(Allgemeines bürgerliches
Gesetzbuch für die gesammten Deutschen Erbländer der Oesterreichischen
Monarchie. I. Theil. Wien 1811.)
Wir Franz der Erste, von Gottes
Gnaden Kaiser von Oesterreich; König zu Ungarn und Böhmen; Erzherzog zu
Oesterreich, etc. etc.
Aus der Betrachtung, daß die
bürgerlichen Gesetze, um den Bürgern volle Beruhigung über den gesicherten
Genuß ihrer Privat-Rechte zu verschaffen, nicht nur nach den allgemeinen
Grundsätzen der Gerechtigkeit; sondern auch nach den besonderen Verhältnissen
der Einwohner bestimmt, in einer ihnen verständlichen Sprache bekannt gemacht,
und durch eine ordentliche Sammlung in stätem Andenken erhalten werden sollen,
haben Wir seit dem Antritte Unserer Regierung unausgesetzt Sorge getragen, daß
die schon von Unseren Vorfahren beschlossene und unternommene Abfassung eines
vollständigen, einheimischen bürgerlichen Gesetzbuches ihrer Vollendung
zugeführt werde.
Der während Unserer Regierung von
Unserer Hofcommission in Gesetzsachen zu Stande gebrachte Entwurf ward, so wie
ehedem der Entwurf des Gesetzbuches über Verbrechen und schwere
Polizey-Uebertretungen, den in den verschiedenen Provinzen eigens aufgestellten
Commissionen zur Beurtheilung mitgetheilt, in Galizien aber inzwischen schon in
Anwendung gesetzt.
Nachdem auf solche Art die
Meinungen der Sachverständigen, und die aus der Anwendung eingehohlten
Erfahrungen zur Berichtigung dieses so wichtigen Zweiges der Gesetzgebung
benützt worden sind; haben Wir nun beschlossen, dieses allgemeine bürgerliche
Gesetzbuch für Unsere gesammten Deutschen Erbländer kund zu machen, und zu
verordnen, daß dasselbe mit dem ersten Januar 1812 zur Anwendung kommen solle.
Dadurch wird das bis jetzt
angenommene gemeine Recht, der am 1. November 1786 kund gemachte erste Theil
des bürgerlichen Gesetzbuches, das für Galizien gegebene bürgerliche
Gesetzbuch, sammt allen auf die Gegenstände dieses allgemeinen bürgerlichen
Rechtes sich beziehenden Gesetzen und Gewohnheiten, außer Wirksamkeit gesetzt.
Wie Wir aber in dem Gesetzbuche
selbst zur allgemeinen Vorschrift aufgestellt haben, daß die Gesetze nicht
zurück wirken sollen; so soll auch dieses Gesetzbuch auf Handlungen, die dem
Tage, an welchem es verbindliche Kraft erhält, vorhergegangen, und auf die nach
den früheren Gesetzen bereits erworbenen Rechte keinen Einfluß haben; diese
Handlungen mögen in zweyseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, oder in solchen
Willenserklärungen bestehen, die von dem Erklärenden noch eigenmächtig
abgeändert, und nach den in dem gegenwärtigen Gesetzbuche enthaltenen
Vorschriften eingerichtet werden könnten.
Daher ist auch eine schon vor der
Wirksamkeit dieses Gesetzbuches angefangene Ersitzung oder Verjährung nach den
älteren Gesetzen zu beurtheilen. Wollte sich jemand auf eine Ersitzung oder
Verjährung berufen, die in dem neueren Gesetze auf eine kürzere Zeit als in den
früheren Gesetzen bestimmt ist; so kann er auch diese kürzere Frist erst von
dem Zeitpuncte, an welchem das gegenwärtige Gesetz verbindliche Kraft erhält,
zu berechnen anfangen.
Die Vorschriften dieses
Gesetzbuches sind zwar allgemein verbindlich; doch bestehen für den
Militär-Stand und für die zum Militär-Körper gehörigen Personen besondere, auf
das Privat-Recht sich beziehende Vorschriften, welche bey den von, oder mit
ihnen vorzunehmenden Rechtsgeschäften, obschon in dem Gesetzbuche nicht
ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, zu beobachten sind. Handels- und
Wechselgeschäfte werden nach den besonderen Handels- und Wechselgesetzen, in so
fern sie von den Vorschriften dieses Gesetzbuches abweichen, beurtheilt.
Auch bleiben die über politische,
Cameral- oder Finanz-Gegenstände kund gemachten, die Privat-Rechte
beschränkenden, oder näher bestimmenden Verordnungen, obschon in diesem
Gesetzbuche sich darauf nicht ausdrücklich bezogen wurde, in ihrer Kraft.
Ins besondere sind die auf
Geldzahlungen sich beziehenden Rechte und Verbindlichkeiten nach dem, über das
zum Umlauf und zur gemeinen Landes- (Wiener) Währung bestimmte Geld, bereits
erlassenen Patente vom 20. Hornung 1811, oder nach den noch zu erlassenden
besonderen Gesetzen, und nur bey deren Ermanglung, nach den allgemeinen
Vorschriften des Gesetzbuches zu beurtheilen.
Wir erklären zugleich den
gegenwärtigen Deutschen Text des Gesetzbuches als den Urtext, wonach die
veranstalteten Uebersetzungen in die verschiedenen Landessprachen Unserer
Provinzen zu beurtheilen sind.
Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt
Wien, den ersten Monathstag Junius, im eintausend achthundert und eilften,
Unserer Reiche im neunzehnten Jahre.
Franz (L. S.)
Aloys Graf von und zu Ugarte,
königlich-Böhmischer oberster und
erzherzoglich-Oesterreichischer erster Kanzler.
Franz Graf von Woyna.
Nach Sr. k. k. Majestät
höchst eigenem Befehle:
Johann Nepomuk Freyh. v. Geißlern.
Inhalt.
Einleitung. Von den bürgerlichen
Gesetzen überhaupt. §. 1-14.
Erster Theil.
Von dem Personenrechte.
Erstes Hauptstück. Von den Rechten,
welche sich auf persönliche Eigenschaften und Verhältnisse beziehen. §. 15-43.
Zweytes Hauptstück. Von dem
Eherechte. §. 44-136.
Drittes Hauptstück. Von den Rechten
zwischen Aeltern und Kindern. §. 137-186.
Viertes Hauptstück. Von den
Vormundschaften und Curatellen. §. 187-284.
Zweyter Theil.
Von dem Sachenrechte.
Von Sachen und ihrer rechtlichen
Eintheilung. §. 285-308.
Erste Abtheilung
des Sachenrechtes.
Von den dinglichen Rechten.
Erstes Hauptstück. Von dem Besitze.
§. 309-352.
Zweytes Hauptstück. Von dem Eigenthumsrechte.
§. 353-379.
Drittes Hauptstück. Von der
Erwerbung des Eigenthums durch Zueignung. §. 380-403.
Viertes Hauptstück. Von Erwerbung
des Eigenthumes durch Zuwachs. §. 404-422.
Fünftes Hauptstück. Von Erwerbung
des Eigenthumes durch Uebergabe. §. 423-446.
Sechstes Hauptstück. Von dem
Pfandrechte. §. 447-471.
Siebentes Hauptstück. Von
Dienstbarkeiten. (Servituten.) §. 472-530.
Achtes Hauptstück. Von dem
Erbrechte. §. 531-551.
Neuntes Hauptstück. Von der
Erklärung des letztes Willens überhaupt und den Testamenten ins besondere. §.
552-603.
Zehntes Hauptstück. Von Nacherben
und Fideicomissen. §. 604-646.
Eilftes Hauptstück. Von
Vermächtnissen. §. 647-694.
Zwölftes Hauptstück. Von
Einschränkung und Aufhebung des letzten Willens. §. 695-726.
Dreyzehntes Hauptstück. Von der
gesetzlichen Erbfolge. §. 727-761.
Vierzehntes Hauptstück. Von dem
Pflichttheile und der Anrechnung in den Pflicht- oder Erbtheil. §. 762-796.
Fünfzehntes Hauptstück. Von
Besitznehmung der Erbschaft. §. 797-824.
Sechzehntes Hauptstück. Von der
Gemeinschaft des Eigenthums und anderer dinglichen Rechte. §. 825-858.
Zweyte Abtheilung.
Von den persönlichen Sachenrechten.
Siebzehntes Hauptstück. Von
Verträgen überhaupt. §. 859-937.
Achtzehntes Hauptstück. Von
Schenkungen. §. 938-956.
Neunzehntes Hauptstück. Von dem
Verwahrungsvertrage. §. 957-970.
Zwanzigstes Hauptstück. Von dem
Leihvertrage. §. 971-982.
Ein und zwanzigstes Hauptstück. Von
dem Darleihensvertrage. §. 983-1001.
Zwey und zwanzigstes Hauptstück.
Von der Bevollmächtigung und andern Arten der Geschäftsführung. §. 1002-1044.
Drey und zwanzigstes Hauptstück.
Von dem Tauschvertrage. §. 1045-1052.
Vier und zwanzigstes Hauptstück.
Von dem Kaufvertrage. §. 1053-1089.
Fünf und zwanzigstes Hauptstück.
Von Bestand- Erbpacht- und Erbzins-Verträgen. §. 1090-1150.
Sechs und zwanzigstes Hauptstück.
Von entgeldlichen Verträgen über Dienstleistungen. §. 1151-1174.
Sieben und zwanzigstes Hauptstück.
Von dem Vertrage über eine Gemeinschaft der Güter. §. 1175-1216.
Acht und zwanzigstes Hauptstück.
Von den Ehepacten. §. 1217-1266.
Neun und zwanzigstes Hauptstück.
Von den Glücksverträgen. §. 1267-1292.
Dreyßigstes Hauptstück. Von dem
Rechte des Schadenersatzes und der Genugthuung. §. 1293-1341.
Dritter Theil.
Von den gemeinschaftlichen Bestimmungen
der Personen- und Sachenrechte.
Erstes Hauptstück. Von Befestigung
der Rechte und Verbindlichkeiten. §. 1342-1374.
Zweytes Hauptstück. Von Umänderung
der Rechte und Verbindlichkeiten. §. 1375-1410.
Drittes Hauptstück. Von Aufhebung
der Rechte und Verbindlichkeiten. §. 1411-1450.
Viertes Hauptstück. Von der
Verjährung und Ersitzung. §. 1451-1502.
Einleitung.
Von den bürgerlichen Gesetzen
überhaupt.
Begriff des bürgerlichen Rechtes.
§. 1. Der Inbegriff der Gesetze, wodurch
die Privat-Rechte und Pflichten der Einwohner des Staates unter sich bestimmt
werden, macht das bürgerliche Recht in demselben aus.
§. 2. So bald ein Gesetz gehörig
kund gemacht worden ist, kann sich niemand damit entschuldigen, daß ihm
dasselbe nicht bekannt geworden sey.
Anfang der Wirksamkeit der Gesetze.
§. 3. Die Wirksamkeit eines
Gesetzes und die daraus entspringenden rechtlichen Folgen nehmen gleich nach
der Kundmachung ihren Anfang; es wäre denn, daß in dem kund gemachten Gesetze
selbst der Zeitpunct seiner Wirksamkeit weiter hinaus bestimmt würde.
Umfang des Gesetzes.
§. 4. Die bürgerlichen Gesetze
verbinden alle Staatsbürger der Länder, für welche sie kund gemacht sind. Die
Staatsbürger bleiben auch in Handlungen und Geschäften, die sie außer dem
Staatsgebiethe vornehmen, an diese Gesetze gebunden, in so weit als ihre
persönliche Fähigkeit, sie zu unternehmen, dadurch eingeschränket wird, und als
diese Handlungen und Geschäfte zugleich in diesen Ländern rechtliche Folgen
hervorbringen sollen. In wie fern die Fremden an diese Gesetze gebunden sind,
wird in dem folgenden Hauptstücke bestimmt.
§. 5. Gesetze wirken nicht zurück;
sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte
keinen Einfluß.
Auslegung.
§. 6. Einem Gesetze darf in der
Anwendung kein anderer Verstand beygelegt werden, als welcher aus der
eigenthümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhange und aus der klaren
Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet.
§. 7. Läßt sich ein Rechtsfall
weder aus den Worten, noch aus dem natürlichen Sinne eines Gesetzes
entscheiden, so muß auf ähnliche, in den Gesetzen bestimmt entschiedene Fälle,
und auf die Gründe anderer damit verwandten Gesetze Rücksicht genommen werden.
Bleibt der Rechtsfall noch zweifelhaft; so muß solcher mit Hinsicht auf die
sorgfältig gesammelten und reiflich erwogenen Umstände nach den natürlichen
Rechtsgrundsätzen entschieden werden.
§. 8. Nur dem Gesetzgeber steht die
Macht zu, ein Gesetz auf eine allgemein verbindliche Art zu erklären. Eine solche
Erklärung muß auf alle noch zu entscheidende Rechtsfälle angewendet werden,
dafern der Gesetzgeber nicht hinzufügt, daß seine Erklärung bey Entscheidung
solcher Rechtsfälle, welche die vor der Erklärung unternommenen Handlungen und
angesprochenen Rechte zum Gegenstande haben, nicht bezogen werden solle.
Dauer des Gesetzes.
§. 9. Gesetze behalten so lange
ihre Kraft, bis sie von dem Gesetzgeber abgeändert oder ausdrücklich aufgehoben
werden.
Andere Arten der Vorschriften, als:
a) Gewohnheiten.
§. 10. Auf Gewohnheiten kann nur in
den Fällen, in welchen sich ein Gesetz darauf beruft, Rücksicht genommen
werden.
b) Provinzial-Statuten.
§. 11. Nur jene Statuten einzelner
Provinzen und Landesbezirke haben Gesetzeskraft, welche nach der Kundmachung
dieses Gesetzbuches von dem Landesfürsten ausdrücklich bestätiget werden.
c) Richterliche Aussprüche.
§. 12. Die in einzelnen Fällen
ergangenen Verfügungen und die von Richterstühlen in besonderen
Rechtsstreitigkeiten gefällten Urtheile haben nie die Kraft eines Gesetzes, sie
können auf andere Fälle oder auf andere Personen nicht ausgedehnet werden.
d) Privilegien.
§. 13. Die einzelnen Personen oder
auch ganzen Körpern verliehenen Privilegien und Befreyungen sind, so fern
hierüber die politischen Verordnungen keine besondere Bestimmung enthalten,
gleich den übrigen Rechten zu beurtheilen.
Haupteintheilung des bürgerlichen
Rechtes.
§. 14. Die in dem bürgerlichen
Gesetzbuche enthaltenen Vorschriften haben das Personen-Recht, das Sachenrecht
und die denselben gemeinschaftlich zukommenden Bestimmungen zum Gegenstande.
Erster Theil.
Von dem Personen-Rechte.
Erstes Hauptstück.
Von den Rechten, welche sich auf
persönliche Eigenschaften und Verhältnisse beziehen.
Personen-Rechte.
§. 15. Die Personen-Rechte beziehen
sich theils auf persönliche Eigenschaften und Verhältnisse; theils gründen sie
sich in dem Familien-Verhältnisse.
I. Aus dem Charakter der
Persönlichkeit.
Angeborne Rechte.
§. 16. Jeder Mensch hat angeborne,
schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu
betrachten. Sclaverey oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich
beziehenden Macht wird in diesen Ländern nicht gestattet.
Rechtliche Vermuthung derselben.
§. 17. Was den angebornen
natürlichen Rechten angemessen ist, dieses wird so lange als bestehend
angenommen, als die gesetzmäßige Beschränkung dieser Rechte nicht bewiesen
wird.
Erwerbliche Rechte.
§. 18. Jedermann ist unter den von
den Gesetzen vorgeschriebenen Bedingungen fähig, Rechte zu erwerben.
Verfolgung der Rechte.
§. 19. Jedem, der sich in seinem
Rechte gekränkt zu seyn erachtet, steht es frey, seine Beschwerde vor der durch
die Gesetze bestimmten Behörde anzubringen. Wer sich aber mit Hintansetzung
derselben der eigenmächtigen Hülfe bedienet, oder, wer die Gränzen der
Nothwehre überschreitet, ist dafür verantwortlich.
§. 20. Auch solche Rechtsgeschäfte,
die das Oberhaupt des Staates betreffen, aber auf dessen Privat-Eigenthum, oder
auf die in dem bürgerlichen Rechte gegründeten Erwerbungsarten sich beziehen,
sind von den Gerichtsbehörden nach den Gesetzen zu beurtheilen.
II. Personen-Rechte aus der
Eigenschaft des Alters oder mangelnden Verstandesgebrauches.
§. 21. Diejenigen, welche wegen
Mangels an Jahren, Gebrechen des Geistes, oder anderer Verhältnisse wegen, ihre
Angelegenheiten selbst gehörig zu besorgen unfähig sind, stehen unter dem
besonderen Schutze der Gesetze. Dahin gehören: Kinder, die das siebente;
Unmündige, die das vierzehnte; Minderjährige, die das vier und zwanzigste Jahr
ihres Lebens noch nicht zurückgelegt haben; dann: Rasende, Wahnsinnige und
Blödsinnige, welche des Gebrauches ihrer Vernunft entweder gänzlich beraubt
oder wenigstens unvermögend sind, die Folgen ihrer Handlungen einzusehen;
ferner: diejenigen, welchen der Richter als erklärten Verschwendern die fernere
Verwaltung ihres Vermögens untersagt hat; endlich: Abwesende und Gemeinden.
§. 22. Selbst ungeborne Kinder
haben von dem Zeitpuncte ihrer Empfängniß an einen Anspruch auf den Schutz der
Gesetze. In so weit es um ihre und nicht um die Rechte eines Dritten zu thun
ist, werden sie als Geborne angesehen; ein todtgebornes Kind aber wird in
Rücksicht auf die ihm für den Lebensfall vorbehaltenen Rechte so betrachtet,
als wäre es nie empfangen worden.
§. 23. In zweifelhaftem Falle, ob
ein Kind lebendig oder todt geboren worden sey, wird das Erstere vermuthet. Wer
das Gegentheil behauptet, muß es beweisen.
III. Aus dem Verhältnisse der
Abwesenheit.
§. 24. Der
Tod eines Abwesenden wird vermutet:
1. wenn siebzig Jahre
seit seiner Geburt und fünf Jahre seit der letzten Nachricht von seinem Leben,
oder wenn dreißig Jahre seit seiner Geburt und seit der letzten Nachricht zehn
Jahre verstrichen sind – die Fristen von fünf und zehn Jahren vom Schlusse des
letzten Jahres gerechnet, in dem er den vorhandenen Nachrichten zufolge noch
gelebt hat;
2. wenn er im Kriege
schwer verwundet oder als Teilnehmer im Kriege vermißt worden ist und seit
Schluß des Jahres der Beendigung des Krieges drei Jahre verstrichen sind, ohne
daß bis dahin eine Nachricht von seinem Leben eingegangen ist;
3. wenn er auf einem
untergegangenen Schiffe oder in einer andern nahen Todesgefahr gewesen ist und
seit Schluß des Jahres, in das dieses Ereignis fällt, durch drei Jahre vermißt
wird. Der Untergang des Schiffes wird vermutet, wenn es am Orte seiner
Bestimmung nicht eingetroffen oder in Ermanglung eines festen Reisezieles nicht
zurückgekehrt ist und seit der letzten Nachricht drei Jahre verstrichen sind.
Als Tag des Unterganges gilt der letzte Tag dieser Frist.
In allen diesen Fällen
kann die Todeserklärung angesucht werden.
§. 25. Im Zweifel, welche von zwey
oder mehreren verstorbenen Personen zuerst mit Tode abgegangen sey, muß
derjenige, welcher den früheren Todesfall des Einen oder des Anderen behauptet,
seine Behauptung beweisen; kann er dieses nicht, so werden Alle als zu gleicher
Zeit verstorben vermuthet, und es kann von Uebertragung der Rechte des Einen
auf den Anderen keine Rede seyn.
IV. Aus dem Verhältnisse einer
moralischen Person.
§. 26. Die Rechte der Mitglieder
einer erlaubten Gesellschaft unter sich werden durch den Vertrag oder Zweck und
die besonderen für dieselben bestehenden Vorschriften bestimmt. Im Verhältnisse
gegen Andere genießen erlaubte Gesellschaften in der Regel gleiche Rechte mit
den einzelnen Personen. Unerlaubte Gesellschaften haben als solche keine
Rechte, weder gegen die Mitglieder, noch gegen Andere, und sie sind unfähig,
Rechte zu erwerben. Unerlaubte Gesellschaften sind aber diejenigen, welche
durch die politischen Gesetze insbesondere verbothen werden, oder offenbar der
Sicherheit, öffentlichen Ordnung oder den guten Sitten widerstreiten.
§. 27. In wie fern Gemeinden in
Rücksicht ihrer Rechte unter einer besonderen Vorsorge der öffentlichen
Verwaltung stehen, ist in den politischen Gesetzen enthalten.
V. Aus dem Verhältnisse eines
Staatsbürgers.
§. 28. Den vollen Genuß der
bürgerlichen Rechte erwirbt man durch die Staatsbürgerschaft. Die
Staatsbürgerschaft in diesen Erbstaaten ist Kindern eines Oesterreichischen Staatsbürgers
durch die Geburt eigen.
Wie die Staatsbürgerschaft
erworben;
§. 29. Fremde erwerben die
Oesterreichische Staatsbürgerschaft durch Eintretung in einen öffentlichen
Dienst; durch einen in diesen Staaten vollendeten zehnjährigen ununterbrochenen
Wohnsitz, jedoch unter der Bedingung, daß der Fremde diese Zeit hindurch sich
wegen eines Verbrechens keine Strafe zugezogen habe.
§. 30. Auch ohne Antretung eines
Gewerbes oder Handwerkes, und vor verlaufenen zehn Jahren, kann die
Einbürgerung bey den politischen Behörden angesucht, und von denselben, nachdem
das Vermögen, die Erwerbfähigkeit und das sittliche Betragen des Ansuchenden
beschaffen sind, verliehen werden.
§. 31. Durch die bloße Inhabung
oder zeitliche Benützung eines Landgutes, Hauses oder Grundstückes; durch die
Anlegung eines Handels, einer Fabrik, oder die Theilnahme an einem von beyden,
ohne persönliche Ansässigkeit in einem Lande dieser Staaten, wird die
Oesterreichische Staatsbürgerschaft nicht erworben.
wie sie verloren werde
§. 32. Der Verlust der
Staatsbürgerschaft durch Auswanderung oder durch Verehelichung einer
Staatsbürgerinn an einen Ausländer, wird durch die Auswanderungsgesetze
bestimmt.
Rechte der Fremden.
§. 33. Den Fremden kommen überhaupt
gleiche bürgerliche Rechte und Verbindlichkeiten mit den Eingebornen zu, wenn
nicht zu dem Genusse dieser Rechte ausdrücklich die Eigenschaft eines
Staatsbürgers erfordert wird. Auch müssen die Fremden, um gleiches Recht mit
den Eingebornen zu genießen, in zweifelhaften Fällen beweisen, daß der Staat,
dem sie angehören, die hierländigen Staatsbürger in Rücksicht des Rechtes,
wovon die Frage ist, ebenfalls wie die seinigen behandle.
§. 34. Die persönliche Fähigkeit
der Fremden zu Rechtsgeschäften ist insgemein nach den Gesetzen des Orts, denen
der Fremde vermöge seines Wohnsitzes, oder, wenn er keinen eigentlichen
Wohnsitz hat, vermöge seiner Geburt als Unterthan unterliegt, zu beurtheilen;
in so fern nicht für einzelne Fälle in dem Gesetze etwas Anderes verordnet ist.
§. 35. Ein von einem Ausländer in
diesem Staate unternommenes Geschäft, wodurch er anderen Rechte gewähret, ohne
dieselben gegenseitig zu verpflichten, ist entweder nach diesem Gesetzbuche,
oder aber nach dem Gesetze, dem der Fremde als Unterthan unterliegt, zu
beurtheilen; je nachdem das eine oder andere Gesetz die Gültigkeit des
Geschäftes am meisten begünstiget.
§. 36. Wenn ein Ausländer hier
Landes ein wechselseitig verbindendes Geschäft mit einem Staatsbürger eingeht,
so wird es ohne Ausnahme nach diesem Gesetzbuche; dafern er es aber mit einem
Ausländer schließt, nur dann nach demselben beurtheilet, wenn nicht bewiesen
wird, daß bey der Abschließung auf ein anderes Recht Bedacht genommen worden
sey.
§. 37. Wenn Ausländer mit
Ausländern, oder mit Unterthanen dieses Staates im Auslande Rechtsgeschäfte
vornehmen, so sind sie nach den Gesetzen des Ortes, wo das Geschäft
abgeschlossen worden ist, zu beurtheilen; dafern bey der Abschließung nicht
offenbar ein anderes Recht zum Grunde gelegt worden ist, und die oben im §. 4.
enthaltene Vorschrift nicht entgegensteht.
§. 38. Die Gesandten, die
öffentlichen Geschäftsträger und die in ihren Diensten stehenden Personen
genießen die in dem Völkerrechte und in den öffentlichen Verträgen gegründeten
Befreyungen.
VI. Personen-Rechte aus dem Religions-Verhältnisse.
§. 39. Die Verschiedenheit der
Religion hat auf die Privat-Rechte keinen Einfluß, außer in so fern dieses bey
einigen Gegenständen durch die Gesetze insbesondere angeordnet wird.
VII. Aus dem Familien-Verhältnisse.
Familie, Verwandtschaft und
Schwägerschaft.
§. 40. Unter Familie werden die
Stammältern mit allen ihren Nachkommen verstanden. Die Verbindung zwischen
diesen Personen wird Verwandtschaft; die Verbindung aber, welche zwischen einem
Ehegatten und den Verwandten des anderen Ehegatten entsteht, Schwägerschaft
genannt.
§. 41. Die Grade der Verwandtschaft
zwischen zwey Personen sind nach der Zahl der Zeugungen, mittelst welcher in
der geraden Linie eine derselben von der anderen, und in der Seitenlinie beyde
von ihrem nächsten gemeinschaftlichen Stamme abhängen, zu bestimmen. In welcher
Linie und in welchem Grade jemand mit dem einen Ehegatten verwandt ist, in eben
der Linie und in eben dem Grade ist er mit dem anderen Ehegatten verschwägert.
§. 42. Unter den Nahmen Aeltern
werden in der Regel ohne Unterschied des Grades alle Verwandte in der
aufsteigenden; und unter dem Nahmen Kinder, alle Verwandte in der absteigenden
Linie begriffen.
§. 43. Die besonderen Rechte der
Familien-Glieder werden bey den verschiedenen Rechtsverhältnissen, worin sie
ihnen zukommen, angeführt.
Zweytes Hauptstück.
Von dem Eherechte.
Begriff der Ehe,
§. 44. Die Familien-Verhältnisse
werden durch den Ehevertrag gegründet. In dem Ehevertrage erklären zwey
Personen verschiedenen Geschlechtes gesetzmäßig ihren Willen, in
unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und
sich gegenseitig Beystand zu leisten.
und des Eheverlöbnisses.
§. 45. Ein Eheverlöbniß oder ein
vorläufiges Versprechen, sich zu ehelichen, unter was für Umständen oder
Bedingungen es gegeben oder erhalten worden, zieht keine rechtliche
Verbindlichkeit nach sich, weder zur Schließung der Ehe selbst, noch zur
Leistung desjenigen, was auf den Fall des Rücktrittes bedungen worden ist.
Rechtliche Wirkung des Rücktrittes vom
Eheverlöbnisse.
§. 46. Nur bleibt dem Theile, von
dessen Seite keine gegründete Ursache zu dem Rücktritte entstanden ist, der
Anspruch auf den Ersatz des wirklichen Schadens vorbehalten, welchen er aus
diesem Rücktritte zu leiden beweisen kann.
Regel über die Fähigkeit zur
Schließung einer Ehe.
§. 47. Einen Ehevertrag kann
jedermann schließen, in so fern ihm kein gesetzliches Hinderniß im Wege steht.
Hindernisse der Ehe:
I) Abgang der Einwilligung,
a) aus Mangel des Vermögens zur
Einwilligung.
§. 48. Rasende, Wahnsinnige,
Blödsinnige und Unmündige sind außer Stande, einen gültigen Ehevertrag zu
errichten.
§. 49. Minderjährige oder auch
Volljährige, welche aus was immer für Gründen für sich allein keine gültige
Verbindlichkeit eingehen können, sind auch unfähig, ohne Einwilligung ihres
ehelichen Vaters sich gültig zu verehelichen. Ist der Vater nicht mehr am Leben
oder zur Vertretung unfähig; so wird, nebst der Erklärung des ordentlichen
Vertreters, auch die Einwilligung der Gerichtsbehörde zur Gültigkeit der Ehe
erfordert.
§. 50. Minderjährige von
unehelicher Geburt bedürfen zur Gültigkeit ihrer Ehe, nebst der Erklärung ihres
Vormundes, die Einwilligung der Gerichtsbehörde.
§. 51. Einem fremden
Minderjährigen, der sich in diesen Staaten verehelichen will, und die
erforderliche Einwilligung beyzubringen nicht vermag, ist von dem hierländigen
Gerichte, unter welches er nach seinem Stande und Aufenthalte gehören würde,
ein Vertreter zu bestellen, der seine Einwilligung zur Ehe oder seine
Mißbilligung diesem Gerichte zu erklären hat.
§. 52. Wird einem Minderjährigen
oder Pflegebefohlenen die Einwilligung zur Ehe versagt, und halten sich die
Ehewerber dadurch beschwert; so haben sie das Recht, die Hülfe des ordentlichen
Richters anzusuchen.
§. 53. Mangel an dem nöthigen
Einkommen; erwiesene oder gemein bekannte schlechte Sitten; ansteckende
Krankheiten oder dem Zwecke der Ehe hinderliche Gebrechen desjenigen, mit dem
die Ehe eingegangen werden will; sind rechtmäßige Gründe, die Einwilligung zur
Ehe zu versagen.
§. 54. Mit welchen Militär-Personen
oder zum Militär-Körper gehörigen Personen ohne schriftliche Erlaubniß ihres
Regiments, Corps oder überhaupt ihrer Vorgesetzten kein gültiger Ehevertrag
eingegangen werden könne, bestimmen die Militär-Gesetze.
b) aus Mangel der wirklichen
Einwilligung.
§. 55. Die Einwilligung zur Ehe ist
ohne Rechtskraft, wenn sie durch eine gegründete Furcht erzwungen worden ist.
Ob die Furcht gegründet war, muß aus der Größe und Wahrscheinlichkeit der
Gefahr, und aus der Leibes- und Gemüthsbeschaffenheit der bedrohten Person
beurtheilet werden.
§. 56. Die Einwilligung ist auch
dann ungültig, wenn sie von einer entführten und noch nicht in ihre Freyheit
versetzten Person gegeben worden ist.
§. 57. Ein Irrthum macht die
Einwilligung in die Ehe nur dann ungültig, wenn er in der Person des künftigen
Ehegatten vorgegangen ist.
§. 58. Wenn ein Ehemann seine
Gattinn nach der Ehelichung bereits von einem Anderen geschwängert findet; so
kann er, außer dem im §. 121. bestimmten Falle, fordern, daß die Ehe als
ungültig erkläret werde.
§. 59. Alle übrigen Irrthümer der
Ehegatten, so wie auch ihre getäuschten Erwartungen der vorausgesetzten oder
auch verabredeten Bedingungen, stehen der Gültigkeit des Ehevertrages nicht
entgegen.
II. Abgang des Vermögens zum
Zwecke:
a) des physischen Vermögens;
§. 60. Das immerwährende
Unvermögen, die eheliche Pflicht zu leisten, ist ein Ehehinderniß, wenn es
schon zur Zeit des geschlossenen Ehevertrages vorhanden war. Ein bloß
zeitliches, oder ein erst während der Ehe zugestoßenes, selbst unheilbares,
Unvermögen kann das Band der Ehe nicht auflösen.
b) des sittlichen Vermögens; wegen
Verurtheilung zu einer schweren Criminalstrafe;
§. 61. (Anm.: Aufgehoben durch § 5,
RGBl 1867/Nr. 131.)
wegen Ehebandes;
§. 62. Ein Mann darf nur mit einem
Weibe, und ein Weib nur mit einem Manne zu gleicher Zeit vermählet seyn. Wer
schon verehelichet war und sich wieder verehelichen will, muß die erfolgte
Trennung, das ist, die gänzliche Auflösung des Ehebandes, rechtmäßig beweisen.
wegen Weihe oder Gelübdes;
§. 63. Geistliche, welche schon
höhere Weihen empfangen; wie auch Ordenspersonen von beyden Geschlechtern,
welche feyerliche Gelübde der Ehelosigkeit abgelegt haben, können keine
gültigen Eheverträge schließen.
Religionsverschiedenheit;
§. 64. Eheverträge zwischen
Christen und Personen, welche sich nicht zur christlichen Religion bekennen,
können nicht gültig eingegangen werden.
Verwandtschaft;
§. 65. Zwischen Verwandten in auf-
und absteigender Linie; zwischen voll- und halbbürtigen Geschwistern; zwischen
Geschwisterkindern; wie auch mit den Geschwistern der Aeltern, nähmlich mit dem
Oheim und der Muhme väterlicher und mütterlicher Seite, kann keine gültige Ehe
geschlossen werden; es mag die Verwandtschaft aus ehelicher oder unehelicher Geburt
entstehen.
oder Schwägerschaft;
§. 66. Aus der Schwägerschaft
entsteht das Ehehinderniß, daß der Mann die im §. 65 erwähnten Verwandten
seiner Ehegattinn, und die Gattinn die daselbst erwähnten Verwandten ihres
Mannes nicht ehelichen kann.
wegen Ehebruchs;
§. 67. Eine Ehe zwischen zwey
Personen, die mit einander einen Ehebruch begangen haben, ist ungültig. Der
Ehebruch muß aber vor der geschlossenen Ehe bewiesen seyn.
oder Gattenmordes.
§. 68. Wenn zwey Personen, auch
ohne vorhergegangenen Ehebruch, sich zu ehelichen versprochen haben, und wenn,
um die Absicht zu erreichen, auch nur eine von ihnen dem Gatten, der ihrer Ehe
im Wege stand, nach dem Leben gestellet hat; so kann zwischen denselben auch
dann, wenn der Mord nicht wirklich vollbracht worden ist, eine gültige Ehe
nicht geschlossen werden.
III. Abgang der wesentlichen
Feyerlichkeiten.
Solche sind:
§. 69. Zur Gültigkeit der Ehe wird
auch das Aufgeboth und die feyerliche Erklärung der Einwilligung gefordert.
a) das Aufgeboth;
§. 70. Das Aufgeboth besteht in der
Verkündigung der bevorstehenden Ehe mit Anführung des Vornahmens,
Familien-Nahmens, Geburtsortes, Standes und Wohnortes beyder Verlobten, mit der
Erinnerung: daß jedermann, dem ein Hinderniß der Ehe bekannt ist, selbes
anzeigen solle. Die Anzeige ist unmittelbar oder mittelst des Seelsorgers, der
die Ehe verkündiget hat, bey demjenigen Seelsorger zu machen, dem die Trauung
zusteht.
§. 71. (Anm.: Aufgehoben durch Art.
3, RGBl 1869/Nr. 4.)
§. 72. Wenn die Verlobten oder
eines von ihnen in dem Pfarrbezirke, in welchem die Ehe geschlossen werden
soll, noch nicht durch sechs Wochen wohnhaft sind; so ist das Aufgeboth auch an
ihrem letzten Aufenthaltsorte, wo sie länger als die eben bestimmte Zeit
gewohnt haben, vorzunehmen, oder die Verlobten müssen ihren Wohnsitz an dem
Orte, wo sie sich befinden, durch sechs Wochen fortsetzen, damit die
Verkündigung ihrer Ehe dort hinreichend sey.
§. 73. Wird binnen sechs Monathen
nach dem Aufgebothe die Ehe nicht geschlossen, so müssen die drey
Verkündigungen wiederhohlt werden.
§. 74. Zur Gültigkeit des
Aufgebothes und der davon abhängenden Gültigkeit der Ehe ist es zwar genug, daß
die Nahmen der Brautleute und ihre bevorstehende Ehe wenigstens Einmahl sowohl
in dem Pfarrbezirke des Bräutigams als der Braut verkündiget worden, und ein in
der Form oder Zahl der Verkündigungen unterlaufener Mangel macht die Ehe nicht
ungültig; es sind aber theils die Brautleute oder ihre Vertreter, theils die
Seelsorger unter angemessener Strafe verpflichtet, dafür zu sorgen, daß alle
hier vorgeschriebene Verkündigungen in der gehörigen Form vorgenommen werden.
b) die feyerliche Erklärung der
Einwilligung.
§. 75. Die feyerliche Erklärung der
Einwilligung muß vor dem ordentlichen Seelsorger eines der Brautleute, er mag
nun, nach Verschiedenheit der Religion, Pfarrer, Pastor oder wie sonst immer
heißen, oder vor dessen Stellvertreter in Gegenwart zweyer Zeugen geschehen.
§. 76. Die feyerliche Erklärung der
Einwilligung zur Ehe kann mittelst eines Bevollmächtigten geschehen; doch muß
hierzu die Bewilligung der Landesstelle erwirkt und in der Vollmacht die
Person, mit welcher die Ehe einzugehen ist, bestimmt werden. Die ohne eine
solche besondere Vollmacht geschlossene Ehe ist ungültig. Ist die Vollmacht vor
der abgeschlossenen Ehe widerrufen worden, so ist zwar die Ehe ungültig, aber
der Machtgeber für den durch seinen Widerruf verursachten Schaden
verantwortlich.
§. 77. (Anm.: Aufgehoben durch Art.
3, RGBl 1869/Nr. 4.)
§. 78. Wenn Verlobte das
schriftliche Zeugniß von der vollzogenen ordentlichen Verkündigung; oder, wenn
die in den §§. 49, 50, 51, 52 und 54 erwähnten Personen die zu ihrer
Verehelichung erforderliche Erlaubniß; wenn ferner diejenigen, deren
Volljährigkeit nicht offenbar am Tage liegt, den Taufschein oder das
schriftliche Zeugniß ihrer Volljährigkeit nicht vorweisen können; oder, wenn
ein anderes Ehehinderniß rege gemacht wird; so ist es dem Seelsorger bey
schwerer Strafe verbothen, die Trauung vorzunehmen, bis die Verlobten die
nothwendigen Zeugnisse beygebracht und alle Anstände gehoben haben.
§. 79. Finden die Verlobten sich
durch die Verweigerung der Trauung gekränkt, so können sie ihre Beschwerde der
Landesstelle, und in den Orten, wo keine Landesstelle ist, dem Kreisamte
vorlegen.
§. 80. Zu einem dauerhaften Beweise
des geschlossenen Ehevertrages sind die Pfarrvorsteher verbunden, denselben in
das besonders dazu bestimmte Trauungsbuch eigenhändig einzutragen. Es muß der
Vor- und Familien-Nahme, das Alter, die Wohnung, so wie auch der Stand der
Ehegatten, mit der Bemerkung, ob sie schon verehelichet waren oder nicht; der
Vor- und Familien-Nahme, dann der Stand ihrer Aeltern und der Zeugen; ferner,
der Tag, an welchem die Ehe geschlossen worden; endlich auch der Nahme des
Seelsorgers, vor welchem die Einwilligung feyerlich erklärt worden ist,
deutlich angeführet, und die Urkunden, wodurch die vorgekommenen Anstände
gehoben worden, angedeutet werden.
§. 81. Soll die Ehe an einem
dritten Orte, dem keine der verlobten Personen eingepfarret ist, geschlossen
werden, so muß der ordentliche Seelsorger gleich bey der Ausfertigung der
Urkunde, wodurch er einen Anderen zu seinem Stellvertreter benennet, diesen
Umstand mit Benennung des Ortes, wo und vor welchem Seelsorger die Ehe
geschlossen werden soll, in das Trauungsbuch seiner Pfarre eintragen.
§. 82. Der Seelsorger des Ortes, wo
die Ehe eingegangen wird, muß die geschehende Abschließung der Ehe in das
Trauungsbuch seiner Pfarre mit dem Beysatze, von welchem Pfarrer er zum
Stellvertreter ernannt worden, ebenfalls eintragen, und die Abschließung der
Ehe dem Pfarrer, von welchem er berechtiget worden ist, binnen acht Tagen
anzeigen.
Dispensation von Ehehindernissen.
§. 83. Aus wichtigen Gründen kann
die Nachsicht von Ehehindernissen bey der Landesstelle angesuchet werden, welche
nach Beschaffenheit der Umstände sich in das weitere Vernehmen zu setzen hat.
§. 84. Vor Abschließung der Ehe ist
die Nachsicht über Ehehindernisse von den Parteyen selbst und unter eigenem
Nahmen anzusuchen. Wenn sich aber nach schon geschlossener Ehe ein vorher
unbekanntes auflösliches Hinderniß äußern sollte, können sich die Parteyen auch
durch ihre Seelsorger, und mit Verschweigung ihres Nahmens, an die Landesstelle
um Nachsicht wenden.
§. 85. In den Orten, wo keine
Landesstelle ist, wird den Kreisämtern die Macht ertheilet, aus wichtigen
Ursachen die zweyte und dritte Verkündigung nachzusehen.
§. 86. Unter dringenden Umständen
kann von der Landesstelle oder dem Kreisamte, und wenn eine bestätigte nahe
Todesgefahr keinen Verzug gestattet, auch von der Ortsobrigkeit das Aufgeboth
gänzlich nachgesehen werden; doch müssen die Verlobten eidlich betheuern, daß
ihnen kein ihrer Ehe entgegen stehendes Hinderniß bekannt sey.
§. 87. Die Nachsicht von allen drey
Verkündigungen ist gegen Ablegung des erwähnten Eides auch dann zu ertheilen,
wenn zwey Personen getrauet werden wollen, von denen schon vorhin allgemein
vermuthet ward, daß sie mit einander verehelichet seyn. In diesem Falle kann
bey der Landesstelle die Nachsicht von dem Seelsorger mit Verschweigung der
Nahmen der Parteyen angesuchet werden.
§. 88. Wenn von einem bey
Schließung der Ehe bestandenen Hindernisse die Nachsicht ertheilet wird, muß,
ohne Wiederhohlung des Aufgebothes, abermahl die Einwilligung vor dem
Seelsorger und zwey vertrauten Zeugen erkläret und die feyerliche Handlung in
dem Trauungsbuche angemerkt werden. Ist diese Vorschrift beobachtet worden, so
ist eine solche Ehe so zu betrachten, als wäre sie ursprünglich gültig
geschlossen worden.
Wirkung der gültigen Ehe:
Rechte und Verbindlichkeiten der
Ehegatten;
§. 89. Die Rechte und
Verbindlichkeiten der Ehegatten entstehen aus dem Zwecke ihrer Vereinigung, aus
dem Gesetze und den geschlossenen Verabredungen. Hier werden nur die
Personen-Rechte der Ehegatten; hingegen die aus den Ehe-Pacten entspringenden
Sachenrechte in dem zweyten Theile bestimmt.
gemeinschaftliche;
§. 90. Vor Allem haben beyde Theile
eine gleiche Verbindlichkeit zur ehelichen Pflicht, Treue und anständigen
Begegnung.
besondere des Ehemannes;
§. 91. Der Mann ist das Haupt der
Familie. In dieser Eigenschaft steht ihm vorzüglich das Recht zu, das Hauswesen
zu leiten; es liegt ihm aber auch die Verbindlichkeit ob, der Ehegattinn nach
seinem Vermögen den anständigen Unterhalt zu verschaffen, und sie in allen
Vorfällen zu vertreten.
der Ehegattinn.
§. 92. Die Gattinn erhält den
Nahmen des Mannes und genießt die Rechte seines Standes. Sie ist verbunden, dem
Manne in seinem Wohnsitz zu folgen, in der Haushaltung und Erwerbung nach
Kräften beyzustehen, und so weit es die häusliche Ordnung erfordert, die von
ihm getroffenen Maßregeln sowohl selbst zu befolgen als befolgen zu machen.
Aufhebung der ehelichen
Gemeinschaft.
§. 93. Den Ehegatten ist keineswegs
gestattet, die eheliche Verbindung, ob sie gleich unter sich darüber einig wären,
eigenmächtig aufzuheben; sie mögen nun die Ungültigkeit der Ehe behaupten, oder
die Trennung der Ehe, oder auch nur eine Scheidung von Tisch und Bett vornehmen
wollen.
I. Scheinbare durch Erklärung der
ursprünglichen Ungültigkeit. Art der Einleitung,
§. 94. Die Ungültigkeit einer Ehe,
welcher eines der in den §§. 56, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 75, und 119
angeführten Hindernisse im Wege steht, ist von Amts wegen zu untersuchen. In
allen übrigen Fällen muß das Ansuchen derjenigen, welche durch die mit dem
Hindernisse geschlossene Ehe in ihren Rechten gekränkt worden sind, abgewartet
werden.
§. 95. Der Ehegatte, welcher den
unterlaufenen Irrthum in der Person, oder die Furcht, in welche der andere
Theil gesetzt worden ist, gewußt; ferner, der Gatte, welcher den Umstand, daß
er nach den §§. 49, 50, 51, 52 und 54 für sich allein keine gültige Ehe
schließen kann, verschwiegen, oder die ihm erforderliche Einwilligung
fälschlich vorgewendet hat, kann aus seiner eigenen widerrechtlichen Handlung,
die Gültigkeit der Ehe nicht bestreiten.
§. 96. Ueberhaupt hat nur der
schuldlose Theil das Recht, zu verlangen, daß der Ehevertrag ungültig erklärt
werde; er verliert aber dieses Recht, wenn er nach erlangter Kenntniß des
Hindernisses, die Ehe fortgesetzt hat. Eine von einem Minderjährigen oder
Pflegebefohlenen eigenmächtig geschlossene Ehe kann von dem Vater oder der
Vormundschaft nur in so lange, als die väterliche Gewalt oder Vormundschaft
dauert, bestritten werden.
und der Verhandlung;
§. 97. Die Verhandlung über die Ungültigkeit
einer Ehe steht nur dem Landrechte des Bezirkes zu, worin die Ehegatten ihren
ordentlichen Wohnsitz haben. Von dem Landrechte ist das Fiscal-Amt, oder ein
anderer verständiger und rechtschaffener Mann zur Erforschung der Umstände und
zur Vertheidigung der Ehe zu bestellen, um die wahre Beschaffenheit der Sache
selbst dann, wenn auf Begehren einer Partey die Verhandlung vorgenommen wird,
von Amts wegen zu erheben.
§. 98. Wenn das Hinderniß gehoben
werden kann, soll das Landrecht trachten, durch die hierzu nothwendige
Einleitung und das Einverständniß der Parteyen es zu bewirken; wenn aber dieses
nicht möglich ist, so soll das Landrecht über die Gültigkeit der Ehe erkennen.
§. 99. Die Vermuthung ist immer für
die Gültigkeit der Ehe. Das angeführte Ehehinderniß muß also vollständig
bewiesen werden, und weder das übereinstimmende Geständniß beyder Ehegatten hat
hier die Kraft eines Beweises, noch kann darüber einem Eide der Ehegatten Statt
gegeben werden.
insbesondere wegen Unvermögens.
§. 100. Insbesondere ist in dem
Falle, daß ein vorhergegangenes und immerwährendes Unvermögen, die eheliche
Pflicht zu leisten, behauptet wird, der Beweis durch Sachverständige, nähmlich,
durch erfahrene Aerzte und Wundärzte, und nach Umständen auch durch Hebammen zu
führen.
§. 101. Läßt sich mit
Zuverlässigkeit nicht bestimmen, ob das Unvermögen ein immerwährendes oder bloß
zeitliches sey, so sind die Ehegatten noch durch Ein Jahr zusammen zu wohnen
verbunden, und hat das Unvermögen diese Zeit hindurch angehalten, so ist die
Ehe für ungültig zu erklären.
§. 102. Zeigt sich aus der
Verhandlung des Streites über die Gültigkeit der Ehe, daß einem Theile, oder
daß beyden Theilen das Ehehinderniß vorher bekannt war, und daß sie es
vorsetzlich verschwiegen haben; so sind die Schuldigen mit der in dem
Strafgesetze über schwere Polizey-Uebertretungen bestimmten Strafe zu belegen.
Ist ein Theil schuldlos, so bleibt es ihm heimgestellt, Entschädigung zu
fordern. Sind endlich in einer solchen Ehe Kinder erzeugt worden, so muß für dieselben
nach jenen Grundsätzen gesorgt werden, welche in dem Hauptstücke von den
Pflichten der Aeltern festgesetzt sind.
II. Wirkliche Aufhebung; a)
zeitliche Scheidung; mit Einverständniß;
§. 103. Die Scheidung von Tisch und
Bett muß den Ehegatten, wenn sich beyde dazu verstehen, und über die
Bedingungen einig sind, von dem Gerichte unter der nachfolgenden Vorsicht
gestattet werden.
§. 104. Den Ehegatten liegt zuerst
ob, ihren Entschluß zur Scheidung sammt den Bewegungsgründen ihrem Pfarrer zu
eröffnen. Des Pfarrers Pflicht ist, die Ehegatten an das wechselseitig bey der
Trauung gemachte feyerliche Versprechen zu erinnern, und ihnen die
nachtheiligen Folgen der Scheidung mit Nachdruck an das Herz zu legen. Diese
Vorstellungen müssen zu drey verschiedenen Mahlen wiederhohlet werden. Sind sie
ohne Wirkung, so muß der Pfarrer den Parteyen ein schriftliches Zeugniß
ausstellen, daß sie der drey Mahl geschehenen Vorstellungen ungeachtet, bey dem
Verlangen, sich zu scheiden verharren.
§. 105. Beyde Ehegatten haben mit
Beylegung dieses Zeugnisses das Scheidungsgesuch bey ihrem ordentlichen
Gerichte anzubringen. Das Gericht soll sie persönlich vorrufen, und wenn sie
vor demselben bestätigen, daß sie über ihre Scheidung sowohl als über die
Bedingungen in Absicht auf Vermögen und Unterhalt mit einander verstanden sind,
ohne weitere Erforschung, die verlangte Scheidung bewilligen und selbe bey den
Gerichts-Acten vermerken. Sind Kinder vorhanden, so ist das Gericht verbunden,
für dieselben nach den in dem folgenden Hauptstücke enthaltenen Vorschriften zu
sorgen.
§. 106. Ein minderjähriger oder
pflegebefohlener Ehegatte kann zwar für sich selbst in die Scheidung
einwilligen; aber zu dem Uebereinkommen in Absicht auf das Vermögen der
Ehegatten und den Unterhalt, so wie auch in Rücksicht auf die Versorgung der
Kinder, ist die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters und des
vormundschaftlichen Gerichtes nothwendig.
Ohne Einverständniß;
§. 107. Will ein Theil in die
Scheidung nicht einwilligen, und hat der andere Theil rechtmäßige Gründe, auf
dieselbe zu dringen; so müssen auch in diesem Falle die gütlichen Vorstellungen
des Pfarrers vorausgehen. Sind sie fruchtlos, oder weigert sich der
beschuldigte Theil bey dem Pfarrer zu erscheinen, dann ist das Begehren mit des
Pfarrers Zeugniß und den nöthigen Beweisen bey dem ordentlichen Gerichte
einzureichen, welches die Sache von Amts wegen zu untersuchen und darüber zu
erkennen hat. Der Richter kann dem gefährdeten Theile auch noch vor der
Entscheidung einen abgesonderten anständigen Wohnort bewilligen.
§. 108. Streitigkeiten, welche bey
einer ohne Einwilligung des anderen Ehegatten angesuchten Scheidung über die
Absonderung des Vermögens oder die Versorgung der Kinder entstehen, sind nach
der nähmlichen Vorschrift zu behandeln, welche unten im §. 117 in Rücksicht auf
die Trennung der Ehe, ertheilet wird.
§. 109. Wichtige Gründe, aus denen
auf die Scheidung erkannt werden kann, sind: Wenn der Geklagte eines Ehebruches
oder eines Verbrechens schuldig erkläret worden ist; wenn er den klagenden
Ehegatten boßhaft verlassen oder einen unordentlichen Lebenswandel geführt hat,
wodurch ein beträchtlicher Theil des Vermögens des klagenden Ehegatten oder die
guten Sitten der Familie in Gefahr gesetzt werden; ferner dem Leben oder der
Gesundheit gefährliche Nachstellungen; schwere Mißhandlungen, oder nach dem
Verhältnisse der Personen, sehr empfindliche, wiederhohlte Kränkungen;
anhaltende, mit Gefahr der Ansteckung verbundene Leibesgebrechen.
Art der Wiedervereinigung.
§. 110. Geschiedenen Ehegatten
steht es frey, sich wieder zu vereinigen; doch muß die Vereinigung bey dem
ordentlichen Gerichte angezeigt werden. Wollen die Ehegatten nach einer solchen
Vereinigung wieder geschieden werden; so haben sie eben das zu beobachten, was
in Rücksicht der ersten Scheidung vorgeschrieben ist.
b) gänzliche Trennung; bey
Katholiken durch den Tod,
§. 111. Das Band einer gültigen Ehe
kann zwischen katholischen Personen nur durch den Tod des einen Ehegatten
getrennt werden. Eben so unauflöslich ist das Band der Ehe, wenn auch nur Ein
Theil schon zur Zeit der geschlossenen Ehe der katholischen Religion zugethan
war.
und die Todeserklärung;
§. 112. Der bloße Verlauf der in
dem §. 24 zur Todeserklärung bestimmten Zeit, binnen welcher ein Ehegatte
abwesend ist, gibt zwar dem anderen Theile noch kein Recht, die Ehe für
aufgelöset zu halten und zu einer anderen Ehe zu schreiten; wann aber diese
Abwesenheit mit solchen Umständen begleitet sey, welche keinen Grund zu
zweifeln übrig lassen, daß der Abwesende verstorben ist, so kann bey dem
Landrechte des Bezirkes, wo der zurückgelassene Ehegatte seinen Wohnsitz hat,
die gerichtliche Erklärung, daß der Abwesende für todt zu halten und die Ehe
getrennt sey, angesuchet werden.
§. 113. Nach diesem Gesuche wird
ein Curator, zur Erforschung des Abwesenden aufgestellt, und der Abwesende
durch ein auf ein ganzes Jahr gestelltes, und drey Mahl den öffentlichen, nach
Umständen auch den ausländischen Zeitungsblättern einzurückendes Edict mit dem
Beysatze vorgeladen, daß das Gericht, wenn er während dieser Zeit nicht
erscheint, oder selbes auf andere Art in die Kenntniß seines Lebens setzt, zur
Todeserklärung schreiten werde.
§. 114. Ist dieser Zeitraum
fruchtlos verstrichen, so ist auf wiederhohltes Ansuchen des verlassenen
Ehegatten das Fiscal-Amt oder ein anderer rechtschaffener und sachverständiger
Mann zur Vertheidigung des Ehebandes zu bestellen und nach gepflogener
Verhandlung zu erkennen, ob das Gesuch zu verwilligen sey oder nicht. Die
Bewilligung ist der Partey nicht sogleich kund zu machen, sondern durch das
Obergericht zur höchsten Schlußfassung vorzulegen.
bey andern christlichen
Religions-Verwandten.
§. 115. Nicht katholischen
christlichen Religions-Verwandten gestattet das Gesetz nach ihren Religions-Begriffen
aus erheblichen Gründen, die Trennung der Ehe zu fordern. Solche Gründe sind:
Wenn der Ehegatte sich eines Ehebruches oder eines Verbrechens, welches die
Verurtheilung zu einer wenigstens fünfjährigen Kerkerstrafe nach sich gezogen,
schuldig gemacht; wenn ein Ehegatte den anderen boßhaft verlassen hat, und
falls sein Aufenthaltsort unbekannt ist, auf öffentliche gerichtliche Vorladung
innerhalb eines Jahres nicht erschienen ist; dem Leben oder der Gesundheit
gefährliche Nachstellungen; wiederhohlte schwere Mißhandlungen; eine
unüberwindliche Abneigung, welcher wegen beyde Ehegatten die Auflösung der Ehe
verlangen; doch muß in dem letzten Falle die Trennung der Ehe nicht sogleich
verwilliget, sondern erst eine Scheidung von Tisch und Bett, und zwar nach
Beschaffenheit der Umstände, auch zu wiederhohlten Mahlen versuchet werden.
Uebrigens ist in allen diesen Fällen nach eben den Vorschriften zu handeln,
welche für die Untersuchung und Beurtheilung einer ungültigen Ehe gegeben sind.
§. 116. Das Gesetz gestattet dem
nicht katholischen Ehegatten aus den angeführten Gründen die Trennung zu
verlangen, obschon der andere Theil zur katholischen Religion übergetreten ist.
Auseinandersetzung des Vermögens.
§. 117. Wenn sich bey einer
Trennung der Ehe Streitigkeiten äußern, welche sich auf einen weiter
geschlossenen Vertrag, auf die Absonderung des Vermögens, auf den Unterhalt der
Kinder, oder auf andere Forderungen und Gegenforderungen beziehen; soll der
ordentliche Richter allezeit vorläufig einen Versuch machen, diese
Streitigkeiten durch Vergleich beyzulegen. Sind aber die Parteyen zu einem
Vergleiche nicht zu bewegen, so hat er sie auf ein ordentliches Verfahren
anzuweisen, worüber nach den in dem Hauptstücke von den Ehe-Pacten enthaltenen
Vorschriften zu entscheiden, inzwischen aber der Ehegattinn und den Kindern der
anständige Unterhalt auszumessen ist.
Art der Wiedervereinigung.
§. 118. Wenn die getrennten
Ehegatten sich wieder vereinigen wollen, so muß die Vereinigung als eine neue
Ehe betrachtet und mit allen zur Schließung eines Ehevertrages nach dem Gesetze
erforderlichen Feyerlichkeiten eingegangen werden.
Beschränkung und Vorsichten in
Rücksicht der Wiederverehelichung.
§. 119. Den Getrennten wird zwar
überhaupt gestattet, sich wieder zu verehelichen; doch kann mit denjenigen,
welche vermöge der bey der Trennung vorgelegenen Beweise durch Ehebruch, durch
Verhetzungen, oder auf eine andere sträfliche Art die vorgegangene Trennung
veranlasset haben, keine gültige Ehe geschlossen werden.
§. 120. Wenn eine Ehe für ungültig
erklärt, getrennt, oder durch des Mannes Tod aufgelöset wird; so kann die Frau,
wenn sie schwanger ist, nicht vor ihrer Entbindung, und, wenn über ihre
Schwangerschaft ein Zweifel entsteht, nicht vor Verlauf des sechsten Monaths,
zu einer neuen Ehe schreiten; wenn aber nach den Umständen oder nach dem
Zeugnisse der Sachverständigen eine Schwangerschaft nicht wahrscheinlich ist;
so kann nach Ablauf dreyer Monathe in der Hauptstadt von der Landesstelle, und
auf dem Lande von dem Kreisamte die Dispensation ertheilet werden.
§. 121. Die Uebertretung dieses
Gesetzes (§. 120) zieht zwar nicht die Ungültigkeit der Ehe nach sich; allein
die Frau verliert die ihr von dem vorigen Manne durch Ehe-Pacten, Erbvertrag,
letzten Willen, oder durch das Uebereinkommen bey der Trennung zugewendeten
Vortheile; der Mann aber, mit dem sie die zweyte Ehe schließt, verliert das ihm
außer diesem Falle durch den §. 58 zukommende Recht, die Ehe für ungültig
erklären zu lassen, und beyde Ehegatten sind mit einer den Umständen
angemessenen Strafe zu belegen. Wird in einer solchen Ehe ein Kind geboren, und
es ist wenigstens zweifelhaft, ob es nicht von dem vorigen Manne gezeugt worden
sey; so ist demselben ein Curator zur Vertretung seiner Rechte zu bestellen.
§. 122. Wenn eine Ehe für ungültig
erkannt, oder für getrennt erklärt wird; so soll dieser Erfolg in dem
Trauungsbuche an der Stelle, wo die Trauung eingetragen ist, angemerkt, und zu
dem Ende von dem Gerichte, wo die Verhandlung über die Ungültigkeit oder
Trennung vor sich gegangen ist, die Erinnerung an die Behörde, welche für die
Richtigkeit des Trauungsbuches zu sorgen hat, erlassen werden.
Ausnahmen der Judenschaft;
§. 123. Bey der Judenschaft haben mit
Rücksicht auf ihr Religions-Verhältniß nachstehende Abweichungen von dem in
diesem Hauptstück allgemein bestehenden Eherechte Statt.
a) in Rücksicht der Ehehindernisse;
§. 124. (Anm.:
Aufgehoben durch § 1, RGBl 1859/Nr. 217.)
§. 125. Das Ehehinderniß der
Verwandtschaft erstrecket sich unter Seitenverwandten bey der Judenschaft nicht
weiter, als auf die Ehe zwischen Bruder und Schwester, dann zwischen der
Schwester und einem Sohne oder Enkel ihres Bruders oder ihrer Schwester; das
Ehehinderniß der Schwägerschaft aber wird auf nachstehende Personen
beschränket: Nach aufgelöster Ehe ist der Mann nicht befugt, eine Verwandte
seines Weibes in auf- und absteigender Linie, noch auch seines Weibes
Schwester; und das Weib ist nicht befugt, einen Verwandten ihres Mannes in auf-
und absteigender Linie, noch auch ihres Mannes Bruder, noch einen Sohn oder
Enkel von ihres Mannes Bruder oder Schwester zu ehelichen.
b) der Verkündigung.
§. 126. Die Verkündigung der
Judenehen muß in der Synagoge oder in dem gemeinschaftlichen Bethhause; wo aber
kein solches besteht, von der Ortsobrigkeit an die Haupt- und besondere
Gemeinde, welcher ein und der andere verlobte Theil einverleibt ist, nach drey
nach einander folgenden Sabbath- oder Feyer-Tagen mit Beobachtung der in den §§.
70-73 ertheilten Vorschriften geschehen. Die Nachsicht von den Verkündigungen
ist nach den Vorschriften der §§. 83-88 zu erlangen.
c) der Trauung;
§. 127. Die Trauung muß von dem
Rabbiner oder Religions-Lehrer (Religions-Weiser) der Hauptgemeinde des einen
oder anderen verlobten Theiles, nachdem sie sich mit den erforderlichen
Zeugnissen ausgewiesen haben, in Gegenwart zweyer Zeugen vollzogen werden. Der
Rabbiner oder Religions-Lehrer kann auch den Rabbiner oder Religions-Lehrer
einer anderen Gemeinde zur Trauung bestellen.
§. 128. Die vollzogene
Trauungshandlung hat der ordentliche Rabbiner oder Religions-Lehrer in der
Landessprache in das Trauungsbuch auf die in den §§. 80-82 vorgeschriebene
Weise einzutragen, die von den Verlobten beygebrachten nothwendigen Zeugnisse
mit der Reihenzahl, unter welcher die Getrauten dem Trauungsbuche einverleibt
worden sind, zu bezeichnen, und dem Trauungsbuche anzuheften.
§. 129. Eine Judenehe, welche ohne
Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften geschlossen wird, ist ungültig.
§. 130. Verlobte, oder Rabbiner und
Religions-Lehrer, welche den erwähnten Vorschriften zuwider handeln, dann
diejenigen, welche ohne die ordentliche Bestellung eine Trauung vornehmen,
werden nach dem §. 252 des zweyten Theiles des Strafgesetzes bestraft.
§. 131. Die Rabbiner oder
Religions-Lehrer, welche die Trauungsbücher nicht nach der Vorschrift des
Gesetzes führen, sind mit einer angemessenen Geld- oder Leibesstrafe zu
belegen, von ihrem Amte zu entfernen, und für immer als unfähig zu demselben zu
erklären.
d) der Scheidung.
§. 132. Bey der Scheidung von Tisch
und Bett gelten auch in Rücksicht der jüdischen Ehegatten die allgemeinen
Vorschriften; sie haben sich daher gleichfalls an den Rabbiner oder
Religions-Lehrer zu wenden, und dieser die oben ertheilte Anordnung zu
beobachten (§. 104-110).
e) der Trennung;
§. 133. Eine gültig geschlossene
Ehe der Juden kann mit ihrer wechselseitigen freyen Einwilligung vermittelst
eines von dem Manne der Frau gegebenen Scheidebriefs getrennet werden; jedoch
müssen sich die Ehegatten zuerst ihrer Trennung wegen bey ihrem Rabbiner oder
Religions-Lehrer melden, welcher die nachdrücklichsten Vorstellungen zur
Wiedervereinigung zu versuchen, und nur dann, wenn der Versuch fruchtlos ist,
ihnen ein schriftliches Zeugniß auszustellen hat, daß er die ihm auferlegte
Pflicht erfüllet, ungeachtet aller seiner Bemühungen aber die Parteyen von dem
Entschlusse abzubringen, nicht vermocht habe.
§. 134. Mit diesem Zeugnisse müssen
beyde Ehegatten vor dem Landrechte des Bezirkes, in welchem sie ihren Wohnsitz
haben, erscheinen. Findet diese Behörde aus den Umständen, daß zu der
Wiedervereinigung noch einige Hoffnung vorhanden ist, so soll sie die
Ehescheidung nicht sogleich bewilligen, sondern die Ehegatten auf ein oder zwey
Monathe zurückweisen. Nur wenn auch dieses fruchtlos oder gleich Anfangs keine
Hoffnung zur Wiedervereinigung wäre, soll das Landrecht gestatten, daß der Mann
den Scheidebrief der Frau übergebe, und wenn sich beyde Theile nochmahls vor
Gericht erkläret haben, daß sie den Scheidebrief mit freyer Einwilligung zu
geben und zu nehmen entschlossen sind; soll der Scheidebrief für rechtsgültig
gehalten und dadurch die Ehe aufgelöset werden.
§. 135. Wenn die Ehegattinn einen
Ehebruch begangen hat, und die That erwiesen wird, so steht dem Manne das Recht
zu, sie auch wider ihren Willen durch einen Scheidebrief von sich zu entlassen.
Die auf die Trennung der Ehe gegen die Frau gestellte Klage aber muß bey dem
Landrechte des Bezirkes, in welchem die Ehegatten ihren ordentlichen Wohnsitz
haben, angebracht, und gleich einer anderen Streitsache behandelt werden.
§. 136. Durch den Uebertritt eines
jüdischen Ehegatten zur christlichen Religion wird die Ehe nicht aufgelöset,
sie kann aber aus den eben (§. 133-135) angeführten Ursachen aufgelöset werden.
Drittes Hauptstück.
Von den Rechten zwischen Aeltern
und Kindern.
Ursprung des Rechtsverhältnisses
zwischen ehelichen Aeltern und Kindern.
§. 137. Wenn aus einer Ehe Kinder
geboren werden, so entsteht ein neues Rechtsverhältniß; es werden dadurch
Rechte und Verbindlichkeiten zwischen den ehelichen Aeltern und Kindern
gegründet.
Gesetzliche Bestimmung der
ehelichen Geburt.
