkaufsrechtes kann die veräußerte Sache dem Dritten abgefordert werden, und
dieser wird nach Beschaffenheit seines redlichen oder unredlichen Besitzes
behandelt.
Kauf auf die Probe.
§. 1080. Der Kauf auf Probe ist unter der im Belieben des Käufers stehenden
Bedingung geschlossen, daß er die Ware genehmige. Die Bedingung ist im Zweifel
eine aufschiebende; der Käufer ist vor der Genehmigung an den Kauf nicht
gebunden, der Verkäufer hört auf, gebunden zu sein, wenn der Käufer bis zum
Ablaufe der Probezeit nicht genehmigt.
§. 1081. Ist die Sache zum Zwecke der Besichtigung oder Probe bereits
übergeben, so gilt Stillschweigen des Käufers bis nach Ablauf der Probezeit als
Genehmigung.
§. 1082. Ist bei einem Kauf auf Probe keine Probezeit vereinbart worden, so
kann der Verkäufer dem Käufer eine angemessene Frist als Probezeit setzen.
§. 1083. Wird das Kaufgeschäft mit dem Vorbehalte verabredet, daß der
Verkäufer, wenn sich binnen einer bestimmten Zeit ein besserer Käufer meldet,
denselben vorzuziehen befugt sey; so bleibt in dem Falle, daß das Kaufstück
nicht übergeben worden, die Wirklichkeit des Vertrages bis zum Eintritte der
Bedingung aufgeschoben.
§. 1084. Ist das Kaufstück übergeben worden, so ist der Kaufvertrag
abgeschlossen; er wird aber durch den Eintritt der Bedingung wieder aufgelöset.
Bey dem Mangel einer ausdrücklichen Zeitbestimmung wird der bey dem Kaufe auf
die Probe angenommene Zeitraum vermuthet.
§. 1085. Ob der neue Käufer besser sey, beurtheilet der Verkäufer. Er kann
den zweyten Käufer, wenn der erste auch noch mehr zahlen wollte, vorziehen. Bey
der Auflösung des Vertrages heben sich die Nutzungen der Sache und des Geldes
gegen einander auf. In Rücksicht der Verbesserungen oder Verschlimmerungen wird
der Käufer gleich einem redlichen Besitzer behandelt.
Verkaufsauftrag.
§. 1086. Wenn jemand seine bewegliche Sache einem Andern für einen gewissen
Preis zum Verkaufe übergibt, mit der Bedingung, daß ihm der Uebernehmer binnen
einer festgesetzten Zeit entweder das bestimmte Kaufgeld liefern oder die Sache
zurückstellen soll; so ist der Uebergeber vor Verlauf der Zeit die Sache zurück
zu fordern nicht berechtiget; der Uebernehmer aber muß nach deren Ablauf das
bestimmte Kaufgeld entrichten.
§. 1087. Während der
festgesetzten Zeit bleibt der Uebergeber Eigenthümer. Der Uebernehmer haftet
ihm für den durch sein Verschulden verursachten Schaden, und es werden ihm bey
Zurückstellung der Sache nur solche Kosten vergütet, die dem Uebergeber zum
Nutzen gereichen.
§. 1088. Ist die Sache
unbeweglich; oder ist der Preis, oder die Zahlungsfrist nicht bestimmt; so wird
der Uebernehmer wie ein Gewalthaber angesehen. In keinem Falle kann die zum
Verkaufe anvertraute Sache dem Dritten, welcher sie von dem Uebernehmer
redlicher Weise an sich gebracht hat, abgefordert werden. (§. 367.)
§. 1089. Auch bey gerichtlichen
Verkäufen finden die über Verträge, und den Tausch- und Kaufvertrag
insbesondere aufgestellten Vorschriften in der Regel Statt; in so fern nicht in
diesem Gesetze, oder in der Gerichtsordnung eigene Anordnungen enthalten sind.
Fünf u. zwanzigstes Hauptstück.
Von Bestand- Erbpacht- und Erbzins-Verträgen.
Bestandvertrag.
§. 1090. Der Vertrag, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren
Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, heißt
überhaupt Bestandvertrag.
I.) Mieth- und Pachtvertrag.
§. 1091. Der Bestandvertrag wird, wenn sich die in Bestand gegebene Sache
ohne weitere Bearbeitung gebrauchen läßt, ein Miethvertrag; wenn sie aber nur
durch Fleiß und Mühe benützt werden kann, ein Pachtvertrag genannt. Werden
durch einen Vertrag Sachen von der ersten und zweyten Art zugleich in Bestand
gegeben; so ist der Vertrag nach der Beschaffenheit der Hauptsache zu
beurtheilen.
Erfordernisse.
§. 1092. Mieth- und Pachtverträge können über die nähmlichen Gegenstände
und auf die nähmliche Art, als der Kaufvertrag geschlossen werden. Der Mieth-
und Pachtzins wird, wenn keine andere Uebereinkunft getroffen worden ist, wie
das Kaufgeld entrichtet.
§. 1093. Der Eigenthümer kann sowohl seine beweglichen und unbeweglichen
Sachen, als seine Rechte in Bestand geben; er kann aber auch in den Fall
kommen, den Gebrauch seiner eigenen Sache, wenn er einem Dritten gebührt, in
Bestand zu nehmen.
Wirkung.
§. 1094. Sind die vertragschließenden Theile über das Wesentliche des
Bestandes, nähmlich über die Sache und den Preis, übereingekommen; so ist der
Vertrag vollkommen abgeschlossen, und der Gebrauch der Sache für gekauft
anzusehen.
§. 1095. Wenn ein Bestandvertrag in die öffentlichen Bücher eingetragen
ist; so ist das Recht des Bestandnehmers als ein dingliches Recht zu
betrachten, welches sich auch der nachfolgende Besitzer auf die noch übrige
Zeit gefallen lassen muß.
Wechselseitige Rechte:
1) In Hinsicht auf Ueberlassung, Erhaltung, Benützung.
§. 1096. Vermieter und Verpächter sind verpflichtet, das Bestandstück auf
eigene Kosten in brauchbarem Stande zu übergeben und zu erhalten und die
Bestandinhaber in dem bedungenen Gebrauche oder Genusse nicht zu stören. Ist
das Bestandstück bei der Übergabe derart mangelhaft oder wird es während der
Bestandzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft, daß es zu dem
bedungenen Gebrauche nicht taugt, so ist der Bestandnehmer für die Dauer und in
dem Maße der Unbrauchbarkeit von der Entrichtung des Zinses befreit. Auf diese
Befreiung kann bei der Miete unbeweglicher Sachen im voraus nicht verzichtet
werden.
Der Pächter hat die gewöhnlichen Ausbesserungen der Wirtschaftsgebäude nur
insoweit selbst zu tragen, als sie mit den Materialien des Gutes und den
Diensten, die er nach der Beschaffenheit des Gutes zu fordern berechtigt ist,
bestritten werden können.
§. 1097. Werden Ausbesserungen nötig, welche dem Bestandgeber obliegen, so
ist der Bestandnehmer bei sonstigem Schadenersatz verpflichtet, dem
Bestandgeber ohne Verzug Anzeige zu machen. Der Bestandnehmer wird als ein
Geschäftsführer ohne Auftrag betrachtet, wenn er auf das Bestandstück einen dem
Bestandgeber obliegenden Aufwand (§ 1036) oder einen nützlichen Aufwand (§
1037) gemacht hat; er muß aber den Ersatz längstens binnen sechs Monaten nach
Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern, sonst ist die Klage
erloschen.
§. 1098. Mieter und Pächter sind berechtiget, die Miet- und Pachtstücke dem
Vertrage gemäß durch die bestimmte Zeit zu gebrauchen und zu benützen, oder
auch in Afterbestand zu geben, wenn es ohne Nachteil des Eigentümers geschehen
kann und im Vertrage nicht ausdrücklich untersagt worden ist.
2) Lasten;
§. 1099. Bey Vermiethungen trägt alle Lasten und Abgaben der Vermiether.
Bey eigentlichen Pachtungen, wenn sie in Pausch und Bogen geschehen, übernimmt
der Pächter, mit Ausschluß der eingetragenen Hypothecar-Lasten, alle übrige;
wird aber die Pachtung nach einem Anschlage geschlossen, so trägt er jene
Lasten, welche von dem Ertrage abgezogen worden sind, oder bloß von den
Früchten, und nicht von dem Grunde selbst entrichtet werden müssen.
3) Zins.
§. 1100. Ist nichts anderes vereinbart oder ortsüblich, so ist der Zins,
wenn eine Sache auf ein oder mehrere Jahre in Bestand genommen wird,
halbjährlich, bei einer kürzeren Bestandzeit hingegen nach Verlauf derselben zu
entrichten. Bei der Raummiete ist der Zins monatlich, und zwar jeweils am
Fünften des Monats, zu entrichten.
§. 1101. Zur Sicherstellung des Bestandzinses hat der Vermieter einer
unbeweglichen Sache das Pfandrecht an den eingebrachten, dem Mieter oder seinen
mit ihm in gemeinschaftlichem Haushalte lebenden Familienmitgliedern gehörigen
Einrichtungsstücken und Fahrnissen, soweit sie nicht der Pfändung entzogen
sind. Das Pfandrecht erlischt, wenn die Gegenstände vor ihrer pfandweisen
Beschreibung entfernt werden, es sei denn, daß dies infolge einer gerichtlichen
Verfügung geschieht und der Vermieter binnen drei Tagen nach dem Vollzuge sein
Recht bei Gericht anmeldet.
Zieht der Mieter aus oder werden Sachen verschleppt, ohne daß der Zins
entrichtet oder sichergestellt ist, so kann der Vermieter die Sachen auf eigene
Gefahr zurückbehalten, doch muß er binnen drei Tagen um die pfandweise
Beschreibung ansuchen oder die Sachen herausgeben.
Dem Verpächter eines Grundstückes steht in gleichem Umfange und mit
gleicher Wirkung das Pfandrecht an dem auf dem Pachtgute vorhandenen Vieh und
den Wirtschaftsgerätschaften und den darauf noch befindlichen Früchten zu.
§. 1102. Der Bestandgeber kann sich zwar die Vorausbezahlung des
Bestandzinses bedingen. Hat aber der Bestandnehmer mehr als eine Fristzahlung
voraus geleistet, so kann er dieselbe einem später eingetragenen Gläubiger oder
neuen Eigentümer nur dann entgegensetzen, wenn sie in dem öffentlichen Buch
ersichtlich gemacht ist.
Zins in Früchten.
§. 1103. Wenn der Eigenthümer sein Gut mit der Bedingung überläßt, daß der
Uebernehmer die Wirthschaft betreiben, und dem Uebergeber einen auf die ganze
Nutzung sich beziehenden Theil, z. B. ein Drittheil oder die Hälfte der Früchte
geben solle; so entsteht kein Pacht-, sondern ein Gesellschaftsvertrag, welcher
nach den darüber aufgestellten Regeln beurtheilet wird.
Fälle und Bedingungen einer Erlassung des Zinses.
§. 1104. Wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher
Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge,
oder wegen gänzlichen Mißwachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann,
so ist der Bestandgeber zur Wiederherstellung nicht verpflichtet, doch ist auch
kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten.
§. 1105. Behält der Mieter trotz eines solchen Zufalls einen beschränkten
Gebrauch des Mietstückes, so wird ihm auch ein verhältnismäßiger Teil des
Mietzinses erlassen. Dem Pächter gebührt ein Erlaß an dem Pachtzinse, wenn
durch außerordentliche Zufälle die Nutzungen des nur auf ein Jahr gepachteten
Gutes um mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages gefallen sind. Der
Verpächter ist so viel zu erlassen schuldig, als durch diesen Abfall an dem
Pachtzinse mangelt.
§. 1106. Hat der Bestandnehmer unbestimmt alle Gefahren auf sich genommen;
so werden darunter nur die Feuer-, Wasserschäden und Wetterschläge verstanden.
Andere außerordentliche Unglücksfälle kommen nicht auf seine Gefahr. Verbindet
er sich aber ausdrücklich, auch alle andere außerordentliche Unglücksfälle zu
tragen; so wird deßwegen noch nicht vermuthet, daß er auch für den zufälligen
Untergang des ganzen Pachtstückes haften wolle.
§. 1107. Wird der Gebrauch oder Genuß des Bestandstückes nicht wegen dessen
Beschädigung oder sonst entstandener Unbrauchbarkeit, sondern aus einem dem
Bestandnehmer zugestoßenen Hindernisse oder Unglücksfalle vereitelt, oder waren
zur Zeit der Beschädigung die Früchte von dem Grunde schon abgesondert, so
fällt die widrige Ereignung dem Bestandnehmer allein zur Last. Er muß den Zins
doch entrichten. Der Bestandgeber muß sich aber den ersparten Aufwand und die
Vorteile, die er durch anderweitige Verwertung des Bestandstückes erlangt,
anrechnen.
§. 1108. Behauptet der Pächter den Erlaß des ganzen Pachtzinses oder eines
Theiles davon entweder aus dem Vertrage oder aus dem Gesetze; so muß er dem
Verpächter ohne Zeitverlust den geschehenen Unglücksfall anzeigen, und die
Begebenheit, wenn sie nicht landkundig ist, gerichtlich, oder wenigstens durch
zwey sachkundige Männer erheben lassen; ohne diese Vorsicht wird er nicht
angehört.
4) Zurückstellung;
§. 1109. Nach geendigtem Bestandvertrage muß der Bestandnehmer die Sache
dem etwa errichteten Inventarium gemäß oder doch in dem Zustand, in welchem er
sie übernommen hat, gepachtete Grundstücke aber mit Rücksicht auf die
Jahreszeit, in welcher der Pacht geendigt worden ist, in gewöhnlicher
wirtschaftlicher Kultur zurückstellen. Weder ein Zurückbehaltungsrecht oder die
Einwendung der Kompensation noch selbst des früheren Eigentumsrechtes kann ihn
vor der Zurückstellung schützen.
§. 1110. Wenn bey dem Bestandvertrage kein Inventarium errichtet worden
ist; so tritt die nähmliche Vermuthung, wie bey der Fruchtnießung (§. 518) ein.
§. 1111. Wird das Mieth- oder Pachtstück beschädiget, oder durch Mißbrauch
abgenützt; so haften Miether und Pächter sowohl für ihr eigenes, als des
Afterbestandnehmers Verschulden, nicht aber für den Zufall. Doch muß der
Bestandgeber den Ersatz aus dieser Haftung längstens binnen Einem Jahre nach
Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern; sonst ist das Recht
erloschen.
5) Auflösung des Bestandvertrages:
a) durch Untergang der Sache;
§. 1112. Der Bestandvertrag löset sich von selbst auf, wenn die bestandene
Sache zu Grunde geht. Geschieht dieß aus Verschulden des einen Theiles, so
gebührt dem andern Ersatz; geschieht es durch einen Unglücksfall, so ist kein
Theil dem andern dafür verantwortlich.
b) Verlauf der Zeit;
§. 1113. Der Bestandvertrag erlischt auch durch den Verlauf der Zeit,
welcher ausdrücklich oder stillschweigend, entweder durch den nach einem
gewissen Zeitraume ausgemessenen Zins, wie bey so genannten Tag- Wochen- und
Monathzimmern, oder durch die erklärte, oder aus dem Umständen hervorleuchtende
Absicht des Bestandnehmers bedungen worden ist.
wenn keine Erneuerung geschieht;
§. 1114. Der Bestandvertrag kann aber nicht nur ausdrücklich; sondern auch
stillschweigend erneuert werden. Ist in dem Vertrage eine vorläufige
Aufkündigung bedungen worden; so wird der Vertrag durch die Unterlassung der
gehörigen Aufkündigung stillschweigend erneuert. Ist keine Aufkündigung
bedungen worden; so geschieht eine stillschweigende Erneuerung, wenn der
Bestandnehmer nach Verlauf der Bestandzeit fortfährt, die Sache zu gebrauchen
oder zu benützen, und der Bestandgeber es dabey bewenden läßt.
§. 1115. Die stillschweigende Erneuerung des Bestandvertrages geschieht
unter den nähmlichen Bedingungen, unter welchen er vorher geschlossen war. Doch
erstreckt sie sich bey Pachtung nur auf Ein Jahr; wenn aber der ordentliche
Genuß erst in einem spätern Zeitraume erfolgen kann, auf eine so lange Zeit als
nothwendig ist, um die Nutzungen einmahl beziehen zu können. Miethungen, wofür
man den Zins erst nach einem ganzen oder halben Jahre zu bezahlen pflegt,
werden auf ein halbes Jahr; alle kürzere Miethungen aber auf diejenige Zeit
stillschweigend erneuert, welche vorher durch den Bestandvertrag bestimmt war.
Von wiederhohlten Erneuerungen gilt das Nähmliche, was hier in Rücksicht der
ersten Erneuerung vorgeschrieben ist.
c) Aufkündigung;
§. 1116. In so fern die Dauer eines Bestandvertrages weder ausdrücklich,
noch stillschweigend, noch durch besondere Vorschriften bestimmt ist, muß
derjenige, welcher den Vertrag aufheben will, dem Andern die Pachtung sechs
Monathe; die Miethung einer unbeweglichen Sache vierzehn Tage; und einer
beweglichen vier und zwanzig Stunden vorher aufkündigen, als die Abtretung
erfolgen soll.
§. 1116a. Durch den Tod eines der vertragschließenden Teile wird der
Bestandvertrag nicht aufgeschoben. Wohnungsmieten können jedoch, wenn der
Mieter stirbt, ohne Rücksicht auf die vereinbarte Dauer sowohl von den Erben
des Mieters wie von dem Vermieter unter Einhaltung der gesetzlichen
Kündigungsfrist gelöst werden.
§. 1117. Der Bestandnehmer ist berechtigt, auch vor Verlauf der bedungenen Zeit
von dem Vertrag ohne Kündigung abzustehen, wenn das Bestandstück in einem
Zustand übergeben oder ohne seine Schuld in einen Zustand geraten ist, der es
zu dem bedungenen Gebrauch untauglich macht, oder wenn ein beträchtlicher Teil
durch Zufall auf eine längere Zeit entzogen oder unbrauchbar wird. Aus dem
Grunde der Gesundheitsschädlichkeit gemieteter Wohnräume steht dieses Recht dem
Mieter auch dann zu, wenn er im Vertrage darauf verzichtet oder die
Beschaffenheit der Räume beim Vertragsabschluß gekannt hat.
§. 1118. Der Bestandgeber kann seinerseits die frühere Aufhebung des
Vertrages fordern, wenn der Bestandnehmer der Sache einen erheblichen
nachtheiligen Gebrauch davon macht; wenn er nach geschehener Einmahnung mit der
Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, daß er mit Ablauf des Termines den
rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat; oder, wenn ein
vermiethetes Gebäude neu aufgeführt werden muß. Eine nützlichere Bauführung ist
der Miether zu seinem Nachtheile zuzulassen nicht schuldig, wohl aber
nothwendige Ausbesserungen.
§. 1119. Wenn dem Vermiether die Nothwendigkeit der neuen Bauführung schon
zur Zeit des geschlossenen Vertrages bekannt seyn mußte; oder, wenn die
Nothwendigkeit der durch längere Zeit fortzusetzenden Ausbesserungen aus
Vernachlässigung der kleinern Ausbesserungen entstanden ist; so muß dem Miether
für den vermißten Gebrauch eine angemessene Entschädigung geleistet werden.
d) Veräußerung der Sache.
§. 1120. Hat der Eigenthümer das Bestandstück an einen Andern veräußert,
und ihm bereits übergeben; so muß der Bestandinhaber, wenn sein Recht nicht in
die öffentlichen Bücher eingetragen ist (§. 1095), nach der gehörigen
Aufkündigung dem neuen Besitzer weichen. Er ist aber berechtiget, von dem
Bestandgeber in Rücksicht auf den erlittenen Schaden, und entgangenen Nutzen
eine vollkommene Genugthuung zu fordern.
§. 1121. Bei einer zwangsweisen gerichtlichen Veräußerung ist das
Bestandrecht, wenn es in die öffentlichen Bücher eingetragen ist, gleich einer
Dienstbarkeit zu behandeln. Hat der Ersteher das Bestandrecht nicht zu
übernehmen, so muß ihm der Bestandnehmer nach gehöriger Aufkündigung weichen.
§. 1122. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1123. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1124. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1125. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1126. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1127. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1128. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1129. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1130. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1131. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1132. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1133. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1134. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1135. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1136. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1137. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1138. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1139. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1140. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1141. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 – Deregulierungsgesetz
2006.)
§. 1142. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1143. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1144. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1145. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1146. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1147. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1148. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1149. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1150. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 4, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
Sechs u. zwanzigstes Hauptstück.
Von Verträgen über Dienstleistungen
Dienst- und Werkvertrag.
§. 1151. Wenn jemand sich auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für
einen anderen verpflichtet, so entsteht ein Dienstvertrag; wenn jemand die
Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt, ein Werkvertrag.
Insoweit damit eine Geschäftsbesorgung (§ 1002) verbunden ist, müssen auch
die Vorschriften über den Bevollmächtigungsvertrag beobachtet werden.
§. 1152. Ist im Vertrage kein Entgelt bestimmt und auch nicht
Unentgeltlichkeit vereinbart, so gilt ein angemessenes Entgelt als bedungen.
1. Dienstvertrag.
§. 1153. Wenn sich aus dem Dienstvertrage oder aus den Umständen nichts
anderes ergibt, hat der Dienstnehmer die Dienste in eigener Person zu leisten
und ist der Anspruch auf die Dienste nicht übertragbar. Soweit über Art und
Umfang der Dienste nichts vereinbart ist, sind die den Umständen nach
angemessenen Dienste zu leisten.
Anspruch auf das Entgelt.
§. 1154. Wenn nichts anderes vereinbart oder bei Diensten der betreffenden
Art üblich ist, ist das Entgelt nach Leistung der Dienste zu entrichten.
Ist das Entgelt nach Monaten oder kürzeren Zeiträumen bemessen, so ist es
am Schlusse des einzelnen Zeitraumes; ist es nach längeren Zeiträumen bemessen,
am Schlusse eines jeden Kalendermonats zu entrichten. Ein nach Stunden, nach
Stück oder Einzelleistungen bemessenes Entgelt ist für die schon vollendeten
Leistungen am Schlusse einer jeden Kalenderwoche, wenn es sich jedoch um
Dienste höherer Art handelt, am Schlusse eines jeden Kalendermonats zu
entrichten.
In jedem Falle wird das bereits verdiente Entgelt mit der Beendigung des
Dienstverhältnisses fällig.
§. 1154a. Der nach Stück oder Einzelleistungen entlohnte Dienstnehmer kann
einen den geleisteten Diensten und seinen Auslagen entsprechenden Vorschuß vor
Fälligkeit des Entgelts verlangen.
§. 1154b. Der Dienstnehmer behält seinen Anspruch auf das Entgelt, wenn er
nach Antritt des Dienstes durch Krankheit oder Unglücksfall an der
Dienstleistung verhindert ist, ohne dies vorsätzlich oder durch grobe
Fahrlässigkeit verschuldet zu haben, bis zur Dauer von sechs Wochen. Der
Anspruch auf das Entgelt erhöht sich auf die Dauer von acht Wochen, wenn das
Dienstverhältnis fünf Jahre, von zehn Wochen, wenn es 15 Jahre und von zwölf
Wochen, wenn es 25 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch jeweils weitere
vier Wochen behält der Dienstnehmer den Anspruch auf das halbe Entgelt.
Bei wiederholter Dienstverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall)
innerhalb eines Arbeitsjahres besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts
nur insoweit, als die Dauer des Anspruchs gemäß Abs. 1 noch nicht erschöpft
ist.
Wird ein Dienstnehmer durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit im Sinne der
Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung an der Leistung seiner
Dienste verhindert, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe
Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt
ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Dienstverhinderung bis zur Dauer von
acht Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt erhöht sich auf die Dauer von zehn
Wochen, wenn das Dienstverhältnis 15 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Bei
wiederholten Dienstverhinderungen, die im unmittelbaren ursächlichen
Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit stehen, besteht
ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts innerhalb eines Dienstjahres nur insoweit,
als die Dauer des Anspruchs nach dem ersten oder zweiten Satz noch nicht
erschöpft ist. Ist ein Dienstnehmer gleichzeitig bei mehreren Dienstgebern
beschäftigt, so entsteht ein Anspruch nach diesem Absatz nur gegenüber jenem
Dienstgeber, bei dem die Dienstverhinderung im Sinne dieses Absatzes
eingetreten ist; gegenüber den anderen Dienstgebern entstehen Ansprüche nach
Abs. 1.
Kur- und Erholungsaufenthalte, Aufenthalte in Heil- und Pflegeanstalten,
Rehabilitationszentren und Rekonvaleszentenheimen, die wegen eines
Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit von einem Träger der
Sozialversicherung, dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen gemäß § 12 Abs. 4 Opferfürsorgegesetz, einem Bundesamt für
Soziales und Behindertenwesen oder einer Landesregierung auf Grund eines
Behindertengesetzes auf deren Rechnung bewilligt oder angeordnet werden, sind
einer Dienstverhinderung gemäß Abs. 3 gleichzuhalten.
Der Dienstnehmer behält ferner den Anspruch auf das Entgelt, wenn er durch
andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während
einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Dienstleistung verhindert wird.
Durch Kollektivvertrag können von Abs. 5 abweichende Regelungen getroffen
werden, es sei denn, die Dienstverhinderung im Sinne des Abs. 5 besteht
aufgrund persönlicher Betroffenheit des Dienstnehmers oder der Dienstnehmerin
durch eine Katastrophe.
§. 1155. Auch für Dienstleistungen, die nicht zustande gekommen sind,
gebührt dem Dienstnehmer das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch
Umstände, die auf Seite des Dienstgebers liegen, daran gehindert worden ist; er
muß sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Dienstleistung
erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich
versäumt hat.
Wurde er infolge solcher Umstände durch Zeitverlust bei der Dienstleistung
verkürzt, so gebührt ihm angemessene Entschädigung.
Erlöschen der Ansprüche.
§. 1156. Die dem Dienstgeber nach § 1154b obliegenden Verpflichtungen erlöschen,
wenn das Dienstverhältnis infolge Ablaufes der Zeit, für die es eingegangen
wurde, oder infolge einer früheren Kündigung oder einer Entlassung endet, die
nicht durch die Erkrankung oder sonstige die Person des Dienstnehmers
betreffende wichtige Gründe im Sinne des § 1154b verursacht ist. Wird der
Dienstnehmer wegen der Verhinderung entlassen oder wird ihm während der
Verhinderung gekündigt, so bleibt die dadurch herbeigeführte Beendigung des
Dienstverhältnisses in Ansehung der bezeichneten Ansprüche außer Betracht.
§. 1156a. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 2, BGBl 2000/Nr. 44 –
Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000.)
Erlöschen der Ansprüche.
§. 1156b. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 3, BGBl 2000/Nr. 44 –
Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000.)
Fürsorgepflicht des Dienstgebers.
§. 1157. Der Dienstgeber hat die Dienstleistungen so zu regeln und
bezüglich der von ihm beizustellenden oder beigestellten Räume und
Gerätschaften auf seine Kosten dafür zu sorgen, daß Leben und Gesundheit des
Dienstnehmers, soweit es nach der Natur der Dienstleistung möglich ist,
geschützt werden.
Ist der Dienstnehmer in die Hausgemeinschaft des Dienstgebers aufgenommen,
so hat dieser in Ansehung des Wohn- und Schlafraumes, der Verpflegung sowie der
Arbeits- und Erholungszeit die mit Rücksicht auf Gesundheit, Sittlichkeit und
Religion des Dienstnehmers erforderlichen Anordnungen zu treffen.
Endigung des Dienstverhältnisses.
§. 1158. Das Dienstverhältnis endet mit dem Ablaufe der Zeit, für die es
eingegangen wurde.
Ein auf Probe oder nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfes
vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monates von beiden Teilen
jederzeit gelöst werden.
Ein für die Lebenszeit einer Person oder für länger als fünf Jahre
vereinbartes Dienstverhältnis kann von dem Dienstnehmer nach Ablauf von fünf
Jahren unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gelöst werden.
Ist das Dienstverhältnis ohne Zeitbestimmung eingegangen oder fortgesetzt
worden, so kann es durch Kündigung nach folgenden Bestimmungen gelöst werden.
Kündigungsfristen.
§. 1159. Eine Kündigung ist zulässig:
wenn bei einem Dienstverhältnisse, das keine Dienste höherer Art zum
Gegenstande hat, das Entgelt nach Stunden oder Tagen, nach Stück oder
Einzelleistungen bemessen ist, jederzeit für den folgenden Tag; wenn ein
solches Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit des Dienstnehmers hauptsächlich
in Anspruch nimmt und schon drei Monate gedauert hat oder wenn das Entgelt nach
Wochen bemessen ist, spätestens am ersten Werktage für den Schluß der
Kalenderwoche. Die Wirkung der Kündigung tritt im Falle der Entlohnung nach
Stück oder Einzelleistungen keinesfalls vor Vollendung der zur Zeit der
Kündigung in Ausführung begriffenen Leistungen ein.
§. 1159a. Wenn ein Dienstverhältnis, das Dienste höherer Art zum
Gegenstande hat, die Erwerbstätigkeit des Dienstnehmers hauptsächlich in
Anspruch nimmt und schon drei Monate gedauert hat, so ist ohne Rücksicht auf
die Art der Bemessung des Entgelts eine mindestens vierwöchentliche
Kündigungsfrist einzuhalten.
Dasselbe gilt überhaupt, wenn das Entgelt nach Jahren bemessen ist.
§. 1159b. In allen anderen Fällen kann das Dienstverhältnis unter
Einhaltung einer mindestens vierzehntägigen Kündigungsfrist gelöst werden.
§. 1159c. Die Kündigungsfrist muß immer für beide Teile gleich sein. Wurden
ungleiche Fristen vereinbart, so gilt für beide Teile die längere Frist.
Freizeit während der Kündigungsfrist
§. 1160. Bei Kündigung durch den Dienstgeber ist dem Dienstnehmer während
der Kündigungsfrist auf sein Verlangen wöchentlich mindestens ein Fünftel der
regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ohne Schmälerung des Entgelts
freizugeben.
Ansprüche nach Abs. 1 bestehen nicht, wenn der Dienstnehmer einen Anspruch
auf eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung hat, sofern eine
Bescheinigung über die vorläufige Krankenversicherung vom
Pensionsversicherungsträger ausgestellt wurde.
Abs. 2 gilt nicht bei Kündigung wegen Inanspruchnahme einer Gleitpension
gemäß § 253c ASVG.
Durch Kollektivvertrag können abweichende Regelungen getroffen werden.
Insolvenzverfahren.
§. 1161. Welche Wirkungen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen des Dienstgebers auf das Dienstverhältnis hat, bestimmt die
Insolvenzordnung.
Vorzeitige Auflösung.
§. 1162. Das Dienstverhältnis kann, wenn es für bestimmte Zeit eingegangen
wurde, vor Ablauf dieser Zeit, sonst aber ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist
von jedem Teile aus wichtigen Gründen gelöst werden.
§. 1162a. Wenn der Dienstnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt,
kann der Dienstgeber entweder dessen Wiedereintritt zur Dienstleistung nebst
Schadenersatz oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages verlangen.
Wird der Dienstnehmer wegen eines Verschuldens vorzeitig entlassen, so hat er
Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages zu leisten. Für die schon
bewirkten Leistungen, deren Entgelt noch nicht fällig ist, steht dem
Dienstnehmer ein Anspruch auf den entsprechenden Teil des Entgelts nur insoweit
zu, als sie nicht durch die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses für
den Dienstgeber ihren Wert ganz oder zum größten Teil eingebüßt haben.
§. 1162b. Wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer ohne wichtigen Grund
vorzeitig entläßt oder wenn ihn ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritte des
Dienstnehmers trifft, behält dieser, unbeschadet weitergehenden
Schadenersatzes, seine vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt für den
Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der
Vertragszeit oder durch ordnungsmäßige Kündigung hätte verstreichen müssen,
unter Anrechnung dessen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung
erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben
absichtlich versäumt hat. Soweit jedoch der oben genannte Zeitraum drei Monate
nicht übersteigt, kann der Dienstnehmer das ganze für diese Zeit gebührende
Entgelt ohne Abzug sofort fordern.
§. 1162c. Trifft beide Teile ein Verschulden an der vorzeitigen Lösung des
Dienstverhältnisses, so hat der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob
und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt.
§. 1162d. Ansprüche wegen vorzeitigen Austrittes oder vorzeitiger
Entlassung im Sinne der §§ 1162a und 1162b müssen bei sonstigem Ausschlusse
binnen sechs Monaten nach Ablauf des Tages, an dem sie erhoben werden konnten,
gerichtlich geltend gemacht werden.
Zeugnis.
§. 1163. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses ist dem Dienstnehmer auf
sein Verlangen ein schriftliches Zeugnis über die Dauer und Art der
Dienstleistung auszustellen. Verlangt der Dienstnehmer während der Dauer des
Dienstverhältnisses ein Zeugnis, so ist ihm ein solches auf seine Kosten
auszustellen. Eintragungen und Anmerkungen im Zeugnisse, durch die dem
Dienstnehmer die Erlangung einer neuen Stellung erschwert wird, sind
unzulässig.
Zeugnisse des Dienstnehmers, die sich in Verwahrung des Dienstgebers
befinden, sind dem Dienstnehmer auf Verlangen jederzeit auszufolgen.
Zwingende Vorschriften
§. 1164. Die Berechtigungen des Dienstnehmers, die sich aus den
Bestimmungen der §§ 1154 Abs. 3, 1154b Abs. 1 bis 4, 1156 bis 1159b, 1160 und
1162a bis 1163 ergeben, können durch den Dienstvertrag oder durch Normen der
kollektiven Rechtsgestaltung nicht aufgehoben oder beschränkt werden.
Die §§ 1154b, 1156 und 1164 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr.
44/2000 sind auf Dienstverhinderungen anzuwenden, die in nach dem 31. Dezember
2000 begonnenen Arbeitsjahren eingetreten sind.
Die verlängerte Anspruchsdauer nach § 1154b Abs. 1 in der Fassung des
Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 44/2000 bewirkt keine Verlängerung einer in Normen
der kollektiven Rechtsgestaltung oder Dienstverträgen vorgesehenen längeren
Anspruchsdauer. Sehen Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder
Dienstverträge einen zusätzlichen Anspruch im Anschluss an den Anspruch nach §
1154b Abs. 1 vor, wird die Gesamtdauer der Ansprüche nicht verlängert.
Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 44/2000 für
die Dienstnehmer günstigere Regelungen in Dienstverträgen oder in Normen der
kollektiven Rechtsgestaltung werden durch die Neuregelung des Bundesgesetzes
BGBl. I Nr. 44/2000 nicht berührt.
Dienstzettel für das freie Dienstverhältnis
§. 1164a. Liegt ein freies Dienstverhältnis (§ 4 Abs. 4 Allgemeines
Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955, in der jeweils geltenden Fassung)
vor, so hat der Dienstgeber dem freien Dienstnehmer unverzüglich nach dessen
Beginn eine schriftliche Aufzeichnung über die wesentlichen Rechte und
Pflichten aus dem freien Dienstvertrag (Dienstzettel) auszuhändigen. Solche
Aufzeichnungen sind von Stempel- und unmittelbaren Gebühren befreit. Der
Dienstzettel hat folgende Angaben zu enthalten:
1. Name und Anschrift des Dienstgebers,
2. Name und Anschrift des freien Dienstnehmers,
3. Beginn des freien Dienstverhältnisses,
4. bei freien Dienstverhältnissen auf bestimmte Zeit das Ende des freien
Dienstverhältnisses,
5. Dauer der Kündigungsfrist, Kündigungstermin,
6. vorgesehene Tätigkeit,
7. Entgelt, Fälligkeit des Entgelts.
Hat der freie Dienstnehmer seine Tätigkeit länger als einen Monat im
Ausland zu verrichten, so hat der vor der Aufnahme der Auslandstätigkeit
auszuhändigende Dienstzettel oder schriftliche freie Dienstvertrag zusätzlich
folgende Angaben zu enthalten:
1. voraussichtliche Dauer der Auslandstätigkeit,
2. Währung, in der das Entgelt auszuzahlen ist, sofern es nicht in Euro
auszuzahlen ist,
3. allenfalls Bedingungen für die Rückführung nach Österreich und
4. allfällige zusätzliche Vergütung für die Auslandstätigkeit.
Keine Verpflichtung zur Aushändigung eines Dienstzettels besteht, wenn
1. die Dauer des freien Dienstverhältnisses höchstens einen Monat beträgt
oder
2. ein schriftlicher freier Dienstvertrag ausgehändigt wurde, der alle in
Abs. 1 und 2 genannten Angaben enthält, oder
3. bei Auslandstätigkeit die in Abs. 2 genannten Angaben in anderen
schriftlichen Unterlagen enthalten sind.
Jede Änderung der Angaben gemäß Abs. 1 und 2 ist dem freien Dienstnehmer
unverzüglich, spätestens jedoch einen Monat nach ihrer Wirksamkeit schriftlich mitzuteilen,
es sei denn, die Änderung erfolgte durch Änderung von Gesetzen.
Hat das freie Dienstverhältnis bereits am 1. Juli 2004 bestanden, so ist
dem freien Dienstnehmer auf sein Verlangen binnen zwei Monaten ein Dienstzettel
gemäß Abs. 1 auszuhändigen. Eine solche Verpflichtung des Dienstgebers besteht
nicht, wenn ein früher ausgestellter Dienstzettel oder ein schriftlicher
Vertrag über das freie Dienstverhältnis alle nach diesem Bundesgesetz
erforderlichen Angaben enthält.
Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 5 können durch den freien Dienstvertrag
weder aufgehoben noch beschränkt werden.
2. Werkvertrag.
§. 1165. Der Unternehmer ist verpflichtet, das Werk persönlich auszuführen
oder unter seiner persönlichen Verantwortung ausführen zu lassen.
§. 1166. Hat derjenige, der die Verfertigung einer Sache übernommen hat,
den Stoff dazu zu liefern, so ist der Vertrag im Zweifel als Kaufvertrag;
liefert aber der Besteller den Stoff, im Zweifel als Werkvertrag zu betrachten.
Gewährleistung
§. 1167. Bei Mängeln des Werkes kommen die für entgeltliche Verträge
überhaupt geltenden Bestimmungen (§§ 922 bis 933b) zur Anwendung.
Vereitlung der Ausführung.
§. 1168. Unterbleibt die Ausführung des Werkes, so gebührt dem Unternehmer
gleichwohl das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch
Umstände, die auf Seite des Besteller liegen daran verhindert worden ist; er
muß sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder
durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt
hat. Wurde er infolge solcher Umstände durch Zeitverlust bei der Ausführung des
Werkes verkürzt, so gebührt ihm angemessene Entschädigung.
Unterbleibt eine zur Ausführung des Werkes erforderliche Mitwirkung des
Bestellers, so ist der Unternehmer auch berechtigt, ihm zur Nachholung eine
angemessene Frist zu setzen mit der Erklärung, daß nach fruchtlosem
Verstreichen der Frist der Vertrag als aufgehoben gelte.
§. 1168a. Geht das Werk vor seiner Übernahme durch einen bloßen Zufall
zugrunde, so kann der Unternehmer kein Entgelt verlangen. Der Verlust des
Stoffes trifft denjenigen Teil, der ihn beigestellt hat. Mißlingt aber das Werk
infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffes oder
offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers, so ist der Unternehmer für den
Schaden verantwortlich, wenn er den Besteller nicht gewarnt hat.
Fürsorgepflicht.
§. 1169. Die Bestimmungen des § 1157, mit Ausnahme der die Regelung der
Dienstleistungen und die Arbeits- und Erholungszeit betreffenden, finden auf
den Werkvertrag sinngemäße Anwendung.
Entrichtung des Entgelts.
§. 1170. In der Regel ist das Entgelt nach vollendetem Werk zu entrichten.
Wird aber das Werk in gewissen Abteilungen verrichtet oder sind Auslagen damit
verbunden, die der Unternehmer nicht auf sich genommen hat, so ist dieser
befugt, einen verhältnismäßigen Teil des Entgelts und den Ersatz der gemachten
Auslagen schon vorher zu fordern.
§. 1170a. Ist dem Vertrage ein Kostenvoranschlag unter ausdrücklicher
Gewährleistung für seine Richtigkeit zugrunde gelegt, so kann der Unternehmer
auch bei unvorhergesehener Größe oder Kostspieligkeit der voranschlagten
Arbeiten keine Erhöhung des Entgelts fordern.
Ist ein Voranschlag ohne Gewährleistung zugrunde gelegt und erweist sich
eine beträchtliche Überschreitung als unvermeidlich, so kann der Besteller
unter angemessener Vergütung der vom Unternehmer geleisteten Arbeit vom
Vertrage zurücktreten. Sobald sich eine solche Überschreitung als unvermeidlich
herausstellt, hat der Unternehmer dies dem Besteller unverzüglich anzuzeigen,
widrigenfalls er jeden Anspruch wegen der Mehrarbeiten verliert.
Sicherstellung bei Bauverträgen
§. 1170b. Der Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage zu einem
Bauwerk oder eines Teils hievon kann vom Besteller ab Vertragsabschluss für das
noch ausstehende Entgelt eine Sicherstellung bis zur Höhe eines Fünftels des
vereinbarten Entgelts, bei Verträgen, die innerhalb von drei Monaten zu
erfüllen sind, aber bis zur Höhe von zwei Fünfteln des vereinbarten Entgelts,
verlangen. Dieses Recht kann nicht abbedungen werden. Als Sicherstellung können
Bargeld, Bareinlagen, Sparbücher, Bankgarantien oder Versicherungen dienen. Die
Kosten der Sicherstellung hat der Sicherungsnehmer zu tragen, soweit sie pro
Jahr zwei von Hundert der Sicherungssumme nicht übersteigen. Die
Kostentragungspflicht entfällt, wenn die Sicherheit nur mehr wegen Einwendungen
des Bestellers gegen den Entgeltanspruch aufrechterhalten werden muss und die
Einwendungen sich als unbegründet erweisen.
Sicherstellungen nach Abs. 1 sind binnen angemessener, vom Unternehmer
festzusetzender Frist zu leisten. Kommt der Besteller dem Verlangen des
Unternehmers auf Leistung einer Sicherstellung nicht, nicht ausreichend oder
nicht rechtzeitig nach, so kann der Unternehmer seine Leistung verweigern und
unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären (§
1168 Abs. 2).
Abs. 1 und 2 gelten nicht, wenn der Werkbesteller eine juristische Person
des öffentlichen Rechts oder ein Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 und
Abs. 3 KSchG ist.
Erlöschen durch Tod.
§. 1171. Ein Werkvertrag über Arbeiten, bei denen es auf die besonderen
persönlichen Eigenschaften des Unternehmers ankommt, erlischt durch dessen Tod
und seine Erben können nur den Preis für den zubereiteten brauchbaren Stoff und
einen dem Werte der geleisteten Arbeit angemessenen Teil des Entgelts fordern.
Stirbt der Besteller, so bleiben die Erben an den Vertrag gebunden.
3. Verlagsvertrag.
§. 1172. Durch den Verlagsvertrag verpflichtet sich der Urheber eines
Werkes der Literatur, der Tonkunst oder der bildenden Künste oder sein
Rechtsnachfolger, das Werk einem anderen zur Vervielfältigung und Verbreitung
für eigene Rechnung zu überlassen, dieser (der Verleger) dagegen, das Werk zu
vervielfältigen und die Vervielfältigungsstücke zu verbreiten.
§. 1173. Wurde über die Anzahl der Auflagen nichts bestimmt, so ist der
Verleger nur zu einer Auflage berechtigt. Vor dem Absatze der Auflage darf der
Urheber über das Werk nur dann anderweitig verfügen, wenn er dem Verleger eine
angemessene Schadloshaltung leistet.
4. Leistung zu unerlaubtem Zweck.
§. 1174. Was jemand wissentlich zur Bewirkung einer unmöglichen oder
unerlaubten Handlung gegeben hat, kann er nicht wieder zurückfordern. Inwiefern
es der Fiskus einzuziehen berechtigt sei, bestimmen die politischen
Verordnungen. Ist aber etwas zur Verhinderung einer unerlaubten Handlung
demjenigen der diese Handlung begehen wollte, gegeben worden, so findet die
Zurückforderung statt.
Ein zum Zweck eines verbotenen Spieles gegebenes Darlehen kann nicht
zurückgefordert werden.
Siebenundzwanzigstes Hauptstück
Von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Begriff und Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
§. 1175. Schließen sich zwei oder mehrere Personen durch einen Vertrag
zusammen, um durch eine bestimmte Tätigkeit einen gemeinsamen Zweck zu
verfolgen, so bilden sie eine Gesellschaft. Sofern sie keine andere
Gesellschaftsform wählen, bilden sie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts im
Sinn dieses Hauptstücks.
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist nicht rechtsfähig.
Sie kann jeden erlaubten Zweck verfolgen und jede erlaubte Tätigkeit zum
Gegenstand haben.
Die Bestimmungen dieses Hauptstücks sind auch auf andere Gesellschaften
anzuwenden, soweit für diese keine besonderen Vorschriften bestehen und die
Anwendung dieser Bestimmungen auch unter Berücksichtigung der für die jeweilige
Gesellschaft geltenden Grundsätze angemessen ist.
Innen- und Außengesellschaft
§. 1176. Die Gesellschafter können die Gesellschaft auf ihr Verhältnis
untereinander beschränken (Innengesellschaft) oder gemeinschaftlich im
Rechtsverkehr auftreten (Außengesellschaft). Ist der Gegenstand der
Gesellschaft der Betrieb eines Unternehmens oder führen die Gesellschafter
einen gemeinsamen Gesellschaftsnamen (§ 1177), so wird vermutet, dass die
Gesellschafter eine Außengesellschaft vereinbaren wollten.
Haben die Gesellschafter in den Fällen des Abs. 1 zweiter Satz eine
Außengesellschaft vertraglich ausgeschlossen, so kann dieser Umstand einem
Dritten nur entgegengehalten werden, wenn dieser wusste oder hätte wissen
müssen, dass es sich bloß um eine Innengesellschaft handelt.
Gesellschaftsname
§. 1177. Wenn die Gesellschafter unter einem gemeinsamen Namen auftreten,
muss dieser auf das Bestehen einer solchen Gesellschaft hindeuten, zur
Kennzeichnung der Gesellschaft geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen.
Er darf über die Verhältnisse der Gesellschaft nicht in die Irre führen.
Wer in Angelegenheiten der Gesellschaft für alle Gesellschafter gemeinsam
auftritt, hat jedem, der ein rechtliches Interesse daran hat, die Identität und
die Anschrift der Gesellschafter offenzulegen.
Gesellschaftsvermögen
§. 1178. Zum Gesellschaftsvermögen gehören das der Gesellschaft gewidmete
Eigentum, die sonstigen gesellschaftsbezogenen Sachenrechte, die
gesellschaftsbezogenen Vertragsverhältnisse, Forderungen und Verbindlichkeiten
und die gesellschaftsbezogenen Immaterialgüterrechte sowie der jeweils daraus
verschaffte Nutzen, die daraus gewonnenen Früchte und alles, was an Stelle
bestehender Vermögenswerte zufließt.
Vom Gesellschaftsvermögen zu unterscheiden ist das sonstige Vermögen der
einzelnen Gesellschafter. Gegen eine Forderung, die zum Gesellschaftsvermögen
gehört, kann der Schuldner nicht mit einer ihm gegen einen einzelnen
Gesellschafter zustehenden Forderung aufrechnen.
Einbringung des Gesellschaftsvermögens
§. 1179. Der Gesellschaftsvertrag ist ein Titel für die Bildung und den
Erwerb von Gesellschaftsvermögen. Dessen Einbringung bedarf der jeweils
allgemein erforderlichen Übergabe oder Verfügung.
Wenn nach dem Gesellschaftsvertrag das ganze Vermögen einzubringen ist, so
ist darunter nur das gegenwärtige zu verstehen. Soll aber auch das künftige
Vermögen eingebracht werden, so ist darunter nicht das geerbte oder das
geschenkte zu verstehen.
Vermögensordnung
§. 1180. Soweit nichts anderes vereinbart ist, stehen körperliche Sachen,
die von Gesellschaftern in das Gesellschaftsvermögen übertragen oder für das
Gesellschaftsvermögen (§ 1178 Abs. 1) erworben worden sind, im Miteigentum der
Gesellschafter; unkörperliche Sachen, insbesondere schuldrechtliche
Forderungen, sind den Gesellschaftern zur gesamten Hand zugeordnet.
Im Gesellschaftsvertrag können der Gesellschaft Sachen auch bloß zum
Gebrauch zur Verfügung gestellt oder im Innenverhältnis so behandelt werden,
als ob sie allen gemeinsam gehörten.
2. Abschnitt
Rechtsverhältnisse der Gesellschafter untereinander
Gestaltungsfreiheit
§. 1181. Die Rechtsverhältnisse der Gesellschafter untereinander richten
sich nach dem Gesellschaftsvertrag; die Vorschriften dieses Abschnitts finden
nur insoweit Anwendung, als nicht durch den Gesellschaftsvertrag anderes
bestimmt ist.
Gesellschaftsanteil und Beiträge der Gesellschafter
§. 1182. Der Gesellschaftsanteil ist die Summe der
gesellschaftsvertraglichen Rechte und Pflichten eines Gesellschafters gegenüber
allen übrigen Gesellschaftern. Ein Gesellschafter kann nicht ohne Zustimmung
aller Gesellschafter über seinen Gesellschaftsanteil verfügen.
Das Ausmaß der Kapitalbeteiligung der Gesellschafter an der Gesellschaft
bestimmt sich nach dem Verhältnis des Wertes der vereinbarten Einlagen
(Kapitalanteil). Im Zweifel sind die Gesellschafter zu gleichen Teilen
beteiligt. Soweit nichts anderes vereinbart ist, sind die Gesellschafter im
gleichen Ausmaß zur Mitwirkung an der Förderung des Gesellschaftszwecks
verpflichtet.
Der Beitrag eines Gesellschafters kann sich auch auf die Leistung von
Diensten beschränken (Arbeitsgesellschafter). Einem solchen Gesellschafter kann
im Gesellschaftsvertrag eine Beteiligungsquote zuerkannt werden, so als ob er
einen Kapitalanteil geleistet hätte. Andernfalls steht ihm für seine Mitwirkung
bloß ein angemessener Betrag des Jahresgewinns zu (§ 1195 Abs. 4).
Verzinsungspflicht
§. 1183. Ein Gesellschafter, der seine Geldeinlage nicht zur rechten Zeit
einzahlt, eingenommenes Gesellschaftsgeld nicht zur rechten Zeit an das
Gesellschaftsvermögen abführt oder unbefugt Geld aus dem Gesellschaftsvermögen
entnimmt, hat Zinsen von dem Tag an zu entrichten, an dem die Zahlung oder die
Ablieferung hätte geschehen sollen oder die Herausnahme des Geldes erfolgt ist.
Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
Nachschuss
§. 1184. Die Gesellschafter sind nicht verpflichtet, Nachschüsse zur
vertraglich zugesagten Einlage zu leisten.