§. 138. Für diejenigen Kinder,
welche im siebenten Monathe nach geschlossener Ehe oder im zehnten Monathe,
entweder nach dem Tode des Mannes, oder nach gänzlicher Auflösung des ehelichen
Bandes von der Gattinn geboren werden, streitet die Vermuthung der ehelichen
Geburt.
Gemeinschaftliche Rechte und
Pflichten der Aeltern.
§. 139. Die Aeltern haben überhaupt
die Verbindlichkeit, ihre ehelichen Kinder zu erziehen, das ist, für ihr Leben
und ihre Gesundheit zu sorgen, ihnen den anständigen Unterhalt zu verschaffen,
ihre körperlichen und Geisteskräfte zu entwickeln, und durch Unterricht in der
Religion und in nützlichen Kenntnissen den Grund zu ihrer künftigen Wohlfahrt
zu legen.
§. 140. In was für einer Religion
ein Kind, dessen Aeltern in dem Religions-Bekenntnisse nicht übereinstimmen, zu
erziehen, und in welchem Alter ein Kind zu einer anderen Religion, als in der
es erzogen worden ist, sich zu bekennen berechtiget sey, bestimmen die
politischen Vorschriften.
§. 141. Es ist vorzüglich die
Pflicht des Vaters, so lange für den Unterhalt der Kinder zu sorgen, bis sie
sich selbst ernähren können. Die Pflege ihres Körpers und ihrer Gesundheit ist
hauptsächlich die Mutter auf sich zu nehmen verbunden.
§. 142. Wenn
bei Scheidung oder Trennung der Ehe die Ehegatten nicht mit Zustimmung des
Gerichtes eine Vereinbarung über die Pflege und Erziehung der Kinder getroffen
haben, so hat das Gericht unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse
des Falles mit Bedacht auf die Interessen der Kinder, auf Beruf, Persönlichkeit
und Eigenschaften der Ehegatten und auf die Ursachen der Scheidung oder
Trennung zu entscheiden, ob alle oder welche Kinder dem Vater oder der Mutter
zu überlassen sind. Der andere Ehegatte behält dessenungeachtet die Befugnis,
mit dem Kinde persönlich zu verkehren. Das Gericht kann den Verkehr näher
regeln. Die Kosten der Erziehung sind vom Vater zu tragen.
Bei geänderten
Verhältnissen kann das Gericht ohne Rücksicht auf seine früheren Anordnungen
oder die Vereinbarungen der Ehegatten die im Interesse der Kinder notwendigen
neuen Anordnungen treffen.
§. 143. Wenn der Vater mittellos
ist, muß vor Allem die Mutter für den Unterhalt, und wenn der Vater stirbt,
überhaupt für die Erziehung der Kinder sorgen. Ist die Mutter auch nicht mehr
vorhanden, oder ist sie mittellos, so fällt diese Sorge auf die väterlichen
Großältern, und nach diesen auf die Großältern von der mütterlichen Seite.
§. 144. Die Aeltern haben das
Recht, einverständlich die Handlungen ihrer Kinder zu leiten; die Kinder sind
ihnen Ehrfurcht und Gehorsam schuldig.
§. 145. Die Aeltern sind
berechtiget, vermißte Kinder aufzusuchen, entwichene zurück zu fordern, und
flüchtige mit obrigkeitlichem Beystande zurück zu bringen; sie sind auch
befugt, unsittliche, ungehorsame, oder die häusliche Ordnung und Ruhe störende
Kinder auf eine nicht übertriebene und ihrer Gesundheit unschädliche Art zu
züchtigen.
§. 146. Die Kinder erlangen den
Nahmen ihres Vaters, sein Wapen und alle übrige nicht bloß persönliche Rechte
seiner Familie und seines Standes.
Besondere Rechte des Vaters:
Väterliche Gewalt.
§. 147. Die Rechte, welche
vorzüglich dem Vater als Haupt der Familie zustehen, machen die väterliche
Gewalt aus.
Folgen derselben, a) in Rücksicht
der Standeswahl der Kinder;
§. 148. Der Vater kann sein noch
unmündiges Kind zu dem Stande, welchen er für dasselbe angemessen findet,
erziehen; aber nach erreichter Mündigkeit kann das Kind, wenn es sein Verlangen
nach einer anderen, seiner Neigung und seinen Fähigkeiten mehr angemessenen
Berufsart dem Vater fruchtlos vorgetragen hat, sein Gesuch vor das ordentliche
Gericht bringen, welches mit Rücksicht auf den Stand, auf das Vermögen und die
Einwendungen des Vaters von Amts wegen darüber zu erkennen hat.
b) des Vermögens;
§. 149. Alles, was die Kinder auf
was immer für eine gesetzmäßige Art erwerben, ist ihr Eigenthum; so lange sie
aber unter der väterlichen Gewalt stehen, kommt dem Vater die Verwaltung zu.
Nur wenn der Vater zur Verwaltung unfähig, oder von denjenigen, die seinen
Kindern das Vermögen zugewendet haben, von derselben ausgeschlossen worden ist,
ernennt das Gericht einen anderen Verwalter.
§. 150. Von den Einkünften des
Vermögens sind, so weit sie reichen, die Erziehungskosten zu bestreiten. Ergibt
sich dabey ein Ueberschuß, so muß er angelegt, und darüber jährlich Rechnung
gelegt werden. Nur dann, wenn dieser Ueberschuß gering wäre, kann der Vater von
Legung einer Rechnung freygesprochen, und ihm derselbe zur freywilligen
Verwendung überlassen werden. Wird dem Vater von demjenigen, dem das Kind das
Vermögen zu verdanken hat, die Fruchtnießung verwilliget; so haften die
Einkünfte doch immer für den standesmäßigen Unterhalt des Kindes, und sie
können zum Abbruche desselben von den Gläubigern des Vaters nicht in Beschlag
genommen werden.
§. 151. Ueber das, was ein obgleich
minderjähriges, jedoch außer der Verpflegung der Aeltern stehendes Kind durch
seinen Fleiß erwirbt, so wie auch über Sachen, die einem Kinde nach erreichter
Mündigkeit zum Gebrauche übergeben worden sind, kann es frey verfügen.
c) der Verpflichtung der Kinder.
§. 152. Die unter der väterlichen
Gewalt stehenden Kinder können ohne ausdrückliche oder doch stillschweigende
Einwilligung des Vaters keine gültige Verpflichtung eingehen. Auf solche
Verpflichtungen ist überhaupt dasjenige anzuwenden, was in dem nächsten
Hauptstücke über die verbindlichen Handlungen der unter der Vormundschaft
stehenden Minderjährigen bestimmt wird. Dem Vater kommt auch die
Verbindlichkeit zu, seine minderjährigen Kinder zu vertreten.
§. 153. Die Vorschriften, welche
zur gültigen Ehe einer minderjährigen Person beobachtet werden müssen, sind in
dem vorhergehenden Hauptstücke enthalten (§. 49 u. f.).
§. 154. Der auf die Erziehung der
Kinder gemachte Aufwand gibt den Aeltern keinen Anspruch auf das von den
Kindern nachher erworbene Vermögen. Verfallen aber die Aeltern in Dürftigkeit,
so sind ihre Kinder sie anständig zu erhalten verbunden.
Rechtsverhältniß zwischen
unehelichen Aeltern und Kindern. Nähere Bestimmung des Begriffs von unehelichen
Kindern.
§. 155. Die unehelichen Kinder
genießen nicht gleiche Rechte mit den ehelichen. Die rechtliche Vermuthung der
unehelichen Geburt hat bey denjenigen Kindern Statt, welche zwar von einer
Ehegattinn, jedoch vor oder nach dem oben (§. 138) mit Rücksicht auf die
eingegangene oder aufgelöste Ehe bestimmten gesetzlichen Zeitraume geboren
worden sind.
§. 156. Diese rechtliche Vermuthung
tritt aber bey einer früheren Geburt erst dann ein, wenn der Mann, dem vor der
Verehelichung die Schwangerschaft nicht bekannt war, längstens binnen drey
Monathen nach erhaltener Nachricht von der Geburt des Kindes die Vaterschaft
gerichtlich widerspricht.
§. 157. Die von dem Manne innerhalb
dieses Zeitraumes rechtlich widersprochene Rechtmäßigkeit einer früheren oder
späteren Geburt kann nur durch Kunstverständige, welche nach genauer
Untersuchung der Beschaffenheit des Kindes und der Mutter die Ursache des außerordentlichen
Falles deutlich angeben, bewiesen werden.
§. 158. Wenn ein Mann behauptet,
daß ein von seiner Gattinn innerhalb des gesetzlichen Zeitraumes gebornes Kind
nicht das seinige sey; so muß er die eheliche Geburt des Kindes längstens
binnen drey Monathen nach erhaltener Nachricht bestreiten, und gegen den zur
Vertheidigung der ehelichen Geburt aufzustellenden Curator die Unmöglichkeit
der von ihm erfolgten Zeugung beweisen. Weder ein von der Mutter begangener
Ehebruch, noch ihre Behauptung, daß ihr Kind unehelich sei, können für sich
allein demselben die Rechte der ehelichen Geburt entziehen.
§. 159. Stirbt der Mann vor dem ihm
zur Bestreitung der ehelichen Geburt verwilligten Zeitraume, so können auch die
Erben, denen ein Abbruch an ihren Rechten geschähe, innerhalb drey Monathen
nach dem Tode des Mannes aus dem angeführten Grunde die eheliche Geburt eines
solchen Kindes bestreiten.
Legitimation der unehelichen
Kinder: a) durch Hebung des Ehehindernisses oder schuldlose Unwissenheit der
Ehegatten;
§. 160. Kinder, die zwar aus einer
ungültigen, aber aus keiner solchen Ehe erzeugt worden sind, der die in den §§.
62-64 angeführten Hindernisse entgegen stehen, sind als eheliche anzusehen,
wenn das Ehehinderniß in der Folge gehoben worden ist, oder, wenn wenigstens
Einem ihrer Aeltern die schuldlose Unwissenheit des Ehehindernisses zu Statten
kommt; doch bleiben in dem letzteren Falle solche Kinder von Erlangung
desjenigen Vermögens ausgeschlossen, welches durch Familien-Anordnungen der
ehelichen Abstammung besonders vorbehalten ist.
b) durch die nachfolgende Ehe;
§. 161. Kinder, welche außer der
Ehe geboren und durch die nachher erfolgte Verehelichung ihrer Aeltern in die
Familie eingetreten sind, werden, so wie ihre Nachkommenschaft, unter die ehelich
erzeugten gerechnet; nur können sie den in einer inzwischen bestandenen Ehe
erzeugten ehelichen Kindern die Eigenschaft der Erstgeburt und andere bereits
erworbene Recht nicht streitig machen.
c) durch Begünstigung des
Landesfürsten.
§. 162. Die uneheliche Geburt kann
einem Kinde an seiner bürgerlichen Achtung und an seinem Fortkommen keinen
Abbruch thun. Zu diesem Ende bedarf es keiner besonderen Begünstigung des
Landesfürsten, wodurch das Kind als ein eheliches erklärt wird. Nur die Aeltern
können um solche ansuchen, wenn sie das Kind gleich einem ehelichen der
Standesvorzüge oder des Rechtes an dem frey vererblichen Vermögen theilhaft
machen wollen. In Rücksicht auf die übrigen Familien-Glieder hat diese
Begünstigung keine Wirkung.
Beweis der Vaterschaft zu einem
unehelichen Kinde.
§. 163. Wer auf eine in der
Gerichtsordnung vorgeschriebene Art überwiesen wird, daß er der Mutter eines
Kindes innerhalb des Zeitraumes beygewohnt habe, von welchem bis zu ihrer
Entbindung nicht weniger als sieben, nicht mehr als zehn Monathe verstrichen
sind; oder wer dieses auch nur außer Gericht gesteht, von dem wird vermuthet,
daß er das Kind erzeugt habe.
§. 164. Die auf Angeben der Mutter
erfolgte Einschreibung des väterlichen Nahmens in das Tauf- oder Geburtsbuch macht
nur dann einen vollständigen Beweis, wenn die Einschreibung nach der
gesetzlichen Vorschrift mit Einwilligung des Vaters geschehen, und diese
Einwilligung durch das Zeugniß des Seelsorgers und des Pathen mit dem Beysatze,
daß er ihnen von Person bekannt sey, bestätiget worden ist.
Beschaffenheit des
Rechtsverhältnisses zwischen unehelichen Aeltern und Kindern.
§. 165. Uneheliche
Kinder haben weder auf den Familiennamen des Vaters noch auf den Adel, das
Wappen und andere Vorzüge der Eltern Anspruch; sie führen den Geschlechtsnamen
der Mutter.
Der Ehemann der Mutter
kann durch Erklärung bei der politischen Landesbehörde dem Kinde mit
Einwilligung der Mutter und des Kindes oder, wenn dieses minderjährig ist, des
gesetzlichen Vertreters und des Gerichtes seinen Namen geben. Zur Wirksamkeit
dieser Erklärungen ist erforderlich, daß sie in öffentlicher oder gerichtlich
oder notariell beglaubigter Urkunde vorgelegt werden.
§. 166. Auch
ein uneheliches Kind hat das Recht, von seinen Eltern eine ihrem Vermögen angemessene
Verpflegung, Erziehung und Versorgung zu fordern, und die Rechte der Eltern
über dasselbe erstrecken sich soweit, als es der Zweck der Erziehung erfordert.
Übrigens steht das uneheliche Kind nicht unter der väterlichen Gewalt seines
Erzeugers, sondern wird von einem Vormunde vertreten.
Zur Verpflegung ist
vorzüglich der Vater verbunden; wenn aber dieser dazu nicht imstande ist, so
fällt die Verbindlichkeit auf die Mutter und nach dieser auf die mütterlichen
Großeltern.
§. 167. Der
Vater ist verpflichtet, der Mutter die Kosten der Entbindung sowie die Kosten
ihres Unterhaltes für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung und, falls
infolge der Entbindung weitere Auslagen notwendig werden, auch diese zu
ersetzen.
Die Forderung ist mit
Ablauf von drei Jahren nach der Entbindung verjährt.
§. 168. Schon
vor der Geburt des Kindes kann das Gericht auf Antrag der Mutter, wenn sie
dessen bedürftig ist und nicht einen unzüchtigen Lebenswandel führt,
denjenigen, dessen Vaterschaft gemäß § 163 glaubhaft gemacht wird, dazu
verhalten, daß er den Betrag des dem Kinde zu gewährenden Unterhaltes für die
ersten drei Monate sowie den gewöhnlichen Betrag der der Mutter nach § 167 zu
ersetzenden Kosten bei Gericht erlege.
§. 169. Solange
die Mutter ihr uneheliches Kind, der künftigen Bestimmung gemäß, selbst
erziehen will und kann, darf ihr dasselbe von dem Vater nicht entzogen werden;
dessenungeachtet muß er die Verpflegungskosten bestreiten. Läuft aber das Wohl
des Kindes durch die mütterliche Erziehung Gefahr, so ist der Vater verbunden,
das Kind von der Mutter zu trennen und solches zu sich zu nehmen oder anderswo
sicher und anständig unterzubringen.
§. 170. Es steht den Aeltern frey,
sich über den Unterhalt, die Erziehung und Versorgung des unehelichen Kindes
mit einander zu vergleichen; ein solcher Vergleich kann aber dem Rechte des
Kindes keinen Abbruch thun.
§. 171. Die
Verbindlichkeit, uneheliche Kinder zu verpflegen und zu versorgen, geht gleich
einer anderen Schuld auf die Erben des Vaters über.
Wenn die Vaterschaft vom
Vater anerkannt oder gerichtlich festgestellt worden ist, können uneheliche
Kinder, die zur Zeit des Ablebens des Vaters in dessen Hause verpflegt und
erzogen werden, die Verpflegung und Erziehung bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit
auch weiterhin in demselben Maße wie bisher fordern, jedoch nicht in größerem
Umfange, als sie nach dem hinterlassenen Vermögen den ehelichen Kindern zuteil
werden kann.
§. 172. Die väterliche Gewalt hört
mit der Großjährigkeit des Kindes sogleich auf, wofern nicht aus gerechter
Ursache die Fortdauer derselben auf Ansuchen des Vaters von dem Gerichte
verwilliget und öffentlich bekannt gemacht worden ist.
§. 173. Gerechte Ursachen, die
Fortdauer der väterlichen Gewalt bey Gericht anzusuchen, sind: Wenn das Kind,
ungeachtet der Volljährigkeit, wegen Leibes- oder Gemüthsgebrechen sich selbst
zu verpflegen, oder seine Angelegenheiten selbst zu besorgen, nicht vermag;
oder, wenn es sich während der Minderjährigkeit in beträchtliche Schulden
verwickelt oder solcher Vergehung schuldig gemacht hat, wegen welcher es noch
ferner unter genauer Aufsicht des Vaters gehalten werden muß.
§. 174. Kinder können auch vor
Zurücklegung des vier und zwanzigsten Jahres aus der väterlichen Gewalt treten,
wenn der Vater mit Genehmhaltung des Gerichtes sie ausdrücklich entläßt, oder,
wenn er einem zwanzigjährigen Sohne die Führung einer eigenen Haushaltung
gestattet.
§. 175. Wenn eine minderjährige
Tochter sich verehelichet, so kommt sie zwar, in Rücksicht ihrer Person unter
die Gewalt des Mannes (§. 91 und 92), in Hinsicht auf das Vermögen aber hat der
Vater bis zu ihrer Großjährigkeit die Rechte und Pflichten eines Curators.
Stirbt der Mann während ihrer Minderjährigkeit, so kommt sie wieder unter die
väterliche Gewalt.
§. 176. Wenn ein Vater den Gebrauch
der Vernunft verliert; wenn er als Verschwender erklärt; oder, wegen eines
Verbrechens auf längere Zeit als ein Jahr zur Gefängnißstrafe verurtheilt wird;
wenn er eigenmächtig auswandert; oder, wenn er über ein Jahr abwesend ist, ohne
von seinem Aufenthalte Nachricht zu geben; kommt die väterliche Gewalt außer
Wirksamkeit, und es wird ein Vormund bestellet; hören aber diese Hindernisse
auf, so tritt der Vater wieder in seine Rechte ein.
§. 177. Väter, welche die
Verpflegung und Erziehung ihrer Kinder gänzlich vernachlässigen, verlieren die
väterliche Gewalt auf immer.
§. 178. Wenn
der Vater seine Gewalt mißbraucht oder die damit verbundenen Pflichten nicht
erfüllt oder sich eines ehrlosen oder unsittlichen Verhaltens schuldig macht,
kann nicht nur das Kind selbst, sondern jedermann, der davon Kenntnis hat,
besonders die nächsten Verwandten, den Beistand des Gerichtes anrufen. Das
Gericht hat den Gegenstand der Beschwerde zu untersuchen und die den Umständen
angemessenen Verfügungen zu treffen; es kann insbesondere anordnen, daß der
Vater hinsichtlich der Vermögensverwaltung oder hinsichtlich der Fürsorge für
die Person des Kindes unter die Aufsicht des Gerichtes gestellt und einem
Vormunde gleichgehalten werde.
§. 178a. Wenn eine
Anstalt oder ein Verein für Kinderschutz oder Kinderpflege die Pflege und
Erziehung eines mißhandelten, verlassenen oder verwahrlosten Kindes oder eines
Kindes übernommen hat, dem die Eltern die notwendige Aufsicht und Erziehung
nicht gewähren, kann das Vormundschaftsgericht auf Antrag der Anstalt oder des
Vereines nach Untersuchung des Falles und Anhörung der Eltern aussprechen, daß
das Kind vor Beendigung seiner Erziehung nur mit Zustimmung des Gerichtes der
Anstalt oder dem Vereine gegen ihren Willen abgenommen werden kann.
Dem Rechtsverhältnisse zwischen
Aeltern und Kindern ähnliche Verbindungen:
1) Annehmung an Kindes Statt.
§. 179. Personen, welche den
ehelosen Stand nicht feyerlich angelobet, und keine eigenen ehelichen Kinder
haben, können an Kindes Statt annehmen; die annehmende Person heißt Wahlvater
oder Wahlmutter; die angenommene heißt Wahlkind.
Erfordernisse.
§. 180. Wahlväter
oder Wahlmütter müssen das vierzigste Jahr zurückgelegt haben, und ein Wahlkind
muß wenigstens achtzehn Jahre jünger sein als seine Wahleltern. Eine
verheiratete Person kann nur mit Zustimmung ihres Ehegatten ein Kind annehmen
oder an Kindesstatt angenommen werden. Dieser Zustimmung bedarf es nicht, wenn
der Ehegatte für geisteskrank erklärt, sein Aufenthalt unbekannt oder die Ehe
geschieden ist.
§. 181. Die Annahme an Kindes Statt
kann, wenn das Kind minderjährig ist, nur mit Einwilligung des ehelichen
Vaters, oder in dessen Ermangelung, nur mit Einwilligung der Mutter, des
Vormundes und des Gerichtes zu Stande kommen. Auch wenn das Kind großjährig,
aber sein ehelicher Vater noch am Leben ist, wird desselben Einwilligung
erfordert. Gegen die ohne hinreichenden Grund versagte Einwilligung kann bey
dem ordentlichen Richter Beschwerde geführet werden. Die mit der erforderlichen
Einwilligung versehene Annahme an Kindes Statt ist der Landesstelle zur
Bestätigung und dem Gerichtsstande der Wahlältern und des Wahlkindes zur
Eintragung in die Gerichts-Acten vorzulegen.
Daraus entspringende Rechte.
§. 182. Eine
wesentliche rechtliche Wirkung der Annahme an Kindesstatt ist, daß die
angenommene Person den Namen des Wahlvaters oder den Geschlechtsnamen der
Wahlmutter erhält. Es kann aber vereinbart werden, daß sie mit diesem ihren
vorigen Familiennamen zu verbinden hat und den ihr etwa eigenen Familienadel
beibehält. In letzterem Falle muß sie ihren Familiennamen beibehalten und der
angenommene Name unmittelbar mit diesem verbunden werden. Wünschen die
Wahleltern, daß ihr Adel und Wappen auf das Wahlkind übergehe, so muß die
Bewilligung des Landesfürsten angesucht werden.
§. 183. Zwischen den Wahlältern und
dem Wahlkinde und dessen Nachkommen finden, in so weit das Gesetz keine
Ausnahme macht, gleiche Rechte, wie zwischen den ehelichen Aeltern und Kindern
Statt. Der Wahlvater übernimmt die väterliche Gewalt. Auf die übrigen
Mitglieder der Familie der Wahlältern hat das Verhältniß zwischen den
Wahlältern und dem Wahlkinde keinen Einfluß; dagegen verliert das Wahlkind auch
die Rechte seiner eigenen Familie nicht.
§. 184. Die Rechte zwischen
Wahlältern und Wahlkindern können durch Vertrag anders bestimmet werden, in so
fern dadurch die im §. 182 angeführte wesentliche Wirkung der Annahme an Kindes
Statt nicht abgeändert, noch dem Rechte eines Dritten zu nahe getreten wird.
Erlöschung derselben.
§. 185. Das rechtliche Verhältniß
zwischen den Wahlältern und dem Wahlkinde kann, in so lange das Wahlkind
minderjährig ist, nur mit Einwilligung der Vertreter des Minderjährigen und des
Gerichtes aufgehoben werden. Nach Erlöschung des Rechtsverhältnisses zwischen
dem Wahlvater und dem Wahlkinde kommt das minderjährige Kind wieder unter die
Gewalt des ehelichen Vaters.
2) Uebernahme in die Pflege.
§. 186. Die Rechte und
Verbindlichkeiten der Wahlältern und Wahlkinder lassen sich auf Kinder, die nur
in Pflege genommen werden, nicht anwenden. Diese Pflege steht jedermann frey,
wollen aber die Parteyen hierüber einen Vertrag schließen; so muß er, in so
fern die Rechte des Pflegekindes geschmälert, oder demselben besondere
Verbindlichkeiten auferlegt werden sollen, gerichtlich bestätiget werden. Auf
den Ersatz der Pflegekosten haben die Pflegeältern keinen Anspruch.
Viertes Hauptstück.
Von den Vormundschaften und
Curatelen.
Bestimmung der Vormundschaft und
Curatel.
§. 187. Personen, denen die Sorge
eines Vaters nicht zu Statten kommt, und die noch minderjährig oder aus einem
anderen Grunde ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen unfähig sind, gewähren
die Gesetze durch einen Vormund oder durch einen Curator besonderen Schutz.
Unterschied zwischen der
Vormundschaft und Curatel.
§. 188. Ein Vormund hat vorzüglich
für die Person des Minderjährigen zu sorgen, zugleich aber dessen Vermögen zu
verwalten. Ein Curator wird zur Besorgung der Angelegenheiten derjenigen
gebraucht, welche dieselben aus einem anderen Grunde, als jenem der
Minderjährigkeit, selbst zu besorgen unfähig sind.
I. Von der Vormundschaft.
Veranlassung zur Bestellung.
§. 189. Wenn der Fall eintritt, daß
einem Minderjährigen, er sey von ehelicher oder unehelicher Geburt, ein Vormund
bestellet werden muß; sind die Verwandten des Minderjährigen oder andere mit
ihm in nahem Verhältnisse stehende Personen unter angemessener Ahndung
verbunden, dem Gerichte, unter dessen Gerichtsbarkeit der Minderjährige steht,
die Anzeige zu machen. Auch die politischen Obrigkeiten, die weltlichen und
geistlichen Vorsteher der Gemeinden müssen sorgen, daß das Gericht hiervon
benachrichtiget werde.
Wer den Vormund zunächst bestelle.
§. 190. Das Gericht muß, sobald es
zur Kenntniß gelanget ist, von Amts wegen die Bestellung eines tauglichen
Vormundes vornehmen.
Nothwendige Entschuldigung von
einer Vormundschaft überhaupt;
§. 191. Untauglich zur
Vormundschaft überhaupt sind diejenigen, welche wegen ihres minderjährigen
Alters, wegen Leibes- oder Geistesgebrechen, oder aus anderen Gründen ihren
eigenen Geschäften nicht vorstehen können; die eines Verbrechens schuldig
erkannt worden sind, oder von denen eine anständige Erziehung des Waisen oder
nützliche Verwaltung des Vermögens nicht zu erwarten ist. 2
§. 192. Auch
Ordensgeistlichen und Ausländern soll in der Regel keine Vormundschaft
aufgetragen werden.
§. 193. Ehefrauen
bedürfen zur Übernahme einer Vormundschaft der Zustimmung ihres Gatten, außer
wenn es sich um ihr eigenes Kind handelt oder wenn der Gatte für geisteskrank
erklärt, sein Aufenthalt unbekannt oder die Ehe geschieden ist.
oder von einer bestimmten
Vormundschaft
§. 194. Zu
einer bestimmten Vormundschaft sind diejenigen nicht zuzulassen, welche der
Vater oder die zur Berufung eines Vormunds berechtigte Mutter (§ 196)
ausdrücklich von der Vormundschaft ausgeschlossen hat, die mit den Eltern des
Minderjährigen oder mit ihm selbst bekanntlich in Feindschaft gelebt haben oder
die mit dem Minderjährigen in einen Prozeß verwickelt sind. Ob eine Person
infolge des Bestandes unberichtigter Forderungen zwischen ihr und dem
Minderjährigen zur Übernahme der Vormundschaft ungeeignet erscheint, hat das
Gericht zu beurteilen.
Freywillige Entschuldigungsgründe.
§. 195. Wider
ihren Willen können zur Übernahme einer Vormundschaft nicht angehalten werden:
Frauen, mit Ausnahme der Mutter und Großmutter, fernen Geistliche, in dauernder
aktiver Dienstleistung stehende Militärpersonen und öffentliche Beamte, ebenso
derjenige, der sechzig Jahre alt ist, dem die Obsorge über fünf Kinder oder
Enkel obliegt oder der schon eine mühsame Vormundschaft oder drei kleinere zu
besorgen hat, endlich wer dieses Amt wegen der Entfernung seines Wohnsitzes von
dem Vormundschaftsgerichte nur schwer oder mit erheblichen Kosten ausüben
könnte.
Arten der Berufung zur
Vormundschaft.
1) testamentarische;
§. 196. Vor allen gebührt die Vormundschaft demjenigen, welchen der
Vater oder, falls dieser darüber nicht verfügt hat, die Mutter dazu berufen
hat, wenn ihm keines der in den §§ 191 bis 194 angeführten Hindernisse im Wege
steht.
§. 197. Hat
die Mutter außer dem im § 196 erwähnten Falle oder hat eine andere Person einem
Minderjährigen ein Erbteil zugedacht und zugleich einen Vormund ernannt, so muß
dieser nur in der Eigenschaft eines Kurators für das hinterlassene Vermögen
angenommen werden.
2) gesetzliche;
§. 198. Wenn
letztwillig kein oder kein fähiger Vormund berufen wurde, so ist die
Vormundschaft vor allen der ehelichen Mutter, dann dem väterlichen Großvater,
sodann der väterlichen Großmutter, endlich dem nächsten Verwandten
anzuvertrauen, aus mehreren gleich nahen aber in der Regel dem älteren.
3) gerichtliche.
§. 199. Kann eine Vormundschaft auf
die angeführte Art nicht bestellt werden, so hängt es von dem Gerichte ab, wen
es mit Rücksicht auf Fähigkeit, Stand, Vermögen und Ansässigkeit zum Vormunde
ernennen will.
Form der wirklichen Bestellung des
Vormundes.
§. 200. Jeden ernannten Vormund,
ohne Unterschied, hat das vormundschaftliche Gericht sogleich anzuweisen, daß
er die Vormundschaft übernehme. Der Vormund, ob er gleich für seine Person
unter einer anderen Gerichtsbarkeit steht, ist schuldig, die Vormundschaft zu
übernehmen, und wird in Rücksicht auf alle zu diesem Amte gehörige
Angelegenheiten der vormundschaftlichen Behörde unterworfen. 3
Form, die Bestellung abzulehnen.
§. 201. Glaubt derjenige, welchen
das Gericht zur Vormundschaft berufen hat, daß er zu diesem Amte nicht
geschickt sey; oder, daß ihn das Gesetz davon frey spreche, so muß er sich innerhalb
vierzehn Tagen, von der Zeit des ihm bekannt gemachten gerichtlichen Auftrags,
an das vormundschaftliche Gericht, oder, wenn er demselben für seine Person
nicht unterworfen ist, an seine persönliche Gerichtsstelle wenden, welche seine
Gründe mit ihrem Gutachten begleiten und dem vormundschaftlichen Gerichte zur
Entscheidung vorlegen soll.
Verantwortlichkeit des Vormundes
und des Gerichtes in Rücksicht dieses Gegenstandes.
§. 202. Wer seine Untauglichkeit
zur Vormundschaft verhehlet, hat, so wie das Gericht, das wissentlich einen
nach dem Gesetze untauglichen Vormund ernennet, allen dem Minderjährigen
dadurch entstandenen Schaden und entgangenen Nutzen zu verantworten.
§. 203. Dieser Verantwortung setzt
sich auch derjenige aus, welcher ohne gegründete Ursache sich weigert, eine
Vormundschaft zu übernehmen, und er soll überdieß durch angemessene
Zwangsmittel dazu angehalten werden.
Antritt der Vormundschaft.
§. 204. Man kann das
vormundschaftliche Amt nur nach einem von dem gehörigen Gerichtsstande dazu
erhaltenen Auftrage übernehmen. Wer sich eigenmächtig in eine Vormundschaft
eindringt, ist verbunden, allen dem Minderjährigen dadurch erwachsenen Schaden
zu ersetzen.
Angelobung.
§. 205. Jeder Vormund, mit Ausnahme
des Großvaters, der Mutter und der Großmutter, muß vermittelst Handschlages
angeloben: daß er den Minderjährigen zur Rechtschaffenheit, Gottesfurcht und
Tugend anführen, daß er ihn dem Stande gemäß als einen brauchbaren Bürger
erziehen, vor Gericht und außer demselben vertreten, das Vermögen getreulich
und emsig verwalten, und sich in Allem nach Vorschrift der Gesetze verhalten
wolle.
Urkunde hierüber.
§. 206. Einem auf diese Weise
verpflichteten Vormunde hat das Gericht eine förmliche Urkunde darüber
auszufertigen, damit er in Ansehung seines Amtes beglaubiget sey, und sich in
vorkommenden Fällen rechtfertigen könne. Uebernimmt ein Großvater, eine Mutter
oder Großmutter eine Vormundschaft; so muß ihnen eine ähnliche Urkunde
zugestellet, und derselben dasjenige, was andere Vormünder angeloben, eingeschaltet
werden.
Anstaltsvormundschaft
§. 207. Die
Bestellung eines Vormunds kann unterbleiben, solange ein Minderjähriger, der
weder unbewegliches noch bedeutendes bewegliches Vermögen besitzt, sich in
einer Zwangsarbeits- oder Besserungsanstalt oder in einer der Fürsorgeerziehung
gewidmeten öffentlichen oder privaten Anstalt befindet, deren Statut staatlich
genehmigt ist. Das gleiche gilt für Zöglinge, die unter der Aufsicht des
Vorstandes der Anstalt in einer Familie erzogen werden. In diesem Falle kommen
Befugnisse und Obliegenheiten eines Vormunds dem Vorsteher der Anstalt zu.
Liegen Gründe vor, die ihn für seine Person nach dem Gesetze von der Bestellung
zum Vormund ausschließen würden, so hat das Gericht nach seinem Ermessen zu
entscheiden, ob er als Anstaltsvorsteher zur Übernahme dieser Befugnisse und
Obliegenheiten ungeeignet erscheint.
Das Gericht kann
ungeachtet der Aufnahme des Minderjährigen in eine Anstalt in dessen Interesse
einen Vormund bestellen oder einen schon bestellten Vormund in seinem Amte
belassen. Auf die Erziehung des Minderjährigen in der Anstalt darf dieser
Vormund keinen Einfluß nehmen.
Generalvormundschaft
§. 208. Insoweit
geeignete Vormünder, die zur Übernahme des Amtes bereit sind, nicht zur
Verfügung stehen oder dies zur wirksamen Wahrung der Rechte und Interessen
unbemittelter Pflegebefohlener erforderlich ist, kann die Vormundschaft einem
geeigneten Organe der öffentlichen Verwaltung oder einer Vereinigung für
Jugendschutz übertragen werden. Diese Übertragung kann sich auch auf einzelne
Rechte und Pflichten des Vormunds beschränken. Die näheren Bestimmungen darüber
werden durch Verordnung erlassen.
Das Gericht kann die
Übertragung widerrufen, wenn es im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen ist.
Vereinigung der vormundschaftlichen
Hauptpflichten, der Erziehung und Vermögensverwaltung in Einer Person.
§. 209. So wie ein von dem Vater
ernannter Vormund nicht nur über die Person des Minderjährigen, sondern auch
über dessen Vermögen zu sorgen hat; eben so wird vermuthet, daß der Vater
jemanden, den er zum Curator über das Vermögen ernannt hat, zugleich die
Aufsicht über die Person habe anvertrauen wollen. Hat aber der Vater einen
Vormund nicht für alle Kinder, oder einen Curator nicht für das ganze Vermögen
ernannt; so liegt dem Gerichte ob, für die anderen Kinder einen Vormund oder
für den übrigen Theil des Vermögens einen Curator zu bestellen.
§. 210. Sind mehrere Vormünder
ernannt worden, so können sie zwar das Vermögen des Minderjährigen gemeinschaftlich
oder theilweise verwalten. Verwalten sie es aber gemeinschaftlich, oder theilen
sie die Verwaltung ohne Genehmhaltung des Gerichtes unter sich; so haftet jeder
Einzelne für den ganzen dem Minderjährigen erwachsenden Schaden. Immer muß auch
das Gericht veranstalten, daß die Person des Minderjährigen und die
Hauptführung der Geschäfte immer nur von Einem besorget werde.
Unterstützung einer Vormünderinn
durch einen Mitvormund.
§. 211. Das
Gericht hat einer zum Vormund bestellten Frau einen Mann als Mitvormund
beizugeben:
1. wenn die eheliche
Mutter zum Vormund bestellt wird und der Vater die Bestellung eines
Mitvormundes letztwillig angeordnet hat, vorausgesetzt, daß ihm zur Zeit seines
Todes die väterliche Gewalt über den Minderjährigen zustand;
2. wenn es die
Vormünderin verlangt;
3. wenn das Gericht es
aus besonderen Gründen, insbesondere wegen des Umfanges oder der Schwierigkeit
der Vermögensverwaltung durch das Interesse des Mündels geboten erachtet;
4. wenn die uneheliche
Mutter zum Vormund bestellt wird und die Mitwirkung eines Mitvormundes zur
Wahrung der Interessen des unehelichen Kindes notwendig ist.
Bei der Wahl des
Mitvormunds ist vor allem auf den erklärten Willen des Vaters, dann auf den
Vorschlag der Vormünderin, endlich auf die Verwandten des Minderjährigen
Rücksicht zu nehmen.
§. 212. Auch der Mitvormund muß
eine Beglaubigungsurkunde vom Gerichte erhalten, und angeloben, daß er das
Beste des Minderjährigen befördern wolle, und er muß zu diesem Ende der
Vormünderinn mit seinem Rathe beystehen. Sollte er wichtige Gebrechen
wahrnehmen, so muß er sich bestreben, denselben abzuhelfen, und nöthigen Falls
dem vormundschaftlichen Gerichte Anzeige davon machen.
§. 213. Eine andere wesentliche
Pflicht des Mitvormundes ist, daß er bey vorfallenden Geschäften, zu deren
Gültigkeit die Einwilligung des vormundschaftlichen Gerichtes nothwendig ist,
das Gesuch der Vormünderinn mit unterzeichne, oder seine besondere Meinung
beylege, so wie er auch auf Verlangen des Gerichtes über ein solches Geschäft
unmittelbar sein Gutachten zu erstatten hat.
§. 214. Ein Mitvormund, welcher
diese Pflichten erfüllet hat, bleibt von aller ferneren Verantwortung frey; ist
einem Mitvormunde aber zugleich die Verwaltung des Vermögens aufgetragen
worden, so hat er mit dieser Verwaltung alle Pflichten eines Curators
übernommen.
§. 215. Wenn eine Vormünderinn von
der Vormundschaft austritt; so ist die Vormundschaft in der Regel dem gewesenen
Mitvormunde aufzutragen.
Besondere Pflichten. Rechte des
Vormundes: a) in Rücksicht der Erziehung der Person;
§. 216. Ein Vormund hat gleich dem
Vater die Verbindlichkeit und das Recht, für die Erziehung des Minderjährigen
Sorge zu tragen; doch muß er in wichtigen und bedenklichen Angelegenheiten erst
die Genehmigung und die Vorschriften des vormundschaftlichen Gerichtes
einhohlen.
Entsprechende Verbindlichkeit des
Pflegebefohlenen.
§. 217. Der Minderjährige ist
seinem Vormunde Ehrerbiethung und Folgsamkeit schuldig; er ist aber auch
berechtigt, sich bey seinen nächsten Verwandten, oder bey der gerichtlichen
Behörde zu beschweren, wenn der Vormund seine Macht auf was immer für eine Art
mißbrauchen, oder die Pflichten der nöthigen Obsorge und Pflege hintansetzen
würde. Auch den Verwandten des Minderjährigen und jedem, der hiervon Kenntniß
erhält, steht die Anzeige bevor. An diese Behörde hat sich auch der Vormund zu
wenden, wenn er den Vergehungen des Minderjährigen durch die zur Erziehung ihm
eingeräumte Gewalt Einhalt zu thun nicht vermag.
Wer zunächst die Erziehung besorge.
§. 218. Die Person des Waisen soll
vorzüglich der Mutter selbst dann, wenn sie die Vormundschaft nicht übernommen
oder sich wieder verheirathet hat, anvertrauet werden; es wäre denn, daß das
Beste des Kindes eine andere Verfügung erheischte.
Bestimmung der Quantität und der
Quellen der Erziehungskosten.
§. 219. Die Unterhaltungskosten
bestimmt das vormundschaftliche Gericht, und nimmt bey der Bestimmung auf die
Anordnung des Vaters, auf das Gutachten des Vormundes, auf das Vermögen, auf
den Stand und auf andere Verhältnisse des Minderjährigen Rücksicht.
§. 220. Wenn die Einkünfte zur
Bestreitung dieser Kosten oder zur Bestreitung eines Aufwandes, wodurch der
Minderjährige in einen fortdauernden Nahrungsstand versetzt werden soll, nicht
zureichen; so darf mit Genehmhaltung des Gerichtes auch das Hauptvermögen
angegriffen werden.
§. 221. In dem Falle, daß die
Waisen ganz mittellos sind, soll das vormundschaftliche Gericht die bemittelten
nächsten Verwandten zu deren Verpflegung, dafern sie nach dem §. 143 hierzu
nicht ohnehin rechtlich verbunden sind, zu bewegen suchen. Außerdem hat der
Vormund auf öffentliche milde Stiftungen und bestehende Armenanstalten so lange
einen gerechten Anspruch, bis der Minderjährige im Stande ist, sich durch
eigene Arbeit und Verwendung selbst zu ernähren.
Besondere Pflichten der
Vormundschaft;
b) in Rücksicht der
Vermögensverwaltung. Erforschung und Sicherstellung des Vermögens,
§. 222. Die dem vormundschaftlichen
Gerichte über das Vermögen des Waisen anvertraute Obsorge fordert, daß es
zuerst desselben Vermögen zu erforschen und es durch Sperre, durch Inventur und
Schätzung sicher zu stellen suche.
durch die Sperre und Inventur;
§. 223. Durch die gerichtliche
Sperre werden nur dann, wenn es zur Sicherstellung nothwendig ist, die
Geräthschaften in Verwahrung genommen; die Inventur aber, das ist, ein genaues
Verzeichniß des sämmtlichen, dem Waisen gehörigen Vermögens, muß stets, selbst
ohne Rücksicht auf das Verboth des Vaters, oder eines anderen Erblassers,
errichtet werden.
dann durch die Schätzung des Vermögens
entweder unmittelbar von dem vormundschaftlichen Gerichte,
§. 224. Das Verzeichniß des
Vermögens und die Schätzung der beweglichen Sachen müssen ohne Zeitverlust,
allenfalls auch vor Bestellung eines Vormundes, vorgenommen werden. Das
Inventarium wird bey den Verlassenschafts-Acten aufbewahrt und dem Vormunde
eine beglaubigte Abschrift davon mitgetheilet. Die Schätzung des unbeweglichen
Vermögens muß, sobald es thunlich ist, vorgenommen werden; sie kann aber auch,
wenn der Werth sich aus anderen zuverlässigen Quellen darstellet, ganz
unterbleiben.
oder vermittelst der Real-Behörde.
§. 225. Liegt ein unbewegliches Gut
des Minderjährigen in einer anderen Provinz, oder gar in einem fremden Staate;
so muß die vormundschaftliche Behörde den ordentlichen Gerichtsstand der
anderen Provinz oder des fremden Staates um die Inventur und Schätzung und um
die Mittheilung derselben angehen, diesem Gerichtsstande aber die Bestellung
eines Curators über dieses Gut überlassen.
§. 226. Liegt das unbewegliche Gut
in der nähmlichen Provinz, aber unter einer anderen Behörde, so gebühren zwar
dieser alle auf das Gut sich beziehende Rechte, folglich auch die Inventur und
Schätzung: allein sie muß der vormundschaftlichen Behörde auf Verlangen nicht
nur eine Abschrift davon mittheilen; sondern auch dem Vormunde die freye
Verwaltung des Gutes überlassen, ohne sich über seine vormundschaftlichen
Handlungen einer Art von Gerichtsbarkeit anzumaßen.
Wohin das bewegliche Vermögen
gehöre.
§. 227. Diejenigen Mobilien, welche
sich auf einem unbeweglichen Gute befinden, um beständig auf demselben zu
bleiben, sind als ein Theil dieses Gutes anzusehen; alle übrigen Mobilien, auch
Schuldbriefe und selbst die auf einem unbeweglichen Gute haftenden Capitalien,
gehören unter die vormundschaftliche Gerichtsbarkeit.
Allgemeine Vorschrift in Rücksicht
auf die Vermögensverwaltung.
§. 228. Sobald ein Vormund oder
Curator das Vermögen übernimmt, hat er es mit aller Aufmerksamkeit eines
redlichen und fleißigen Hausvaters zu verwalten, und für sein Verschulden zu
haften.
Besondere Vorschriften in Absicht
der unmittelbaren Vermögensverwaltung, insonderheit in Rücksicht der
Kostbarkeiten;
§. 229. Juwelen, andere
Kostbarkeiten und die Schuldbriefe kommen, so wie alle wichtige Urkunden in
gerichtliche Verwahrung; von den ersteren erhält der Vormund ein Verzeichniß,
von den letzteren die zu seinem Gebrauche nöthigen Abschriften.
des baren Geldes;
§. 230. Vom baren Gelde soll nur so
viel in den Händen des Vormundes verbleiben, als zur Erziehung des Waisen und
zum ordentlichen Betriebe der Wirthschaft nöthig ist; das Uebrige muß
vorzüglich zur Tilgung der etwa vorhandenen Schulden oder zu einem anderen
vortheilhaften Gebrauche verwendet, und, wenn kein vortheilhafterer Gebrauch zu
machen ist, auf Zinsen in öffentlichen Cassen oder gegen gesetzmäßige
Sicherheit auch bey Privat-Personen angelegt werden; die Sicherheit ist aber
nur dann gesetzmäßig, wenn durch die Sicherstellung mit Einrechnung der etwa
vorgehenden Lasten, ein Haus nicht über die Hälfte, ein Landgut oder Grundstück
aber nicht über zwey Drittheile seines wahren Werthes beschweret wird.
des übrigen beweglichen Vermögens;
§. 231. Das übrige bewegliche
Vermögen, welches weder zum Gebrauche des Minderjährigen, noch zum Andenken der
Familie, oder nach Anordnung des Vaters aufzubewahren ist, noch auf eine andere
Art vortheilhaft verwendet werden kann, muß im Allgemeinen öffentlich
feilgebothen werden. Das Hausgeräthe kann man den Aeltern und den Miterben in
dem gerichtlichen Schätzungspreise aus freyer Hand überlassen. Stücke, die bey
der öffentlichen Versteigerung nicht veräußert worden sind, kann der Vormund
mit Bewilligung des vormundschaftlichen Gerichtes auch unter dem
Schätzungspreise verkaufen.
in Rücksicht des unbeweglichen;
§. 232. Ein unbewegliches Gut kann
nur im Nothfalle oder zum offenbaren Vortheile des Minderjährigen mit
Genehmhaltung des vormundschaftlichen Gerichtes, und in der Regel nur
vermittelst öffentlicher Versteigerung veräußert, aus wichtigen Gründen aber
kann auch eine Veräußerung aus freyer Hand von dem Gerichte bewilliget werden.
bey vorzukehrenden wichtigen
Veränderungen:
§. 233. Ueberhaupt kann ein Vormund
in allen Geschäften, welche nicht zu dem ordentlichen Wirthschaftsbetriebe
gehören, und welche von größerer Wichtigkeit sind, nichts ohne gerichtliche
Einwilligung vornehmen. Er kann also eigenmächtig keine Erbschaft ausschlagen
oder unbedingt annehmen; keine Veräußerung der seiner Verwahrung anvertrauten
Güter vornehmen; keinen Pachtvertrag abschließen; kein mit gesetzmäßiger Sicherheit
anliegendes Capital aufkündigen; keine Forderung abtreten; keinen Rechtsstreit
vergleichen; keine Fabrik, Handlung und Gewerbe ohne gerichtliche Genehmigung
anfangen, fortsetzen oder aufheben.
bey Einhebung der Capitalien;
§. 234. Ein Vormund kann für sich
allein kein Capital des Minderjährigen, wenn es zurückbezahlt wird, in Empfang
nehmen. Der Schuldner, dem ein solches Capital aufgekündiget wird, muß sich zu
seiner Sicherheit von dem Vormunde die gerichtliche Bewilligung zur Erhebung
des Capitals vorzeigen lassen, und sich nicht mit der Quittung des Vormundes
allein begnügen; auch steht es ihm frey, die Zahlung unmittelbar an das Gericht
selbst zu leisten.
bey weiterer Verwendung derselben;
§. 235. So oft der Fall eintritt,
daß ein ausstehendes Capital eingehen solle, hat der Vormund für dessen
vortheilhafte Verwendung die Anstalt zu treffen, und zu der wirklichen
Verwendung die Genehmigung des Gerichtes einzuhohlen.
zur Sicherstellung unbedeckter
Forderungen.
§. 236. Ueber Schuldforderungen, zu
deren Beweise keine Urkunden vorhanden sind, muß der Vormund sich Urkunden
verschaffen, und diejenigen, welche nicht sicher gestellt sind, so viel möglich
sicher zu stellen suchen, oder zur Verfallszeit eintreiben. Doch soll den
Aeltern das Capital des Minderjährigen, wenn es auch nicht gesetzmäßig
versichert, der Minderjährige jedoch wahrscheinlicher Weise keiner Gefahr eines
Verlustes ausgesetzt ist, nicht aufgekündet werden, wofern ihnen die
Zurückbezahlung ohne Veräußerung ihres unbeweglichen Gutes oder Abtretung von
ihrem Gewerbe schwer fallen würde.
Caution.
§. 237. Der Vormund ist bey
Antretung der Vormundschaft nicht schuldig, Caution zu leisten. Er bleibt auch
in der Folge von der Caution befreyt, so lange er die durch das Gesetz zur
Sicherheit des Vermögens bestehenden Vorschriften genau beobachtet und zur
gehörigen Zeit ordentlich Rechnung legt.
Verbindlichkeit zur
Rechnungslegung.
§. 238. In der Regel ist jeder
Vormund und jeder Curator verbunden, über die ihm anvertraute Verwaltung
Rechnung zu legen. Von der Rechnungslegung kann zwar der Erblasser in Ansehung
des von ihm freywillig vermachten Vertrages den Vormund lossprechen; auch das
vormundschaftliche Gericht kann dieses, wenn das Einkommen die Auslagen für den
Unterhalt und die Erziehung des Minderjährigen wahrscheinlich nicht übersteigt;
allein das in der Inventur aufgenommene Hauptvermögen und Capital muß ein
Vormund in allen Fällen ausweisen; auch von dem Zustande seines
Pflegebefohlenen, wenn darin eine wichtige Veränderung vorgeht, Bericht erstatten.
Zeit der Rechnungslegung.
§. 239. Die Rechnungen müssen mit
jedem Jahre oder längstens innerhalb zwey Monathen nach dessen Verlauf mit
allen erforderlichen Belegen dem vormundschaftlichen Gerichte übergeben werden.
In diesen Rechnungen muß die Einnahme und Ausgabe, der Ueberschuß oder die
Verminderung des Capitals genau bestimmt werden. Ist unter dem Vermögen des
Minderjährigen eine Handlung begriffen, so hat sich das Gericht mit dem
vorgelegten beglaubigten Rechnungsabschlusse, oder mit der so genannten Bilanz,
zu begnügen und solche geheim zu halten. Gegen einen Vormund, welcher in der
bestimmten Zeit die Rechnung zu legen unterläßt, müssen die den Umständen
angemessenen rechtlichen Zwangsmittel angewendet werden.
Ort, wo die Rechnung zu legen.
§. 240. Wenn der Minderjährige in
verschiedenen Provinzen unbewegliche Güter besitzt, deren Verwaltung einem
Vormunde allein anvertraut ist; so muß der Vormund für jede Provinz eine
besondere Rechnung führen und der dortigen Behörde vorlegen: allein es bleibt
ihm freygestellt, zum Besten des Minderjährigen den Ueberschuß des in einer
Provinz gelegenen Vermögens in einer anderen zu verwenden.
Art der Rechnungserledigung.
§. 241. Das vormundschaftliche
Gericht ist verbunden, die Rechnungen des Vormundes nach den besonderen
Vorschriften durch Rechnungs- und Sachverständige prüfen und berichtigen zu
lassen, und die Erledigung darüber dem Vormunde mitzutheilen.
§. 242. Ist in den Rechnungen etwas
vergessen worden, oder sonst was immer für ein Verstoß untergelaufen, so kann
dieses weder dem Vormunde, noch dem Minderjährigen zum Nachtheile gereichen.
Besondere Vorschriften für den
Vormund bey der mittelbaren Vermögensverwaltung. Inbesonderheit bey
Vertretungen.
§. 243. Ein Minderjähriger kann
weder als Kläger, noch als Geklagter vor Gericht erscheinen; es muß ihn der
Vormund entweder selbst vertreten, oder durch einen Anderen vertreten lassen.
Bey Verträgen des Pflegebefohlenen.
§. 244. Ein Minderjähriger ist zwar
berechtiget, durch erlaubte Handlungen ohne Mitwirkung seines Vormundes etwas
für sich zu erwerben: allein er kann ohne Genehmhaltung der Vormundschaft weder
etwas von dem Seinigen veräußern, noch eine Verpflichtung auf sich nehmen.
§. 245. Insbesondere können
Minderjährige ohne Einwilligung der Vormundschaft keine gültige Ehe eingehen
(§§. 49-51).
In welchen Fällen der Minderjährige
ohne Einwilligung des Vormundes verbunden werde.
§. 246. Hat der Minderjährige auch
ohne Einwilligung seines Vormundes sich zu Diensten verdungen, so kann ihn der
Vormund ohne wichtige Ursache vor der gesetz- oder vertragsmäßigen Frist nicht
zurückrufen; was er auf diese oder auf eine andere Art durch seinen Fleiß
erwirbt, darüber kann er, so wie mit jenen Sachen, die ihm nach erreichter
Mündigkeit zu seinem Gebrauche eingehändiget worden sind, frey verfügen und
sich verpflichten.
§. 247. Einem Minderjährigen, der
das zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt hat, kann die Obervormundschaft den
reinen Ueberschuß seiner Einkünfte zur eigenen freyen Verwaltung überlassen;
über diesen seiner Verwaltung anvertrauten Betrag ist er berechtiget,
eigenmächtig sich zu verbinden.
§. 248. Ein Minderjähriger, welcher
sich nach zurückgelegtem zwanzigsten Jahre bey einem Geschäfte für großjährig
ausgibt, ist für allen Schaden verantwortlich, wenn der andere Theil vor
Abschließung des Geschäftes nicht wohl erst Erkundigung über die Wahrheit des
Vorgehens einhohlen konnte. Ueberhaupt ist er auch in Hinsicht auf andere
verbothene Handlungen und den durch sein Verschulden verursachten Schaden
sowohl mit seiner Person, als auch mit seinem Vermögen verantwortlich.
Endigung der Vormundschaft; a)
durch den Tod;
§. 249. Eine Vormundschaft endiget
sich gänzlich durch den Tod des Minderjährigen. Stirbt aber der Vormund oder
wird er entlassen, so muß nach der Vorschrift des Gesetzes (§. 198 und 199) ein
anderer bestellet werden.
b) nach gehobenem Hinderniß der
Ausübung der väterlichen Gewalt;
§. 250. Die Vormundschaft endiget
sich auch, wenn der Vater die durch einige Zeit gehemmte Ausübung seiner Gewalt
wieder übernimmt (§. 176).
c) durch die wirkliche
Volljährigkeit;
§. 251. Die Vormundschaft erlischt
auch sogleich, als der Pflegebefohlene die Großjährigkeit erreicht hat; doch
kann das vormundschaftliche Gericht auf Ansuchen oder nach Vernehmung des
Vormundes, und der Verwandten wegen Leibes- oder Gemüthsgebrechen des
Pflegebefohlenen, wegen Verschwendung oder aus anderen wichtigen Gründen die
Fortdauer der Vormundschaft auf eine längere oder unbestimmte Zeit anordnen.
Diese Verordnung muß aber in einem angemessenen Zeitraume vor dem Eintritte der
Volljährigkeit öffentlich bekannt gemacht werden.
d) durch die vermittelst ertheilter
Nachsicht rechtlich angenommene Volljährigkeit;
§. 252. Einem Minderjährigen,
welcher das zwanzigste Jahr zurückgelegt hat, kann das vormundschaftliche
Gericht nach eingehohltem Gutachten des Vormundes und allenfalls auch der
nächsten Verwandten, die Nachsicht des Alters verwilligen und ihn volljährig
erklären. Wird einem Minderjährigen der Betrieb einer Handlung oder eines
Gewerbes von der Behörde verstattet, so wird er dadurch zugleich für volljährig
erkläret. Die Erklärung der Volljährigkeit hat ganz gleiche rechtliche Wirkung
mit der wirklich erreichten Volljährigkeit.
e) durch die amtliche oder
angesuchte Entlassung des Vormundes
§. 253. Die Entlassung des
Vormundes verordnet das Gericht in einigen Fällen von Amts wegen, in anderen,
wenn darum angesucht wird.
Fälle der amtlichen Entlassung.
§. 254. Von Amts wegen muß ein
Vormund entlassen werden, wenn er die Vormundschaft pflichtwidrig verwaltet;
wenn er als unfähig erkannt wird; oder, wenn sich in Ansehung seiner solche
Bedenklichkeiten äußern, welche ihn Kraft des Gesetzes von Uebernehmung der
Vormundschaft ausgeschlossen haben würden. 2
§. 255. Das
Vormundschaftsgericht kann die Entlassung einer zum Vormund bestellten Frau
verordnen, wenn sie sich verheiratet. Zum Vormund bestellte verheiratete Frauen
sind zu entlassen, wenn die Zustimmung des Ehegatten zur Führung der
Vormundschaft widerrufen wird.
§. 256. Hat der Erblasser oder das
Gericht einen Vormund nur auf eine Zeit bestellet, oder ihn auf einen
bestimmten Ereignungsfall ausgeschlossen; so muß er entlassen werden, sobald
diese Zeit verflossen, oder der bestimmte Fall eingetreten ist.
Fälle der vom Vormunde,
§. 257. Wenn während der
Vormundschaft solche Gründe eintreten, die den Vormund kraft der Gesetze von
Uebernehmung derselben befreyt, oder ausgeschlossen hätten; so ist er in dem
ersteren Falle berechtiget, in dem letzteren aber verpflichtet, die Entlassung
anzusuchen.
§. 258. Einem Vormunde, dem man als
vermeintlichen nächsten Verwandten des Minderjährigen die Vormundschaft
aufgetragen hat, steht es frey, einen später entdeckten, näheren und tauglichen
Verwandten an seine Stelle vorzuschlagen: allein der nähere Verwandte hat kein
Recht, zu fordern, daß ihm ein minder naher Verwandter eine bereits angetretene
Vormundschaft abtrete; er wäre denn früher sich zu melden gehindert worden.
oder der von Anderen rechtlich
angesuchten Entlassung.
§. 259. Die Mutter oder der Bruder
können, wenn sie zur Zeit der bestellten Vormundschaft selbst noch minderjährig
waren, nach erreichter Volljährigkeit auf die Vormundschaft Anspruch machen.
Auch steht jedem Verwandten frey, wenn das Gericht einen Nichtverwandten zur
Vormundschaft berufen hat, sich binnen Jahresfrist um die Uebernehmung der
Vormundschaft zu melden.
§. 260. Wenn eine Minderjährige
sich verehelichet, so hängt es von der Beurtheilung des Gerichtes ab, ob die
Curatel dem Ehegatten abgetreten werden soll (§. 175).
Bedingungen zur Entlassung des
Vormundes:
a) gewöhnlicher Zeitpunct;
§. 261. Ein Vormund kann in der
Regel nur am Ende des vormundschaftlichen Jahres, nachdem sein Nachfolger die
Verwaltung des Vermögens ordentlich übernommen hat, die Vormundschaft
niederlegen. Findet aber das Gericht es zur Sicherheit der Person oder des
Vermögens nothwendig, so kann es ihm dieselbe auch sogleich abnehmen.
b) Schlußrechnung;
§. 262. Ein Vormund ist verbunden,
längstens innerhalb zwey Monathen nach geendigter Vormundschaft dem Gerichte
seine Schlußrechnung zu übergeben, und erhält von demselben nach gepflogener
Richtigkeit eine Urkunde über die redlich und ordentlich geführte Verwaltung
seines Amtes. Diese Urkunde spricht ihn aber von der Verbindlichkeit aus einer
später entdeckten arglistigen Handlung nicht frey.
c) Uebergabe des Vermögens.
§. 263. Am Ende einer Vormundschaft
ist es die Pflicht des Vormundes das Vermögen dem volljährig gewordenen, oder
dem neu bestellten Vormunde gegen Empfangsschein zu übergeben, und sich darüber
bey Gericht auszuweisen. Das aufgenommene Verzeichniß des Vermögens, und die
jährlich begnehmigten Rechnungen dienen bey solchen Uebergaben zur Richtschnur.
Haftung des Vormundes aus fremdem
Verschulden.
§. 264. Insgemein hat ein Vormund
nur für sein Verschulden und nicht auch für das Verschulden der ihm
Untergeordneten zu haften. Hat er aber wissentlich unfähige Personen
angestellet, hat er solche beybehalten, oder nicht auf den Ersatz des von ihnen
verursachten Schadens gedrungen; so ist er auch dieser Nachlässigkeit wegen
verantwortlich.
Subsidiarische Haftung des
vormundschaftlichen Gerichtes.
§. 265. Selbst das
vormundschaftliche Gericht, welches sein Amt zum Nachtheile eines
Minderjährigen vernachlässiget hat, ist dafür verantwortlich, und, wenn andere
Mittel zum Ersatze mangeln, den Schaden zu ersetzen verbunden.
Belohnung des Vormundes:
a) jährliche;
§. 266. Emsigen Vormündern kann das
Gericht aus den in Ersparung kommenden Einkünften eine verhältnißmäßige
jährliche Belohnung zuerkennen; doch darf diese Belohnung nie mehr als fünf von
Hundert der reinen Einkünfte betragen, und sich höchstens auf vier tausend
Gulden jährlich belaufen.
b) oder bey dem Austritte.
§. 267. Wenn das Vermögen des
Minderjährigen so geringe ist, daß sich wenig oder nichts in jährliche
Ersparung bringen läßt; so kann einem Vormund, welcher das Vermögen
unvermindert erhalten, oder dem Minderjährigen eine anständige Versorgung
verschafft hat, wenigstens am Ende der Vormundschaft eine den Umständen
angemessene Belohnung ertheilet werden.
Rechtsmittel des Vormundes bey
Beschwerden.
§. 268. Ein Vormund, welcher sich
durch eine Verordnung des vormundschaftlichen Gerichtes beschwert zu seyn
erachtet, soll die Beschwerde zuerst bey dem nähmlichen Gerichte, und nur, wenn
diese fruchtlos war, den Recurs bey dem höheren Gerichte anbringen.
II. Von der Curatel.
Begriff der Curatel.
§. 269. Für Personen, welche ihre
Angelegenheiten nicht selbst besorgen, und ihre Rechte nicht selbst verwahren
können, hat das Gericht, wenn die väterliche oder vormundschaftliche Gewalt
nicht Platz findet, einen Curator oder Sachwalter zu bestellen.
Fälle der Curatel.
§. 270. Dieser Fall tritt ein: bey
Minderjährigen, die in einer anderen Provinz ein unbewegliches Vermögen besitzen
(§. 225); oder, die in einem besonderen Falle von dem Vater oder Vormunde nicht
vertreten werden können; bey Volljährigen, die in Wahn- oder Blödsinn
verfallen; bey erklärten Verschwendern; bey Ungebornen; zuweilen auch bey
Taubstummen; bey Abwesenden und bey Sträflingen.
a) für Minderjährige;
§. 271. In Geschäften, welche
zwischen Aeltern und einem minderjährigen Kinde, oder zwischen einem Vormunde
und dem Minderjährigen vorfallen, muß das Gericht angegangen werden, für den
Minderjährigen einen besonderen Curator zu ernennen.
§. 272. Fallen zwischen zwey oder
mehreren Minderjährigen, welche einen und denselben Vormund haben,
Rechtsstreitigkeiten vor, so darf dieser Vormund keinen der Minderjährigen
vertreten; sondern er muß das Gericht angehen, daß es für jeden insbesondere
einen anderen Curator ernenne.
b) für Wahn- oder Blödsinnige;
§. 273. Für wahn- oder blödsinnig
kann nur derjenige gehalten werden, welcher nach genauer Erforschung seines
Betragens und nach Einvernehmung der von dem Gerichte ebenfalls dazu
verordneten Aerzte gerichtlich dafür erkläret wird.
c) für Verschwender:
Als Verschwender aber muß das
Gericht denjenigen erklären, von welchem nach der vorgekommenen Anzeige und der
hierüber gepflogenen Untersuchung offenbar wird, daß er sein Vermögen auf eine
unbesonnene Art durchbringt, und sich oder seine Familie durch muthwillige oder
unter verderblichen Bedingungen geschlossene Borgverträge künftigem Nothstande
Preis gibt. In beyden Fällen muß die gerichtliche Erklärung öffentlich bekannt gemacht
werden.
d) für Ungeborne;
§. 274. In Rücksicht auf Ungeborne
wird ein Sachwalter entweder für die Nachkommenschaft überhaupt, oder für eine
bereits vorhandene Leibesfrucht (§. 22) aufgestellet. Im ersten Falle hat der
Sachwalter dafür zu sorgen, daß die Nachkommenschaft bey einem ihr bestimmten
Nachlasse nicht verkürzet werde; im zweyten Falle aber, daß die Rechte des noch
ungebornen Kindes erhalten werden.
e) für Taubstumme;
§. 275. Taubstumme, wenn sie
zugleich blödsinnig sind, bleiben beständig unter Vormundschaft; sind sie aber
nach Antritt des fünf und zwanzigsten Jahres ihre Geschäfte zu verwalten fähig,
so darf ihnen wider ihren Willen kein Curator gesetzt werden; nur sollen sie
vor Gericht nie ohne einen Sachwalter erscheinen.
f) für Abwesende und für unbekannte
Theilnehmer an einem Geschäfte;
§. 276. Die Bestellung eines
Curators für Abwesende, oder für die dem Gerichte zur Zeit noch unbekannten
Theilnehmer an einem Geschäfte findet dann Statt, wenn sie keinen ordentlichen
Sachwalter zurückgelassen haben, ohne solchen aber ihre Rechte durch Verzug
gefährdet, oder die Rechte eines Anderen in ihrem Gange gehemmet würden. Ist
der Aufenthaltsort eines Abwesenden bekannt, so muß ihn sein Curator von der
Lage seiner Angelegenheiten unterrichten, und diese Angelegenheiten, wenn keine
andere Verfügung getroffen wird, wie jene eines Minderjährigen besorgen.
§. 277. Sucht jemand bey Eintretung
der durch das Gesetz in dem §. 24. bestimmten Erforderungen die gerichtliche
Todeserklärung eines Abwesenden an, so hat das Gericht für diesen Abwesenden
vor Allem einen Curator zu ernennen; dann wird er durch ein auf ein ganzes Jahr
gestelltes Edict mit dem Beysatze vorgeladen, daß das Gericht, wenn er während
der Zeit nicht erscheint, oder das Gericht auf eine andere Art in die Kenntniß
seines Lebens setzt, zur Todeserklärung schreiten werde.