Auch ohne Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag können die Gesellschafter
mit Stimmenmehrheit (§ 1192 Abs. 2) die Leistung von Nachschüssen im Verhältnis
ihrer Kapitalanteile beschließen, wenn die Fortführung der Gesellschaft sonst
nicht möglich wäre. Ein Gesellschafter, der dem Beschluss nicht zugestimmt hat
und den Nachschuss nicht leistet, kann innerhalb angemessener Frist aus der
Gesellschaft austreten oder aufgrund einer Klage der übrigen Gesellschafter vom
Gericht aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Auf das Austrittsrecht kann
im Vorhinein nicht verzichtet werden. Für die Auseinandersetzung mit dem
ausgetretenen oder ausgeschlossenen Gesellschafter und für die Ermittlung
seiner Beteiligung an schwebenden Geschäften ist der Zeitpunkt der
Beschlussfassung über die Nachschusspflicht maßgeblich.
Ersatz für Aufwendungen und Verluste, Herausgabepflicht
§. 1185. Macht der Gesellschafter in den Gesellschaftsangelegenheiten
Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, oder
erleidet er unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder aus Gefahren, die mit
ihr untrennbar verbunden sind, Verluste in seinem sonstigen Vermögen, so sind
ihm, wenn er nicht sogleich Ersatz aus dem Gesellschaftsvermögen erhält, die
übrigen Gesellschafter entsprechend ihrem Anteil zum Ersatz verpflichtet.
Aufgewendetes Geld ist von der Zeit der Aufwendungen an zu verzinsen.
Für die Aufwendungen, die zur Erledigung der Gesellschaftsangelegenheiten
nötig sind und nicht aus dem Gesellschaftsvermögen getragen werden können, kann
ein Gesellschafter von den übrigen Gesellschaftern entsprechend ihrem Anteil
verhältnismäßig einen Vorschuss verlangen.
Ein Gesellschafter hat alles, was er zur Führung der Geschäfte erhält und
was er aus der Geschäftsführung erlangt, an das Gesellschaftsvermögen
abzuführen.
Mitwirkung, Interessenwahrung und Gleichbehandlung
§. 1186. Die Gesellschafter haben an der gesellschaftlichen Willensbildung
und den zu treffenden Maßnahmen nach Kräften und mit gebotener Sorgfalt
mitzuwirken, den Gesellschaftszweck redlich zu fördern und alles zu
unterlassen, was den Gesellschaftsinteressen schadet.
Die Gesellschafter sind unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln.
Verbot schädlicher Nebengeschäfte
§. 1187. Die Gesellschafter dürfen kein der Gesellschaft schädliches
Nebengeschäft unternehmen. Für unternehmerisch tätige Gesellschaften gelten
überdies die unternehmensrechtlichen Vorschriften über Wettbewerbsverbote und
deren Rechtsfolgen.
Durchsetzung von Gesellschaftsansprüchen
§. 1188. Die Erfüllung gesellschaftsbezogener Verpflichtungen eines
Gesellschafters kann von jedem Gesellschafter zugunsten aller Gesellschafter
gemeinsam eingefordert werden. Davon abweichende Vereinbarungen sind unwirksam.
Geschäftsführung
§. 1189. Zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft sind alle
Gesellschafter berechtigt und verpflichtet.
Überträgt der Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführung einem einzelnen
Gesellschafter oder mehreren Gesellschaftern, so sind die übrigen
Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen.
Die Geschäfte sind so sorgfältig zu führen, wie es Art und Umfang der
Gesellschaft erfordern. Die geschäftsführenden Gesellschafter sind
verpflichtet, über das Gesellschaftsvermögen, insbesondere über die Einnahmen
und Ausgaben, die notwendigen Aufzeichnungen zu führen und soweit erforderlich
ein Rechnungswesen einzurichten.
Ein Gesellschafter darf im Zweifel die Führung der Geschäfte nicht einem
Dritten übertragen. Ist die Übertragung gestattet, so hat er nur ein ihm bei
der Übertragung zur Last fallendes Verschulden zu vertreten. Das Verschulden
eines Gehilfen hat er in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden.
Geschäftsführung durch mehrere Gesellschafter, Weisungsgebundenheit
§. 1190. Steht die Geschäftsführung allen oder mehreren Gesellschaftern zu,
so ist im Rahmen der gewöhnlichen Geschäfte jeder von ihnen allein zu handeln
berechtigt; widerspricht jedoch ein anderer geschäftsführender Gesellschafter
der Vornahme einer Handlung, so muss diese unterbleiben.
Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass die Gesellschafter, denen die
Geschäftsführung zusteht, nur zusammen handeln können, so bedarf es für jedes Geschäft
der Zustimmung aller geschäftsführenden Gesellschafter, es sei denn, dass
Gefahr im Verzug ist.
Ist ein Gesellschafter an die Weisungen der übrigen Gesellschafter
gebunden, so kann er von den ihm erteilten Weisungen abweichen, wenn er den
Umständen nach annehmen darf, dass die übrigen Gesellschafter bei Kenntnis der
Sachlage die Abweichung billigen würden. Er hat die Abweichung den übrigen
Gesellschaftern anzuzeigen und ihre Entscheidung abzuwarten, wenn nicht Gefahr
im Verzug ist.
Umfang der Geschäftsführungsbefugnis
§. 1191. Die Befugnis zur Geschäftsführung erstreckt sich auf alle
Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb der Gesellschaft mit sich
bringt.
Zur Vornahme von Handlungen, die darüber hinausgehen (außergewöhnliche
Geschäfte), ist ein einstimmiger Beschluss aller Gesellschafter erforderlich.
Zur Einräumung einer Vollmacht gemäß § 1008 bedarf es der Zustimmung aller
geschäftsführenden Gesellschafter, es sei denn, dass Gefahr im Verzug ist. Der
Widerruf einer solchen Vollmacht kann von jedem der zur Erteilung oder zur
Mitwirkung bei der Erteilung befugten Gesellschafter erfolgen.
Gesellschafterbeschlüsse
§. 1192. Gesellschafterbeschlüsse erfordern die Zustimmung aller zur
Mitwirkung bei der
Beschlussfassung berufenen Gesellschafter.
Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden,
so bestimmt sie sich nach den abgegebenen gültigen Stimmen. Das Stimmgewicht
entspricht den Beteiligungsverhältnissen. Sind nicht alle Gesellschafter am
Kapital beteiligt, wird die Mehrheit nach Köpfen berechnet.
Arbeitsgesellschafter, denen der Gesellschaftsvertrag einen am Wert ihrer
Arbeit orientierten Kapitalanteil zubilligt, gelten als am Kapital beteiligt.
Entziehung und Kündigung der Geschäftsführungsbefugnis
§. 1193. Die Befugnis eines Gesellschafters zur Geschäftsführung kann einem
Gesellschafter aufgrund einer Klage aller übrigen Gesellschafter durch
gerichtliche Entscheidung entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt;
ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur
ordnungsgemäßen Geschäftsführung.
Ein Gesellschafter kann seine Befugnis zur Geschäftsführung kündigen, wenn
ein wichtiger Grund vorliegt. Auf dieses Recht kann nicht verzichtet werden.
Die Geschäftsführung darf nur in der Art gekündigt werden, dass die
Gesellschafter für die Führung der Geschäfte anderweitig Vorsorge treffen
können, es sei denn, dass der wichtige Grund auch die unzeitige Kündigung
rechtfertigt.
Kontrollrechte der Gesellschafter
§. 1194. Ein geschäftsführender Gesellschafter ist verpflichtet, jedem
anderen Gesellschafter die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen
über den Stand der Geschäfte Auskunft zu erteilen und Rechenschaft abzulegen.
Ein Gesellschafter kann sich, auch wenn er von der Geschäftsführung
ausgeschlossen ist, von den Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich
unterrichten, die Aufzeichnungen der Gesellschaft einsehen und sich aus ihnen
eine Abrechnung anfertigen oder die Vorlage einer solchen Abrechnung fordern.
Eine Vereinbarung, durch die dieses Recht ausgeschlossen oder beschränkt
wird, ist unwirksam.
Gewinn und Verlust
§. 1195. Am Schluss jedes Geschäftsjahres wird auf Grund einer
Jahresabrechnung der Gewinn oder Verlust ermittelt und der Anteil jedes
Gesellschafters daran berechnet.
Sofern alle Gesellschafter in gleichem Ausmaß zur Mitwirkung verpflichtet
sind, wird der Gewinn und Verlust eines Geschäftsjahres den Gesellschaftern im
Verhältnis ihrer Kapitalanteile zugewiesen (§ 1182 Abs. 2). Enthält der
Gesellschaftsvertrag eine abweichende Bestimmung nur über den Anteil am Gewinn
oder über den Anteil am Verlust, so gilt sie im Zweifel für Gewinn und Verlust.
Sind die Gesellschafter nicht in gleichem Ausmaß zur Mitwirkung
verpflichtet, so ist dies bei der Zuweisung des Gewinns angemessen zu
berücksichtigen.
Einem Arbeitsgesellschafter, dem für seine Dienste keine Beteiligung an der
Gesellschaft gewährt wird, ist ein den Umständen nach angemessener Betrag des
Jahresgewinns zuzuweisen. Der diesen Betrag übersteigende Teil des Jahresgewinns
wird sodann den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung zugewiesen.
Die Gesellschafterstellung steht der Vereinbarung eines Entgelts für der
Gesellschaft geleistete Dienste nicht entgegen.
Gewinnausschüttung und Entnahmen
§. 1196. Jeder Gesellschafter hat Anspruch auf Auszahlung seines
Gewinnanteils. Der Anspruch kann nicht geltend gemacht werden, soweit die
Auszahlung zum offenbaren Schaden der Gesellschaft gereicht, die Gesellschafter
etwas anderes beschließen oder der Gesellschafter vereinbarungswidrig seine
Einlage nicht geleistet hat.
Im Übrigen ist ein Gesellschafter nicht befugt, ohne Einwilligung der
anderen Gesellschafter Entnahmen zu tätigen.
3. Abschnitt
Rechtsverhältnisse zu Dritten
Vertretung
§. 1197. Wenn der Gesellschaftsvertrag einer Außengesellschaft nichts
anderes vorsieht, deckt sich die Befugnis zur Vertretung aller Gesellschafter
in Gesellschaftsangelegenheiten mit der Befugnis zur Geschäftsführung.
Bei einer unternehmerisch tätigen Außengesellschaft werden alle Gesellschafter
aus dem Handeln eines Gesellschafters im Namen der Gesellschaft auch dann
berechtigt und verpflichtet, wenn dieser Gesellschafter nicht, nicht allein
oder nur beschränkt vertretungsbefugt war, der Dritte den Mangel der
Vertretungsbefugnis aber weder kannte noch kennen musste. Dasselbe gilt für
nicht unternehmerisch tätige Außengesellschaften, wenn sich die Gesellschafter
als Unternehmer an der Gesellschaft beteiligen.
Bei Gesamtvertretung genügt die Abgabe einer gesellschaftsbezogenen Willenserklärung
gegenüber einem der zur Mitwirkung an der Vertretung befugten Gesellschafter
(passive Einzelvertretung).
Wer, ohne Gesellschafter zu sein, mit der Vertretung in
Gesellschaftsangelegenheiten betraut wird, vertritt die Gesellschafter nach
Maßgabe der erteilten Vollmacht.
Entziehung der Vertretungsmacht
§. 1198. Die Vertretungsmacht kann einem Gesellschafter aufgrund einer
Klage aller übrigen Gesellschafter durch gerichtliche Entscheidung entzogen
werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere
grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Vertretung der
Gesellschaft.
Haftung der Gesellschafter
§. 1199. Für gesellschaftsbezogene Verbindlichkeiten gegenüber Dritten
haften die Gesellschafter als Gesamtschuldner, wenn mit diesen nichts anderes
vereinbart ist.
Aus Rechtsgeschäften, die ein Gesellschafter auf Rechnung der Gesellschaft,
aber im eigenen Namen abschließt, wird er allein dem Dritten gegenüber
berechtigt und verpflichtet.
Einwendungen des Gesellschafters
§. 1200. Wird ein Gesellschafter wegen einer gesellschaftsbezogenen
Verbindlichkeit in Anspruch genommen, so kann er Einwendungen, die nicht in
seiner Person begründet sind, nur insoweit geltend machen, als sie von den
Gesellschaftern gemeinsam erhoben werden können.
Der Gesellschafter kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange
den Gesellschaftern gemeinsam das Recht zusteht, das ihrer Verbindlichkeit
zugrunde liegende Rechtsgeschäft anzufechten oder ihre Verbindlichkeit durch
Aufrechnung mit einer fälligen Forderung zu erfüllen.
4. Abschnitt
Gesellschafternachfolge
Rechtsübergang
§. 1201. Sofern nichts anderes vereinbart wurde, gehen zum Zeitpunkt des
Eintritts oder Ausscheidens eines Gesellschafters sowie zum Zeitpunkt des
Gesellschafterwechsels durch Rechtsgeschäft unter Lebenden die
gesellschaftsbezogenen, nicht höchstpersönlichen Rechtsverhältnisse im
Verhältnis der Beteiligungen von den bisherigen Gesellschaftern auf den
eintretenden Gesellschafter, vom ausscheidenden auf die verbleibenden
Gesellschafter oder beim Gesellschafterwechsel vom ausscheidenden auf den
eintretenden Gesellschafter über (Gesellschafternachfolge). Für
gesellschaftsbezogene Verbindlichkeiten bestellte Sicherheiten bleiben für
diese Verbindlichkeiten aufrecht. Der ausscheidende Gesellschafter haftet nach
Maßgabe des § 1202 Abs. 2 für die gesellschaftsbezogenen Verbindlichkeiten
weiter.
Bei Sachen des Gesellschaftsvermögens, die im Miteigentum der
Gesellschafter stehen, gilt die Übergabe als vollzogen, sobald der Eintritt,
Austritt oder Wechsel wirksam geworden ist. Bücherliche Rechte sind nach den
dafür geltenden Vorschriften zu übertragen.
Ein Dritter kann der im Zuge einer Gesellschafternachfolge von Gesetzes
wegen eintretenden Übernahme seines Vertragsverhältnisses binnen dreier Monate
nach Verständigung davon durch einen Gesellschafter gegenüber dem
ausscheidenden, dem eintretenden oder einem anderen vom Vertragsverhältnis
erfassten Gesellschafter widersprechen; in der Verständigung ist auf das
Widerspruchsrecht hinzuweisen. Dies gilt auch für den Besteller einer für
gesellschaftsbezogene Verbindlichkeiten gewährten Sicherheit. Im Fall eines
wirksamen Widerspruchs besteht das Vertragsverhältnis auch noch mit dem
ausgeschiedenen Gesellschafter fort.
Wurde dem Dritten nicht nachweislich mitgeteilt, ob das Vertragsverhältnis
vom Erwerber übernommen wurde, oder kann der Dritte dieser Übernahme noch
widersprechen, so kann er sowohl gegenüber dem ausscheidenden als auch
gegenüber dem nachfolgenden Gesellschafter auf das Vertragsverhältnis bezogene
Erklärungen abgeben und seine Verbindlichkeiten erfüllen. Dies gilt auch für
den Besteller einer für gesellschaftsbezogene Verbindlichkeiten gewährten
Sicherheit.
Haftung des eintretenden und des ausscheidenden Gesellschafters
§. 1202. Der eintretende Gesellschafter haftet nur insofern für vor seinem
Eintritt begründete gesellschaftsbezogene Verbindlichkeiten, als er jenen
gesellschaftsbezogenen Rechtsverhältnissen beitritt, auf denen die
Verbindlichkeiten beruhen.
Der ausscheidende Gesellschafter haftet für gesellschaftsbezogene
Verbindlichkeiten gegenüber Dritten, die vor seinem Ausscheiden aus der
Gesellschaft begründet wurden, auch dann weiter, wenn er aus dem
Rechtsverhältnis ausgeschieden ist (§ 1201 Abs. 3). Soweit der Dritte einer
Entlassung des Ausscheidenden aus der Haftung nicht zustimmt, haftet dieser für
die Verbindlichkeiten nur, soweit sie innerhalb von fünf Jahren nach seinem
Ausscheiden fällig werden. Ansprüche daraus verjähren innerhalb der für die
jeweilige Verbindlichkeit geltenden Verjährungsfrist, längstens jedoch
innerhalb von drei Jahren.
Auseinandersetzung mit dem ausscheidenden Gesellschafter
§. 1203. Dem ausscheidenden Gesellschafter sind die Sachen, die er den
Gesellschaftern zur Benutzung überlassen hat, zurückzugeben. Für eine durch
Zufall abhanden gekommene oder verschlechterte Sache kann er keinen Ersatz
verlangen.
Dem ausscheidenden Gesellschafter ist in Geld auszuzahlen, was er bei der
Auseinandersetzung erhielte, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens
aufgelöst worden wäre. Der Wert des Gesellschaftsvermögens ist, soweit
erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.
Der ausscheidende Gesellschafter ist von den gesellschaftsbezogenen
Verbindlichkeiten zu befreien, für die er den Gläubigern haftet. Ist eine
Schuld noch nicht fällig, so können ihm die anderen Gesellschafter Sicherheit
leisten, statt ihn zu befreien.
Verbleibt dem ausscheidenden Gesellschafter eine Verbindlichkeit aus dem
Gesellschaftsverhältnis, so ist er verpflichtet, einen Ausgleich in
entsprechender Höhe an die Gesellschafter zu zahlen.
Beteiligung des Ausscheidenden an schwebenden Geschäften
§. 1204. Der ausgeschiedene Gesellschafter nimmt am Gewinn und am Verlust
teil, der sich aus den zur Zeit seines Ausscheidens schwebenden Geschäften
ergibt. Die übrigen Gesellschafter sind berechtigt, diese Geschäfte so zu
beenden, wie es ihnen am vorteilhaftesten erscheint.
Der ausgeschiedene Gesellschafter kann am Schluss jedes Geschäftsjahres
Rechenschaft über die inzwischen beendeten Geschäfte, Auszahlung des ihm
gebührenden Betrags und Auskunft über den Stand der noch schwebenden Geschäfte
verlangen.
Fortsetzung mit den Erben
§. 1205. Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass im Fall des Todes eines
Gesellschafters die Gesellschaft mit seinen Erben fortgesetzt werden soll, so
besteht sie nach dem Tod dieses Gesellschafters mit seiner Verlassenschaft und
nach deren Einantwortung mit den Erben fort. Jeder Erbe kann sein Verbleiben in
der Gesellschaft davon abhängig machen, dass ihm unter Belassung des bisherigen
Gewinnanteils die Stellung eines Kommanditisten in einer neu zu gründenden
Kommanditgesellschaft (§ 1206) eingeräumt und der auf ihn fallende Teil der
Einlage des Verstorbenen als seine Kommanditeinlage anerkannt wird.
Nehmen die übrigen Gesellschafter einen dahingehenden Antrag des Erben
nicht an, so ist dieser befugt, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist sein
Ausscheiden aus der Gesellschaft zu erklären.
Die in Abs. 1 und 2 bezeichneten Rechte können von den Erben nur innerhalb
einer Frist von drei Monaten nach der Einantwortung der Verlassenschaft geltend
gemacht werden. Ist ein Erbe geschäftsunfähig und ist für ihn kein gesetzlicher
Vertreter bestellt, so läuft diese Frist erst ab der Bestellung eines solchen
oder ab dem Eintritt der Geschäftsfähigkeit des Erben.
Scheidet innerhalb der Frist des Abs. 3 der Erbe aus der Gesellschaft aus
oder wird innerhalb der Frist die Gesellschaft aufgelöst oder dem Erben die
Stellung eines Kommanditisten eingeräumt, so haftet er für die bis dahin
entstandenen gesellschaftsbezogenen Verbindlichkeiten nur nach Maßgabe der die
Haftung des Erben für Verbindlichkeiten der Verlassenschaft betreffenden
Vorschriften.
Der Gesellschaftsvertrag kann die Anwendung der Vorschriften der Abs. 1 bis
4 nicht ausschließen; es kann jedoch für den Fall, dass der Erbe sein
Verbleiben von der Einräumung der Stellung eines Kommanditisten abhängig macht,
sein Gewinnanteil anders als der des Verstorbenen bestimmt werden.
5. Abschnitt
Umwandlung
Umwandlung in eine offene Gesellschaft oder Kommanditgesellschaft
§. 1206. Die Gesellschafter können die Errichtung einer offenen
Gesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft und zugleich die Einbringung des
der Gesellschaft gewidmeten Vermögens in die offene Gesellschaft oder
Kommanditgesellschaft beschließen. In diesem Fall geht das der Gesellschaft
gewidmete Vermögen einschließlich aller Rechte und Pflichten mit der Eintragung
der offenen Gesellschaft oder Kommanditgesellschaft im Firmenbuch im Weg der
Gesamtrechtsnachfolge auf diese Gesellschaft über. Bücherliche Rechte sind nach
den dafür geltenden Vorschriften zu übertragen.
Die Umwandlung erfordert einen einstimmigen Gesellschafterbeschluss. Die
Gesellschafter legen fest, ob die Gesellschaft in eine offene Gesellschaft oder
in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt werden soll. Sie bestimmen die für
die Eintragung erforderlichen Merkmale der neuen Gesellschaft.
Der Umwandlungsbeschluss enthält das von den geschäftsführenden
Gesellschaftern aufgestellte Verzeichnis des Gesellschaftsvermögens (§ 1178
Abs. 1). Was im Vermögensverzeichnis nicht angeführt ist, verbleibt den
Gesellschaftern wie bisher.
Wirkung gegenüber Dritten
§. 1207. Die Gesellschafter haften nach der Umwandlung für die vorher begründeten
Verbindlichkeiten auch als Gesellschafter bürgerlichen Rechts weiter.
Solange ein Dritter von der Umwandlung nicht verständigt wurde und sie ihm
auch sonst nicht bekannt geworden ist, kann er seine Leistung mit
schuldbefreiender Wirkung so erbringen, als würde die Gesellschaft bürgerlichen
Rechts noch bestehen.
6. Abschnitt
Auflösung
Auflösungsgründe
§. 1208. Die Gesellschaft wird aufgelöst:
1. durch den Ablauf der Zeit, für die sie eingegangen ist;
2. durch Beschluss der Gesellschafter;
3. durch die rechtskräftige Eröffnung des Konkursverfahrens über das
Vermögen eines Gesellschafters, durch die Abänderung der Bezeichnung
Sanierungsverfahren in Konkursverfahren oder durch die rechtskräftige
Nichteröffnung oder Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden
Vermögens;
4. durch Kündigung oder durch gerichtliche Entscheidung;
5. durch den Tod eines Gesellschafters, sofern sich aus dem
Gesellschaftsvertrag nichts anderes ergibt.
Kündigung durch einen Gesellschafter
§. 1209.
(1) Die
Kündigung der Gesellschaft durch einen Gesellschafter kann, wenn die
Gesellschaft für unbestimmte Zeit eingegangen ist, nur für den Schluss eines
Geschäftsjahres erfolgen; sie muss mindestens sechs Monate vor diesem Zeitpunkt
stattfinden.
(2) Eine Vereinbarung, durch die das
Kündigungsrecht ausgeschlossen oder in anderer Weise als durch angemessene
Verlängerung der Kündigungsfrist erschwert wird, ist nichtig. Dies gilt nicht für
Innengesellschaften (§1176 Abs.1).
§. 1210. Aufgrund der Klage eines Gesellschafters kann die Auflösung der
Gesellschaft vor dem Ablauf der für ihre Dauer bestimmten Zeit oder bei einer
für unbestimmte Zeit eingegangenen Gesellschaft ohne Kündigung durch
gerichtliche Entscheidung ausgesprochen werden, wenn ein wichtiger Grund
vorliegt.
Ein solcher Grund ist insbesondere vorhanden, wenn ein anderer
Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche
Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt oder wenn die
Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird.
Eine Vereinbarung, durch die das Recht des Gesellschafters, die Auflösung
der Gesellschaft zu verlangen, ausgeschlossen oder diesen Vorschriften zuwider
beschränkt wird, ist nichtig.
Gesellschaft auf Lebenszeit, Befristung
§. 1211. Eine Gesellschaft, die für die Lebenszeit eines Gesellschafters
eingegangen ist oder nach dem Ablauf der für ihre Dauer bestimmten Zeit
stillschweigend fortgesetzt wird, steht im Sinn der §§ 1209 und 1210 einer für
unbestimmte Zeit eingegangen Gesellschaft gleich.
Kündigung durch einen Privatgläubiger
§. 1212. Hat ein Privatgläubiger eines Gesellschafters, nachdem innerhalb
der letzten sechs Monate eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen
des Gesellschafters ohne Erfolg versucht worden war, auf Grund eines nicht bloß
vorläufig vollstreckbaren Exekutionstitels die Pfändung und Überweisung des
Anspruchs auf dasjenige erwirkt, was dem Gesellschafter bei der
Auseinandersetzung zukommt, so kann er die Gesellschaft ohne Rücksicht darauf,
ob sie für bestimmte oder unbestimmte Zeit eingegangen ist, sechs Monate vor
dem Ende des Geschäftsjahres für diesen Zeitpunkt kündigen.
Ausschluss statt Auflösung
§. 1213. Tritt in der Person eines Gesellschafters ein Umstand ein, der
nach § 1210 für jeden der übrigen Gesellschafter das Recht begründet, die
Auflösung der Gesellschaft zu verlangen, so kann vom Gericht aufgrund einer
Klage aller übrigen Gesellschafter anstatt der Auflösung der Ausschluss dieses
Gesellschafters aus der Gesellschaft ausgesprochen werden. Der
Ausschließungsklage steht nicht entgegen, dass nach dem Ausschluss nur ein
Gesellschafter verbleibt.
Für die Auseinandersetzung zwischen den verbleibenden Gesellschaftern und
dem ausgeschlossenen Gesellschafter ist die Vermögenslage der Gesellschaft in
dem Zeitpunkt maßgeblich, in dem die Klage auf Ausschließung erhoben wird.
Fortsetzungsbeschluss
§. 1214. Die Gesellschafter können bei Auflösung der Gesellschaft deren
Fortsetzung beschließen. In den Fällen des § 1208 Z 3, 4 oder 5, der Kündigung
der Gesellschaft durch einen Privatgläubiger (§ 1212) und der Auflösung der
Gesellschaft durch das Gericht (§ 1210 Abs. 1) steht dieses Recht den übrigen
Gesellschaftern zu. In diesen Fällen scheidet der Gesellschafter, in dessen
Person der Auflösungsgrund eingetreten ist, infolge des Fortsetzungsbeschlusses
aus der Gesellschaft aus.
Im Fall der Kündigung durch einen Privatgläubiger scheidet der betreffende
Gesellschafter mit dem Ende des Geschäftsjahres aus der Gesellschaft aus; in
den übrigen Fällen mit dem Wirksamwerden des Beschlusses.
Im Fall der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines
Gesellschafters ist Abs. 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Erklärung
gegenüber dem Masseverwalter zu erfolgen hat und der Schuldner mit dem Zeitpunkt
der Konkurseröffnung als aus der Gesellschaft ausgeschieden gilt.
Übergang des Gesellschaftsvermögens
§. 1215. Verbleibt nur noch ein Gesellschafter, so erlischt die
Gesellschaft ohne Liquidation. Das Gesellschaftsvermögen geht im Weg der
Gesamtrechtsnachfolge auf diesen über. Bücherliche Rechte sind nach den dafür
geltenden Vorschriften zu übertragen.
Der ausscheidende Gesellschafter ist gemäß §§ 1203 und 1204 abzufinden.
Bekanntgabe der Auflösung der Außengesellschaft
§. 1216. Die Auflösung einer Außengesellschaft ist, soweit möglich, den
Vertragspartnern, Gläubigern und Schuldnern mitzuteilen sowie auf
verkehrsübliche Weise bekannt zu machen.
7. Abschnitt
Liquidation
Nachwirkung des Gesellschaftsvertrages
§. 1216a. Trotz Auflösung der Gesellschaft bestehen die
gesellschaftsvertraglichen Rechte und Pflichten der Gesellschafter zueinander
soweit fort, als dies für die Liquidation erforderlich ist und sich aus den
folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt. Gesellschaftsbezogene
Rechtsverhältnisse der Gesellschafter zu Dritten werden in ihrem Fortbestand
durch die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft nur dann berührt, wenn
dies mit dem Dritten vereinbart wurde.
Die Gesellschafter können anstelle der Liquidation eine andere Art der
Auseinandersetzung vereinbaren. Ist die Gesellschaft durch Kündigung eines
Privatgläubigers eines Gesellschafters oder durch die Eröffnung des
Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst, so kann
die Liquidation nur mit Zustimmung des Gläubigers oder des Masseverwalters
unterbleiben.
Bestellung der Liquidatoren
§. 1216b. Nach der Auflösung der Gesellschaft haben, sofern der
Gesellschaftsvertrag nicht anderes bestimmt, die Gesellschafter als Liquidatoren
das Gesellschaftsvermögen abzuwickeln. Mehrere Erben eines Gesellschafters
haben einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen. Ist über das Vermögen eines
Gesellschafters das Konkursverfahren oder das Sanierungsverfahren eröffnet und
dem Gesellschafter die Eigenverwaltung entzogen, so tritt der
Insolvenzverwalter an die Stelle des Gesellschafters.
Auf Antrag eines Beteiligten kann aus wichtigen Gründen die Ernennung von
Liquidatoren durch das Gericht erfolgen, in dessen Sprengel einer der Gesellschafter
seinen Wohnsitz oder Sitz hat. Das Gericht kann in einem solchen Fall Personen
zu Liquidatoren ernennen, die nicht zu den Gesellschaftern gehören. Als
Beteiligter gilt außer den Gesellschaftern auch der Gläubiger, durch den die
Kündigung der Gesellschaft erfolgt ist.
Die Abberufung von Liquidatoren geschieht durch einstimmigen Beschluss der
Beteiligten; sie kann auf Antrag eines Beteiligten aus wichtigen Gründen auch
durch das Gericht erfolgen.
Die Gesellschafter sind verpflichtet, die Liquidation und die Liquidatoren
soweit möglich den Vertragspartnern, Gläubigern und Schuldnern mitzuteilen
sowie auf ortsübliche Weise bekannt zu machen.
Rechte und Pflichten der Liquidatoren
§. 1216c. Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beenden, die
gesellschaftsbezogenen Forderungen einzuziehen und die Gesellschaftsgläubiger
zu befriedigen. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren
auch neue Geschäfte eingehen.
Den Gesellschaftern sind die Gegenstände, die sie der Gesellschaft zur
Benutzung überlassen haben, zurückzugeben. Für einen durch Zufall abhanden
gekommenen oder verschlechterten Gegenstand gebührt ihnen gegenüber den anderen
Gesellschaftern kein Ersatz.
Handeln der Liquidatoren
§. 1216d. Die Liquidatoren vertreten die Gesellschafter gerichtlich und
außergerichtlich als Gesamtvertreter, sofern die Gesellschafter nicht
einvernehmlich etwas anderes vereinbaren. Die Liquidatoren können einzelne von
ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften
ermächtigen. Jeder Liquidator ist alleine befugt, gesellschaftsbezogene
Erklärungen entgegenzunehmen.
Aufteilung und Ausgleich unter den Gesellschaftern
§. 1216e. Das nach Berücksichtigung der Schulden verbleibende
Gesellschaftsvermögen ist nach dem Verhältnis der Beteiligung der
Gesellschafter unter Berücksichtigung ihrer Guthaben und Verbindlichkeiten aus
dem Gesellschaftsverhältnis unter die Gesellschafter zu verteilen.
Das während der Liquidation entbehrliche Geld wird vorläufig verteilt. Zur
Deckung noch nicht fälliger oder streitiger Verbindlichkeiten sowie zur
Sicherung der den Gesellschaftern bei der Schlussverteilung zukommenden Beträge
ist das Erforderliche zurückzubehalten. § 1196 Abs. 1 ist während der
Liquidation nicht anzuwenden.
Entsteht über die Verteilung des Gesellschaftsvermögens Streit unter den
Gesellschaftern, so haben die Liquidatoren die Verteilung bis zur Entscheidung
des Streites auszusetzen.
Reicht das Gesellschaftsvermögen zur Deckung der Guthaben von
Gesellschaftern aus dem Gesellschaftsverhältnis nicht aus, so sind die übrigen
Gesellschafter ihnen gegenüber verpflichtet, für den Betrag im Verhältnis ihrer
Verbindlichkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis aufzukommen. Kann von einem
Gesellschafter der auf ihn entfallende Betrag nicht erlangt werden, so wird der
Ausfall auf die übrigen Gesellschafter wie ein Verlust verteilt.
Achtundzwanzigstes Hauptstück
Von den Ehepakten und dem Anspruch auf Ausstattung
Ehepakte
§. 1217. Ehepakte heißen diejenigen Verträge, welche in der Absicht auf die
eheliche Verbindung über das Vermögen geschlossen werden. Sie haben vorzüglich
die Gütergemeinschaft und den Erbvertrag zum Gegenstand.
Die Bestimmungen dieses Hauptstücks sind auf eingetragene Partner sinngemäß
anzuwenden.
§. 1218. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 10, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1219. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 10, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
Ausstattung
§. 1220. Besitzt ein Kind kein eigenes, zu einer angemessenen Ausstattung
hinlängliches Vermögen, so sind Eltern oder Großeltern nach der Reihenfolge und
nach den Grundsätzen, nach denen sie für den Unterhalt der Kinder zu sorgen
haben, verpflichtet, den Kindern oder Enkelkindern bei ihrer Verehelichung eine
Ausstattung zu geben oder dazu verhältnismäßig beizutragen.
§. 1221. Berufen sich Eltern oder Großeltern auf ihr Unvermögen zur
Bestellung einer angemessenen Ausstattung, so hat das Gericht auf Antrag des
Ausstattungsberechtigten, jedoch ohne strenge Untersuchung des Vermögensstands,
darüber zu entscheiden.
§. 1222. Wenn ein Kind ohne Wissen oder gegen den Willen seiner Eltern
geheiratet hat und das Gericht die Ursache der Missbilligung begründet findet,
sind die Eltern selbst in dem Falle, dass sie in der Folge die Ehe genehmigen,
nicht schuldig, ihm eine Ausstattung zu geben.
§. 1223. Hat ein Kind seine Ausstattung schon erhalten und sie, wenn auch
ohne sein Verschulden, verloren, so ist es nicht mehr – selbst nicht bei
Eingehung einer weiteren Ehe – berechtigt, eine neue zu fordern.
§. 1224. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 12, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1225. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 12, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1226. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 12, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1227. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 12, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1228. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 12, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1229. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 12, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1230. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 12, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1231. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 12, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1232. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 12, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
Gütergemeinschaft
§. 1233. Die eheliche Verbindung allein begründet noch keine Gemeinschaft
der Güter zwischen den Eheleuten. Dazu wird ein besonderer Vertrag erfordert,
dessen Umfang und rechtliche Form nach den §§. 1177. u. 1178 des vorigen
Hauptstückes beurtheilt wird.
§. 1234. Die Gütergemeinschaft unter Ehegatten wird in der Regel nur auf
den Todesfall verstanden. Sie gibt dem Ehegatten das Recht auf die Hälfte
dessen, was von den der Gemeinschaft wechselseitig unterzogenen Gütern nach
Ableben des andern Ehegatten noch vorhanden seyn wird.
§. 1235. Bey einer Gemeinschaft, die sich auf das ganze Vermögen bezieht,
sind vor der Theilung alle Schulden ohne Ausnahme; bey einer Gemeinschaft aber,
die bloß das gegenwärtige, oder bloß das künftige Vermögen zum Gegenstande hat,
nur diejenigen Schulden abzuziehen, die zum Nutzen des gemeinschaftlichen Gutes
verwendet worden sind.
§. 1236. Besitzt ein Ehegatte ein unbewegliches Gut, und wird das Recht des
andern Ehegatten zur Gemeinschaft in die öffentlichen Bücher eingetragen; so
erhält dieser durch die Eintragung auf die Hälfte der Substanz des Gutes ein
dingliches Recht, vermöge dessen der eine Ehegatte über diese Hälfte keine
Anordnung machen kann; auf die Nutzungen aber während der Ehe erhält er durch
die Einverleibung keinen Anspruch. Nach dem Tode des Ehegatten gebührt dem
überlebenden Theile sogleich das freye Eigenthum seines Antheiles. Doch kann
eine solche Einverleibung den auf das Gut früher eingetragenen Gläubigern nicht
zum Nachtheile gereichen.
Gesetzlicher ehelicher Güterstand
§. 1237. Haben Eheleute über die Verwendung ihres Vermögens keine besondere
Uebereinkunft getroffen; so behält jeder Ehegatte sein voriges Eigenthumsrecht,
und auf das, was ein jeder Theil während der Ehe erwirbt, und auf was immer für
eine Art überkommt, hat der andere, solange die Ehe besteht, keinen Anspruch.
§. 1238. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 13, BGBl 1978/Nr. 280.)
§. 1239. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 13, BGBl 1978/Nr. 280.)
§. 1240. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 13, BGBl 1978/Nr. 280.)
§. 1241. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 13, BGBl 1978/Nr. 280.)
§. 1242. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 16, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1243. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 4, BGBl 1975/Nr. 412.)
§. 1244. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 16, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1245. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 16, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
Schenkungen unter Ehegatten und Verlobten;
§. 1246. Die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Schenkungen zwischen
Ehegatten wird nach den für die Schenkungen überhaupt bestehenden Gesetzen
beurtheilt.
§. 1247. Was ein Mann seiner Ehegattinn an Schmuck, Edelsteinen und andern
Kostbarkeiten zum Putze gegeben hat, wird im Zweifel nicht für gelehnt; sondern
für geschenkt angesehen. Wenn aber ein verlobter Theil dem andern; oder auch
ein Dritter dem einen oder andern Theile in Rücksicht auf die künftige Ehe
etwas zusichert oder schenket; so kann, wenn die Ehe ohne Verschulden des
Geschenkgebers nicht erfolgt, die Schenkung widerrufen werden.
§. 1248. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 40, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
Erbverträge
§. 1249. Zwischen Ehegatten kann auch ein Erbvertrag, wodurch die künftige
Erbschaft oder ein Teil derselben versprochen und das Versprechen angenommen
wird, geschlossen werden (§ 602). Ein solcher Vertrag muss als Notariatsakt und
mit allen Erfordernissen eines schriftlichen Testamentes errichtet werden.
§. 1250. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 42, BGBl 2015/Nr. 87 – ErbRÄG
2015.)
Bedingungen
§. 1251. Die Bestimmungen über Bedingungen bei Verträgen sind auch auf
Erbverträge anzuwenden.
Wirkungen des Erbvertrags
§. 1252. Ein Erbvertrag hindert einen Vertragspartner nicht, zu Lebzeiten über
sein Vermögen nach Belieben zu verfügen. Aus dem Erbvertrag entstehende Rechte
setzen den Tod eines Vertragsteils voraus und können vor Erbanfall nicht auf
andere übertragen werden. Aufgrund der künftigen Erbschaft kann keine
Sicherstellung gefordert werden.
§. 1253. Durch den Erbvertrag kann ein Vertragspartner auf das Recht zu
testieren nicht gänzlich verzichten. Ein reines Viertel, das weder durch
Pflichtteile noch durch andere Forderungen belastet sein darf, muss zur freien
letztwilligen Verfügung stehen. Hat der Verstorbene darüber nicht verfügt, so
fällt dieses Viertel nicht dem Vertragserben, auch wenn ihm im Erbvertrag die
ganze Verlassenschaft versprochen wurde, sondern den gesetzlichen Erben zu.
§. 1254. Ein Erbvertrag kann nicht einseitig widerrufen, aber aus
vertragsrechtlichen Gründen entkräftet werden. Die Rechte von
Pflichtteilsberechtigten bleiben vom Erbvertrag unberührt.
§. 1255. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 17, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1256. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 17, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1257. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 17, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1258. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 17, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1259. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 17, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1260. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 17, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1261. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 17, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1262. Ist zwischen den Ehegatten eine Gemeinschaft der Güter bedungen;
so hört dieselbe durch den Concurs des ein oder des andern Ehegatten auf, und
das zwischen ihnen gemeinschaftliche Vermögen wird, wie bey dem Tode, getheilt.
§. 1263. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 17, BGBl 2009/Nr. 75 –
Familienrechts-Änderungsgesetz 2009.)
§. 1264. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 17, BGBl 2009/Nr. 75 – Familienrechts-Änderungsgesetz
2009.)
Nichtigerklärung der Ehe
§. 1265. Wird eine Ehe für ungültig erklärt; so zerfallen auch die
Ehe-Pacte, das Vermögen kommt, in so fern es vorhanden ist, in den vorigen
Stand zurück. Der Schuldtragende Theil hat aber dem schuldlosen Theile
Entschädigung zu leisten.
Scheidung oder Aufhebung der Ehe
§. 1266. Im Fall einer Scheidung oder Aufhebung der Ehe mit gleichteiligem
oder ohne Verschulden oder einer Scheidung im Einvernehmen sind die Ehepakte
für beide Teile erloschen, sofern keine andere Vereinbarung getroffen wurde.
Ansonsten gebührt dem schuldlosen oder minderschuldigen Ehegatten nicht nur
volle Genugtuung, sondern ab dem Zeitpunkt der Scheidung alles dasjenige, was
ihm in den Ehepakten auf den Fall des Überlebens bedungen worden ist. Das
Vermögen, worüber eine Gütergemeinschaft bestanden hat, wird wie im Falle des
Todes geteilt, und das Recht aus einem Erbvertrag bleibt dem Schuldlosen oder
Minderschuldigen auf den Todesfall vorbehalten.
Neun u. zwanzigstes Hauptstück.
Von den Glücksverträgen.
Glücksverträge.
§. 1267. Ein Vertrag, wodurch die Hoffnung eines noch ungewissen Vortheiles
versprochen und angenommen wird, ist ein Glücksvertrag. Er gehört, je nachdem
etwas dagegen versprochen wird oder nicht, zu den entgeldlichen oder
unentgeldlichen Verträgen.
§. 1268. Bey Glücksverträgen findet das Rechtsmittel wegen Verkürzung über
die Hälfte des Werthes nicht Statt.
Arten der Glücksverträge.
§. 1269. Glücksverträge sind: die Wette; das Spiel und das Los; alle über
gehoffte Rechte, oder über künftige noch unbestimmte Sachen errichtete Kauf-
und andere Verträge; ferner, die Leibrenten; die gesellschaftlichen
Versorgungsanstalten; endlich, die Versicherungs- und Bodmereyverträge.
1) die Wette;
§. 1270. Wenn über ein beyden Theilen noch unbekanntes Ereigniß ein
bestimmter Preis zwischen ihnen für denjenigen, dessen Behauptung der Erfolg
entspricht, verabredet wird; so entsteht eine Wette. Hatte der gewinnende Theil
von dem Ausgange Gewißheit, und verheimlichte er sie dem andern Theile; so
macht er sich einer Arglist schuldig, und die Wette ist ungültig. Der
verlierende Theil aber, dem der Ausgang vorher bekannt war, ist als
Geschenkgeber anzusehen.
§. 1271. Redliche und sonst erlaubte Wetten sind in so weit verbindlich,
als der bedungene Preis nicht bloß versprochen; sondern wirklich entrichtet,
oder hinterlegt worden ist. Gerichtlich kann der Preis nicht gefordert werden.
2) das Spiel;
§. 1272. Jedes Spiel ist eine Art von Wette. Die für Wetten festgesetzten
Rechte gelten auch für Spiele. Welche Spiele überhaupt, oder für besondere
Classen verbothen; wie Personen, die verbothene Spiele treiben, und diejenigen,
die ihnen dazu Unterschleif geben, zu bestrafen sind, bestimmen die politischen
Gesetze.
3) Los;
§. 1273. Ein zwischen Privat-Personen auf eine Wette oder auf ein Spiel
abzielendes Los wird nach den für Wetten und Spiele festgesetzten Vorschriften
beurtheilet. Soll aber eine Theilung, eine Wahl, oder eine Streitigkeit durch
das Los entschieden werden; so treten dabey die Rechte der übrigen Verträge
ein.
§. 1274. Staats-Lotterien sind nicht nach der Eigenschaft der Wette und des
Spieles; sondern nach den jedes Mahl darüber kund gemachten Planen, zu
beurtheilen.
4) Hoffnungskauf.
§. 1275. Wer für ein bestimmtes Maß von einem künftigen Erträgnisse einen
verhältnißmäßigen Preis verspricht, schließt einen ordentlichen Kaufvertrag.
§. 1276. Wer die künftigen Nutzungen einer Sache in Pausch und Bogen; oder
wer die Hoffnung derselben in einem bestimmten Preise kauft, errichtet einen
Glücksvertrag; er trägt die Gefahr der ganz vereitelten Erwartung; es gebühren
ihm aber auch alle ordentliche erzielte Nutzungen.
insbesondere eines Kuxes;
§. 1277. Der Antheil an einem Bergwerke heißt Kux. Der Kauf eines Kuxes
gehört zu den gewagten Verträgen. Der Verkäufer haftet nur für die Richtigkeit
des Kuxes, und der Käufer hat sich nach den Gesetzen über den Bergbau zu
benehmen.
Erbschaftskauf
§. 1278. Der Käufer einer vom Verkäufer angetretenen oder ihm wenigstens
angefallenen Erbschaft tritt nicht allein in die Rechte, sondern auch in die
Verbindlichkeiten des Verkäufers als Erben ein, soweit diese nicht
höchstpersönlich sind. Wenn dem Kauf kein Inventar zugrunde gelegt wird, ist
auch der Erbschaftskauf ein Glücksvertrag.
Der Erbschaftskauf bedarf zu seiner Gültigkeit eines Notariatsakts oder der
Beurkundung durch gerichtliches Protokoll.
§. 1279. Auf Sachen, die dem Verkäufer nicht als Erben, sondern aus einem
anderen Grund, etwa als Vorausvermächtnis, als Ersatz- oder Nacherbschaft oder
als Schuldforderung aus der Verlassenschaft gebühren und ihm auch ohne Erbrecht
gebührt hätten, hat der Erbschaftskäufer keinen Anspruch. Dagegen erhält er
alles, was der Erbschaft selbst zuwächst, insbesondere durch den Ausfall eines Vermächtnisnehmers,
eines Miterben oder auf was immer für eine andere Art, soweit der Verkäufer
darauf Anspruch gehabt hätte.
§. 1280. Alles, was der Erbe aus dem Erbrecht erhält, wie etwa die
bezogenen Früchte und Forderungen, zählt zur Verlassenschaft. Alle
Aufwendungen, die er selbst für den Antritt der Erbschaft oder für die
Verlassenschaft gemacht hat, werden hingegen von der Verlassenschaft abgezogen.
Dazu gehören die bezahlten Schulden, die schon abgeführten Vermächtnisse,
Steuern, Abgaben und Gerichtsgebühren und, wenn nicht ausdrücklich etwas
anderes vereinbart wurde, auch die Begräbniskosten.
§. 1281. Sofern der Verkäufer die Verlassenschaft vor der Übergabe
verwaltet hat, haftet er dem Käufer dafür wie ein anderer Verwalter.
§. 1282. Die Erbschaftsgläubiger und Vermächtnisnehmer können sich mit
ihren Ansprüchen sowohl an den Käufer der Erbschaft als auch an den Erben
selbst halten. Ihre Rechte werden so wie jene der Erbschaftsschuldner durch den
Verkauf der Erbschaft nicht geändert. Die Erbantrittserklärung des Verkäufers
gilt auch für den Käufer.
§. 1283. Wurde dem Verkauf der Erbschaft ein Inventar zugrunde gelegt, so
haftet der Verkäufer für dasselbe. Andernfalls haftet er für die Richtigkeit
seines Erbrechts, wie er es angegeben hat, und für jeden dem Käufer durch sein
Verschulden zugefügten Schaden.
5) Leibrente;
§. 1284. Wird jemanden für Geld, oder gegen eine für Geld geschätzte Sache
auf die Lebensdauer einer gewissen Person eine bestimmte jährliche Entrichtung
versprochen; so ist es ein Leibrentenvertrag.
§. 1285. Die Dauer der Leibrente kann von dem Leben des einen oder andern
Theiles, oder auch eines Dritten abhängen. Sie wird im Zweifel vierteljährig
vorhinein entrichtet; und nimmt in allen Fällen mit dem Leben desjenigen, auf
dessen Kopf sie beruhet, ihr Ende.
§. 1286. Weder die Gläubiger, noch die Kinder desjenigen, welcher sich eine
Leibrente bedingt, sind berechtiget, den Vertrag umzustoßen. Doch steht den
Erstern frey, ihre Befriedigung aus den Leibrenten zu suchen; den Letztern
aber, die Hinterlegung eines entbehrlichen Theiles der Rente zu fordern, um
sich den ihnen nach dem Gesetze gebührenden Unterhalt darauf versichern zu
lassen.
6) gesellschaftliche Versorgungsanstalten;
§. 1287. Der Vertrag, wodurch vermittelst einer Einlage ein gemeinschaftlicher
Versorgungsfond für die Mitglieder, ihre Gattinnen oder Waisen errichtet wird,
ist aus der Natur und dem Zwecke einer solchen Anstalt, und den darüber
festgesetzten Bedingungen, zu beurtheilen.
7) Versicherungsvertrag;
§. 1288. Wenn jemand die Gefahr des Schadens, welcher einen Andern ohne
dessen Verschulden treffen könnte, auf sich nimmt, und ihm gegen einen gewissen
Preis den bedungenen Ersatz zu leisten verspricht; so entsteht der
Versicherungsvertrag. Der Versicherer haftet dabey für den zufälligen Schaden,
und der Versicherte für den versprochenen Preis.
§. 1289. Der gewöhnliche Gegenstand dieses Vertrages sind Waaren, die zu
Wasser oder zu Lande verführt werden. Es können aber auch andere Sachen, z. B.
Häuser und Grundstücke gegen Feuer- Wasser- und andere Gefahren versichert
werden.
§. 1290. Ereignet sich der zufällige Schade, wofür die Entschädigung
versichert worden ist; so muß der Versicherte, wenn kein unüberwindliches Hinderniß
dazwischen kommt, oder nichts anderes verabredet worden ist, dem Versicherer,
wenn sie sich im nähmlichen Orte befinden, binnen drey Tagen, sonst aber in
derjenigen Zeitfrist davon Nachricht geben, welche zur Bekanntmachung der
Annahme eines von einem Abwesenden gemachten Versprechens bestimmt worden ist.
(§. 862). Unterläßt er die Anzeige; kann er den Unfall nicht erweisen; oder
kann der Versicherer beweisen, daß der Schade aus Verschulden des Versicherten
entstanden ist; so hat dieser auch keinen Anspruch auf die versicherte Summe.
§. 1291. Wenn der Untergang der Sache dem Versicherten; oder der gefahrlose
Zustand derselben dem Versicherer zur Zeit des geschlossenen Vertrages schon
bekannt war; so ist der Vertrag ungültig.
8) Bodmerey- und See-Assecurancen.
§. 1292. Die Bestimmungen in Rücksicht der Versicherungen zur See; so wie
die Vorschriften über den Bodmerey-Vertrag sind ein Gegenstand der Seegesetze.
Dreyßigstes Hauptstück.