§. 278. Der Tag, an welchem eine
Todeserklärung ihre Rechtskraft erlangt hat, wird für den rechtlichen Sterbetag
eines Abwesenden gehalten; doch schließt eine Todeserklärung den Beweis nicht
aus, daß der Abwesende früher oder später gestorben; oder, daß er noch am Leben
sey. Kommt ein solcher Beweis zu Stande, so ist derjenige, welcher auf den
Grund der gerichtlichen Todeserklärung ein Vermögen in Besitz genommen hat, wie
ein anderer redlicher Besitzer zu behandeln.
g) für Sträflinge.
§. 279. Einem zur schwersten oder
schweren Kerkerstrafe verurtheilten Verbrecher ist ein Curator zu bestellen,
wenn er ein Vermögen besitzt, welches durch die länger fortdauernde Strafe
einer Gefahr ausgesetzt seyn würde.
Bestellung der Curatel.
§. 280. Das Gericht, welchem die
Ernennung eines Vormundes zusteht, hat in der Regel unter der nähmlichen
Vorsicht und nach den nähmlichen Grundsätzen auch den Curator zu bestellen. Ist
es aber um die Verwaltung einer Sache oder eines Geschäftes zu thun, welche zu
einem anderen Gerichtsstande gehören; so hat dieser Gerichtsstand auch den
Curator zu ernennen.
Entschuldigungsursachen.
§. 281. Wer die gehörigen
Eigenschaften zum vormundschaftlichen Amte besitzt, kann auch eine Curatel
übernehmen. Auch finden bey der Curatel die nähmlichen Entschuldigungsgründe
und Vorzugsrechte wie bey der Vormundschaft Statt. 2
Rechte und Verbindlichkeiten.
§. 282. Die Rechte und
Verbindlichkeiten der Curatoren, welche entweder nur für die Verwaltung des
Vermögens, oder zugleich für die Person ihres Pflegebefohlenen zu sorgen haben,
sind aus den den Vormündern hierüber ertheilten Vorschriften zu beurtheilen. 3
Erlöschung derselben.
§. 283. Die Curatel hört auf, wenn
die dem Curator anvertrauten Geschäfte geendiget sind, oder, wenn die Gründe
aufhören, die den Pflegebefohlenen an der Verwaltung seiner Angelegenheiten
verhindert haben. Ob ein Wahn- oder Blödsinniger den Gebrauch der Vernunft
erhalten habe; oder, ob der Wille eines Verschwenders gründlich und dauerhaft
gebessert sey; muß nach einer genauen Erforschung der Umstände, aus einer
anhaltenden Erfahrung, und im ersten Falle zugleich aus den Zeugnissen der zur
Untersuchung von dem Gerichte bestellten Aerzte entschieden werden.
Vormundschaftsrat
§. 284. Zur
Unterstützung der Gerichte bei Ausübung der Vormundschafts- und
Kuratelsgerichtsbarkeit sind die Vormundschaftsräte berufen. Über deren
Zusammensetzung und Aufgaben wird durch besonderes Gesetz bestimmt.
Zweyter Theil des bürgerlichen
Gesetzbuches.
Von dem Sachenrechte.
Von Sachen und ihrer rechtlichen
Eintheilung.
Begriff von Sachen im rechtlichen
Sinne.
§. 285. Alles, was von der Person
unterschieden ist, und zum Gebrauche der Menschen dient, wird im rechtlichen
Sinne eine Sache genannt.
Eintheilung der Sachen nach
Verschiedenheit des Subjectes, dem sie gehören.
§. 286. Die Sachen in dem
Staatsgebiethe sind entweder ein Staats- oder ein Privat-Gut. Das Letztere
gehört einzelnen oder moralischen Personen, kleineren Gesellschaften, oder
ganzen Gemeinden.
Freystehende Sachen; öffentliches
Gut und Staatsvermögen.
§. 287. Sachen, welche allen
Mitgliedern des Staates zur Zueignung überlassen sind, heißen freystehende
Sachen. Jene, die ihnen nur zum Gebrauche verstattet werden, als: Landstraßen,
Ströme, Flüsse, Seehäfen und Meeresufer, heißen ein allgemeines oder
öffentliches Gut. Was zur Bedeckung der Staatsbedürfnisse bestimmt ist, als:
das Münz- oder Post- und andere Regalien, Kammergüter, Berg- und Salzwerke, Steuern
und Zölle, wird das Staatsvermögen genannt.
Gemeindegut; Gemeindevermögen.
§. 288. Auf gleiche Weise machen
die Sachen, welche nach der Landesverfassung zum Gebrauche eines jeden
Mitgliedes einer Gemeinde dienen, das Gemeindegut; diejenigen aber, deren
Einkünfte zur Bestreitung der Gemeindeauslagen bestimmt sind, das
Gemeindevermögen aus.
Privat-Gut des Landesfürsten.
§. 289. Auch dasjenige Vermögen des
Landesfürsten, welches er nicht als Oberhaupt des Staates besitzt, wird als ein
Privat-Gut betrachtet.
Allgemeine Vorschrift in Rücksicht
dieser verschiedenen Arten der Güter.
§. 290. Die in diesem Privat-Rechte
enthaltenen Vorschriften über die Art, wie Sachen rechtmäßig erworben, erhalten
und auf Andere übertragen werden können, sind in der Regel auch von den
Verwaltern der Staats- und Gemeindegüter, oder des Staats- und
Gemeindevermögens zu beobachten. Die in Hinsicht auf die Verwaltung und den
Gebrauch dieser Güter sich beziehenden Abweichungen und besonderen Vorschriften
sind in dem Staatsrechte und in den politischen Verordnungen enthalten.
Eintheilung der Sachen nach dem
Unterschiede ihrer Beschaffenheit.
§. 291. Die Sachen werden nach dem
Unterschiede ihrer Beschaffenheit eingetheilt: in körperliche und
unkörperliche; in bewegliche und unbewegliche; in verbrauchbare und
unverbrauchbare; in schätzbare und unschätzbare.
Körperliche und unkörperliche
Sachen;
§. 292. Körperliche Sachen sind
diejenigen, welche in die Sinne fallen; sonst heißen sie unkörperliche; z. B.
das Recht zu jagen, zu fischen und alle andere Rechte.
bewegliche und unbewegliche.
§. 293. Sachen, welche ohne
Verletzung ihrer Substanz von einer Stelle zur anderen versetzt werden können,
sind beweglich; im entgegengesetzten Falle sind sie unbeweglich. Sachen, die an
sich beweglich sind, werden im rechtlichen Sinne für unbeweglich gehalten, wenn
sie vermöge des Gesetzes oder der Bestimmung des Eigenthümers das Zugehör einer
unbeweglichen Sache ausmachen.
Zugehör überhaupt;
§. 294. Unter Zugehör versteht man
dasjenige, was mit einer Sache in fortdauernde Verbindung gesetzt wird. Dahin
gehören nicht nur der Zuwachs einer Sache, so lange er von derselben nicht
abgesondert ist; sondern auch die Nebensachen, ohne welche die Hauptsache nicht
gebraucht werden kann, oder die das Gesetz oder der Eigenthümer zum
fortdauernden Gebrauche der Hauptsache bestimmt hat.
insbesondere bey Grundstücken und
Teichen;
§. 295. Gras, Bäume, Früchte und
alle brauchbare Dinge, welche die Erde auf ihrer Oberfläche hervorbringt,
bleiben so lange ein unbewegliches Vermögen, als sie nicht von Grund und Boden
abgesondert worden sind. Selbst die Fische in einem Teiche, und das Wild in
einem Walde werden erst dann ein bewegliches Gut, wenn der Teich gefischet, und
das Wild gefangen oder erlegt worden ist.
§. 296. Auch das Getreide, das
Holz, das Viehfutter und alle übrige, obgleich schon eingebrachte Erzeugnisse,
so wie alles Vieh und alle zu einem liegenden Gute gehörige Werkzeuge und
Geräthschaften werden in so fern für unbewegliche Sachen gehalten, als sie zur
Fortsetzung des ordentlichen Wirthschaftsbetriebes erforderlich sind.
und bey Gebäuden.
§. 297. Eben so gehören zu den
unbeweglichen Sachen diejenigen, welche auf Grund und Boden in der Absicht
aufgeführt werden, daß sie stets darauf bleiben sollen, als: Häuser und andere
Gebäude mit dem in senkrechter Linie darüber befindlichen Luftraume; ferner:
nicht nur Alles, was erd- mauer- niet- und nagelfest ist, als: Braupfannen,
Branntweinkessel und eingezimmerte Schränke, sondern auch diejenigen Dinge, die
zum anhaltenden Gebrauche eines Ganzen bestimmt sind: z. B. Brunneneimer,
Seile, Ketten, Löschgeräthe und dergleichen.
Rechte sind insgemein als
bewegliche Sachen anzusehen;
§. 298. Rechte werden den
beweglichen Sachen beygezählt, wenn sie nicht mit dem Besitze einer unbeweglichen
Sache verbunden, oder durch die Landesverfassung für eine unbewegliche Sache
erkläret sind.
auch die vorgemerkten Forderungen.
§. 299. Schuldforderungen werden
durch die Sicherstellung auf ein unbewegliches Gut nicht in ein unbewegliches
Vermögen verwandelt.
Nach welchen Gesetzen die
unbeweglichen; und nach welchen die beweglichen Sachen zu beurtheilen sind.
§. 300. Unbewegliche Sachen sind
den Gesetzen des Bezirkes unterworfen, in welchem sie liegen; alle übrige
Sachen hingegen stehen mit der Person ihres Eigenthümers unter gleichen
Gesetzen.
Verbrauchbare und unverbrauchbare
Sachen.
§. 301. Sachen, welche ohne ihre
Zerstörung oder Verzehrung den gewöhnlichen Nutzen nicht gewähren, heißen
verbrauchbare; die von entgegengesetzter Beschaffenheit aber, unverbrauchbare
Sachen.
Gesammtsache (universitas rerum).
§. 302. Ein Inbegriff von mehreren
besonderen Sachen, die als Eine Sache angesehen, und mit einem
gemeinschaftlichen Nahmen bezeichnet zu werden pflegen, macht eine Gesammtsache
aus, und wird als ein Ganzes betrachtet.
Schätzbare und unschätzbare;
§. 303. Schätzbare Sachen sind
diejenigen, deren Werth durch Vergleichung mit anderen zum Verkehre bestimmt
werden kann; darunter gehören auch Dienstleistungen, Hand- und Kopfarbeiten.
Sachen hingegen, deren Werth durch keine Vergleichung mit anderen im Verkehre
befindlichen Sachen bestimmt werden kann, heißen unschätzbare.
Maßstab der gerichtlichen
Schätzung.
§. 304. Der bestimmte Werth einer
Sache heißt ihr Preis. Wenn eine Sache vom Gerichte zu schätzen ist, so muß die
Schätzung nach einer bestimmten Summe Geldes geschehen.
Ordentlicher und außerordentlicher
Preis.
§. 305. Wird eine Sache nach dem
Nutzen geschätzt, den sie mit Rücksicht auf Zeit und Ort gewöhnlich und
allgemein leistet, so fällt der ordentliche und gemeine Preis aus; nimmt man
aber auf die besonderen Verhältnisse und auf die in zufälligen Eigenschaften
der Sache gegründete besondere Vorliebe desjenigen, dem der Werth ersetzt
werden muß, Rücksicht, so entsteht ein außerordentlicher Preis.
Welcher bey gerichtlichen
Schätzungen zur Richtschnur zu nehmen.
§. 306. In allen Fällen, wo nichts
Anderes entweder bedungen, oder von dem Gesetze verordnet wird, muß bey der
Schätzung einer Sache der gemeine Preis zur Richtschnur genommen werden.
Begriffe vom dinglichen und
persönlichen Sachenrechte.
§. 307. Rechte, welche einer Person
über eine Sache ohne Rücksicht auf gewisse Personen zustehen, werden dingliche
Rechte genannt. Rechte, welche zu einer Sache nur gegen gewisse Personen
unmittelbar aus einem Gesetze, oder aus einer verbindlichen Handlung entstehen,
heißen persönliche Sachenrechte.
§. 308. Dingliche Sachenrechte sind
das Recht des Besitzes, des Eigenthumes, des Pfandes, der Dienstbarkeit und des
Erbrechtes.
Erste Abtheilung des Sachenrechtes.
Von den dinglichen Rechten.
Erstes Hauptstück.
Von dem Besitze.
Inhaber. Besitzer.
§. 309. Wer eine Sache in seiner
Macht oder Gewahrsame hat, heißt ihr Inhaber. Hat der Inhaber einer Sache den
Willen, sie als die seinige zu behalten, so ist er ihr Besitzer.
Erwerbung des Besitzes. Fähigkeit
der Person zur Besitzerwerbung.
§. 310. Personen, die den Gebrauch
der Vernunft nicht haben, sind an sich unfähig, einen Besitz zu erlangen. Sie
werden durch einen Vormund oder Curator vertreten. Unmündige, welche die Jahre
der Kindheit zurückgelegt haben, können für sich allein eine Sache in Besitz
nehmen.
Gegenstände des Besitzes.
§. 311. Alle körperliche und
unkörperliche Sachen, welche ein Gegenstand des rechtlichen Verkehres sind, können
in Besitz genommen werden.
Arten der Besitzerwerbung;
§. 312. Körperliche, bewegliche
Sachen werden durch physische Ergreifung, Wegführung oder Verwahrung;
unbewegliche aber durch Betretung, Verrainung, Einzäunung, Bezeichnung oder
Bearbeitung in Besitz genommen. In den Besitz unkörperlicher Sachen oder Rechte
kommt man durch den Gebrauch derselben im eigenen Nahmen.
insbesondere von einem bejahenden,
verneinenden oder einem Verbothsrechte.
§. 313. Der Gebrauch eines Rechtes
wird gemacht, wenn jemand von einem Anderen etwas als eine Schuldigkeit
fordert, und dieser es ihm leistet; ferner, wenn jemand die einem Anderen
gehörige Sache mit dessen Gestattung zu seinem Nutzen anwendet; endlich, wenn
auf fremdes Verboth ein Anderer das, was er sonst zu thun befugt wäre,
unterläßt.
Unmittelbare und mittelbare
Erwerbungsart des Besitzes.
§. 314. Den Besitz sowohl von
Rechten, als von körperlichen Sachen erlangt man entweder unmittelbar, wenn man
freystehender Rechte und Sachen; oder mittelbar, wenn man eines Rechtes, oder
einer Sache, die einem Anderen gehört, habhaft wird.
Umfang der Erwerbung.
§. 315. Durch die unmittelbare und
durch die mittelbare eigenmächtige Besitzergreifung erhält man nur so viel in
Besitz, als wirklich ergriffen, betreten, gebraucht, bezeichnet, oder in
Verwahrung gebracht worden ist; bey der mittelbaren, wenn uns der Inhaber in
seinem oder eines Anderen Nahmen ein Recht oder eine Sache überläßt, erhält man
Alles, was der vorige Inhaber gehabt und durch deutliche Zeichen übergeben hat,
ohne daß es nöthig ist, jeden Theil des Ganzen besonders zu übernehmen.
Rechtmäßiger, unrechtmäßiger
Besitz.
§. 316. Der Besitz einer Sache
heißt rechtmäßig, wenn er auf einem gültigen Titel, das ist, auf einem zur
Erwerbung tauglichen Rechtsgrunde beruhet. Im entgegengesetzten Falle heißt er
unrechtmäßig.
Haupttitel des rechtmäßigen
Besitzes.
§. 317. Der Titel liegt bey
freystehenden Sachen in der angebornen Freyheit zu Handlungen, wodurch die
Rechte Anderer nicht verletzet werden; bey Anderen in dem Willen des vorigen
Besitzers, oder in dem Ausspruche des Richters, oder endlich in dem Gesetze,
wodurch jemanden das Recht zum Besitze ertheilet wird.
Der Inhaber hat noch keinen Titel;
§. 318. Dem Inhaber, der eine Sache
nicht in seinem, sondern im Nahmen eines Anderen inne hat, kommt noch kein
Rechtsgrund zur Besitznahme dieser Sache zu.
und kann ihn nicht eigenmächtig
erlangen.
§. 319. Der Inhaber einer Sache ist
nicht berechtiget, den Grund seiner Gewahrsame eigenmächtig zu verwechseln, und
sich dadurch eines Titels anzumaßen; wohl aber kann derjenige, welcher bisher
eine Sache in eigenem Nahmen rechtmäßig besaß, das Besitzrecht einem Anderen
überlassen, und sie künftig in dessen Nahmen inne haben.
Wirkung des bloßen Titels.
§. 320. Durch einen gültigen Titel erhält
man nur das Recht zum Besitze einer Sache, nicht den Besitz selbst. Wer nur das
Recht zum Besitze hat, darf sich im Verweigerungsfalle nicht eigenmächtig in
den Besitz setzen; er muß ihn von dem ordentlichen Richter mit Anführung seines
Titels im Wege Rechtens fordern.
Erforderung zum wirklichen
Besitzrechte.
§. 321. Wo so genannte Landtafeln,
Stadt- oder Grundbücher, oder andere dergleichen öffentliche Register
eingeführt sind, wird der rechtmäßige Besitz eines dinglichen Rechtes auf
unbewegliche Sachen nur durch die ordentliche Eintragung in diese öffentlichen
Bücher erlangt.
§. 322. Ist eine bewegliche Sache
nach und nach mehreren Personen übergeben worden; so gebühret das Besitzrecht
derjenigen, welche sie in ihrer Macht hat. Ist aber die Sache unbeweglich, und
sind öffentliche Bücher eingeführt; so steht das Besitzrecht ausschließlich
demjenigen zu, welcher als Besitzer derselben eingeschrieben ist.
Der Besitzer kann zur Angabe des
Rechtsgrundes nicht aufgefordert werden.
§. 323. Der Besitzer einer Sache
hat die rechtliche Vermuthung eines gültigen Titels für sich; er kann also zur
Angabe desselben nicht aufgefordert werden.
§. 324. Diese Aufforderung findet
auch dann noch nicht Statt, wenn jemand behauptet, daß der Besitz seines
Gegners mit anderen rechtlichen Vermuthungen, z. B. mit der Freyheit des
Eigenthumes, sich nicht vereinbaren lasse. In solchen Fällen muß der
behauptende Gegner vor dem ordentlichen Richter klagen, und sein vermeintliches
stärkeres Recht darthun. Im Zweifel gebührt dem Besitzer der Vorzug.
Ausnahme.
§. 325. In wie fern der Besitzer
einer Sache, deren Verkehr verbothen; oder die entwendet zu seyn scheint, den
Titel seines Besitzes anzuzeigen verbunden sey, darüber entscheiden die Straf-
und politischen Gesetze.
Redlicher und unredlicher Besitzer.
§. 326. Wer aus wahrscheinlichen
Gründen die Sache, die er besitzt, für die seinige hält, ist ein redlicher
Besitzer. Ein unredlicher Besitzer, ist derjenige, welcher weiß oder aus den Umständen
vermuthen muß, daß die in seinem Besitze befindliche Sache einem Anderen
zugehöre. Aus Irrthum in Thatsachen oder aus Unwissenheit der gesetzlichen
Vorschriften kann man ein unrechtmäßiger (§. 316) und doch ein redlicher
Besitzer seyn.
Wie ein Mitbesitzer zum unredlichen
oder unrechtmäßigen Besitzer werde.
§. 327. Besitzt eine Person die
Sache selbst, eine andere aber das Recht auf alle oder auf einige Nutzungen
dieser Sache; so kann eine und dieselbe Person, wenn sie die Gränzen ihres
Rechtes überschreitet, in verschiedenen Rücksichten ein redlicher und
unredlicher, ein rechtmäßiger und unrechtmäßiger Besitzer seyn.
Entscheidung über die Redlichkeit
des Besitzes.
§. 328. Die Redlichkeit oder
Unredlichkeit des Besitzes muß im Falle eines Rechtsstreites durch
richterlichen Ausspruch entschieden werden. Im Zweifel ist die Vermuthung für
die Redlichkeit des Besitzes.
Fortdauer des Besitzes. Rechte des
redlichen Besitzes; a) in Rücksicht der Substanz der Sache;
§. 329. Ein redlicher Besitzer kann
schon allein aus dem Grunde des redlichen Besitzes die Sache, die er besitzt,
ohne Verantwortung nach Belieben brauchen, verbrauchen, auch wohl vertilgen.
b) der Nutzungen;
§. 330. Dem redlichen Besitzer
gehören alle aus der Sache entspringende Früchte, so bald sie von der Sache
abgesondert worden sind; ihm gehören auch alle andere schon eingehobene
Nutzungen, in so fern sie während des ruhigen Besitzes bereits fällig gewesen
sind.
c) des Aufwandes.
§. 331. Hat der redliche Besitzer
an die Sache entweder zur fortwährenden Erhaltung der Substanz einen
nothwendigen, oder, zur Vermehrung noch fortdauernder Nutzungen einen
nützlichen Aufwand gemacht; so gebührt ihm der Ersatz nach dem gegenwärtigen
Werthe, in so fern er den wirklich gemachten Aufwand nicht übersteigt.
§. 332. Von dem Aufwande, welcher
nur zum Vergnügen und zur Verschönerung gemacht worden ist, wird nur so viel
ersetzt, als die Sache dem gemeinen Werthe nach wirklich dadurch gewonnen hat;
doch hat der vorige Besitzer die Wahl, Alles für sich wegzunehmen, was davon
ohne Schaden der Substanz weggenommen werden kann.
Anspruch auf den Ersatz des
Preises.
§. 333. Selbst der redliche
Besitzer kann den Preis, welchen er seinem Vormanne für die ihm überlassene
Sache gegeben hat, nicht fordern. Wer aber eine fremde Sache, die der
Eigenthümer sonst schwerlich wieder erlangt haben würde, redlicher Weise an
sich gelöset, und dadurch dem Eigenthümer einen erweislichen Nutzen verschaffet
hat, kann eine angemessene Vergütung fordern.
§. 334. Ob einem redlichen Inhaber
das Recht zustehe, seiner Forderung wegen die Sache zurück zu behalten, wird in
dem Hauptstücke vom Pfandrechte bestimmt.
Verbindlichkeit des unredlichen
Besitzers.
§. 335. Der unredliche Besitzer ist
verbunden, nicht nur alle durch den Besitz einer fremden Sache erlangte
Vortheile zurück zu stellen; sondern auch diejenigen, welche der Verkürzte
erlangt haben würde, und allen durch seinen Besitz entstandenen Schaden zu
ersetzen. In dem Falle, daß der unredliche Besitzer durch eine in den
Strafgesetzen verbothene Handlung zum Besitze gelanget ist, erstrecket sich der
Ersatz bis zum Werthe der besonderen Vorliebe.
§. 336. Hat der unredliche Besitzer
einen Aufwand auf die Sache gemacht, so ist dasjenige anzuwenden, was in
Rücksicht des von einem Geschäftsführer ohne Auftrag gemachten Aufwandes in dem
Hauptstücke von der Bevollmächtigung verordnet ist.
Beurtheilung der Redlichkeit des
Besitzes einer Gemeinde.
§. 337. Der Besitz einer Gemeinde
wird nach der Redlichkeit oder Unredlichkeit der im Nahmen der Mitglieder
handelnden Machthaber beurtheilet. Immer müssen jedoch die unredlichen sowohl
den redlichen Mitgliedern, als dem Eigenthümer den Schaden ersetzen.
In wie fern durch die Klage der
Besitz unredlich werde.
§. 338. Auch der redliche Besitzer,
wenn er durch richterlichen Ausspruch zur Zurückstellung der Sache verurtheilet
wird, ist in Rücksicht des Ersatzes der Nutzungen und des Schadens, wie auch in
Rücksicht des Aufwandes, von dem Zeitpuncte der ihm zugestellten Klage, gleich
einem unredlichen Besitzer zu behandeln; doch haftet er für den Zufall, der die
Sache bey dem Eigenthümer nicht getroffen hätte, nur in dem Falle, daß er die
Zurückgabe durch einen muthwilligen Rechtsstreit verzögert hat.
Rechtsmittel des Besitzers bey
einer Störung seines Besitzes;
§. 339. Der Besitz mag von was
immer für einer Beschaffenheit seyn, so ist niemand befugt, denselben
eigenmächtig zu stören. Der Gestörte hat das Recht, die Untersagung des
Eingriffes, und den Ersatz des erweislichen Schadens gerichtlich zu fordern.
besonders durch eine Bauführung;
§. 340. Wird der Besitzer einer
unbeweglichen Sache oder eines dinglichen Rechtes durch Führung eines neuen
Gebäudes, Wasserwerkes, oder anderen Werkes in seinen Rechten gefährdet, ohne
daß sich der Bauführer nach Vorschrift der allgemeinen Gerichtsordnung gegen
ihn geschützt hat; so ist der Gefährdete berechtiget, das Verboth einer solchen
Neuerung vor Gericht zu fordern, und das Gericht ist verbunden, die Sache auf
das schleunigste zu entscheiden.
§. 341. Bis zur Entscheidung der Sache
ist die Fortsetzung des Baues von dem Gerichte in der Regel nicht zu gestatten.
Nur bey einer nahen, offenbaren Gefahr, oder, wenn der Bauführer eine
angemessene Sicherheit leistet, daß er die Sache in den vorigen Stand setzen,
und den Schaden vergüten wolle, der Verbothsleger dagegen in dem letzteren
Falle keine ähnliche Sicherstellung für die Folgen seines Verboths leistet, ist
die einstweilige Fortsetzung des Baues zu bewilligen.
§. 342. Was in den vorhergehenden
§§. in Rücksicht einer neuen Bauführung verordnet wird, ist auch auf die
Niederreißung eines alten Gebäudes, oder anderen Werkes anzuwenden.
und bey der Gefahr eines
vorhandenen Baues.
§. 343. Kann der Besitzer eines dinglichen
Rechtes beweisen, daß ein bereits vorhandener fremder Bau oder eine andere
fremde Sache dem Einsturze nahe sey, und ihm offenbarer Schaden drohe; so ist
er befugt, gerichtlich auf Sicherstellung zu dringen, wenn anders die
politische Behörde nicht bereits hinlänglich für die öffentliche Sicherheit
gesorgt hat.
Rechtsmittel zur Erhaltung des
Besitzstandes: a) bey dringender Gefahr;
§. 344. Zu den Rechten des Besitzes
gehört auch das Recht, sich in seinem Besitze zu schützen, und in dem Falle,
daß die richterliche Hülfe zu spät kommen würde, Gewalt mit angemessener Gewalt
abzutreiben (§. 19). Uebrigens hat die politische Behörde für die Erhaltung der
öffentlichen Ruhe, so wie das Strafgericht für die Bestrafung öffentlicher
Gewaltthätigkeiten, zu sorgen.
b) gegen den unechten Besitzer;
§. 345. Wenn sich jemand in den
Besitz eindringt, oder durch List oder Bitte heimlich einschleicht, und das,
was man ihm aus Gefälligkeit, ohne sich einer fortdauernden Verbindlichkeit zu
unterziehen gestattet, in ein fortwährendes Recht zu verwandeln sucht; so wird
der an sich unrechtmäßige und unredliche Besitz noch überdieß unecht; in
entgegengesetzten Fällen wird der Besitz für echt angesehen.
§. 346. Gegen jeden unechten
Besitzer kann so wohl die Zurücksetzung in die vorige Lage, als auch die
Schadloshaltung eingeklagt werden. Beydes muß das Gericht nach rechtlicher
Verhandlung, selbst ohne Rücksicht auf ein stärkeres Recht, welches der
Geklagte auf die Sache haben könnte, verordnen.
c) beym Zweifel über die Echtheit
des Besitzes.
§. 347. Zeigt es sich nicht gleich
auf der Stelle, wer sich in einem echten Besitze befinde, und in wie fern der
eine oder der andere Theil auf gerichtliche Unterstützung Anspruch habe; so
wird die im Streite verfangene Sache so lange der Gewahrsame des Gerichtes oder
eines Dritten anvertraut, bis der Streit über den Besitz verhandelt und
entschieden worden ist. Der Sachfällige kann auch nach dieser Entscheidung die
Klage aus einem vermeintlich stärkeren Rechte auf die Sache noch anhängig machen.
Verwahrungsmittel des Inhabers
gegen mehrere zusammentreffende Besitzwerber.
§. 348. Wenn der bloße Inhaber von
mehreren Besitzwerbern zugleich um die Uebergabe der Sache angegangen wird, und
sich Einer darunter befindet, in dessen Nahmen die Sache aufbewahrt wurde; so
wird sie vorzüglich diesem übergeben, und die Uebergabe den Uebrigen bekannt
gemacht. Kommt dieser Umstand Keinem zu Statten, so wird die Sache der
Gewahrsame des Richters oder eines Dritten anvertraut. Der Richter hat die
Rechtsgründe der Besitzwerber zu prüfen, und darüber zu entscheiden.
Erlöschung des Besitzes: a)
körperlicher Sachen;
§. 349. Der Besitz einer
körperlichen Sache geht insgemein verloren, wenn dieselbe ohne Hoffnung, wieder
gefunden zu werden, in Verlust geräth; wenn sie freywillig verlassen wird; oder
in fremden Besitz kommt.
b) der in die öffentlichen Bücher
eingetragenen Rechte;
§. 350. Der Besitz derjenigen
Rechte und unbeweglichen Sachen, welche einen Gegenstand der öffentlichen
Bücher ausmachen, erlischt, wenn sie aus den landtäflichen, Stadt- oder
Grundbüchern gelöscht; oder, wenn sie auf den Nahmen eines Anderen eingetragen
werden.
c) anderer Rechte.
§. 351. Bey anderen Rechten hört
der Besitz auf, wenn der Gegentheil das, was er sonst geleistet hat, nicht mehr
leisten zu wollen erkläret; wenn er die Ausübung des Rechtes eines Anderen
nicht mehr duldet; oder, wenn er das Verboth, etwas zu unterlassen, nicht mehr
achtet, der Besitzer aber in allen diesen Fällen es dabey bewenden läßt, und
die Erhaltung des Besitzes nicht einklagt. Durch den bloßen Nichtgebrauch eines
Rechtes geht der Besitz, außer den im Gesetze bestimmten Verjährungsfällen,
nicht verloren.
§. 352. So lange noch Hoffnung
vorhanden ist, eine verlorne Sache zu erhalten, kann man sich durch den bloßen
Willen in ihrem Besitze erhalten. Die Abwesenheit des Besitzers oder die
eintretende Unfähigkeit, einen Besitz zu erwerben, heben den bereits erworbenen
Besitz nicht auf.
Zweytes Hauptstück.
Von dem Eigenthumsrechte.
Begriff des Eigenthumes; Eigenthum
im objectiven Sinne;
§. 353. Alles, was jemanden
zugehöret, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen, heißen sein
Eigenthum.
im subjectiven.
§. 354. Als ein Recht betrachtet,
ist Eigenthum das Befugniß, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach
Willkühr zu schalten, und jeden Anderen davon auszuschließen.
objective und subjective
Möglichkeit der Erwerbung des Eigenthumes.
§. 355. Alle Sachen sind insgemein
Gegenstände des Eigenthumsrechtes, und jedermann, den die Gesetze nicht
ausdrücklich ausschließen, ist befugt, dasselbe durch sich selbst oder durch
einen Anderen in seinem Nahmen zu erwerben.
§. 356. Wer also behauptet, daß der
Person, die etwas erwerben will, in Rücksicht ihrer persönlichen Fähigkeit,
oder in Rücksicht auf die Sache, die erworben werden soll, ein gesetzliches
Hinderniß entgegen stehe, dem liegt der Beweis ob.
Eintheilung des Eigenthumes in
vollständiges und unvollständiges.
§. 357. Wenn das Recht auf die
Substanz einer Sache mit dem Rechte auf die Nutzungen in Einer und derselben
Person vereinigt ist, so ist das Eigenthumsrecht vollständig und ungetheilt.
Kommt aber Einem nur ein Recht auf die Substanz der Sache; dem Anderen dagegen
nebst einem Rechte auf die Substanz, das ausschließende Recht auf derselben
Nutzungen zu, dann ist das Eigenthumsrecht getheilt und für beyde
unvollständig. Jener wird Obereigenthümer; dieser Nutzungseigenthümer genannt.
§. 358. Alle andere Arten der
Beschränkungen durch das Gesetz oder durch den Willen des Eigenthümers heben die
Vollständigkeit des Eigenthumes nicht auf.
§. 359. Die Absonderung des Rechtes
auf die Substanz von dem Rechte auf die Nutzungen entsteht theils durch
Verfügung des Eigenthümers; theils durch gesetzliche Verordnung. Nach
Verschiedenheit der zwischen dem Ober- und Nutzungseigenthümer obwaltenden
Verhältnisse werden die Güter, worin das Eigenthum getheilt ist, Lehen-
Erbpacht- und Erbzinsgüter genannt. Von dem Lehen wird in dem besonders
bestehenden Lehenrechte; von den Erbpacht- und Erbzinsgütern aber in dem
Hauptstücke von Bestandverträgen gehandelt.
§. 360. Aus der bloßen Abführung
eines fortdauernden Zinses, oder jährlicher Renten von einem Grundstücke kann
man noch nicht auf die Theilung des Eigenthumes folgern. In allen Fällen, in
welchen die Trennung des Rechtes auf die Substanz von dem Rechte auf die
Nutzungen nicht ausdrücklich erhellet, ist jeder redliche Besitzer als
vollständiger Eigenthümer anzusehen.
Miteigenthum.
§. 361. Wenn eine noch ungetheilte
Sache mehreren Personen zugleich zugehört; so entsteht ein gemeinschaftliches
Eigenthum. In Beziehung auf das Ganze werden die Miteigenthümer für eine
einzige Person angesehen; in so weit ihnen aber gewisse, obgleich
unabgesonderte Theile angewiesen sind, hat jeder Miteigenthümer das
vollständige Eigenthum des ihm gehörigen Theiles.
Rechte des Eigenthümers.
§. 362. Kraft des Rechtes, frey
über sein Eigenthum zu verfügen, kann der vollständige Eigenthümer in der Regel
seine Sache nach Willkühr benützen oder unbenützt lassen; er kann sie
vertilgen, ganz oder zum Theile auf Andere übertragen, oder unbedingt sich
derselben begeben, das ist, sie verlassen.
Beschränkungen derselben.
§. 363. Eben diese Rechte genießen
auch unvollständige, sowohl Ober- als Nutzungseigenthümer; nur darf der Eine
nichts vornehmen, was mit dem Rechte des Anderen im Widerspruche steht.
§. 364. Ueberhaupt findet die
Ausübung des Eigenthumsrechtes nur in so fern Statt, als dadurch weder in die
Rechte eines Dritten ein Eingriff geschieht, noch die in den Gesetzen zur
Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles vorgeschriebenen
Einschränkungen übertreten werden.
§. 365. Wenn es das allgemeine
Beste erheischt, muß ein Mitglied des Staates gegen eine angemessene
Schadloshaltung selbst das vollständige Eigenthum einer Sache abtreten.
Klagen aus dem Eigenthumsrechte:
a) Eigentliche Eigenthumsklage: wem
und gegen wen sie gebühre?
§. 366. Mit dem Rechte des
Eigenthümers jeden Anderen von dem Besitze seiner Sache auszuschließen, ist
auch das Recht verbunden, seine ihm vorenthaltene Sache von jedem Inhaber durch
die Eigenthumsklage gerichtlich zu fordern. Doch steht dieses Recht demjenigen
nicht zu, welcher eine Sache zur Zeit, da er noch nicht Eigenthümer war, in
seinem eigenen Nahmen veräußert, in der Folge aber das Eigenthum derselben erlangt
hat.
§. 367. Die Eigenthumsklage findet
gegen den redlichen Besitzer einer beweglichen Sache nicht Statt, wenn er
beweiset, daß er diese Sache entweder in einer öffentlichen Versteigerung, oder
von einem zu diesem Verkehre befugten Gewerbsmanne, oder gegen Entgeld von
jemanden an sich gebracht hat, dem sie der Kläger selbst zum Gebrauche, zur
Verwahrung, oder in was immer für einer anderen Absicht anvertrauet hatte. In
diesen Fällen wird von den redlichen Besitzern das Eigenthum erworben, und dem
vorigen Eigenthümer steht nur gegen jene, die ihm dafür verantwortlich sind,
das Recht der Schadloshaltung zu.
§. 368. Wird aber bewiesen, daß der
Besitzer entweder schon aus der Natur der an sich gebrachten Sache, oder aus
dem auffallend zu geringen Preise derselben, oder aus den bekannten
persönlichen Eigenschaften seines Vormannes, aus dessen Gewerbe oder anderen
Verhältnissen einen gegründeten Verdacht gegen die Redlichkeit seines Besitzers
hätte schöpfen können; so muß er als ein unredlicher Besitzer die Sache dem
Eigenthümer abtreten.
Was dem Kläger zu beweisen obliege?
§. 369. Wer die Eigenthumsklage
übernimmt, muß den Beweis führen, daß der Geklagte die eingeklagte Sache in
seiner Macht habe, und daß diese Sache sein Eigenthum sey.
§. 370. Wer eine bewegliche Sache
gerichtlich zurückfordert, muß sie durch Merkmahle beschreiben, wodurch sie von
allen ähnlichen Sachen gleicher Gattung ausgezeichnet wird.
§. 371. Sachen, die sich auf diese
Art nicht unterscheiden lassen, wie bares Geld mit anderem baren Gelde
vermenget, oder auf den Ueberbringer lautende Schuldbriefe, sind also in der
Regel kein Gegenstand der Eigenthumsklage; wenn nicht solche Umstände
eintreten, aus denen der Kläger sein Eigenthumsrecht beweisen kann, und aus
denen der Geklagte wissen mußte, daß er die Sache sich zuzuwenden nicht
berechtiget sey.
b) Eigenthumsklage aus dem
rechtlich vermutheten Eigenthume des Klägers.
Gegen welche Besitzer diese
Vermuthung eintrete?
§. 372. Wenn der Kläger mit dem
Beweise des erworbenen Eigenthumes einer ihm vorenthaltenen Sache zwar nicht
ausreicht, aber den gültigen Titel, und die echte Art, wodurch er zu ihrem
Besitze gelangt ist, dargethan hat; so wird er doch in Rücksicht eines jeden
Besitzers, der keinen, oder nur einen schwächeren Titel seines Besitzes anzugeben
vermag, für den wahren Eigenthümer gehalten.
§. 373. Wenn also der Geklagte die
Sache auf eine unredliche oder unrechtmäßige Weise besitzt; wenn er keinen oder
nur einen verdächtigen Vormann anzugeben vermag; oder, wenn er die Sache ohne
Entgeld, der Kläger aber gegen Entgeld erhalten hat; so muß er dem Kläger
weichen.
§. 374. Haben der Geklagte und der
Kläger einen gleichen Titel ihres echten Besitzes, so gebühret dem Geklagten
kraft des Besitzes der Vorzug.
§. 375. Wer eine Sache in fremdem
Nahmen besitzt, kann sich gegen die Eigenthumsklage dadurch schützen, daß er
seinen Vormann nahmhaft macht, und sich darüber ausweiset.
Gesetzliche Folge: a) der
Abläugnung des Besitzes;
§. 376. Wer den Besitz einer Sache
vor Gericht läugnet, und dessen überwiesen wird, muß dem Kläger deßwegen allein
schon den Besitz abtreten; doch behält er das Recht, in der Folge seine
Eigenthumsklage anzustellen.
b) des vorgegebenen Besitzes;
§. 377. Wer eine Sache, die er nicht
besitzt, zu besitzen vorgibt, und den Kläger dadurch irre führt, haftet für
allen daraus entstehenden Schaden.
c) des aufgegebenen Besitzes der
streitigen Sache.
§. 378. Wer eine Sache im Besitze
hatte, und nach zugestellter Klage fahren ließ, muß sie dem Kläger, wenn dieser
sich nicht an den wirklichen Inhaber halten will, auf seine Kosten zurück
verschaffen, oder den außerordentlichen Werth derselben ersetzen.
Was der Besitzer dem Eigenthümer
erstatte.
§. 379. Was sowohl der redliche als
unredliche Besitzer dem Eigenthümer in Ansehung des entgangenen Nutzens, oder
des erlittenen Schadens zu ersetzen habe, ist in dem vorigen Hauptstücke
bestimmt worden.
Drittes Hauptstück.
Von der Erwerbung des Eigenthumes
durch Zueignung.
Rechtliche Erfordernisse der
Erwerbung.
§. 380. Ohne Titel und ohne
rechtliche Erwerbungsart kann kein Eigenthum erlangt werden.
Titel und Art der unmittelbaren
Erwerbung:
Die Zueignung.
§. 381. Bey freystehenden Sachen
besteht der Titel in der angebornen Freyheit, sie in Besitz zu nehmen. Die
Erwerbungsart ist die Zueignung, wodurch man sich einer freystehenden Sache
bemächtiget, in der Absicht, sie als die seinige zu behandeln.
§. 382. Freystehende Sachen können
von allen Mitgliedern des Staates durch die Zueignung erworben werden, in so
fern dieses Befugniß nicht durch politische Gesetze eigeschränkt ist, oder
einigen Mitgliedern das Vorrecht der Zueignung zusteht.
1) durch den Thierfang.
§. 383. Dieses gilt insbesondere
von dem Thierfange. Wem das Recht zu jagen oder zu fischen gebühre; wie der
übermäßige Anwachs des Wildes gehemmet, und der vom Wilde verursachte Schade
ersetzet werde; wie der Honigraub, der durch fremde Bienen geschieht, zu
verhindern sey; ist in den politischen Gesetzen festgesetzt. Wie Wilddiebe zu
bestrafen seyn, wird in den Strafgesetzen bestimmt.
§. 384. Häusliche Bienenschwärme
und andere zahme oder zahm gemachte Thiere sind kein Gegenstand des freyen
Thierfanges, vielmehr hat der Eigenthümer das Recht, sie auf fremdem Grunde zu
verfolgen; doch soll er dem Grundbesitzer den ihm etwa verursachten Schaden
ersetzen. Im Falle, daß der Eigenthümer des Mutterstockes den Schwarm durch
zwey Tage nicht verfolgt hat; oder, daß ein zahm gemachtes Thier durch zwey und
vierzig Tage von selbst ausgeblieben ist, kann sie auf gemeinem Grunde
jedermann; auf dem seinigen der Grundeigenthümer für sich nehmen, und behalten.
2) durch das Finden freystehender
Sachen.
§. 385. Keine Privat-Person ist
berechtiget, die dem Staate durch die politischen Verordnungen vorbehaltenen
Erzeugnisse sich zuzueignen.
§. 386. Bewegliche Sachen, welche
der Eigenthümer nicht mehr als die seinigen behalten will, und daher verläßt,
kann sich jedes Mitglied des Staates eigen machen
§. 387. In wie fern Grundstücke
wegen gänzlicher Unterlassung ihres Anbaues, oder Gebäude wegen der
unterlassenen Herstellung für verlassen anzusehen, oder einzuziehen seyn,
bestimmen die politischen Gesetze.
Vorschriften über das Finden:
a) verlorener Sachen;
§. 388. Es ist im Zweifel nicht zu
vermuthen, daß jemand sein Eigenthum wolle fahren lassen; daher darf kein
Finder eine gefundene Sache für verlassen ansehen und sich dieselbe zueignen.
Noch weniger darf sich jemand des Strandrechtes anmaßen.
§. 389. Der Finder ist also
verbunden, dem vorigen Besitzer, wenn er aus den Merkmahlen der Sache, oder aus
anderen Umständen deutlich erkannt wird, die Sache zurück zu geben. Ist ihm der
vorige Besitzer nicht bekannt, so muß er, wenn das Gefundene einen Gulden am
Werthe übersteigt, den Fund innerhalb acht Tagen auf die an jedem Orte gewöhnliche
Art bekannt machen lassen, und wenn die gefundene Sache mehr als zwölf Gulden
werth ist, den Vorfall der Ortsobrigkeit anzeigen.
§. 390. Die Obrigkeit hat die
gemachte Anzeige, ohne die besonderen Merkmahle der gefundenen Sache zu
berühren, ungesäumt auf die an jedem Orte gewöhnliche Art; wenn aber der
Eigenthümer in einer den Umständen angemessenen Zeitfrist sich nicht entdecket,
und der Werth der gefundenen Sache fünf und zwanzig Gulden übersteigt, drey
Mahl durch die öffentlichen Zeitungsblätter bekannt zu machen. Kann die
gefundene Sache nicht ohne Gefahr in den Händen des Finders gelassen werden, so
muß die Sache, oder, wenn diese nicht ohne merklichen Schaden aufbewahrt werden
könnte, der durch die öffentliche Feilbiethung daraus gelöste Werth gerichtlich
hinterlegt, oder einem Dritten zur Verwahrung übergeben werden.
§. 391. Wenn sich der vorige
Inhaber oder Eigenthümer der gefundenen Sache in einer Jahresfrist, von der
Zeit der vollendeten Kundmachung, meldet, und sein Recht gehörig darthut, wird
ihm die Sache oder das daraus gelöste Geld verabfolget. Er ist jedoch
verbunden, die Auslagen zu vergüten, und dem Finder auf Verlangen Zehen vom
Hundert des gemeinen Werthes als Finderlohn zu entrichten. Wenn aber nach
dieser Berechnung die Belohnung eine Summe von tausend Gulden erreicht hat; so
soll sie in Rücksicht des Uebermaßes nur zu Fünf vom Hundert ausgemessen
werden.
§. 392. Wird die gefundene Sache
innerhalb der Jahresfrist von niemanden mit Recht angesprochen, so erhält der
Finder das Recht, die Sache oder den daraus gelösten Werth zu benützen. Meldet
sich der vorige Inhaber in der Folge, so muß ihm nach Abzug der Kosten und des
Finderlohnes die Sache, oder der gelöste Werth sammt den etwa daraus gezogenen
Zinsen zurückgestellt werden. Erst nach der Verjährungszeit erlangt der Finder
gleich einem redlichen Besitzer das Eigenthumsrecht.
§. 393. Wer immer die in den §§.
388-392 angeführten Vorschriften außer Acht läßt, haftet für alle schädlichen
Folgen. Läßt sie der Finder außer Acht, so verwirkt er auch den Finderlohn, und
macht sich zu Folge des Strafgesetzbuches noch überdieß nach Umständen des
Betruges schuldig.
§. 394. Mehreren Personen, welche
eine Sache zugleich gefunden haben, kommen in Rücksicht derselben gleiche Verbindlichkeiten
und Rechte zu. Unter die Mitfinder wird auch derjenige gezählt, welcher zuerst
die Sache entdecket, und nach derselben gestrebt hat, obgleich ein Anderer sie
früher an sich gezogen hätte.
b) verborgener Gegenstände;
§. 395. Werden vergrabene,
eingemauerte oder sonst verborgene Sachen eines unbekannten Eigenthümers
entdeckt; muß die Anzeige so, wie bey dem Funde überhaupt, gemacht werden.
§. 396. Wird der Eigenthümer aus
den äußerlichen Merkmahlen oder anderen Umständen entdeckt, so ist ihm die
Sache zuzustellen; er muß aber, wenn er nicht beweisen kann, schon ehe Kenntniß
davon gehabt zu haben, dem Finder den §. 391. ausgemessenen Finderlohn
entrichten.
§. 397. In dem Falle, daß sich der
Eigenthümer nicht sogleich erkennen läßt, muß die Obrigkeit nach den
Vorschriften der §§. 390-392. verfahren.
e) eines Schatzes;
§. 398. Bestehen die entdeckten
Sachen in Geld, Schmuck oder anderen Kostbarkeiten, die so lange im Verborgenen
gelegen haben, daß man ihren vorigen Eigenthümer nicht mehr erfahren kann, dann
heißen sie ein Schatz. Die Entdeckung eines Schatzes ist von der Obrigkeit der
Landesstelle anzuzeigen.
§. 399. Von einem Schatze wird der
dritte Theil zum Staatsvermögen gezogen. Von den zwey übrigen Drittheilen
erhält Eines der Finder, das andere der Eigenthümer des Grundes. Ist das
Eigenthum des Grundes getheilt, so fällt das Drittheil dem Ober- und
Nutzungseigenthümer zu gleichen Theilen zu. 1
§. 400. Wer sich dabey einer
unerlaubten Handlung schuldig gemacht; wer ohne Wissen und Willen des Nutzungseigenthümers
den Schatz aufgesucht; oder den Fund verheimlichet hat; dessen Antheil soll dem
Angeber; oder, wenn kein Angeber vorhanden ist, dem Staate zufallen.
§. 401. Finden Arbeitsleute
zufälliger Weise einen Schatz, so gebührt ihnen als Findern ein Drittheil
davon. Sind sie aber von dem Eigenthümer ausdrücklich zur Aufsuchung eines
Schatzes gedungen worden, so müssen sie sich mit ihrem ordentlichen Lohne
begnügen.
3) Von der Beute.
§. 402. Ueber das Recht der Beute
und der von dem Feinde zurück erbeuteten Sachen sind die Vorschriften in den
Kriegsgesetzen enthalten.
Von dem Rechte aus der Rettung
einer fremden beweglichen Sache.
§. 403. Wer eine fremde bewegliche
Sache von dem unvermeidlichen Verluste oder Untergange rettet, ist berechtiget,
von dem rückfordernden Eigenthümer den Ersatz seines Aufwandes und eine
verhältnißmäßige Belohnung von höchstens Zehen von Hundert zu fordern.
Viertes Hauptstück.
Von Erwerbung des Eigenthumes durch
Zuwachs.
Zuwachs.
§. 404. Zuwachs heißt Alles, was
aus einer Sache entsteht, oder neu zu derselben kommt, ohne daß es dem
Eigenthümer von jemand Anderen übergeben worden ist. Der Zuwachs wird durch
Natur, durch Kunst, oder durch beyde zugleich bewirkt.
I. Natürlicher Zuwachs:
a) an Natur-Producten;
b) Werfen der Thiere;
§. 405. Die natürlichen Früchte
eines Grundes, nähmlich solche Nutzungen, die er, ohne bearbeitet zu werden,
hervor bringt, als: Kräuter, Schwämme und dergleichen, wachsen dem Eigenthümer
des Grundes, so wie alle Nutzungen, welche aus einem Thiere entstehen, dem
Eigenthümer des Thieres zu.
§. 406. Der Eigenthümer eines
Thieres, welches durch das Thier eines andern befruchtet wird, ist diesem
keinen Lohn schuldig, wenn er nicht bedungen worden ist.
c) Inseln;
§. 407. Wenn in der Mitte eines
Gewässers eine Insel entsteht, so sind die Eigenthümer der nach der Länge
derselben an beyden Ufern liegenden Grundstücke ausschließend befugt, die
entstandene Insel in zwey gleichen Theilen sich zuzueignen, und nach Maß der
Länge ihrer Grundstücke unter sich zu theilen. Entsteht die Insel auf der einen
Hälfte des Gewässers, so hat der Eigenthümer des näheren Uferlandes allein
darauf Anspruch. Inseln auf schiffbaren Flüssen bleiben dem Staate vorbehalten.
§. 408. Werden bloß durch die
Austrocknung des Gewässers, oder durch desselben Theilung in mehrere Arme,
Inseln gebildet, oder Grundstücke überschwemmt; so bleiben die Rechte des
vorigen Eigenthumes unverletzt.
d) vom verlassenen Wasserbeete;
§. 409. Wenn ein Gewässer sein Beet
verläßt, so haben vor Allem die Grundbesitzer, welche durch den neuen Lauf des
Gewässers Schaden leiden, das Recht, aus dem verlassenen Beete oder dessen
Werthe entschädigt zu werden.
§. 410. Außer dem Falle einer
solchen Entschädigung gehört das verlassene Beet, so wie von einer entstandenen
Insel verordnet wird, den angränzenden Uferbesitzern.
e) vom Anspühlen;
§. 411. Das Erdreich, welches ein
Gewässer unmerklich an ein Ufer anspühlt, gehört dem Eigenthümer des Ufers.
f) vom abgerissenen Lande.
§. 412. Wird aber ein merklicher
Erdtheil durch die Gewalt des Flusses an ein fremdes Ufer gelegt; so verliert
der vorige Besitzer sein Eigenthumsrecht darauf nur in dem Falle, wenn er es in
einer Jahresfrist nicht ausübt.
§. 413. Jeder Grundbesitzer ist
befugt, sein Ufer gegen das Ausreißen des Flusses zu befestigen. Allein niemand
darf solche Werke oder Pflanzungen anlegen, die den ordentlichen Lauf des
Flusses verändern, oder die der Schiffahrt, den Mühlen, der Fischerey oder
andern fremden Rechten nachtheilig werden könnten. Ueberhaupt können ähnliche
Anlagen nur mit Erlaubniß der politischen Behörde gemacht werden.
II. Künstlicher Zuwachs durch
Verarbeitung oder Vereinigung überhaupt;
§. 414. Wer fremde Sachen
verarbeitet; wer sie mit den seinigen vereinigt, vermengt, oder vermischt,
erhält dadurch noch keinen Anspruch auf das fremde Eigenthum.
§. 415. Können dergleichen
verarbeitete Sachen in ihren vorigen Stand zurückgebracht; vereinigte,
vermengte oder vermischte Sachen wieder abgesondert werden; so wird einem jeden
Eigenthümer das Seinige zurückgestellet, und demjenigen Schadloshaltung
geleistet, dem sie gebührt. Ist die Zurücksetzung in den vorigen Stand, oder
die Absonderung nicht möglich, so wird die Sache den Theilnehmern gemein; doch
steht demjenigen, mit dessen Sache der Andere durch Verschulden die Vereinigung
vorgenommen hat, die Wahl frey, ob er den ganzen Gegenstand gegen Ersatz der
Verbesserung behalten, oder ihn dem Andern ebenfalls gegen Vergütung überlassen
wolle. Der Schuld tragende Theilnehmer wird nach Beschaffenheit seiner redlichen
oder unredlichen Absicht behandelt. Kann aber keinem Theile ein Verschulden
beygemessen werden, so bleibt dem, dessen Antheil mehr werth ist, die Auswahl
vorbehalten.
§. 416. Werden fremde Materialien
nur zur Ausbesserung einer Sache verwendet, so fällt die fremde Materie dem
Eigenthümer der Hauptsache zu, und dieser ist verbunden, nach Beschaffenheit
seines redlichen oder unredlichen Verfahrens, dem vorigen Eigenthümer der
verbrauchten Materialien den Werth derselben zu bezahlen.
insbesondere bey einem Baue.
§. 417. Wenn jemand auf eigenem
Boden ein Gebäude aufführet, und fremde Materialien dazu verwendet hat, so
bleibt das Gebäude zwar sein Eigenthum; doch muß selbst ein redlicher Bauführer
dem Beschädigten die Materialien, wenn er sie außer den im §. 367. angeführten
Verhältnissen an sich gebracht hat, nach dem gemeinen; ein unredlicher aber muß
sie nach dem höchsten Preise, und überdieß noch allen anderweitigen Schaden
ersetzen.
§. 418. Hat im entgegen gesetzten
Falle jemand mit eigenen Materialien, ohne Wissen und Willen des Eigenthümers
auf fremdem Grunde gebaut, so fällt das Gebäude dem Grundeigenthümer zu. Der
redliche Bauführer kann den Ersatz der nothwendigen und nützlichen Kosten
fordern; der unredliche wird gleich einem Geschäftsführer ohne Auftrag
behandelt. Hat der Eigenthümer des Grundes die Bauführung gewußt, und sie nicht
sogleich dem redlichen Bauführer untersagt, so kann er nur den gemeinen Werth
für den Grund fordern.
§. 419. Ist das Gebäude auf fremden
Grunde, und aus fremden Materialien entstanden, so wächst auch in diesem Falle
das Eigenthum desselben dem Grundeigenthümer zu. Zwischen dem Grundeigenthümer
und dem Bauführer treten die nähmlichen Rechte und Verbindlichkeiten, wie in
dem vorstehenden Paragraphe, ein, und der Bauführer muß dem vorigen Eigenthümer
der Materialien, nach Beschaffenheit seiner redlichen oder unredlichen Absicht,
den gemeinen oder den höchsten Werth ersetzen.
III. Vermischter Zuwachs.
§. 420. Was bisher wegen der mit
fremden Materialien aufgeführten Gebäude bestimmt worden ist, gilt auch für die
Fälle, wenn ein Feld mit fremden Samen besäet, oder mit fremde Pflanzen besetzt
worden ist. Ein solcher Zuwachs gehört dem Eigenthümer des Grundes, wenn anders
die Pflanzen schon Wurzel geschlagen haben.
§. 421. Das Eigenthum eines Baumes
wird nicht nach den Wurzeln, die sich in einem angränzenden Grunde verbreiten,
sondern nach dem Stamme bestimmt, der aus dem Grunde hervorragt. Steht der Baum
auf den Gränzen mehrerer Eigenthümer, so ist ihnen der Baum gemein.
§. 422. Jeder Grundeigenthümer kann
die Wurzeln eines fremden Baumes aus seinem Boden reißen, und die über seinem
Luftraume hängenden Aeste abschneiden oder sonst benützen.
Fünftes Hauptstück.
Von Erwerbung des Eigenthumes durch
Uebergabe.
Mittelbare Erwerbung.
§. 423. Sachen, die schon einen
Eigenthümer haben, werden mittelbar erworben, indem sie auf eine rechtliche Art
von dem Eigenthümer auf einen Andern übergehen.
Titel derselben.
§. 424. Der Titel der mittelbaren
Erwerbung liegt in einem Vertrage; in einer Verfügung auf den Todesfall; in dem
richterlichen Ausspruche; oder, in der Anordnung des Gesetzes.
Mittelbare Erwerbungsart.
§. 425. Der bloße Titel gibt noch
kein Eigenthum. Das Eigenthum und alle dingliche Rechte überhaupt können, außer
den in dem Gesetze bestimmten Fällen, nur durch die rechtliche Uebergabe und
Uebernahme erworben werden.
Arten der Uebergabe:
1) bey beweglichen Sachen:
a) körperliche Uebergabe;
§. 426. Bewegliche Sachen können in
der Regel nur durch körperliche Uebergabe von Hand zu Hand an einen Andern
übertragen werden.
b) Uebergabe durch Zeichen;
§. 427. Bey solchen beweglichen
Sachen aber, welche ihrer Beschaffenheit nach keine körperliche Uebergabe
zulassen, wie bey Schuldforderungen, Frachtgütern, bey einem Waarenlager oder
einer andern Gesammtsache, gestattet das Gesetz die Uebergabe durch Zeichen;
indem der Eigenthümer dem Uebernehmer die Urkunden, wodurch das Eigenthum
dargethan wird, oder die Werkzeuge übergibt, durch die der Uebernehmer in den
Stand gesetzt wird, ausschließend den Besitz der Sache zu ergreifen; oder,
indem man mit der Sache ein Merkmahl verbindet, woraus jedermann deutlich
erkennen kann, daß die Sache einem Andern überlassen worden ist.
c) durch Erklärung.
§. 428. Durch Erklärung wird die
Sache übergeben, wenn der Veräußerer auf eine erweisliche Art seinen Willen an
den Tag legt, daß er die Sache künftig im Nahmen des Uebernehmers inne habe;
oder, daß der Uebernehmer die Sache, welche er bisher ohne ein dingliches Recht
inne hatte, künftig aus einem dinglichen Recht besitzen solle.
Folge in Rücksicht der
übersendeten;
§. 429. In der Regel werden
überschickte Sachen erst dann für übergeben gehalten, wenn sie der Uebernehmer
erhält; es wäre denn, daß dieser die Ueberschickungsart selbst bestimmt oder
genehmiget hätte.
oder, an Mehrere veräußerten
Sachen.
§. 430. Hat ein Eigenthümer eben
dieselbe bewegliche Sache an zwey verschiedene Personen, an Eine mit, an die
Andere ohne Uebergabe veräußert; so gebührt sie derjenigen, welcher sie zuerst
übergeben worden ist; doch hat der Eigenthümer dem verletzten Theile zu haften.
2) Uebergabe unbeweglicher Sachen
mittelst Einverleibung in die öffentlichen Bücher.
§. 431. Zur Uebertragung des
Eigenthumes unbeweglicher Sachen muß das Erwerbungsgeschäft in die dazu
bestimmten öffentlichen Bücher eingetragen werden. Diese Eintragung nennt man
Einverleibung (Intabulation).
Bedingungen derselben.
§. 432. Vor Allem ist zur
Einverleibung in das öffentliche Buch nothwendig, daß derjenige, von dem das
Eigenthum auf einen Andern übergehen soll, selbst schon als Eigenthümer
einverleibt sey.
Insbesondere bey einer Erwerbung;
a) durch Vertrag.
§. 433. Zur weitern Uebertragung
vermittelst Vertrages ist es bey Bauerngütern genug, wenn der Uebergeber und
Uebernehmer oder auch nur der Uebergeber allein, vor der Grundobrigkeit
erscheint, und die Einverleibung des Erwerbungsgeschäftes in das öffentliche
Buch bewirket.
§. 434. Wenn aber der Uebergeber
nicht persönlich erscheint, und in allen, städtische oder landtäfliche Güter
betreffenden Fällen, muß über das Erwerbungsgeschäft eine schriftliche Urkunde
aufgesetzt, und sowohl von den Vertrag schließenden Theilen, als von zwey
glaubwürdigen Männern als Zeugen gefertiget werden.
§. 435. In einer solchen Urkunde
müssen die Personen, welche das Eigenthum übergeben und übernehmen; die Sache,
welche übergeben werden soll, mit ihren Gränzen; der Titel der Erwerbung;
ferner, der Ort und die Zeit des geschlossenen Geschäftes bestimmt angemerket,
und es muß von dem Uebergeber in dieser, oder in einer besondern Urkunde die
Bewilligung ertheilet werden, daß der Uebernehmer als Eigenthümer einverleibt
werden könne.
b) durch Urtheil und andere
gerichtliche Urkunden;
§. 436. Wenn das Eigenthum
unbeweglicher Sachen zu Folge eines rechtskräftigen Urtheiles, gerichtlichen
Theilungs-Instrumentes, oder einer gerichtlichen Ueberantwortung einer
Erbschaft übertragen werden soll; so ist ebenfalls die Einverleibung dieser
Urkunden erforderlich.
oder c) durch Vermächtniß.
§. 437. Eben so ist es, um das
Eigenthum eines vermachten unbeweglichen Gutes zu erwerben, nicht genug, daß
die Anordnung des Erblassers überhaupt den öffentlichen Büchern einverleibt
worden sey. Wer eine Forderung dieser Art hat, muß bey der Behörde noch die
besondere Einverleibung des Vermächtnisses auswirken.
Bedingte Aufzeichnung in das
öffentliche Buch; oder Vormerkung.
§. 438. Wenn derjenige, welcher das
Eigenthum einer unbeweglichen Sache anspricht, darüber zwar eine glaubwürdige,
aber nicht mit allen in den §§. 434 und 435 zur Einverleibung vorgeschriebenen
Erfordernissen versehene Urkunde besitzt; so kann er doch, damit ihm niemand
ein Vorrecht abgewinne, die bedingte Eintragung in das öffentliche Buch
bewirken, welche Vormerkung (Pränotation) genannt wird. Dadurch erhält er ein
bedingtes Eigenthumsrecht, und er wird, sobald er zu Folge richterlichen
Anspruches die Vormerkung gerechtfertiget hat, von der Zeit des nach
gesetzlicher Ordnung eingereichten Vormerkungsgesuches, für den wahren
Eigenthümer gehalten.
§. 439. Die geschehene Vormerkung
muß sowohl demjenigen, der sie bewirkt hat, als auch seinem Gegner durch
Zustellung zu eigenen Handen bekannt gemacht werden. Der Vormerkungswerber muß
binnen vierzehn Tagen, vom Tage der erhaltenen Zustellung, die ordentliche
Klage zum Erweise des Eigenthumsrechtes einreichen; widrigen Falls soll die
bewirkte Vormerkung auf Ansuchen des Gegners gelöschet werden.
Vorschrift über die Collision der
Einverleibungen.
§. 440. Hat der Eigenthümer eben
dieselbe unbewegliche Sache zwey verschiedenen Personen überlassen; so fällt
sie derjenigen zu, welche früher die Einverleibung angesucht hat.
Folge der Erwerbung:
a) in Rücksicht des Besitzes;
§. 441. So bald die Urkunde über das
Eigenthumsrecht in das öffentliche Buch eingetragen ist, tritt der neue
Eigenthümer in den rechtmäßigen Besitz.
b) der damit verbundenen Rechte;
§. 442. Wer das Eigenthum einer
Sache erwirbt, erlangt auch die damit verbundenen Rechte. Rechte, die auf die
Person des Uebergebers eingeschränkt sind, kann er nicht übergeben. Ueberhaupt
kann niemand einem Andern mehr Recht abtreten, als er selbst hat.
c) Lasten.
§. 443. Mit dem Eigenthume
unbeweglicher Sachen werden auch die darauf haftenden, in den öffentlichen
Büchern angemerkten Lasten übernommen. Wer diese Bücher nicht einsieht, leidet
in allen Fällen für seine Nachlässigkeit. Andere Forderungen und Ansprüche, die
jemand an den vorigen Eigenthümer hat, gehen nicht auf den neuen Erwerbe über.
Erlöschung des Eigenthumsrechtes.
§. 444. Das Eigenthum überhaupt
kann durch den Willen des Eigenthümers; durch das Gesetz; und durch
richterlichen Ausspruch verloren gehen. Das Eigenthum der unbeweglichen Sachen
aber wird nur durch die Löschung aus den öffentlichen Büchern aufgehoben.
Ausdehnung dieser Vorschriften auf
andere dingliche Rechte.
§. 445. Nach den in diesem
Hauptstücke über die Erwerbungs- und Erlöschungsart des Eigenthumsrechtes
unbeweglicher Sachen gegebenen Vorschriften hat man sich auch bey den übrigen,
auf unbewegliche Sachen sich beziehenden, dinglichen Rechten zu verhalten.
Form und Vorsichten der
Einverleibungen.
§. 446. Auf was Art und mit welchen
Vorsichten überhaupt bey Einverleibung dinglicher Rechte vorzugehen sey, ist in
den über die Einrichtung der Landtafeln und Grundbücher bestehenden besondern
Anordnungen enthalten.
Sechstes Hauptstück.
Von dem Pfandrechte.
Begriff von dem Pfandrechte und
Pfande.
§. 447. Das Pfandrecht ist das
dingliche Recht, welches vom Gläubiger eingeräumt wird, aus einer Sache, wenn
die Verbindlichkeit zur bestimmten Zeit nicht erfüllt wird, die Befriedigung zu
erlangen. Die Sache, worauf dem Gläubiger dieses Recht zusteht, heißt überhaupt
ein Pfand.
Arten des Pfandes.
§. 448. Als Pfand kann jede Sache
dienen, die im Verkehre steht. Ist sie beweglich, so wird sie Handpfand, oder
ein Pfand in enger Bedeutung genannt; ist sie unbeweglich, so heißt sie eine
Hypothek oder ein Grundpfand.