Von dem Rechte des Schadensersatzes und der Genugthuung.
Schade.
§. 1293. Schade heißt jeder Nachtheil, welcher jemanden an Vermögen,
Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist. Davon unterscheidet sich der
Entgang des Gewinnes, den jemand nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge zu
erwarten hat.
Quellen der Beschädigung.
§. 1294. Der Schade entspringt entweder aus einer widerrechtlichen
Handlung, oder Unterlassung eines Andern; oder aus einem Zufalle. Die
widerrechtliche Beschädigung wird entweder willkührlich, oder unwillkührlich
zugefügt. Die willkührliche Beschädigung aber gründet sich theils in einer
bösen Absicht, wenn der Schade mit Wissen und Willen; theils in einem Versehen,
wenn er aus schuldbarer Unwissenheit, oder aus Mangel der gehörigen
Aufmerksamkeit oder des gehörigen Fleißes verursacht worden ist. Beydes wird
ein Verschulden genannt.
Von der Verbindlichkeit zum Schadensersatze:
1) von dem Schaden aus Verschulden;
§. 1295. Jedermann ist berechtigt, von dem Beschädiger den Ersatz des
Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern; der
Schade mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf
einen Vertrag verursacht worden sein.
Auch wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich
Schaden zufügt, ist dafür verantwortlich, jedoch falls dies in Ausübung eines
Rechtes geschah, nur dann, wenn die Ausübung des Rechtes offenbar den Zweck
hatte, den anderen zu schädigen.
§. 1296. Im Zweifel gilt die Vermuthung, daß ein Schade ohne Verschulden
eines Andern entstanden sey.
§. 1297. Es wird aber auch vermuthet, daß jeder, welcher den
Verstandesgebrauch besitzt, eines solchen Grades des Fleißes und der
Aufmerksamkeit fähig sey, welcher bey gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet
werden kann. Wer bey Handlungen, woraus eine Verkürzung der Rechte eines Andern
entsteht, diesen Grad des Fleißes oder der Aufmerksamkeit unterläßt, macht sich
eines Versehen schuldig.
§. 1298. Wer vorgibt, daß er an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen oder
gesetzlichen Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden sey, dem
liegt der Beweis ob. Soweit er auf Grund vertraglicher Vereinbarung nur für
grobe Fahrlässigkeit haftet, muß er auch beweisen, daß es an dieser
Voraussetzung fehlt.
insbesondere a) der Sachverständigen,
§. 1299. Wer sich zu einem Amte, zu einer Kunst, zu einem Gewerbe oder
Handwerke öffentlich bekennet; oder wer ohne Noth freywillig ein Geschäft
übernimmt, dessen Ausführung eigene Kunstkenntnisse, oder einen nicht
gewöhnlichen Fleiß erfordert, gibt dadurch zu erkennen, daß er sich den
nothwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen, Kenntnisse
zutraue; er muß daher den Mangel derselben vertreten. Hat aber derjenige,
welcher ihm das Geschäft überließ, die Unerfahrenheit desselben gewußt; oder,
bey gewöhnlicher Aufmerksamkeit wissen können, so fällt zugleich dem Letzteren
Versehen zur Last.
§. 1300. Ein Sachverständiger ist auch dann verantwortlich, wenn er gegen
Belohnung in Angelegenheiten seiner Kunst oder Wissenschaft aus Versehen einen
nachtheiligen Rath ertheilet. Außer diesem Falle haftet ein Rathgeber nur für
den Schaden, welchen er wissentlich durch Ertheilung des Rathes dem Andern
verursachet hat.
oder b) mehrerer Theilnehmer.
§. 1301. Für einen widerrechtlich zugefügten Schaden können mehrere
Personen verantwortlich werden, indem sie gemeinschaftlich, unmittelbarer oder
mittelbarer Weise, durch Verleiten, Drohen, Befehlen, Helfen, Verhehlen und
dgl.; oder auch nur durch Unterlassung der besonderen Verbindlichkeit das Uebel
zu verhindert, dazu beygetragen haben.
§. 1302. In einem solchen Falle verantwortet, wenn die Beschädigung in
einem Versehen gegründet ist, und die Antheile sich bestimmen lassen, jeder nur
den durch sein Versehen verursachten Schaden. Wenn aber der Schade vorsätzlich
zugefügt worden ist; oder, wenn die Antheile der Einzelnen an der Beschädigung
sich nicht bestimmen lassen; so haften Alle für Einen und Einer für Alle; doch
bleibt demjenigen, welcher den Schaden ersetzt hat, der Rückersatz gegen die
Uebrigen vorbehalten.
§. 1303. In wie weit mehrere Mitschuldner bloß aus der unterlassenen
Erfüllung ihrer Verbindlichkeit zu haften haben, ist aus der Beschaffenheit des
Vertrages zu beurtheilen.
§. 1304. Wenn bey einer Beschädigung zugleich ein Verschulden von Seite des
Beschädigten eintritt; so trägt er mit dem Beschädiger den Schaden
verhältnißmäßig; und, wenn sich das Verhältniß nicht bestimmen läßt, zu
gleichen Theilen.
2) aus dem Gebrauche des Rechtes;
§. 1305. Wer von seinem Rechte innerhalb der rechtlichen Schranken (§ 1295,
Absatz 2) Gebrauch macht, hat den für einen anderen daraus entspringenden
Nachteil nicht zu verantworten.
3) aus einer schuldlosen oder unwillkührlichen Handlung;
§. 1306. Den Schaden, welchen jemand ohne Verschulden oder durch eine unwillkührliche
Handlung verursacht hat, ist er in der Regel zu ersetzen nicht schuldig.
§. 1306a. Wenn jemand im Notstand einen Schaden verursacht, um eine
unmittelbar drohende Gefahr von sich oder anderen abzuwenden, hat der Richter
unter Erwägung, ob der Beschädigte die Abwehr aus Rücksicht auf die dem anderen
drohende Gefahr unterlassen hat, sowie des Verhältnisses der Größe der
Beschädigung zu dieser Gefahr oder endlich des Vermögens des Beschädigers und
des Beschädigten zu erkennen, ob und in welchem Umfange der Schaden zu ersetzen
ist.
§. 1307. Wenn sich jemand aus eigenem Verschulden in einen Zustand der
Sinnesverwirrung oder in einen Notstand versetzt hat, so ist auch der in
demselben verursachte Schade seinem Verschulden zuzuschreiben. Eben dieses gilt
auch von einem Dritten, der durch sein Verschulden diese Lage bei dem
Beschädiger veranlaßt hat.
§. 1308. Wenn Personen, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, oder
Unmündige jemanden beschädigen, der durch irgendein Verschulden hierzu selbst
Veranlassung gegeben hat, so kann er keinen Ersatz ansprechen.
§. 1309. Außer diesem Falle gebührt ihm der Ersatz von denjenigen Personen,
denen der Schade wegen Vernachlässigung der ihnen über solche Personen
anvertrauten Obsorge beygemessen werden kann.
§. 1310. Kann der Beschädigte auf solche Art den Ersatz nicht erhalten; so
soll der Richter mit Erwägung des Umstandes, ob dem Beschädiger, ungeachtet er
gewöhnlich seines Verstandes nicht mächtig ist, in dem bestimmten Falle nicht
dennoch ein Verschulden zur Last liege; oder, ob der Beschädigte aus Schonung
des Beschädigers die Vertheidigung unterlassen habe; oder endlich, mit
Rücksicht auf das Vermögen des Beschädigers und des Beschädigten; auf den
ganzen Ersatz oder doch einen billigen Theil desselben erkennen.
4) durch Zufall.
§. 1311. Der bloße Zufall trifft denjenigen, in dessen Vermögen oder Person
er sich ereignet. Hat aber jemand den Zufall durch ein Verschulden veranlaßt;
hat er ein Gesetz, das den zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht,
übertreten; oder sich ohne Noth in fremde Geschäfte gemengt; so haftet er für
allen Nachtheil, welcher außer dem nicht erfolgt wäre.
§. 1312. Wer in einem Nothfalle jemanden einen Dienst geleistet hat, dem
wird der Schade, welchen er nicht verhütet hat, nicht zugerechnet; es wäre
denn, daß er einen Andern, der noch mehr geleistet haben würde, durch seine
Schuld daran verhindert hätte. Aber auch in diesem Falle kann er den sicher
verschaften Nutzen gegen den verursachten Schaden in Rechnung bringen.
5) durch fremde Handlungen.
§. 1313. Für fremde, widerrechtliche Handlungen, woran jemand keinen Theil
genommen hat, ist er in der Regel auch nicht verantwortlich. Selbst in den
Fällen, wo die Gesetze das Gegentheil anordnen, bleibt ihm der Rückersatz gegen
den Schuldtragenden vorbehalten.
§. 1313a. Wer einem andern zu einer Leistung verpflichtet ist, haftet ihm
für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters sowie der Personen, deren er
sich zur Erfüllung bedient, wie für sein eigenes.
§. 1314. Wer eine Dienstperson ohne Zeugnis aufnimmt oder wissentlich eine
durch ihre Leibes- oder Gemütsbeschaffenheit gefährliche Person im Dienste
behält oder ihr Aufenthalt gibt, haftet dem Hausherrn und den Hausgenossen für
den Ersatz des durch die gefährliche Beschaffenheit dieser Personen
verursachten Schadens.
§. 1315. Überhaupt haftet derjenige, welcher sich einer untüchtigen oder
wissentlich einer gefährlichen Person zur Besorgung seiner Angelegenheiten
bedient, für den Schaden, den sie in dieser Eigenschaft einem Dritten zufügt.
§. 1316. Gastwirte, die Fremde beherbergen, sowie die anderen in § 970
bezeichneten Personen, ferner Fuhrleute haften für den Schaden, welchen ihre
eigenen oder die von ihnen zugewiesenen Dienstpersonen an den eingebrachten
oder übernommenen Sachen einem Gast oder Reisenden in ihrem Hause, ihrer
Anstalt oder ihrem Fahrzeuge verursachen.
§. 1317. In wie fern bey öffentlichen Versendungsanstalten für den Schaden
eine Haftung übernommen werden, bestimmen die besondern Vorschriften.
§. 1318. Wird jemand durch das Herabfallen einer gefährlich aufgehängten
oder gestellten Sache; oder, durch Herauswerfen oder Herausgießen aus einer
Wohnung beschädiget; so haftet derjenige, aus dessen Wohnung geworfen oder
gegossen worden, oder die Sache herabgefallen ist, für den Schaden.
6. Durch ein Bauwerk
§. 1319. Wird durch Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder
eines anderen auf einem Grundstück aufgeführten Werkes jemand verletzt oder
sonst ein Schaden verursacht, so ist der Besitzer des Gebäudes oder Werkes zum
Ersatze verpflichtet, wenn die Ereignung die Folge der mangelhaften
Beschaffenheit des Werkes ist und er nicht beweist, daß er alle zur Abwendung
der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe.
6a. durch einen Weg;
§. 1319a. Wird durch den mangelhaften Zustand eines Weges ein Mensch
getötet, an seinem Körper oder an seiner Gesundheit verletzt oder eine Sache
beschädigt, so haftet derjenige für den Ersatz des Schadens, der für den
ordnungsgemäßen Zustand des Weges als Halter verantwortlich ist, sofern er oder
einer seiner Leute den Mangel vorsätzlich oder grobfahrlässig verschuldet hat.
Ist der Schaden bei einer unerlaubten, besonders auch widmungswidrigen,
Benützung des Weges entstanden und ist die Unerlaubtheit dem Benützer entweder
nach der Art des Weges oder durch entsprechende Verbotszeichen, eine
Abschrankung oder eine sonstige Absperrung des Weges erkennbar gewesen, so kann
sich der Geschädigte auf den mangelhaften Zustand des Weges nicht berufen.
Ein Weg im Sinn des Abs. 1 ist eine Landfläche, die von jedermann unter den
gleichen Bedingungen für den Verkehr jeder Art oder für bestimmte Arten des
Verkehrs benützt werden darf, auch wenn sie nur für einen eingeschränkten
Benützerkreis bestimmt ist; zu einem Weg gehören auch die in seinem Zug befindlichen
und dem Verkehr dienenden Anlagen, wie besonders Brücken, Stützmauern,
Futtermauern, Durchlässe, Gräben und Pflanzungen. Ob der Zustand eines Weges
mangelhaft ist, richtet sich danach, was nach der Art des Weges, besonders nach
seiner Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar ist.
Ist der mangelhafte Zustand durch Leute des Haftpflichtigen verschuldet
worden, so haften auch sie nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
7. Durch ein Tier
§. 1320. Wird jemand durch ein Tier beschädigt, so ist derjenige dafür
verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren
vernachlässigt hat. Derjenige, der das Tier hält, ist verantwortlich, wenn er
nicht beweist, daß er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung
gesorgt hatte.
§. 1321. Wer auf seinem Grund und Boden fremdes Vieh antrifft, ist deßwegen
noch nicht berechtigt, es zu tödten. Er kann es durch anpassende Gewalt
verjagen; oder, wenn er dadurch Schaden gelitten hat, das Recht der
Privat-Pfändung über so viele Stücke Viehes ausüben, als zu seiner
Entschädigung hinreicht. Doch muß er binnen acht Tagen sich mit dem Eigenthümer
abfinden, oder seine Klage vor den Richter bringen; widrigenfalls aber das
gepfändete Vieh zurückstellen.
§. 1322. Das gepfändete Vieh muß auch zurückgestellt werden, wenn der
Eigenthümer eine andere angemessene Sicherheit leistet.
Arten des Schadensersatzes.
§. 1323. Um den Ersatz eines verursachten Schadens zu leisten, muß alles in
den vorigen Stand zurück versetzet, oder, wenn dieses nicht thunlich ist, der
Schätzungswerth vergütet werden. Betrifft der Ersatz nur den erlittenen
Schaden, so wird er eigentlich eine Schadloshaltung; wofern er sich aber auch
auf den entgangenen Gewinn, und die Tilgung der verursachten Beleidigung
erstreckt, volle Genugthuung genannt.
§. 1324. In dem Falle eines aus böser Absicht, oder aus einer auffallenden
Sorglosigkeit verursachten Schadens ist der Beschädigte volle Genugthuung; in
den übrigen Fällen aber nur die eigentliche Schadloshaltung zu fordern berechtiget.
Hiernach ist in den Fällen, wo im Gesetze der allgemeine Ausdruck: Ersatz,
vorkommt, zu beurtheilen, welche Art des Ersatzes zu leisten sey.
Insbesondere 1) bey Verletzungen an dem Körper;
§. 1325. Wer jemanden an seinem Körper verletzt, bestreitet die
Heilungskosten des Verletzten; ersetzt ihm den entgangenen, oder, wenn der
Beschädigte zum Erwerb unfähig wird, auch den künftig entgehenden Verdienst;
und bezahlt ihm auf Verlangen überdieß ein den erhobenen Umständen angemessenes
Schmerzensgeld.
§. 1326. Ist die verletzte Person durch die Mißhandlung verunstaltet
worden; so muß zumahl, wenn sie weiblichen Geschlechtes ist, in so fern auf
diesen Umstand Rücksicht genommen werden, als ihr besseres Fortkommen dadurch
verhindert werden kann.
§. 1327. Erfolgt aus einer körperlichen Verletzung der Tod, so müssen nicht
nur alle Kosten, sondern auch den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der
Getötete nach dem Gesetze zu sorgen hatte, das, was ihnen dadurch entgangen
ist, ersetzt werden.
1a. an der geschlechtlichen Selbstbestimmung
§. 1328. Wer jemanden durch eine strafbare Handlung oder sonst durch
Hinterlist, Drohung oder Ausnutzung eines Abhängigkeits- oder
Autoritätsverhältnisses zur Beiwohnung oder sonst zu geschlechtlichen
Handlungen mißbraucht, hat ihm den erlittenen Schaden und den entgangenen
Gewinn zu ersetzen sowie eine angemessene Entschädigung für die erlittene
Beeinträchtigung zu leisten.
1b. am Recht auf Wahrung der Privatsphäre
§. 1328a. Wer rechtswidrig und schuldhaft in die Privatsphäre eines
Menschen eingreift oder Umstände aus der Privatsphäre eines Menschen offenbart
oder verwertet, hat ihm den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Bei
erheblichen Verletzungen der Privatsphäre, etwa wenn Umstände daraus in einer
Weise verwertet werden, die geeignet ist, den Menschen in der Öffentlichkeit
bloßzustellen, umfasst der Ersatzanspruch auch eine Entschädigung für die
erlittene persönliche Beeinträchtigung.
Abs. 1 ist nicht anzuwenden, sofern eine Verletzung der Privatsphäre nach
besonderen Bestimmungen zu beurteilen ist. Die Verantwortung für Verletzungen
der Privatsphäre durch Medien richtet sich allein nach den Bestimmungen des
Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981, in der jeweils geltenden Fassung.
2) an der persönlichen Freyheit;
§. 1329. Wer jemanden durch gewaltsame Entführung, durch
Privatgefangennehmung oder vorsätzlich durch einen widerrechtlichen Arrest
seiner Freiheit beraubt, ist verpflichtet, dem Verletzten die vorige Freiheit
zu verschaffen und volle Genugtuung zu leisten. Kann er ihm die Freiheit nicht
mehr verschaffen, so muß er den Hinterbliebenen, wie bei der Tötung, Ersatz
leisten.
3) an der Ehre;
§. 1330. Wenn jemandem durch Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schade oder
Entgang des Gewinnes verursacht worden ist, so ist er berechtigt, den Ersatz zu
fordern.
Dies gilt auch, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den
Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er
kannte oder kennen mußte. In diesem Falle kann auch der Widerruf und die
Veröffentlichung desselben verlangt werden. Für eine nicht öffentlich
vorgebrachte Mitteilung, deren Unwahrheit der Mitteilende nicht kennt, haftet
er nicht, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes
Interesse hatte.
4) an dem Vermögen.
§. 1331. Wird jemand an seinem Vermögen vorsätzlich oder durch auffallende
Sorglosigkeit eines andern beschädiget; so ist er auch den entgangenen Gewinn,
und wenn der Schade vermittelst einer durch ein Strafgesetz verbothenen
Handlung, oder aus Muthwillen und Schadenfreude verursachet worden ist, den
Werth der besondern Vorliebe zu fordern berechtiget.
§. 1332. Der Schade, welcher aus einem mindern Grade des Versehens oder der
Nachlässigkeit verursacht worden ist, wird nach dem gemeinen Werthe, den die
Sache zur Zeit der Beschädigung hatte, ersetzt.
§. 1332a. Wird ein Tier verletzt, so gebühren die tatsächlich aufgewendeten
Kosten der Heilung oder der versuchten Heilung auch dann, wenn sie den Wert des
Tieres übersteigen, soweit auch ein verständiger Tierhalter in der Lage des
Geschädigten diese Kosten aufgewendet hätte.
Besonders durch die Verzögerung der Zahlung.
Gesetzliche Zinsen und weitere Schäden
§. 1333. Der Schaden, den der Schuldner seinem Gläubiger durch die
Verzögerung der Zahlung einer Geldforderung zugefügt hat, wird durch die
gesetzlichen Zinsen (§ 1000 Abs. 1) vergütet.
Der Gläubiger kann außer den gesetzlichen Zinsen auch den Ersatz anderer,
vom Schuldner verschuldeter und ihm erwachsener Schäden geltend machen,
insbesondere die notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher
Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen, soweit diese in einem angemessenen
Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen.
§. 1334. Eine Verzögerung fällt einem Schuldner zur Last, wenn er den durch
Gesetz oder Vertrag bestimmten Zahlungstag nicht einhält. Sofern die Parteien
nicht anderes vereinbart haben, hat der Schuldner seine Leistung bei
vertragsgemäßer Erbringung der Gegenleistung ohne unnötigen Aufschub nach der
Erfüllung durch den Gläubiger oder, wenn die Parteien ein solches Verfahren
vereinbart haben, nach der Abnahme oder Überprüfung der Leistung des Gläubigers
oder, wenn die Forderung der Höhe nach noch nicht feststeht, nach dem Eingang
der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung zu erbringen. Ist
die Zahlungszeit sonst nicht bestimmt, so trägt der Schuldner die Folgen der
Zahlungsverzögerung, wenn er sich nach dem Tag der gerichtlichen oder
außergerichtlichen Einmahnung nicht mit dem Gläubiger abgefunden hat.
§. 1335. Hat der Gläubiger die Zinsen ohne gerichtliche Einmahnung bis auf
den Betrag der Hauptschuld steigen lassen, so erlischt das Recht, vom Kapital
weitere Zinsen zu fordern. Vom Tag der Streitanhängigkeit an können jedoch
neuerdings Zinsen verlangt werden.
Bedingung des Vergütungsvertrages (Conventional-Strafe).
§. 1336. Die vertragschließenden Teile können eine besondere Übereinkunft
treffen, daß auf den Fall des entweder gar nicht oder nicht auf gehörige Art
oder zu spät erfüllten Versprechens ein bestimmter Geld- oder anderer Betrag
entrichtet werden solle (§ 912). Der Schuldner erlangt mangels besonderer
Vereinbarung nicht das Recht, sich durch Bezahlung des Vergütungsbetrages von
der Erfüllung zu befreien. Wurde die Konventionalstrafe für die Nichteinhaltung
der Erfüllungszeit oder des Erfüllungsortes versprochen, so kann sie neben der
Erfüllung gefordert werden.
In allen Fällen ist der Vergütungsbetrag, wenn er vom Schuldner als
übermäßig erwiesen wird, von dem Richter, allenfalls nach Einvernehmung von
Sachverständigen, zu mäßigen.
Der Gläubiger kann neben einer Konventionalstrafe den Ersatz eines diese
übersteigenden Schadens geltend machen. Ist der Schuldner ein Verbraucher im
Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 KSchG, so muss dies im Einzelnen
ausgehandelt werden.
Verbindlichkeit der Erben des Beschädigers.
§. 1337. Die Verbindlichkeit zum Ersatze des Schadens, und des entgangenen
Gewinnes, oder zur Entrichtung des bedungenen Vergütungsbetrages haftet auf dem
Vermögen, und geht auf die Erben über.
Rechtsmittel der Entschädigung.
§. 1338. Das Recht zum Schadensersatze muß in der Regel, wie jedes andere
Privat-Recht, bey dem ordentlichen Richter angebracht werden. Hat der
Beschädiger zugleich ein Strafgesetz übertreten; so trifft ihn auch die
verhängte Strafe. Die Verhandlung über den Schadensersatz aber gehört auch in
diesem Falle, in so fern sie nicht durch die Strafgesetze dem Strafgerichte
oder der politischen Behörde aufgetragen ist, zu dem Civil-Gerichte.
§. 1339. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 1, Z. 3, BGBl 1974/Nr. 496.)
§. 1340. Diese Behörden haben in dem Falle, daß sich die Entschädigung
unmittelbar bestimmen läßt, sogleich darüber nach den in diesem Hauptstücke
ertheilten Vorschriften zu erkennen. Wenn aber der Ersatz des Schadens nicht
unmittelbar bestimmt werden kann, ist in dem Erkenntnisse überhaupt
auszudrücken, daß dem Beschädigten die Entschädigung im Wege Rechtens zu suchen
vorbehalten bleibe. Dieser Weg ist auch in Criminal-Fällen dem Beschädigten,
und in andern Fällen beyden Theilen dann vorbehalten, wenn sie mit der von der
Strafbehörde erfolgten Bestimmung des Ersatzes sich nicht befriedigen wollten.
§. 1341. Gegen das Verschulden eines Richters beschwert man sich bey der
höhern Behörde. Diese untersucht und beurtheilt die Beschwerde von Amts wegen.
Dritter Theil des bürgerlichen Gesetzbuches.
Von den gemeinschaftlichen Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte.
Erstes Hauptstück.
Von Befestigung der Rechte und Verbindlichkeiten.
Gemeinschaftliche Bestimmungen der Rechte.
§. 1342. Sowohl Personenrechte als Sachenrechte, und daraus entspringende
Verbindlichkeiten können gleichförmig befestiget, umgeändert und aufgehoben
werden.
Arten der Befestigung eines Rechtes;
§. 1343. Die rechtlichen Arten der Sicherstellung einer Verbindlichkeit und
der Befestigung eines Rechtes, durch welche den Berechtigten ein neues Recht
eingeräumet wird, sind: die Verpflichtung eines Dritten für den Schuldner, und
die Verpfändung.
I.) durch Verpflichtung eines Dritten.
§. 1344. Ein Dritter kann sich den Gläubiger für den Schuldner auf
dreyerley Art verpflichten: Ein Mahl, wenn er mit Einwilligung des Gläubigers
die Schuld als Alleinzahler übernimmt; dann, wenn er der Verbindlichkeit als
Mitschuldner beytritt; endlich, wenn er sich für die Befriedigung des
Gläubigers auf den Fall verbindet, daß der erste Schuldner die Verbindlichkeit
nicht erfülle.
§. 1345. Wenn jemand mit Einwilligung des Gläubigers die ganze Schuld eines
Andern übernimmt; so geschieht keine Befestigung, sondern eine Umänderung der
Verbindlichkeit, wovon in dem folgenden Hauptstücke gehandelt wird.
a) Als Bürge;
§. 1346. Wer sich zur Befriedigung des Gläubigers auf den Fall
verpflichtet, daß der erste Schuldner die Verbindlichkeit nicht erfülle, wird
ein Bürge, und das zwischen ihm und dem Gläubiger getroffene Uebereinkommen ein
Bürgschaftsvertrag genannt. Hier bleibt der erste Schuldner noch immer der
Hauptschuldner, und der Bürge kommt nur als Nachschuldner hinzu.
Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages ist erforderlich, daß die
Verpflichtungserklärung des Bürgen schriftlich abgegeben wird.
b) Als Mitschuldner;
§. 1347. Wenn jemand, ohne die den Bürgen zu Statten kommende Bedingung,
einer Verbindlichkeit als Mitschuldner beytritt; so entsteht eine Gemeinschaft
mehrerer Mitschuldner, deren rechtliche Folgen nach den in dem Hauptstücke von
Verträgen überhaupt gegebenen Vorschriften zu beurtheilen sind. (§§. 888-896.)
Entschädigungsbürge.
§. 1348. Wer dem Bürgen auf den Fall, daß derselbe durch seine Bürgschaft
zu Schaden kommen sollte, Entschädigung zusagt, heißt Entschädigungsbürge.
Wer sich verbürgen könne.
§. 1349. Fremde Verbindlichkeiten kann ohne Unterschied des Geschlechtes
jedermann auf sich nehmen, dem die freye Verwaltung seines Vermögens zusteht.
Für welche Verbindlichkeiten.
§. 1350. Eine Bürgschaft kann nicht nur über Summen und Sachen, sondern
auch über erlaubte Handlungen und Unterlassungen in Beziehung auf den Vortheil
oder Nachtheil, welcher aus denselben für den Sichergestellten entstehen kann,
geleistet werden.
§. 1351. Verbindlichkeiten, welche nie zu Recht bestanden haben, oder schon
aufgehoben sind, können weder übernommen, noch bekräftiget werden.
§. 1352. Wer sich für eine Person verbürgt, die sich vermöge ihrer
persönlichen Eigenschaft nicht verbinden kann, ist, obschon ihm diese
Eigenschaft unbekannt war, gleich einem ungetheilten Mitschuldner verpflichtet.
(§. 896.)
Umfang der Bürgschaft.
§. 1353. Die Bürgschaft kann nicht weiter ausgedehnt werden, als sich der
Bürge ausdrücklich erkläret hat. Wer sich für ein zinsbares Capital verbürget,
haftet nur für jene rückständigen Zinsen, welche der Gläubiger noch nicht
einzutreiben berechtiget war.
§. 1354. Von der Einwendung, wodurch ein Schuldner nach Vorschrift der
Gesetze die Beybehaltung eines Theiles seines Vermögens zu seinem Unterhalte zu
fordern berechtiget ist, kann der Bürge nicht Gebrauch machen.
Wirkung.
§. 1355. Der Bürge kann in der Regel erst dann belanget werden, wenn der
Hauptschuldner auf des Gläubigers gerichtliche oder außergerichtliche
Einmahnung seine Verbindlichkeit nicht erfüllet hat.
§. 1356. Der Bürge kann aber, selbst wenn er sich ausdrücklich nur für den
Fall verbürget hat, daß der Hauptschuldner zu zahlen unvermögend sey, zuerst
belanget werden, wenn über das Vermögen des Hauptschuldners das Insolvenzverfahren
eröffnet wurde oder wenn der Hauptschuldner zu der Zeit, als die Zahlung
geleistet werden sollte, unbekannten Aufenthaltes, und der Gläubiger keiner
Nachlässigkeit zu beschuldigen ist.
§. 1357. Wer sich als Bürge und Zahler verpflichtet hat, haftet als
ungetheilter Mitschuldner für die ganze Schuld; es hängt von der Willkühr des
Gläubigers ab, ob er zuerst den Hauptschuldner, oder den Bürgen, oder beyde
zugleich belangen wolle. (§. 891.)
§. 1358. Wer eine fremde Schuld bezahlt, für die er persönlich oder mit
bestimmten Vermögensstücken haftet, tritt in die Rechte des Gläubigers und ist
befugt, von dem Schuldner den Ersatz der bezahlten Schuld zu fordern. Zu diesem
Ende ist der befriedigte Gläubiger verbunden, dem Zahler alle vorhandenen Rechtsbehelfe
und Sicherungsmittel auszuliefern.
§. 1359. Haben für den nähmlichen ganzen Betrag mehrere Personen Bürgschaft
geleistet; so haftet jede für den ganzen Betrag. Hat aber Eine von ihnen die
ganze Schuld abgetragen; so gebührt ihr gleich dem Mitschuldner (§. 896.) das
Recht des Rückersatzes gegen die übrigen.
§. 1360. Wenn dem Gläubiger vor, oder bey Leistung der Bürgschaft noch
außer derselben von dem Hauptschuldner, oder einem Dritten ein Pfand gegeben
wird; so steht ihm zwar noch immer frey, den Bürgen der Ordnung nach (§. 1355.)
zu belangen; aber er ist nicht befugt, zu dessen Nachtheil sich des Pfandes zu
begeben.
§. 1361. Hat der Bürge oder Zahler den Gläubiger befriediget, ohne sich mit
dem Hauptschuldner einzuverstehen; so kann dieser Alles gegen jene einwenden,
was er gegen den Gläubiger hätte einwenden können.
§. 1362. Der Bürge kann von dem Entschädigungsbürgen nur dann Entschädigung
verlangen, wenn er sich den Schaden nicht durch sein eigenes Verschulden
zugezogen hat.
Arten der Erlöschung der Bürgschaft.
§. 1363. Die Verbindlichkeit des Bürgen hört verhältnißmäßig mit der
Verbindlichkeit des Schuldners auf. Hat sich der Bürge nur auf eine gewisse
Zeit verpflichtet; so haftet er nur für diesen Zeitraum. Die Entlassung eines
Mitbürgen kommt diesem zwar gegen den Gläubiger; aber nicht gegen die übrigen
Mitbürgen zu Statten. (§. 896).
§. 1364. Durch den Verlauf der Zeit, binnen welcher der Schuldner hätte
zahlen sollen, wird der Bürge, wenn auch der Gläubiger auf die Befriedigung
nicht gedrungen hat, noch nicht von seiner Bürgschaft befreyt; allein er ist
befugt, von dem Schuldner, wenn er mit dessen Einwilligung Bürgschaft geleistet
hat, zu verlangen, daß er ihm Sicherheit verschaffe. Auch der Gläubiger ist dem
Bürgen in so weit verantwortlich, als dieser wegen dessen Saumseligkeit in
Eintreibung der Schuld an Erhohlung des Ersatzes zu Schaden kommt.
§. 1365. Wenn gegen den Schuldner ein gegründetes Besorgniß der
Zahlungsunfähigkeit oder der Entfernung aus den Erbländern, für welche dieses
Gesetzbuch vorgeschrieben ist, eintritt; so steht dem Bürgen das Recht zu, von
dem Schuldner die Sicherstellung der verbürgten Schuld zu verlangen.
§. 1366. Wenn das verbürgte Geschäft beendiget ist; so kann die Abrechnung,
und die Aufhebung der Bürgschaft gefordert werden.
§. 1367. Ist der Bürgschaftsvertrag weder durch eine Hypothek, noch durch
ein Faustpfand befestiget; so erlischt er binnen drey Jahren nach dem Tode des
Bürgen, wenn der Gläubiger in der Zwischenzeit unterlassen hat, von dem Erben
die verfallene Schuld gerichtlich oder außergerichtlich einzumahnen.
II.) Durch Pfandvertrag.
§. 1368. Pfandvertrag heißt derjenige Vertrag, wodurch der Schuldner, oder
ein Anderer anstatt seiner auf eine Sache dem Gläubiger das Pfandrecht wirklich
einräumet, folglich ihm das bewegliche Pfandstück übergibt, oder das
unbewegliche durch die Pfandbücher verschreibt. Der Vertrag, ein Pfand
übergeben zu wollen, ist noch kein Pfandvertrag.
Wirkung des Pfandvertrages.
§. 1369. Was bey Verträgen überhaupt Rechtens ist, gilt auch bey dem
Pfandvertrage; er ist zweyseitig verbindlich. Der Pfandnehmer muß das Handpfand
wohl verwahren und es dem Verpfänder, so bald dieser die Befriedigung leistet,
zurück geben. Betrifft es eine Hypothek; so muß der befriedigte Gläubiger den
Verpfänder in den Stand setzen, die Löschung der Verbindlichkeit aus den
Hypotheken-Büchern bewirken zu können. Die mit dem Pfandbesitze verknüpften
Rechte und Verbindlichkeiten des Pfandgebers und Pfandnehmers sind im sechsten
Hauptstücke des zweyten Theiles bestimmt worden.
§. 1370. Der Handpfandnehmer ist verbunden, dem Pfandgeber einen
Pfandschein auszustellen, und darin die unterscheidenden Kennzeichen des
Pfandes zu beschreiben. Auch können die wesentlichen Bedingungen des
Pfandvertrages in dem Pfandscheine angeführet werden.
Unerlaubte Bedingungen.
§. 1371. Alle der Natur des Pfand- und Darleihensvertrages entgegen
stehende Bedingungen und Nebenverträge sind ungültig. Dahin gehören die
Verabredungen: daß nach der Verfallzeit der Schuldforderung das Pfandstück dem
Gläubiger zufalle; daß er es nach Willkühr, oder in einem schon im voraus
bestimmten Preise veräußern, oder für sich behalten könne; daß der Schuldner
das Pfand niemahls einlösen, oder ein liegendes Gut keinem Andern verschreiben,
oder daß der Gläubiger nach der Verfallzeit die Veräußerung des Pfandes nicht
verlangen dürfe.
§. 1372. Der Nebenvertrag, daß dem Gläubiger die Fruchtnießung der
verpfändeten Sache zustehen solle, ist ohne rechtliche Wirkung. Ist dem
Gläubiger der bloße Gebrauch eines beweglichen Pfandstückes eingeräumt worden
(§. 459.), so muß diese Benützung auf eine dem Schuldner unschädliche Art
geschehen.
Auf welche Art in der Regel Sicherstellung zu leisten ist.
§. 1373. Wer verbunden ist, eine Sicherstellung zu leisten, muß diese Verbindlichkeit
durch ein Handpfand, oder durch eine Hypothek erfüllen. Nur in dem Falle, daß
er ein Pfand zu geben außer Stande ist, werden taugliche Bürgen angenommen.
§. 1374. Niemand ist verpflichtet, eine Sache, die zur Sicherstellung
dienen soll, in einem höheren Wert als der Hälfte ihres Verkehrswertes zum
Pfand anzunehmen. Wer ein angemessenes Vermögen besitzt und im Inland geklagt
werden kann, ist ein tauglicher Bürge.
Zweytes Hauptstück.
Von Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten.
Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten;
§. 1375. Es hängt von dem Willen des Gläubigers und des Schuldners ab, ihre
gegenseitigen willkührlichen Rechte und Verbindlichkeiten umzuändern. Die
Umänderung kann ohne, oder mit Hinzukunft einer dritten Person, und zwar
entweder eines neuen Gläubigers, oder eines neuen Schuldners geschehen.
1) durch Novation;
§. 1376. Die Umänderung ohne Hinzukunft einer dritten Person findet Statt,
wenn der Rechtsgrund, oder wenn der Hauptgegenstand einer Forderung verwechselt
wird, folglich die alte Verbindlichkeit in eine neue übergeht.
§. 1377. Eine solche Umänderung heißt Neuerungsvertrag (Novation). Vermöge
dieses Vertrages hört die vorige Hauptverbindlichkeit auf, und die neue nimmt
zugleich ihren Anfang.
§. 1378. Die mit der vorigen Hauptverbindlichkeit verknüpften Bürgschafts-
Pfand- und anderen Rechte erlöschen durch den Neuerungsvertrag, wenn die
Theilnehmer nicht durch ein besonderes Einverständniß hierüber etwas Anderes
festgesetzt haben.
§. 1379. Die näheren Bestimmungen, wo, wann und wie eine schon vorhandene
Verbindlichkeit erfüllet werden soll, und andere Nebenbestimmungen, wodurch in
Rücksicht auf den Hauptgegenstand oder Rechtsgrund keine Umänderung geschieht,
sind eben so wenig als ein Neuerungsvertrag anzusehen, als die bloße
Ausstellung eines neuen Schuldscheines, oder einer andern dahin gehörigen
Urkunde. Auch kann eine solche Abänderung in den Nebenbestimmungen einem
Dritten, welcher derselben nicht beygezogen worden ist, keine neue Last
auflegen. Im Zweifel wird die alte Verbindlichkeit nicht für aufgelöst
gehalten, so lange sie mit der neuen noch wohl bestehen kann.
2) Vergleich.
§. 1380. Ein Neuerungsvertrag, durch welchen streitige, oder zweifelhafte
Rechte dergestalt bestimmt werden, daß jede Partey sich wechselseitig etwas zu
geben, zu thun, oder zu unterlassen verbindet, heißt Vergleich. Der Vergleich
gehört zu den zweyseitigen verbindlichen Verträgen, und wird nach eben
denselben Grundsätzen beurtheilet.
§. 1381. Wer dem Verpflichteten mit dessen Einwilligung ein unstreitiges
oder zweifelhaftes Recht unentgeldlich erläßt, macht eine Schenkung (§. 939).
Ungültigkeit eines Vergleiches in Rücksicht des Gegenstandes;
§. 1382. Es gibt zweifelhafte Fälle, welche durch einen Vergleich nicht
beygelegt werden dürfen. Dahin gehört der zwischen Eheleuten über die
Gültigkeit ihrer Ehe entstandene Streit. Diesen kann nur der durch das Gesetz
bestimmte Gerichtsstand entscheiden.
§. 1383. Ueber den Inhalt einer letzten Anordnung kann vor deren
Bekanntmachung kein Vergleich errichtet werden. Die hierüber entstandene Wette
wird nach den Grundsätzen von Glücksverträgen beurtheilt.
§. 1384. Vergleiche über Gesetzübertretungen sind nur in Hinsicht auf die
Privat-Genugthuung gültig; die gesetzmäßige Untersuchung und Bestrafung kann dadurch
bloß dann abgewendet werden, wenn die Uebertretungen von der Art sind, daß die
Behörde nur auf Verlangen der Parteyen ihr Amt zu handeln angewiesen ist.
oder anderer Mängel.
§. 1385. Ein Irrthum kann den Vergleich nur in so weit ungültig machen, als
er die Wesenheit der Person, oder des Gegenstandes betrifft.
§. 1386. Aus dem Grunde einer Verletzung über die Hälfte kann ein redlich
errichteter Vergleich nicht angefochten werden.
§. 1387. Eben so wenig können neu gefundene Urkunden, wenn sie auch den gänzlichen
Mangel eines Rechtes auf Seite einer Partey entdeckten, einen redlich
eingegangenen Vergleich entkräften.
§. 1388. Ein offenbarer Rechnungsverstoß, oder ein Fehler, welcher bey dem
Abschlusse eines Vergleiches in dem Summiren oder Abziehen begangen wird,
schadet keinem der vertragmachenden Theile.
Umfang des Vergleiches.
§. 1389. Ein Vergleich, welcher über eine besondere Streitigkeit
geschlossen worden ist, erstreckt sich nicht auf andere Fälle. Selbst
allgemeine, auf alle Streitigkeiten überhaupt lautende Vergleiche sind auf
solche Rechte nicht anwendbar, die geflissentlich verheimlichet worden sind,
oder auf welche die sich vergleichenden Parteyen nicht denken konnten.
Wirkung in Rücksicht der Nebenverbindlichkeiten.
§. 1390. Bürgen und Pfänder, welche zur Sicherheit des ganzen noch
streitigen Rechtes gegeben worden sind, haften auch für den Theil, der durch
den Vergleich bestimmt worden ist. Doch bleiben dem Bürgen und einem dritten
Verpfänder, welche dem Vergleiche nicht beygestimmt haben, alle Einwendungen
gegen den Gläubiger vorbehalten, welche ohne geschlossenen Vergleich der
Forderung hätten entgegengesetzt werden können.
§. 1391. Der Vertrag, wodurch Parteyen zur Entscheidung streitiger Rechte einen
Schiedsrichter bestellen, erhält seine Bestimmung in der Gerichtsordnung.
3) Cession.
§. 1392. Wenn eine Forderung von einer Person an die andere übertragen, und
von dieser angenommen wird; so entsteht die Umänderung des Rechtes mit
Hinzukunft eines neuen Gläubigers. Eine solche Handlung heißt Abtretung
(Cession), und kann mit, oder ohne Entgeld geschlossen werden.
Gegenstände der Cession.
§. 1393. Alle veräußerliche Rechte sind ein Gegenstand der Abtretung.
Rechte, die der Person ankleben, folglich mit ihr erlöschen, können nicht
abgetreten werden. Schuldscheine, die auf den Ueberbringer lauten, werden schon
durch Uebergabe abgetreten, und bedürfen nebst dem Besitze keines andern
Beweises der Abtretung.
Wirkung.
§. 1394. Die Rechte des Uebernehmers sind mit den Rechten des Ueberträgers
in Rücksicht auf die überlassene Forderung eben dieselben.
§. 1395. Durch den Abtretungsvertrag entsteht nur zwischen dem Ueberträger
(Cedent) und dem Uebernehmer der Forderung (Cessionar); nicht aber zwischen dem
Letzten und dem übernommenen Schuldner (Cessus) eine neue Verbindlichkeit.
Daher ist der Schuldner, so lange ihm der Uebernehmer nicht bekannt wird,
berechtiget, den ersten Gläubiger zu bezahlen, oder sich sonst mit ihm
abzufinden.
§. 1396. Dieses kann der Schuldner nicht mehr, so bald ihm der Uebernehmer
bekannt gemacht worden ist; allein es bleibt ihm das Recht, seine Einwendungen
gegen die Forderung anzubringen. Hat er die Forderung gegen den redlichen
Uebernehmer für richtig erkannt; so ist er verbunden, denselben als seinen
Gläubiger zu befriedigen.
Zessionsverbot
§. 1396a. Eine Vereinbarung, dass eine Geldforderung zwischen Unternehmern
aus unternehmerischen Geschäften nicht abgetreten werden darf (Zessionsverbot),
ist nur verbindlich, wenn sie im Einzelnen ausgehandelt worden ist und den
Gläubiger unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles nicht gröblich
benachteiligt. Auch ein solches Zessionsverbot steht der Wirksamkeit einer
Abtretung aber nicht entgegen; sobald die Abtretung und der Übernehmer dem Schuldner
bekannt gemacht worden sind, kann dieser nicht mehr mit schuldbefreiender
Wirkung an den Überträger leisten, es sei denn, dass ihm dabei nur leichte
Fahrlässigkeit zur Last fällt.
Rechte des Schuldners gegen den Überträger wegen der Verletzung eines
verbindlichen Zessionsverbots bleiben unberührt, sie können aber gegen die
Forderung nicht eingewendet werden. Der Übernehmer haftet dem Schuldner nicht
allein deshalb, weil er das Zessionsverbot gekannt hat.
Die Abs. 1 und 2 gelten nicht für Zessionsverbote, die zwischen einer
juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer von dieser gegründeten
Einrichtung und einem Förderungswerber vereinbart werden.
Haftung des Cedenten.
§. 1397. Wer eine Forderung ohne Entgeld abtritt, also verschenkt, haftet
nicht weiter für dieselbe. Kommt aber die Abtretung auf eine entgeldliche Art
zu Stande; so haftet der Ueberträger dem Uebernehmer sowohl für die
Richtigkeit, als für die Einbringlichkeit der Forderung, jedoch nie für mehr,
als er von dem Uebernehmer erhalten hat.
§. 1398. In so fern der Uebernehmer über die Einbringlichkeit der Forderung
aus den öffentlichen Pfandbüchern sich belehren konnte, gebührt ihm in
Rücksicht der Uneinbringlichkeit keine Entschädigung. Auch für eine zur Zeit
der Abtretung einbringliche, und durch einen bloßen Zufall oder durch Versehen
des Uebernehmers uneinbringlich gewordene Forderung haftet der Ueberträger
nicht.
§. 1399. Ein Versehen dieser Art begeht der Uebernehmer, wenn er die
Forderung zur Zeit, als sie aufgekündiget werden kann, nicht aufkündiget, oder
nach verfallener Zahlungsfrist nicht eintreibt; wenn er dem Schuldner
nachsieht; wenn er die noch mögliche Sicherheit zu rechter Zeit sich zu
verschaffen versäumt, oder die gerichtliche Execution zu betreiben unterläßt.
4) Anweisung (Assignation).
§. 1400. Durch die Anweisung auf eine Leistung eines Dritten wird der
Empfänger der Anweisung (Assignatar) zur Einhebung der Leistung bei dem
Angewiesenen (Assignat) und der letztere zur Leistung an ersteren für Rechnung
des Anweisenden (Assignant) ermächtigt. Einen unmittelbaren Anspruch erlangt
der Anweisungsempfänger gegen den Angewiesenen erst, wenn die Erklärung des
Angewiesenen über die Annahme der Anweisung ihm zugekommen ist.
§. 1401. Insoweit der Angewiesene das zu Leistende dem Anweisenden bereits
schuldet, ist er diesem gegenüber verpflichtet, der Anweisung Folge zu leisten.
Wenn durch die Anweisung eine Schuld des Anweisenden bei dem Empfänger, der die
Anweisung angenommen hat, getilgt werden soll, ist der Empfänger verpflichtet,
den Angewiesenen zur Leistung aufzufordern.
Will der Empfänger von der Anweisung keinen Gebrauch machen oder verweigert
der Angewiesene die Annahme oder die Leistung, so hat der Empfänger dies dem
Anweisenden ohne Verzug anzuzeigen.
Die Tilgung der Schuld erfolgt, wenn nichts anderes vereinbart ist, erst
durch die Leistung.
§. 1402. Hat der Angewiesene die Anweisung dem Empfänger gegenüber
angenommen, so kann er diesem nur solche Einwendungen entgegensetzen, welche
die Gültigkeit der Annahme betreffen oder sich aus dem Inhalte der Anweisung
oder aus seinen persönlichen Beziehungen zum Empfänger ergeben.
§. 1403. Solange der Angewiesene die Anweisung noch nicht dem Empfänger
gegenüber angenommen hat, kann sie der Anweisende widerrufen. Besteht zwischen
dem Anweisenden und dem Angewiesenen kein anderer Rechtsgrund, so gelten für
das Rechtsverhältnis zwischen beiden die Vorschriften über den
Bevollmächtigungsvertrag; die Anweisung erlischt jedoch nicht durch den Tod des
Anweisenden oder Angewiesenen. Inwiefern die Aufhebung der Anweisung auch
gegenüber dem Empfänger rechtswirksam ist, bestimmt sich nach dem zwischen
diesem und dem Anweisenden obwaltenden Rechtsverhältnis.
Der Anspruch des Empfängers gegen den Angewiesenen verjährt in drei Jahren.
5. Schuldübernahme
§. 1404. Wer einem Schuldner verspricht, die Leistung an dessen Gläubiger
zu bewirken (Erfüllungsübernahme), haftet dem Schuldner dafür, daß der
Gläubiger ihn nicht in Anspruch nehme. Dem Gläubiger erwächst daraus
unmittelbar kein Recht.
§. 1405. Wer einem Schuldner erklärt, seine Schuld zu übernehmen
(Schuldübernahme), tritt als Schuldner an dessen Stelle, wenn der Gläubiger
einwilligt. Bis diese Einwilligung erfolgt oder falls sie verweigert wird,
haftet er wie bei Erfüllungsübernahme (§ 1404). Die Einwilligung des Gläubigers
kann entweder dem Schuldner oder dem Übernehmer erklärt werden.
§. 1406. Auch ohne Vereinbarung mit dem Schuldner kann ein Dritter durch
Vertrag mit dem Gläubiger die Schuld übernehmen.
Im Zweifel ist aber die dem Gläubiger erklärte Übernahme als Haftung neben
dem bisherigen Schuldner, nicht an dessen Stelle zu verstehen.
§. 1407. Die Verbindlichkeiten des Übernehmers sind mit den
Verbindlichkeiten des bisherigen Schuldners in Rücksicht auf die übernommene
Schuld ebendieselben. Der Übernehmer kann dem Gläubiger die aus dem
Rechtsverhältnis zwischen diesem und dem bisherigen Schuldner entspringenden
Einwendungen entgegensetzen.
Die Nebenrechte der Forderung werden durch den Schuldnerwechsel nicht
berührt. Bürgen und von dritten Personen bestellte Pfänder haften jedoch nur
dann fort, wenn der Bürge oder Verpfänder dem Schuldnerwechsel zugestimmt hat.
§. 1408. Übernimmt bei Veräußerung einer Liegenschaft der Erwerber ein auf
ihr haftendes Pfandrecht, so ist dies im Zweifel als Schuldübernahme zu
verstehen. Der Veräußerer kann, nach vollzogener Übertragung des Eigentums, den
Gläubiger zur Annahme des neuen Schuldners an seiner Stelle schriftlich mit der
Wirkung auffordern, daß die Einwilligung als erteilt gilt, wenn sie nicht
binnen sechs Monaten versagt wird. Auf diese Wirkung muß in der Aufforderung
ausdrücklich hingewiesen sein.
§. 1409. Übernimmt jemand ein Vermögen oder ein Unternehmen, so ist er
unbeschadet der fortdauernden Haftung des Veräußerers den Gläubigern aus den
zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übergabe
kannte oder kennen mußte, unmittelbar verpflichtet. Er wird aber von der
Haftung insoweit frei, als er an solchen Schulden schon so viel berichtigt hat,
wie der Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens beträgt.
Ist jedoch ein naher Angehöriger des Veräußerers (§ 32 IO) der Übernehmer,
so trifft ihn diese Verpflichtung, soweit er nicht beweist, daß ihm die
Schulden bei der Übergabe weder bekannt waren noch bekannt sein mußten.
Entgegenstehende Vereinbarungen zwischen Veräußerer und Übernehmer zum
Nachteile der Gläubiger sind diesen gegenüber unwirksam.
§. 1409a. Wer ein Vermögen oder ein Unternehmen im Weg eines
Zwangsvollstreckungsverfahrens, eines Insolvenzverfahrens oder einer
Überwachung des Schuldners durch einen Treuhänder der Gläubiger erwirbt, haftet
nicht nach § 1409 Abs. 1 und 2.
§. 1410. Wird der Eintritt des neuen Schuldners an Stelle des bisherigen
Schuldners in der Weise verabredet, daß an die Stelle des aufgehobenen
Schuldverhältnisses eine Verpflichtung des neuen Schuldners aus selbständigem
Rechtsgrunde oder unter Änderung des Hauptgegenstandes der Forderung gesetzt
wird, so treten nicht die Wirkungen der Schuldübernahme, sondern eines
Neuerungsvertrages (§§ 1377, 1378) ein.
Drittes Hauptstück.
Von Aufhebung der Rechte und Verbindlichkeiten.
Aufhebung der Rechte u. Verbindlichkeiten.
§. 1411. Rechte und Verbindlichkeiten stehen in einem solchen
Zusammenhange, daß mit Erlöschung des Rechtes die Verbindlichkeit, und mit
Erlöschen der letzteren das Recht aufgehoben wird.
1.) Durch die Zahlung.
§. 1412. Die Verbindlichkeit wird vorzüglich durch die Zahlung, das ist,
durch die Leistung dessen, was man zu leisten schuldig ist, aufgelöset (§.
469).
Wie die Zahlung zu leisten.
§. 1413. Gegen seinen Willen kann weder der Gläubiger gezwungen werden,
etwas anderes anzunehmen, als er zu fordern hat, noch der Schuldner, etwas
anderes zu leisten, als er zu leisten verbunden ist. Dieses gilt auch von der
Zeit, dem Orte und der Art, die Verbindlichkeit zu erfüllen.
§. 1414. Wird, weil der Gläubiger und der Schuldner einverstanden sind,
oder weil die Zahlung selbst unmöglich ist, etwas Anderes an Zahlungs-Statt
gegeben; so ist die Handlung als ein entgeldliches Geschäft zu betrachten.
§. 1415. Der Gläubiger ist nicht schuldig, die Zahlung einer Schuldpost
theilweise, oder auf Abschlag anzunehmen. Sind aber verschiedene Posten zu
zahlen; so wird diejenige für abgetragen gehalten, welche der Schuldner, mit
Einwilligung des Gläubigers tilgen zu wollen, sich ausdrücklich erkläret hat.
§. 1416. Wird die Willensmeinung des Schuldners bezweifelt, oder von dem
Gläubiger widersprochen; so sollen zuerst die Zinsen, dann das Capital, von
mehreren Capitalien aber dasjenige, welches schon eingefordert, oder wenigstens
fällig ist, und nach diesem dasjenige, welches schuldig zu bleiben dem
Schuldner am meisten beschwerlich fällt, abgerechnet werden.
wann;
§. 1417. Wenn die Zahlungsfrist auf keine Art bestimmt ist; so tritt die
Verbindlichkeit, die Schuld zu zahlen, erst mit dem Tage ein, an welchem die
Einmahnung geschehen ist. (§. 904.) Für die Zahlungsfrist bei Erfüllung einer
Geldschuld durch Banküberweisung gilt § 907a Abs. 2.
§. 1418. In gewissen Fällen wird die Zahlungsfrist durch die Natur der
Sache bestimmt. Alimente werden wenigstens auf einen Monath voraus bezahlt.
Stirbt der Verpflegte während dieser Zeit; so sind dessen Erben nicht schuldig,
etwas von der Vorausbezahlung zurück zu geben.
§. 1419. Hat der Gläubiger gezögert, die Zahlung anzunehmen; so fallen die
widrigen Folgen auf ihn.
§. 1420. Wenn der Ort und die Art der Leistung nicht bestimmt sind, so
müssen die oben (§ 905 Abs. 1 und 2, § 906, § 907a Abs. 1, § 907b)
aufgestellten Vorschriften angewendet werden.
von wem;
§. 1421. Auch eine Person, die sonst unfähig ist, ihr Vermögen zu
verwalten, kann eine richtige und verfallene Schuld rechtmäßig abtragen, und
sich ihrer Verbindlichkeit entledigen. Hätte sie aber eine noch ungewisse, oder
nicht verfallene Schuld abgetragen, so sind die mit der Obsorge betrauten
Personen, ihr Sachwalter oder Kurator berechtigt, das Geleistete
zurückzufordern.
§. 1422. Wer die Schuld eines anderen, für die er nicht haftet (§ 1358),
bezahlt, kann vor oder bei der Zahlung vom Gläubiger die Abtretung seiner
Rechte verlangen; hat er dies getan, so wirkt die Zahlung als Einlösung der
Forderung.
§. 1423. Wird die Einlösung mit Einverständnis des Schuldners angeboten, so
muß der Gläubiger die Zahlung annehmen; doch hat er außer dem Falle des
Betruges für die Einbringlichkeit und die Richtigkeit der Forderung nicht zu
haften. Ohne Einwilligung des Schuldners kann dem Gläubiger von einem Dritten
in der Regel (§ 462) die Zahlung nicht aufgedrängt werden.
an wen;
§. 1424. Der Schuldbetrag muß dem Gläubiger oder dessen zum Empfange
geeigneten Machthaber, oder demjenigen geleistet werden, den das Gericht als
Eigenthümer der Forderung anerkannt hat. Was jemand an eine Person bezahlt hat,
die ihr Vermögen nicht selbst verwalten darf, ist er in so weit wieder zu
zahlen verbunden, als das Bezahlte nicht wirklich vorhanden, oder zum Nutzen
des Empfängers verwendet worden ist.
Gerichtliche Hinterlegung der Schuld.
§. 1425. Kann eine Schuld aus dem Grunde, weil der Gläubiger unbekannt,
abwesend, oder mit dem Angebothenen unzufrieden ist, oder aus andern wichtigen
Gründen nicht bezahlt werden; so steht dem Schuldner bevor, die abzutragende
Sache bey dem Gerichte zu hinterlegen; oder, wenn sie dazu nicht geeignet ist,
die gerichtliche Einleitung zu deren Verwahrung anzusuchen. Jede dieser
Handlungen, wenn sie rechtmäßig geschehen und dem Gläubiger bekannt gemacht
worden ist, befreyt den Schuldner von seiner Verbindlichkeit, und wälzt die Gefahr
der geleisteten Sache auf den Gläubiger.
Quittungen;
§. 1426. (Der Zahler ist in allen Fällen berechtiget, von dem Befriedigten
eine Quittung, nähmlich ein schriftliches Zeugniß der erfüllten
Verbindlichkeit, zu verlangen. In der Quittung muß der Nahme des Schuldners und
des Gläubigers, so wie der Ort, die Zeit und der Gegenstand der getilgten
Schuld ausgedrückt, und sie muß von dem Gläubiger, oder dessen Machthaber
unterschrieben werden.) Die Kosten der Quittung hat, wenn nichts anderes
vereinbart ist, der Gläubiger zu tragen.
§. 1427. Eine Quittung über das bezahlte Capital gründet die Vermuthung,
daß auch die Zinsen davon bezahlt worden seyn.
§. 1428. Besitzt der Gläubiger von dem Schuldner einen Schuldschein; so ist
er nebst Ausstellung einer Quittung verbunden, denselben zurück zu geben, oder
die allenfalls geleistete Abschlagszahlung auf dem Schuldschein selbst
abschreiben zu lassen. Der zurück erhaltene Schuldschein ohne Quittung gründet
für den Schuldner die rechtliche Vermuthung der geleisteten Zahlung; er
schließt aber den Gegenbeweis nicht aus. Ist der Schuldschein, welcher zurück
gegeben werden soll, in Verlust gerathen; so ist der Zahlende berechtiget,
Sicherstellung zu fordern, oder den Betrag gerichtlich zu hinterlegen, und zu
verlangen, daß der Gläubiger die Tödtung des Schuldscheines der Gerichtsordnung
gemäß bewirke.
§. 1429. Eine Quittung, die der Gläubiger dem Schuldner für eine
abgetragene neuere Schuldpost ausgestellt hat, beweiset zwar nicht, daß auch
andere ältere Posten abgetragen worden seyn: wenn es aber gewisse Gefälle,
Renten, oder solche Zahlungen betrifft, welche, wie Geld- Grund- Haus- oder
Capitals-Zinsen, aus eben demselben Titel und zu einer gewissen Zeit geleistet
werden sollen; so wird vermuthet, daß derjenige, welcher sich mit der Quittung
des letzt verfallenen Termines ausweiset, auch die früher verfallenen
berichtiget habe.
§. 1430. Eben so wird von Handels- und Gewerbsleuten, welche mit ihren
Abnehmern (Kunden) zu gewissen Fristen die Rechnung abzuschließen pflegen, vermuthet;
daß ihnen, wenn sie über die Rechnung aus einer späteren Frist quittirt haben,
auch die früheren Rechnungen bezahlt seyn.
Zahlung einer Nichtschuld.
§. 1431. Wenn jemand aus einem Irrthume, wäre es auch ein Rechtsirrthum,
eine Sache oder eine Handlung geleistet worden, wozu er gegen den Leistenden
kein Recht hat; so kann in der Regel im ersten Falle die Sache zurückgefordert,
im zweyten aber ein dem verschafften Nutzen angemessener Lohn verlangt werden.
§. 1432. Doch können Zahlungen einer verjährten, oder einer solchen Schuld,
welche nur aus Mangel der Förmlichkeiten ungültig ist, oder zu deren
Eintreibung das Gesetz bloß das Klagerecht versagt, eben so wenig
zurückgefordert werden, als wenn jemand eine Zahlung leistet, von der er weiß,
daß er sie nicht schuldig ist.
§. 1433. Diese Vorschrift (§. 1432) kann aber auf den Fall, in welchem ein
Pflegebefohlener, oder eine andere Person bezahlt hat, welche nicht frey über
ihr Eigenthum verfügen kann, nicht angewendet werden.
§. 1434. Die Zurückstellung des Bezahlten kann auch dann begehret werden,
wenn die Schuldforderung auf was immer für eine Art noch ungewiß ist; oder wenn
sie noch von der Erfüllung einer beygesetzten Bedingung abhängt. Die Bezahlung
einer richtigen und unbedingten Schuld kann aber deßwegen nicht zurückgefordert
werden, weil die Zahlungsfrist noch nicht verfallen ist.
§. 1435. Auch Sachen, die als eine wahre Schuldigkeit gegeben worden sind,
kann der Geber von dem Empfänger zurück fordern, wenn der rechtliche Grund, sie
zu behalten, aufgehört hat.
§. 1436. War jemand verbunden, aus zwey Sachen nur Eine nach seiner
Willkühr zu geben, und hat er aus Irrthum beyde gegeben; so hängt es von ihm
ab, die eine, oder die andere zurück zu fordern.
§. 1437. Der Empfänger einer bezahlten Nichtschuld wird als ein redlicher
oder unredlicher Besitzer angesehen, je nachdem er den Irrthum des Gebers
gewußt hat, oder aus den Umständen vermuthen mußte, oder nicht.
2) Compensation.
§. 1438. Wenn Forderungen gegenseitig zusammentreffen, die richtig,
gleichartig, und so beschaffen sind, daß eine Sache, die dem Einen als
Gläubiger gebührt, von diesem auch als Schuldner dem Andern entrichtet werden
kann; so entsteht, in so weit die Forderungen sich gegen einander ausgleichen,
eine gegenseitige Aufhebung der Verbindlichkeit (Compensation), welche schon
für sich die gegenseitige Zahlung bewirket.
§. 1439. Zwischen einer richtigen und nicht richtigen, so wie zwischen
einer fälligen und noch nicht fälligen Forderung findet die Compensation nicht
Statt. In wie fern gegen eine Insolvenzmasse die Compensation Statt finde, wird
in der Insolvenzordnung bestimmt.
§. 1440. Ebenso lassen sich Forderungen, welche ungleichartige oder
bestimmte und unbestimmte Sachen zum Gegenstande haben, gegeneinander nicht
aufheben. Eigenmächtig oder listig entzogene, entlehnte, in Verwahrung oder in
Bestand genommene Stücke sind überhaupt kein Gegenstand der Zurückbehaltung
oder der Kompensation.
§. 1441. Ein Schuldner kann seinem Gläubiger dasjenige nicht in Aufrechnung
bringen, was dieser einem Dritten und der Dritte dem Schuldner zu zahlen hat.
Selbst eine Summe, die jemand an eine Staats-Casse zu fordern hat, kann gegen
eine Zahlung, die er an eine andere Staats-Casse leisten muß, nicht abgerechnet
werden.
§. 1442. Wenn eine Forderung allmählich auf mehrere übertragen wird; so
kann der Schuldner zwar die Forderung, welche er zur Zeit der Abtretung an den
ersten Inhaber derselben hatte, so wie auch jene, die ihm gegen den letzten
Inhaber zusteht, in Abrechnung bringen; nicht aber auch diejenige, welche ihm
an einen der Zwischeninhaber zustand.
§. 1443. Gegen eine den öffentlichen Büchern einverleibte Forderung kann
die Einwendung der Compensation einem Cessionar nur dann entgegengesetzt
werden, wenn die Gegenforderung ebenfalls und zwar bey der Forderung selbst
eingetragen, oder dem Cessionar bey Uebernehmung der letztern bekannt gemacht
worden ist.
3.) Entsagung.
§. 1444. In allen Fällen, in welchen der Gläubiger berechtiget ist, sich
seines Rechtes zu begeben, kann er demselben auch zum Vortheile seines
Schuldners entsagen, und hierdurch die Verbindlichkeit des Schuldners aufheben.
4) Vereinigung.
§. 1445. So oft auf was immer für eine Art das Recht mit der
Verbindlichkeit in Einer Person vereinigt wird, erlöschen beyde; außer, wenn es
dem Gläubiger noch frey steht, eine Absonderung seiner Rechte zu verlangen (§§.
802 und 812), oder wenn Verhältnisse von ganz verschiedener Art eintreten.
Daher wird durch die Nachfolge des Schuldners in die Verlassenschaft seines
Gläubigers in den Rechten der Erbschaftsgläubiger, der Miterben oder Legatare,
und durch die Beerbung des Schuldners und Bürgen in den Rechten des Gläubigers
nichts geändert.
§. 1446. Rechte und Verbindlichkeiten, welche den öffentlichen Büchern
einverleibt sind, werden durch die Vereinigung nicht aufgehoben, bis die
Löschung aus den öffentlichen Büchern erfolgt ist (§ 526). Bis dahin kann das
eingetragene Pfandrecht vom Eigentümer oder im Wege der Zwangsvollstreckung auf
einen Dritten übertragen werden (§§ 469 bis 470).
5.) Untergang der Sache.
§1447. Der zufällige gänzliche Untergang einer bestimmten Sache hebt alle
Verbindlichkeit, selbst die, den Werth derselben zu vergüten, auf. Dieser
Grundsatz gilt auch für diejenigen Fälle, in welchen die Erfüllung der
Verbindlichkeit, oder die Zahlung einer Schuld durch einen andern Zufall
unmöglich wird. In jedem Falle muß aber der Schuldner das, was er um die
Verbindlichkeit in Erfüllung zu bringen erhalten hat, zwar gleich einem
redlichen Besitzer, jedoch auf solche Art zurückstellen oder vergüten, daß er
aus dem Schaden des Andern keinen Gewinn zieht.
6.) Tod.
§. 1448. Durch den Tod erlöschen nur solche Rechte und Verbindlichkeiten,
welche auf die Person eingeschränkt sind, oder die bloß persönliche Handlungen
des Verstorbenen betreffen.
7) Verlauf der Zeit.
§. 1449. Rechte und Verbindlichkeiten erlöschen auch durch den Verlauf der
Zeit, worauf sie durch einen letzten Willen, Vertrag, richterlichen Ausspruch,
oder durch das Gesetz beschränkt sind. Auf welche Art sie durch die vom Gesetze
bestimmte Verjährung aufgehoben werden, wird in dem folgenden Hauptstücke
festgesetzt.
Von der Einsetzung in den vorigen Stand.
§. 1450. Die bürgerlichen Gesetze, nach welchen widerrechtliche Handlungen
und Geschäfte, wenn die Verjährung nicht im Wege steht, unmittelbar bestritten
werden können, gestatten keine Einsetzung in den vorigen Stand. Die zum
gerichtlichen Verfahren gehörigen Fälle der Einsetzung in den vorigen Stand
sind in der Gerichtsordnung bestimmt.
Viertes Hauptstück.
Von der Verjährung und Ersitzung.
Verjährung.
§. 1451. Die Verjährung ist der Verlust eines Rechtes, welches während der
von dem Gesetze bestimmten Zeit nicht ausgeübt worden ist.
Ersitzung.
§. 1452. Wird das verjährte Recht vermöge des gesetzlichen Besitzes
zugleich auf jemand Andern übertragen; so heißt es ein ersessenes Recht, und
die Erwerbungsart, Ersitzung.
Wer verjähren und ersitzen kann.
§. 1453. Jeder, der sonst zu erwerben fähig ist, kann auch ein Eigenthum
oder andere Rechte durch Ersitzung erwerben.
Gegen wen?
§. 1454. Die Verjährung und Ersitzung kann gegen alle Privat-Personen,
welche ihre Rechte selbst auszuüben fähig sind, Statt finden. Gegen Mündel und
Pflegebefohlene; gegen Kirchen, Gemeinden und andere moralische Körper; gegen
Verwalter des öffentlichen Vermögens und gegen diejenigen, welche ohne ihr
Verschulden abwesend sind, wird sie nur unter den unten (§§. 1494, 1472 und
1475) folgenden Beschränkungen gestattet.
Welche Gegenstände.
§. 1455. Was sich erwerben läßt, kann auch ersessen werden. Sachen
hingegen, welche man vermöge ihrer wesentlichen Beschaffenheit, oder vermöge
der Gesetze nicht besitzen kann; ferner, Sachen und Rechte, welche
schlechterdings unveräußerlich sind, sind kein Gegenstand der Ersitzung.
§. 1456. Aus diesem Grunde können weder die dem Staatsoberhaupte als
solchen allein zukommenden Rechte, z. B. das Recht, Zölle anzulegen, Münzen zu
prägen, Steuern auszuschreiben, und andere Hoheitsrechte (Regalien) durch
Ersitzung erworben, noch die diesen Rechten entsprechenden Schuldigkeiten
verjährt werden.
§. 1457. Andere dem Staatsoberhaupte zukommende, doch nicht ausschließend
vorbehaltene Rechte, z. B. auf Waldungen, Jagden, Fischereyen u. d. gl., können
zwar überhaupt von andern Staatsbürgern, doch nur binnen einem längern als dem
gewöhnlichen Zeitraume (§. 1472.) ersessen werden.
§. 1458. Die Rechte eines Ehegatten, eines eingetragenen Partners, der
Eltern, eines Kindes und andere Personenrechte sind kein Gegenstand der
Ersitzung. Doch kommt denjenigen, welche dergleichen Rechte redlicher Weise ausüben,
die schuldlose Unwissenheit zur einstweiligen Behauptung und Ausübung ihrer
vermeinten Rechte zustatten.
§. 1459. Die Rechte eines Menschen über seine Handlungen und über sein
Eigenthum, z. B. eine Ware da oder dort zu kaufen, seine Wiesen oder sein
Wasser zu benutzen, unterliegen, außer dem Falle, daß das Gesetz mit der binnen
einem Zeitraume unterlassenen Ausübung ausdrücklich den Verlust derselben
verknüpfet, keiner Verjährung. Hat aber eine Person der andern die Ausübung
eines solchen Rechtes untersagt, oder sie daran verhindert; so fängt der Besitz
des Untersagungsrechtes von Seite der Einen gegen die Freyheit der Andern von
dem Augenblicke an, als sich diese dem Verbothe, oder der Verhinderung gefüget
hat, und es wird dadurch, wenn alle übrige Erfordernisse eintreffen, die
Verjährung oder die Ersitzung bewirket. (§. 313 u. 351.)
Erfordernisse zur Ersitzung:
1) Besitz.
§. 1460. Zur Ersitzung wird nebst der Fähigkeit der Person und des Gegenstandes
erfordert: daß jemand die Sache oder das Recht, die auf diese Art erworben
werden sollen, wirklich besitze; daß sein Besitz rechtmäßig, redlich und echt
sey, und durch die ganze von dem Gesetze bestimmte Zeit fortgesetzt werde. (§.
309, 316, 326 und 345.)
Und zwar a) ein rechtmäßiger;
§. 1461. Jeder Besitz, der sich auf einen solchen Titel gründet, welche zur
Uebernahme des Eigenthumes, wenn solches dem Uebergeber gebührt hätte,
hinlänglich gewesen wäre, ist rechtmäßig und zur Ersitzung hinreichend.
Dergleichen sind, z. B. das Vermächtniß, die Schenkung, das Darleihen, der Kauf
und Verkauf, der Tausch, die Zahlung u. s. w.
§. 1462. Verpfändete, geliehene, in Verwahrung, oder zur Fruchtnießung
gegebene Sachen können von Gläubigern, Entlehnern und Verwahrern oder
Fruchtnießern, aus Mangel eines rechtmäßigen Titels, niemahls ersessen werden.
Ihre Erben stellen die Verstorbenen vor, und haben nicht mehr Titel als
dieselben. Nur dem dritten rechtmäßigen Besitzer kann die Ersitzungszeit zu
Statten kommen.
b) redlicher;
§. 1463. Der Besitz muß redlich seyn. Die Unredlichkeit des vorigen
Besitzers hindert aber einen redlichen Nachfolger oder Erben nicht, die
Ersitzung von dem Tage seines Besitzes anzufangen. (§. 1493.)
c) echter.
§. 1464. Der Besitz muß auch echt seyn. Wenn jemand sich einer Sache mit
Gewalt oder List bemächtiget, oder in den Besitz heimlich einschleicht, oder
eine Sache nur bittweise besitzt; so kann weder er selbst, noch können seine
Erben dieselbe verjähren.
2) Verlauf der Zeit.
§. 1465. Zur Ersitzung und Verjährung ist auch der in dem Gesetze
vorgeschriebene Verlauf der Zeit nothwendig. Außer dem, durch die Gesetze für
einige besondere Fälle festgesetzten Zeitraume, wird hier das in allen übrigen
Fällen zur Ersitzung oder Verjährung nöthige Zeitmaß überhaupt bestimmt. Es
kommt dabey sowohl auf die Verschiedenheit der Rechte und der Sachen, als der
Personen an.
Ersitzungszeit. Ordentliche;
§. 1466. Das Eigenthumsrecht, dessen Gegenstand eine bewegliche Sache ist,
wird durch einen dreyjährigen rechtlichen Besitz ersessen.
§. 1467. (Anm.: Aufgehoben durch § 201, RGBl 1916/Nr. 69 - Dritte
Teilnovelle.)
§. 1468. Wo noch keine ordentlichen öffentlichen Bücher eingeführt sind,
und die Erwerbung unbeweglicher Sachen aus den Gerichts-Acten und andern
Urkunden zu erweisen ist, oder wenn die Sache auf den Nahmen desjenigen, der
die Besitzrechte darüber ausübet, nicht eingetragen ist; wird die Ersitzung
erst nach dreyßig Jahren vollendet.
§. 1469. (Anm.: Aufgehoben durch § 201, RGBl 1916/Nr. 69 - Dritte
Teilnovelle.)
§. 1470. Wo noch keine ordentlichen öffentlichen Bücher bestehen, oder ein
solches Recht denselben nicht einverleibt ist, kann es der redliche Inhaber
erst nach dreyßig Jahren ersitzen.
§. 1471. Bey Rechten, die selten ausgeübt werden können, z. B. bey dem
Rechte, eine Pfründe zu vergeben, oder jemanden bey Herstellung einer Brücke
zum Beytrage anzuhalten, muß derjenige, welcher die Ersitzung behauptet, nebst
einem Verlaufe von dreyßig Jahren, zugleich erweisen, daß der Fall zur Ausübung
binnen dieser Zeit wenigstens drey Mahl sich ergeben, und er jedes Mahl dieses
Recht ausgeübt habe.
Außerordentliche.
§. 1472. Gegen den Fiscus, das ist, gegen die Verwalter der Staatsgüter und
des Staatsvermögens, in so weit die Verjährung Platz greift (§§. 287, 289 u.
1456-1457), ferner gegen die Verwalter der Güter der Kirchen, Gemeinden und
anderer erlaubten Körper, reicht die gemeine ordentliche Ersitzungszeit nicht
zu. Der Besitz beweglicher Sachen, so wie auch der Besitz der unbeweglichen,
oder der darauf ausgeübten Dienstbarkeiten und anderer Rechte, wenn sie auf den
Nahmen des Besitzers den öffentlichen Büchern einverleibt sind, muß durch sechs
Jahre fortgesetzt werden. Rechte solcher Art, die auf den Nahmen des Besitzers
in die öffentlichen Bücher nicht einverleibt sind, und alle übrige Rechte
lassen sich gegen den Fiscus und die hier angeführten begünstigten Personen nur
durch den Besitz von vierzig Jahren erwerben.
§. 1473. Wer mit einer von dem Gesetze in Ansehung der Verjährungszeit
begünstigten Person in Gemeinschaft steht, dem kommt die nähmliche Begünstigung
zu Statten. Begünstigungen der längeren Verjährungsfrist haben auch gegen
andere, darin ebenfalls begünstigte, Personen ihre Wirkung.
§. 1474. (Anm.: Aufgehoben durch Art. 9, Z. 5, BGBl I 2006/Nr. 113 –
Deregulierungsgesetz 2006.)