Titel des Pfandrechtes:
§. 449. Das Pfandrecht bezieht sich
zwar immer auf eine gültige Forderung, aber nicht jede Forderung gibt einen
Titel zur Erwerbung des Pfandrechtes. Dieser gründet sich auf das Gesetz; auf
einen richterlichen Ausspruch; auf einen Vertrag; oder den letzten Willen des
Eigenthümers.
§. 450. Die Fälle, in welchen das
Gesetz jemanden das Pfandrecht einräumt, sind am gehörigen Orte dieses
Gesetzbuches und bey dem Verfahren in Concurs-Fällen angegeben. In wie fern das
Gericht ein Pfandrecht einräumen könne, bestimmt die Gerichtsordnung. Soll
durch die Einwilligung des Schuldners oder eines Dritten, der seine Sache für
ihn verhaftet, das Pfandrecht erworben werden; so dienen die Vorschriften von
Verträgen und Vermächtnissen zur Richtschnur.
Erwerbungsart des Pfandrechtes:
a) durch körperliche Uebergabe;
b) durch Einverleibung in die
öffentlichen Bücher;
§. 451. Um das Pfandrecht wirklich
zu erwerben, muß der mit einem Titel versehene Gläubiger, die verpfändete
Sache, wenn sie beweglich ist, in Verwahrung nehmen; und, wenn sie unbeweglich
ist, seine Forderung auf die zur Erwerbung des Eigenthumes liegender Güter
vorgeschriebene Art einverleiben lassen. Der Titel allein gibt nur ein
persönliches Recht zu der Sache, aber kein dingliches Recht auf die Sache.
c) durch symbolische Uebergabe;
§. 452. Bey Verpfändung derjenigen
beweglichen Sachen, welche keine körperliche Uebergabe von Hand zu Hand
zulassen, muß man sich, wie bey der Uebertragung des Eigenthumes (§. 427.),
solcher Zeichen bedienen, woraus jedermann die Verpfändung leicht erfahren
kann. Wer diese Vorsicht unterläßt, haftet für die nachtheiligen Folgen.
d) durch die Vormerkung.
§. 453. Findet die Einverleibung
einer Forderung in die öffentlichen Bücher wegen Mangels gesetzmäßiger
Förmlichkeit in der Urkunde nicht Statt; so kann sich der Gläubiger vormerken (pränotiren)
lassen. Durch die Vormerkung erhält er ein bedingtes Pfandrecht, welches, wenn
die Forderung auf die oben §§. 438 und 439. angeführte Art gerechtfertiget
worden ist, von dem Zeitpuncte des nach gesetzlicher Ordnung eingereichten
Vormerkungsgesuches in ein unbedingtes übergeht.
Erwerbung eines Afterpfandes.
§. 454. Der Pfandinhaber kann sein
Pfand, in so weit er ein Recht darauf hat, einem Dritten wieder verpfänden, und
in so fern wird es zum Afterpfande, wenn zugleich Letzterer sie dasselbe übergeben,
oder die Afterverpfändung auf das Pfandrecht in die öffentlichen Bücher
eintragen läßt.
§. 455. Wird der Eigenthümer von
der weiteren Verpfändung benachrichtiget; so kann er seine Schuld nur mit
Willen dessen, der das Afterpfand hat, dem Gläubiger abführen, oder er muß sie
gerichtlich hinterlegen, sonst bleibt das Pfand dem Inhaber des Afterpfandes
verhaftet.
Verpfändung einer fremden Sache.
§. 456. Wird eine fremde bewegliche
Sache ohne Einwilligung des Eigenthümers verpfändet, so hat dieser in der Regel
zwar das Recht, sie zurück zu fordern; aber in solchen Fällen, in welchen die
Eigenthumsklage gegen einen redlichen Besitzer nicht Statt hat (§. 367.) ist er
verbunden, entweder den redlichen Pfandinhaber schadlos zu halten, oder das
Pfand fahren zu lassen, und sich mit dem Ersatzrechte gegen den Verpfänder zu
begnügen.
Objectiver Umfang des Pfandrechtes.
§. 457. Das Pfandrecht erstreckt
sich auf alle zu dem freyen Eigenthume des Verpfänders gehörige Theile, auf
Zuwachs und Zugehör des Pfandes, folglich auch auf die Früchte, in so lange sie
noch nicht abgesondert oder bezogen sind. Wenn also ein Schuldner einem
Gläubiger sein Gut, und einem andern später die Früchte desselben verpfändet;
so ist die spätere Verpfändung nur in Rücksicht auf die schon abgesonderten und
bezogenen Früchte wirksam.
Rechte und Verbindlichkeiten des
Pfandgläubigers:
a) bey Entdeckung eines
unzureichenden Pfandes;
§. 458. Wenn der Werth eines
Pfandes durch Verschulden des Pfandgebers, oder wegen eines erst offenbar
gewordenen Mangels der Sache zur Bedeckung der Schuld nicht mehr zureichend
gefunden wird; so ist der Gläubiger berechtigt, von dem Pfandgeber ein anderes
angemessenes Pfand zu fordern.
b) vor dem Verfalle;
§. 459. Ohne Bewilligung des
Pfandgebers darf der Gläubiger das Pfandstück nicht benützen; er muß es
vielmehr genau bewahren, und, wenn es durch sein Verschulden in Verlust geräth,
dafür haften. Geht es ohne sein Verschulden verloren, so verliert er deswegen
seine Forderung nicht.
§. 460. Hat der Gläubiger das Pfand
weiter verpfändet; so haftet er selbst für einen solchen Zufall, wodurch das
Pfand bey ihm nicht zu Grunde gegangen oder verschlimmert worden wäre.
c) nach dem Verfalle der Forderung.
§. 461. Wird der Pfandgläubiger
nach Verlauf der bestimmten Zeit nicht befriediget; so ist er befugt,
Feilbiethung des Pfandes gerichtlich zu verlangen. Das Gericht hat dabey nach
Vorschrift der Gerichtsordnung zu verfahren.
§. 462. Vor der Feilbiethung des
Gutes ist jedem darauf eingetragenen Pfandgläubiger die Einlösung der
Forderung, wegen welcher die Feilbiethung angesucht worden, zu gestatten.
§. 463. Schuldner haben kein Recht
bey Versteigerung einer von ihnen verpfändeten Sache mitzubiethen.
§. 464. Wird der Schuldbetrag aus
dem Pfande nicht gelöset, so ersetzt der Schuldner das Fehlende; ihm fällt aber
auch das zu, was über den Schuldbetrag gelöset wird.
§. 465. In wie fern ein
Pfandgläubiger sich an sein Pfand zu halten schuldig; oder, auf ein anderes
Vermögen seines Schuldners zu greifen berechtiget sey, bestimmt die Gerichtsordnung.
§. 466. Hat der Schuldner während
der Verpfändungszeit das Eigenthum der verpfändeten Sache auf einen Andern
übertragen, so steht dem Gläubiger frey, erst sein persönliches Recht gegen den
Schuldner, und dann seine volle Befriedigung an der verpfändeten Sache zu
suchen.
Erlöschung des Pfandrechtes.
§. 467. Wenn die verpfändete Sache
zerstört wird; wenn sich der Gläubiger seines Rechtes darauf gesetzmäßig
begibt; oder, wenn er sie dem Schuldner ohne Vorbehalt zurückstellt; so
erlischt zwar das Pfandrecht, aber die Schuldforderung besteht noch.
§. 468. Das Pfandrecht erlischt
ferner mit der Zeit, auf welche es eingeschränkt war, folglich auch mit dem
zeitlichen Rechte des Pfandgebers auf die verpfändete Sache; wenn anders dieser
Umstand dem Gläubiger bekannt war, oder aus den öffentlichen Büchern bekannt
seyn konnte.
§. 469. Durch Tilgung der Schuld
hört das Pfandrecht auf. Der Pfandgeber ist aber die Schuld nur gegen dem zu
tilgen verbunden, daß ihm das Pfand zugleich zurückgestellt werde. Zur
Aufhebung einer Hypothek ist die Tilgung der Schuld allein nicht hinreichend.
Ein Hypothekar-Gut bleibt so lange verhaftet, bis die Schuldurkunde aus den
öffentlichen Büchern gelöscht ist.
Vom Vorzugsrechte der
Pfandgläubiger.
§. 470. Die Vorzugsrechte der
Gläubiger bey dem Ausbruche eines Concurses bestimmt das Verfahren in
Concurs-Fällen.
Von dem Retentions-Rechte.
§. 471. Weder der Pfandnehmer, noch
irgend ein anderer Inhaber einer fremden Sache ist nach Erlöschung des ihm
eingeräumten Rechtes befugt, dieselbe aus dem Grunde einer Forderung zurück zu
behalten. Er kann aber, wenn die in der Gerichtsordnung bestimmten
Erfordernisse eintreten, und die Sache beweglich ist, sie in gerichtliche
Verwahrung geben und mit Verboth belegen, oder, wenn sie unbeweglich ist, die
Sequestration derselben ansuchen.
Siebentes Hauptstück.
Von Dienstbarkeiten.
(Servituten.)
Begriff des Rechtes der
Dienstbarkeit.
§. 472. Durch das Recht der
Dienstbarkeit wird ein Eigenthümer verbunden, zum Vortheile eines Andern in Rücksicht
seiner Sache etwas zu dulden oder zu unterlassen. Es ist ein dingliches, gegen
jeden Besitzer der dienstbaren Sache wirksames Recht.
Eintheilung der Dienstbarkeiten in
Grunddienstbarkeiten und persönliche;
§. 473. Wird das Recht der
Dienstbarkeit mit dem Besitze eines Grundstückes zu dessen vortheilhafteren
oder bequemeren Benützung verknüpft; so entsteht eine Grunddienstbarkeit; außer
dem ist die Dienstbarkeit persönlich.
in Feld- und Haus-Servituten.
§. 474. Grunddienstbarkeiten setzen
zwey Grundbesitzer voraus, deren Einem als Verpflichteten das dienstbare; dem
Andern als Berechtigten das herrschende Gut gehört. Das herrschende Grundstück
ist entweder zur Landwirthschaft oder zu einem andern Gebrauche bestimmt; daher
unterscheidet man auch die Feld- und Haus-Servituten.
Gewöhnlichere Arten: a) der
Haus-Servituten;
§. 475. Die Haus-Servituten sind
gewöhnlich:
1) Das Recht, eine Last seines
Gebäudes auf ein fremdes Gebäude zu setzen;
2) Einen Balken oder Sparren in
eine fremde Wand einfügen;
3) Ein Fenster in der fremden Wand
zu öffnen; es sey des Lichtes oder der Aussicht wegen;
4) Ein Dach oder einen Erker über
des Nachbars Luftraum zu bauen;
5) Den Rauch durch des Nachbars
Schorstein zu führen;
6) Die Dachtraufe auf fremden Grund
zu leiten;
7) Flüssigkeiten auf des Nachbars
Grund zu gießen oder durchzuführen.
Durch diese und ähnliche
Haus-Servituten wird ein Hausbesitzer befugt, etwas auf dem Grunde seines
Nachbars vorzunehmen, was dieser dulden muß.
§. 476. Durch andere
Haus-Servituten wird der Besitzer des dienstbaren Grundes verpflichtet, etwas
zu unterlassen, was ihm sonst zu thun frey stand. Dergleichen sind:
8) sein Haus nicht zu erhöhen;
9) es nicht niedriger zu machen;
10) dem herrschenden Gebäude Licht
und Luft;
11) oder Aussicht nicht zu benehmen;
12) die Dachtraufe seines Hauses
von dem Grunde des Nachbars, dem sie zur Bewässerung seines Gartens oder zur
Füllung seiner Zisterne, oder auf eine andere Art nützlich seyn kann, nicht
abzuleiten.
b) der Feld-Servituten;
§. 477. Die vorzüglichen
Feld-Servituten sind:
1) das Recht, einen Fußsteig,
Viehtrieb oder Fahrweg auf fremden Grund und Boden zu halten.
2) das Wasser zu schöpfen, das Vieh
zu tränken, das Wasser ab- und herzuleiten;
3) Das Vieh zu hüthen und zu
weiden;
4) Holz zu fällen, verdorrte Aeste
und Reiser zu sammeln, Eicheln zu lösen, Laub zu rechen;
5) zu jagen, zu fischen, Vögel zu
fangen;
6) Steine zu brechen, Sand zu
graben, Kalk zu brennen.
Arten der persönlichen
Dienstbarkeiten.
§. 478. Die persönlichen Servituten
sind: der nöthige Gebrauch einer Sache; die Fruchtnießung; und die Wohnung.
Unregelmäßige und
Schein-Servituten.
§. 479. Es können aber auch
Dienstbarkeiten, welche an sich Grunddienstbarkeiten sind, der Person allein;
oder, es können Begünstigungen, die ordentlicher Weise Servituten sind, nur
bloß auf Widerrufen zugestanden werden. Die Abweichungen von der Natur einer
Servitut werden jedoch nicht vermuthet; wer sie behauptet, dem liegt der Beweis
ob.
Erwerbung des Rechtes der
Dienstbarkeit. Titel zur Erwerbung.
§. 480. Der Titel zu einer Servitut
ist auf einem Vertrage; auf einer letzten Willenserklärung; auf einem bey der
Theilung gemeinschaftlicher Grundstücke erfolgten Rechtsspruche; oder endlich,
auf Verjährung gegründet.
Erwerbungsart.
§. 481. Das dingliche Recht der
Dienstbarkeit kann auf unbewegliche Sachen und überhaupt auf solche
Gegenstände, die in öffentlichen Büchern eingetragen sind, nur durch die
Eintragung in dieselben erworben werden; auf andere Sachen aber erlangt man es
durch die oben (§§. 426-428.) angegebenen Arten der Uebergabe.
Rechtsverhältniß bey den
Dienstbarkeiten.
Allgemeine Vorschriften über das
Recht der Dienstbarkeit.
§. 482. Alle Servituten kommen
darin überein, daß der Besitzer der dienstbaren Sache in der Regel nicht verbunden
ist, etwas zu thun; sondern nur einem Andern die Ausübung eines Rechtes zu
gestatten, oder das zu unterlassen, was er als Eigenthümer sonst zu thun
berechtiget wäre.
§. 483. Daher muß auch der Aufwand
zur Erhaltung und Herstellung der Sache, welche zur Dienstbarkeit bestimmt ist,
in der Regel von dem Berechtigten getragen werden. Wenn aber diese Sache auch
von dem Verpflichteten benützet wird; so muß er verhältnißmäßig zu dem Aufwande
beytragen, und nur durch die Abtretung derselben an dem Berechtigten kann er
sich, auch ohne dessen Beystimmung, von dem Beytrage befreyen.
§. 484. Der Besitzer des
herrschenden Gutes kann zwar sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben; doch
dürfen Servituten nicht erweitert, sie müssen vielmehr, in so weit es ihre
Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden.
§. 485. Keine Servitut läßt sich
eigenmächtig von der dienstbaren Sache absondern, noch auf eine andere Sache
oder Person übertragen. Auch wird jede Servitut in so fern für untheilbar gehalten,
als das auf dem Grundstücke haftende Recht durch Vergrößerung, Verkleinerung
oder Zerstückung desselben weder verändert noch getheilt werden kann.
§. 486. Ein Grundstück kann mehrern
Personen zugleich dienstbar seyn, wenn anders die ältern Rechte eines Dritten
nicht darunter leiden.
Anwendung auf die
Grunddienstbarkeiten; insbesondere auf das Recht, eine Last, einen Balken auf
fremdem Gebäude zu haben, oder, den Rauch durchzuführen.
§. 487. Nach den hier aufgestellten
Grundsätzen sind die Rechtsverhältnisse bey den besondern Arten der Servituten
zu bestimmen. Wer also die Last des benachbarten Gebäudes zu tragen; die
Einfügung des fremden Balkens an seiner Wand; oder, den Durchzug des fremden
Rauches in seinem Schorsteine zu dulden hat; der muß verhältnißmäßig zur
Erhaltung der dazu bestimmten Mauer, Säule, Wand oder des Schorsteines
beytragen. Es kann ihm aber nicht zugemuthet werden, daß er das herrschende Gut
unterstützen oder den Schorstein des Nachbars ausbessern lasse.
Fensterrecht.
§. 488. Das Fensterrecht gibt nur
auf Licht und Luft Anspruch; die Aussicht muß besonders bewilliget werden. Wer
kein Recht zur Aussicht hat, kann angehalten werden, das Fenster zu vergittern.
Mit dem Fensterrechte ist die Schuldigkeit verbunden, die Oeffnung zu verwahren;
wer diese Verwahrung vernachlässiget, haftet für den daraus entstehenden
Schaden.
Recht der Dachtraufe.
§. 489. Wer das Recht der
Dachtraufe besitzt, kann das Regenwasser auf das fremde Dach frey oder durch
Rinnen abfließen lassen; er kann auch sein Dach erhöhen; doch muß er solche
Vorkehrungen treffen, daß dadurch die Dienstbarkeit nicht lästiger werde. Eben
so muß er häufig gefallenen Schnee zeitig hinwegräumen, wie auch die zum
Abflusse bestimmten Rinnen unterhalten.
Recht der Ableitung des Regenwassers.
§. 490. Wer das Recht hat, das
Regenwasser von dem benachbarten Dache auf seinen Grund zu leiten, hat die
Obliegenheit, für Rinnen, Wasserkästen und andere dazu gehörige Anstalten die
Auslagen allein zu bestreiten.
§. 491. Erfordern die abzuführenden
Flüssigkeiten Gräben und Canäle; so muß sie der Eigenthümer des herrschenden
Grundes errichten; er muß sie auch ordentlich decken und reinigen, und dadurch
die Last des dienstbaren Grundes erleichtern.
Recht des Fußsteiges, Viehtriebes
und Fahrweges.
§. 492. Das Recht des Fußsteiges
begreift das Recht in sich, auf diesem Steige zu gehen, sich von Menschen
tragen, oder andere Menschen zu sich kommen zu lassen. Mit dem Viehtriebe ist
das Recht, einen Schiebkarren zu gebrauchen; und, mit dem Fahrwege das Recht,
mit Einem oder mehrern Zügen zu fahren, verbunden.
§. 493. Hingegen kann, ohne
besondere Bewilligung das Recht zu gehen, nicht auf das Recht, zu reiten oder
sich durch Thiere tragen zu lassen; weder das Recht des Viehtriebes auf das
Recht, schwere Lasten über den dienstbaren Grund zu schleifen; noch das Recht
zu fahren, auf das Recht, frey gelassenes Vieh darüber zu treiben, ausgedehnet
werden.
§. 494. Zur Erhaltung des Weges,
der Brücken und Stege tragen verhältnißmäßig alle Personen oder Grundbesitzer,
denen der Gebrauch derselben zusteht, folglich auch der Besitzer des
dienstbaren Grundes, so weit bey, als er davon Nutzen zieht.
Raum hierzu.
§. 495. Der Raum für diese drey
Servituten muß dem nöthigen Gebrauche und den Umständen des Ortes angemessen
seyn. Werden Wege und Steige durch Überschwemmung oder durch einen andern
Zufall unbrauchbar; so muß, bis zu der Herstellung in den vorigen Stand, wenn
nicht schon die politische Behörde eine Vorkehrung getroffen hat, ein neuer
Raum angewiesen werden.
Recht, Wasser zu schöpfen.
§. 496. Mit dem Rechte, fremdes
Wasser zu schöpfen, wird auch der Zugang zu demselben gestattet.
Recht der Wasserleitung
§. 497. Wer das Recht hat, Wasser
von fremdem Grunde auf den seinigen; oder, von seinem Grunde auf fremden zu leiten,
ist auch berechtigt, die dazu nöthigen Röhren, Rinnen und Schleußen auf eigene
Kosten anzulegen. Das nicht zu überschreitende Maß dieser Anlagen wird durch
das Bedürfniß des herrschenden Grundes festgesetzt.
Weiderecht.
§. 498. Ist bey Erwerbung des
Weiderechtes die Gattung und die Anzahl des Triebviehes; ferner, die Zeit und
das Maß des Genusses nicht bestimmt worden; so ist der ruhige dreyßigjährige
Besitz zu schützen. In zweifelhaften Fällen dienen folgende Vorschriften zur
Richtschnur.
Gesetzliche Bestimmung:
a) über die Gattung des
Triebviehes;
§. 499. Das Weiderecht erstrecket
sich, in so weit die politischen und im Forstwesen gegebenen Verordnungen nicht
entgegenstehen, auf jede Gattung von Zug-, Rind- und Schafvieh, aber nicht auf
Schweine und Federvieh; eben so wenig in waldigen Gegenden auf Ziegen.
Unreines, ungesundes und fremdes Vieh ist stets von der Weide ausgeschlossen.
b) dessen Anzahl;
§. 500. Hat die Anzahl des
Triebviehes während der letzten dreyßig Jahre abgewechselt; so muß aus dem
Triebe der drey ersten Jahre die Mittelzahl angenommen werden. Erhellet auch
diese nicht; so ist theils auf den Umfang, theils auf die Beschaffenheit der
Weide billige Rücksicht zu nehmen, und dem Berechtigten wenigstens nicht
gestattet, daß er mehr Vieh auf der fremden Weide halte, als er mit dem auf dem
herrschenden Grunde erzeugten Futter durchwintern kann. Säugevieh wird nicht
zur bestimmten Anzahl gerechnet.
c) Triftzeit;
§. 501. Die Triftzeit wird zwar
überhaupt durch den in jeder Feldmarke eingeführten unangefochtenen Gebrauch
bestimmt: allein in keinem Falle darf der vermöge politischer Bestimmungen
geordnete Wirtschaftsbetrieb durch die Behütung verhindert, oder erschweret
werden.
d) Maß des Genusses.
§. 502. Der Genuß des Weiderechtes
erstreckt sich auf keine andere Benutzung. Der Berechtigte darf weder Gras
mähen, noch in der Regel den Eigenthümer des Grundstückes von der Mitweide
ausschließen, am wenigsten aber die Substanz der Weide verletzen.
Wenn ein Schade zu befürchten ist,
muß er sein Vieh von einem Hirten hüthen lassen.
Anwendung dieser Bestimmungen auf
andere Servituten.
§. 503. Was bisher in Rücksicht auf
das Weiderecht vorgeschrieben worden, ist verhältnißmäßig auch auf die Rechte
des Thierfanges, des Holzschlages, des Steinbrechens und die übrigen Servituten
anzuwenden. Glaubt jemand diese Rechte auf das Miteigenthum gründen zu können;
so sind die darüber entstehenden Streitigkeiten nach den, in dem Hauptstücke
von der Gemeinschaft des Eigenthumes, enthaltenen Grundsätzen zu entscheiden.
Persönliche Dienstbarkeiten;
insbesondere:
1) das Recht des Gebrauches;
§. 504. Die Ausübung persönlicher
Servituten wird, wenn nichts anderes verabredet worden ist, nach folgenden
Grundsätzen bestimmt: Die Servitut des Gebrauches besteht darin, daß jemand
befugt ist, eine fremde Sache, ohne Verletzung der Substanz, bloß zu seinem
Bedürfnisse zu benützen.
Bestimmung in Rücksicht der
Nutzungen;
§. 505. Wer also das Gebrauchsrecht
einer Sache hat, der darf, ohne Rücksicht auf sein übriges Vermögen, den seinem
Stande, seinem Gewerbe, und seinem Hauswesen angemessenen Nutzen davon ziehen.
§. 506. Das Bedürfniß ist nach dem
Zeitpuncte der Bewilligung des Gebrauches zu bestimmen. Nachfolgende Veränderungen
in dem Stande oder Gewerbe des Berechtigten geben keinen Anspruch auf einen
ausgedehnteren Gebrauch.
der Substanz;
§. 507. Der Berechtigte darf die
Substanz der ihm zum Gebrauche bewilligten Sache nicht verändern; er darf auch
das Recht an keinen Andern übertragen.
und der Lasten;
§. 508. Alle Benützungen, die sich
ohne Störung des Gebrauchsberechtigten aus der Sache schöpfen lassen, kommen
dem Eigenthümer zu Statten. Dieser ist aber verbunden, alle ordentliche und
außerordentliche, auf der Sache haftende Lasten zu tragen, und sie auf seine
Kosten in gutem Stande zu erhalten. Nur wenn die Kosten denjenigen Nutzen
übersteigen, der dem Eigenthümer übrig bleibt, muß der Berechtigte den
Ueberschuß tragen, aber vom Gebrauche abstehen.
2) der Fruchtnießung.
§. 509. Die Fruchtnießung ist das
Recht, eine fremde Sache, mit Schonung der Substanz, ohne alle Einschränkung zu
genießen.
In wie fern sie sich auf
verbrauchbare Sachen erstrecken könne.
§. 510. Verbrauchbare Sachen sind
an sich selbst kein Gegenstand des Gebrauches oder der Fruchtnießung, sondern
nur ihr Werth. Mit dem baren Gelde kann der Berechtigte nach Belieben verfügen.
Wird aber ein bereits anliegendes Capital zum Fruchtgenusse oder Gebrauche
bewilliget; so kann der Berechtigte nur die Zinsen fordern.
Rechte und Verbindlichkeiten des
Fruchtnießers.
§. 511. Der Fruchtnießer hat ein
Recht auf den vollen, sowohl gewöhnlichen als ungewöhnlichen, Ertrag; ihm
gehört daher auch die mit Beobachtung der bestehenden Bergwerksordnung
erhaltene reine Ausbeute von Bergwerksantheilen, und das forstmäßig geschlagene
Holz. Auf einen Schatz, welcher in dem zur Fruchtnießung bestimmten Grunde
gefunden wird, hat er keinen Anspruch.
Insbesondere:
a) in Rücksicht der auf der Sache
haftenden Lasten;
§. 512. Als ein reiner Ertrag kann
aber nur das angesehen werden, was nach Abzug aller nöthigen Auslagen übrig
bleibt. Der Fruchtnießer übernimmt also alle Lasten, welche zur Zeit der
bewilligten Fruchtnießung mit der dienstbaren Sache verbunden waren, mithin
auch die Zinsen der darauf eingetragenen Capitalien. Auf ihn fallen alle
ordentliche und außerordentliche, von der Sache zu leistende Schuldigkeiten, in
so fern sie aus den während der Dauer der Fruchtnießung gezogenen Nutzungen
bestritten werden können; er trägt auch die Kosten, ohne welche die Früchte
nicht erzielet werden.
b) der Erhaltung der Sache;
§. 513. Der Fruchtnießer ist
verbunden, die dienstbare Sache als ein guter Haushälter in dem Stande, in
welchem er sie übernommen hat, zu erhalten, und aus dem Ertrage die
Ausbesserungen, Ergänzungen und Herstellungen zu besorgen. Wird dessen
ungeachtet der Werth der dienstbaren Sache bloß durch den rechtmäßigen Genuß
ohne Verschulden des Fruchtnießers verringert; so ist er dafür nicht
verantwortlich.
c) der Bauführungen;
§. 514. Wenn der Eigenthümer
Bauführungen, die durch das Alter des Gebäudes, oder durch einen Zufall
nothwendig gemacht werden, auf Anzeige des Fruchtnießers auf seine Kosten
besorgt; ist ihm der Fruchtnießer, nach Maß der dadurch verbesserten Fruchtnießung,
die Zinsen des verwendeten Capitals zu vergüten schuldig.
§. 515. Kann oder will der
Eigenthümer dazu sich nicht verstehen; so ist der Fruchtnießer berechtigt,
entweder den Bau zu führen, und nach geendigter Fruchtnießung, gleich einem
redlichen Besitzer, den Ersatz zu fordern; oder, für die durch Unterbleibung
des Baues vermißte Fruchtnießung, eine angemessene Vergütung zu verlangen.
§. 516. Bauführungen, welche nicht
nothwendig, obgleich sonst zur Vermehrung des Ertrages gedeihlich sind, ist der
Fruchtnießer nicht verbunden, ohne vollständige Entschädigung zu gestatten.
d) der Meliorationskosten.
§. 517. Was der Fruchtnießer ohne
Einwilligung des Eigenthümers zur Vermehrung fortdauernder Nutzungen verwendet
hat, kann er zurücknehmen; eine Vergütung der aus der Verbesserung noch
bestehenden Nutzungen aber kann er nur fordern, in so fern sie ein
Geschäftsführer ohne Auftrag zu fordern berechtigt ist.
Beweismittel darüber.
§. 518. Zur Erleichterung des
Beweises der gegenseitigen Forderungen, sollen der Eigenthümer und der
Fruchtnießer eine beglaubte Beschreibung aller dienstbaren Sachen aufnehmen
lassen. Ist sie unterlassen worden; so wird vermuthet, daß der Fruchtnießer die
Sache sammt allen zur ordentlichen Benützung derselben erforderlichen Stücken in
brauchbarem Zustande von mittlerer Beschaffenheit erhalten habe.
Zutheilung der Nutzungen bey
Erlöschung der Fruchtnießung.
§. 519. Nach geendigter
Fruchtnießung gehören die noch stehenden Früchte dem Eigenthümer; doch muß er
die auf deren Erzielung verwendeten Kosten dem Fruchtnießer oder dessen Erben,
gleich einem redlichen Besitzer, ersetzen. Auf andere Nutzungen haben der
Fruchtnießer oder dessen Erben den Anspruch nach Maß der Dauer der
Fruchtnießung.
In wie fern der
Gebrauchsberechtigte oder der Fruchtnießer zur Sicherstellung verbunden sey.
§. 520. In der Regel kann der
Eigenthümer von dem Gebrauchsberechtigten oder Fruchtnießer nur bey einer sich
äußernden Gefahr die Sicherstellung der Substanz verlangen. Wird sie nicht
geleistet; so soll die Sache entweder dem Eigenthümer gegen eine billige
Abfindung überlassen, oder nach Umständen in gerichtliche Verwaltung gegeben
werden.
Dienstbarkeit der Wohnung.
§. 521. Die Servitut der Wohnung ist
das Recht, die bewohnbaren Theile eines Hauses zu seinem Bedürfnisse zu
benützen. Sie ist also ein Servitut des Gebrauches von dem Wohngebäude. Werden
aber jemanden alle bewohnbare Theile des Hauses, mit Schonung der Substanz,
ohne Einschränkung zu genießen überlassen; so ist es eine Fruchtnießung des
Wohngebäudes. Hiernach sind die oben gegebenen Vorschriften auf das rechtliche
Verhältniß zwischen dem Berechtigten und dem Eigenthümer anzuwenden.
§. 522. In jedem Falle behält der
Eigenthümer das Recht, über alle Theile des Hauses, die nicht zur eigentlichen
Wohnung gehören, zu verfügen; auch darf ihm die nöthige Aufsicht über sein Haus
nicht erschweret werden.
Klagerecht in Rücksicht der
Servituten.
§. 523. In Ansehung der Servituten
findet ein doppeltes Klagerecht Statt. Man kann gegen den Eigenthümer das Recht
der Servitut behaupten; oder der Eigenthümer kann sich über die Anmaßung einer
Servitut beschweren. Im ersten Falle muß der Kläger die Erwerbung der Servitut,
oder wenigstens den Besitz derselben als eines dinglichen Rechtes, im zweyten
Falle muß er die Anmaßung der Servitut in seiner Sache beweisen.
Erlöschung der Dienstbarkeiten.
Im Allgemeinen.
§. 524. Die Servituten erlöschen im
Allgemeinen auf diejenigen Arten, wodurch, nach dem dritten und vierten
Hauptstücke des dritten Theiles, Rechte und Verbindlichkeiten überhaupt
aufgehoben werden.
Besondere Anordnung bey deren
Erlöschung:
a) durch den Untergang des
dienstbaren oder herrschenden Grundes.
§. 525. Der Untergang des
dienstbaren oder des herrschenden Grundes stellt zwar die Dienstbarkeit ein;
sobald aber der Grund, oder das Gebäude wieder in den vorigen Stand gesetzt
ist, erhält die Servitut wieder ihre vorige Kraft.
b) durch Vereinigung;
§. 526. Wenn das Eigenthum des
dienstbaren und des herrschenden Grundes in Einer Person vereiniget wird, hört
die Dienstbarkeit von selbst auf. Wird aber in der Folge Einer dieser
vereinigten Gründe wieder veräußert, ohne daß inzwischen in den öffentlichen
Büchern die Dienstbarkeit gelöschet worden; so ist der neue Besitzer des
herrschenden Grundes befugt, die Servitut auszuüben.
c) durch Zeitverlauf.
§. 527. Hat das bloß zeitliche
Recht desjenigen, der die Servitut bestellt hat, oder die Zeit, auf welche sie
beschränkt worden ist, dem Servituts-Inhaber aus öffentlichen Büchern, oder auf
eine andere Art bekannt seyn können; so hört nach Verlauf dieser Zeit die
Servitut von selbst auf.
§. 528. Eine Servitut, welche
jemanden bis zur Zeit, da ein Dritter ein bestimmtes Alter erreicht, verliehen
wird, erlischt erst zu der bestimmten Zeit, obschon der Dritte vor diesem Alter
verstorben ist.
Erlöschung der persönlichen
Servituten insbesondere.
§. 529. Persönliche Servituten
hören mit dem Tode auf. Werden sie ausdrücklich auf die Erben ausgedehnt; so
sind im Zweifel nur die ersten gesetzlichen Erben darunter verstanden. Das
einer Familie verliehene Recht aber geht auf alle Mitglieder derselben über.
Die von einer Gemeinde oder einer andern moralischen Person erworbene
persönliche Servitut dauert so lange, als die moralische Person besteht.
Unanwendbarkeit auf beständige
Renten.
§. 530. Beständige jährliche Renten
sind keine persönliche Servitut, und können also ihrer Natur nach auf alle
Nachfolger übertragen werden.
Achtes
Hauptstück.
Von
dem Erbrechte.
Verlassenschaft.
§.
531. Der Inbegriff der Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen, in so
fern sie nicht in bloß persönlichen Verhältnissen gegründet sind, heißt
desselben Verlassenschaft oder Nachlaß.
Erbrecht
und Erbschaft.
§.
532. Das ausschließende Recht, die ganze Verlassenschaft, oder einen in
Beziehung auf das Ganze bestimmten Theil derselben (z. B. die Hälfte, ein
Drittheil) in Besitz zu nehmen, heißt Erbrecht. Es ist ein dingliches Recht,
welches gegen einen jeden, der sich der Verlassenschaft anmaßen will, wirksam
ist. Derjenige, dem das Erbrecht gebührt, wird Erbe, und die Verlassenschaft,
in Beziehung auf den Erben, Erbschaft genannt.
Titel
zu dem Erbrechte.
§.
533. Das Erbrecht gründet sich auf den nach gesetzlicher Vorschrift erklärten
Willen des Erblassers; auf einen nach dem Gesetze zulässigen Erbvertrag (§.
602), oder auf das Gesetz.
§.
534. Die erwähnten drey Arten des Erbrechtes können auch neben einander
bestehen, so daß einem Erben ein in Beziehung auf das Ganze bestimmter Theil
aus dem letzten Willen, dem andern aus dem Vertrage, und einem Dritten aus dem
Gesetze gebührt.
Unterschied
zwischen Erbschaft und Vermächtniß.
§.
535. Wird jemanden kein solcher Erbtheil, der sich auf den ganzen Nachlaß bezieht;
sondern nur eine einzelne Sache, Eine oder mehrere Sachen von gewisser Gattung;
eine Summe; oder ein Recht zugedacht; so heißt das Zugedachte, obschon dessen
Werth den größten Theil der Verlassenschaft ausmacht, ein Vermächtniß (Legat),
und derjenige, dem es hinterlassen worden, ist nicht als ein Erbe, sondern nur
als ein Vermächtnißnehmer (Legatar) zu betrachten.
Zeitpunct
des Erbanfalles.
§.
536. Das Erbrecht tritt erst nach dem Tode des Erbassers ein. Stirbt ein
vermeintlicher Erbe vor dem Erblasser; so hat er das noch nicht erlangte
Erbrecht auch nicht auf seinen Erben übertragen können.
§.
537. Hat der Erbe den Erblasser überlebt; so geht das Erbrecht auch vor
Uebernahme der Erbschaft, wie andere frey vererbliche Rechte, auf seine Erben
über; wenn es anders durch Entsagung, oder auf eine andere Art noch nicht
erloschen war.
Fähigkeit
zu erben.
§.
538. Wer ein Vermögen zu erwerben berechtigt ist, kann in der Regel auch erben.
Hat jemand dem Rechte etwas zu erwerben überhaupt entsagt, oder auf eine
bestimmte Erbschaft gültig Verzicht gethan; so ist er dadurch des Erbrechtes
überhaupt, oder des Rechtes auf eine bestimmte Erbschaft verlustig geworden.
§.
539. In wie fern geistliche Gemeinden, oder deren Glieder erbfähig sind,
bestimmen die politischen Vorschriften.
Ursachen
der Unfähigkeit.
§.
540. Wer den Erblasser, dessen Kinder, Aeltern oder Gatten, aus bösem Vorsatze
an Ehre, Leib, oder Vermögen auf solche Art verletzt, oder zu verletzen gesucht
hat, daß gegen ihn von Amts wegen, oder auf Verlangen des Verletzten nach den
Strafgesetzen verfahren werden kann; der ist so lange des Erbrechtes unwürdig,
als sich aus den Umständen nicht entnehmen läßt, daß ihm der Erblasser vergeben
habe.
§.
541. Die Nachkommen desjenigen, welcher sich des Erbrechtes unwürdig gemacht
hat, sind, wenn Letzterer vor dem Erblasser verstorben ist, von dem Erbrechte
nicht ausgeschlossen.
§.
542. Wer den Erblasser zur Erklärung des letzten Willens gezwungen; oder
betrüglicher Weise verleitet, an der Erklärung, oder Abänderung des letzten
Willens gehindert, oder einen von ihm bereits errichteten letzten Willen
unterdrückt hat, ist von dem Erbrechte ausgeschlossen, und bleibt für allen
einem Dritten dadurch zugefügten Schaden verantwortlich.
§.
543. Personen, welche des Ehebruches, oder der Blutschande gerichtlich
geständig, oder überwiesen sind, werden unter sich von dem Erbrechte aus einer
Erklärung des letzten Willens ausgeschlossen.
§.
544. In wie fern Landeseingeborne, die ihr Vaterland, oder die Kriegsdienste
ohne ordentliche Erlaubniß verlassen haben, des Erbrechtes verlustig werden,
bestimmen die politischen Verordnungen.
Nach
welchem Zeitpuncte die Fähigkeit zu beurtheilen.
§.
545. Die Erbfähigkeit kann nur nach dem Zeitpuncte des wirklichen Erbanfalles
bestimmet werden. Dieser Zeitpunct ist in der Regel der Tod des Erblassers. (§.
703.)
§.
546. Eine später erlangte Erbfähigkeit gibt kein Recht, Andern das zu
entziehen, was ihnen bereits rechtmäßig angefallen ist.
Wirkung
der Annahme der Erbschaft.
§.
547. Der Erbe stellt, sobald er die Erbschaft angenommen hat, in Rücksicht auf
dieselbe den Erblasser vor. Beyde werden in Beziehung auf einen Dritten für
Eine Person gehalten. Vor der Annahme des Erben wird die Verlassenschaft so
betrachtet, als wenn sie noch von dem Verstorbenen besessen würde.
§.
548. Verbindlichkeiten, die der Erblasser aus seinem Vermögen zu leisten gehabt
hätte, übernimmt sein Erbe. Die von dem Gesetze verhängten Geldstrafen, wozu
der Verstorbene noch nicht verurtheilet war, gehen nicht auf den Erben über.
§.
549. Zu den auf einer Erbschaft haftenden Lasten gehören auch die Kosten für
das dem Gebrauche des Ortes, dem Stande und dem Vermögen des Verstorbenen
angemessene Begräbniß.
§.
550. Mehrere Erben werden in Ansehung ihres gemeinschaftlichen Erbrechtes für
Eine Person angesehen. Sie stehen in dieser Eigenschaft vor der gerichtlichen
Uebergabe (Einantwortung) der Erbschaft alle für Einen und Einer für alle. In
wie fern sie nach der erfolgten Uebergabe zu haften haben, wird in dem
Hauptstücke von der Besitznehmung der Erbschaft bestimmt.
Verzicht
auf das Erbrecht.
§.
551. Wer über sein Erbrecht selbst gültig verfügen kann, ist auch befugt, im
voraus darauf Verzicht zu thun. Eine solche Verzichtleistung wirkt auch auf die
Nachkommen.
Neuntes
Hauptstück.
Von
der Erklärung des letzten Willens überhaupt und den Testamenten ins besondere.
Erklärung
des letzten Willens.
§.
552. Die Anordnung, wodurch ein Erblasser sein Vermögen, oder einen Theil
desselben Einer oder mehrern Personen widerruflich auf den Todesfall überläßt,
heißt eine Erklärung des letzten Willens.
Erfordernisse:
I.
Innere Form.
§.
553. Wird in einer letzten Anordnung ein Erbe eingesetzt, so heißt sie
Testament; enthält sie aber nur andere Verfügungen, so heißt sie Codicill.
Zutheilung
der Erbschaft:
a)
wenn nur Ein Erbe;
§.
554. Hat der Erblasser einen einzigen Erben, ohne ihn auf einen Theil der
Verlassenschaft zu beschränken, unbestimmt eingesetzt; so erhält er den ganzen
Nachlaß. Ist aber dem einzigen Erben nur ein in Beziehung auf das Ganze bestimmter
Erbtheil ausgemessen worden; so fallen die übrigen Theile den gesetzlichen
Erben zu.
b)
wenn mehrere ohne Theilung;
§.
555. Sind ohne Vorschrift einer Theilung mehrere Erben eingesetzt worden, so
theilen sie zu gleichen Theilen.
c)
wenn alle in bestimmten Theilen;
§.
556. Sind mehrere Erben und zwar alle in bestimmten Erbtheilen, die aber das
Ganze nicht erschöpfen, eingesetzt worden, so fallen die übrigen Theile den
gesetzlichen Erben zu. Hat aber der Erblasser die Erben zum ganzen Nachlasse
berufen; so haben die gesetzlichen Erben keinen Anspruch, obschon er in der
Berechnung der Beträge, oder in der Aufzählung der Erbstücke etwas übergangen
hätte.
d)
wenn einige mit Theilen, andere ohne Theile eingesetzt sind.
§.
557. Wird unter mehrern eingesetzten Erben einigen ein bestimmter Theil (z. B.
ein Drittheil, ein Sechstheil), andern aber nichts Bestimmtes ausgemessen; so
erhalten diese den übrigen Nachlaß zu gleichen Theilen.
§.
558. Bleibt nichts übrig, so muß von sämmtlichen bestimmten Theilen für den unbestimmt
eingesetzten Erben verhältnißmäßig so viel abgezogen werden, daß er einen
gleichen Antheil mit demjenigen erhalte, der am geringsten bedacht worden ist.
Sind die Theile der Erben gleich groß, so haben sie an dem unbestimmt
eingesetzten Erben so viel abzugeben, daß er einen gleichen Antheil mit ihnen
empfange. In allen andern Fällen, wo ein Erblasser sich verrechnet hat, ist die
Theilung auf eine Art vorzunehmen, wodurch der Wille des Erblassers nach den
über das Ganze erklärten Verhältnissen auf das möglichste erfüllt wird.
Welche
Erben als Eine Person betrachtet werden.
§.
559. Treffen unter den eingesetzten Erben solche Personen zusammen, wovon
einige bey der gesetzlichen Erbfolge gegen die übrigen als Eine Person
angesehen werden müssen, (z. B. die Bruderskinder gegen des Bruder des
Erblassers); so werden sie auch bey der Theilung aus dem Testamente nur als
Eine Person betrachtet. Ein Körper, eine Gemeinde, eine Versammlung (z. B. die
Armen) werden immer nur für Eine Person gerechnet.
Recht
des Zuwachses.
§.
560. Wenn alle Erben ohne Bestimmung der Theile, oder in dem allgemeinen
Ausdrucke einer gleichen Theilung zur Erbschaft berufen werden, und es kann,
oder will einer der Erben von seinem Erbrecht keinen Gebrauch machen; so wächst
der erledigte Theil den übrigen eingesetzten Erben zu.
§.
561. Sind Ein oder mehrere Erben mit, ein anderer oder mehrere ohne Bestimmung
des Erbtheiles eingesetzt; so wächst der erledigte Theil nur dem einzelnen,
oder den mehrern noch übrigen, unbestimmt eingesetzten Erben zu.
§.
562. Einem bestimmt eingesetzten Erben gebührt in keinem Falle das
Zuwachsrecht. Wenn also kein unbestimmt eingesetzter Erbe übrig ist; so fällt
ein erledigter Erbtheil nicht einem noch übrigen, für einen bestimmten Theil
eingesetzten, sondern dem gesetzlichen Erben zu.
§.
563. Wer den erledigten Erbtheil erhält, übernimmt auch die damit verknüpften
Lasten, in so fern sie nicht auf persönliche Handlungen des eingesetzten Erben
eingeschränkt sind.
§.
564. Der Erblasser muß den Erben selbst einsetzen; er kann dessen Ernennung
nicht dem Ausspruche eines Dritten überlassen.
Die
Erklärung muß überlegt, bestimmt und frey seyn.
§.
565 Der Wille des Erblassers muß bestimmt, nicht durch bloße Bejahung eines ihm
gemachten Vorschlages; er muß im Zustande der vollen Besonnenheit; mit
Ueberlegung und Ernst, frey von Zwang, Betrug, und wesentlichem Irrthume
erkläret werden.
Ursachen
der Unfähigkeit zu testiren;
1)
Mangel der Besonnenheit;
§.
566. Wird bewiesen, daß die Erklärung im Zustande der Raserey, des Wahnsinnes,
Blödsinnes, oder der Trunkenheit geschehen sey, so ist sie ungültig.
§. 567. Wenn behauptet wird, daß
der Erblasser, welcher den Gebrauch des Verstandes verloren hatte, zur Zeit der
letzten Anordnung bey voller Besonnenheit gewesen sei; so muß die Behauptung
durch Kunstverständige, oder durch obrigkeitliche Personen, die den
Gemüthszustand des Erblassers genau erforschten, oder durch andere zuverlässige
Beweise außer Zweifel gesetzt werden.
2) Prodigalitäts-Erklärung; in wie
fern;
§. 568. Ein gerichtlich erklärter
Verschwender kann nur über die Hälfte seines Vermögens durch letzten Willen
verfügen; die andere Hälfte fällt den gesetzlichen Erben zu.
3) unreifes Alter;
§. 569. Unmündige sind zu testiren unfähig.
Minderjährige, die das achtzehnte Jahr noch nicht zurückgelegt haben, können
nur mündlich vor Gericht testiren. Das Gericht muß durch eine angemessene
Erforschung sich zu überzeugen suchen, daß die Erklärung des letzten Willens
frey und mit Ueberlegung geschehe. Die Erklärung muß in ein Protokoll
aufgenommen, und dasjenige, was sich aus der Erforschung ergeben hat,
beygerückt werden. Nach zurückgelegtem achtzehnten Jahre kann ohne weitere
Einschränkung ein letzter Wille erkläret werden.
4) wesentlicher Irrthum;
§. 570. Ein wesentlicher Irrthum
des Erblassers macht die Anordnung ungültig. Der Irrthum ist wesentlich, wenn
der Erblasser die Person, welche er bedenken, oder den Gegenstand, welchen er
vermachen wollte, verfehlet hat.
§. 571. Zeigt sich, daß die
bedachte Person, oder die vermachte Sache nur unrichtig benannt, oder
beschrieben worden; so ist die Verfügung gültig.
§. 572. Auch wenn der von dem
Erblasser angegebene Beweggrund falsch befunden wird, bleibt die Verfügung
gültig; es wäre denn erweislich, daß der Wille des Erblassers einzig und allein
auf diesem irrigen Beweggrunde beruht habe.
5) Ordensgelübde;
§. 573. Ordenspersonen sind in der
Regel nicht befugt, zu testiren: allein, wenn der Orden eine besondere
Begünstigung, daß seine Glieder testiren können, erlangt hat; wenn
Ordenspersonen die Auflösung von den Gelübden erhalten haben; wenn sie durch
Aufhebung ihres Ordens, Stiftes oder Klosters aus ihrem Stande getreten sind;
oder wenn sie in einem solchen Verhältnisse angestellt sind, daß sie vermöge
der politischen Verordnungen nicht mehr als Angehörige des Ordens, Stiftes oder
Klosters angesehen werden, sondern vollständiges Eigenthum erwerben können; so
ist es ihnen erlaubt, durch Erklärung des letzten Willens darüber zu verfügen.
6) schwere Criminal-Strafe;
§. 574. (Anm.: Aufgehoben durch §
5, RGBl 1867/Nr. 131.)
Zeitpunct der Gültigkeit der
Anordnung.
§. 575. Ein rechtsgültig erklärter
letzter Wille kann durch später eintretende Hindernisse seine Gültigkeit nicht
verlieren.
§. 576. Einen anfänglich ungültigen
letzten Willen macht die später erfolgte Aufhebung des Hindernisses nicht
gültig. Wird in diesem Falle keine neue Verfügung getroffen; so tritt das
gesetzliche Erbrecht ein.
II.) Aeußere Form der Erklärungen
des letzten Willens;
§. 577. Man kann außergerichtlich
oder gerichtlich, schriftlich oder mündlich; schriftlich aber mit, oder ohne
Zeugen testiren.
1) der außergerichtlichen
schriftlichen;
§. 578. Wer schriftlich, und ohne
Zeugen testiren will, der muß das Testament oder Codicill eigenhändig
schreiben, und eigenhändig mit seinem Nahmen unterfertigen. Die Beysetzung des
Tages, des Jahres, und des Ortes, wo der letzte Wille errichtet wird, ist zwar
nicht nothwendig, aber zur Vermeidung der Streitigkeiten räthlich.
§. 579. Einen letzten Willen,
welchen der Erblasser von einer andern Person niederschreiben ließ, muß er
eigenhändig unterfertigen. Er muß ferner vor drey fähigen Zeugen, wovon
wenigstens zwey zugleich gegenwärtig seyn sollen, den Aufsatz als seinen
letzten Willen bestätigen. Endlich sollen auch die Zeugen sich entweder
inwendig, oder von außen, immer aber auf die Urkunde selbst, und nicht etwa auf
einen Umschlag, als Zeugen des letzten Willens unterschreiben. Den Inhalt des
Testamentes hat der Zeuge zu wissen nicht nöthig.
§. 580. Ein Erblasser, welcher
nicht schreiben kann, muß nebst Beobachtung der in dem vorigen §.
vorgeschriebenen Förmlichkeiten, anstatt der Unterschrift sein Handzeichen, und
zwar in Gegenwart aller drey Zeugen, eigenhändig beysetzen. Zur Erleichterung eines
bleibenden Beweises, wer der Erblasser sey, ist es auch vorsichtig, daß Einer
der Zeugen den Nahmen des Erblassers als Nahmensunterfertiger beysetze.
§. 581. Wenn der Erblasser nicht
lesen kann, so muß er den Aufsatz von Einem Zeugen in Gegenwart der andern zwey
Zeugen, die den Inhalt eingesehen haben, sich vorlesen lassen, und bekräftigen,
das derselbe seinem Willen gemäß sey. Der Schreiber des letzten Willens kann in
allen Fällen zugleich Zeuge seyn.
§. 582. Eine Verfügung des
Erblassers durch Beziehung auf einen Zettel oder auf einen Aufsatz, ist nur
dann von Wirkung, wenn ein solcher Aufsatz mit allen zur Gültigkeit einer
letzten Willenserklärung nöthigen Erfordernissen versehen ist. Außer dem können
dergleichen von dem Erblasser angezeigte schriftliche Bemerkungen nur zur
Erläuterung seines Willens angewendet werden.
§. 583. In der Regel gilt ein und
derselbe Aufsatz nur für Einen Erblasser. Die Ausnahme in Rücksicht der
Ehegatten ist in dem Hauptstücke von den Ehe-Pacten enthalten.
§. 584. Einem Erblasser, welcher
die zu einem schriftlichen Testamente erforderlichen Förmlichkeiten nicht
beobachten kann, oder will, steht frey, ein mündliches Testament zu errichten.
2) der außergerichtlichen
mündlichen;
§. 585. Wer mündlich testiret, muß
vor drey fähigen Zeugen, welche zugleich gegenwärtig, und zu bestätigen fähig
sind, daß in der Person des Erblassers kein Betrug oder Irrthum unterlaufen
sey, ernstlich seinen letzten Willen erklären. Es ist zwar nicht nothwendig,
aber vorsichtig, daß die Zeugen entweder alle gemeinschaftlich, oder ein jeder
für sich zur Erleichterung des Gedächtnisses, die Erklärung des Erblassers
entweder selbst aufzeichnen, oder, so bald als möglich, aufzeichnen lassen.
§. 586. Eine
mündliche letzte Anordnung muß auf Verlangen eines jeden, dem daran gelegen
ist, durch die übereinstimmende eidliche Aussage der drei Zeugen oder, wofern
einer aus ihnen nicht eidlich vernommen werden kann, wenigstens der zwei
übrigen bestätigt werden, widrigens diese Erklärung des letzten Willens unwirksam
ist. (§ 601).
3) der gerichtlichen.
§. 587. Der Erblasser kann auch vor
einem Gerichte schriftlich oder mündlich testiren. Die schriftliche Anordnung
muß von dem Erblasser wenigstens eigenhändig unterschrieben seyn, und dem
Gerichte persönlich übergeben werden. Das Gericht hat den Erblasser auf den
Umstand, daß seine eigenhändige Unterschrift beygerückt seyn müsse, aufmerksam
zu machen, dann den Aufsatz gerichtlich zu versiegeln und auf dem Umschlage
anzumerken, wessen letzter Wille darin enthalten sey. Ueber das Geschäft ist
ein Protokoll aufzunehmen, und der Aufsatz gegen Ausstellung eines
Empfangscheines gerichtlich zu hinterlegen.
§. 588. Will der Erblasser seinen
Willen mündlich erklären; so ist die Erklärung in ein Protokoll aufzunehmen,
und dasselbe eben so, wie in dem vorhergehenden §. von dem schriftlichen
Aufsatze gemeldet worden ist, versiegelt zu hinterlegen.
§. 589. Das Gericht, welches die
schriftliche oder mündliche Erklärung des letzten Willens aufnimmt, muß wenigstens
aus zwey eidlich verpflichteten Gerichtspersonen bestehen, deren Einer in dem
Orte, wo die Erklärung aufgenommen wird, das Richteramt zusteht. Die
Zeugenschaft der zweyten Gerichtsperson, außer dem Richter, können auch zwey
andere Zeugen vertreten.
§. 590. Im Nothfalle können die
erst bestimmten Personen sich in die Wohnung des Erblassers begeben, seinen
letzten Willen schriftlich oder mündlich aufnehmen, und dann das Geschäft mit
Beysetzung des Tages, Jahres und Ortes zu Protokoll bringen.
Unfähige Zeugen bey letzten
Anordnungen.
§. 591. Personen
unter achtzehn Jahren, Sinnlose, Blinde, Taube oder Stumme, dann diejenigen,
welche die Sprache des Erblassers nicht verstehen, können bei letzten
Anordnungen nicht Zeugen sein.
§. 592. (Anm.:
Aufgehoben durch § 57, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste Teilnovelle.)
§. 593. (Anm.:
Aufgehoben durch § 1, RGBl 1860/Nr. 9.)
§. 594. Ein Erbe oder Legatar ist
in Rücksicht des ihm zugedachten Nachlasses kein fähiger Zeuge, und eben so
wenig dessen Gatte, Aeltern, Kinder, Geschwister, oder in eben dem Grade
verschwägerte Personen und die besoldeten Hausgenossen. Die Verfügung muß, um
gültig zu seyn, von dem Erblasser eigenhändig geschrieben; oder, durch drey von
den gedachten Personen verschiedene Zeugen bestätiget werden.
§. 595. Wenn der Erblasser
demjenigen, welcher den letzten Willen schreibt, oder dessen Ehegatten,
Kindern, Aeltern, Geschwistern oder in eben dem Grade verschwägerten Personen
einen Nachlaß bestimmt; so muß die Anordnung auf die im vorgehenden §. erwähnte
Art außer Zweifel gesetzt seyn.
§. 596. Was von der Unbefangenheit
und Fähigkeit des Zeugen, die Person des Erblassers außer Zweifel zu setzen,
verordnet wird, ist auch auf die gerichtlichen Personen, die einen letzten
Willen aufnehmen, anzuwenden.
Von den begünstigten letzten
Anordnungen.
§. 597. Bei
letzten Anordnungen, welche auf Schiffahrten und in Orten, wo die Pest oder
ähnliche ansteckende Seuchen herrschen, errichtet werden, sind auch Personen,
die das vierzehnte Jahr zurückgelegt haben, gültige Zeugen.
§. 598. Zu diesen begünstigten
letzten Anordnungen werden nur zwey Zeugen erfordert, wovon Einer das Testament
schreiben kann. Bey Gefahr einer Ansteckung ist auch nicht nöthig, daß beyde
zugleich gegenwärtig seyn.
§. 599. Sechs Monathe nach
geendigter Schifffahrt oder Seuche verlieren die begünstigten letzten
Willenserklärungen ihre Kraft.
§. 600. Die Begünstigungen der
Militär-Testamente sind in den Militär-Gesetzen enthalten.
Ungültigkeit der unförmlichen
letzten Anordnungen.
§. 601. Wenn der Erblasser Eines
der hier vorgeschriebenen, und nicht ausdrücklich der bloßen Vorsicht
überlassenen Erfordernisse nicht beobachtet hat; so ist die letzte
Willenserklärung ungültig.
Erbverträge sind nur unter
Ehegatten gültig.
§. 602. Erbverträge über die ganze
Verlassenschaft, oder einen in Beziehung auf das Ganze bestimmten Theil
derselben, können nur unter Ehegatten gültig geschlossen werden. Die
Vorschriften hierüber sind in dem Hauptstücke von den Ehe-Pacten enthalten.
Von Schenkungen auf den Todesfall.
Beziehung.
§. 603. In wie fern eine Schenkung
auf den Todesfall als ein Vertrag, oder als ein letzter Wille zu betrachten
sey, wird in dem Hauptstücke von den Schenkungen bestimmt.
Zehntes Hauptstück.
Von Nacherben und Fideicommissen.
Gemeine Substitution.
§. 604. Jeder Erblasser kann für
den Fall, daß der eingesetzte Erbe die Erbschaft nicht erlangt, Einen; und,
wenn auch dieser sie nicht erlangt, einen zweyten, und im gleichen Falle einen
dritten, oder auch noch mehrere Nacherben berufen. Diese Anordnung heißt eine
gemeine Substitution. Der in der Reihe zunächst Berufene wird Erbe.
§. 605. Hat der Erblasser aus den
bestimmten Fällen, daß der ernannte Erbe nicht Erbe seyn kann, oder, daß er
nicht Erbe seyn will, nur Einen ausgedrückt; so ist der andere Fall ausgeschlossen.
Rechte aus derselben.
§. 606. Die dem Erben aufgelegten
Lasten werden auch auf den an seine Stelle tretenden Nacherben ausgedehnt,
wofern sie nicht durch den ausdrücklichen Willen, oder die Beschaffenheit der
Umstände, auf die Person des Erben eingeschränkt sind.
§. 607. Sind die Miterben allein
wechselseitig zu Nacherben berufen worden; so wird angenommen, daß der
Erblasser die in der Einsetzung ausgemessenen Theile auch auf die Substitution
ausdehnen wollte. Wird aber in der Substitution, außer den Miterben, noch sonst
jemand berufen, so fällt der erledigte Erbtheil Allen zu gleichen Theilen zu.
Fideicommissarische.
§. 608. Der Erblasser kann seinen
Erben verpflichten, daß er die angetretene Erbschaft nach seinem Tode, oder in andern
bestimmten Fällen, einem zweyten ernannten Erben überlasse. Diese Anordnung
wird eine fideicommissarische Substitution genannt. Die fideicommissarische
Substitution begreift stillschweigend die gemeine in sich.
In wie fern die Aeltern ihren
Kindern substituiren dürfen.
§. 609. Auch die Aeltern können
ihren Kindern, selbst in dem Falle, daß diese zu testiren unfähig sind, nur in
Rücksicht des Vermögens, das sie ihnen hinterlassen, einen Erben oder Nacherben
ernennen.
Stillschweigende fideicommissarische
Substitution.
§. 610. Hat der Erblasser dem Erben
verbothen, über den Nachlaß zu testiren; so ist es eine fideicommissarische
Substitution, und der Erbe muß den Nachlaß für seine gesetzlichen Erben
aufbewahren. Das Verboth, die Sache zu veräußern, schließt das Recht, darüber
zu testiren, nicht aus.
Einschränkung der
fideicommissarischen Substitution.
§. 611. Die Reihe, in welcher die
fideicommissarischen Erben auf einander folgen sollen, wird, wenn sie Alle
Zeitgenossen des Erblassers sind, gar nicht beschränkt, sie kann sich auf den
Dritten, Vierten und noch weiter ausdehnen.
§. 612. Sind es nicht Zeitgenossen,
sondern solche Nacherben, die zur Zeit des errichteten Testamentes noch nicht
geboren sind; so kann sich die fideicommissarische Substitution in Rücksicht
auf Geldsummen, und andere bewegliche Sachen bis auf den zweyten Grad
erstrecken. In Ansehung unbeweglicher Güter gilt sie nur auf den ersten Grad;
doch wird bey Bestimmung der Grade nur derjenige Nacherbe gezählt, welcher zum
Besitze der Erbschaft gelangt ist.
Rechte
des Erben bey einer fideicommisarischen Substitution.
§. 613. Bis der Fall der
fideicommissarischen Substitution eintritt, kommt den eingesetzten Erben das
eingeschränkte Eigenthumsrecht, mit den Rechten und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers
zu.
Auslegung
der Substitutionen.
§. 614. Ist
eine Substitution zweifelhaft ausgedrückt; so ist sie auf eine solche Art
auszulegen, wodurch die Freyheit des Erben, über das Eigenthum zu verfügen, am
mindesten eingeschränkt wird.
Erlöschungsarten der gemeinen und
fideicommissarischen Substitution.
§. 615. Die gemeine Substitution
erlischt, sobald der eingesetzte Erbe die Erbschaft angetreten hat; die
fideicommissarische, wenn keiner von den berufenen Nacherben mehr übrig ist;
oder, wenn der Fall, für den sie errichtet worden, aufhört.
§. 616. Ins besondere verliert die
einem Sinnlosen gemachte fideicommissarische Substitution (§§. 608-609.) ihre
Kraft, wenn bewiesen wird, daß er zur Zeit seiner letzten Anordnung bey voller
Besonnenheit war; oder, wenn ihm das Gericht wegen erlangten Verstandgebrauches
die freye Verwaltung des Vermögens eingeräumt hat; und die Substitution lebt
nicht wieder auf, ob er gleich wegen Rückfalls wieder unter einen Curator
gesetzt worden ist, und in der Zwischenzeit keine letzte Anordnung errichtet
hat.
§. 617. Die von einem Erblasser
seinem Kinde zur Zeit, da es noch keine Nachkommenschaft hatte, gemachte
Substitution erlischt, wenn dasselbe erbfähige Nachkommen hinterlassen hat.
Fideicommiß.
§. 618. Ein Fideicommiß (Familien-Fideicommiß)
ist eine Anordnung, kraft welcher ein Vermögen für alle künftige, ober doch für
mehrere Geschlechtsfolger, als ein unveräußerliches Gut der Familie erklärt
wird.
Hauptarten
der Fideicommisse:
§. 619. Das Fideicommiß ist
insgemein entweder eine Primogenitur, oder ein Majorat, oder ein Seniorat; je
nachdem der Stifter desselben die Nachfolge entweder dem Erstgebornen aus der
ältern Linie; oder, dem Nächsten aus der Familie dem Grade nach; unter mehrern
gleich Nahen aber dem Aelteren an Jahren; oder endlich, ohne Rücksicht auf die
Linie, dem Aelteren aus der Familie zugedacht hat.
§. 620. Im Zweifel wird die
Primogenitur eher, als ein Majorat oder Seniorat; und das Majorat wieder eher,
als ein Seniorat vermuthet.
Erbfolge
in denselben.
§. 621. Bey der Primogenitur
gelangt eine jüngere Linie erst nach Erlöschung der ältern zum Fideicommisse,
so, daß der Bruder des letzten Besitzers dessen Söhnen, Enkeln, Urenkeln und
weitern Nachkömmlingen weichen muß.
§. 622. Der Stifter kann auch die
Ordnung der Erbfolge ganz umkehren, und den Letztnachgebornen aus der ältern
Linie; oder, den Jüngsten aus allen Linien; oder, überhaupt denjenigen berufen,
welcher im Grade entweder dem Fideicommiß-Stifter, dem ersten Erwerber, oder
dem letzten Besitzer am nächsten kommt.
§. 623. Hat der Stifter hierüber
seinen Willen nicht bestimmt ausgedrückt, so wird mehr Rücksicht auf den
letzten Besitzer, als auf den Fideicommiß-Stifter, und den ersten Erwerber
genommen. Sind mehrere Personen in gleichem Grade vorhanden, so gibt das höhere
Alter den Ausschlag.
§. 624. Wenn der Stifter anordnet,
daß das Fideicommiß immer dem Nächsten aus der Familie zufallen solle; so wird
darunter derjenige verstanden, welcher nach der gemeinen gesetzlichen Erbfolge
aus der männlichen Nachkommenschaft der nächste ist. Zwischen mehreren gleich
Nahen wird, dafern aus der Anordnung nicht das Gegentheil erhellet, der Genuß
des Fideicommisses getheilt.
§. 625. Hat Jemand nebst dem
Fideicommisse für die erstgeborne Linie ein zweytes, oder mehrere Fideicommisse
für die nachgebornen Linien errichtet; so gelangt der Besitzer des ersten
Fideicommisses und dessen Nachkommenschaft erst dann zum Besitze eines andern
Fideicommisses, wenn in den übrigen Linien keine zu dem Fideicommisse berufenen
Nachkömmlinge vorhanden sind, und die Fideicommisse bleiben nur so lange in
einer Person vereinigt, bis wieder zwey oder mehrere Linien entstehen.
§. 626. Die weibliche
Nachkommenschaft hat in der Regel keinen Anspruch auf Fideicommisse. Hat aber der
Stifter ausdrücklich verordnet, daß nach Erlöschung des Mannsstammes das
Fideicommiß auf die weiblichen Linien übergehen soll; so geschieht dieses nach
der für die männliche Geschlechtsfolge vorgeschriebenen Ordnung; doch gehen die
männlichen Erben derjenigen Linie, welche zum Besitz des Fideicommisses
gelanget ist, den weiblichen Erben vor.
Bedingungen
zur Errichtung eines Fideicommisses.
§. 627. Ohne besondere Einwilligung
der gesetzgebenden Gewalt kann kein Fideicommiß errichtet werden. Bey der Errichtung
ist ein ordentliches, beglaubtes Verzeichniß aller zu dem Fideicommisse
gehörigen Stücke zu verfassen, und gerichtlich aufzubewahren. Dieses
Inventarium dient bey jeder Besitzveränderung und bey Absonderung des
Fideicommisses von dem freyen Vermögen zur Richtschnur. Für die Sicherheit des
Fideicommisses hat das Gericht nach den besondern Vorschriften zu sorgen.
Widerruf
der Errichtung.
§. 628. Der Fideicommiß-Stifter hat
das Recht, die Errichtung des Fideicommisses zu widerrufen, so lange noch
niemand durch die Uebergabe oder durch Vertrag ein Recht erworben hat. Und der
Wille wird das widerrufen angesehen, wenn dem Erblasser ein männlicher
ehelicher Erbe, der in dem Fideicommisse nicht begriffen ist, geboren wird.
Grundsatz über die Rechte der
Anwärter u. des Inhabers des Fideicommisses.
§. 629. Das Eigenthum des
Fideicommiß-Vermögens ist zwischen allen Anwärtern, und dem jedesmahligen
Fideicommiß-Inhaber getheilt. Jenen kommt das Obereigenthum allein; diesem aber
auch das Nutzungseigenthum zu.
Besondere
Rechte der Anwärter.
§. 630. Das Obereigenthum
berechtiget die Fideicommiß-Anwärter, die Hinterlegung der
Fideicommiß-Schuldscheine zu Gerichtshanden zu verlangen; eine üble Verwaltung
der Fideicommiß-Güter gerichtlich anzuzeigen; zur Vertretung des Fideicommisses
und der Nachkommenschaft einen gemeinschaftlichen Fideicommiß-Curator in
Vorschlag zu bringen; überhaupt alle zur Sicherheit der Substanz nöthige
Maßregeln zu treffen.
Uneingeschränkte
Rechte des Inhabers u. Verbindlichkeiten desselben.
§. 631. Der Fideicommiß-Inhaber hat
alle Rechte und Verbindlichkeiten eines Nutzungseigenthümers. Ihm gehören alle
Nutzungen von dem Fideicommiß-Gute, und dem Zuwachse, aber nicht die Substanz
desselben. Er trägt dagegen auch alle Lasten. Für die ohne sein Verschulden
erfolgte Verminderung der Substanz hat er nicht zu haften.
Eingeschränkte
Rechte:
a) zur
Verzichtung und Verpfändung.
§. 632. Ein Fideicommiß-Besitzer
kann zwar für sich, jedoch keineswegs für die, wenn gleich noch nicht
vorhandene, Nachkommenschaft auf sein Recht Verzicht thun. Verpfändet er die
Früchte des Fideicommisses oder selbst das Fideicommiß-Gut; so gilt die
Verpfändung nur für denjenigen Theil der Früchte, welchen er einzusammeln
berechtiget ist, nicht aber für das Fideicommiß-Gut, oder den Theil der
Früchte, welcher dem Nachfolger gebührt.
b) zur
Verwandlung, Vertauschung oder Erbverpachtung des Fideicommiß-Gutes.
§. 633. Unter der gleich
nachfolgenden Beschränkung kann der Fideicommiß-Inhaber das unbewegliche
Fideicommiß-Gut in ein Capital verwandeln; er kann Grundstücke gegen
Grundstücke vertauschen; oder, gegen angemessene Zinsen vertheilen; oder auch
in Erbpacht überlassen.
§. 634. Zu diesen Veränderungen
bedarf er der Genehmhaltung der ordentlichen Gerichtsbehörde. Diese muß alle
bekannte Anwärter; oder, wenn sie minderjährig oder abwesend sind, ihre
Curatoren; dann den Kurator des Fideicommisses und der Nachkommenschaft
vernehmen; die Wichtigkeit der Gründe beurtheilen; und ins besondere bey
Bewilligung der Zerstückung der Grundstücke dafür sorgen, daß das in den
politischen Verordnungen vorgeschriebene Maß beobachtet werde. Das dabey
bedungene Entgeld wird als ein Fideicommiß-Capital angelegt.
c)
Verschuldung.
§. 635. Der Fideicommiß-Inhaber
kann ein Drittheil des Fideicommiß-Gutes verschulden; oder, wenn es in
Capitalien besteht, ein Drittheil davon erheben. Hierzu bedarf er keiner
Einwilligung der Anwärter oder Curatoren; sondern nur der Genehmigung der
ordentlichen Gerichtsbehörde.
Bestimmung
des zu verschuldenden Drittheils,
§. 636. In dieses Drittheil sind
alle, unter was immer für einem Nahmen, auf dem Fideicommiß-Gute haftende
Lasten dergestalt einzurechnen, daß zwey Drittheile ganz frey bleiben.
und des
Werthes des Fideicommiß-Gutes.
§. 637. Der Werth eines
Fideicommiß-Gutes, wenn es vertauscht oder verschuldet werden soll, wird durch
die gerichtliche Schätzung; wenn es aber zu Geld gemacht werden soll, durch
öffentliche Versteigerung bestimmt.
Art der
Rückzahlung.
§. 638. Die Rückzahlungen einer
Fideicommiß-Schuld sind so zu bestimmen, daß jährlich fünf vom Hundert an der
Schuld getilgt werden. Nur aus erheblichen Ursachen ist eine Verlängerung der
Frist zu gestatten.
§. 639. Will der
Fideicommiß-Besitzer von den bereits geleisteten Rückzahlungen wieder einen
Betrag zu seinem Gebrauche erheben; so muß er zur Tilgung desselben noch
insbesondere jährlich fünf vom Hundert bezahlen.
Haftung
des Nachfolgers für die Schulden.
§. 640. Der Nachfolger im
Fideicommisse ist nur die mit gerichtlicher Genehmigung gemachten Schulden
seines Vorfahrers zu bezahlen schuldig. Für die zur Tilgung derselben schon
verfallenen Rückzahlungen haftet er nur in so weit, als sie nicht aus dem frey
vererblichen Vermögen des Vorfahrers geleistet werden können.
§. 641. Hat der Vorfahrer zur
Erhaltung oder wichtigen Verbesserung des Fideicommisses einen beträchtlichen
Aufwand gemacht, wozu er das Fideicommiß-Gut zu verschulden berechtiget gewesen
wäre, so muß der Aufwand ersetzt werden. Hierzu sind aber die Nachfolger
befugt, ein Drittheil des Fideicommiß-Gutes zu belasten. Die Rückzahlungen
werden auf die in dem §. 638, vorgeschriebene Art geleistet.
§. 642. Ein Fideicommiß-Gläubiger
kann die Bezahlung einer, selbst mit gerichtlicher Bewilligung, auf dem Fideicommisse
haftenden Schuld nicht aus dem Stammgute; sondern nur aus den Einkünften
desselben verlangen.
Theilung
der Früchte des letzten Jahres.
§. 643. Die Früchte des letzten
Jahres werden zwischen den Erben des Vorfahrers und dem Nachfolger im Fideicommisse
eben so, wie zwischen dem Fruchtnießer und Eigenthümer (§. 519) getheilet.
Auflösung,
§. 644. Ein Fideicommiß kann
aufgelöset werden, wenn keine zum Fideicommisse berufene Nachkommenschaft zu
vermuthen ist. Zur Auflösung des Fideicommiß-Bandes aber wird nebst der
Einwilligung des Nutzungseigenthümers und aller Anwärter, die durch ein Edict
vorzuladen sind, auch die Einvernehmung des Curators der Nachkommenschaft, und
die gerichtliche Bewilligung erfordert.
oder
Erlöschung eines Fideicommisses.
§. 645. Das Fideicommiß erlischt,
wenn es zu Grunde geht; oder, wenn alle in dem Stiftbriefe berufene Linien,
ohne Hoffnung einer Nachkommenschaft, ausgestorben sind. In dem letztern Falle
vereiniget sich das Obereigenthum mit dem Nutzungseigenthume, und der Besitzer
kann nach Willkühr über das Fideicommiß verfügen.
Unterschied
eines Fideicommisses von Stiftungen.
§. 646. Von den Substitutionen und
Fideicommissen unterscheiden sich die Stiftungen, wodurch die Einkünfte von
Capitalien, Grundstücken oder Rechten zu gemeinnützigen Anstalten, als: für
geistliche Pfründen, Schulen, Kranken- oder Armenhäuser; oder zum Unterhalte
gewisser Personen auf alle folgende Zeiten bestimmt werden. Die Vorschriften
über Stiftungen sind in den politischen Verordnungen enthalten.
Eilftes
Hauptstück.
Von
Vermächtnissen.
Von wem,
wie und wem legiret;
§. 647. Zur Gültigkeit eines
Vermächtnisses (§. 535.) ist nothwendig, daß es von einem fähigen Erblasser,
einer Person, die zu erben fähig ist, durch eine gültige letzte Willenserklärung
hinterlassen werde.
§. 648. Der Erblasser kann auch
Einem oder mehrern Miterben ein Vermächtniß vorausbestimmen, in Rücksicht
desselben sind sie nur als Legatare zu betrachten.
und wer
mit der Entrichtung des Vermächtnisses beschweret werden könne.
§. 649. Die Vermächtnisse fallen in
der Regel allen Erben, selbst in dem Falle, daß die einem Miterben gehörige
Sache vermacht worden ist, nach Maß ihres Erbtheiles zur Last. Es hängt jedoch
von dem Erblasser ab, ob er die Abführung des Legats einem Miterben, oder auch
einem Legatar besonders auftragen wolle.
§. 650. Ein Legatar kann sich von
der vollständigen Erfüllung des ihm aufgetragenen weitern Vermächtnisses aus
dem Grunde, daß es den Werth des ihm zugedachten Legats übersteige, nicht
entschlagen. Nimmt er aber das Legat nicht an; so muß derjenige, dem es
zufällt, den Auftrag übernehmen, oder das ihm zugefallene Vermächtniß dem
darauf gewiesenen Vermächtnißnehmer überlassen.
§. 651. Ein Erblasser, welcher ein
Legat einer gewissen Classe von Personen, als: Verwandten, Dienstpersonen oder
Armen zugedacht hat, kann die Vertheilung, welchen aus diesen Personen, und,
was jeder zukommen soll, dem Erben oder einem Dritten überlassen. Hat der
Erblasser hierüber nichts bestimmt; so bleibt die Wahl dem Erben vorbehalten.
Substitutionen
bey Vermächtnissen.
§. 652. Der Erblasser kann bey
einem Vermächtnisse eine gemeine, oder fideicommissarische Substitution
anordnen; dabey sind die in dem vorigen Hauptstücke gegebenen Vorschriften
anzuwenden.
Gegenstände
eines Vermächtnisses.
§. 653. Alles, was im gemeinen
Verkehre steht: Sachen, Rechte, Arbeiten und andere Handlungen, die einen Werth
haben, können vermacht werden.
§. 654. Werden Sachen vermacht, die
zwar im gemeinen Verkehre stehen, die aber der Legatar zu besitzen für seine
Person unfähig ist, so wird ihm der ordentliche Werth vergütet.
Allgemeine
Auslegungsregel bey Vermächtnissen.
§. 655. Worte werden auch bey
Vermächtnissen in ihrer gewöhnlichen Bedeutung genommen; es müßte denn bewiesen
werden, daß der Erblasser mit gewissen Ausdrücken einen ihm eigenen besondern
Sinn zu verbinden gewohnt gewesen ist; oder, daß das Vermächtniß sonst ohne
Wirkung wäre.
Besondere
Vorschriften über das Vermächtniß:
a) von
Sachen einer gewissen Gattung;
§. 656. Hat der Erblasser Eine oder
mehrere Sachen von gewisser Gattung, aber ohne eine nähere Bestimmung,
vermacht, und sind mehrere solche Sachen in der Verlassenschaft vorhanden; so
steht dem Erben die Wahl zu. Er muß aber ein Stück wählen, wovon der Legatar
Gebrauch machen kann. Wird dem Legatar überlassen, Eine von den mehrern Sachen
zu nehmen oder zu wählen; so kann er auch die beste wählen.
§. 657. Wenn der Erblasser Eine
oder mehrere Sachen von gewisser Gattung ausdrücklich nur aus seinem Eigenthume
vermacht hat, und es finden sich dergleichen gar nicht in der Verlassenschaft;
so verliert das Vermächtniß seine Wirkung. Finden sie sich nicht in der
verordneten Menge; so muß sich der Legatar mit den vorhandenen begnügen.
§. 658. Vermacht der Erblasser Eine
oder mehrere Sachen von gewisser Gattung nicht ausdrücklich aus seinem
Eigenthume, und es finden sich dergleichen nicht in der Verlassenschaft; so muß
der Erbe sie dem Legatar in einer, dessen Stande und Bedürfnissen angemessenen,
Eigenschaft verschaffen. Das Legat einer Summe Geldes verbindet den Erben zur
Zahlung derselben, ohne Rücksicht, ob bares Geld in der Verlassenschaft
vorhanden sey oder nicht.
§. 659. Der Erblasser kann die
Auswahl, welche Sache aus mehrern der Legatar haben soll, auch einem Dritten
überlassen. Schlägt sie dieser aus oder ist er vor getroffener Auswahl
gestorben; so bestimmt die Gerichtsbehörde das Legat mit Rücksicht auf den
Stand und das Bedürfniß des Legatars. Diese gerichtliche Bestimmung tritt auch
in dem Falle ein, daß der Legatar vor der ihm überlassenen Auswahl verstorben
ist.
b) das Vermächtniß einer bestimmten
Sache;
§. 660. Das Vermächtniß einer
bestimmten Sache kann von dem Legatar, wenn es in Einer oder in verschiedenen
Anordnungen wiederhohlt wird, nicht zugleich in Natur, und dem Werthe nach
verlangt werden. Andere Vermächtnisse, ob sie gleich eine Sache der nähmlichen
Art oder den nähmlichen Betrag enthalten, gebühren dem Legatar so oft, als sie
wiederhohlt worden sind.
§. 661. Das Vermächtniß ist ohne
Wirkung, wenn das vermachte Stück zur Zeit der letzten Anordnung schon ein
Eigenthum des Legatars war. Hat er es später an sich gebracht; so wird ihm der
ordentliche Werth bezahlt. Wenn er es aber von dem Erblasser selbst und zwar
unentgeldlich erhalten hat, ist das Vermächtniß für aufgehoben zu halten.
c) einer fremden Sache;
§. 662. Das Vermächtniß einer
fremden Sache, die weder dem Erblasser, noch dem Erben oder Legatar, welcher
sie einem Dritten leisten soll, gehört, ist wirkungslos. Gebührt den erwähnten
Personen ein Antheil oder Anspruch an der Sache; so ist das Vermächtniß nur von
diesem Anspruche oder Antheile zu verstehen. Ist die vermachte Sache verpfändet
oder belastet; so übernimmt der Empfänger auch die darauf haftenden Lasten.
Wenn aber der Erblasser ausdrücklich verordnet, daß eine bestimmte fremde Sache
gekauft, und dem Legatar geleistet werden solle, der Eigenthümer hingegen sie
um den Schätzungspreis nicht veräußern will; so ist dem Legatar dieser Werth zu
entrichten.
d) einer Forderung;
§. 663. Das Vermächtniß einer
Forderung, die der Erblasser an den Legatar zu machen hat, verpflichtet den
Erben, den Schuldschein zurückzustellen; oder, dem Legatar die Befreyung von
der Schuld und den rückständigen Zinsen auszufertigen.
§. 664. Vermacht der Erblasser jemanden
eine Forderung, die er an einen Dritten zu stellen hat; so muß der Erbe die
Forderung sammt den rückständigen und weiter laufenden Zinsen dem Legatar
überlassen.
§. 665. Das Vermächtniß der Schuld,
die der Erblasser dem Legatar zu entrichten hat, hat die Wirkung, daß der Erbe
die von dem Erblasser bestimmt ausgedrückte, oder von dem Legatar ausgewiesene
Schuld anerkennen, und sie, ohne Rücksicht auf die in der Schuldverschreibung
enthaltenen Bedingungen oder Fristen, längstens in der zur Abführung der
übrigen Legate bestimmten Zeitfrist berichtigen muß. Den gefährdeten Gläubigern
des Erblassers aber kann dessen Anerkennung nicht zum Nachtheile gereichen.
§. 666. Die Erlassung der Schuld
ist nur von den gegenwärtigen, nicht auch von den erst nach dem errichteten
Vermächtnisse entstandenen Schulden zu verstehen. Wird durch ein Vermächtniß
das Pfandrecht, oder die Bürgschaft erlassen; so folgt daraus nicht, daß auch
die Schuld erlassen worden sey. Werden die Zahlungsfristen verlängert; so
müssen doch die Zinsen fort bezahlt werden.
§. 667. Wenn der Erblasser einer
Person eine Summe schuldig ist, und ihr eine gleiche Summe vermacht; so wird
nicht vermuthet, daß er die Schuld mit dem Vermächtnisse habe tilgen wollen.
Der Erbe bezahlt in diesem Falle die Summe doppelt; ein Mahl als Schuld, und
dann als Vermächtniß.
§. 668. Unter dem Vermächtnisse
aller ausstehenden Forderungen sind doch weder die Forderungen aus öffentlichen
Credits-Papieren, noch auch die auf einem unbeweglichen Gute haftenden
Capitalien, oder die aus einem dinglichen Rechte entstehenden Forderungen
begriffen.
e) des Heirathsgutes;
§. 669. Das Heirathsgut kann
vermacht werden, entweder um den Gatten von der Zurückzahlung desselben zu
befreyen; oder, um den Erben zu verpflichten, daß er der Gattinn die als
Heirathsgut eingebrachte Summe oder Sache ohne Beweis, und ohne Abzug der
darauf verwendeten Kosten abführe. Hier gelten die für andere vermachte
Forderungen gegebenen Vorschriften.
§. 670. Vermacht der Erblasser
einer dritten Person ein unbestimmtes Heirathsgut; so versteht man darunter,
ohne Rücksicht auf ihr eigenes Vermögen, ein solches Heirathsgut, als der Vater dieser Person bey mittelmäßigem
Vermögen nach seinem Stande abzureichen schuldig wäre.
§. 671. Vermachen Aeltern den
Töchtern ein Heirathsgut; so wird dasselbe, wofern es nicht ausdrücklich als
ein Vorausvermächtniß erkläret worden, in den gesetzlichen oder letztwilligen
Erbtheil eingerechnet.
f) des Unterhaltes; der Erziehung;
oder Kost;
§. 672. Das Vermächtniß des
Unterhaltes begreift Nahrung, Kleidung, Wohnung und die übrigen Bedürfnisse,
und zwar auf lebenslang, wie auch den nöthigen Unterricht in sich. Alles dieses
wird auch unter Erziehung verstanden. Die Erziehung endigt sich mit der
Volljährigkeit. Unter Kost wird Speise und Trank auf lebenslang begriffen.
§. 673. Das Maß der im vorstehenden
§. angeführten Vemächtnisse, wenn es weder aus dem ausdrücklichen, noch aus dem
stillschweigenden, durch die bisherige Unterstützung erklärten Willen des
Erblassers erhellet, muß nach dem Stande bestimmt werden, welcher dem Legatar
eigen ist, oder, wozu er durch die genossene Verpflegung vorbereitet worden
ist.
g) der Mobilien; des Hausrathes;
§. 674. Unter Mobilien (Meublen)
werden nur die zum anständigen Gebrauche der Wohnung; unter Hausrath oder
Einrichtung zugleich die zur Führung der Haushaltung erforderlichen
Geräthschaften verstanden. Die Werkzeuge zum Betriebe der Gewerbes sind, ohne
eine deutlichere Erklärung, darunter nicht begriffen.
h) eines Behältnisses;
§. 675. Ist jemanden ein Behältniß
vermacht worden, welches nicht für sich selbst bestehet, sondern nur ein Theil
eines Ganzen ist; so wird in der Regel vermuthet, daß nur diejenigen Stücke
zugedacht worden sind, welche sich bey dem Ableben des Erblassers darin
vorfinden, und zu deren Aufbewahrung das Behältniß seiner Natur nach bestimmt,
oder von dem Erblasser gewöhnlich verwendet worden ist.
§. 676. Ist hingegen das Behältniß
beweglich, oder doch eine für sich bestehende Sache; so hat der Legatar nur auf
das Behältniß, nicht auch auf die darin befindlichen Sachen Anspruch.
§. 677. Wird ein Schrank, ein
Kasten oder eine Lade mit allen darin befindlichen Sachen vermacht; so rechnet
man dazu auch Gold und Silber, Schmuck und bares Geld, selbst die vom Legatar
dem Erblasser ausgestellten Schuldscheine. Andere Schuldscheine oder Urkunden,
worauf sich Forderungen und Rechte des Erblassers gründen, werden nur dann dazu
gerechnet, wenn sich außer denselben nichts in dem Behältnisse befindet. Zu
einem Vermächtnisse flüssiger Sachen gehören auch die zu ihrer Verführung
bestimmten Gefäße.
i) der Juwelen, des Schmuckes und
Putzes;
§. 678. Unter Juwelen werden in der
Regel nur Edelsteine und gute Perlen; unter Schmuck auch die unechten Steine, und
das aus Gold oder Silber verfertigte oder damit überzogene Geschmeide, welches
zur Zierde der Person dient; und unter Putz dasjenige verstanden, was außer
Schmuck, Geschmeide und Kleidungsstücken zur Verzierung der Person gebraucht
wird.
k) des Goldes oder Silbers; der
Wäsche; Equipage;
§. 679. Das Vermächtniß des Goldes
oder Silbers begreift das verarbeitete und unverarbeitete, doch nicht das
gemünzte noch auch dasjenige in sich, was nur ein Theil oder eine Verzierung
eines andern Verlassenschaftsstückes, z. B. einer Uhr oder Dose, ausmacht. Die
Wäsche wird nicht zur Kleidung, und Spitzen werden nicht zur Wäsche, sondern
zum Putze gerechnet. Unter Equipage werden die zur Bequemlichkeit des
Erblassers bestimmten Zugpferde und Wagen sammt dem dazu gehörigen Geschirre;
nicht auch Reitpferde und Reitzeug verstanden.
l) der Barschaft;
§. 680. Zur Barschaft gehören auch
jene öffentlichen Credits-Papiere, welche im ordentlichen Umlaufe die Stelle
des baren Geldes vertreten.
m) Ueber die Benennung: Kinder;
§. 681. Unter dem Worte: Kinder,
werden, wenn der Erblasser die Kinder eines Andern bedenkt, nur die Söhne und
Töchter: wenn er aber seine eigenen Kinder bedenkt, auch die an deren Stelle
tretenden Nachkömmlinge begriffen, welche bey dem Ableben des Erblassers schon
erzeugt waren.
n) Verwandte;
§. 682. Ein ohne nähere Bestimmung
für die Verwandten ausgesetztes Vermächtniß wird denjenigen, welche nach der
gesetzlichen Erbfolge die nächsten sind, zugewendet, und die oben in dem §.
559. über die Vertheilung einer Erbschaft unter solchen Personen, welche für
eine Person angesehen werden, aufgestellte Regel ist auch auf Vermächtnisse
anzuwenden.
o) Dienstpersonen.
§. 683. Hat der Erblasser seinen
Dienstpersonen ein Vermächtniß hinterlassen, und sie bloß durch das Dienstverhältniß
bezeichnet; so wird vermuthet, daß es diejenigen erhalten sollen, welche zur
Zeit seines Ablebens in dem Dienstverhältnisse stehen. Doch kann in diesem, so
wie in den übrigen Fällen, die Vermuthung durch entgegengesetzte stärkere
Vermuthungsgründe aufgehoben werden.
Anfallstag bey den Vermächtnissen.
§. 684. Der Legatar erwirbt in der
Regel (§. 699.) gleich nach dem Tode des Erblassers für sich und seine
Nachfolger ein Recht auf das Vermächtniß. Das Eigenthumsrecht auf die vermachte
Sache aber kann nur nach den für die Erwerbung des Eigenthumes in dem fünften
Hauptstücke aufgestellten Vorschriften erlanget werden.
Zahlungstag.
§. 685. Das Vermächtniß einzelner
Verlassenschaftsstücke und darauf sich beziehender Rechte, kleine Belohnungen
des Dienstgesindes, und fromme Vermächtnisse können sogleich; andere aber erst
nach einem Jahre, von dem Tode des Erblassers, gefordert werden.
§. 686. Bey dem Vermächtnisse eines
einzelnen Verlassenschaftsstückes kommen dem Legatar auch die seit dem Tode des
Erblassers laufenden Zinsen, entstandenen Nutzungen, und jeder andere Zuwachs
zu Statten. Er trägt hingegen auch alle auf dem Legate haftende Lasten und
selbst den Verlust, wenn es ohne Verschulden eines Andern vermindert wird, oder
gänzlich zu Grunde geht.
§. 687. Wird jemanden ein in
wiederkehrenden Fristen, als: alle Jahre, Monathe und dergleichen zu leistender
Betrag vermacht; so erhält der Legatar ein Recht auf den ganzen Betrag dieser
Frist, wenn er auch nur den Anfang der Frist erlebt hat. Doch kann der Betrag
erst mit Ablauf der Frist gefordert werden. Die erste Frist fängt mit dem
Sterbetage des Erblassers zu laufen an.
Recht des Legatars zur
Sicherstellung.
§. 688. In allen Fällen, in welchen
ein Gläubiger von einem Schuldner Sicherstellung zu fordern berechtigt ist;
kann auch ein Legatar die Sicherstellung seines Legates verlangen. Wie die
Einverleibung eines Vermächtnisses, zur Begründung eines dinglichen Rechtes,
geschehen müsse, ist oben §. 437. vorgeschrieben worden.
Wem ein erledigtes Vermächtniß zufalle?
§. 689. Ein Vermächtniß, welches
der Legatar nicht annehmen kann oder will, fällt auf den Nachberufenen. (§.
652). Ist kein Nachberufener vorhanden, und ist das ganze Vermächtniß mehrern
Personen ungetheilt oder ausdrücklich zu gleichen Theilen zugedacht; so wächst
der Antheil, den einer von ihnen nicht erhält, den übrigen eben so, wie den
Miterben die Erbschaft zu. Außer den gedachten zwey Fällen bleibt das erledigte
Vermächtniß in der Erbschafts-Masse.
Recht des Erben, wenn die Lasten
die Masse erschöpfen;
§. 690. Wenn die ganze Erbschaft
durch Vermächtnisse erschöpft ist; so hat der Erbe nichts weiter, als die
Vergütung seiner zum Besten der Masse gemachten Auslagen und eine seinen
Bemühungen angemessene Belohnung zu fordern. Will er den Nachlaß nicht selbst
verwalten; so muß er um die Aufstellung eines Curators anlangen.
§. 691. Können nicht alle Legatare
aus der Verlassenschafts-Masse befriediget werden; so wird das Legat des
Unterhaltes vor allen andern entrichtet, und dem Legatar gebührt der Unterhalt
von dem Tage des Erbanfalles.
oder gar übersteigen.
§. 692. Reicht die Verlassenschaft
zur Bezahlung der Schulden, anderer pflichtmäßigen Auslagen, und zur
Berichtigung aller Vermächtnisse nicht zu; so leiden die Legatare einen
verhältnißmäßigen Abzug. Daher ist der Erbe, so lange eine solche Gefahr
obwaltet, die Vermächtnisse ohne Sicherstellung zu berichtigen nicht schuldig.
§. 693. Im Falle aber, daß die
Legatare die Vermächtnisse bereits empfangen haben, wird der Abzug nach dem
Werthe, den das Vermächtniß zur Zeit des Empfanges hatte, und den daraus
gezogenen Nutzungen bestimmt. Doch steht dem Legatar auch nach empfangenem
Vermächtnisse noch immer frey, zur Vermeidung des Beytrages, das Vermächtniß,
oder den oben erwähnten Werth und die bezogenen Nutzungen in die Masse
zurückzustellen; in Rücksicht der Verbesserungen und Verschlimmerungen wird er
als ein redlicher Besitzer behandelt.
Von den gesetzlichen Beyträgen zu
öffentlichen Anstalten.
§. 694. Die Beyträge, welche ein
Erblasser nach den politischen Vorschriften zur Unterstützung der Armen-,
Invaliden- und Krankenhäuser und des öffentlichen Unterrichtes in dem
Testamente ausgesetzt hat, sind nicht als Vermächtnisse anzusehen; sie sind
eine Staatsauflage, müssen selbst von den gesetzlichen Erben entrichtet, und
können nicht nach den Grundsätzen des Privat-Rechtes, sondern nur nach den
politischen Verordnungen beurtheilt werden.
Zwölftes Hauptstück.
Von Einschränkung und Aufhebung des
letzten Willens.
Recht des Erblassers zur Einschränkung
oder Aenderung seines letzten Willens.
§. 695. Der Erblasser kann seine
Anordnung auf eine Bedingung; auf einen Zeitpunct; durch einen Auftrag; oder,
eine erklärte Absicht einschränken. Er kann auch sein Testament oder Codicill
abändern, oder es ganz aufheben.
Arten der Einschränkung des letzten
Willens:
1) Bedingung.
§. 696. Eine Bedingung heißt eine
Ereignung, wovon ein Recht abhängig gemacht wird. Die Bedingung ist bejahend
oder verneinend, je nachdem sie sich auf den Erfolg, oder Nichterfolg der
Ereignung bezieht. Sie ist aufschiebend, wenn das zugedachte Recht erst nach
ihrer Erfüllung zu seiner Kraft gelangt; sie ist auflösend, wenn das zugedachte
Recht bey ihrem Eintritte verloren geht.
Vorschriften:
a) über unverständliche;
§. 697. Ganz unverständliche
Bedingungen sind für nicht beygesetzt zu achten.
b) unmögliche oder unerlaubte;
§. 698. Die Anordnung, wodurch
jemanden unter einer aufschiebenden unmöglichen Bedingung ein Recht ertheilt
wird, ist ungültig, obschon die Erfüllung der Bedingung erst in der Folge
unmöglich, und die Unmöglichkeit den Erblasser bekannt geworden wäre. Eine
auflösende unmögliche Bedingung wird als nicht beygesetzt angesehen. Alles
dieses gilt auch von den unerlaubten Bedingungen.
c) mögliche und erlaubte Bedingungen;
§. 699. Sind die Bedingungen
möglich und erlaubt; so kann das davon abhängende Recht nur durch ihre genaue
Erfüllung erworben werden, sie mögen vom Zufalle, von dem Willen des bedachten
Erben, Legatars, oder eines Dritten abhängen.
d) Bedingung der Nichtverehelichung;
§. 700. Die Bedingung, daß der Erbe
oder der Legatar sich, selbst nach erreichter Großjährigkeit, nicht
verehelichen solle, ist als nicht beygesetzt anzusehen. Nur eine verwitwete
Person muß, wenn sie Ein oder mehrere Kinder hat, die Bedingung erfüllen. Die
Bedingung, daß der Erbe oder Legatar eine bestimmte Person nicht heirathe, kann
gültig auferlegt werden.
e) wenn die Bedingung bey dem Leben
des Erblassers erfüllet worden.
§. 701. Ist die in der letzten
Willenserklärung vorgeschriebene Bedingung schon bey dem Leben des Erblassers
eingetroffen; so muß die Erfüllung derselben nach dem Tode des Erblassers nur
dann wiederhohlt werden, wenn die Bedingung in einer Handlung des Erben oder
Legatars besteht, welche von ihm wiederhohlt werden kann.
Ob die Bedingung auch auf die
Nachberufenen auszudehnen sey.
§. 702. Eine dem Erben oder Legatar
beygerückte Bedingung ist, ohne ausdrückliche Erklärung des Erblassers, auf den
von dem Erblasser nachberufenen Erben oder Legatar nicht auszudehnen.
Wirkung einer möglichen
aufschiebenden Bedingung.
§. 703. Zur Erwerbung eines unter
einer aufschiebenden Bedingung zugedachten Nachlasses ist nothwendig, daß die
bedachte Person die Erfüllung der Bedingung überlebe, und bey dem Eintritte
derselben erbfähig sey.
2) Zeitpunct.
§. 704. Ist es ungewiß, ob der
Zeitpunct, auf welchen der Erblasser das zugedachte Recht eingeschränkt, kommen
oder nicht kommen werde; so wird diese Einschränkung als eine Bedingung
angesehen.
§. 705. Ist der Zeitpunct von der
Art, daß er kommen muß; so wird das zugedachte Recht, wie andere unbedingte
Rechte, auch auf die Erben der bedachten Person übertragen, und nur die
Uebergabe bis zum gesetzten Termine verschoben.
§. 706. Wäre es offenbar, daß die
in der letzten Anordnung ausgemessene Zeit nie kommen könne; so wird die
Bestimmung dieser Zeit wie die Beysetzung einer unmöglichen Bedingung
angesehen. Nur in dem Falle, daß der Erblasser wahrscheinlich bloß in der
Berechnung der Zeit sich geirret hat, wird der Zeitpunct nach dem wahrscheinlichen
Willen des Erblasser zu bestimmen seyn.
Rechtsverhältniß bey einer
Bedingung oder einem Zeitpuncte zwischen der bedachten und ihr nachfolgenden
Person.
§. 707. So lange das Recht des
Erben oder des Legatars wegen einer noch nicht erfüllten Bedingung, oder wegen
des noch nicht gekommenen Zeitpunctes verschoben bleibt; so lange finden im
ersten Falle zwischen dem gesetzlichen und eingesetzten Erben; und im zweyten
Falle zwischen dem Erben und Legatar, in Hinsicht auf den einstweiligen Besitz
und Genuß des Nachlasses oder Legates, die nähmlichen Rechte und
Verbindlichkeiten, wie bey einer fideicommissarischen Substitution, Statt.
§. 708. Wer eine Erbschaft oder ein
Vermächtniß unter einer verneinenden oder auflösenden Bedingung; oder, nur auf eine
gewisse Zeit erhält, hat gegen den, welchem die Erbschaft, oder das
Vermächtniß, beym Eintritte der Bedingung, oder des bestimmten Zeitpunctes
zufällt, die nähmlichen Rechte und Verbindlichkeiten, welche einem Erben oder
Legatar gegen den fideicommissarischen Substituten zukommen (§. 613).
3) Auftrag.
§. 709. Hat der Erblasser jemanden
einen Nachlaß unter einem Auftrage zugewendet; so ist dieser Auftrag als eine
auflösende Bedingung anzusehen, daß durch die Nichterfüllung des Auftrages der
Nachlaß verwirkt werden solle (§. 696).
§. 710. In dem Falle, daß der
Auftrag nicht genau erfüllet werden kann, muß man demselben wenigstens nach
Möglichkeit nahe zu kommen suchen. Kann auch dieses nicht geschehen; so behält
doch der Belastete, wofern aus dem Willen des Erblassers nicht das Gegentheil
erhellet, den zugedachten Nachlaß. Wer sich zur Erfüllung des Auftrages selbst
unfähig gemacht hat, wird des ihm zugedachten Nachlasses verlustig.
§. 711. Wenn der Erblasser die
Absicht, wozu er den Nachlaß bestimmt, zwar ausgedrückt, aber nicht zur Pflicht
gemacht hat, so kann die bedachte Person nicht angehalten werden, den Nachlaß
zu dieser Absicht zu verwenden.
§. 712. Die Anordnung, wodurch der
Erblasser seinem Erben eine unmögliche oder unerlaubte Handlung mit dem Beysatze
aufträgt, daß er, wofern er den Auftrag nicht befolgte, einem Dritten ein Legat
entrichten soll, ist ungültig.
Von Aufhebung der Anordnungen, und
zwar: 1) durch Errichtung einer neuen Anordnung; eines Testamentes;
§. 713. Ein früheres Testament wird
durch ein späteres gültiges Testament nicht nur in Rücksicht der
Erbseinsetzung, sondern auch in Rücksicht der übrigen Anordnungen aufgehoben;
dafern der Erblasser in dem letztern nicht deutlich zu erkennen gibt, daß das
frühere ganz oder zum Theil bestehen solle. Diese Vorschrift gilt auch dann,
wenn in dem spätern Testamente der Erbe nur zu einem Theile der Erbschaft
berufen wird. Der übrig bleibende Theil fällt nicht den in dem frühern
Testamente eingesetzten, sondern den gesetzlichen Erben zu.
oder Codicills;
§. 714. Durch ein späteres
Codicill, deren mehrere neben einander bestehen können, werden frühere
Vermächtnisse oder Codicille nur in so fern aufgehoben, als sie mit demselben
im Widerspruche stehen.
§. 715. Kann man nicht entscheiden,
welches Testament oder Codicill das spätere sey; so gelten, in so fern sie
neben einander bestehen können, beyde, und es kommen die im Hauptstück von der
Gemeinschaft des Eigenthums aufgestellten Vorschriften zur Anwendung.
ungeachtet der früher erklärten
Unabänderlichkeit.
§. 716. Der in einem Testamente
oder Codicille angehängte Beysatz: daß jede spätere Anordnung überhaupt, oder,
wenn sie nicht mit einem bestimmten Merkmahle bezeichnet ist, null und nichtig
seyn solle, verhindert zwar den Erblasser nicht, seinen letzten Willen zu
verändern; allein, wenn er in der spätern Verordnung den eben angeführten
allgemeinen, oder besondern Beysatz nicht ausdrücklich aufhebt; so wird nicht
sein späterer, sondern sein früherer Wille für gültig angenommen.
2) durch Widerruf;
§. 717. Will der Erblasser seine
Anordnung aufheben, ohne eine neue zu errichten; so muß er sie ausdrücklich
entweder mündlich, oder schriftlich widerrufen, oder die Urkunde vertilgen.
§. 718. Der Widerruf kann nur in
einem solchen Zustande gültig geschehen, worin man einen letzten Willen zu
erklären fähig ist. Ein gerichtlich erklärter Verschwender kann seinen letzten
Willen gültig widerrufen.
a) einen ausdrücklichen;
§. 719. Ein mündlicher Widerruf
einer gerichtlichen oder außergerichtlichen letzten Anordnung erfordert so
viele und solche Zeugen, als zur Gültigkeit eines mündlichen Testamentes nöthig
sind; ein schriftlicher aber, eine von dem Erblasser eigenhändig geschriebene
und unterschriebene, oder wenigstens von ihm und den zu einem schriftlichen
Testamente erforderlichen Zeugen unterfertigte Erklärung.
§. 720. Eine Anordnung des
Erblassers, wodurch er dem Erben oder Legatar unter angedrohter Entziehung
eines Vortheiles verbiethet, den letzten Willen zu bestreiten, soll für den
Fall, daß nur die Echtheit oder der Sinn der Erklärung angefochten wird, nie
von einer Wirkung seyn.
b) stillschweigenden;
§. 721. Wer in seinem Testamente
oder Codicille die Unterschrift durchschneidet; sie durchstreicht; oder, den
ganzen Inhalt auslöscht, vertilgt es. Wenn von mehreren gleichlautenden
Urkunden nur Eine vertilgt worden; so kann man daraus auf keinen Widerruf
schließen.
§. 722. Sind die gedachten
Verletzungen der Urkunde nur zufällig geschehen; oder, ist die Urkunde in
Verlust gerathen; so verliert der letzte Wille seine Wirkung nicht; wenn anders
der Zufall durch die in der Gerichtsordnung bestimmten Beweisarten, und der
Inhalt der Urkunde auf die Art erwiesen wird, wie eine mündliche letzte
Anordnung erwiesen werden muß.
§. 723. Hat ein Erblasser eine
spätere Anordnung vernichtet, die frühere schriftliche Anordnung aber
unversehrt gelassen; so kommt die frühere schriftliche wieder zur Kraft. Eine
mündliche frühere Anordnung lebt dadurch nicht wieder auf.
oder c) vermutheten.
§. 724. Ein Legat wird für
widerrufen angesehen, wenn der Erblasser die vermachte Forderung eingetrieben
und erhoben; wenn er die jemanden zugedachte Sache veräußert, und nicht wieder
zurück erhalten; oder wenn er sie auf eine solche Art in eine andere verwandelt
hat, daß die Sache ihre vorige Gestalt und ihren vorigen Rahmen verliert.
§. 725. Wenn aber der Schuldner die
Forderung aus eigenem Antriebe berichtiget hat; wenn die Veräußerung des Legats
auf gerichtliche Anordnung geschehen; wenn die Sache ohne Einwilligung des
Erblassers verwandelt worden ist; so besteht das Legat.
3) durch Entsagung der Erben.
§. 726. Will oder kann weder ein
Erbe, noch ein Nacherbe die Verlassenschaft annehmen; so fällt das Erbrecht auf
die gesetzlichen Erben. Diese sind aber verpflichtet, die übrigen Verfügungen
des Erblassers zu befolgen. Entsagen auch sie der Erbschaft; so werden die
Legatare verhältnißmäßig als Erben betrachtet.
Dreyzehntes Hauptstück.
Von der gesetzlichen Erbfolge.
Fälle der gesetzlichen Erbfolge.
§. 727. Wenn der Verstorbene keine gültige
Erklärung des letzten Willens hinterlassen; wenn er in derselben nicht über
sein ganzen Vermögen verfüget; wenn er die Personen, denen er kraft des
Gesetzes einen Erbtheil zu hinterlassen schuldig war, nicht gehörig bedacht
hat; oder, wenn die eingesetzten Erben die Erbschaft nicht annehmen können oder
wollen; so findet die gesetzliche Erbfolge ganz oder zum Theile Statt.
§. 728. In Ermangelung einer
gültigen Erklärung des letzten Willens fällt die ganze Verlassenschaft des
Verstorbenen den gesetzlichen Erben zu. Ist aber eine gültige Erklärung des
letzten Willens vorhanden; so kommt ihnen derjenige Erbtheil zu, welcher in
derselben Niemanden zugedacht ist.
Vorschrift für den Fall des verkürzten Pflichttheiles.
§. 729. Ist eine Person, welcher der Erblasser kraft der Gesetze einen Erbtheil zu hinterlassen schuldig war, durch eine letzte Willenserklärung verkürzt worden; so kann sie sich auf die Vorschrift des Gesetzes berufen, und den nach Maßgabe des folgenden Hauptstückes ihr gebührenden Erbtheil gerichtlich fordern.
Gesetzliche Erben;
I.) Die Verwandten aus einer
ehelichen Abstammung.
§. 730. Gesetzliche Erben sind zuvörderst diejenigen, welche mit dem Erblasser vermittelst ehelicher Abstammung durch die nächste Linie verwandt sind. Die Verwandtschafts-Linien werden auf folgende Art bestimmt.
Erbfähige Linien derselben.
§.
731. Zur ersten
Linie gehören diejenigen, welche sich unter dem Erblasser, als ihrem Stamme,
vereinigen, nämlich: seine Kinder und ihre Nachkömmlinge.
Zur zweiten Linie gehören
des Erblassers Vater und Mutter samt denjenigen, die sich mit ihm unter Vater
und Mutter vereinigen, nämlich: seine Geschwister und ihre Nachkömmlinge.
Zur dritten Linie gehören
die Großeltern samt den Geschwistern der Eltern und ihren Nachkömmlingen.
Von der vierten Linie
sind nur des Erblassers erste Urgroßeltern zur Erbfolge berufen.
1. Linie: Die Kinder;
§. 732. Wenn der Erblasser eheliche
Kinder des ersten Grades hat, so fällt ihnen die ganze Erbschaft zu; sie mögen
männlichen oder weiblichen Geschlechtes; sie mögen bey Lebzeiten des Erblassers
oder nach seinem Tode geboren seyn. Mehrere Kinder theilen die Erbschaft nach
ihrer Zahl in gleiche Theile. Enkel von noch lebenden Kindern, und Urenkel von
noch lebenden Enkeln haben kein Recht zur Erbfolge.
§. 733. Ist ein Kind des Erblassers vor ihm gestorben, und sind von demselben Ein
oder mehrere Enkel vorhanden; so fällt der Antheil, welcher dem verstorbenen
Kinde gebührt hätte, diesem nachgelassenen Enkel ganz, oder den mehrern Enkeln
zu gleichen Theilen zu. Ist von diesen Enkeln ebenfalls Einer gestorben und hat
Urenkel nachgelassen; so wird auf die nähmliche Art der Antheil des
verstorbenen Enkels unter die Urenkel gleich getheilt. Sind von einem Erblasser
noch entferntere Nachkömmlinge vorhanden; so wird die Theilung verhältnißmäßig
nach der eben gegebenen Vorschrift vorgenommen.
§. 734. Auf diese Art wird eine Erbschaft nicht nur dann getheilet, wenn Enkel
von verstorbenen Kindern mit noch lebenden Kindern, oder entferntere
Nachkömmlinge mit nähern Nachkömmlingen des Erblassers zusammentreffen; sondern
auch dann, wenn die Erbschaft bloß zwischen Enkeln von verschiedenen Kindern;
oder zwischen Urenkeln von verschiedenen Enkeln zu theilen ist. Es können also
die von jedem Kinde nachgelassenen Enkel, und die von jedem Enkel
nachgelassenen Urenkel, ihrer seyn viele oder wenige, nie mehr und nie weniger
erhalten, als das verstorbene Kind oder der verstorbene Enkel erhalten hätten,
wenn sie am Leben geblieben wären.
2. Linie: Die Aeltern und ihre
Nachkömmlinge:
§. 735. Ist Niemand vorhanden, der
von dem Erblasser selbst abstammt; so fällt die Erbschaft auf diejenigen, die
mit ihm durch die zweyte Linie verwandt sind, nähmlich: auf seine Aeltern und
ihre Nachkömmlinge. Leben noch beyde Aeltern; so gebührt ihnen die ganze
Erbschaft zu gleichen Theilen. Ist Eines dieser Aeltern verstorben; so treten
dessen nachgelassene Kinder oder Nachkömmlinge in sein Recht ein, und es wird
die Hälfte, die dem Verstorbenen gebührt hätte, unter sie nach jenen
Grundsätzen getheilt, welche in den §§. 732-734 wegen Theilung der Erbschaft
zwischen Kindern und entferntern Nachkömmlingen des Erblassers festgesetzt
worden sind.
§. 736. Wenn beyde Aeltern des Erblassers
verstorben sind, so wird jene Hälfte der Erbschaft, welche dem Vater zugefallen
wäre, unter seine hinterlassenen Kinder und derselben Nachkömmlinge; die andere
Hälfte aber, welche der Mutter gebührt hätte, unter ihre Kinder und derselben
Nachkömmlinge nach den §§. 732-734. getheilet. Sind von diesen Aeltern keine
andere als von ihnen gemeinschaftlich erzeugte Kinder, oder derselben
Nachkömmlinge vorhanden; so theilen sie die beyden Hälften unter sich gleich.
Sind aber außer diesen noch Kinder vorhanden, die von dem Vater oder von der
Mutter, oder von einem und der andern in einer andern Ehe erzeugt worden sind;
so erhalten die von dem Vater und der Mutter gemeinschaftlich erzeugten Kinder
oder ihre Nachkömmlinge sowohl an der väterlichen, als an der mütterlichen
Hälfte ihren gebührenden, mit den einseitigen Geschwistern gleichen Antheil.
§. 737. Wenn Eines der verstorbenen Aeltern
des Erblassers weder Kinder, noch Nachkömmlinge hinterlassen hat; so fällt die
ganze Erbschaft dem andern noch lebenden Aelterntheile zu. Ist dieser Theil
auch nicht mehr am Leben; so wird die ganze Erbschaft unter seinen Kindern und
Nachkömmlingen nach den bereits angeführten Grundsätzen vertheilet.
3. Linie:
Die Großältern und ihre Nachkommenschaft.
§. 738. Sind die Aeltern des Erblassers
ohne Nachkömmlinge verstorben; so kommt die Erbschaft auf die dritte Linie,
nähmlich: auf des Erblassers Großältern und ihre Nachkommenschaft. Die
Erbschaft wird dann in zwey gleiche Theile getheilet. Eine Hälfte gehört den
Aeltern des Vaters und ihren Nachkömmlingen; die andere den Aeltern der Mutter
und ihren Nachkömmlingen.
§. 739. Jede dieser Hälften wird unter den
Großältern der einen und der anderen Seite, wenn sie beyde noch leben, gleich
getheilt. Ist eines der Großältern, oder sind beyde von der einen oder anderen
Seite gestorben; so wird die dieser Seite zugefallene Hälfte zwischen den
Kindern und Nachkömmlingen dieser Großältern nach jenen Grundsätzen getheilt,
nach welchen in der zweyten Linie die ganze Erbschaft zwischen den Kindern und
Nachkömmlingen der Aeltern des Erblassers getheilt werden muß. (§§. 735-737.)
§. 740. Sind von der väterlichen oder von
der mütterlichen Seite beyde Großältern verstorben, und weder von dem
Großvater, noch von der Großmutter dieser Seite Nachkömmlinge vorhanden; dann
fällt den von der anderen Seite noch lebenden Großältern, oder, nach derselben
Tode, ihren hinterlassenen Kindern und Nachkömmlingen die ganze Erbschaft zu.
Vierte
Linie: Die Urgroßeltern.
§. 741. Nach gänzlicher Erlöschung der dritten Linie sind die
Urgroßeltern des Erblassers zur gesetzlichen Erbfolge berufen. Auf die
Großeltern des Vaters des Erblassers entfällt die eine Hälfte der Erbschaft,
auf die Großeltern der Mutter die andere Hälfte. In jede Hälfte der Erbschaft
teilen sich die beiden Großelternpaare zu gleichen Teilen. Ist ein Teil eines
Großelternpaares nicht vorhanden, so fällt das auf diesen Teil entfallende
Achtel der Erbschaft an den überlebenden Teil dieses Großelternpaares. Fehlt
ein Großelternpaar, so ist zu seinem Viertel das andere Großelternpaar
desselben Elternteiles des Erblassers berufen.
Fehlen
die Großelternpaare des einen Elternteiles des Erblassers, so sind zu der auf
sie entfallenden Nachlaßhälfte die Großelternpaare des anderen Elternteiles in demselben
Ausmaß wie zu der ihnen unmittelbar zufallenden Nachlaßhälfte berufen.
§. 742. (Anm.: Aufgehoben durch § 62, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste
Teilnovelle.)
§. 743. (Anm.: Aufgehoben durch § 62, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste
Teilnovelle.)
5. Linie:
Die zweyten Urgroßältern und ihre Nachkömmlinge.
§. 744. (Anm.: Aufgehoben durch § 62, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste
Teilnovelle.)
§. 745. (Anm.: Aufgehoben durch § 62, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste
Teilnovelle.)
§. 746. (Anm.: Aufgehoben durch § 62, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste
Teilnovelle.)
§. 747. (Anm.: Aufgehoben durch § 62, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste
Teilnovelle.)
6. Linie:
Die dritten Urgroßältern u. ihre Nachkommenschaft.
§. 748. (Anm.: Aufgehoben durch § 62, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste
Teilnovelle.)
§. 749. (Anm.: Aufgehoben durch § 62, RGBl 1914/Nr. 276 - Erste
Teilnovelle.)
§. 750. Wenn jemand mit dem Erblasser von
mehr als einer Seite verwandt ist; so genießt er von jeder Seite dasjenige
Erbrecht, welches ihm, als einem Verwandten von dieser Seite ins besondere
betrachtet, gebührt. (§. 736.)
Ausschließung der entferntern
Verwandten.
§. 751. Auf diese vier Linien der ehelichen Verwandtschaft wird das
Recht der Erbfolge in Ansehung eines frei vererblichen Vermögens eingeschränkt.
II.) Gesetzliches Erbrecht
legitimirter Kinder.
§. 752. Außer der Ehe geborne und durch
nachher erfolgte Vermählung ihrer Aeltern legitimirte Kinder; wie auch
diejenigen, welchen, ungeachtet eines bey der Verehelichung ihrer Aeltern
bestandenen Hindernisses, die besondere Begünstigung des §. 160 zukommt,
genießen unter den in diesem §. 160, und dem §. 161, enthaltenen Beschränkungen
auch in Rücksicht der gesetzlichen Erbfolge die Rechte ehelicher Kinder.
§. 753. Einem unehelichen, durch die
Begünstigung des Gesetzgebers legitimirten, Kinde kommt auf die väterliche
Verlassenschaft nur dann ein gesetzliches Erbrecht zu, wenn es auf Ansuchen des
Vaters, um gleiche Rechte mit den ehelichen Kindern in dem frey vererblichen
Vermögen zu genießen, legitimirt worden ist.
III.) Der unehelichen Kinder.
§. 754. In Rücksicht auf die Mutter und die Verwandten der Mutter
haben uneheliche Kinder bei der gesetzlichen Erbfolge in das freivererbliche
Vermögen gleiche Rechte mit den ehelichen. Zu dem Nachlasse des Vaters und der
väterlichen Verwandten gebührt den unehelichen Kindern keine gesetzliche
Erbfolge.
IV.) Der Wahlkinder.
§. 755. Wahlkinder haben bey der
gesetzlichen Erbfolge in das frey vererbliche Vermögen desjenigen, welcher sie
an Kindes Statt angenommen hat, ein gleiches Recht, wie die ehelichen Kinder.
In Rücksicht der Verwandten desselben oder des Ehegatten, ohne dessen
Einwilligung die Annahme geschehen ist, steht ihnen kein Erbrecht zu. Sie
behalten aber das gesetzliche Erbrecht in dem Vermögen ihrer natürlichen
Aeltern und Verwandten. (§. 183.)
V.) Erbrecht der Aeltern in
Rücksicht der in den §§. 752-754 erwähnten Kinder.
§. 756. Den Eltern kommt auf den Nachlaß ihrer legitimierten oder von
dem Gesetze besonders begünstigten unehelichen Kinder eben das wechselseitige
Recht zu, welches den Kindern auf den Nachlaß ihrer Eltern eingeräumt worden
ist (§§ 752 bis 754). In das Vermögen eines unehelich gebliebenen Kindes
gebührt nur der Mutter und ihren Verwandten die Erbfolge; der Vater und seine
Verwandten sind davon ausgeschlossen. Auch die Wahleltern haben kein
gesetzliches Erbrecht auf die Verlassenschaft des Wahlkindes; sie fällt nach
der gesetzlichen Erbfolge dessen Verwandten zu.
VI.) Gesetzliches Erbrecht des
Ehegatten.
§. 757. Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist neben Kindern des
Erblassers und deren Nachkommen zu einem Viertel des Nachlasses, neben den
Eltern des Erblassers und deren Nachkommen oder neben Großeltern zur Hälfte des
Nachlasses gesetzlicher Erbe. Sind neben Großeltern Nachkommen verstorbener
Großeltern vorhanden, so erhält überdies der Ehegatte von der anderen Hälfte
der Erbschaft den Teil, der nach §§ 739 und 740 den Nachkommen der verstorbenen
Großeltern zufallen würde. In allen Fällen wird in den Erbteil des Ehegatten
dasjenige eingerechnet, was ihm gemäß der Ehepakten oder eines Erbvertrages aus
dem Vermögen des Erblassers zukommt.
Sind
weder gesetzliche Erben der ersten oder zweiten Linie noch Großeltern
vorhanden, so erhält der überlebende Ehegatte die ganze Erbschaft.
§. 758. Außer dem Erbteile gebühren dem überlebenden Ehegatten als
Vorausvermächtnis die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen,
neben Kindern des Erblassers jedoch nur das für seinen eigenen Bedarf Nötige.
§. 759. Ein aus seinem Verschulden geschiedener Ehegatte hat kein
gesetzliches Erbrecht und keinen Anspruch auf das gesetzliche
Vorausvermächtnis.
Beides
ist dem überlebenden Ehegatten auch dann versagt, wenn der Erblasser die Klage
wegen Trennung oder Scheidung der Ehe aus Verschulden des anderen schon
angebracht hatte und der Klage stattgegeben wird.
Erblose Verlassenschaft.
§. 760. Wenn kein zur Erbfolge Berechtigter vorhanden ist oder wenn
niemand die Erbschaft erwirbt, fällt die Verlassenschaft als ein erbloses Gut
dem Staate anheim.
Abweichungen von der allgemeinen
Erbfolgeordnung.
§. 761. Die Abweichungen von der in diesem
Hauptstücke bestimmten gesetzlichen Erbfolge in Rücksicht auf Bauerngüter, und
die Verlassenschaft geistlicher Personen sind in den politischen Gesetzen
enthalten.
Vierzehntes
Hauptstück.
Von dem Pflichttheile und der Anrechnung
in den Pflicht- oder Erbtheil.
Welchen Personen als Notherben ein
Pflichttheil gebühre.
§. 762. Die Personen, welche der
Erblasser in den letzten Anordnung mit einem Erbtheile bedenken muß, sind seine
Kinder, und, in deren Ermangelung, seine Aeltern.
§. 763. Unter dem Nahmen Kinder
werden nach der allgemeinen Regeln (§. 42.) auch Enkel und Urenkel; und unter
dem Nahmen Aeltern alle Großältern begriffen. Es findet hier zwischen dem
männlichen und weiblichen Geschlechte; zwischen ehelicher und unehelicher
Geburt kein Unterschied Statt, sobald für diese Person das Recht und die
Ordnung der gesetzlichen Erbfolge eintreten würde.
§. 764. Der Erbtheil, welchen diese
Personen zu fordern berechtigt sind, heißt: Pflichttheil; sie selbst werden in
dieser Rücksicht Notherben genannt.
In welchem Betrage,
§. 765. Als Pflichttheil bestimmt
das Gesetz jedem Kinde die Hälfte dessen, was ihm nach der gesetzlichen
Erbfolge zugefallen wäre.
§. 766. In der aufsteigenden Linie
gebührt jedem Notherben als Pflichttheil ein Drittheil dessen, was er nach der
gesetzlichen Erbfolge erhalten haben würde.
und unter was für Beschränkungen.
§. 767. Wer auf das Erbrecht
Verzicht geleistet hat; wer nach den in dem achten Hauptstücke enthaltenen
Vorschriften von dem Erbrechte ausgeschlossen wird; oder von dem Erblasser
rechtmäßig enterbet worden ist; hat auf einen Pflichttheil einen Anspruch, und
wird bey der Ausmessung desselben so betrachtet, als wenn er gar nicht
vorhanden wäre.
Erfordernisse einer rechtmäßigen
Enterbung.
§. 768. Ein Kind kann enterbt
werden:
1) (Anm.: Aufgehoben durch Art. 7,
RGBl 1868/Nr. 49.)
2) wenn es den Erblasser im
Nothstande hülflos gelassen hat;
3) wenn es eines Verbrechens wegen
zur lebenslangen oder zwanzigjährigen Kerkerstrafe verurtheilt worden ist;
4) wenn es eine gegen die
öffentliche Sittlichkeit anstößige Lebensart beharrlich führet.
§. 769. Aus den nähmlichen Ursachen
können auch die Aeltern von dem Pflichttheile ausgeschlossen werden, und ins
besondere noch dann, wenn sie das Kind in der Erziehung ganz verwahrloset
haben.
§. 770. Ueberhaupt kann einem
Notherben auch solcher Handlungen wegen, die einen Erben nach den §§. 540-542.
des Erbrechtes unwürdig machen, durch die letzte Willenserklärung der
Pflichttheil entzogen werden.
§. 771. Die Enterbungsursache muß
immer, sie mag von dem Erblasser ausgedrückt seyn oder nicht, von dem Erben
erwiesen werden, und in den Worten, und dem Sinne des Gesetzes gegründet seyn.
§. 772. Die Enterbung wird nur
durch einen ausdrücklichen in der gesetzlichen Form erklärten Widerruf
aufgehoben.
§. 773. Wenn bey einem sehr
verschuldeten oder verschwenderischen Notherben das wahrscheinliche Besorgniß
obwaltet, daß der ihm gebührende Pflichttheil ganz oder größten Theils seinen
Kindern entgehen würde; so kann ihm der Pflichttheil von dem Erblasser, jedoch
nur dergestalt entzogen werden, daß solcher den Kindern des Notherben
zugewendet werde.
Wie der Pflichttheil zu
hinterlassen.
§. 774. Der Pflichttheil kann in
Gestalt eines Erbtheiles oder Vermächtnisses, auch ohne ausdrückliche Benennung
des Pflichttheiles hinterlassen werden. Er muß aber dem Notherben ganz frey
bleiben. Jede denselben einschränkende Bedingung oder Belastung ist ungültig.
Wird dem Notherben ein größerer Erbtheil zugedacht; so kann sie nur auf den
Theil, welcher den Pflichttheil übersteigt, bezogen werden.
Rechtsmittel des Notherben:
a) bey einer widerrechtlichen
Enterbung oder Verkürzung in dem Pflichttheile;
§. 775. Ein Notherbe, welcher ohne die
in den §§. 768-773 vorgeschriebenen Bedingungen enterbt worden, kann den ihm
gebührenden vollen Pflichttheil; und, wenn er in dem reinen Betrage des
Pflichttheils verkürzt worden ist, die Ergänzung desselben fordern.
b) bey einer gänzlichen Uebergehung.
§. 776. Wenn aus mehrern Kindern,
deren Daseyn dem Erblasser bekannt war, Eines ganz mit Stillschweigen
übergangen wird; so kann es ebenfalls nur den Pflichttheil fordern.
§. 777. Wenn aber aus den Umständen
erwiesen werden kann, daß die Uebergehung Eines aus mehrern Kindern nur daher
rühre, weil dem Erblasser das Daseyn desselben unbekannt war, so ist der
Uebergangene nicht schuldig, sich mit dem Pflichttheile zu begnügen; sondern er
kann den Erbtheil, welcher für den am mindesten begünstigten Notherben ausfällt;
wofern aber der einzige noch übrige Notherbe eingesetzt wird, oder alle übrige
zu gleichen Theilen berufen sind, einen gleichen Erbtheil verlangen.
§. 778. Hat der Erblasser einen
einzigen Notherben, und er übergeht ihn aus oben gedachtem Irrthume mit
Stillschweigen; oder erhält ein kinderloser Erblasser erst nach Erklärung
seines letzten Willens einen Notherben, für den keine Vorsehung getroffen ist;
so werden nur die zu öffentlichen Anstalten, zur Belohnung geleisteter Dienste,
oder zu frommen Absichten bestimmten Vermächtnisse in einem, den vierten Theil
der reinen Verlassenschaft nicht übersteigenden, Betrage verhältnißmäßig
entrichtet, alle übrige Anordnungen den letzten Willens aber gänzlich
entkräftet. Sie erlangen jedoch, wenn der Notherbe vor dem Erblasser verstorben
ist, wieder ihre Kraft.
§. 779. Wenn ein Kind vor dem
Erblasser stirbt und Abstämmlinge hinterläßt; so treten diese mit
Stillschweigen übergangenen Abstämmlinge in Ansehung des Erbrechtes an die
Stelle des Kindes.
§. 780. Die Abstämmlinge eines in
dem letzten Willen ausdrücklich enterbten, aber vor dem Erblasser verstorbenen
Kindes sind bloß befugt, den Pflichttheil zu verlangen.
§. 781. Wird ein Notherbe der
aufsteigenden Linie mit Stillschweigen übergangen; so kann er immer nur den
Pflichtteil aus der Masse fordern.
§. 782. Wenn der Erbe beweisen
kann, daß ein mit Stillschweigen übergangener Notherbe sich einer der in den
§§. 768-770. angeführten Enterbungsursachen schuldig gemacht hat; so wird die
Uebergehung als eine stillschweigende rechtliche Enterbung angesehen.
Wer zur Entrichtung des Erb- oder
Pflichttheils beyzutragen habe.
§. 783. In allen Fällen, wo einem
Notherben der gebührende Erb- oder Pflichttheil gar nicht, oder nicht
vollständig ausgemessen worden ist, müssen sowohl die eingesetzten Erben, als
auch die Legatare verhältnißmäßig zur vollständigen Entrichtung beytragen.
Art der Ausmessung und Berechnung
des Pflichttheiles.
§. 784. Um den Pflichttheil richtig
ausmessen zu können, werden alle zur Verlassenschaft Gehörige, bewegliche und
unbewegliche Sachen, alle Rechte und Forderungen, welche der Erblasser auf
seine Nachfolger frey zu vererben befugt war, selbst alles, was ein Erbe oder
Legatar in die Masse schuldig ist, genau beschrieben und ordentlich geschätzt.
Den Notherben steht frey, der Schätzung beyzuwohnen, und ihre Erinnerungen
dabey zu machen. Auf eine Feilbiethung der Verlassenschaftsstücke zur Erhebung
des wahren Werthes kann von ihnen nicht gedrungen werden.
§. 785. Schulden und andere Lasten,
welche schon bey Lebzeiten des Erblassers auf dem Vermögen hafteten, werden von
der Masse abgerechnet.
§. 786. Der Pflichttheil wird ohne
Rücksicht auf Vermächtnisse, und andere aus dem letzten Willen entspringenden
Lasten berechnet. Bis zur wirklichen Zutheilung ist die Verlassenschaft, in
Ansehung des Gewinnes und der Nachtheile, als ein zwischen den Haupt- und
Notherben verhältnißmäßig gemeinschaftliches Gut zu betrachten.
Anrechnung zum Pflichttheile.
§. 787. Alles, was die Notherben
durch Legate oder andere Verfügungen des Erblassers wirklich aus der
Verlassenschaft erhalten, wird bey Bestimmung ihres Pflichttheiles in Rechnung
gebracht.
§. 788. Was der Erblasser bey
Lebzeiten seiner Tochter oder Enkelinn zum Heirathsgute; seinem Sohne oder
Enkel zur Ausstattung, oder unmittelbar zum Antritte eines Amtes, oder was
immer für eines Gewerbes gegeben; oder zur Bezahlung der Schulden eines
großjährigen Kinder verwendet hat, wird in den Pflichttheil eingerechnet.
§. 789. Bey dem Pflichttheile der
Aeltern findet die Anrechnung eines Vorschusses in so fern Statt, als er weder
zur gesetzlichen Unterstützung (§. 154.), noch aus bloßer Freygebigkeit
geleistet worden ist.
oder zum Erbtheile bey der
gesetzlichen Erbfolge.
§. 790. Die Anrechnung bey der
Erbfolge der Kinder aus einem letzten Willen geschieht nur dann, wenn sie von
dem Erblasser ausdrücklich verordnet wird. Dagegen muß auch bey der
gesetzlichen Erbfolge ein Kind sich dasjenige, was es von dem Erblasser bey
dessen Lebenszeit zu den oben (§. 788.) erwähnten Zwecken empfangen hat,
anrechnen lassen. Einem Enkel wird nicht nur das, was er unmittelbar selbst;
sondern auch, was seine Aeltern, in deren Stelle er tritt, auf solche Arte
empfangen haben, in den Erbtheil eingerechnet.
§. 791. Was Aeltern außer den
erwähnten Fällen einem Kinde zugewendet haben, wird, wenn die Aeltern nicht
ausdrücklich die Erstattung sich ausbedungen haben, für eine Schenkung
gehalten, und nicht angerechnet.
§. 792. Die Aeltern können einem
Kinde die Anrechnung auch bey der gesetzlichen Erbfolge ausdrücklich erlassen.