§. 1475. Der Aufenthalt des Eigenthümers außer der Provinz, in welcher sich
die Sache befindet, steht der ordentlichen Ersitzung und Verjährung in so weit
entgegen, daß die Zeit einer willkührlichen und schuldlosen Abwesenheit nur zur
Hälfte, folglich Ein Jahr nur für sechs Monathe, gerechnet wird. Doch soll auf
kurze Zeiträume der Abwesenheit, welche durch kein volles Jahr ununterbrochen
gedauert haben, nicht Bedacht genommen, und überhaupt die Zeit nie weiter als bis
auf dreyßig Jahre zusammen ausgedehnet werden. Schuldbare Abwesenheit genießt
keine Ausnahme von der ordentlichen Verjährungszeit.
§. 1476. Auch derjenige, welcher eine bewegliche Sache unmittelbar von
einem unechten, oder von einem unredlichen Besitzer an sich gebracht hat, oder
seinen Vormann anzugeben nicht vermag; muß den Verlauf der sonst ordentlichen
Ersitzungszeit doppelt abwarten.
§. 1477. Wer die Ersitzung auf einen Zeitraum von dreyßig oder vierzig
Jahren stützt, bedarf keiner Angabe des rechtmäßigen Titels. Die gegen ihn
erwiesene Unredlichkeit des Besitzes schließt aber auch in diesem längeren
Zeitraume die Ersitzung aus.
Verjährungszeit. Allgemeine.
§. 1478. In so fern jede Ersitzung eine Verjährung in sich begreift, werden
beyde mit den vorgeschriebenen Erfordernissen in Einem Zeitraume vollendet. Zur
eigentlichen Verjährung aber ist der bloße Nichtgebrauch eines Rechtes, das an
sich schon hätte ausgeübt werden können, durch dreyßig Jahre hinlänglich.
§. 1479. Alle Rechte gegen einen Dritten, sie mögen den öffentlichen
Büchern einverleibt seyn oder nicht, erlöschen also in der Regel längstens
durch den dreyßigjährigen Nichtgebrauch, oder durch ein so lange Zeit
beobachtetes Stillschweigen.
§. 1480. Forderungen von rückständigen jährlichen Leistungen, insbesondere
Zinsen, Renten, Unterhaltsbeiträgen, Ausgedingsleistungen, sowie zur
Kapitalstilgung vereinbarten Annuitäten erlöschen in drei Jahren; das Recht
selbst wird durch einen Nichtgebrauch von dreißig Jahren verjährt.
Ausnahmen.
§. 1481. Die in dem Familien- und überhaupt in dem Personen-Rechte
gegründeten Verbindlichkeiten, z. B. den Kindern den unentbehrlichen Unterhalt
zu verschaffen, so wie diejenigen, welche dem oben (§. 1459.) angeführten
Rechte, mit seinem Eigenthume frey zu schalten, zusagen, z. B. die
Verbindlichkeit, die Theilung einer gemeinschaftlichen Sache oder die
Gränzbestimmung vornehmen zu lassen, können nicht verjährt werden.
§. 1482. Auf gleiche Weise wird derjenige, welcher ein Recht auf einem
fremden Grunde in Ansehung des Ganzen oder auf verschiedene beliebige Arten
ausüben konnte, bloß dadurch, daß er es durch noch so lange Zeit nur auf einem
Theile des Grundes oder nur auf eine bestimmte Weise ausübte, in seinem Rechte
nicht eingeschränkt; sondern die Beschränkung muß durch Erwerbung oder
Ersitzung des Untersagungs- oder Hinderungsrechtes bewirkt werden. (§. 351.)
Eben dieses ist auch auf den Fall anzuwenden, wenn jemand ein gegen alle
Mitglieder einer Gemeinde zustehendes Recht bisher nur gegen gewisse Mitglieder
derselben ausgeübt hat.
§. 1483. So lange der Gläubiger das Pfand in Händen hat, kann ihm die
unterlassene Ausübung des Pfandrechtes nicht eingewendet und das Pfandrecht
nicht verjährt werden. Auch das Recht des Schuldners, sein Pfand einzulösen,
bleibt unverjährt. In so fern aber die Forderung den Werth des Pfandes
übersteigt, kann sie inzwischen durch Verjährung erlöschen.
§. 1484. Zur Verjährung solcher Rechte, die nur selten ausgeübt werden
können, wird erfordert, daß während der Verjährungszeit von dreyßig Jahren von
drey Gelegenheiten, ein solches Recht auszuüben, kein Gebrauch gemacht worden
sey. (§. 1471.)
§. 1485. In Rücksicht der in dem § 1472 begünstigten Personen werden, wie
zur Ersitzung, also auch zur Verjährung, vierzig Jahre erfordert.
Die allgemeine Regel, daß ein Recht wegen des Nichtgebrauches erst nach
Verlauf von dreißig oder vierzig Jahren verloren gehe, ist nur auf diejenigen
Fälle anwendbar, für welche das Gesetz nicht einen kürzeren Zeitraum
ausgemessen hat (§ 1465).
Besondere Verjährungszeit
§. 1486. In drei Jahren sind verjährt: die Forderungen
1. für Lieferung von Sachen oder Ausführung von Arbeiten oder sonstige
Leistungen in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen
Betriebe;
2. für Lieferung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse in einem
Betriebe der Land- und Forstwirtschaft;
3. für die Übernahme zur Beköstigung, Pflege, Heilung, zur Erziehung oder
zum Unterricht durch Personen, die sich damit befassen, oder in Anstalten, die
diesem Zwecke dienen;
4. von Miet- und Pachtzinsen;
5. der Dienstnehmer wegen des Entgelts und des Auslagenersatzes aus den
Dienstverträgen von Hilfsarbeitern, Taglöhnern, Dienstboten und allen
Privatbediensteten, sowie der Dienstgeber wegen der auf solche Forderungen
gewährten Vorschüsse;
6. der Ärzte, Tierärzte, Hebammen, der Privatlehrer, der Advokaten, Notare,
Patentanwälte und aller anderen zur Besorgung gewisser Angelegenheiten
öffentlich bestellten Personen wegen Entlohnung ihrer Leistungen und Ersatzes
ihrer Auslagen, sowie der Parteien wegen der Vorschüsse an diese Personen;
7. von Ausstattungen.
§. 1486a. Der Anspruch eines Ehegatten auf Abgeltung seiner Mitwirkung im
Erwerb des anderen (§ 98) verjährt in sechs Jahren vom Ende des Monats, in dem
die Leistung erbracht worden ist.
§. 1487. Die Rechte, eine Schenkung wegen Undankbarkeit des Beschenkten zu
widerrufen; einen entgeltlichen Vertrag wegen Verletzung über die Hälfte
aufzuheben, oder die vorgenommene Teilung eines gemeinschaftlichen Gutes zu
bestreiten; und die Forderung wegen einer bei dem Vertrage unterlaufenen Furcht
oder eines Irrtums, wobei sich der andere vertragmachende Teil keiner List
schuldig gemacht hat, müssen binnen drei Jahren geltend gemacht werden. Nach
Verlauf dieser Zeit sind sie verjährt.
Verjährung erbrechtlicher Ansprüche
§. 1487a. Das Recht, eine Erklärung des letzten Willens umzustoßen, den
Geldpflichtteil zu fordern, letztwillige Bedingungen oder Belastungen von
Zuwendungen anzufechten, nach erfolgter Einantwortung ein besseres oder gleiches
Recht geltend zu machen, den Geschenknehmer wegen Verkürzung des Pflichtteils
in Anspruch zu nehmen oder sonstige Rechte aus einem Geschäft von Todes wegen
zu fordern, muss binnen drei Jahren ab Kenntnis der für das Bestehen des
Anspruchs maßgebenden Tatsachen gerichtlich geltend gemacht werden. Unabhängig
von dieser Kenntnis verjähren diese Rechte dreißig Jahre nach dem Tod des
Verstorbenen.
Abs. 1 gilt sinngemäß für die Aneignung durch den Bund.
§. 1488. Das Recht der Dienstbarkeit wird durch den Nichtgebrauch verjährt,
wenn sich der verpflichtete Theil der Ausübung der Servitut widersetzt, und der
Berechtigte durch drey auf einander folgende Jahre sein Recht nicht geltend
gemacht hat.
§. 1489. Jede Entschädigungsklage ist in drei Jahren von der Zeit an
verjährt, zu welcher der Schade und die Person des Beschädigers dem
Beschädigten bekannt wurde, der Schade mag durch Übertretung einer
Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein.
Ist dem Beschädigten der Schade oder die Person des Beschädigers nicht bekannt
geworden oder ist der Schade aus einer oder mehreren gerichtlich strafbaren
Handlungen, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als
einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind entstanden, so erlischt das Klagerecht
nur nach dreißig Jahren.
§. 1490. Klagen über Ehrenbeleidigungen, die lediglich in Beschimpfungen
durch Worte, Schriften oder Geberden bestehen, können nach Verlauf eines Jahres
nicht mehr erhoben werden. Besteht aber die Beleidigung in Tätlichkeiten, so
dauert das Klagerecht auf Genugtuung durch drei Jahre.
Auf Schadenersatzklagen wegen Gefährdung des Kredits, des Erwerbes oder des
Fortkommens eines andern durch Verbreitung unwahrer Tatsachen sind die
Vorschriften des § 1489 anzuwenden.
§. 1491. Einige Rechte sind von den Gesetzen auf eine noch kürzere Zeit
eingeschränkt. Hierüber kommen die Vorschriften an den Orten, wo diese Rechte
abgehandelt werden, vor.
§. 1492. Wie lange das Wechselrecht einem Wechselbriefe zu Statten komme,
ist in der Wechselordnung bestimmt.
Einrechnung der Verjährungszeit des Vorfahrers.
§. 1493. Wer eine Sache von einem rechtmäßigen und redlichen Besitzer
redlich übernimmt, der ist als Nachfolger berechtiget, die Ersitzungszeit
seines Vorfahrers mit einzurechnen (§. 1463). Eben dieses gilt auch von der
Verjährungszeit. Bey einer Ersitzung von dreyßig oder vierzig Jahren findet
diese Einrechnung auch ohne einen rechtmäßigen Titel, und bey der eigentlichen
Verjährung selbst ohne guten Glauben, oder schuldlose Unwissenheit Statt.
Hemmung der Verjährung.
§. 1494. Gegen solche Personen, welche aus Mangel ihrer Geisteskräfte ihre
Rechte selbst zu verwalten unfähig sind, wie gegen Minderjährige oder Personen,
die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, kann die Ersitzungs- oder Verjährungszeit,
dafern diesen Personen keine gesetzlichen Vertreter bestellt sind, nicht
anfangen. Die ein Mahl angefangene Ersitzungs- oder Verjährungszeit läuft zwar
fort; sie kann aber nie früher als binnen zwey Jahren nach den gehobenen
Hindernissen vollendet werden.
§. 1495. Auch zwischen Ehegatten oder eingetragenen Partnern sowie zwischen
Minderjährigen oder anderen Pflegebefohlenen und den mit der Obsorge betrauten
Personen, Sachwaltern oder Kuratoren kann, solange die Ehe oder eingetragene
Partnerschaft aufrecht ist oder die Obsorge, Sachwalterschaft oder Kuratel
durch dieselbe Person andauert, die Ersitzung oder Verjährung weder angefangen
noch fortgesetzt werden. Das gilt nicht für die Ansprüche eines Ehegatten oder
eines eingetragenen Partners auf Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb des anderen
Teils, doch wird die Verjährung so lange gehemmt, als zwischen den Ehegatten
oder eingetragenen Partnern ein gerichtliches Verfahren zur Entscheidung über
einen Anspruch auf Abgeltung anhängig ist und gehörig fortgesetzt wird.
§. 1496. Durch Abwesenheit in Civil- oder Kriegsdiensten, oder durch
gänzlichen Stillstand der Rechtspflege, z. B. in Pest- oder Kriegszeiten, wird
nicht nur der Anfang, sondern so lange dieses Hinderniß dauert, auch die
Fortsetzung der Ersitzung oder Verjährung gehemmet.
Unterbrechung der Verjährung.
§. 1497. Die Ersitzung sowohl, als die Verjährung wird unterbrochen, wenn
derjenige, welcher sich auf dieselbe berufen will, vor dem Verlaufe der
Verjährungszeit entweder ausdrücklich oder stillschweigend das Recht des Andern
anerkannt hat, oder wenn er von dem Berechtigten belangt, und die Klage gehörig
fortgesetzt wird. Wird aber die Klage durch einen rechtskräftigen Spruch für
unstatthaft erklärt; so ist die Verjährung für ununterbrochen zu halten.
Wirkung der Ersitzung oder Verjährung.
§. 1498. Wer eine Sache oder ein Recht ersessen hat, kann gegen den
bisherigen Eigenthümer bey dem Gerichte die Zuerkennung des Eigenthumes
ansuchen, und das zuerkannte Recht, wofern es einen Gegenstand der öffentlichen
Bücher ausmacht, den letzteren einverleiben lassen.
§. 1499. Auf gleiche Art kann nach Verlauf der Verjährung der Verpflichtete
die Löschung seiner in den öffentlichen Büchern eingetragenen Verbindlichkeit,
oder die Nichtigerklärung des dem Berechtigten bisher zugestandenen Rechtes und
der darüber ausgestellten Urkunden erwirken.
§. 1500. Das aus der Ersitzung oder Verjährung erworbene Recht kann aber
demjenigen, welcher im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor der
Einverleibung desselben eine Sache oder ein Recht an sich gebracht hat, zu
keinem Nachtheile gereichen.
§. 1501. Auf die Verjährung ist, ohne Einwendung der Parteyen, von Amts
wegen kein Bedacht zu nehmen.
Entsagung oder Verlängerung der Verjährung.
§. 1502. Der Verjährung kann weder im voraus entsagt, noch kann eine
längere Verjährungsfrist, als durch die Gesetze bestimmt ist, bedungen werden.
Fünftes Hauptstück
Inkrafttreten und
Übergangsbestimmungen ab 1. Februar 2013
§. 1503. Für das Inkrafttreten
des Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetzes 2013, BGBl. I 15/2013, gilt
Folgendes:
1. Das Kindschafts- und
Namensrechts-Änderungsgesetzes 2013 tritt, soweit im Folgenden nichts anderes
bestimmt ist, mit 1. Februar 2013 in Kraft.
2. Die §§ 93 bis 93c in der
Fassung dieses Bundesgesetzes sind auf Ehegatten anzuwenden, die die Ehe nach
dem 31. März 2013 schließen.
3. Die §§ 148 Abs. 3 und 152 in
der Fassung dieses Bundesgesetzes sind auf zu gerichtlichem Protokoll erklärte
Zustimmungen entsprechend anzuwenden.
4. Die §§ 155 bis 157 in der
Fassung dieses Bundesgesetzes sind auf Kinder anzuwenden, deren Geburt oder
Annahme an Kindesstatt nach dem 31. März 2013 beurkundet wird. § 139 in der
Fassung des NamRÄG 1995, BGBl. Nr. 25/1995, ist auf Kinder anzuwenden, deren
Geburt vor dem 1. April 2013 beurkundet wird.
5. Ehegatten, die die Ehe vor dem
1. April 2013 geschlossen haben, können ihre Namen ab dem 1. September 2013
nach den Regeln dieses Bundesgesetzes bestimmen. Gleichermaßen können für
Kinder, deren Geburt oder Annahme an Kindesstatt vor diesem Zeitpunkt
beurkundet worden ist, die Namen ab dem 1. September 2013 nach den Regeln
dieses Bundesgesetzes bestimmt werden.
6. Unbeschadet der Z 6 sind die
§§ 93 Abs. 2 und 155 Abs. 2 in der Fassung dieses Bundesgesetzes anzuwenden, wenn
die Änderung des Familiennamens des Ehegatten oder der Eltern oder eines
Elternteils nach dem 31. März 2013 beurkundet wird.
7. Rechte und Pflichten zum
Gebrauch eines Namens, die auf Grund eines vor dem 1. April 2013 erfolgten
namensrechtlich bedeutsamen Ereignisses erworben oder entstanden sind, bleiben
unberührt.
8. § 142 samt Überschrift in der
Fassung dieses Bundesgesetzes ist, außer in vor dem auf die Kundmachung
folgenden Tag anhängig gemachten gerichtlichen Verfahren auch auf
Anerkenntnisse anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten des § 142 erklärt worden
sind. § 142 tritt mit dem auf die Kundmachung dieses Bundesgesetzes im
Bundesgesetzblatt folgenden Tag in Kraft.
9. Verordnungen zur Durchführung
dieses Bundesgesetzes können ab dem auf die Kundmachung im Bundesgesetzblatt
folgenden Tag an erlassen werden; sie treten frühestens mit 1. Februar 2013 in
Kraft.
1. Die §§ 905, 907a, 1417 und 1420 in der Fassung des
Zahlungsverzugsgesetzes, BGBl. I Nr. 50/2013, sowie die Änderung der
Paragraphenbezeichnung des bisherigen § 905a in § 907b und des bisherigen §
905b in § 905a durch dieses Bundesgesetz treten mit 16. März 2013 in Kraft. Die
genannten Bestimmungen sind in der Fassung des Zahlungsverzugsgesetzes auf
Rechtsverhältnisse anzuwenden, die ab dem 16. März 2013 begründet werden. Auf
Rechtsverhältnisse, die vor dem 16. März 2013 begründet wurden, sind die
bisherigen Bestimmungen weiter anzuwenden; wenn solche früher begründeten
Rechtsverhältnisse jedoch wiederholte Geldleistungen vorsehen, gelten die neuen
Bestimmungen für diejenigen Zahlungen, die ab dem 16. März 2013 fällig werden.
2. § 1100 in der Fassung des Zahlungsverzugsgesetzes, BGBl. I Nr. 50/2013,
tritt mit 16. März 2013 in Kraft und ist in dieser Fassung auch auf Verträge
anzuwenden, die vor diesem Zeitpunkt geschlossen wurden.
§§ 197, 199 und 201 in der Fassung des Adoptionsrechts-Änderungsgesetzes
2013, BGBl. I Nr. 179/2013, treten mit 1. August 2013 in Kraft. Sie sind in
dieser Fassung auch auf Annahmen an Kindes statt anzuwenden, bei denen der
schriftliche Vertrag vor dem 31. Juli 2013 geschlossen wurde.
Die §§ 429, 905 und 1420 in der Fassung des
Verbraucherrechte-RichtlinieUmsetzungsgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2014, treten mit
13. Juni 2014 in Kraft.
Für das Inkrafttreten des GesbR-Reformgesetzes, BGBl. I Nr. 83/2014, gilt
Folgendes:
1. § 826 und die§§ 1175 bis 1216e in der Fassung des GesbR-Reformgesetzes
treten mit 1. Jänner 2015 in Kraft. Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt
ist, sind auf Sachverhalte, die sich vor diesem Zeitpunkt ereignet haben, die
bisher geltenden Bestimmungen des 27. Hauptstücks des zweiten Teils weiter
anzuwenden.
2. Unbeschadet des Vorrangs gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen (§
1181 in der Fassung des GesbR-Reformgesetzes) gelten die §§ 1182 bis 1196, die
§§ 1203 bis 1205, die §§ 1208 bis 1211, § 1213 und § 1214 Abs. 1 in der Fassung
des GesbR-Reformgesetzes ab 1. Juli 2016 für Gesellschaften bürgerlichen
Rechts, die vor dem 1. Jänner 2015 gebildet wurden, wenn bis zum Ablauf des 30.
Juni 2016 keiner der Gesellschafter gegenüber den übrigen Gesellschaftern
erklärt, die Anwendung des zuvor geltenden Rechts beibehalten zu wollen.
3. Ab 1. Jänner 2022 gelten die §§ 1182 bis 1196, die §§ 1203 bis 1205, die
§§ 1208 bis 1211, § 1213 und § 1214 Abs. 1 in der Fassung des
GesbR-Reformgesetzes unbeschadet des Vorrangs gesellschaftsvertraglicher
Vereinbarungen (§ 1181 in der Fassung des GesbR-Reformgesetzes) jedenfalls auch
für Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die vor dem 1. Jänner 2015 gebildet
wurden.
§§ 144 und 145
Abs. 1 in der Fassung des Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetzes 2015,
BGBl. I Nr. 35/2015, treten mit 1. Jänner 2015 in Kraft und sind auf ab dem 1.
Jänner 2015 geborene und im Wege medizinisch unterstützter Fortpflanzung
gezeugte Kinder anzuwenden.
Für das
Inkrafttreten des Erbrechts-Änderungsgesetzes 2015, BGBl. I Nr. 87/2015 (ErbRÄG
2015), gilt Folgendes:
1. Die §§ 199,
233, 269, 308, 531 bis 543, 546 bis 560, 563 bis 572, 575 bis 591, 601 bis 617,
647 bis 654, 656 bis 667, 672 bis 678, 681 bis 699, 701 bis 703, 705 bis 719,
721 bis 749, 750 Abs. 1, die §§ 751 bis 792, 797 bis 809, die Überschriften vor
§ 810, die §§ 811 bis 817, 819 bis 821, 823, 824, 1205, 1249, 1251 bis 1254,
1278 bis 1283, 1462, 1487 und 1487a samt Überschriften in der Fassung des
ErbRÄG 2015 und der Entfall der §§ 544, 545, 561, 562, 573, 594 bis 597, 646,
655, 668, 679, 680, 700, 704, 720, 793 bis 796, 818, 822, 951, 952, 956, 1248,
1250 und 1266 letzter Satz samt Überschriften treten mit 1. Jänner 2017 in
Kraft.
2. Soweit im
Folgenden nichts anderes bestimmt ist, sind die nach Z 1 mit 1. Jänner 2017 in
Kraft tretenden Bestimmungen anzuwenden, wenn der Verstorbene nach dem 31.
Dezember 2016 verstorben ist.
3. § 551 Abs. 1
in der Fassung des ErbRÄG 2015 ist auf nach dem 31. Dezember 2016 vorgenommene
Aufhebungen von Erbverzichten anzuwenden.
4. a) Anordnungen
der Gerichte nach § 568 in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung, wonach
eine Person unter Sachwalterschaft nur mündlich vor Gericht oder Notar
testieren kann, verlieren mit 1. Jänner 2017 ihre Gültigkeit.
b) Gleiches gilt
insoweit für die vor dem 1. Jänner 2005 erlassenen gerichtlichen Beschlüsse
über die Bestellung eines Sachwalters, mit denen die Einschränkung der
Testierfreiheit der behinderten Person verbunden war. Art. IV § 8 Familien- und
Erbrechts-Änderungsgesetz 2004, BGBl. I Nr. 58/2004, wird mit Ablauf des 31.
Dezember 2016 aufgehoben.
c) Die auf
Grundlage der in lit. a und b genannten Bestimmungen errichteten letztwilligen
Verfügungen bleiben aufrecht.
5. Die §§ 577 bis
591 und 603 in der Fassung des ErbRÄG 2015 sind auf letztwillige Verfügungen
und Schenkungen auf den Todesfall anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2016
errichtet wurden.
6. § 750 Abs. 2
in der Fassung des ErbRÄG 2015 tritt mit 17. August 2015 in Kraft und ist
anzuwenden, wenn der Verstorbene an oder nach diesem Tag gestorben ist.
7. Die §§ 752 und
753 sowie § 785 in der Fassung des ErbRÄG 2015 sind auf nach dem 31. Dezember
2016 vorgenommene Anrechnungsvereinbarungen und Anrechnungsaufhebungen
anzuwenden.
8. Die §§ 797 bis
809, 811 bis 817, 819 bis 821, 823, 824 in der Fassung des ErbRÄG 2015 sind
anzuwenden, wenn das Verlassenschaftsverfahren nach dem 31. Dezember 2016
anhängig gemacht worden ist.
9. § 1487a in der
Fassung des ErbRÄG 2015 ist ab dem 1. Jänner 2017 auf das Recht, eine Erklärung
des letzten Willens umzustoßen, den Geldpflichtteil zu fordern, letztwillige
Bedingungen oder Belastungen von Zuwendungen anzufechten, nach erfolgter
Einantwortung ein besseres oder gleichwertiges Recht geltend zu machen, den
Geschenknehmer wegen Verkürzung des Pflichtteils in Anspruch zu nehmen oder
sonstige Rechte aus einem Geschäft von Todes wegen zu fordern, anzuwenden, wenn
dieses Recht am 1. Jänner 2017 nach dem bis dahin geltenden Recht nicht bereits
verjährt ist. Der Lauf der in § 1487a vorgesehenen kenntnisabhängigen Frist
beginnt in solchen Fällen mit dem 1. Jänner 2017.
(8) §1209 in der Fassung des Bundesgesetzes
BGBl.I Nr.43/2016 tritt mit 1.Juli 2016 in Kraft Abs.5 ist auch auf dessen
nunmehrige Fassung anzuwenden.
1 Entfallen
2 Entfallen
3 Entfallen
4 Beachte BGBl 1921/Nr. 638, § 1.:
„Die im § 970, Absatz 1 und 3, a.b.G.B. den Gastwirten und
Badeanstaltsbesitzern auferlegte Haftung wird bis auf weiteres auf den
Höchstbetrag von 50.000 K beschränkt, es sei denn, daß die Sachen dem
Unternehmer besonders zur Aufbewahrung übergeben worden sind oder daß der
Schaden von ihm selbst oder seinen Leuten verschuldet ist.
Auf die Haftung von Unternehmern, die Stallungen und Aufbewahrungsräume
halten, für die bei ihnen eingestellten Tiere und Fahrnisse und die auf diesen
befindlichen Sachen (§ 970, Absatz 2, a.b.G.B.) findet die Vorschrift des
Absatzes 1 keine Anwendung.“
5 Entfallen
6 Entfallen
7 Entfallen
8 Beachte BGBl 1951/Nr. 259, § 1.:
„Der im § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. November 1921, BGBl. Nr. 638,
festgesetzte Höchstbetrag wird auf 3000 S, der im § 2 desselben Bundesgesetzes
vorgesehene Höchstbetrag auf 1500 S erhöht.“