Wenn aber die nöthige Erziehung und Versorgung der übrigen Kinder weder aus
ihrem eigenen, noch aus dem Vermögen der Aeltern bestritten werden könnte; so
muß das Kind dasjenige, was es zu den im §. 788. erwähnten Zwecken in voraus empfangen
hat, sich in dem Maße anrechnen lassen, als es zur Erziehung und Versorgung für
die Geschwister nothwendig ist.
§. 793. Die Anrechnung des
Empfangenen zum Erbtheile geschieht dadurch, daß jedes Kind den nähmlichen
Betrag noch vor der Theilung erhält. Ist die Verlassenschaft dazu nicht
hinreichend; so kann zwar das früher begünstigte Kind keinen Erbtheil
ansprechen, aber auch zu keiner Erstattung angehalten werden.
§. 794. Bey jeder Anrechnung wird,
wenn das Empfangene nicht in barem Gelde; sondern in andern beweglichen oder
unbeweglichen Sachen bestand, der Werth der letztern nach dem Zeitpuncte des
Empfanges; der erstern dagegen nach dem Zeitpuncte des Erbanlasses bestimmt.
Anspruch des Notherben auf den
nothwendigen,
§. 795. Einem Notherben, der von seinem
Pflichttheile selbst gesetzmäßig ausgeschlossen wird, muß doch immer der
nothwendige Unterhalt ausgemessen werden.
und des Ehegatten auf den
anständigen Unterhalt.
§. 796. Ein
Ehegatte hat zwar kein Recht auf einen Pflichtteil, es gebührt ihm aber, solange
er nicht zur zweiten Ehe schreitet, der mangelnde anständige Unterhalt, soweit
dieser nicht durch seinen gesetzlichen Erbteil oder eine für den Fall des
Überlebens bedungene oder letztwillig zugewendete Versorgung gedeckt ist. In
den im § 759 bezeichneten Fällen hat er auch auf Unterhalt aus dem Nachlaß
keinen Anspruch.
Fünfzehntes Hauptstück.
Von Besitznehmung der Erbschaft.
Bedingungen zur rechtlichen
Besitznehmung einer Erbschaft.
§. 797. Niemand darf eine Erbschaft
eigenmächtig in Besitz nehmen. Das Erbrecht muß vor Gericht verhandelt und von
demselben die Einantwortung des Nachlasses, das ist, die Uebergabe in den
rechtlichen Besitz, bewirket werden.
§. 798. Wie weit das Gericht nach
einem Todesfalle von Amts wegen vorzugehen habe, und welche Fristen und
Vorsichtsmittel bey diesem Abhandlungsgeschäfte zu beobachten seyn, bestimmen
die besondern, über das gerichtliche Verfahren bestehenden, Vorschriften. Hier
wird festgesetzt, was dem Erben oder demjenigen, der sonst einen Anspruch an
die Verlassenschaft hat, zu thun obliege, um zu dem Besitze dessen, was ihm
gebühret, zu gelangen.
Ausweisung des Rechtstitels:
Erbserklärung.
§. 799. Wer eine Erbschaft in
Besitz nehmen will, muß den Rechtstitel, ob sie ihm aus einer letzten
Anordnung; aus einem gültigen Erbvertrage; oder aus dem Gesetze zufalle, dem
Gerichte ausweisen, und sich ausdrücklich erklären, daß er die Erbschaft
annehme.
§. 800. Die Antretung der Erbschaft
oder die Erbserklärung muß zugleich enthalten, ob sie unbedingt, oder mit
Vorbehalt der Rechtswohlthat des Inventariums geschehe.
Wirkung der unbedingten,
§. 801. Die unbedingte
Erbserklärung hat zur Folge, daß der Erbe allen Gläubigern des Erblassers für
ihre Forderungen, und allen Legataren für ihre Vermächtnisse haften muß, wenn
gleich die Verlassenschaft nicht hinreichet.
und der bedingten Erklärung.
§. 802. Wird die Erbschaft mit
Vorbehalt der rechtlichen Wohlthat des Inventariums angetreten; so ist sogleich
vom Gerichte das Inventarium auf Kosten der Masse aufzunehmen. Ein solcher Erbe
wird den Gläubigern und Legataren nur so weit verbunden, als die
Verlassenschaft für ihre, und auch seine eigenen, außer dem Erbrechte ihm
zustehenden, Forderungen hinreicht.
Berechtigung zur bedingten oder
unbedingten Antretung oder Ausschlagung der Erbschaft.
§. 803. Der Erblasser kann dem
Erben den Vorbehalt dieser rechtlichen Wohltat nicht benehmen, noch die
Errichtung eines Inventariums verbiethen. Selbst die in einem Erbvertrage
zwischen Ehegatten darauf geschehene Verzicht ist von keiner Wirkung.
§. 804. Die Errichtung des
Inventariums kann auch von demjenigen verlangt werden, dem ein Pflichttheil
gebühret.
§. 805. Wer seine Rechte selbst
verwalten kann, dem steht frey, die Erbschaft unbedingt, oder mit Vorbehalt der
obigen Rechtswohlthat anzutreten oder auch auszuschlagen. Vormünder und
Curatoren haben die am gehörigen Orte ertheilten Vorschriften zu befolgen. (§.
233.)
§. 806. Der Erbe kann seine
gerichtliche Erbserklärung nicht mehr widerrufen, noch auch die unbedingte
abändern, und sich die Rechtswohlthat des Inventariums vorbehalten.
§. 807. Wenn aus mehrern Miterben
einige unbedingt; andere aber, oder auch nur Einer aus ihnen mit Vorbehalt der
erwähnten Rechtswohlthat sich zu Erben erklären; so ist ein Inventarium zu
errichten und die auf diesen Vorbehalt beschränkte Erbserklärung der
Verlassenschaftsabhandlung zum Grunde zu legen. In diesem, so wie in allen
Fällen, in welchen ein Inventarium errichtet werden muß, genießt auch
derjenige, welcher einer unbedingte Erbserklärung abgegeben hat, so lange ihm
die Erbschaft noch nicht übergeben worden, die rechtliche Wohlthat des
Inventariums.
§. 808. Wird jemand zum Erben
eingesetzt, dem auch ohne letzte Willenserklärung das Erbrecht ganz oder zum
Theile gebührt hätte; so ist er nicht befugt, sich auf die gesetzliche Erbfolge
zu berufen und dadurch die Erklärung des letzten Willens zu vereiteln. Er muß
die Erbschaft entweder aus dem letzten Willen antreten, oder ihr ganz entsagen.
Personen aber, denen ein Pflichttheil gebühret, können die Erbschaft mit Vorbehalt
ihres Pflichttheiles ausschlagen.
Uebertragung des Erbrechtes.
§. 809. Stirbt der Erbe ehe, als er die angefallene Erbschaft angetreten oder ausgeschlagen hat; so treten seine Erben, wenn der Erblasser diese nicht ausgeschlossen, oder nicht andere Nacherben bestimmt hat, in das Recht, die Erbschaft anzunehmen, oder auszuschlagen. (§. 537.)
Vorkehrungen vor Einantwortung der Erbschaft:
a) Verwaltung;
§. 810. Wenn der Erbe bey Antretung der Erbschaft sein Erbrecht hinreichend ausweiset, ist ihm die Besorgung und Benützung der Verlassenschaft zu überlassen.
b) Sicherstellung oder Befriedigung der Gläubiger;
§. 811. Für die Sicherstellung oder Befriedigung der Gläubiger des Erblassers wird vom Gerichte nicht weiter gesorgt, als sie selbst verlangen. Die Gläubiger sind aber nicht schuldig, eine Erbserklärung abzuwarten. Sie können ihre Ansprüche wider die Masse anbringen, und begehren: daß zur Vertretung derselben ein Curator bestellt werde, gegen welchen sie ihre Forderungen ausführen können.
c) Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen des Erben;
§. 812. Besorget ein Erbschaftsgläubiger, ein Legatar, oder ein Notherbe, daß er durch Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben für seine Forderung Gefahr laufen könne; so kann er vor der Einantwortung verlangen, daß die Erbschaft von dem Vermögen des Erben abgesondert, vom Gerichte verwahrt, oder von einem Curator verwaltet, sein Anspruch darauf vorgemerkt und berichtiget werde. In einem solchen Falle hat ihm aber der Erbe, obschon dieser sich unbedingt als Erbe erkläret hätte, aus eigenem Vermögen nicht
mehr zu haften.
d) Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger.
§. 813. Dem Erben oder dem aufgestellten Verlassenschafts-Curator steht es frey, zur Erforschung des Schuldenstandes die Ausfertigung eines Edictes, wodurch alle Gläubiger zur Anmeldung und Darthuung ihrer Forderungen auf eine den Umständen angemessene Zeit einberufen werden, nachzusuchen, und bis nach verstrichener Frist mit der Befriedigung der Gläubiger inne zu halten.
Wirkung der Einberufung;
§. 814. Die Wirkung dieser gerichtlichen Einberufung ist, daß den Gläubigern, welche sich binnen der bestimmten Zeitfrist nicht gemeldet haben, an die Verlassenschaft, wenn sie durch die Bezahlung der angemeldeten Forderungen erschöpft worden ist, kein weiterer Anspruch zusteht, als in so fern ihnen ein Pfandrecht gebühret.
oder, der Unterlassung derselben.
§. 815. Unterläßt der Erbe die ihm bewilligte Vorsicht der gerichtlichen Einberufung; oder befriediget er sogleich einige der sich anmeldenden Gläubiger, ohne auf die Rechte der übrigen Rücksicht zu nehmen, und bleiben einige Gläubiger aus Unzulänglichkeit der Verlassenschaft unbezahlt; so haftet er ihnen, ungeachtet der bedingten Erbserklärung, mit seinem ganzen Vermögen in dem Maße, als sie die Zahlung erhalten haben würden, wenn die Verlassenschaft nach der gesetzlichen Ordnung zur Befriedigung der Gläubiger verwendet worden wäre.
e) Ausweisung über die Erfüllung des letzten Willens, entweder von dem Testaments-Executor;
§. 816. Hat der Erblasser einen Vollzieher (Executor) seines letzten Willens ernannt; so hängt es von dessen Willkühr ab, dieses Geschäft auf sich zu nehmen. Hat er es übernommen, so ist er schuldig, entweder als ein Machthaber die Anordnungen des Erblassers selbst zu vollziehen, oder den saumseligen Erben zur Vollziehung derselben zu betreiben.
oder dem Erben.
§. 817. Ist kein Vollzieher der letzten Willens ernannt, oder unterzieht sich der ernannte dem Geschäfte nicht; so liegt dem Erben unmittelbar ob, den Willen des Erblassers so viel möglich zu erfüllen, oder die Erfüllung sicher zu stellen, und sich gegen das Gericht darüber auszuweisen. In Ansehung bestimmter Legatare hat er bloß darzuthun, daß er denselben von dem ihnen zugefallenen Vermächtnisse Nachricht gegeben habe (§. 688.)
§. 818. Was der Erbe, ehe er zum Besitze der Erbschaft gelangen kann, an Abgaben zu entrichten, und im Falle, daß sein Erblasser gegen das Staats-Aerarium in Verrechnung gestanden ist, hierwegen auszuweisen habe, darüber enthalten die politischen Verordnungen die besondere Vorschrift.
Wann die Erbschaft einzuantworten.
§. 819. Sobald über die eingebrachte Erbserklärung der rechtmäßige Erbe vom Gerichte erkannt, und von demselben die Erfüllung der Verbindlichkeiten geleistet ist, wird ihm die Erbschaft eingeantwortet und die Abhandlung geschlossen. Uebrigens hat der Erbe um die Uebertragung des Eigenthumes unbeweglicher Sachen zu erwirken, die Vorschrift des §. 436. zu befolgen.
Haftung der gemeinschaftlichen Erben.
§. 820. Mehrere Erben, welche eine gemeinschaftliche Erbschaft ohne die rechtliche Wohlthat des Inventariums angetreten haben, haften allen Erbschaftsgläubigern und Legataren, selbst nach der Einantwortung, Alle für Einen und Einer für Alle. Unter sich aber sind sie nach Verhältniß ihrer Erbtheile beyzutragen schuldig.
§. 821. Haben die gemeinschaftlichen Erben von der rechtlichen Wohlthat des Inventariums Gebrauch gemacht; so sind sie vor der Einantwortung den Erbschaftsgläubigern und Legataren nach dem §. 550. zu haften verbunden. Nach der erfolgten Einantwortung haftet jeder einzelne selbst für die, die Erbschafts-Masse nicht übersteigenden, Lasten nur nach Verhältniß seines Erbtheiles.
Sicherheitsmittel der Gläubiger des Erben.
§. 822. Gläubiger des Erben können zwar das ihm angefallene Erbgut, auch vor der an ihn erfolgten Einantwortung, mit Verboth, Pfändung, oder Vormerkung belegen. Eine solche Sicherstellung kann jedoch nicht anders, als mit dem ausdrücklichen Vorbehalte ertheilt werden, daß sie den bey der Abhandlung der Verlassenschaft vorkommenden Ansprüchen unnachtheilig, und erst von Zeit der erlangten Einantwortung wirksam seyn solle.
Erbschaftsklagen.
§. 823. Auch nach erhaltener Einantwortung kann der Besitznehmer von jenem, der ein besseres oder gleiches Erbrecht zu haben behauptet, auf Abtretung oder Theilung der Erbschaft belangt werden. Das Eigenthum einzelner Erbschaftstücke wird nicht mit der Erbschafts-, sondern der Eigenthumsklage verfolgt.
Wirkung derselben.
§. 824. Wenn der Beklagte zur Abtretung der Verlassenschaft ganz oder zum Theile verhalten wird; so sind die Ansprüche auf die Zurückstellung der von dem Besitzer bezogenen Früchte; oder auf die Vergütung der von demselben in dem Nachlasse verwendeten Kosten nach jenen Grundsätzen zu beurtheilen, welche in Rücksicht auf den redlichen oder unredlichen Besitzer in dem Hauptstücke vom Besitze überhaupt festgesetzt sind. Ein dritter redlicher Besitzer ist für die in der Zwischenzeit erworbenen Erbstücke niemanden verantwortlich.
Sechzehntes Hauptstück.
Von der Gemeinschaft des Eigenthums und anderer dinglichen Rechte.
Ursprung einer Gemeinschaft.
§. 825. So oft das Eigenthum der nähmlichen Sache, oder ein und dasselbe Recht mehreren Personen ungetheilt zukommt; besteht eine Gemeinschaft. Sie gründet sich auf eine zufällige Ereignung; auf ein Gesetz; auf eine letzte Willenserklärung; oder auf einen Vertrag.
§. 826. Nach Verschiedenheit der Quellen, aus denen eine Gemeinschaft entspringt, erhalten auch die Rechte und Pflichten der Theilhaber ihre nähere Bestimmung. Die besondern Vorschriften über eine durch Vertrag entstehende Gemeinschaft der Güter sind in dem sieben und zwanzigsten Hauptstücke enthalten.
§. 827. Wer einen Antheil an einer gemeinschaftlichen Sache anspricht, der muß sein Recht, wenn es von den übrigen Theilnehmern widersprochen wird, beweisen.
Gemeinschaftliche Rechte der Theilhaber.
§. 828. So lange alle Theilhaber einverstanden sind, stellen sie nur Eine Person vor, und haben das Recht, mit der gemeinschaftlichen Sache nach Belieben zu schalten. Sobald sie uneinig sind, kann kein Theilhaber in der gemeinschaftlichen Sache eine Veränderung vornehmen, wodurch über den Antheil des Andern verfügt würde.
Rechte des Theilhabers auf seinen Antheil.
§. 829. Jeder Theilhaber ist vollständiger Eigenthümer seines Antheiles. In so fern er die Rechte seiner Mitgenossen nicht verletzt, kann er denselben, oder die Nutzungen davon willkührlich und unabhängig verpfänden, vermachen, oder sonst veräußern. (§. 361.)
§. 830. Jeder Theilhaber ist befugt, auf Ablegung der Rechnung und auf Vertheilung des Ertrages zu dringen. Er kann in der Regel auch die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen; doch nicht zur Unzeit, oder zum Nachtheile der Uebrigen. Er muß sich daher einen, den Umständen angemessenen, nicht wohl vermeidlichen Aufschub gefallen lassen.
§. 831. Hat sich ein Theilhaber zur Fortsetzung der Gemeinschaft verbunden, so kann er zwar vor Verlauf der Zeit nicht austreten; allein diese Verbindlichkeit wird, wie andere Verbindlichkeiten, aufgehoben, und erstreckt sich nicht auf die Erben, wenn diese nicht selbst dazu eingewilliget haben.
§. 832. Auch die Anordnung eines Dritten, wodurch eine Sache zur Gemeinschaft bestimmt wird, muß zwar von den ersten Theilhabern, nicht auch von ihren Erben befolgt werden. Eine Verbindlichkeit zu einer immerwährenden Gemeinschaft kann nicht bestehen.
Rechte der Theilhaber in der gemeinschaftlichen Sache:
a) In Rücksicht des Hauptstammes.
§. 833. Der Besitz und die Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache kommt allen Theilhabern insgesammt zu. In Angelegenheiten, welche nur die ordentliche Verwaltung und Benützung des Hauptstammes betreffen, entscheidet die Mehrheit der Stimmen, welche nicht nach den Personen, sondern nach Verhältniß der Antheile der Theilnehmer gezählet werden.
§. 834. Bey wichtigen Veränderungen aber, welche zur Erhaltung oder bessern Benützung des Hauptstammes vorgeschlagen werden, können die Ueberstimmten Sicherstellung für künftigen Schaden; oder, wenn diese verweigert wird, den Austritt aus der Gemeinschaft verlangen.
§. 835. Wollen sie nicht austreten; oder geschähe der Austritt zur Unzeit; so soll das Los, ein Schiedsmann, oder, wofern sie sich darüber nicht einhellig vereinigen, der Richter entscheiden, ob die Veränderung unbedingt oder gegen Sicherstellung Statt finden soll oder nicht. Diese Arten der Entscheidung treten auch bey gleichen Stimmen der Mitglieder ein.
§. 836. Ist ein Verwalter der gemeinschaftlichen Sachen zu bestellen; so entscheidet über dessen Auswahl die Mehrheit der Stimmen, und in deren Abgang der Richter.
§. 837. Der Verwalter des gemeinschaftlichen Gutes wird als ein Machthaber angesehen. Er ist einerseits verbunden, ordentliche Rechnung abzulegen; andererseits aber befugt, alle nützlich gemachte Auslagen in Abrechnung zu bringen. Dieses gilt auch in dem Falle, daß ein Theilgenosse ein gemeinschaftliches Gut ohne Auftrag der übrigen Theilnehmer verwaltet.
§. 838. Wird die Verwaltung Mehrern überlassen; so entscheidet auch unter ihnen die Mehrheit der Stimmen.
b) der Nutzungen und Lasten.
§. 839. Die gemeinschaftlichen Nutzungen und Lasten werden nach Verhältniß der Antheile ausgemessen. Im Zweifel wird jeder Antheil gleich groß angesehen; wer das Gegentheil behauptet, muß es beweisen.
§. 840. Ordentlicher Weise sind die erzielten Nutzungen in Natur zu theilen. Ist aber diese Vertheilung nicht thunlich; so ist jeder berechtigt, auf die öffentliche Feilbiethung zu dringen. Der gelöste Werth wird den Theilhabern verhältnißmäßig entrichtet.
c) der Theilung.
§. 841. Bey der nach aufgehobener Gemeinschaft vorzunehmenden Theilung der gemeinschaftlichen Sache gilt keine Mehrheit der Stimmen. Die Theilung muß zur Zufriedenheit eines jeden Sachgenossen vorgenommen werden. Können sie nicht einig werden; so entscheidet das Los, oder ein Schiedsmann, oder, wenn sie sich über die Bestimmung der einen oder andern dieser Entscheidungsarten nicht einhellig vereinigen, der Richter.
§. 842. Ein Schiedsmann oder der Richter entscheidet auch, ob bey der Theilung liegender Gründe oder Gebäude ein Theilgenosse, zur Benützung seines Antheiles, einer Servitut bedürfe, und unter welcher Bedingung sie ihm zu verwilligen sey.
§. 843. Kann eine gemeinschaftliche Sache entweder gar nicht, oder nicht ohne beträchtliche Verminderung des Werthes getheilt werden, so ist sie, und zwar wenn auch nur Ein Theilgenosse es verlangt, vermittelst gerichtlicher Feilbiethung zu verkaufen, und der Kaufschilling unter die Theilhaber zu vertheilen.
§. 844. Servituten, Gränzzeichen und die zum gemeinschaftlichen Gebrauche nöthigen Urkunden sind keiner Theilung fähig. Die Grunddienstbarkeiten kommen allen Theilhabern zu Statten. Die Urkunden werden, wenn sonst nichts im Wege steht, bey dem ältesten Theilnehmer niedergelegt. Die übrigen erhalten auf ihre Kosten beglaubte Abschriften.
§. 845. Bey Theilungen der Grundstücke müssen die gegenseitigen Gränzen nach Verschiedenheit der Lage durch Säulen, Gränzsteine oder Pfähle auf eine deutliche und unwandelbare Art bezeichnet werden. Flüsse, Berge und Straßen sind natürliche Gränzen. Um den Betrug und Irrthum zu entfernen, sollen in die Steine, Säulen oder Pfähle, die wirklich zur Markung dienen, Kreuze, Wapen, Zahlen oder andere Zeichen gehauen oder darunter eingegraben werden.
§. 846. Ueber die gemachte Theilung sind Urkunden zu errichten. Ein Theilhaber einer unbeweglichen Sache erhält auch erst dadurch ein dingliches Recht auf seinen Antheil, daß die darüber errichtete Urkunde den öffentlichen Büchern einverleibt wird. (§. 436.)
§. 847. Die bloße Theilung was immer für eines
gemeinschaftlichen Gutes kann einem Dritten nicht zum Nachtheile gereichen;
alle ihm zustehende Pfand-, Servitut- und andere dingliche Rechte werden nach,
wie vor der Theilung ausgeübt. Auch persönliche Rechte, die einem Dritten gegen
eine Gemeinschaft zustehen, haben ungeachtet des erfolgten Austrittes ihre vorige Kraft.
§. 848.
Eben so kann derjenige, welcher an eine Gemeinschaft schuldig ist, die Zahlung
nicht an einzelne Theilnehmer entrichten. Solche Schulden müssen an die ganze
Gemeinschaft, oder an jenen, der sie ordentlich vorstellt, abgetragen werden.
§. 849.
Was bisher von der Gemeinschaft überhaupt bestimmt worden ist, läßt sich auch
auf die einer Familie, als einer Gemeinschaft, zustehenden Rechte und Sachen,
z. B. Stiftungen, Fideicommisse u. dgl. anwenden.
Erneuerung
der Gränzen.
§. 850.
Wenn Gränzzeichen durch was immer für Umstände so verletzt worden sind, daß sie
ganz unkenntlich werden könnten; hat jeder Theilhaber das Recht, eine
gemeinschaftliche Erneuerung der Gränzen zu verlangen. Die theilnehmenden
Nachbarn sind zu diesem Geschäfte vorzuladen, die Gränzen genau zu beschreiben,
und die Kosten von allen, nach Maß ihrer Gränzlinien, zu bestreiten.
§. 851.
Wenn die Gränzen wirklich unkennbar geworden sind; oder bey Berichtigung der
Markung ein Streit entsteht, so schützet das Gericht vor allem den letzten
Besitzstand. Wer sich dadurch verletzt zu seyn glaubt, kann die ihm in Ansehung
des Besitzrechtes, des Eigenthumes, oder eines andern Rechtes zustehenden
Behelfe der Ordnung nach anbringen. (§. 347.)
§. 852. Die
wichtigsten Behelfe bey einer Gränzberichtigung sind: die Ausmessung und
Beschreibung, oder auch die Abzeichnung des streitigen Grundes; dann, die sich
darauf beziehenden öffentlichen Bücher und andere Urkunden; endlich, die
Aussagen sachkündiger Zeugen, und das von Sachverständigen nach vorgenommenem
Augenscheine gegebene Gutachten.
§. 853.
Beweiset keine Partey ein ausschließendes Besitz- oder Eigenthumsrecht; so
vertheilt das Gericht den streitigen Raum nach Maß des bisherigen ruhigen
Besitzstandes. Ist aber auch der Besitzstand zweifelhaft; so wird der streitige
Raum zwischen den Parteyen nach dem Verhältnisse des Besitzes, von welchem der
Anspruch ausgeht, mit Beyziehungen der Kunstverständigen, vertheilt, und
hiernach die Markung vorgenommen.
Vermuthete
Gemeinschaft.
§. 854.
Erdfurchen, Zäune, Hecken, Planken, Mauern, Privat-Bäche, Canäle, Plätze und
andere dergleichen Scheidewände, die sich zwischen benachbarten Grundstücken
befinden, werden für ein gemeinschaftliches Eigenthum angesehen; wenn nicht
Wapen, Auf- oder Inschriften, oder andere Kennzeichen und Behelfe das
Gegentheil beweisen.
§. 855.
Jeder Mitgenosse kann eine gemeinschaftliche Mauer auf seiner Seite bis zur
Hälfte in der Dicke benützen, auch Blindthüren und Wandschränke dort anbringen,
wo auf der entgegengesetzten Seite noch keine angebracht sind. Doch darf das
Gebäude durch einen Schorstein, Feuerherd oder andere Anlagen nicht in Gefahr
gesetzt, und der Nachbar auf keine Art in dem Gebrauche seines Antheiles
gehindert werden.
§. 856. Alle
Miteigenthümer tragen zur Erhaltung solcher gemeinschaftlichen Scheidewände
verhältnißmäßig bey. Wo sie doppelt vorhanden sind; oder das Eigenthum getheilt
ist, bestreitet jeder die Unterhaltungskosten für das, was ihm allein gehört.
§. 857.
Ist die Stellung einer Scheidewand von der Art, daß die Ziegel, Latten oder
Steine nur auf einer Seite vorlaufen oder abhängen; oder sind die Pfeiler,
Säulen, Ständer, Bachställe auf einer Seite eingegraben; so ist im Zweifel auf
dieser Seite das ungetheilte Eigenthum der Scheidewand, wenn nicht aus einer
beyderseitigen Belastung, Einfügung, aus andern Kennzeichen, oder sonstigen
Beweisen das Gegentheil erhellet. Auch derjenige wird für den ausschließenden
Besitzer einer Mauer gehalten, welcher eine in der Richtung gleich fortlaufende
Mauer von gleicher Höhe und Dicke unstreitig besitzt.
§. 858. In
der Regel ist der ausschließende Besitzer nicht schuldig, seine verfallene
Mauer oder Planke neu aufzuführen; nur dann muß er sie in gutem Stande
erhalten, wenn durch die Oeffung für den Gränznachbar Schaden zu befürchten
stünde. Es ist aber jeder Eigenthümer verbunden, auf der rechten Seite seines
Haupteinganges für die nöthige Einschließung seines Raumes, und für die
Abtheilung von dem fremden Raume zu sorgen.
Zweyter Theil.
Zweyte Abtheilung.
Von den persönlichen Sachenrechten.
Siebzehntes Hauptstück.
Von Verträgen überhaupt.
Grund der
persönlichen Sachenrechte.
§. 859. Die persönlichen Sachenrechte,
vermöge welcher eine Person einer andern zu einer Leistung verbunden ist,
gründen sich entweder unmittelbar auf ein Gesetz; oder auf einen Vertrag; oder
auf eine erlittene Beschädigung.
§. 860. Die Fälle, in welchen jemanden
unmittelbar von dem Gesetze ein persönliches Sachenrecht ertheilet wird, sind an
den gehörigen Orten angegeben. Von dem Rechte des Schadenersatzes handelt das
dreyßigste Hauptstück.
§. 861. Wer sich erkläret, daß er jemanden
sein Recht übertragen, daß heißt, daß er ihm etwas gestatten, etwas geben, daß
er für ihn etwas thun, oder seinetwegen etwas unterlassen wolle, macht ein
Versprechen; nimmt aber der Andere das Versprechen gültig an, so kommt durch
den übereinstimmenden Willen beyder Theile ein Vertrag zu Stande. So lange die
Unterhandlungen dauern, und das Versprechen noch nicht gemacht, oder weder zum
voraus, noch nachher angenommen ist, entsteht kein Vertrag.
§. 862. Wenn zur Annahme des Versprechens
kein Zeitraum bedungen worden ist; so muß ein mündliches Versprechen ohne
Verzug angenommen werden. Bey dem schriftlichen kommt es darauf an, ob beyde
Theile sich an demselben Orte befinden, oder nicht. Im ersten Falle muß die
Annahme in vier und zwanzig Stunden; im zweyten aber innerhalb jenes
Zeitraumes, welcher zur zweymahligen Beantwortung nöthig ist, erfolgen, und dem
versprechenden Theile bekannt gemacht werden; widrigen Falls ist das
Versprechen erloschen. Vor Ablauf des festgesetzten Zeitraumes kann das
Versprechen nicht zurückgenommen werden.
Eintheilung
der Verträge.
§. 863. Man kann seinen Willen nicht nur
ausdrücklich durch Worte und allgemein angenommene Zeichen; sondern auch
stillschweigend durch solche Handlungen erklären, welche mit Ueberlegungen
aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen.
§. 864. Verträge sind einseitig oder
zweyseitig verbindlich, je nachdem nur ein Theil etwas verspricht und der
andere es annimmt; oder beyde Theile einander Rechte übertragen, und
wechselseitig annehmen. Die ersten werden also ohne Entgeld; die andern aber
mit Entgeld geschlossen.
Erfordernisse
eines gültigen Vertrages:
1)
Fähigkeiten der Personen;
§. 865. Wer den Gebrauch der Vernunft nicht
hat, wie auch ein Kind unter sieben Jahren, ist unfähig, ein Versprechen zu
machen, oder es anzunehmen. Andere Personen hingegen, welche von einem Vater,
Vormunde oder Curator abhängen, können zwar ein bloß zu ihrem Vortheile
gemachtes Versprechen annehmen; wenn sie aber eine damit verknüpfte Last
übernehmen, oder selbst etwas versprechen, hängt die Gültigkeit des Vertrages
nach den, in dem dritten und vierten Hauptstücke des ersten Theiles, gegebenen
Vorschriften in der Regel von der Einwilligung des Vertreters oder zugleich des
Gerichtes ab. Bis diese Einwilligung erfolgt, kann der andere Theil nicht
zurücktreten, aber eine angemessene Frist zur Erklärung verlangen.
§. 866. Wer listiger Weise vorgibt, daß er
Verträge zu schließen fähig sey, und dadurch einen Andern, der darüber nicht
leicht Erkundigung einhohlen konnte, hintergeht, ist zur Genugthuung
verpflichtet.
§. 867. Was zur Gültigkeit eines Vertrages
mit einer unter der besondern Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehenden
Gemeinde, (§. 27.) oder ihren einzelnen Gliedern und Stellvertretern erfordert
werde, ist aus der Verfassung derselben und den politischen Gesetzen zu
entnehmen. (§. 290.)
§. 868. (Anm.: Aufgehoben durch §
5, RGBl 1867/Nr. 131.)
2) wahre
Einwilligung.
§. 869. Die Einwilligung in einen Vertrag
muß frey, ernstlich, bestimmt und verständlich erkläret werden. Ist die
Erklärung unverständlich; ganz unbestimmt; oder erfolgt die Annahme unter
andern Bestimmungen, als unter welchen das Versprechen geschehen ist; so
entsteht kein Vertrag. Wer sich, um einen Andern zu bevortheilen, undeutlicher
Ausdrücke bedient, oder ein Scheinhandlung unternimmt, leistet Genugthuung.
§. 870. Wer von dem annehmenden Theile
durch ungerechte und gegründete Furcht zu einem Vertrage gezwungen worden, ist
ihn zu halten nicht verbunden. Ob die Furcht gegründet war, muß von dem Richter
aus den Umständen beurtheilt werden. (§. 55.)
§. 871. Wenn ein Theil von dem andern
Theile durch falsche Angaben irre geführt worden, und der Irrthum die
Hauptsache, oder eine wesentliche Beschaffenheit derselben betrifft, worauf die
Absicht vorzüglich gerichtet und erkläret worden; so entsteht für den
Irregeführten keine Verbindlichkeit.
§. 872. Betrifft aber der Irrthum weder die
Hauptsache, noch eine wesentliche Beschaffenheit derselben, sondern einen
Nebenumstand; so bleibt der Vertrag, in so fern beyde Theile in den
Hauptgegenstand gewilliget, und den Nebenumstand nicht als vorzügliche Absicht
erkläret haben, noch immer gültig: allein dem Irregeführten ist von dem Urheber
des Irrthumes die angemessene Vergütung zu leisten.
§. 873. Eben diese Grundsätze sind auch auf
den Irrthum in der Person desjenigen, welchem ein Versprechen gemacht worden
ist, anzuwenden; in so fern ohne den Irrthum der Vertrag entweder gar nicht,
oder doch nicht auf solche Art errichtet worden wäre.
§. 874. In jedem Falle muß derjenige,
welcher einen Vertrag durch List oder ungerechte Furcht bewirket hat, für die nachtheiligen
Folgen Genugthuung leisten.
§. 875. Ist der
versprechende Theil von einem Dritten entweder durch ungerechte und gegründete
Furcht zu einem Vertrage gezwungen; oder durch falsche Angaben irre geführet
worden; so ist der Vertrag gültig. Nur in dem Falle, daß der annehmende Theil
an der widerrechtlichen Handlung des Dritten Theil nahm, oder dieselbe offenbar
wissen mußte, ist er eben so nach den §§. 870-874 zu behandeln, als wenn er
selbst den andern Theil in Furcht oder Irrthum versetzt hätte.
§. 876. Wenn der versprechende Theil selbst
und allein an seinem wir immer gearteten Irrthume Schuld ist, so besteht der
Vertrag; es wäre denn, daß dem annehmenden Theile der obwaltende Irrthum
offenbar aus den Umständen auffallen mußte.
§. 877. Wer die Aufhebung eines Vertrages
aus Mangel der Einwilligung verlangt, muß dagegen auch Alles zurückstellen, was
es aus einem solchen Vertrage zu seinem Vortheile erhalten hat.
3)
Möglichkeit der Leistung.
§. 878. Ueber Alles, was im Verkehre steht,
können Verträge geschlossen werden. Was nicht geleistet werden kann; was
geradezu unmöglich oder unerlaubt ist, kann kein Gegenstand eines gültigen
Vertrages werden. Wer einen andern durch dergleichen Zusagen täuschet; wer ihn
aus schuldbarer Unwissenheit verkürzt; oder aus dessen Schaden einen Nutzen
zieht, bleibt dafür verantwortlich.
§. 879. Insbesondere sind, außer den am
gehörigen Orte angeführten folgende Verträge ungültig:
1) Wenn etwas für die Unterhandlung
eines Ehevertrages bedungen wird;
2) Wenn ein Wundarzt oder was immer
für ein Arzt sich von dem Kranken für die Uebernehmung der Cur; oder
3) Wenn ein Rechtsfreund sich für
die Uebernehmung eines Processes eine bestimmte Belohnung bedingt; oder eine
ihm anvertraute Streitsache an sich löset;
4) Wenn eine Erbschaft oder ein
Vermächtniß, die man von einer dritten Person hofft, noch bey Lebzeiten
derselben veräußert wird.
§. 880. Wird der Gegenstand, worüber ein
Vertrag geschlossen worden, vor dessen Uebergabe dem Verkehre entzogen; so ist
es eben so viel, als wenn man den Vertrag nicht geschlossen hätte.
§. 881. Außer den von den Gesetzen
bestimmten Fällen kann zwar niemand für einen Andern ein Versprechen machen,
oder annehmen. Hat aber jemand seine Verwendung bey einem Dritten versprochen,
oder gar für den Erfolg gestanden; so muß er die eingegangene Verbindlichkeit
nach Maß seines Versprechens erfüllen.
§. 882. Sind unmögliche und mögliche Dinge
zugleich versprochen worden, so müssen die möglichen erfüllet werden; wenn
anders die Vertrag schließenden Theile nicht die ausdrückliche Bedingung
gemacht haben, daß kein Punct des Vertrages von dem andern abgesondert werden
könne.
Form der
Verträge.
§. 883. Ein Vertrag kann mündlich oder
schriftlich; vor Gericht oder außerhalb desselben; mit oder ohne Zeugen
errichtet werden. Diese Verschiedenheit der Form macht, außer den im Gesetze
bestimmten Fällen, in Ansehung der Verbindlichkeit keinen Unterschied.
§. 884. Haben sich die Parteyen
ausdrücklich zu einem schriftlichen Vertrage verabredet; so wird er vor der Unterschrift
der Parteyen nicht für geschlossen angesehen. Die Siegelung wird auch in diesem
Falle nicht wesentlich erfordert.
Punctation.
§. 885. Ist zwar noch nicht die
förmliche Urkunde, aber doch ein Aufsatz über die Hauptpuncte errichtet, und
von den Parteyen unterfertiget worden; so gründet auch schon ein solcher
Aufsatz diejenigen Rechte und Verbindlichkeiten, welche darin ausgedrückt sind.
§. 886. Wer des Schreibens
unkundig, oder wegen körperlicher Gebrechen zu schreiben unfähig ist, muß zwey
Zeugen, deren einer dessen Nahmen unterfertiget, beyziehen, und sein
gewöhnliches Handzeichen beyrücken.
§. 887. Wenn über einen Vertrag eine Urkunde errichtet worden; so ist auf vorgeschützte mündliche Verabredungen, welche zugleich geschehen seyn sollen, aber mit der Urkunde nicht übereinstimmen, oder neue Zusätze enthalten, kein Bedacht zu nehmen.
Gemeinschaftliche
Verbindlichkeit oder Berechtigung.
§. 888. Wenn zwey oder mehrere
Personen jemanden eben dasselbe Recht zu einer Sache versprechen, oder es von
ihm annehmen; so wird sowohl die Forderung, als die Schuld nach den Grundsätzen
der Gemeinschaft des Eigenthumes getheilt.
§. 889. Außer den in dem Gesetze
bestimmten Fällen haftet also aus mehrern Mitschuldnern einer theilbaren Sache
jeder nur für seinen Antheil, und eben so muß von mehrern Mitgenossen einer
theilbaren Sache, jeder sich mit dem ihm gebührenden Theile begnügen.
§. 890. Betrifft es hingegen
untheilbare Sachen; so kann ein Gläubiger, wenn er der einzige ist, solche von
einem jeden Mitschuldner fordern. Wenn aber mehrere Gläubiger und nur Ein
Schuldner da sind; so ist dieser die Sache einem einzelnen Mitgläubiger, ohne
Sicherstellung heraus zu geben, nicht verpflichtet; er kann auf die
Uebereinkunft aller Mitgläubiger dringen, oder die gerichtliche Verwahrung der
Sache verlangen.
Correalität.
§. 891. Versprechen mehrere
Personen ein und dasselbe Ganze zur ungetheilten Hand dergestalt, daß sich
Einer für Alle, und Alle für Einen ausdrücklich verbinden; so haftet jede
einzelne Person für das Ganze. Es hängt dann von dem Gläubiger ab, ob er von
allen, oder von einigen Mitschuldnern das Ganze, oder nach von ihm gewählten
Antheilen, oder ob er es von einem Einzigen fordern wolle. Selbst nach
erhobener Klage bleibt ihm, wenn er von derselben absteht, diese Wahl
vorbehalten; und, wenn er von einem oder dem andern Mitschuldner nur zum Theile
befriediget wird; so kann er das Rückständige von den übrigen fordern.
§. 892. Hat hingegen einer mehrern
Personen eben dasselbe Ganze zugesagt, und sind diese ausdrücklich berechtiget
worden, es zur ungetheilten Hand fordern zu können; so muß der Schuldner das
Ganze demjenigen dieser Gläubiger entrichten, der ihn zuerst darum angeht.
§. 893. Sobald ein Mitschuldner dem
Gläubiger das Ganze entrichtet hat, darf dieser von den übrigen Mitschuldnern
nichts mehr fordern; und sobald ein Mitgläubiger von dem Schuldner ganz
befriediget worden ist, haben die übrigen Mitgläubiger keinen Anspruch mehr.
§. 894. Ein Mitschuldner kann
dadurch, daß er mit dem Gläubiger lästigere Bedingungen eingeht, den übrigen
keinen Nachtheil zuziehen, und die Nachsicht oder Befreyung, welche ein
Mitschuldner für seine Person erhält, kommt den übrigen nicht zu Statten.
§. 895. Wie weit aus mehrern
Mitgläubigern, welchen eben dasselbe Ganze zur ungetheilten Hand zugesagt
worden ist, derjenige, welcher die ganze Forderung für sich erhalten hat, den
übrigen Gläubigern hafte, muß aus den besondern, zwischen den Mitgläubigern
bestehenden, rechtlichen Verhältnissen bestimmt werden. Besteht kein solches
Verhältniß; so ist einer dem andern keine Rechenschaft schuldig.
§. 896. Ein Mitschuldner zur
ungetheilten Hand, welcher die ganze Schuld aus dem Seinigen abgetragen hat,
ist berechtiget, auch ohne geschehene Rechtsabtretung, von den übrigen den
Ersatz, und zwar, wenn kein anderes besonderes Verhältniß unter ihnen besteht,
zu gleichen Theilen zu fordern. War einer aus ihnen unfähig, sich zu
verpflichten, oder ist er unvermögend, seiner Verpflichtung Genüge zu leisten;
so muß ein solcher ausfallender Antheil ebenfalls von allen Mitverpflichteten
übernommen werden. Die erhaltene Befreyung eines Mitverpflichteten kann den
übrigen bey der Forderung des Ersatzes nicht nachtheilig seyn. (§. 894.)
Nebenbestimmungen
bey Verträgen:
1)
Bedingungen;
§. 897. In Ansehung der Bedingungen
bey Verträgen gelten überhaupt die nähmlichen Vorschriften, welche über die den
Erklärungen des letzten Willens beygesetzten Bedingungen aufgestellt worden
sind.
§. 898. Verabredungen unter solchen
Bedingungen, welche bey einem letzten Willen für nicht beigesetzt angesehen
werden, sind ungültig.
§. 899. Ist die in einem Vertrage
vorgeschriebene Bedingung schon vor dem Vertrage eingetroffen; so muß sie nach
dem Vertrage nur dann wiederhohlet werden, wenn sie in einer Handlung dessen,
der das Recht erwerben soll, besteht und von ihm wiederhohlet werden kann.
2)
Bewegungsgrund;
§. 900. Ein unter einer
aufschiebenden Bedingung zugesagtes Recht geht auch auf die Erben über.
§. 901. Haben die Parteyen den
Bewegungsgrund, oder den Endzweck ihrer Einwilligung ausdrücklich zur Bedingung
gemacht; so wird der Bewegungsgrund oder Endzweck wie eine andere Bedingung
angesehen. Außer dem haben dergleichen Aeußerungen auf die Gültigkeit
entgeldlicher Verträge keinen Einfluß. Bey den unentgeldlichen aber sind die bey
den letzten Anordnungen gegebenen Vorschriften anzuwenden.
3) Zeit,
Ort und Art der Erfüllung;
§. 902. Verträge müssen zu der
Zeit, an dem Orte, und auf die Art vollzogen werden, wie es die Parteyen
verabredet haben. Nach dem Gesetze werden 24 Stunden für einen Tag, 30 Tage für
einen Monath, und 365 Tage für Ein Jahr gehalten.
§. 903. Ein Recht, dessen Erwerbung
an einen gewissen Tag gebunden ist, wird mit dem Anfange des Tages erworben.
Zur Erfüllung einer Verbindlichkeit aber kommt dem Verpflichteten der ganze
bestimmte Tag zu Statten.
§. 904. Ist keine gewisse Zeit für
die Erfüllung des Vertrages bestimmt worden; so kann sie sogleich, nähmlich
ohne unnöthigen Aufschub, gefordert werden. Hat der Verpflichtete die
Erfüllungszeit seiner Willkühr vorbehalten; so muß man entweder seinen Tod
abwarten, und sich an die Erben halten; oder, wenn es um eine bloß persönliche,
nicht vererbliche, Pflicht zu thun ist, die Erfüllungszeit von dem Richter nach
Billigkeit festsetzen lassen. Letzteres findet auch dann Statt, wenn der
Verpflichtete die Erfüllung, nach Möglichkeit, oder Thunlichkeit versprochen
hat. Uebrigens müssen die Vorschriften, welche oben (§§. 704-706) in Rücksicht
der den letzten Anordnungen beygerückten Zeitbestimmung gegeben werden, auch
hier angewendet werden.
§. 905. Wenn der Ort, wo der
Vertrag erfüllet werden soll, weder aus der Verabredung, noch aus der Natur,
oder dem Zwecke des Geschäftes, bestimmet werden kann; so werden unbewegliche
Sachen an dem Orte, wo sie liegen; bewegliche aber an dem Orte, wo das
Versprechen gemacht worden ist, übergeben. In Ansehung des Maßes, des
Gewichtes, und der Geldsorten ist auf den Ort der Uebergabe zu sehen.
§. 906. Kann das Versprechen auf mehrere
Arten erfüllet werden; so hat der Verpflichtete die Wahl; er kann aber von der
einmahl getroffenen Wahl für sich allein nicht abgehen.
§. 907. Wird ein Vertrag
ausdrücklich mit Vorbehalt der Wahl geschlossen, und dieselbe durch zufälligen
Untergang eines oder mehrerer Wahlstücke vereitelt; so ist der Theil, dem die
Wahl zusteht, an den Vertrag nicht gebunden. Unterläuft aber ein Verschulden
des Verpflichteten; so muß er dem Berechtigten für die Vereitlung der Wahl
haften.
4)
Angeld;
§. 908. Was bey Abschließung eines
Vertrages voraus gegeben wird, ist, außer dem Falle einer besondern
Verabredung, nur als ein Zeichen der Abschließung, oder als eine Sicherstellung
für die Erfüllung des Vertrages zu betrachten, und heißt Angeld. Wird der
Vertrag durch Schuld einer Partey nicht erfüllet; so kann die schuldlose Partey
das von ihr empfangene Angeld behalten, oder den doppelten Betrag des von ihr
gegebenen Angeldes zurückfordern. Will sie sich aber damit nicht begnügen, so
kann sie auf die Erfüllung; oder, wenn diese nicht mehr möglich ist, auf den
Ersatz dringen.
5)
Reugeld;
§. 909. Wird bey Schließung eines
Vertrages ein Betrag bestimmt, welchen ein oder der andere Theil in dem Falle,
daß er von dem Vertrage vor der Erfüllung zurücktreten will, entrichten muß; so
wird der Vertrag gegen Reugeld geschlossen. In diesem Falle muß entweder der
Vertrag erfüllt, oder das Reugeld bezahlet werden. Wer den Vertrag auch nur zum
Theile erfüllet; oder das, was von dem Andern auch nur zum Theile zur Erfüllung
geleistet worden ist, angenommen hat, kann selbst gegen Entrichtung des
Reugeldes nicht mehr zurücktreten.
§. 910. Wenn ein Angeld gegeben,
und zugleich das Befugniß des Rücktrittes ohne Bestimmung eines besondern
Reugeldes bedungen wird; so vertritt das Angeld die Stelle des Reugeldes. Im
Falle des Rücktrittes verliert also der Geber das Angeld; oder der Empfänger
stellt das Doppelte zurück.
§. 911. Wer nicht durch bloßen
Zufall, sondern durch sein Verschulden an der Erfüllung des Vertrages
verhindert wird, muß ebenfalls das Reugeld entrichten.
6)
Nebengebühren.
§. 912. Der Gläubiger ist von
seinem Schuldner außer der Hauptschuld zuweilen auch Nebengebühren zu fordern
berechtiget. Sie bestehen in dem Zuwachse, und in den Früchten der Hauptsache;
in den bestimmten oder in den Zögerungs-Zinsen; oder in dem Ersatze des
verursachten Schadens; oder dessen, was dem Andern daran liegt, daß die
Verbindlichkeit nicht gehörig erfüllet worden; endlich in dem Betrage, welchen
ein Theil sich auf diesen Fall bedungen hat.
§. 913. In wie weit mit einem
dinglichen Rechte das Recht auf den Zuwachs, oder auf die Früchte verbunden
sey, ist in dem ersten und vierten Hauptstücke des zweyten Theiles bestimmet
worden. Wegen eines bloß persönlichen Rechtes hat der Berechtigte noch keinen
Anspruch auf Nebengebühren. In wie weit dem Gläubiger ein Recht auf diese
zukomme, ist theils aus den besondern Arten und Bestimmungen der Verträge;
theils aus dem Hauptstücke, von dem Rechte des Schadenersatzes und der
Genugthuung, zu entnehmen.
Auslegungsregeln
bey Verträgen.
§. 914. Die im ersten Theile (§.
6). in Hinsicht auf die Auslegung der Gesetze angeführten allgemeinen Regel
gelten auch für Verträge. Ins besondere soll ein zweifelhafter Vertrag so
erkläret werden, daß er keinen Widerspruch enthalte, und von Wirkung sey.
§. 915. Bey einseitig verbindlichen
Verträgen wird im Zweifel angenommen, daß sich der Verpflichtete eher die
geringere als die schwerere Last auflegen wollte; bey zweyseitig verbindlichen
wird eine undeutliche Aeußerung zum Nachtheile desjenigen erkläret, der sich
derselben bedienet hat. (§. 869.)
§. 916. Wird ein Geschäft von
gewisser Art nur zum Scheine verabredet; so ist es nach denjenigen gesetzlichen
Vorschriften zu beurtheilen, nach denen es vermöge seiner wahren Beschaffenheit
beurtheilt werden muß.
Von
Erlöschung der Verträge.
§. 917. Wie die aus den Verträgen
entstehenden Verbindlichkeiten aufhören, wird bey jedem Vertrage besonders, und
in dem Hauptstücke von Aufhebung der Verbindlichkeiten überhaupt, bestimmet
werden.
§. 918. Alle aus Verträgen
entstehende Rechte und Pflichten gehen auf die Erben der vertragenden Theile
über; wenn sie anders nicht bloß auf persönlichen Verhältnissen und Fähigkeiten
beruhen; oder wenn die Erben nicht schon im Vertrage selbst, oder durch das
Gesetz ausgenommen worden sind. Ein noch nicht angenommenes Versprechen geht,
wenn auch nur ein Theil während der Ueberlegungsfrist stirbt, auf die Erben
nicht über. (§. 862.)
§. 919. Wenn ein Theil den Vertrag
entweder gar nicht; oder nicht zu der gehörigen Zeit; an dem gehörigen Orte;
oder auf die bedungene Weise erfüllet; so ist der andere Theil, außer den in
dem Gesetze bestimmten Fällen, oder einem ausdrücklichen Vorbehalte, nicht
berechtiget, die Aufhebung, sondern nur die genaue Erfüllung des Vertrages und
Ersatz zu fordern.
§. 920. Nach gänzlicher Erfüllung
des Vertrages können die Parteyen auch mit beyderseitiger Einwilligung nicht
mehr davon abgehen; sondern sie müssen einen neuen Vertrag schließen, der als
ein zweytes Geschäft angesehen wird.
Allgemeine
Bestimmungen entgeldlicher Verträge und Geschäfte.
§. 921. Bey einem entgeldlichen
Vertrage werden entweder Sachen mit Sachen; oder Handlungen, worunter auch die
Unterlassungen gehören, mit Handlungen; oder endlich Sachen mit Handlungen, und
Handlungen mit Sachen vergolten. (§. 864.)
Gewährleistung.
§. 922. Wenn jemand eine Sache auf
eine entgeldliche Art einem Andern überläßt, so leistet er Gewähr, daß sie die
ausdrücklich bedungenen, oder gewöhnlich dabey vorausgesetzten Eigenschaften
habe, und daß sie der Natur des Geschäftes, oder der getroffenen Verabredung
gemäß benützt, und verwendet werden könne.
Fälle der
Gewährleistung.
§. 923. Wer also der Sache
Eigenschaften beylegt, die sie nicht hat, und die ausdrücklich oder vermöge der
Natur des Geschäftes stillschweigend bedungen worden sind; wer ungewöhnliche
Mängel, oder Lasten derselben verschweigt; wer eine nicht mehr vorhandene, oder
eine fremde Sache als die seinige veräußert; wer fälschlich vorgibt, daß die
Sache zu einem bestimmten Gebrauche tauglich; oder daß sie auch von den
gewöhnlichen Mängeln und Lasten frey sey; der hat, wenn das Widerspiel
hervorkommt, dafür zu haften.
§. 924. Wenn ein Stück Vieh binnen
vier und zwanzig Stunden nach der Uebernahme erkrankt oder umfällt; so wird
vermuthet, daß es schon vor der Uebernahme krank gewesen sey.
§. 925. Die nähmliche Vermuthung
gilt:
1) wenn binnen acht Tagen bey den
Schweinen die Finne, und bey den Schafen die Pocken oder die Räude (Schäbe);
oder wenn bey den letztern binnen zwey Monathen die Lungen- und Egelwürmer
entdeckt werden;
2) wenn bey dem Rindvieh binnen
dreyßig Tagen nach der Uebernahme die Drüsenkrankheit, so genannte Stiersucht,
gefunden wird;
3) wenn bey Pferden und Lastthieren
binnen fünfzehn Tagen nach der Uebergabe die verdächtige Drüse oder der Rotz,
wie auch der Dampf; oder, wenn binnen dreyßig Tagen der Dummkoller, der Wurm,
die Stätigkeit, der schwarze Staar, oder die Mondblindheit entdeckt wird.
§. 926. Von dieser rechtlichen
Vermuthung (§. 924-925) kann aber der Uebernehmer eines solchen Stückes Vieh
nur dann Gebrauch machen, wenn er dem Uebergeber oder Gewährsmanne sogleich von
dem bemerkten Fehler Nachricht gibt; oder in dessen Abwesenheit dem
Ortsgerichte, oder Sachverständigen die Anzeige macht, und den Augenschein
vornehmen läßt.
§. 927. Vernachlässiget der
Uebernehmer diese Vorsicht, so liegt ihm der Beweis ob, daß das Vieh schon vor
Schließung des Vertrages mangelhaft war. Immer steht aber auch dem Uebergeber
der Beweis offen, daß der gerügte Mangel erst nach der Uebergabe eingetreten
sey.
§. 928. Fallen die Mängel einer
Sache in die Augen oder sind die auf der Sache haftenden Lasten aus den
öffentlichen Büchern zu ersehen; so findet, außer dem Falle einer ausdrücklichen
Zusage, daß die Sache von allen Fehlern und Lasten frey sey, keine
Gewährleistung Statt. (§. 443.) Schulden und Rückstände, welche auf der Sache
haften, müssen stets vertreten werden.
§. 929. Wer eine fremde Sache
wissentlich an sich bringt, hat eben so wenig Anspruch auf eine Gewährleistung,
als derjenige, welcher ausdrücklich darauf Verzicht gethan hat.
§. 930. Werden Sachen in Pausch und
Bogen, nähmlich so, wie sie stehen und liegen, ohne Zahl, Maß und Gewicht
übergeben; so ist der Uebergeber, außer dem Falle, daß eine von ihm fälschlich
vorgegebene, oder von dem Empfänger bedungene Beschaffenheit mangelt, für die
daran entdeckten Fehler nicht verantwortlich.
Bedingung
der Gewährleistung.
§. 931. Wenn der Besitzer wegen
eines von einem Dritten auf die Sache gemachten Anspruches von der
Gewährleistung Gebrauch machen will; so muß er seinen Vormann davon
benachrichtigen, und nach Vorschrift der Gerichtsordnung die Vertretung
begehren. Durch die Unterlassung dieses Ansuchens verliert er zwar noch nicht das
Recht der Schadloshaltung; aber sein Vormann kann ihm alle wider den Dritten
unausgeführt gebliebene Einwendungen entgegensetzen, und sich dadurch von der
Entschädigung in dem Maße befreyen, als erkannt wird, daß diese Einwendungen,
wenn von ihnen der gehörige Gebrauch gemacht worden wäre, eine andere
Entscheidung gegen den Dritten veranlaßt haben würden.
Wirkung.
§. 932. Ist der die Gewährleistung
begründende Mangel von der Art, daß er nicht mehr gehoben werden kann, und, daß
er den ordentlichen Gebrauch der Sache verhindert, so kann der Verkürzte die
gänzliche Aufhebung des Vertrages, wenn hingegen sich das Fehlende, z. B. an
Maß oder Gewicht, nachtragen läßt, nur diesen Nachtrag; in beyden Fällen aber
auch den Ersatz des weitern Schadens, und, dafern der andere Theil unredlich
gehandelt hat, auch den entgangenen Nutzen fordern.
Erlöschung
des Rechtes der Gewährleistung.
§. 933. Wer die Gewährleistung
fordern will, muß sein Recht, wenn es unbewegliche Sachen betrifft, binnen drey
Jahren; betrifft es aber bewegliche, binnen sechs Monathen geltend machen,
sonst ist das Recht erloschen.
Schadloshaltung
wegen Verkürzung über die Hälfte.
§. 934. Hat bey zweyseitig
verbindlichen Geschäften ein Theil nicht einmahl die Hälfte dessen, was er dem
andern gegeben hat, von diesem an dem gemeinen Werthe erhalten; so räumt das
Gesetz dem verletzten Theile das Recht ein, die Aufhebung und die Herstellung
in den vorigen Stand zu fordern. Dem andern Theile steht aber bevor, das
Geschäft dadurch aufrecht zu erhalten, daß er den Abgang bis zum gemeinen
Werthe zu ersetzen bereit ist. Das Mißverhältniß des Werthes wird nach dem
Zeitpuncte des geschlossenen Geschäftes bestimmt.
§. 935. Dieses Rechtsmittel findet
nicht Statt, wenn jemand ausdrücklich darauf Verzicht gethan, oder sich
erkläret hat, die Sache aus besonderer Vorliebe um einen außerordentlichen
Werth zu übernehmen; wenn er, obgleich ihm der wahre Werth bekannt war, sich
dennoch zu dem unverhältnißmäßigen Werthe verstanden hat; ferner, wenn aus dem
Verhältnisse der Personen zu vermuthen ist, daß sie einen, aus einem
entgeldlichen und unentgeldlichen vermischten, Vertrag schließen wollten; wenn
sich der eigentliche Werth nicht mehr erheben läßt; endlich wenn die Sache von
dem Gerichte versteigert worden ist.
Von der
Verabredung eine künftigen Vertrages.
§. 936. Die Verabredung, künftig
erst einen Vertrag schließen zu wollen, ist nur dann verbindlich, wenn sowohl
die Zeit der Abschließung, als die wesentlichen Stücke des Vertrages bestimmt,
und die Umstände inzwischen nicht dergestalt verändert worden sind, daß dadurch
der ausdrücklich bestimmte, oder aus den Umständen hervorleuchtende Zweck
vereitelt, oder das Zutrauen des einen oder andern Theiles verloren wird.
Ueberhaupt muß auf die Vollziehung solcher Zusagen längstens in einem Jahre
nach dem bedungenen Zeitpuncte gedrungen werden; widrigen Falls ist das Recht
erloschen.
Von dem
Verzicht auf Einwendungen.
§. 937. Allgemeine, unbestimmte
Verzichtleistungen auf Einwendungen gegen die Gültigkeit eines Vertrages sind
ohne Wirkung.
Achtzehntes Hauptstück.
Von Schenkungen.
Schenkung.
§. 938. Ein Vertrag, wodurch eine
Sache jemanden unentgeldlich überlassen wird, heißt eine Schenkung.
In wie fern eine Verzichtleistung
eine Schenkung sey.
§. 939. Wer auf ein gehofftes, oder
wirklich angefallenes, oder zweifelhaftes Recht Verzicht thut, ohne es einem
Andern ordentlich abzutreten, oder dasselbe dem Verpflichteten mit dessen
Einwilligung zu erlassen, ist für keinen Geschenkgeber anzusehen.
Belohnende Schenkung.
§. 940. Es verändert die Wesenheit
der Schenkung nicht, wenn sie aus Erkenntlichkeit; oder in Rücksicht auf die
Verdienste des Beschenkten; oder als eine besondere Belohnung desselben gemacht
worden ist; nur darf er vorher kein Klagerecht darauf gehabt haben.
§. 941. Hat der Beschenkte ein
Klagerecht auf die Belohnung gehabt, entweder, weil sie unter den Parteyen
schon bedungen, oder durch das Gesetz vorgeschrieben war; so hört das Geschäft
auf, eine Schenkung zu seyn, und ist als ein entgeldlicher Vertrag anzusehen.
Wechselseitige Schenkungen.
§. 942. Sind Schenkungen vorher
dergestalt bedungen, das der Schenkende wieder beschenkt werden muß; so
entsteht keine wahre Schenkung im Ganzen; sondern nur in Ansehung des
übersteigenden Werthes.
Form des Schenkungsvertrages,
§. 943. Aus einem bloß mündlichen,
ohne wirkliche Uebergabe geschlossenen Schenkungsvertrage erwächst dem
Geschenknehmer kein Klagerecht. Dieses Recht muß durch eine schriftliche
Urkunde begründet werden.
und Maß einer Schenkung.
§. 944. Ein unbeschränkter
Eigenthümer kann mit Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften auch sein ganzes
gegenwärtiges Vermögen verschenken. Ein Vertrag aber, wodurch das künftige
Vermögen verschenket wird, besteht nur in so weit, als er die Hälfte diese
Vermögens nicht übersteigt.
In wie fern der Geber für das
Geschenkte hafte.
§. 945. Wer wissentlich eine fremde
Sache verschenkt, und dem Geschenknehmer diesen Umstand verschweigt, haftet für
die nachtheiligen Folgen.
Unwiderruflichkeit der Schenkungen.
§. 946. Schenkungsverträge dürfen
in der Regel nicht widerrufen werden.
Ausnahmen:
1) wegen Dürftigkeit;
§. 947. Geräth der Geschenkgeber in
der Folge in solche Dürftigkeit, daß es ihm an dem nöthigen Unterhalte
gebricht; so ist er befugt, jährlich von dem geschenkten Betrage die
gesetzlichen Zinsen, in so weit die geschenkte Sache, oder derselben Werth noch
vorhanden ist, und ihm der nöthige Unterhalt mangelt, von dem Beschenkten zu
fordern, wenn sich anders dieser nicht selbst in gleich dürftigen Umständen
befindet. Aus mehrern Geschenknehmern ist der frühere nur in so weit verbunden,
als die Beyträge der spätern zum Unterhalte nicht zureichen.
2) Undanks;
§. 948. Wenn der Beschenkte sich
gegen seinen Wohlthäter eines groben Undankes schuldig macht, kann die
Schenkung widerrufen werden. Unter groben Undanke wird eine Verletzung am
Leibe, an Ehre, an Freyheit, oder am Vermögen verstanden, welche von der Art
ist, daß gegen den Verletzer von Amts wegen, oder auf Verlangen des Verletzten
nach dem Strafgesetze verfahren werden kann.
§. 949. Der Undank macht den
Undankbaren für seine Person zum unredlichen Besitzer, und gibt selbst dem
Erben, des Verletzten, in so fern der letztere den Undank nicht verziehen hat,
und noch etwas von dem Geschenke in Natur oder Werthe vorhanden ist, ein Recht
zur Widerrufungsklage auch gegen den Erben des Verletzers.
3) Verkürzung des schuldigen
Unterhalts;
§. 950. Wer jemanden den Unterhalt
zu reichen schuldig ist, kann dessen Recht durch Beschenkung eines Dritten
nicht verletzen. Der auf solche Art Verkürzte ist befugt, den Beschenkten um
die Ergänzung desjenigen zu belangen, was ihm der Schenkende nun nicht mehr zu
leisten vermag. Bey mehrern Geschenknehmern ist die obige (§. 947.) Vorschrift
anzuwenden.
4) des Pflichttheils;
§. 951. Wer zur Zeit der Schenkung
Abstämmlinge hat, denen er einen Pflichttheil zu hinterlassen schuldig ist,
kann zu ihrem Nachtheile keine Schenkung machen, welche die Hälfte seines
Vermögens übersteigt. Hat er dieses Maß überschritten, und können diese
Abstämmlinge nach seinem Tode beweisen, daß sein reiner Nachlaß den Betrag der
Hälfte seines zur Zeit der Schenkung gehabten Vermögens nicht erreiche; so
können sie von dem Beschenkten das gesetzwidrig empfangene Uebermaß
verhältnißmäßig zurückfordern.
§. 952. Besitzt der Beschenkte die
geschenkte Sache oder ihren Werth nicht mehr; so haftet er nur in so fern, als
er sie unredlicher Weise aus dem Besitze gelassen hat.
5) der Gläubiger;
§. 953. Unter eben dieser (§. 952.)
Beschränkung können auch diejenigen Geschenke zurückgefordert werden, wodurch
die zur Zeit der Schenkung schon vorhandenen Gläubiger verkürzt worden sind.
Auf Gläubiger, deren Forderungen jünger sind, als die Schenkung, erstreckt sich
dieses Recht nur dann, wenn der Beschenkte eines hinterlistigen Einverständnisses
überwiesen werden kann.
6) wegen nachgeborner Kinder.
§. 954. Dadurch, daß einem
kinderlosen Geschenkgeber nach geschlossenem Schenkungsvertrage Kinder geboren
werden, erwächst weder ihm, noch den nachgebornen Kindern das Recht, die
Schenkung zu widerrufen. Doch kann er, oder das nachgeborne Kind, im Nothfalle
sowohl gegen den Beschenkten, als gegen dessen Erben das oben angeführte Recht
auf die gesetzlichen Zinsen des geschenkten Betrages geltend machen. (§. 947.)
Welche Schenkungen auf die Erben
nicht übergehen.
§. 955. Hat der Geschenkgeber dem
Beschenkten eine Unterstützung in gewissen Fristen zugesichert, so erwächst für
die Erben derselben weder ein Recht, noch eine Verbindlichkeit; es müßte denn
in dem Schenkungsvertrage ausdrücklich anders bedungen worden seyn.
Schenkung auf den Todesfall.
§. 956. Eine Schenkung, deren
Erfüllung erst nach dem Tode des Schenkenden erfolgen soll, ist mit Beobachtung
der vorgeschriebenen Förmlichkeiten als ein Vermächtniß gültig. Nur dann ist sie
als ein Vertrag anzusehen, wenn der Beschenkte sie angenommen, der Schenkende
sich des Befugnisses, sie zu widerrufen, ausdrücklich begeben hat, und eine
schriftliche Urkunde darüber dem Beschenkten eingehändiget worden ist.
Neunzehntes Hauptstück.
Von dem Verwahrungsvertrage.
Verwahrungsvertrag.
§. 957. Wenn jemand eine fremde
Sache in seine Obsorge übernimmt; so entsteht ein Verwahrungsvertrag. Das
angenommene Versprechen, eine fremde, noch nicht übergebene Sache in die
Obsorge zu übernehmen, macht zwar den versprechenden Theil verbindlich; es ist
aber noch kein Verwahrungsvertrag.
§. 958. Durch den
Verwahrungsvertrag erwirbt der Uebernehmer weder Eigenthum, noch Besitz, noch
Gebrauchsrecht; er ist bloßer Inhaber mit der Pflicht, die ihm anvertraute Sache
vor Schaden zu sichern.
Wann er in einen Darleihens- oder
Leihvertrag;
§. 959. Wird dem Verwahrer auf sein
Verlangen, oder durch freywilliges Anerbiethen des Hinterlegers der Gebrauch
gestattet; so hört im ersten Falle der Vertrag gleich nach der Verwilligung; im
zweyten aber von dem Augenblicke, da das Anerbiethen angenommen, oder von der
hinterlegten Sache wirklich Gebrauch gemacht worden ist, auf, ein
Verwahrungsvertrag zu seyn; er wird bey verbrauchbaren Sachen in einen
Darleihens-, bey unverbrauchbaren in einen Leihvertrag umgeändert, und es
treten die damit verbundenen Rechte und Pflichten ein.
oder in eine Bevollmächtigung
übergehe.
§. 960. Es können bewegliche und
unbewegliche Sachen in Obsorge gegeben werden. Wird aber dem Uebernehmer
zugleich ein anderes, auf die anvertraute Sache sich beziehendes, Geschäft
aufgetragen; so wird er als ein Gewalthaber angesehen.
Pflichten und Rechte des
Verwahrers;
§. 961. Die Hauptpflicht des
Verwahrers ist: die ihm anvertraute Sache durch die bestimmte Zeit sorgfältig
zu bewahren, und nach Verlauf derselben dem Hinterleger in eben dem Zustande,
in welchem er sie übernommen hat, und mit allem Zuwachse zurückzustellen.
§. 962. Der Verwahrer muß dem
Hinterleger auf Verlangen die Sache auch noch vor Verlauf der Zeit
zurückstellen, und kann nur den Ersatz des ihm etwa verursachten Schadens
begehren. Er kann hingegen die ihm anvertraute Sache nicht früher zurückgeben;
es wäre denn, daß ein unvorhergesehener Umstand ihn außer Stand setzte, die
Sache mit Sicherheit oder ohne seinen eigenen Nachtheil zu verwahren.
§. 963. Ist die Verwahrungszeit
weder ausdrücklich bestimmt worden, noch sonst aus Nebenumständen abzunehmen;
so kann die Verwahrung nach Belieben aufgekündet werden.
§. 964. Der Verwahrer haftet dem
Hinterleger für den aus der Unterlassung der pflichtmäßigen Obsorge
verursachten Schaden, aber nicht für den Zufall; selbst dann nicht, wenn er die
anvertraute, obschon kostbarere Sache, mit Aufopferung seiner eigenen hätte
retten können.
§. 965. Hat aber der Verwahrer von
der hinterlegten Sache Gebrauch gemacht; hat er sie ohne Noth und ohne
Erlaubniß des Hinterlegers einem Dritten in Verwahrung gegeben; oder die
Zurückstellung verzögert, und die Sache leidet einen Schaden, welchem sie bey
dem Hinterleger nicht ausgesetzt gewesen wäre; so kann er keinen Zufall
vorschützen, und die Beschädigung wird ihm zugerechnet.
§. 966. Wenn Sachen verschlossen
oder versiegelt hinterlegt, und in der Folge das Schloß oder Siegel verletzt
worden; so ist der Hinterleger, wenn er eine Abgang behauptet, zur Beschwörung
seiner Schadens, in so fern derselbe nach seinem Stande, Gewerbe, Vermögen und
den übrigen Umständen wahrscheinlich ist, nach Vorschrift der Gerichtsordnung
zuzulassen; es wäre denn, daß der Verwahrer beweisen könnte, daß die Verletzung
des Schlosses oder Siegels ohne sein Verschulden geschehen sey. Das Nähmliche
hat auch dann zu gelten, wenn sämmtliche auf solche Art hinterlegte Sachen in
Verlust gerathen sind.
und des Hinterlegers.
§. 967. Der Hinterleger ist
verpflichtet, dem Verwahrer den schuldbarer Weise zugefügten Schaden, und die
zur Erhaltung der verwahrten Sache, oder zur Vermehrung der fortdauernden
Nutzungen verwendeten Kosten zu ersetzen. Hat der Verwahrer im Nothfalle, um
das hinterlegte Gut zu retten, seine eigenen Sachen aufgeopfert; so kann er
einen angemessenen Ersatz fordern. Die wechselseitigen Forderungen des
Verwahrers und Hinterlegers einer beweglichen Sache können aber nur binnen
dreyßig Tagen von Zeit der Zurückstellung angebracht werden.
Sequester.
§. 968. Wird eine in Anspruch
genommene Sache von den streitenden Parteyen oder vom Gerichte jemanden in
Verwahrung gegeben; so heißt der Verwahrer, Sequester. Die Rechte und
Verbindlichkeiten des Sequesters werden nach den hier festgesetzten Grundsätzen
beurtheilt.
Ob dem Verwahrer ein Lohn gebühre.
§. 969. Ein Lohn kann für die
Aufbewahrung nur dann gefordert werden, wenn er ausdrücklich, oder nach dem
Stande des Aufbewahrers stillschweigend bedungen worden ist.
§. 970. Wirthe, Schiffer, oder
Fuhrleute haften für Sachen, die von angenommenen Reisenden, oder als Fracht,
ihnen selbst, oder ihren Dienstleuten übergeben worden sind, gleich einem
Verwahrer (§. 1316.)
Zwanzigstes Hauptstück.
Von dem Leihvertrage.
Leihvertrag.
§. 971. Wenn jemanden eine unverbrauchbare
Sache bloß zum unentgeldlichen Gebrauch auf eine bestimmte Zeit übergeben wird;
so entsteht ein Leihvertrag. Der Vertrag, wodurch man jemanden eine Sache zu
leihen verspricht, ohne sie zu übergeben, ist zwar verbindlich, aber noch kein
Leihvertrag.
Rechte und Pflichten des
Entlehners:
1) in Rücksicht des Verbrauches;
§. 972. Der Entlehner erwirbt das
Recht, den ordentlichen oder näher bestimmten Gebrauch von der Sache zu machen.
Nach Verlauf der Zeit ist er verpflichtet, eben dieselbe Sache zurückzustellen.
2) der Zurückstellung;
§. 973. Wenn keine Zeit zur
Zurückgabe festgesetzt, wohl aber die Absicht des Gebrauches bestimmt worden
ist; so ist der Entlehner verbunden, mit dem Gebrauche nicht zu zögern, und die
Sache so bald als möglich zurück zu geben.
§. 974. Hat man weder die Dauer,
noch die Absicht des Gebrauches bestimmt; so entsteht kein wahrer Vertrag,
sondern ein unverbindliches Bittleihen (Precarium), und der Verleiher kann die
entlehnte Sache nach Willkühr zurückfordern.
§. 975. Bey einem Streite über die
Dauer des Gebrauches muß der Entlehner das Recht auf den längern Gebrauch
beweisen.
§. 976. Wenn gleich die verlehnte
Sache vor Verlauf der Zeit und vor geendigtem Gebrauche dem Verleiher selbst
unentbehrlich wird; so hat er ohne ausdrückliche Verabredung doch kein Recht,
die Sache früher zurück zu nehmen.
§. 977. Der Entlehner ist zwar in
der Regel berechtiget, die entlehnte Sache auch vor der bestimmten Zeit zurück
zu geben: fällt aber die frühere Zurückgabe dem Verleiher beschwerlich, so kann
sie wider seinen Willen nicht Statt finden.
3) der Beschädigung;
§. 978. Wenn der Entlehner die
geliehene Sache anders gebraucht, als es bedungen war, oder den Gebrauch
derselben eigenmächtig einem Dritten gestattet; so ist er dem Verleiher verantwortlich,
und dieser auch berechtiget, die Sache sogleich zurück zu fordern.
§. 979. Wird die geliehene Sache
beschädiget, oder zu Grunde gerichtet; so muß der Entlehner nicht nur den
zunächst durch sein Verschulden verursachten, sondern auch den zufälligen
Schaden, den er durch eine widerrechtliche Handlung veranlaßt hat, so wie der
Verwahrer einer Sache ersetzen. (§. 965.)
§. 980. Dadurch, daß der Entlehner
für ein verlornes Lehnstück den Werth erlegt, hat er noch kein Recht, dasselbe,
wenn es wieder gefunden wird, gegen den Willen des Eigenthümers für sich zu
behalten, wenn dieser bereit ist, den empfangenen Werth zurück zu geben.
4) der Erhaltungskosten.
§. 981. Die mit dem Gebrauche
ordentlicher Weise verbunden Kosten muß der Entlehner selbst bestreiten. Die
außerordentlichen Erhaltungskosten hat er zwar, dafern er die Sache dem
Verleiher nicht zur eigenen Besorgung überlassen kann oder will, inzwischen
vorzuschießen; doch werden sie ihm gleich einem redlichen Besitzer vergütet.
Beschädigung der wechselseitigen
Klagen.
§. 982. Wenn der Verleiher nach der
Zurücknahme des Lehnstückes dessen Mißbrauch, oder übertriebene Abnutzung
innerhalb dreyßig Tagen nicht gerüget; oder, wenn der Entlehner nach der
Zurückgabe von den auf die Sache verwendeten außerordentlichen Kosten binnen
eben diesem Zeitraume keine Meldung gemacht hat; so ist die Klage erloschen.
Ein u. zwanzigstes Hauptstück.
Von dem Darleihensvertrage.
Darleihen.
§. 983. Wenn jemanden verbrauchbare
Sachen unter der Bedingung übergeben werden, daß er zwar willkührlich darüber
verfügen könne, aber nach einer gewissen Zeit eben so viel von derselben
Gattung und Güte zurück geben soll; so entsteht ein Darleihensvertrag. Er ist
mit dem, obgleich ebenfalls verbindlichen Vertrage (§. 936), ein Darleihen künftig
zu geben, nicht zu verwechseln.
Arten desselben.
§. 984. Ein Darleihen wird entweder
in Geld oder in anderen verbrauchbaren Sachen, und zwar ohne, oder gegen Zinsen
gegeben. Im letzteren Falle nennet man es auch einen Zinsenvertrag.
Gelddarleihen.
§. 985. Ein Gelddarleihen kann
klingende Münze, oder Papiergeld, oder öffentliche Schuldscheine (Obligationen)
zum Gegenstande haben.
a) in klingender Münze, oder
Papiergeld;
§. 986. In wie fern ein Darleihen
in klingender Münze überhaupt geschlossen werden könne, und in welcher Währung
(Valuta) ein solches Darleihen, oder ein Darleihen in Papiergeld zurück zu
zahlen sey, bestimmen die darüber bestehenden besonderen Vorschriften.
§. 987. Wenn ein Darleiher sich die
Zahlungen in der besonderen, von ihm gegebenen, Münz-Sorte bedungen hat; so muß
die Zahlung in eben dieser Münz-Sorte geleistet werden.
§. 988. Gesetzliche
Münzveränderungen ohne Veränderung des inneren Gehaltes gehen auf Rechnung des
Darleihers. Er empfängt die Zahlung in der bestimmten, gegebenen Münz-Sorte, z.
B. von 1000 Stücken kaiserlicher Ducaten, oder 3000 Zwanzig-Kreuzer Stücken
ohne Rücksicht, ob deren äußerer Werth in der Zwischenzeit erhöht oder
vermindert worden ist. Wird aber der innere Werth geändert; so ist die Zahlung
im Verhältniß zu dem inneren Werthe, den die gegebenen Münz-Sorte zur Zeit des
Darleihens hatte, zu leisten.
§. 989. Sind zur Zeit der
Rückzahlung dergleichen Münz-Sorten im Staate nicht im Umlaufe; so muß der
Schuldner den Gläubiger mit zunächst ähnlichen Geldstücken in solcher Zahl und
Art befriedigen, daß derselbe den zur Zeit des Darleihens bestandenen innern
Werth dessen, was er gegeben hat, erhalte.
b) in Schuldscheinen.
§. 990. In öffentlichen
Schuldscheinen können Darleihen in der Art gültig geschlossen werden, daß die
Tilgung der Schuld entweder mit einem durchaus gleichen öffentlichen
Schuldscheine, wie der dargeliehene war, geleistet, oder der Betrag nach dem
Werthe, welchen der Schuldschein zur Zeit des Darleihens hatte, zurückgezahlt
werde.
§. 991. Wenn statt Geldes ein
Privat-Schuldschein oder Waaren gegeben worden sind; so ist der Schuldner nur
verbunden, entweder den Schuldschein oder die empfangenen Waaren unbeschädigt
zurück zu stellen, oder dem Gläubiger den von diesem zu erweisenden Schaden zu
ersetzen.
c) Darleihen in anderen
verbrauchbaren Gegenständen.
§. 992. Bey Darleihen, die nicht
über Geld, sondern über andere verbrauchbare Gegenstände geschlossen werden,
macht es, dafern nur die Zurückstellung in der nähmlichen Gattung, Güte und
Menge bedungen worden, keinen Unterschied, wenn sie in der Zwischenzeit am
Werthe gestiegen oder gefallen sind.
Zinsen.
§. 993.
(Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)
§. 994.
(Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)
§. 995.
(Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)
§. 996.
(Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)
§. 997.
(Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)
§. 998.
(Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)
§. 999.
Zinsen von Gelddarleihen sind in der nähmlichen Währung (Valuta), wie das
Capital selbst zu entrichten.
§. 1000.
(Anm.: Aufgehoben durch § 6, RGBl 1868/Nr. 62.)
§. 1001. Damit ein Schuldschein
über einen Darleihensvertrag einen vollständigen Beweis mache, müssen darin der
eigentliche Darleiher oder Gläubiger sowohl, als der eigentliche Anleiher oder
Schuldner; der Gegenstand und Betrag des Darleihens; und, wenn es in Geld
gegeben wird, die Gattung desselben, wie auch alle auf die Zahlung der
Hauptschuld sowohl, als auf die etwa zu entrichtenden Zinsen sich beziehende
Bedingungen redlich und deutlich bestimmt werden. Die äußere, zur Beweiskraft
nöthige Form einer Schuldurkunde setzt die Gerichtsordnung fest.
Zwey u. zwanzigstes Hauptstück.
Von der Bevollmächtigung und andern
Arten der Geschäftsführung.
Bevollmächtigungsvertrag.
§. 1002. Der Vertrag, wodurch
jemand ein ihm aufgetragenes Geschäft im Nahmen des Andern zur Besorgung
übernimmt, heißt Bevollmächtigungsvertrag.
§. 1003. Personen, welche zur
Besorgung bestimmter Geschäfte öffentlich bestellt worden, sind schuldig, über
einen darauf sich beziehenden Auftrag ohne Zögerung gegen den Auftragenden sich
ausdrücklich zu erklären, ob sie denselben annehmen oder nicht; widrigen Falls
bleiben sie dem Auftragenden für den dadurch veranlaßten Nachtheil
verantwortlich.
Eintheilung der Bevollmächtigung in
eine unentgeldliche oder entgeldliche;
§. 1004. Wird für die Besorgung
eines fremden Geschäftes entweder ausdrücklich, oder nach dem Stande des
Geschäftsträgers auch nur stillschweigend eine Belohnung bedungen; so gehört
der Vertrag zu den entgeldlichen, außer dem aber zu den unentgeldlichen.
mündliche oder schriftliche;
§. 1005. Bevollmächtigungsverträge
können mündlich oder schriftlich geschlossen werden. Die von dem Gewaltgeber
dem Gewalthaber hierüber ausgestellte Urkunde wird Vollmacht genannt.
allgemeine oder besondere;
§. 1006. Es gibt allgemeine und
besondere Vollmachten, je nachdem jemanden die Besorgung aller, oder nur einiger
Geschäfte anvertraut wird. Die besonderen Vollmachten können bloß gerichtliche
oder bloß außergerichtliche Geschäfte überhaupt; oder sie können einzelne
Angelegenheiten der einen oder andern Gattung zum Gegenstande haben.
Unumschränkte, oder beschränkte;
§. 1007. Vollmachten werden
entweder mit unumschränkter oder mit beschränkter Freyheit zu handeln
ertheilet. Durch die erstere wird der Gewalthaber berechtiget, das Geschäft
nach seinem besten Wissen und Gewissen zu leiten; durch die letztere aber werden
ihm die Gränzen, wie weit, und die Art, wie er dasselbe betreiben soll,
vorgeschrieben.
§. 1008. Folgende Geschäfte: Wenn
im Nahmen eines Andern Sachen veräußert, oder entgeldlich übernommen; Anleihen
oder Darleihen geschlossen; Geld oder Geldeswerth erhoben; Processe anhängig
gemacht; Eide aufgetragen, angenommen oder zurückgeschoben, oder Vergleiche
getroffen werden sollen, erfordern eine besondere, auf diese Gattungen der
Geschäfte lautende Vollmacht. Wenn aber eine Erbschaft unbedingt angenommen oder
ausgeschlagen; Gesellschaftsverträge errichtet; Schenkungen gemacht; das
Befugniß, einen Schiedsrichter zu wählen, eingeräumt, oder Rechte unentgeldlich
aufgegeben werden sollen; ist eine besondere, auf das einzelne Geschäft
ausgestellte Vollmacht nothwendig. Allgemeine, selbst unbeschränkte Vollmachten
sind in diesen Fällen nur hinreichend, wenn die Gattung des Geschäftes in der
Vollmacht ausgedrückt worden ist.
Rechte und Verbindlichkeiten des
Gewalthabers;
§. 1009. Der Gewalthaber ist
verpflichtet, das Geschäft seinem Versprechen und der erhaltenen Vollmacht
gemäß, emsig und redlich zu besorgen, und allen aus dem Geschäfte
entspringenden Nutzen dem Machtgeber zu überlassen. Er ist, ob er gleich eine
beschränkte Vollmacht hat, berechtiget, alle Mittel anzuwenden, die mit der
Natur des Geschäftes nothwendig verbunden, oder der erklärten Absicht des
Machtgebers gemäß sind. Ueberschreitet er aber die Gränzen der Vollmacht; so
haftet er für die Folgen.
§. 1010. Trägt der Gewalthaber das
Geschäft ohne Noth einem Dritten auf; so haftet er ganz allein für den Erfolg.
Wird ihm aber die Bestellung eines Stellvertreters in der Vollmacht
ausdrücklich gestattet, oder durch die Umstände unvermeidlich; so verantwortet
er nur ein bey der Auswahl der Person begangenes Verschulden.
§. 1011. Wird mehrern
Bevollmächtigten zugleich ein Geschäft aufgetragen; so ist die Mitwirkung Aller
zur Gültigkeit des Geschäftes, und Verpflichtung des Machtgebers nothwendig;
wenn nicht ausdrücklich Einem oder Mehreren aus ihnen die volle Befugniß in der
Vollmacht ertheilt worden ist.
§. 1012. Der Gewalthaber ist
schuldig, dem Machtgeber den durch sein Verschulden verursachten Schaden zu
ersetzen, und die bey dem Geschäfte vorkommenden Rechnungen, so oft dieser es
verlangt, vorzulegen.
§. 1013. Gewalthaber sind, außer
dem im §. 1004. enthaltenen Falle, nicht befugt, ihrer Bemühung wegen eine
Belohnung zu fordern. Es ist ihnen nicht erlaubt, ohne Willen des Machtgebers
in Rücksicht auf die Geschäftsverwaltung von einem Dritten Geschenke anzunehmen.
Die erhaltenen werden zur Armen-Casse eingezogen.
des Gewaltgebers;
§. 1014. Der Gewaltgeber ist
verbunden, dem Gewalthaber allen zur Besorgung des Geschäftes nothwendig oder
nützlich gemachten Aufwand, selbst bey fehlgeschlagenem Erfolge, zu ersetzen,
und ihm auf Verlangen zur Bestreitung der baren Auslagen auch einen
angemessenen Vorschuß zu leisten; er muß ferner allen durch sein Verschulden
entstandenen, oder mit der Erfüllung des Auftrages verbundenen Schaden
vergüten.
§. 1015. Leidet der
Gewalthaber bey der Geschäftsführung nur zufälliger Weise Schaden; so kann er
in dem Falle, daß er das Geschäft unentgeldlich zu besorgen übernahm, einen
solchen Betrag fordern, welcher ihm bey einem entgeldlichen Vertrage zur
Vergütung der Bemühung nach dem höchsten Schätzungswerthe gebührt haben würde.
§. 1016. Ueberschreitet der
Gewalthaber die Gränzen seiner Vollmacht; so ist der Gewaltgeber nur in so fern
verbunden, als er das Geschäft genehmiget, oder den aus dem Geschäfte
entstandenen Vortheil sich zuwendet.
in Rücksicht eines Dritten.
§. 1017. In so fern der Gewalthaber
nach dem Inhalte der Vollmacht den Gewaltgeber vorstellt, kann er ihm Rechte
erwerben und Verbindlichkeiten auflegen. Hat er also innerhalb der Gränzen der
offenen Vollmacht mit einem Dritten einen Vertrag geschlossen; so kommen die
dadurch gegründeten Rechte und Verbindlichkeiten dem Gewaltgeber und dem
Dritten; nicht aber dem Gewalthaber zu. Die dem Gewalthaber ertheilte geheime
Vollmacht hat auf die Rechte des Dritten keinen Einfluß.
§. 1018. Auch in dem Falle, daß der
Gewaltgeber einen solchen Gewalthaber, der sich selbst zu verbinden unfähig
ist, aufgestellt hat, sind die innerhalb der Gränzen der Vollmacht
geschlossenen Geschäfte sowohl für den Gewaltgeber, als für den Dritten
verbindlich.
§. 1019. Wenn der Machthaber den
Auftrag, einem Dritten einen Vortheil zuzuwenden, erhalten und angenommen hat;
so erlangt der Dritte, so bald er von dem Machtgeber oder Machthaber davon
benachrichtiget worden ist, das Recht gegen den Einen oder den Andern Klage zu
führen.
Auflösung des Vertrages durch den
Widerruf.
§. 1020. Es steht dem Machtgeber
frey, die Vollmacht nach Belieben zu widerrufen; doch muß er dem Gewalthaber
nicht nur die in der Zwischenzeit gehabten Kosten und den sonst erlittenen
Schaden ersetzen; sondern auch einen der Bemühung angemessenen Theil der
Belohnung entrichten. Dieses findet auch dann Statt, wenn die Vollendung des
Geschäftes durch einen Zufall verhindert worden ist.
die Aufkündung;
§. 1021. Auch der Machthaber kann
die angenommene Vollmacht aufkünden. Wenn er sie aber vor Vollendung des ihm
insbesondere aufgetragenen, oder vermöge der allgemeinen Vollmacht angefangenen
Geschäftes aufkündet; so muß er, dafern nicht ein unvorgesehenes und
unvermeidliches Hinderniß eingetreten ist, allen daraus entstandenen Schaden
ersetzen.
den Tod.
§. 1022. In der Regel wird die
Vollmacht sowohl durch den Tod des Gewaltgebers, als des Gewalthabers
aufgehoben. Läßt sich aber das angefangene Geschäft ohne offenbaren Nachtheil
der Erben nicht unterbrechen, oder erstreckt sich die Vollmacht selbst auf den
Sterbefall des Gewaltgebers; so hat der Gewalthaber das Recht und die Pflicht,
das Geschäft zu vollenden.
§. 1023. Die von einem Körper
(Gemeinschaft) ausgestellten und übernommenen Vollmachten werden durch die
Erlöschung der Gemeinschaft aufgehoben.
oder Concurs.
§. 1024. Verfällt der Machtgeber in
Concurs; so sind alle Handlungen, die der Gewalthaber nach Kundmachung des
Concurses im Nahmen des Concurs-Schuldners unternommen hat, ohne Rechtskraft.
Eben so erklärt die Verhängung des Concurses über das Vermögen des Machthabers
schon an und für sich die ertheilte Vollmacht für aufgehoben.
In wie fern die Verbindlichkeit
fortdauere.
§. 1025. Wird die Vollmacht durch Widerruf,
Aufkündung, oder durch den Tod des Gewaltgebers oder Gewalthabers aufgehoben;
so müssen doch die Geschäfte, welche keinen Aufschub leiden, so lange
fortgesetzt werden, bis von dem Machtgeber oder dessen Erben eine andere
Verfügung getroffen worden ist, oder füglich getroffen werden konnte.
§. 1026. Auch bleiben die mit einem
Dritten, dem die Aufhebung der Vollmacht ohne sein Verschulden unbekannt war,
geschlossenen Verträge verbindlich, und der Gewaltgeber kann sich nur bey dem
Gewalthaber, der die Aufhebung verschwiegen hat, wegen seines Schadens
erhohlen.
Stillschweigende Bevollmächtigung
der Dienstpersonen.
§. 1027. Die in diesem Hauptstücke
enthaltenen Vorschriften haben auch ihre Anwendung auf die Eigenthümer einer
Handlung, eines Schiffes, Kaufladens oder andern Gewerbes, welche die
Verwaltung einem Factor, Schiffer, Ladendiener oder andern Geschäftsträgern
anvertrauen.
§. 1028. Die Rechte solcher
Geschäftsführer sind vorzüglich aus der Urkunde ihrer Bestellung, dergleichen
unter Handelsleuten das ordentlich kundgemachte Befugniß der Unterzeichnung
(Firma) ist, zu beurtheilen.
§. 1029. Ist die Vollmacht nicht
schriftlich gegeben worden; so wird ihr Umfang aus dem Gegenstande, und aus der
Natur des Geschäftes beurtheilet. Wer einem Andern eine Verwaltung anvertraut
hat, von dem wird vermuthet, daß er ihm auch die Macht eingeräumt habe, alles
dasjenige zu thun, was die Verwaltung selbst erfordert und was gewöhnlich damit
verbunden ist. (§. 1009.)
§. 1030. Gestattet der Eigenthümer
einer Handlung, oder eines Gewerbes seinem Diener oder Lehrlinge, Waaren im
Laden oder außer demselben zu verkaufen; so wird vermuthet, daß sie
bevollmächtigt seyn, die Bezahlung zu empfangen, und Quittungen dagegen
auszustellen.
§. 1031. Die Vollmacht, Waaren im
Nahmen des Eigenthümers zu verkaufen, erstreckt sich aber nicht auf das Recht,
in seinem Nahmen Waaren einzukaufen; auch dürfen Fuhrleute weder den Werth der
ihnen anvertrauten Güter beziehen, noch Geld darauf anleihen, wenn es nicht
ausdrücklich in Frachtbriefen bestimmt worden ist.
§. 1032. Dienstgeber und
Familienhäupter sind nicht verbunden, das, was von ihren Dienstpersonen oder
andern Hausgenossen in ihrem Nahmen auf Borg genommen wird, zu bezahlen. Der
Borger muß in solchen Fällen den gemachten Auftrag erweisen.
§. 1033. Besteht aber zwischen dem
Borgnehmer und dem Borggeber ein ordentliches Einschreibebuch, worin die
ausgeborgten Sachen aufgezeichnet werden; so gilt die Vermuthung, daß der
Ueberbringer dieses Buches bevollmächtiget sey, die Waare auf Borg zu nehmen.
Gerichtliche und gesetzliche
Bevollmächtigung.
§. 1034. Das Recht der Vormünder
und Curatoren, die Geschäfte ihrer Pflegebefohlenen zu verwalten, gründet sich
auf die Anordnung des Gerichtes, von welchem sie bestellet sind. Dem Vater und
dem Ehemanne wird das Befugniß zur Vertretung des Kindes und der Gattinn von
dem Gesetze eingeräumt. Hierüber sind die Vorschriften an den gehörigen Orten
enthalten.
Geschäftsführung ohne Auftrag;
§. 1035. Wer weder durch
ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag, noch vom Gerichte, noch aus dem
Gesetze das Befugniß erhalten hat, darf der Regel nach sich in das Geschäft
eines Andern nicht mengen. Hätte er sich dessen angemaßt; so ist er für alle
Folgen verantwortlich.
im Nothfalle;
§. 1036. Wer, obgleich unberufen,
ein fremdes Geschäft zur Abwendung eines bevorstehenden Schadens besorgt, dem
ist derjenige, dessen Geschäft er besorgt hat, den nothwendigen und zweckmäßig
gemachten Aufwand zu ersetzen schuldig; wenn gleich die Bemühung ohne
Verschulden fruchtlos geblieben ist. (§. 403.)
oder zum Nutzen des Andern;
§. 1037. Wer fremde Geschäfte bloß,
um den Nutzen des Andern zu befördern, übernehmen will, soll sich um dessen
Einwilligung bewerben. Hat der Geschäftsführer zwar diese Vorschrift
unterlassen, aber das Geschäft auf seine Kosten zu des Andern klarem,
überwiegenden Vortheile geführet; so müssen ihm von diesem die darauf
verwendeten Kosten ersetzt werden.
§. 1038. Ist aber der überwiegende
Vortheil nicht klar; oder hat der Geschäftsführer eigenmächtig so wichtige
Veränderungen in einer fremden Sache vorgenommen, daß die Sache dem Andern zu
dem Zwecke, wozu er sie bisher benützte, unbrauchbar wird, so ist dieser zu
keinem Ersatze verbunden; er kann vielmehr verlangen, daß der Geschäftsführer
auf eigene Kosten die Sache in den vorigen Stand zurücksetze, oder, wenn das
nicht möglich ist, ihm volle Genugthuung leiste.
§. 1039. Wer ein fremdes Geschäft
ohne Auftrag auf sich genommen hat, muß es bis zur Vollendung fortsetzen, und
gleich einem Bevollmächtigten genaue Rechnung darüber ablegen.
gegen den Willen des Andern.
§. 1040. Wenn jemand gegen den
gültig erklärten Willen des Eigenthümers sich eines fremden Geschäftes
anmasset, oder den rechtmäßigen Bevollmächtigten durch eine solche Einmengung
an der Besorgung des Geschäftes verhindert; so verantwortet er nicht nur den
hieraus erwachsenen Schaden und entgangenen Gewinn, sondern er verliert auch
den gemachten Aufwand, in so fern er nicht in Natur zurück genommen werden
kann.
Verwendung einer Sache zum Nutzen
des Andern.
§. 1041. Wenn ohne Geschäftsführung
eine Sache zum Nutzen eines Anderen verwendet worden ist; kann der Eigenthümer
sie in Natur, oder, wenn dieß nicht mehr geschehen kann, den Werth verlangen,
den sie zur Zeit der Verwendung gehabt hat, obgleich der Nutzen in der Folge
vereitelt worden ist.
§. 1042. Wer für einen Andern einen
Aufwand macht, den dieser nach dem Gesetze selbst hätte machen müssen, hat das
Recht, den Ersatz zu fordern.
§. 1043. Hat jemand in einem
Nothfalle, um einen größern Schaden von sich und Andern abzuwenden, sein
Eigenthum aufgeopfert; so müssen ihn Alle, welche daraus Vortheil zogen,
verhältnißmäßig entschädigen. Die ausführlichere Anwendung dieser Vorschrift
auf Seegefahren ist ein Gegenstand der Seegesetze.
§. 1044. Die Vertheilung der
Kriegsschäden wird nach besondern Vorschriften von den politischen Behörden
bestimmt.
Drey u. zwanzigstes Hauptstück.
Von dem Tauschvertrage.
Tausch.
§. 1045. Der Tausch ist ein
Vertrag, wodurch eine Sache gegen eine andere Sache überlassen wird. Die wirkliche
Uebergabe ist nicht zur Errichtung; sondern nur zur Erfüllung des
Tauschvertrages, und zur Erwerbung des Eigenthumes nothwendig.
§. 1046. Das Geld ist kein
Gegenstand des Tauschvertrages; doch lassen sich Gold und Silber als eine Waare
und selbst als Münz-Sorten in so weit vertauschen, als sie nur gegen andere
Münz-Sorten, goldene nähmlich gegen silberne, kleinere gegen größere Stücke
verwechselt werden sollen.
Rechte und Pflichten der
Tauschenden
§. 1047. Tauschende sind vermöge
des Vertrages verpflichtet, die vertauschten Sachen der Verabredung gemäß mit
ihren Bestandtheilen, und mit allem Zugehöre, zu rechter Zeit, am gehörigen
Orte, und in eben dem Zustande, in welchem sie sich bey Schließung des
Vertrages befunden haben, zum freyen Besitze zu übergeben und zu übernehmen.
Wer seine Verpflichtung zu erfüllen unterläßt, haftet dem Andern für Schaden
und entgangenen Nutzen.
insbesondere in Rücksicht der
Gefahr
§. 1048. Ist keine Zeit bedungen,
zu welcher die Uebergabe geschehen soll, und wird in der Zwischenzeit entweder
die vertauschte bestimmte Sache durch Verboth außer Verkehr gesetzt, oder
zufälliger Weise ganz, oder doch über die Hälfte am Werthe zu Grunde gerichtet,
so ist der Tausch für nicht geschlossen anzusehen.
§. 1049. Andere in dieser Zwischenzeit
durch Zufall erfolgte Verschlimmerungen der Sache und Lasten gehen auf die
Rechnung des Besitzers. Sind jedoch Sachen in Pausch und Bogen behandelt
worden; so trägt der Uebernehmer den zufälligen Untergang einzelner Stücke,
wenn anders hierdurch das Ganze nicht über die Hälfte am Werthe verändert
worden ist.
und der Nutzungen vor der
Uebergabe.
§. 1050. Dem Besitzer gebühren die
Nutzungen der vertauschten Sache bis zur bedungenen Zeit der Uebergabe. Von
dieser Zeit an gebühren sie, sammt dem Zuwachse, dem Uebernehmer, obgleich die
Sache noch nicht übergeben worden ist.
§. 1051. Ist keine Zeit zur
Uebergabe der bestimmten Sache bedungen, und fällt keinem Theile ein Versehen
zur Last; so sind die obigen Vorschriften wegen Gefahr und Nutzungen (§§. 1048-1050)
auf den Zeitpunct der Uebergabe selbst anzuwenden; in so fern die Parteyen
nicht etwas Anderes festgesetzt haben.
§. 1052. Wer auf die Uebergabe
dringen will, muß seine Verbindlichkeit erfüllet haben, oder sie zu erfüllen
bereit seyn.
Vier u. zwanzigstes Hauptstück.
Von dem Kaufvertrage.
Kaufvertrag.
§. 1053. Durch den Kaufvertrag wird
eine Sache um eine bestimmte Summe Geldes einem Andern überlassen. Er gehört,
wie der Tausch zu den Titeln ein Eigenthum zu erwerben. Die Erwerbung erfolgt
erst durch die Uebergabe des Kaufgegenstandes. Bis zur Uebergabe behält der
Verkäufer das Eigenthumsrecht.
Erfordernisse des Kaufvertrages.
§. 1054. Wie die Einwilligung des
Käufers und Verkäufers beschaffen seyn müssen, und welche Sache gekauft und
verkauft werden dürfen, dieses wird nach den Regeln des Verträge überhaupt
bestimmt. Der Kaufpreis muß im baren Gelde bestehen, und darf weder unbestimmt,
noch gesetzwidrig seyn.
Der Kaufpreis muß
a) im baren Gelde bestehen;
§. 1055. Wird eine Sache theils
gegen Geld; theils gegen eine andere Sache veräußert; so wird der Vertrag, je
nachdem der Werth am Gelde mehr oder weniger, als der gemeine Werth der
gegebenen Sache beträgt, zum Kaufe oder Tausche, und bey gleichem Werthe der
Sache, zum Kaufe gerechnet.
b) bestimmt;
§. 1056. Käufer und Verkäufer
können die Festsetzung des Preises auch einer dritten bestimmten Person
überlassen. Wird von dieser in dem bedungenen Zeitraume nichts festgesetzt;
oder will im Falle, daß kein Zeitraum bedungen worden ist, ein Theil vor der Bestimmung
des Preises zurücktreten; so wird der Kaufvertrag als nicht geschlossen
angesehen.
§. 1057. Wird die Bestimmung des
Preises mehreren Personen überlassen, so entscheidet die Mehrheit der Stimmen.
Fallen die Stimmen so verschieden aus, daß der Preis nicht einmahl durch
wirkliche Mehrheit der Stimmen festgesetzt wird; so ist der Kauf für nicht
eingegangen zu achten.
§. 1058. Auch der Werth, welcher
bey einer frühern Veräußerung bedungen worden ist, kann zur Bestimmung des
Preises dienen. Hat man den ordentlichen Marktpreis zum Grunde gelegt, so wird
der mittlere Marktpreis des Ortes und der Zeit, wo und in welcher der Vertrag
erfüllet werden muß, angenommen.
c) nicht gesetzwidrig seyn.
§. 1059. Wenn für Waaren eine Taxe
besteht, so ist der höhere Preis gesetzwidrig, und der Käufer kann für jede
noch so geringe Verletzung die Schadloshaltung bey der politischen Behörde
fordern.
§. 1060. Außer diesem Falle kann
der Kauf sowohl von dem Käufer als Verkäufer nur wegen Verletzung über die Hälfte
bestritten werden (§§. 934-935). Diese Beschwerde findet auch dann Statt, wenn
der Ausspruch des Kaufpreises einem Dritten überlassen worden ist.
Pflichten des Verkäufers,
§. 1061. Der Verkäufer ist
schuldig, die Sache bis zur Zeit der Uebergabe sorgfältig zu verwahren und sie
dem Käufer nach eben den Vorschriften zu übergeben, welche oben bey dem Tausche
(§. 1047) aufgestellt worden sind.
und des Käufers.
§. 1062. Der Käufer hingegen ist
verbunden, die Sache sogleich, oder zur bedungenen Zeit zu übernehmen, zugleich
aber auch das Kaufgeld bar abzuführen; widrigen Falls ist der Verkäufer ihm die
Uebergabe der Sache zu verweigern berechtiget.
§. 1063. Wird die Sache dem Käufer
von dem Verkäufer ohne das Kaufgeld zu erhalten, übergeben; so ist die Sache
auf Borg verkauft, und das Eigenthum derselben geht gleich auf den Käufer über.
Gefahr und Nutzen des
Kaufgegenstandes.
§. 1064. In Rücksicht der Gefahr
und Nutzungen einer zwar gekauften, aber noch nicht übergebenen Sache gelten
die nähmlichen Vorschriften, die bey dem Tauschvertrage gegeben worden sind.
(§§. 1048-1051.)
Kauf einer gehofften Sache.
§. 1065. Wenn Sachen, die noch zu
erwarten stehen, gekauft werden; so sind die in dem Hauptstücke von gewagten
Geschäften gegebenen Anordnungen anzuwenden.
Allgemeine Vorschrift.
§. 1066. In allen bey einem
Kaufvertrag vorkommenden Fällen, welche in dem Gesetze nicht ausdrücklich
entschieden werden, sind die in den Hauptstücken von Verträgen überhaupt, und
von dem Tauschvertrage insbesondere aufgestellten Vorschriften anzuwenden.
Besondere Arten oder Nebenverträge
eines Kaufvertrages.
§. 1067. Besondere Arten oder
Nebenverträge eines Kaufvertrages sind: der Vorbehalt des Wiederkaufes, des
Rückverkaufes, des Vorkaufes; der Verkauf auf die Probe; der Verkauf mit Vorbehalt
eines bessern Käufers; und der Verkaufsauftrag.
Verkauf mit Vorbehalt des
Wiederkaufes.
§. 1068. Das Recht eine verkaufte
Sache wieder einzulösen, heißt das Recht des Wiederkaufes. Ist dieses Recht dem
Verkäufer überhaupt und ohne nähere Bestimmung eingeräumt, so wird von einer
Seite das Kaufstück in einem nicht verschlimmerten Zustande; von der andern
Seite aber das erlegte Kaufgeld zurück gegeben, und die inzwischen beyderseits
aus dem Gelde und der Sache gezogenen Nutzungen bleiben gegen einander
aufgehoben.
§. 1069. Hat der Käufer das
Kaufstück aus dem Seinigen verbessert; oder zu dessen Erhaltung
außerordentliche Kosten verwendet, so gebührt ihm gleich einem redlichen
Besitzer der Ersatz; er haftet aber auch dafür, wenn durch sein Verschulden der
Werth verändert, oder die Zurückgabe vereitelt worden ist.
§. 1070. Der Vorbehalt des
Wiederkaufs findet nur bey unbeweglichen Sachen Statt, und gebührt dem
Verkäufer nur für seine Lebenszeit. Er kann sein Recht weder auf die Erben,
noch auf einen Andern übertragen, und zum Nachtheile eines Dritten nur in so
fern ausüben, als es den öffentlichen Büchern einverleibt ist.
Kauf mit Vorbehalt des
Rückverkaufes.
§. 1071. Den nähmlichen
Beschränkungen unterliegt das von dem Käufer ausbedungene Recht, die Sache dem
Verkäufer wieder zurück zu verkaufen; und es sind auf dasselbe die für den
Wiederkauf ertheilten Vorschriften anzuwenden. Ist aber die Bedingung des
Wiederverkaufs oder Wiederkaufs verstellt, und eigentlich, um ein Pfandrecht
oder ein Borggeschäft zu verbergen, gebraucht worden, so tritt die Vorschrift
des §. 916 ein.
Vorbehalt des Vorkaufsrechtes.
§. 1072. Wer eine Sache mit der
Bedingung verkauft, daß der Käufer, wenn er solche wieder verkaufen will, ihm
die Einlösung anbiethen soll, der hat das Vorkaufsrecht.
§. 1073. Das Vorkaufsrecht ist in
der Regel ein persönliches Recht. In Rücksicht auf unbewegliche Güter kann es
durch Eintragung in die öffentlichen Bücher in ein dingliches verwandelt
werden.
§. 1074. Auch kann das
Vorkaufsrecht weder einem Dritten abgetreten, noch auf die Erben des
Berechtigten übertragen werden.
§. 1075. Der Berechtigte muß
bewegliche Sachen binnen vier und zwanzig Stunden; unbewegliche aber binnen
dreyßig Tagen, nach der geschehenen Anbiethung, wirklich einlösen. Nach Verlauf
dieser Zeit ist das Vorkaufsrecht erloschen.
§. 1076. Das Vorkaufsrecht hat im
Falle einer gerichtlichen Feilbiethung der mit diesem Rechte belasteten Sache
keine andere Wirkung, als daß der den öffentlichen Büchern einverleibte
Berechtigte zur Feilbiethung insbesondere vorgeladen werden muß.
§. 1077. Der zur Einlösung
Berechtigte muß außer dem Falle einer andern Verabredung, den vollständigen
Preis, welcher von einem Dritten angebothen worden ist, entrichten. Kann er die
außer dem gewöhnlichen Kaufpreise angebothenen Nebenbedingungen nicht erfüllen,
und lassen sie sich auch durch einen Schätzungswerth nicht ausgleichen; so kann
das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden.
§. 1078. Das Vorkaufsrecht läßt
sich auf andere Veräußerungsarten ohne eine besondere Verabredung nicht
ausdehnen.
§. 1079. Hat der Besitzer dem
Berechtigten die Einlösung nicht angebothen, so muß er ihm für allen Schaden
haften. Im Falle eines dinglichen Vorkaufsrechtes kann die veräußerte Sache dem
Dritten abgefordert werden, und dieser wird nach Beschaffenheit seines
redlichen oder unredlichen Besitzes behandelt.
Kauf auf die Probe.
§. 1080. Bey dem Kaufe auf die
Probe geht das Kaufstück vor Bezahlung des Preises nicht in das Eigenthum des Käufers.
Der Käufer wird während der Probezeit als ein Entlehner; nach Verlauf dieser
Zeit aber das Kaufgeschäft für unbedingt abgeschlossen, und der Käufer als
Eigenthümer des Kaufstückes angesehen.
§. 1081. Hat der Käufer für das
übernommene Kaufstück den Preis bezahlt, so gebührt ihm sogleich das Eigenthum;
er kann aber vor Verlauf der Probezeit von dem Kaufe zurücktreten.
§. 1082. Ist die Probezeit durch
Verabredung nicht bestimmt worden, so wird sie bey beweglichen Sachen auf drey
Tage; bey unbeweglichen aber auf Ein Jahr angenommen.
Verkauf mit Vorbehalt eines bessern
Käufers.
§. 1083. Wird das Kaufgeschäft mit
dem Vorbehalte verabredet, daß der Verkäufer, wenn sich binnen einer bestimmten
Zeit ein besserer Käufer meldet, denselben vorzuziehen befugt sey; so bleibt in
dem Falle, daß das Kaufstück nicht übergeben worden, die Wirklichkeit des
Vertrages bis zum Eintritte der Bedingung aufgeschoben.
§. 1084. Ist das Kaufstück
übergeben worden, so ist der Kaufvertrag abgeschlossen; er wird aber durch den
Eintritt der Bedingung wieder aufgelöset. Bey dem Mangel einer ausdrücklichen
Zeitbestimmung wird der bey dem Kaufe auf die Probe angenommene Zeitraum
vermuthet.
§. 1085. Ob der neue Käufer besser
sey, beurtheilet der Verkäufer. Er kann den zweyten Käufer, wenn der erste auch
noch mehr zahlen wollte, vorziehen. Bey der Auflösung des Vertrages heben sich
die Nutzungen der Sache und des Geldes gegen einander auf. In Rücksicht der
Verbesserungen oder Verschlimmerungen wird der Käufer gleich einem redlichen
Besitzer behandelt.
Verkaufsauftrag.
§. 1086. Wenn jemand seine
bewegliche Sache einem Andern für einen gewissen Preis zum Verkaufe übergibt,
mit der Bedingung, daß ihm der Uebernehmer binnen einer festgesetzten Zeit
entweder das bestimmte Kaufgeld liefern oder die Sache zurückstellen soll; so
ist der Uebergeber vor Verlauf der Zeit die Sache zurück zu fordern nicht
berechtiget; der Uebernehmer aber muß nach deren Ablauf das bestimmte Kaufgeld
entrichten.
§.
1087. Während der festgesetzten Zeit bleibt der Uebergeber Eigenthümer. Der
Uebernehmer haftet ihm für den durch sein Verschulden verursachten Schaden, und
es werden ihm bey Zurückstellung der Sache nur solche Kosten vergütet, die dem
Uebergeber zum Nutzen gereichen.
§.
1088. Ist die Sache unbeweglich; oder ist der Preis, oder die Zahlungsfrist
nicht bestimmt; so wird der Uebernehmer wie ein Gewalthaber angesehen. In
keinem Falle kann die zum Verkaufe anvertraute Sache dem Dritten, welcher sie
von dem Uebernehmer redlicher Weise an sich gebracht hat, abgefordert werden.
(§. 367.)
§.
1089. Auch bey gerichtlichen Verkäufen finden die über Verträge, und den
Tausch- und Kaufvertrag insbesondere aufgestellten Vorschriften in der Regel
Statt; in so fern nicht in diesem Gesetze, oder in der Gerichtsordnung eigene
Anordnungen enthalten sind.
Fünf u. zwanzigstes Hauptstück.
Von Bestand- Erbpacht- und
Erbzins-Verträgen.
Bestandvertrag.
§. 1090. Der Vertrag, wodurch
jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und
gegen einen bestimmten Preis erhält, heißt überhaupt Bestandvertrag.
I.) Mieth- und Pachtvertrag.
§. 1091. Der Bestandvertrag wird,
wenn sich die in Bestand gegebene Sache ohne weitere Bearbeitung gebrauchen
läßt, ein Miethvertrag; wenn sie aber nur durch Fleiß und Mühe benützt werden
kann, ein Pachtvertrag genannt. Werden durch einen Vertrag Sachen von der
ersten und zweyten Art zugleich in Bestand gegeben; so ist der Vertrag nach der
Beschaffenheit der Hauptsache zu beurtheilen.
Erfordernisse.
§. 1092. Mieth- und Pachtverträge
können über die nähmlichen Gegenstände und auf die nähmliche Art, als der
Kaufvertrag geschlossen werden. Der Mieth- und Pachtzins wird, wenn keine
andere Uebereinkunft getroffen worden ist, wie das Kaufgeld entrichtet.
§. 1093. Der Eigenthümer kann
sowohl seine beweglichen und unbeweglichen Sachen, als seine Rechte in Bestand
geben; er kann aber auch in den Fall kommen, den Gebrauch seiner eigenen Sache,
wenn er einem Dritten gebührt, in Bestand zu nehmen.
Wirkung.
§. 1094. Sind die
vertragschließenden Theile über das Wesentliche des Bestandes, nähmlich über
die Sache und den Preis, übereingekommen; so ist der Vertrag vollkommen
abgeschlossen, und der Gebrauch der Sache für gekauft anzusehen.
§. 1095. Wenn ein Bestandvertrag in
die öffentlichen Bücher eingetragen ist; so ist das Recht des Bestandnehmers
als ein dingliches Recht zu betrachten, welches sich auch der nachfolgende
Besitzer auf die noch übrige Zeit gefallen lassen muß.
Wechselseitige Rechte:
1) In Hinsicht auf Ueberlassung,
Erhaltung, Benützung.
§. 1096. Die Vermiether und
Verpächter sind verpflichtet, das Bestandstück auf eigene Kosten in brauchbarem
Stande zu übergeben und zu erhalten, und die Bestandinhaber in dem bedungenen
Gebrauche oder Genusse nicht zu stören. Die gewöhnlichen Ausbesserungen der Wirthschaftsgebäude
hat der Pächter nur in so weit, als sie mit den Materialien des Gutes, und den
Diensten, die er nach der Beschaffenheit des Gutes zu fordern berechtiget ist,
bestritten werden können, selbst zu tragen, die übrigen aber dem Verpächter zur
Besorgung anzuzeigen.
§. 1097. Hat der Bestandnehmer
einen dem Bestandgeber obliegenden nothwendigen, oder einen nützlichen Aufwand
auf das Bestandstück gemacht; so wird er als ein Geschäftsführer ohne Auftrag betrachtet
(§. 1036); er muß aber den Ersatz längstens binnen sechs Monathen, nach
Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern, sonst ist die Klage
erloschen.
§. 1098. Miether und Pächter sind
berechtiget, die Mieth- und Pachtstücke dem Vertrage gemäß durch die bestimmte
Zeit zu gebrauchen und zu benützen, oder auch in Afterbestand zu geben, wenn es
ohne Nachtheil des Eigenthümers geschehen kann, oder im Vertrage nicht
ausdrücklich untersagt worden ist.
2) Lasten;
§. 1099. Bey Vermiethungen trägt alle
Lasten und Abgaben der Vermiether. Bey eigentlichen Pachtungen, wenn sie in
Pausch und Bogen geschehen, übernimmt der Pächter, mit Ausschluß der
eingetragenen Hypothecar-Lasten, alle übrige; wird aber die Pachtung nach einem
Anschlage geschlossen, so trägt er jene Lasten, welche von dem Ertrage
abgezogen worden sind, oder bloß von den Früchten, und nicht von dem Grunde
selbst entrichtet werden müssen.
3) Zins.
§. 1100. Außer dem Falle einer
besondern Verabredung ist der Zins, wenn eine Sache auf Ein oder mehrere Jahre
in Bestand genommen wird, halbjährig; bey einer kürzeren Bestandzeit hingegen
nach Verlauf derselben zu entrichten.
§. 1101. Zur Sicherstellung des
Mieth- oder Pachtzinses hat der Vermiether einer Wohnung das Pfandrecht auf die
eingebrachten, dem Miether oder Aftermiether eigenthümlichen, oder von einem
Dritten ihnen anvertrauten (§. 367) Einrichtungsstücke und Fahrnisse, welche
zur Zeit der Klage noch darin befindlich sind. Der Aftermiether haftet aber
nach Maß seines Miethzinses; doch ohne die Einwendung einer dem Hauptmiether
geschehenen Vorauszahlung entgegensetzen zu können. Dem Verpächter eines
Grundstückes hingegen steht das Pfandrecht auf das auf dem Pachtgute vorhandene
Vieh und die Wirthschaftsgeräthschaften, und die darauf noch befindlichen
Früchte zu.
§. 1102. Der Bestandgeber kann sich
zwar die Vorausbezahlung des Bestandzinses bedingen. Hat aber der Bestandnehmer
mehr als Eine Fristzahlung voraus geleistet; so kann er dieselbe nur in dem
Falle, daß sie in die öffentlichen Bücher eingetragen ist, den später
eingetragenen Gläubigern entgegensetzen.
Zins in Früchten.
§. 1103. Wenn der Eigenthümer sein
Gut mit der Bedingung überläßt, daß der Uebernehmer die Wirthschaft betreiben,
und dem Uebergeber einen auf die ganze Nutzung sich beziehenden Theil, z. B.
ein Drittheil oder die Hälfte der Früchte geben solle; so entsteht kein Pacht-,
sondern ein Gesellschaftsvertrag, welcher nach den darüber aufgestellten Regeln
beurtheilet wird.
Fälle und Bedingungen einer
Erlassung des Zinses.
§. 1104. Wenn eine in Bestand
genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als: Feuer, Krieg, oder
Seuche, wegen großer Ueberschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen
Mißwachses, gar nicht gebraucht oder benützt werden kann; so ist auch kein Mieth-
oder Pachtzins zu entrichten.
§. 1105. Wird dem Miether der
Gebrauch des Miethstückes nur zum Theile entzogen; so wird ihm auch ein
verhältnißmäßiger Theil des Miethzinses erlassen. Dem Pächter gebührt ein Erlaß
an dem Pachtzinse, wenn durch außerordentliche Zufälle die Nutzungen des nur
auf Ein Jahr gepachteten Gutes um mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages
gefallen sind. Der Verpächter ist so viel zu erlassen schuldig, als durch
diesen Abfall an dem Pachtzinse mangelt.
§. 1106. Hat der Bestandnehmer
unbestimmt alle Gefahren auf sich genommen; so werden darunter nur die Feuer-,
Wasserschäden und Wetterschläge verstanden. Andere außerordentliche
Unglücksfälle kommen nicht auf seine Gefahr. Verbindet er sich aber
ausdrücklich, auch alle andere außerordentliche Unglücksfälle zu tragen; so
wird deßwegen noch nicht vermuthet, daß er auch für den zufälligen Untergang
des ganzen Pachtstückes haften wolle.
§. 1107. Wird der Gebrauch oder
Genuß des Bestandstückes nicht wegen dessen Beschädigung oder sonst entstandener
Unbrauchbarkeit; sondern aus einem dem Bestandnehmer zugestoßenen Hindernisse
oder Unglücksfalle vereitelt; oder waren zur Zeit der Beschädigung die Früchte
von dem Grunde schon abgesondert; so fällt die widrige Ereignung dem
Bestandnehmer allein zur Last. Er muß den Zins doch entrichten.
§. 1108. Behauptet der Pächter den
Erlaß des ganzen Pachtzinses oder eines Theiles davon entweder aus dem Vertrage
oder aus dem Gesetze; so muß er dem Verpächter ohne Zeitverlust den geschehenen
Unglücksfall anzeigen, und die Begebenheit, wenn sie nicht landkundig ist,
gerichtlich, oder wenigstens durch zwey sachkundige Männer erheben lassen; ohne
diese Vorsicht wird er nicht angehört.
4) Zurückstellung;
§. 1109. Nach geendigtem
Bestandvertrage muß der Bestandnehmer die Sache dem etwa errichteten
Inventarium gemäß, oder doch in dem Zustande, in welchem er sie übernommen hat;
gepachtete Grundstücke aber mit Rücksicht auf die Jahreszeit, in welcher der
Pacht geendiget worden ist, in gewöhnlicher wirthschaftlicher Cultur
zurückstellen. Weder die Einwendung des Compensations-Rechtes, noch selbst des
frühern Eigenthumsrechtes kann ihn vor der Zurückstellung schützen.
§. 1110. Wenn bey dem
Bestandvertrage kein Inventarium errichtet worden ist; so tritt die nähmliche
Vermuthung, wie bey der Fruchtnießung (§. 518) ein.
§. 1111. Wird das Mieth- oder
Pachtstück beschädiget, oder durch Mißbrauch abgenützt; so haften Miether und
Pächter sowohl für ihr eigenes, als des Afterbestandnehmers Verschulden, nicht
aber für den Zufall. Doch muß der Bestandgeber den Ersatz aus dieser Haftung
längstens binnen Einem Jahre nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich
fordern; sonst ist das Recht erloschen.
5) Auflösung des Bestandvertrages:
a) durch Untergang der Sache;
§. 1112. Der Bestandvertrag löset
sich von selbst auf, wenn die bestandene Sache zu Grunde geht. Geschieht dieß
aus Verschulden des einen Theiles, so gebührt dem andern Ersatz; geschieht es
durch einen Unglücksfall, so ist kein Theil dem andern dafür verantwortlich.
b) Verlauf der Zeit;
§. 1113. Der Bestandvertrag
erlischt auch durch den Verlauf der Zeit, welcher ausdrücklich oder
stillschweigend, entweder durch den nach einem gewissen Zeitraume ausgemessenen
Zins, wie bey so genannten Tag- Wochen- und Monathzimmern, oder durch die
erklärte, oder aus dem Umständen hervorleuchtende Absicht des Bestandnehmers
bedungen worden ist.
wenn keine Erneuerung geschieht;
§. 1114. Der Bestandvertrag kann
aber nicht nur ausdrücklich; sondern auch stillschweigend erneuert werden. Ist
in dem Vertrage eine vorläufige Aufkündigung bedungen worden; so wird der
Vertrag durch die Unterlassung der gehörigen Aufkündigung stillschweigend
erneuert. Ist keine Aufkündigung bedungen worden; so geschieht eine
stillschweigende Erneuerung, wenn der Bestandnehmer nach Verlauf der
Bestandzeit fortfährt, die Sache zu gebrauchen oder zu benützen, und der
Bestandgeber es dabey bewenden läßt.
§. 1115. Die stillschweigende
Erneuerung des Bestandvertrages geschieht unter den nähmlichen Bedingungen,
unter welchen er vorher geschlossen war. Doch erstreckt sie sich bey Pachtung
nur auf Ein Jahr; wenn aber der ordentliche Genuß erst in einem spätern
Zeitraume erfolgen kann, auf eine so lange Zeit als nothwendig ist, um die
Nutzungen einmahl beziehen zu können. Miethungen, wofür man den Zins erst nach
einem ganzen oder halben Jahre zu bezahlen pflegt, werden auf ein halbes Jahr;
alle kürzere Miethungen aber auf diejenige Zeit stillschweigend erneuert,
welche vorher durch den Bestandvertrag bestimmt war. Von wiederhohlten
Erneuerungen gilt das Nähmliche, was hier in Rücksicht der ersten Erneuerung
vorgeschrieben ist.
c) Aufkündigung;
§. 1116. In so fern die Dauer eines
Bestandvertrages weder ausdrücklich, noch stillschweigend, noch durch besondere
Vorschriften bestimmt ist, muß derjenige, welcher den Vertrag aufheben will,
dem Andern die Pachtung sechs Monathe; die Miethung einer unbeweglichen Sache
vierzehn Tage; und einer beweglichen vier und zwanzig Stunden vorher
aufkündigen, als die Abtretung erfolgen soll.
§. 1117. Der Bestandnehmer ist
berechtiget, auch vor Verlauf der ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen
Zeit von dem Vertrage abzustehen, wenn die bestandene Sache ihrer mangelhaften
Beschaffenheit wegen zu dem ordentlichen Gebrauche untauglich ist; wenn ein
beträchtlicher Theil des Bestandstückes durch Zufall auf eine längere Zeit
entzogen, oder unbrauchbar wird; oder, wenn der Bestandgeber dasselbe nicht
mehr im brauchbaren Stande erhält.
§. 1118. Der Bestandgeber kann
seinerseits die frühere Aufhebung des Vertrages fordern, wenn der Bestandnehmer
der Sache einen erheblichen nachtheiligen Gebrauch davon macht; wenn er nach
geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, daß
er mit Ablauf des Termines den rückständigen Bestandzins nicht vollständig
entrichtet hat; oder, wenn ein vermiethetes Gebäude neu aufgeführt werden muß.
Eine nützlichere Bauführung ist der Miether zu seinem Nachtheile zuzulassen
nicht schuldig, wohl aber nothwendige Ausbesserungen.
§. 1119. Wenn dem Vermiether die
Nothwendigkeit der neuen Bauführung schon zur Zeit des geschlossenen Vertrages
bekannt seyn mußte; oder, wenn die Nothwendigkeit der durch längere Zeit
fortzusetzenden Ausbesserungen aus Vernachlässigung der kleinern Ausbesserungen
entstanden ist; so muß dem Miether für den vermißten Gebrauch eine angemessene
Entschädigung geleistet werden.
d) Veräußerung der Sache.
§. 1120. Hat der Eigenthümer das
Bestandstück an einen Andern veräußert, und ihm bereits übergeben; so muß der
Bestandinhaber, wenn sein Recht nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen
ist (§. 1095), nach der gehörigen Aufkündigung dem neuen Besitzer weichen. Er
ist aber berechtiget, von dem Bestandgeber in Rücksicht auf den erlittenen
Schaden, und entgangenen Nutzen eine vollkommene Genugthuung zu fordern.
§. 1121. Bey einer nothwendigen,
gerichtlichen Veräußerung muß der Bestandnehmer selbst in dem Falle, daß sein
Recht als ein dingliches Recht eingetragen ist, dem neuen Käufer weichen. Nur
in Rücksicht auf die Entschädigung bleibt ihm sein Vorzugsrecht vorbehalten.
II. Erbpacht.
§. 1122. Der Vertrag, wodurch
jemanden das Nutzeigenthum eines Gutes erblich unter der Bedingung überlassen
wird, daß er die jährlichen Nutzungen mit einer jährlichen, im Verhältnisse zu
dem Ertrage bestimmten Abgabe im Gelde, in Früchten, oder auch in
verhältnißmäßigen Diensten vergelten solle, heißt ein Erbpachtvertrag.
III. Erbzinsvertrag.
§. 1123. Wird eine geringe Abgabe
von dem Besitzer nur zur Anerkennung des Grundeigenthumes geleistet, so heißt
der Grund ein Erbzinsgut und der darüber errichtete Vertrag ein Erbzinsvertrag.
§. 1124 Im Zweifel, ob ein
Nutzeigenthum ein Erbpachtgut aber ein Erbzinsgut sey, ist auf den Betrag des
jährlichen Zinses, und andere Schuldigkeiten Rücksicht zu nehmen. Steht dieser
Betrag mit den jährlichen reinen Nutzungen außer allem Verhältnisse; so ist das
Nutzeigenthum ein Erbzinsgut; läßt sich aber wenigstens von alten Zeiten her
und bey ganz öde übernommenen Gründen ein Verhältniß denken; so ist es ein
Erbpachtgut. (§. 359.)
IV. Bodenzins.
§. 1125. Ist ein Eigenthum
dergestalt getheilt, daß einem Theile die Substanz des Grundes sammt der
Benützung der Unterfläche, dem andern Theile aber nur die Benützung der
Oberfläche erblich gehört; so heißt die jährliche von diesem letztern Besitzer
zu entrichtende Abgabe, Bodenzins.
Erwerbung des nutzbaren
Eigenthumes.
§. 1126. Das getheilte Eigenthum
einer unbeweglichen Sache kann eben so wenig, als das vollständige ohne
Einverleibung in die öffentlichen Bücher oder Register erworben werden. Ein
gültiger Titel gründet nur ein persönliches Recht gegen die verbundene Person,
aber kein dingliches Recht gegen einen Dritten. (§. 431.)
Gemeinschaftliche Rechte des Ober-
und Nutzungseigenthümers.
§. 1127. Die Rechte des Ober- und Nutzungseigenthümers
kommen überhaupt darin überein, daß ein Jeder mit seinem Theile in so weit
verfügen kann, als die Rechte des Andern dadurch nicht verletzet werden. (§.
363.)
§. 1128. Einer wie der andere ist
berechtiget, seinen Antheil gerichtlich zu verfolgen, ihn zu verpfänden, und
unter Lebenden oder durch eine letzte Willenserklärung zu veräußern. Wer eine
Einschränkung behauptet, muß solche durch die gehörigen Urkunden, durch so
genannte Gewährbriefe oder Handfesten beweisen.
Besondere Rechte und Pflichten des
Obereigenthümers.
§. 1129. Der Obereigenthümer ist
insbesondere berechtigt, dem Nutzungseigenthümer nicht nur die Verringerung der
Nutzungssache; sondern auch alle Veränderungen zu untersagen, wodurch die
Ausübung seiner Rechte vereitelt oder erschwert werden kann.
1) in Rücksicht der Erhaltung,
Bearbeitung und Veränderungen des Gutes.
§. 1130. Er kann also verlangen,
daß der Nutzungseigenthümer für die Erhaltung und Bestellung der Grundstücke
Sorge trage. Vernachlässiget er, ungeachtet der geschehenen Warnung, die
Erfüllung dieser Pflichten, oder ist er die auf dem Grunde haftenden Lasten zu
tragen unfähig; so kann der Obereigenthümer auf die Ueberlassung des Gutes an
andere Erbpacht- oder Erbzins-Männer dringen.
2) des Erbzinses.
§. 1131. Das vorzüglichste Recht
des Erbpacht- und Erbzinsherrn besteht in der Beziehung des jährlichen Zinses
und anderer bedungenen Gebühren. Diese können unter keinem Vorwande erhöhet,
von den zum Grunde nicht gehörigen Fahrnissen aber, so wie von andern beweglichen
Sachen, gar nicht bezogen werden.
Wann der Zins zu entrichten.
§. 1132. Der jährliche Zins muß,
wenn nichts verabredet oder durch Provincial-Gesetze bestimmt ist, in der
ersten Hälfte des Monaths November abgeführt werden.
Wann eine Erlassung Statt finde?
§. 1133. In der Regel haftet ein
unvollständiger Eigenthümer dem andern nicht für den Zufall: Allein, wenn ein
Erbpächter durch Ueberschwemmungen, Krieg oder Seuchen sein Pachtgut zu
benützen verhindert worden ist; so muß demselben für die Zeit der vermißten
Benützung ein angemessener Erlaß vom Zinse gestattet werden.
§. 1134 Ein Erbzinsmann hat auf
einen ähnlichen Erlaß keinen Anspruch; er muß, so lange ein Theil des
Erbzinsgutes vorhanden ist, den festgesetzten Erbzins voll entrichten.
Recht bey verzögerter Entrichtung
des Zinses.
§. 1135. Hat der Erbzinsmann den
Zins in der bedungenen Zeit nicht abgeführt; so kann der Erbzinsherr verlangen,
daß die Nutzung in Beschlag genommen, und er aus derselben schadlos gehalten
werde.
§. 1136. Ein Erbpachtherr hat in
Ansehung des über Ein Jahr ausständigen Zinses die Wahl, entweder die Pfändung
der Nutzungen, oder die gerichtliche Versteigerung des Erbpachtgutes zur
Berichtigung der Rückstände zu verlangen.
3) In Rücksicht der Lasten und
Verbesserungen.
§. 1137. Der Obereigenthümer ist
verpflichtet, den Nutzungseigenthümer in Rücksicht des unmittelbar von ihm
erhaltenen Nutzungseigenthumes zu vertreten, und wenn das Nutzungsrecht mit der
Substanz wieder vereiniget wird, ihm oder seinem Nachfolger die getroffenen
Verbesserungen wie einem andern redlichen Besitzer zu vergüten, und für die
Richtigkeit der öffentlichen Bücher und Register, die er über seine Zinsgüter
führet, zu haften.
§. 1138. Für andere von dem
Nutzungseigenthümer aufgebürdete und den öffentlichen Büchern nicht
einverleibte Lasten haftet der Obereigenthümer nicht. Der Nutzungseigenthümer
kann überhaupt einem Andern nicht mehr Recht übertragen, als er selbst hat. Das
Recht des Einen erlischt also mit dem Rechte des Andern.
Rechte und Verbindlichkeiten des
Nutzungseigenthümers überhaupt.
§. 1139. Die Rechte und
Verbindlichkeiten des Nutzungseigenthümers stehen überhaupt mit den
festgesetzten Verbindlichkeiten und Rechten des Obereigenthümers im
Verhältnisse.
Insbesondere 1) in Rücksicht der
Veräußerung.
§. 1140. Der Nutzungseigenthümer
bedarf zur Veräußerung die Einwilligung des Obereigenthümers nicht; doch muß er
ihn dem Nachfolger zur Beurtheilung, ob derselbe dem Gute vorzustehen, und die
darauf haftenden Lasten zu entrichten fähig sey, nahmhaft machen. Auf ein
Vorkaufs- oder Einstandsrecht hat der Obereigenthümer keinen Anspruch.
§. 1141. Hat sich aber der
Obereigenthümer diese Einwilligung und Rechte ausdrücklich vorbehalten; so muß
er sich binnen dreyßig Tagen nach der ihm gemachten ordentlichen Anzeige
erklären. Nach dieser Frist wird seine Einwilligung für ertheilt gehalten. Ohne
Ausübung des Vorkaufs- oder Einstandsrechtes kann er die Einwilligung nur wegen
offenbarer Gefahr der Substanz und der damit verknüpften Rechte verweigern.
§. 1142. Die Abgabe, welche der
Obereigenthümer zuweilen von einem neuen Nutzungseigenthümer zu fordern hat,
heißt, wenn die Veränderung bey Lebzeiten geschieht, Lehenwaare (Laudemium);
geschieht sie aber von Todes wegen, Sterbelehen. Beyde werden auch Veränderungsgebühren
genannt. Ob und wie diese Rechte gegründet seyn, entscheidet die
Landesverfassung, die öffentlichen Bücher und Urkunden, oder ein
dreyßigjähriger ruhiger Besitz.
2) In Rücksicht eines Schatzes und
der Verminderung der Substanz.
§. 1143. Dem Nutzungseigenthümer
gebührt auch ein verhältnißmäßiger Theil von einem gefundenem Schatze (§. 399).
Er ist sogar befugt, die Substanz zu verringern, wenn er dem Obereigenthümer
beweisen kann, daß die Benutzung des Grundes sonst nicht Statt finde. (§. 1129.)
3) der Lasten;
§. 1144. Der Nutzungseigenthümer
trägt alle ordentliche und außerordentliche dem Gute anklebende Lasten; er
entrichtet die Steuern, Zehenden und andere besonders vorgemerkten Abgaben. Für
Lasten, die den Zins betreffen, haftet der Obereigenthümer.
4) des Gewährbriefes.
§. 1145. Jeder neue
Nutzungseigenthümer ist in der Regel verbunden, sich von dem Obereigenthümer
einen Beglaubigungsschein oder eine Urkunde des erneuerten Nutzungseigenthumes
zu verschaffen.
Besondere Verhältnisse zwischen Gutsbesitzern
und Unterthanen.
§. 1146. In wie fern die
Nutzungseigenthümer gegen die Obereigenthümer noch in andern Verhältnissen
stehen, und welche Rechte und Verbindlichkeiten insbesondere zwischen den
Gutsbesitzern und den Gutsunterthanen bestehen, ist aus der Verfassung jeder
Provinz, und den politischen Vorschriften zu entnehmen.
Rechte aus dem Bodenzinse.
§. 1147. Wer nichts als einen
Bodenzins entrichtet, hat nur auf die Benutzung der Oberfläche, als: Bäume,
Pflanzen und Gebäude, und auf einen Theil des auf derselben gefundenen Schatzes
Anspruch. Vergrabene Schätze und andere unterirdische Nutzungen gehören dem
Obereigenthümer allein zu.
Erlöschung des Nutzungseigenthumes.
§. 1148. Was von der Aufhebung des
vollständigen Eigenthumes bestimmt worden ist, (§. 444) gilt überhaupt auch von
dem getheilten.
§. 1149. Erbpacht- und Erbzinsgüter
gehen auf alle Erben über, die nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden sind.
Hat der Nutzungseigenthümer keinen rechtmäßigen Nachfolger; so wird das
Nutzungseigenthum mit dem Obereigenthume vereiniget. Doch muß der
Obereigenthümer, wenn er von diesem Rechte Gebrauch machen will, alle Schulden
des Nutzungseigenthümers, die aus einem andern Vermögen nicht getilgt werden
können, berichtigen. In wie fern ein Obereigenthümer das heimgefallene Gut an
Andere zu überlassen verbunden sey, bestimmen die politischen Verordnungen.
§. 1150. Durch Zerstörung der
Pflanzen, Bäume und Gebäude geht das Nutzungseigenthum der Oberfläche nicht
verloren. So lange noch ein Theil des Grundes bleibt, kann ihn der Besitzer,
wenn er anders seinen Zins abführt, mit neuen Pflanzen, Bäumen und Gebäuden
besetzen.
Sechs u. zwanzigstes Hauptstück.
Von entgeldlichen Verträgen über
Dienstleistungen.
1) Lohnvertrag.
§. 1151. Wenn jemand sich zur Dienstleistung,
oder Verfertigung eines Werkes, gegen einen gewissen Lohn im Gelde,
verpflichtet; so entsteht ein Lohnvertrag.
Stillschweigender Lohnvertrag.
§. 1152. So bald jemand eine Arbeit
oder ein Werk bestellet; so wird auch angenommen, daß er in einen angemessenen
Lohn eingewilliget habe. Ist der Lohn weder durch die Verabredung, noch durch
ein Gesetz festgesetzt; so bestimmet ihn der Richter.
Rechte aus dem Lohnvertrage.
§. 1153. Bey wesentlichen Mängeln,
die das Werk zum Gebrauche untüchtig machen, oder der ausdrücklichen Bedingung
zuwider laufen, ist der Besteller berechtiget, von dem Vertrage abzugehen. Will
er dieses nicht; oder sind die Mängel weder wesentlich, noch gegen die
ausdrückliche Bedingung; so kann er entweder die Verbesserung, oder eine
angemessene Schadloshaltung fordern, und zu dem Ende einen verhältnißmäßigen
Theil des Lohnes zurück halten.
§. 1154. Wenn der Bestellte aus
seiner Schuld das Versprechen in der zur Bedingung gesetzten Zeit nicht
erfüllet; so ist der Besteller nicht mehr schuldig, die bestellte Sache
anzunehmen; er kann auch für den daraus entstandenen Schaden Ersatz fordern.
Zögert aber der Besteller mit der Entrichtung des Lohnes; so ist auch er
verbunden, den Bestellten vollkommen zu entschädigen.
§. 1155. Auch für Dienste und
Arbeiten, die nicht zu Stande gekommen sind, gebührt der bestellten Person eine
angemessene Entschädigung, wenn sie das Geschäft zu verrichten bereit war, und
von dem Besteller durch Schuld, oder einen Zufall, der sich in seiner Person
ereignet hat, daran verhindert, oder überhaupt durch Zeitverlust verkürzt
worden ist.
§. 1156. In der Regel gebührt der
Lohn nach vollbrachter Arbeit. Wird aber die Arbeit in gewissen Abtheilungen
der Zeit oder des Werkes verrichtet; oder sind Auslagen damit verbunden, die
der Bestellte nicht auf sich genommen hat; so ist dieser befugt, einen mit der
Dienstleistung oder dem Werke verhältnißmäßigen Theil des Lohnes, und den
Ersatz der gemachten Auslagen vor vollendetem Werke oder gänzlich verrichteter
Arbeit zu fordern.
§. 1157. Wenn durch einen bloßen
Zufall, der zur Verfertigung eines Werkes vorbereitete Stoff oder das Werk
selbst ganz, oder zum Theile zu Grunde geht; so trägt der Eigenthümer des
Stoffes oder des Werkes den Schaden. Hat aber der Besteller einen zur zweckmäßigen
Bearbeitung offenbar untauglichen Stoff geliefert; so ist der Arbeiter, wenn
die Arbeit aus diesem Grunde mangelhaft ausfällt, und er den Besteller nicht
gewarnet hat, für den Schaden verantwortlich.
Wann die Bestellung in einen
Kaufvertrag übergehe.
§. 1158. Im Zweifel, ob die
Bestellung einer Arbeit für einen Kauf- oder für einen Lohnvertrag zu halten
sey, wird vermuthet, daß derjenige, der den Stoff dazu liefert, den Arbeiter
bestellt habe. Hat aber der Arbeiter den Stoff geliefert; so wird ein Kauf
vermuthet.
§. 1159. Wenn mit dem Lohnvertrage
noch andere Nebenverträge verbunden werden; so müssen die jedem derselben
angemessenen gesetzlichen Vorschriften beobachtet werden.
Erlöschung des Lohnvertrages.
§. 1160. Arbeiter, welche auf eine
bestimmte Zeit, oder bis zur Vollendung eines gewissen Werkes bestellet worden
sind, können ohne rechtmäßigen Grund vor verlaufener Zeit, und vor vollendetem
Werke weder die Arbeit aufgeben, noch verabschiedet werden. Wird die Arbeit
unterbrochen; so verantwortet jeder Theil sein Verschulden, aber keiner den
Zufall.
§. 1161. Nur in dringenden
Umständen kann der bestellte Arbeiter oder Werkmeister das ihm aufgetragene
Geschäft einem Andern anvertrauen, und selbst in diesem Falle haftet er für ein
Verschulden in der Auswahl der Person.
§. 1162. Ein Lohnvertrag über
Arbeiten, bey denen auf die besondere Geschicklichkeit der Person Rücksicht
genommen zu werden pflegt, wird durch den Tod des Arbeiters aufgehoben, und die
Erben können nur den Preis des zubereiteten brauchbaren Stoffes, und einen dem
Werthe der geleisteten Arbeiten angemessenen Theil des Lohnes fordern. Stirbt
der Besteller einer Arbeit; so müssen seine Erben den Vertrag fortsetzen, oder
den Bestellten schadlos halten.
Ausdehnung dieser Vorschriften auf
Rechtsfreunde, Aerzte und dergl.
§. 1163. Die hier aufgestellten
Vorschriften gelten auch von Rechtsfreunden, Aerzten und Wundärzten, Factoren,
Provisoren, Künstlern, Lieferanten und anderen Personen, welche sich für ihre
Bemühungen einen Gehalt, eine Bestallung, oder sonst eine Belohnung
ausdrücklich; oder stillschweigend ausbedungen haben, in so fern hierüber keine
besondern Vorschriften bestehen.
2) Verlagsvertrag.
§. 1164. Durch den Vertrag über den
Verlag einer Schrift wird jemanden von dem Verfasser das Recht ertheilet,
dieselbe durch den Druck zu vervielfältigen und abzusetzen. Der Verfasser
begibt sich dadurch des Rechtes, das nähmliche Werk einem Andern in Verlag zu
überlassen.
Rechte und Pflichten zwischen dem
Verfasser und Verleger.
§. 1165. Der Verfasser ist
verbunden, das Werk der Verabredung gemäß zu liefern, und der Verleger, gleich
nach geliefertem Werke die bedungene Belohnung zu entrichten.
§. 1166. Wird das Werk von dem
Schriftsteller zur bestimmten Zeit, oder auf die festgesetzte Art nicht
geliefert; so kann der Verleger zurücktreten, und wenn die Ablieferung aus
Verschulden des Verfassers unterbleibet, die Schadloshaltung fordern.
§. 1167. Wenn die Zahl der
Exemplare bestimmet worden ist; so muß der Verleger zu jeder neuen Auflage die
Einwilligung des Verfassers einhohlen, und über die Bedingungen ein neues
Uebereinkommen treffen.
§. 1168. Will der Verfasser eine
neue Ausgabe, mit Veränderungen in dem Inhalte des Werkes, veranstalten; so ist
darüber ebenfalls ein neuer Vertrag zu schließen. Vor dem Absatze der Auflage
aber ist der Verfasser nur dann zu einer neuen Ausgabe berechtiget, wenn er dem
Verleger in Rücksicht der vorräthigen Exemplare eine angemessene
Schadloshaltung zu leisten bereit ist.
§. 1169. Die Rechte des
Schriftstellers in Rücksicht einer neuen Auflage oder Ausgabe gehen auf seine
Erben nicht über.
§. 1170. Wenn ein Schriftsteller
nach einem ihm von dem Verleger vorgelegten Plane die Bearbeitung eines Werkes
übernimmt; so hat er nur auf die bedungene Belohnung Anspruch. Dem Verleger
steht in der Folge das ganze freye Verlagsrecht zu.
§. 1171. Diese Vorschriften sind
auch auf Landkarten, topographische Zeichnungen und musikalische Compositionen
anzuwenden. Die Beschränkungen des Nachdruckes sind in den politischen Gesetzen
enthalten.
3) Vertrag zwischen Dienstherren
und dem Gesinde.
§. 1172. Die Rechte und Pflichten
zwischen den Dienstherren und dem Dienstgesinde sind in den besondern darüber
bestehenden Vorschriften enthalten.
Andere entgeldliche Verträge über
Dienste.
§. 1173. Die Verträge, wodurch eine
Sache oder eine Handlung für eine übernommene Handlung versprochen wird, sind
nach den über die entgeldlichen Verträge überhaupt, und insbesondere nach den
in diesem Hauptstücke aufgestellten Regeln zu beurtheilen.
§. 1174. Was jemand wissentlich zur
Bewirkung einer unmöglichen, oder unerlaubten Handlung gegeben hat, kann er
nicht wieder zurück fordern. In wie fern es der Fiscus einzuziehen berechtiget
sey, bestimmen die politischen Verordnungen. Ist aber etwas zur Verhinderung
einer unerlaubten Handlung demjenigen, der diese Handlung begehen wollte,
gegeben worden; so findet die Zurückforderung Statt.
Sieben u. zwanzigst. Hauptstück.
Von dem Vertrage über eine
Gemeinschaft der Güter.
Entstehung einer
Erwerbsgesellschaft.
Begriff.
§. 1175. Durch einen Vertrag,
vermöge dessen zwey oder mehrere Personen einwilligen, ihre Mühe allein, oder
auch ihre Sachen zum gemeinschaftlichen Nutzen zu vereinigen, wird eine
Gesellschaft zu einem gemeinschaftlichen Erwerbe errichtet.
Eintheilung.
§. 1176. Je nachdem die Mitglieder
einer Gesellschaft nur einzelne Sachen, oder Summen; oder eine ganze Gattung
von Sachen, z. B. alle Waaren, alle Früchte, alle liegende Gründe, oder endlich
ihr ganzes Vermögen ohne Ausnahme der Gemeinschaft widmen, sind auch die Arten
der Gesellschaft verschieden, und die Gesellschaftsrechte mehr oder weniger
ausgedehnt.
§. 1177. Wenn ein
Gesellschaftsvertrag auf das ganze Vermögen lautet; so wird doch nur das
gegenwärtige darunter verstanden. Wird aber auch das künftige Vermögen mit
begriffen; so versteht man darunter nur das erworbene, nicht das ererbte; außer
es wäre beydes ausdrücklich bedungen worden.
Form der Errichtung.
§. 1178. Gesellschaftsverträge,
welche sich nur auf das gegenwärtige, oder nur auf das zukünftige Vermögen
beziehen, sind ungültig, wenn das von dem einen und dem andern Theile
eingebrachte Gut nicht ordentlich beschrieben, und verzeichnet worden ist.
§. 1179. Wie der gesellschaftliche
Vertrag unter Handelsleuten zu errichten, in die gehörigen Register einzutragen
und öffentlich bekannt zu machen sey, bestimmen die besondern Handels- und
politischen Gesetze. Werden nur einzelne Geschäfte gemeinschaftlich betrieben;
so ist genug, wenn der darüber errichtete Vertrag in den Handlungsbüchern
erscheint.
§. 1180. Der Vertrag über eine
Gemeinschaft des ganzen sowohl gegenwärtigen als künftigen Vermögens, welcher
gewöhnlich nur zwischen Ehegatten errichtet zu werden pflegt, ist nach den in
dem Hauptstücke von den Ehe-Pacten hierüber ertheilten Vorschriften zu
beurtheilen. Die gegenwärtigen Vorschriften beziehen sich auf die übrigen Arten
der durch Vertrag errichteten Gütergemeinschaft.
Wirkung des Vertrages und des
wirklichen Beytrages.
§. 1181. Der Gesellschaftsvertrag
gehört zwar unter die Titel, ein Eigenthum zu erwerben; die Erwerbung selbst
aber, und die Gemeinschaft der Güter oder Sachen kommt nur durch die Uebergabe
derselben zu Stande.
Hauptstamm.
§. 1182. Alles, was ausdrücklich
zum Betriebe des gemeinschaftlichen Geschäftes bestimmt worden ist, macht das
Capital, oder den Hauptstamm der Gesellschaft aus. Das Uebrige, was jedes
Mitglied besitzt, wird als ein abgesondertes Gut betrachtet.
§. 1183. Wenn Geld, verbrauchbare,
oder zwar unverbrauchbare, jedoch in Geldwerth angeschlagene Sachen eingelegt
werden; so ist nicht nur der daraus verschaffte Nutzen, sondern auch der
Hauptstamm in Rücksicht der Mitglieder, welche hierzu beygetragen haben, als
ein gemeinschaftlichen Eigenthum anzusehen. Wer nur seine Mühe zum
gemeinschaftlichen Nutzen zu verwenden verspricht, hat zwar auf den Gewinn,
nicht aber auf den Hauptstamm einen Anspruch. (§. 1192.)
Rechte und Pflichten der
Mitglieder:
Beytrag zum Hauptstamme; (Fond)
§. 1184. Jedes Mitglied ist, außer
dem Falle einer besonderen Verabredung, verbunden, einen gleichen Antheil zum
gemeinschaftlichen Hauptstamme beyzutragen.
Mitwirkung;
§. 1185. In der Regel sind alle
Mitglieder verbunden, ohne Rücksicht auf ihren größern oder geringern Antheil,
zu dem gemeinschaftlichen Nutzen gleich mitzuwirken.
§. 1186. Kein Mitglied ist befugt,
die Mitwirkung einem Dritten anzuvertrauen; oder jemanden in die Gesellschaft
aufzunehmen; oder ein der Gesellschaft schädliches Nebengeschäft zu
unternehmen.
§. 1187. Die Pflichten der
Mitglieder werden durch den Vertrag genauer bestimmt. Wer sich bloß zur Arbeit
verbunden hat, der ist keinen Beytrag schuldig. Wer lediglich einen Geld- oder
andern Beytrag verheißen hat, der hat weder die Verbindlichkeit, noch das
Recht, auf eine andere Art zu dem gemeinschaftlichen Erwerbe mitzuwirken.
§. 1188. Bey der Berathschlagung
und Entscheidung über die gesellschaftlichen Angelegenheiten sind, wenn keine
andere Verabredung besteht, die in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des
Eigenthumes gegebenen Vorschriften anzuwenden. (§§. 833-842.)
Nachschuß zum Hauptstamme;
§. 1189. Die Mitglieder können zu
einem mehreren Beytrage, als wozu sie sich verpflichtet haben, nicht gezwungen
werden. Fände jedoch bey veränderten Umständen ohne Vermehrung des Beytrages
die Erreichung des gesellschaftlichen Zweckes gar nicht Statt; so kann das sich
weigernde Mitglied austreten, oder zum Austritte verhalten werden.
Betrieb der anvertrauten Geschäfte;
§. 1190. Wird Einem oder einigen
Mitgliedern der Betrieb der Geschäfte anvertraut; so sind sie als Bevollmächtigte
zu betrachten. Auf ihre Berathschlagungen und Entscheidungen über
gesellschaftliche Angelegenheiten sind ebenfalls, die oben (§§. 833-842)
erwähnten Vorschriften anzuwenden.
Haftung für den Schaden;
§. 1191. Jedes Mitglied haftet für
den Schaden, den es der Gesellschaft durch sein Verschulden zugefügt hat.
Dieser Schaden läßt sich mit dem Nutzen, den es der Gesellschaft sonst
verschaffte, nicht ausgleichen. Hat aber ein Mitglied durch ein eigenmächtig
unternommenes neues Geschäft der Gesellschaft von einer Seite Schaden, und von
der andern Nutzen verursacht; so soll eine verhältnißmäßige Ausgleichung Statt
finden.
Vertheilung des Gewinnes;
§. 1192. Das Vermögen, welches nach
Abzug aller Kosten und erlittenen Nachtheile über den Hauptstamm zurück bleibt,
ist der Gewinn. Der Hauptstamm selbst bleibt ein Eigenthum derjenigen, welche
dazu beygetragen haben; außer es wäre der Werth der Arbeiten zum Capitale
geschlagen und alles als ein gemeinschaftliches Gut erklärt worden.
§. 1193. Der Gewinn wird nach
Verhältniß der Capitals-Beyträge vertheilt, und die von allen Mitgliedern
geleisteten Arbeiten heben sich gegen einander auf. Wenn ein oder einige
Mitglieder bloß arbeiten, oder nebst dem Capitals–Beytrage zugleich Arbeiten
leisten; so wird für die Bemühungen, wenn keine Verabredung besteht, und die
Gesellschafter sich nicht vereinigen können, der Betrag mit Rücksicht auf die
Wichtigkeit des Geschäftes, die angewendete Mühe und den verschafften Nutzen
vom Gerichte bestimmt.
§. 1194. Besteht der Gewinn nicht
in barem Gelde, sondern in andern Arten der Nutzungen; so geschieht die
Theilung nach der in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigenthumes
enthaltenen Vorschrift. (§§. 840–843.)
§. 1195. Die Gesellschaft kann
einem Mitgliede, seiner vorzüglichen Eigenschaften oder Bemühungen wegen, einen
größern Gewinn bewilligen, als ihm nach seinem Antheile zukäme; nur dürfen
dergleichen Ausnahmen nicht in gesetzwidrige Verabredungen oder Verkürzungen
ausarten.
§. 1196. (Anm.: Aufgehoben durch §
6, RGBl 1868/Nr. 62.)
Vertheilung des Verlustes;
§. 1197. Hat die Gesellschaft ihre
Einlage ganz oder zum Theile verloren; so wird der Verlust in dem Verhältnisse
vertheilet, wie im entgegengesetzten Falle der Gewinn vertheilt worden wäre.
Wer kein Capital gegeben hat, büßt seine Bemühungen ein.
Rechnungslegung;
§. 1198. Die Mitglieder, denen die
Verwaltung anvertraut ist, sind verbunden, über den gemeinschaftlichen
Hauptstamm und über die dahin gehörigen Einnahmen und Ausgaben ordentlich
Rechnung zu führen und abzulegen.
§. 1199. Die Schlußrechnung und
Theilung des Gewinnes oder Verlustes kann vor Vollendung des Geschäftes nicht
gefordert werden. Wenn aber Geschäfte betrieben werden, die durch mehrere Jahre
fortdauern und einen jährlichen Nutzen abwerfen sollen; so können die
Mitglieder, wenn anders das Hauptgeschäft nicht darunter leidet, jährlich
sowohl die Rechnung, als die Vertheilung des Gewinnes verlangen. Uebrigens kann
jedes Mitglied zu jeder Zeit auf seine Kosten die Rechnungen einsehen.
§. 1200. Wer sich mit der bloßen
Vorlegung des Abschlusses (Bilanz) begnügt, oder auch seinem Rechte, Rechnung
zu fordern, entsagt hat, kann, wenn er einen Betrug auch nur in Einem Theile
der Verwaltung beweiset, sowohl für den vergangenen Fall, als für alle künftige
Fälle auf eine vollständige Rechnung dringen.
Verhältniß gegen Nichtmitglieder.
§. 1201. Ohne die ausdrückliche
oder stillschweigende, rechtliche Einwilligung der Mitglieder oder ihrer
Bevollmächtigten kann die Gesellschaft einem Dritten nicht verbindlich gemacht
werden. Bey Handelsleuten begreift das kund gemachte, Einem oder mehreren
Mitgliedern ertheilte Recht, die Firma zu führen, nähmlich alle Urkunden und
Schriften im Nahmen der Gesellschaft zu unterschreiben, schon eine allseitige
Vollmacht in sich. (§. 1028.)
§. 1202. Ein Mitglied, welches nur
mit einem Theile seines Vermögens in der Gesellschaft steht, kann ein von dem
gemeinschaftlichen abgesondertes Vermögen besitzen, worüber es nach Belieben zu
verfügen berechtiget ist. Rechte und Verbindlichkeiten, die ein Dritter gegen
die Gesellschaft hat, müssen also von den Rechten und Verbindlichkeiten gegen
einzelne Mitglieder unterschieden werden.
§. 1203. Was also jemand an ein
einzelnes Mitglied, und nicht an die Gesellschaft zu fordern oder zu zahlen
hat, kann er auch nur an das einzelne Mitglied, und nicht an die Gesellschaft
fordern oder bezahlen. Eben so hat aber bey gesellschaftlichen Forderungen oder
Schulden jedes Mitglied nur für seinen Antheil ein Recht oder eine
Verbindlichkeit zur Zahlung, außer in dem Falle, welcher bey Handelsleuten
vermuthet wird, daß Alle für Einen und Einer für Alle etwas zugesagt oder
angenommen haben.
§. 1204. Die geheimen Mitglieder
einer Handlungsgesellschaft; solche nähmlich, welche ihr einen Theil des Fonds
auf Gewinn und Verlust dargeliehen haben, aber nicht als Mitglieder
angekündiget worden sind, haften in keinem Falle mit mehr als mit dem
dargeliehenen Capitale. Die kund gemachten Mitglieder haften mit ihrem ganzen
Vermögen.
Auflösung der Gesellschaft, und
Austritt aus derselben.
§. 1205. Die Gesellschaft löset
sich von selbst auf, wenn das unternommene Geschäft vollendet; oder nicht mehr
fortzuführen; wenn der ganze gemeinschaftliche Hauptstamm zu Grunde gegangen;
oder wenn die zur Dauer der Gesellschaft festgesetzte Zeit verflossen ist.
§. 1206. Die gesellschaftlichen
Rechte und Verbindlichkeiten gehen in der Regel nicht auf die Erben eines
Mitgliedes über. Doch sind diese, wenn mit ihnen die Gesellschaft nicht
fortgesetzt wird, berechtiget, die Rechnungen bis auf den Tod des Erblassers zu
fordern und berichtigen zu lassen. Sie sind aber im entgegengesetzten Falle
auch verbunden, Rechnungen zu legen, und zu berichtigen.
§. 1207. Besteht die Gesellschaft
nur aus zwey Personen; so erlischt sie durch das Absterben der Einen. Besteht sie
aus mehreren; so wird von den übrigen Mitgliedern vermuthet, daß sie die
Gesellschaft noch unter sich fortsetzen wollen. Diese Vermuthung gilt auch
überhaupt von den Erben der Handelsleute.
§. 1208. Lautet der von Personen,
die keine Handelsleute sind, errichtete Gesellschaftsvertrag ausdrücklich auch
auf ihrer Erben; so sind diese, wenn sie die Erbschaft antreten, verpflichtet,
sich nach dem Willen des Erblassers zu fügen; allein auf die Erbeserben
erstreckt sich dieser Wille nicht; noch weniger vermag er eine immerwährende
Gesellschaft zu begründen. (§. 832.)
§. 1209. Wenn der Erbe die von dem
Verstorbenen für die Gesellschaft übernommenen Dienste zu erfüllen nicht im
Stande ist; so muß er sich einem verhältnißmäßigen Abzuge an dem ausgemessenen
Antheile unterziehen.
§. 1210. Wenn ein Mitglied die
wesentlichen Bedingungen der Vertrages nicht erfüllet; wenn es in Concurs
verfällt; als Verschwender gerichtlich erkläret, oder überhaupt unter die
Curatel gesetzt wird; wenn es durch ein Verbrechen das Vertrauen verliert; so
kann es vor Verlauf der Zeit von der Gesellschaft ausgeschlossen werden.
§. 1211. Man kann den
Gesellschaftsvertrag vor Verlauf der Zeit aufkündigen, wenn dasjenige Mitglied,
von welchem der Betrieb des Geschäftes vorzüglich abhing, gestorben oder
ausgetreten ist.
§. 1212. Wenn die Zeit zur Dauer
der Gesellschaft weder ausdrücklich bestimmt worden ist, noch aus der Natur des
Geschäftes bestimmt werden kann; so mag jedes Mitglied den Vertrag nach
Willkühr aufkündigen; nur darf es nicht mit Arglist oder zur Unzeit geschehen.
(§. 830.)
§. 1213. Die Wirkungen einer zwar
bestrittenen, aber in der Folge für rechtmäßig erklärten Ausschließung oder
Aufkündung werden auf den Tag, wo sie geschehen sind, zurück gezogen.
§. 1214. Die Aufhebung einer Handlungsgesellschaft;
die Aufnahme und der Austritt ihrer öffentlichen Mitglieder, muß eben so, wie
die Errichtung, öffentlich bekannt gemacht werden. Aus dieser Bekanntmachung
wird auch die Kraft und die Dauer der Vollmachten beurtheilt.
Theilung des gesellschaftlichen
Vermögens.
§. 1215. Bey der nach Auflösung
einer Gesellschaft vorzunehmenden Theilung des gesellschaftlichen Vermögens
sind nebst den obigen Bestimmungen die nähmlichen Vorschriften zu beobachten,
welche in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigenthumes über die
Theilung einer gemeinschaftlichen Sache überhaupt aufgestellet worden sind.
§. 1216. Die in diesem Hauptstücke
enthaltenen Anordnungen sind auch auf die Handlungsgesellschaften anzuwenden;
in so fern hierüber nicht besondere Vorschriften bestehen.
Acht u. zwanzigstes Hauptstück.
Von den Ehe-Pacten.
Ehe-Pacte.
§. 1217. Ehe-Pacte heißen
diejenigen Verträge, welche in Absicht auf die eheliche Verbindung über das
Vermögen geschlossen werden, und haben vorzüglich das Heirathsgut; die Widerlage;
Morgengabe; die Gütergemeinschaft; Verwaltung und Fruchtnießung des eigenen
Vermögens; die Erbfolge, oder die auf den Todesfall bestimmte lebenslange
Fruchtnießung des Vermögens, und den Witwengehalt zum Gegenstande.
1) Heirathsgut.
§. 1218. Unter Heirathsgut versteht
man dasjenige Vermögen, welches von der Ehegattinn, oder für sie von einem
Dritten dem Manne zur Erleichterung des mit der ehelichen Gesellschaft
verbundenen Aufwandes übergeben oder zugesichert wird.
Dessen Bestellung;
§. 1219. Wenn die Braut eigenes
Vermögen besitzt, und volljährig ist; so hängt es von ihr und dem Bräutigame
ab, wie sie sich wegen des Heirathsgutes, und wegen anderer wechselseitigen
Gaben mit einander verstehen wollen. Ist aber die Braut noch minderjährig; so
muß der Vertrag von dem Vater oder Vormunde, mit Genehmigung des
vormundschaftlichen Gerichtes, geschlossen werden.
§. 1220. Besitzt die Braut kein
eigenes, zu einem angemessenen Heirathsgute hinlängliches Vermögen; so sind
Aeltern oder Großältern nach der Ordnung, als sie die Kinder zu ernähren und zu
versorgen verpflichtet sind, verbunden, den Töchtern oder Enkelinnen bey deren
Verehelichung ein ihrem Stande und Vermögen angemessenes Heirathsgut zu geben,
oder dazu verhältnißmäßig beyzutragen (§§. 141 u. 143). Eine uneheliche Tochter
kann nur von ihrer Mutter Heirathsgut verlangen.
§. 1221. Berufen sich Aeltern oder
Großältern auf ihr Unvermögen zur Bestellung eines anständigen Heirathsgutes;
so soll auf Ansuchen der Brautperson das Gericht die Umstände, jedoch ohne
strenge Erforschung des Vermögensstandes, untersuchen, und hiernach ein
angemessenes Heirathsgut bestimmen, oder die Aeltern und Großältern davon
freysprechen.
§. 1222. Wenn eine Tochter ohne
Wissen, oder gegen den Willen ihrer Aeltern sich verehelichet hat, und das
Gericht die Ursache der Mißbilligung gegründet findet; so sind die Aeltern
selbst in dem Falle, daß sie in der Folge die Ehe genehmigen, nicht schuldig,
ihr ein Heirathsgut zu geben.
§. 1223. Hat eine Tochter ihr
Heirathsgut schon erhalten, und es, obschon ohne ihr Verschulden, verloren; so
ist sie nicht mehr, selbst nicht im Falle einer zweyten Ehe, berechtiget, ein
neues zu fordern.
§. 1224. Im Zweifel, ob das
Heirathsgut von dem Vermögen der Aeltern oder der Braut ausgesetzt worden sey,
wird das Letztere angenommen. Haben aber Aeltern das Heirathsgut ihrer
minderjährigen Tochter ohne obervormundschaftliche Genehmigung bereits
ausgezahlt; so wird vermuthet, daß es die Aeltern aus eigenem Vermögen gethan
haben.
Uebergabe,
§. 1225. Hat sich der Ehemann vor
geschlossener Ehe kein Heirathsgut bedungen; so ist er auch keines zu fordern
berechtiget. Die Uebergabe des bedungenen Heirathsgutes kann, wenn keine andere
Zeit festgesetzt worden ist, gleich nach geschlossener Ehe begehret werden.
und Beweis derselben.
§. 1226. Wenn über das Vermögen des
Ehemannes ein Concurs verhängt wird; so macht seine vor Ausbruch des Concurses
geschehene schriftliche oder mündliche Bestätigung, daß er das Heirathsgut
empfangen habe, gegen jedermann einen Beweis. Erfolgt aber die Bestätigung erst
nach ausgebrochenem Concurse; so hat sie gegen die Gläubiger keine
Beweiseskraft.
Gegenstand des Heirathsgutes und
Rechte des Ehemannes und der Ehefrau in Rücksicht desselben.
§. 1227. Alles, was sich veräußern und
nutzen läßt, ist zum Heirathsgute geeignet. So lange die eheliche Gesellschaft
fortgesetzt wird, gehört die Fruchtnießung des Heirathsgutes, und dessen, was
demselben zuwächst, dem Manne. Besteht das Heirathsgut in barem Gelde, in
abgetretenen Schuldforderungen oder verbrauchbaren Sachen; so gebührt ihm das
vollständige Eigenthum.
§. 1228. Besteht das Heirathsgut in
unbeweglichen Gütern, in Rechten oder Fahrnissen, welche mit Schonung der
Substanz benutzt werden können; so wird die Ehegattinn so lange als
Eigenthümerinn und der Mann als Fruchtnießer desselben angesehen, bis bewiesen
wird, daß der Ehemann das Heirathsgut für einen bestimmten Preis übernommen,
und sich nur zur Zurückgabe dieses Geldbetrages verbunden hat.
§. 1229. Nach dem Gesetze fällt das
Heirathsgut nach dem Tode des Mannes seiner Ehegattinn, und wenn sie vor ihm
stirbt, ihren Erben heim. Soll sie oder ihre Erben davon ausgeschlossen seyn;
so muß dieses ausdrücklich bestimmt werden. Wer das Heirathsgut freywillig
bestellet, kann sich ausbedingen, daß es nach dem Tode des Mannes auf ihn
zurückfalle.
2) Widerlage.
§. 1230. Was der Bräutigam oder ein
Dritter der Braut zur Vermehrung des Heirathsgutes aussetzt, heißt Widerlage.
Hiervon gebührt zwar der Ehegattinn während der Ehe kein Genuß; allein wenn sie
den Mann überlebt, gebührt ihr ohne besondere Uebereinkunft auch das freye
Eigenthum, obgleich dem Manne auf den Fall seines Ueberlebens das Heirathsgut
nicht verschrieben worden ist.
§. 1231. Weder der Bräutigam, noch
seine Aeltern sind verbunden, eine Widerlage zu bestimmen. Doch in eben der
Art, in welcher die Aeltern der Braut schuldig sind, ihr ein Heirathsgut
auszusetzen, liegt auch den Aeltern des Bräutigams ob, ihm eine ihrem Vermögen
angemessene Ausstattung zu geben. (§§. 1220-1223).
3) Morgengabe.
§. 1232. Das Geschenk, welches der
Mann seiner Gattinn am ersten Morgen zu geben verspricht, heißt Morgengabe. Ist
dieselbe versprochen worden; so wird im Zweifel vermuthet, daß sie binnen den
ersten drey Jahren der Ehe schon überreicht worden sey.
4) Gütergemeinschaft.
§. 1233. Die eheliche Verbindung
allein begründet noch keine Gemeinschaft der Güter zwischen den Eheleuten. Dazu
wird ein besonderer Vertrag erfordert, dessen Umfang und rechtliche Form nach
den §§. 1177. u. 1178 des vorigen Hauptstückes beurtheilt wird.
§. 1234. Die Gütergemeinschaft
unter Ehegatten wird in der Regel nur auf den Todesfall verstanden. Sie gibt
dem Ehegatten das Recht auf die Hälfte dessen, was von den der Gemeinschaft
wechselseitig unterzogenen Gütern nach Ableben des andern Ehegatten noch
vorhanden seyn wird.
§. 1235. Bey einer Gemeinschaft,
die sich auf das ganze Vermögen bezieht, sind vor der Theilung alle Schulden
ohne Ausnahme; bey einer Gemeinschaft aber, die bloß das gegenwärtige, oder
bloß das künftige Vermögen zum Gegenstande hat, nur diejenigen Schulden
abzuziehen, die zum Nutzen des gemeinschaftlichen Gutes verwendet worden sind.
§. 1236. Besitzt ein Ehegatte ein
unbewegliches Gut, und wird das Recht des andern Ehegatten zur Gemeinschaft in
die öffentlichen Bücher eingetragen; so erhält dieser durch die Eintragung auf
die Hälfte der Substanz des Gutes ein dingliches Recht, vermöge dessen der eine
Ehegatte über diese Hälfte keine Anordnung machen kann; auf die Nutzungen aber
während der Ehe erhält er durch die Einverleibung keinen Anspruch. Nach dem
Tode des Ehegatten gebührt dem überlebenden Theile sogleich das freye Eigenthum
seines Antheiles. Doch kann eine solche Einverleibung den auf das Gut früher
eingetragenen Gläubigern nicht zum Nachtheile gereichen.
5) Verwaltung und Nutznießung des
ursprünglichen oder erworbenen Vermögens.
§. 1237. Haben Eheleute über die
Verwendung ihres Vermögens keine besondere Uebereinkunft getroffen; so behält
jeder Ehegatte sein voriges Eigenthumsrecht, und auf das, was ein jeder Theil
während der Ehe erwirbt, und auf was immer für eine Art überkommt, hat der
andere keinen Anspruch. Im Zweifel wird vermuthet, daß der Erwerb von dem Manne
herrühre.
§. 1238. So lange die Ehegattinn
nicht widersprochen hat, gilt die rechtliche Vermuthung, daß sie dem Manne als
ihrem gesetzmäßigen Vertreter die Verwaltung ihres freyen Vermögens anvertrauet
habe.
§. 1239. Der Ehegatte wird in
Rücksicht einer solchen Verwaltung zwar überhaupt wie ein anderer
bevollmächtigter Sachwalter angesehen; doch haftet er nur für das Stammgut oder
Capital. Ueber die während der Verwaltung bezogenen Nutzungen ist er, wenn es
nicht ausdrücklich bedungen worden, keine Rechnung schuldig; diese wird
vielmehr bis auf den Tag der aufgehobenen Verwaltung für berichtigt angesehen.
§. 1240. Auch die Ehegattinn ist
nicht schuldig, den Fruchtgenuß, den sie ihrem Manne abgetreten, aber während
der Ehe selbst bezogen hat, zu verrechnen; es steht aber den Ehegatten frey,
dergleichen stillschweigend eingestandene Verwaltungen einzustellen.
§. 1241. In dringenden Fällen oder
bey Gefahr eines Nachtheiles, kann dem Ehemanne die Verwaltung des Vermögens,
selbst wenn sie ihm ausdrücklich und auf immer verwilliget worden wäre,
abgenommen werden. Hingegen ist auch er befugt, der unordentlichen Wirtschaft
seiner Gattinn Einhalt zu thun, und sie unter den gesetzlichen Vorschriften
sogar als Verschwenderinn erklären zu lassen.
6) Witwengehalt;
§. 1242. Das, was einer Gattinn auf
den Fall des Witwenstandes zum Unterhalte bestimmt wird, heißt Witwengehalt.
Dieser gebührt der Witwe gleich nach dem Tode des Mannes, und soll immer auf
drey Monathe vorhinein entrichtet werden.
§. 1243. Der Witwe gebührt noch
durch sechs Wochen nach dem Todes des Mannes, und wenn sie schwanger ist, bis
nach Verlauf von sechs Wochen nach ihrer Entbindung die gewöhnliche Verpflegung
aus der Verlassenschaft. So lange sie aber diese Verpflegung genießt, kann sie
keinen Witwengehalt beziehen.
§. 1244. Wenn die Witwe sich
verehelichet; so verliert sie das Recht auf den Witwengehalt.
Sicherstellung des Heirathsgutes,
der Widerlage und des Witwengehaltes;
§. 1245. Wer das Heirathsgut
übergibt, ist berechtiget, bey der Uebergabe; oder wenn in der Folge Gefahr
eintritt, von demjenigen, der es empfängt, eine angemessene Sicherstellung zu
fordern. Vormünder und Curatoren einer pflegebefohlenen Braut können die
Sicherstellung des Heirathsgutes, und eben so der bedungenen Widerlage und des
Witwengehaltes ohne Genehmigung des obervormundschaftlichen Gerichtes nicht
erlassen.
Schenkungen unter
Ehegatten und Verlobten;
§. 1246. Die Gültigkeit
oder Ungültigkeit der Schenkungen zwischen Ehegatten wird nach den für die
Schenkungen überhaupt bestehenden Gesetzen beurtheilt.
§. 1247. Was ein Mann
seiner Ehegattinn an Schmuck, Edelsteinen und andern Kostbarkeiten zum Putze
gegeben hat, wird im Zweifel nicht für gelehnt; sondern für geschenkt
angesehen. Wenn aber ein verlobter Theil dem andern; oder auch ein Dritter dem
einen oder andern Theile in Rücksicht auf die künftige Ehe etwas zusichert oder
schenket; so kann, wenn die Ehe ohne Verschulden des Geschenkgebers nicht
erfolgt, die Schenkung widerrufen werden.
Wechselseitige
Testamente;
§. 1248. Den Ehegatten
ist gestattet, in einem und dem nähmlichen Testamente sich gegenseitig, oder auch
andere Personen als Erben einzusetzen. Auch ein solches Testament ist
widerruflich; es kann aber aus der Widerrufung des einen Theiles auf die
Widerrufung des andern Theiles nicht geschlossen werden. (§. 583.)
Erbverträge.
Erfordernisse zur
Gültigkeit des Erbvertrages.
§. 1249. Zwischen
Ehegatten kann auch ein Erbvertrag, wodurch der künftige Nachlaß, oder ein
Theil desselben versprochen, und das Versprechen angenommen wird, geschlossen
werden. (§. 602.) Zur Gültigkeit eines solchen Vertrages ist jedoch nothwendig,
daß er schriftlich mit allen Erfordernissen eines schriftlichen Testamentes
errichtet werde.
§. 1250. Ein
pflegebefohlener Ehegatte kann zwar die ihm versprochene, unnachtheilige
Verlassenschaft annehmen; aber die Verfügung über seine eigene Verlassenschaft
kann, ohne Genehmhaltung des Gerichtes, nur in so fern bestehen, als sie ein
gültiges Testament ist.
Vorschrift über die
eingerückten Bedingungen.
§. 1251. Was von
Bedingungen bey Verträgen überhaupt gesagt worden ist, muß auch auf Erbverträge
zwischen Ehegatten angewendet werden.
Wirkung des
Erbvertrages.
§. 1252. Ein selbst den
öffentlichen Büchern einverleibter Erbvertrag hindert den Ehegatten nicht, mit
seinem Vermögen, so lange er lebt, nach Belieben zu schalten. Das Recht,
welches daraus entsteht, setzt den Tod des Erblassers voraus; es kann von dem
Vertragserben, wenn er den Erblasser nicht überlebt, weder auf Andere
übertragen, noch der künftigen Erbschaft willen eine Sicherstellung gefordert
werden.
§. 1253. Durch den
Erbvertrag kann ein Ehegatte auf das Recht, zu testiren, nicht gänzlich
Verzicht thun. Ein reiner Viertheil, worauf weder der jemanden gebührende
Pflichttheil, noch eine andere Schuld haften darf, bleibt kraft des Gesetzes
zur freyen letzten Anordnung immer vorbehalten. Hat der Erblasser darüber nicht
verfüget; so fällt er doch nicht dem Vertragserben, obschon die ganze
Verlassenschaft versprochen worden wäre, sondern den gesetzlichen Erben zu.
Erlöschung desselben.
§. 1254. Der Erbvertrag
kann zum Nachtheile des andern Gatten, mit dem er geschlossen worden ist, nicht
widerrufen; sondern nur nach Vorschrift der Gesetze entkräftet werden. Den
Notherben bleiben ihre Rechte, wie gegen eine andere letzte Anordnung
vorbehalten.
Fruchtnießung auf den
Todesfall. (Advitalitäts-Recht.)
§. 1255. Wenn ein
Ehegatte dem andern die Fruchtnießung seines Vermögens auf den Fall des
Ueberlebens ertheilet; so wird er dadurch in der freyen Verfügung durch
Handlungen unter Lebenden nicht beschränkt; das Recht der Fruchtnießung (§§.
509-520.) bezieht sich nur auf den Nachlaß des frey vererblichen Vermögens.
§. 1256. Wird aber die
Fruchtnießung eines unbeweglichen Gutes mit Einwilligung des Verleihers den
öffentlichen Büchern einverleibt; so kann dieselbe in Hinsicht dieses Gutes
nicht mehr verkürzt werden.
§. 1257. In dem Falle,
daß der überlebende Theil sich wieder verehelichet, oder die Fruchtnießung
einem Andern abtreten will, haben die Kinder des verstorbenen Ehegatten das
Recht zu verlangen, daß ihnen dieselbe gegen einen angemessenen jährlichen
Betrag überlassen werde.
§. 1258. Ein Ehegatte,
welcher auf die Fruchtnießung der ganzen Verlassenschaft des andern Ehegatten,
oder eines Theiles derselben Anspruch macht, hat kein Recht, den ihm in dem
Falle der gesetzlichen Erbfolge von dem Gesetze ausgemessenen Antheil zu
fordern. (§§. 757–759.)
Einkindschaft.
§. 1259. Die
Einkindschaft, das ist, ein Vertrag, wodurch Kinder aus verschiedenen Ehen in
der Erbfolge einander gleich gehalten werden sollen, hat keine rechtliche
Wirkung.
Absonderung des Vermögens
in dem Falle:
1) eines Concurses;
§. 1260. Wenn über das
Vermögen des Mannes bey seinen Lebzeiten ein Concurs eröffnet wird; so kann die
Ehegattinn zwar noch nicht die Zurückstellung des Heirathsgutes, und die
Herausgabe der Widerlage, sondern nur die Sicherstellung für den Fall der
Auflösung der Ehe gegen die Gläubiger verlangen. Sie ist überdieß berechtiget,
von Zeit der Concurs-Eröffnung den Genuß des witiblichen Unterhaltes, und wenn
keiner bedungen ist, den Genuß des Heirathsgutes anzusprechen. Dieser Anspruch
auf den einen, oder den andern Genuß hat aber nicht Statt, wenn bewiesen wird,
daß die Ehegattinn an dem Verfalle der Vermögensumstände des Mannes Ursache
sey.
§. 1261. Verfällt die
Gattinn mit ihrem Vermögen in den Concurs; so bleiben die Ehe-Pacte
unverändert.
§. 1262. Ist zwischen
den Ehegatten eine Gemeinschaft der Güter bedungen; so hört dieselbe durch den
Concurs des ein oder des andern Ehegatten auf, und das zwischen ihnen
gemeinschaftliche Vermögen wird, wie bey dem Tode, getheilt.
2) einer freywilligen;
§. 1263. Wenn Ehegatten
übereinkommen, geschieden zu leben, so hängt es auch von ihrem Einverständnisse
ab, welches immer zugleich zu treffen ist, (§§. 103-105) ob sie ihre Ehe-Pacte
fortdauern lassen, oder auf welche Art sie dieselben abändern wollen.
oder 3) einer
gerichtlichen Scheidung;
§. 1264. Ist aber auf
die Scheidung durch richterliches Urtheil erkannt worden, und trägt kein Theil,
oder jeder Theil Schuld an der Scheidung, so kann ein oder der andere Ehegatte
verlangen, daß die Ehe-Pacte für aufgehoben erklärt werden; worüber von dem
Gerichte stets ein Vergleich zu versuchen ist (§. 108.). Ist ein Theil
schuldlos, so steht demselben frey, die Fortsetzung oder Aufhebung der
Ehe-Pacte, oder nach Umständen, den angemessenen Unterhalt zu verlangen.
4) Nichtigerklärung;
§. 1265. Wird eine Ehe
für ungültig erklärt; so zerfallen auch die Ehe-Pacte, das Vermögen kommt, in
so fern es vorhanden ist, in den vorigen Stand zurück. Der Schuldtragende Theil
hat aber dem schuldlosen Theile Entschädigung zu leisten. (§. 102.)
5) Trennung der Ehe.
§. 1266. Wird die
Trennung der Ehe (§§. 115 u. 133) auf Verlangen beyder Ehegatten, ihrer
unüberwindlichen Abneigung wegen, verwilliget; so sind die Ehe-Pacte, so weit
darüber kein Vergleich getroffen wird (§. 117), für beyde Theile erloschen.
Wird auf die Trennung der Ehe durch Urtheil erkannt, so gebührt dem schuldlosen
Ehegatten nicht nur volle Genugthuung, sondern von dem Zeitpuncte der erkannten
Trennung alles dasjenige, was ihm in den Ehe-Pacten auf den Fall des
Ueberlebens bedungen worden ist. Das Vermögen, worüber eine Gütergemeinschaft
bestanden hat, wird wie bey dem Tode getheilt, und das Recht aus einem
Erbvertrage bleibt dem Schuldlosen auf den Todesfall vorbehalten. Die
gesetzliche Erbfolge (§§. 757-759) kann ein getrennter, obgleich schuldloser
Ehegatte nicht ansprechen.
Neun u. zwanzigstes
Hauptstück.
Von den
Glücksverträgen.
Glücksverträge.
§. 1267. Ein Vertrag,
wodurch die Hoffnung eines noch ungewissen Vortheiles versprochen und
angenommen wird, ist ein Glücksvertrag. Er gehört, je nachdem etwas dagegen
versprochen wird oder nicht, zu den entgeldlichen oder unentgeldlichen
Verträgen.
§. 1268. Bey
Glücksverträgen findet das Rechtsmittel wegen Verkürzung über die Hälfte des
Werthes nicht Statt.
Arten der
Glücksverträge.
§. 1269. Glücksverträge
sind: die Wette; das Spiel und das Los; alle über gehoffte Rechte, oder über
künftige noch unbestimmte Sachen errichtete Kauf- und andere Verträge; ferner,
die Leibrenten; die gesellschaftlichen Versorgungsanstalten; endlich, die
Versicherungs- und Bodmereyverträge.
1) die Wette;
§. 1270. Wenn über ein
beyden Theilen noch unbekanntes Ereigniß ein bestimmter Preis zwischen ihnen
für denjenigen, dessen Behauptung der Erfolg entspricht, verabredet wird; so
entsteht eine Wette. Hatte der gewinnende Theil von dem Ausgange Gewißheit, und
verheimlichte er sie dem andern Theile; so macht er sich einer Arglist
schuldig, und die Wette ist ungültig. Der verlierende Theil aber, dem der
Ausgang vorher bekannt war, ist als Geschenkgeber anzusehen.
§. 1271. Redliche und
sonst erlaubte Wetten sind in so weit verbindlich, als der bedungene Preis
nicht bloß versprochen; sondern wirklich entrichtet, oder hinterlegt worden
ist. Gerichtlich kann der Preis nicht gefordert werden.
2) das Spiel;
§. 1272. Jedes Spiel
ist eine Art von Wette. Die für Wetten festgesetzten Rechte gelten auch für
Spiele. Welche Spiele überhaupt, oder für besondere Classen verbothen; wie
Personen, die verbothene Spiele treiben, und diejenigen, die ihnen dazu
Unterschleif geben, zu bestrafen sind, bestimmen die politischen Gesetze.
3) Los;
§. 1273. Ein zwischen
Privat-Personen auf eine Wette oder auf ein Spiel abzielendes Los wird nach den
für Wetten und Spiele festgesetzten Vorschriften beurtheilet. Soll aber eine
Theilung, eine Wahl, oder eine Streitigkeit durch das Los entschieden werden;
so treten dabey die Rechte der übrigen Verträge ein.
§. 1274.
Staats-Lotterien sind nicht nach der Eigenschaft der Wette und des Spieles;
sondern nach den jedes Mahl darüber kund gemachten Planen, zu beurtheilen.
4) Hoffnungskauf.
§. 1275. Wer für ein
bestimmtes Maß von einem künftigen Erträgnisse einen verhältnißmäßigen Preis
verspricht, schließt einen ordentlichen Kaufvertrag.
§. 1276. Wer die
künftigen Nutzungen einer Sache in Pausch und Bogen; oder wer die Hoffnung
derselben in einem bestimmten Preise kauft, errichtet einen Glücksvertrag; er
trägt die Gefahr der ganz vereitelten Erwartung; es gebühren ihm aber auch alle
ordentliche erzielte Nutzungen.
insbesondere eines
Kuxes;
§. 1277. Der Antheil an
einem Bergwerke heißt Kux. Der Kauf eines Kuxes gehört zu den gewagten
Verträgen. Der Verkäufer haftet nur für die Richtigkeit des Kuxes, und der
Käufer hat sich nach den Gesetzen über den Bergbau zu benehmen.
oder einer Erbschaft.
§. 1278. Der Käufer
einer von dem Verkäufer angetretenen, oder ihm wenigstens angefallenen
Erbschaft tritt nicht allein in die Rechte; sondern auch in die
Verbindlichkeiten des Verkäufers als Erben ein, in so weit diese nicht bloß
persönlich sind. Wenn also bey dem Kaufe kein Inventarium zum Grunde gelegt
wird, ist auch der Erbschaftskauf ein gewagtes Geschäft.
§. 1279. Auf Sachen,
die dem Verkäufer nicht als Erben; sondern aus einem andern Grunde, z. B. als
Vorausvermächtniß, als Fideicommiß, als Substitution, als Schuldforderung aus
der Verlassenschaft gebühren, und ihm auch ohne Erbrecht gebührt hätten, hat
der Erbschaftskäufer keinen Anspruch. Dagegen erhält er alles, was der
Erbschaft selbst zuwächst, es sey durch den Abgang eines Legatars, oder eines
Miterben, oder auf was immer für eine andere Art, in so weit der Verkäufer
darauf Anspruch gehabt hätte.
§. 1280. Alles, was der
Erbe aus dem Erbrechte erhält, wie z. B. die bezogenen Früchte und Forderungen,
wird mit zur Masse gerechnet; alles hingegen, was er aus dem Seinigen auf die
Antretung der Erbschaft, oder auf die Verlassenschaft verwendet hat, wird von
der Masse abgezogen. Dahin gehören die bezahlten Schulden; die schon
abgeführten Vermächtnisse, Abgaben und Gerichtsgebühren; und wenn es nicht
ausdrücklich anders verabredet worden ist, auch die Begräbnißkosten.
§. 1281. In so weit der
Verkäufer die Verlassenschaft vor der Uebergabe verwaltet hat, haftet er dem Käufer
dafür, wie ein anderer Geschäftsträger.
§. 1282. Die
Erbschaftsgläubiger und Vermächtnißnehmer aber können sich ihrer Befriedigung
wegen sowohl an den Käufer der Erbschaft, als an den Erben selbst halten. Ihre
Rechte, so wie jene der Erbschaftsschuldner werden durch den Verkauf der
Erbschaft nicht geändert, und die Erbschaftsantretung des Einen gilt auch für
den Andern.
§. 1283. Hat man bey
dem Verkaufe der Erbschaft ein Inventarium zum Grunde gelegt; so haftet der
Verkäufer für dasselbe. Ist der Kauf ohne ein solches Verzeichniß geschehen; so
haftet er für die Richtigkeit seines Erbrechtes, wie er es angegeben hat, und
für allen dem Käufer durch sein Verschulden zugefügten Schaden.
5) Leibrente;
§. 1284. Wird jemanden
für Geld, oder gegen eine für Geld geschätzte Sache auf die Lebensdauer einer
gewissen Person eine bestimmte jährliche Entrichtung versprochen; so ist es ein
Leibrentenvertrag.
§. 1285. Die Dauer der
Leibrente kann von dem Leben des einen oder andern Theiles, oder auch eines
Dritten abhängen. Sie wird im Zweifel vierteljährig vorhinein entrichtet; und
nimmt in allen Fällen mit dem Leben desjenigen, auf dessen Kopf sie beruhet,
ihr Ende.
§. 1286. Weder die
Gläubiger, noch die Kinder desjenigen, welcher sich eine Leibrente bedingt,
sind berechtiget, den Vertrag umzustoßen. Doch steht den Erstern frey, ihre
Befriedigung aus den Leibrenten zu suchen; den Letztern aber, die Hinterlegung
eines entbehrlichen Theiles der Rente zu fordern, um sich den ihnen nach dem
Gesetze gebührenden Unterhalt darauf versichern zu lassen.
6) gesellschaftliche
Versorgungsanstalten;
§. 1287. Der Vertrag, wodurch
vermittelst einer Einlage ein gemeinschaftlicher Versorgungsfond für die
Mitglieder, ihre Gattinnen oder Waisen errichtet wird, ist aus der Natur und
dem Zwecke einer solchen Anstalt, und den darüber festgesetzten Bedingungen, zu
beurtheilen.
7) Versicherungsvertrag;
§. 1288. Wenn jemand die Gefahr des
Schadens, welcher einen Andern ohne dessen Verschulden treffen könnte, auf sich
nimmt, und ihm gegen einen gewissen Preis den bedungenen Ersatz zu leisten
verspricht; so entsteht der Versicherungsvertrag. Der Versicherer haftet dabey
für den zufälligen Schaden, und der Versicherte für den versprochenen Preis.
§. 1289. Der gewöhnliche Gegenstand
dieses Vertrages sind Waaren, die zu Wasser oder zu Lande verführt werden. Es
können aber auch andere Sachen, z. B. Häuser und Grundstücke gegen Feuer-
Wasser- und andere Gefahren versichert werden.
§. 1290. Ereignet sich der
zufällige Schade, wofür die Entschädigung versichert worden ist; so muß der
Versicherte, wenn kein unüberwindliches Hinderniß dazwischen kommt, oder nichts
anderes verabredet worden ist, dem Versicherer, wenn sie sich im nähmlichen
Orte befinden, binnen drey Tagen, sonst aber in derjenigen Zeitfrist davon
Nachricht geben, welche zur Bekanntmachung der Annahme eines von einem
Abwesenden gemachten Versprechens bestimmt worden ist. (§. 862). Unterläßt er
die Anzeige; kann er den Unfall nicht erweisen; oder kann der Versicherer
beweisen, daß der Schade aus Verschulden des Versicherten entstanden ist; so
hat dieser auch keinen Anspruch auf die versicherte Summe.
§. 1291. Wenn der Untergang der
Sache dem Versicherten; oder der gefahrlose Zustand derselben dem Versicherer
zur Zeit des geschlossenen Vertrages schon bekannt war; so ist der Vertrag
ungültig.
8) Bodmerey- und See-Assecurancen.
§. 1292. Die Bestimmungen in
Rücksicht der Versicherungen zur See; so wie die Vorschriften über den
Bodmerey-Vertrag sind ein Gegenstand der Seegesetze.
Dreyßigstes Hauptstück.
Von dem Rechte des Schadensersatzes
und der Genugthuung.
Schade.
§. 1293. Schade heißt jeder
Nachtheil, welcher jemanden an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt
worden ist. Davon unterscheidet sich der Entgang des Gewinnes, den jemand nach
dem gewöhnlichen Laufe der Dinge zu erwarten hat.
Quellen der Beschädigung.
§. 1294. Der Schade entspringt
entweder aus einer widerrechtlichen Handlung, oder Unterlassung eines Andern;
oder aus einem Zufalle. Die widerrechtliche Beschädigung wird entweder willkührlich,
oder unwillkührlich zugefügt. Die willkührliche Beschädigung aber gründet sich
theils in einer bösen Absicht, wenn der Schade mit Wissen und Willen; theils in
einem Versehen, wenn er aus schuldbarer Unwissenheit, oder aus Mangel der
gehörigen Aufmerksamkeit oder des gehörigen Fleißes verursacht worden ist.
Beydes wird ein Verschulden genannt.
Von der Verbindlichkeit zum
Schadensersatze:
1) von dem Schaden aus Verschulden;
§. 1295. Jedermann ist berechtiget,
von dem Beschädiger den Ersatz des Schadens, welcher dieser ihm aus Verschulden
zugefügt hat, zu fordern; der Schade mag durch Uebertretung einer
Vertragspflicht, oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden seyn.
§. 1296. Im Zweifel gilt die
Vermuthung, daß ein Schade ohne Verschulden eines Andern entstanden sey.
§. 1297. Es wird aber auch
vermuthet, daß jeder, welcher den Verstandesgebrauch besitzt, eines solchen
Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit fähig sey, welcher bey gewöhnlichen
Fähigkeiten angewendet werden kann. Wer bey Handlungen, woraus eine Verkürzung
der Rechte eines Andern entsteht, diesen Grad des Fleißes oder der
Aufmerksamkeit unterläßt, macht sich eines Versehen schuldig.
§. 1298. Wer vorgibt, daß er an der
Erfüllung seiner vertragsmäßigen oder gesetzlichen Verbindlichkeit ohne sein
Verschulden verhindert worden sey, dem liegt der Beweis ob.
insbesondere a) der
Sachverständigen,
§. 1299. Wer sich zu einem Amte, zu
einer Kunst, zu einem Gewerbe oder Handwerke öffentlich bekennet; oder wer ohne
Noth freywillig ein Geschäft übernimmt, dessen Ausführung eigene
Kunstkenntnisse, oder einen nicht gewöhnlichen Fleiß erfordert, gibt dadurch zu
erkennen, daß er sich den nothwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht
gewöhnlichen, Kenntnisse zutraue; er muß daher den Mangel derselben vertreten.
Hat aber derjenige, welcher ihm das Geschäft überließ, die Unerfahrenheit
desselben gewußt; oder, bey gewöhnlicher Aufmerksamkeit wissen können, so fällt
zugleich dem Letzteren Versehen zur Last.
§. 1300. Ein Sachverständiger ist
auch dann verantwortlich, wenn er gegen Belohnung in Angelegenheiten seiner
Kunst oder Wissenschaft aus Versehen einen nachtheiligen Rath ertheilet. Außer
diesem Falle haftet ein Rathgeber nur für den Schaden, welchen er wissentlich
durch Ertheilung des Rathes dem Andern verursachet hat.
oder b) mehrerer Theilnehmer.
§. 1301. Für einen widerrechtlich
zugefügten Schaden können mehrere Personen verantwortlich werden, indem sie
gemeinschaftlich, unmittelbarer oder mittelbarer Weise, durch Verleiten,
Drohen, Befehlen, Helfen, Verhehlen und dgl.; oder auch nur durch Unterlassung
der besonderen Verbindlichkeit das Uebel zu verhindert, dazu beygetragen haben.
§. 1302. In einem solchen Falle
verantwortet, wenn die Beschädigung in einem Versehen gegründet ist, und die
Antheile sich bestimmen lassen, jeder nur den durch sein Versehen verursachten
Schaden. Wenn aber der Schade vorsätzlich zugefügt worden ist; oder, wenn die
Antheile der Einzelnen an der Beschädigung sich nicht bestimmen lassen; so haften
Alle für Einen und Einer für Alle; doch bleibt demjenigen, welcher den Schaden
ersetzt hat, der Rückersatz gegen die Uebrigen vorbehalten.
§. 1303. In wie weit mehrere
Mitschuldner bloß aus der unterlassenen Erfüllung ihrer Verbindlichkeit zu
haften haben, ist aus der Beschaffenheit des Vertrages zu beurtheilen.
§. 1304. Wenn bey einer
Beschädigung zugleich ein Verschulden von Seite des Beschädigten eintritt; so
trägt er mit dem Beschädiger den Schaden verhältnißmäßig; und, wenn sich das
Verhältniß nicht bestimmen läßt, zu gleichen Theilen.
2) aus dem Gebrauche des Rechtes;
§. 1305. Wer von seinem Rechte
innerhalb der rechtlichen Schranken Gebrauch macht, hat den für einen Andern
daraus entspringenden Nachtheil nicht zu verantworten.
3) aus einer schuldlosen oder
unwillkührlichen Handlung;
§. 1306. Den Schaden, welchen
jemand ohne Verschulden oder durch eine unwillkührliche Handlung verursacht
hat, ist er in der Regel zu ersetzen nicht schuldig.
§. 1307. Wenn sich aber jemand aus
eigenem Verschulden in einen vorübergehenden Zustand der Sinnenverwirrung
versetzt hat; so ist auch der in demselben verursachte Schaden seinem
Verschulden zuzuschreiben. Eben dieses gilt von einem Dritten, welcher diesen
Zustand durch sein Verschulden bey dem Beschädiger veranlasset hat.
§. 1308. Wenn Wahn- oder
Blödsinnige, oder Kinder jemanden beschädigen, der durch irgend ein Verschulden
hierzu selbst Veranlassung gegeben hat; so kann er keinen Ersatz ansprechen.
§. 1309. Außer diesem Falle gebührt
ihm der Ersatz von denjenigen Personen, denen der Schade wegen Vernachlässigung
der ihnen über solche Personen anvertrauten Obsorge beygemessen werden kann.
§. 1310. Kann der Beschädigte auf
solche Art den Ersatz nicht erhalten; so soll der Richter mit Erwägung des
Umstandes, ob dem Beschädiger, ungeachtet er gewöhnlich seines Verstandes nicht
mächtig ist, in dem bestimmten Falle nicht dennoch ein Verschulden zur Last
liege; oder, ob der Beschädigte aus Schonung des Beschädigers die Vertheidigung
unterlassen habe; oder endlich, mit Rücksicht auf das Vermögen des Beschädigers
und des Beschädigten; auf den ganzen Ersatz oder doch einen billigen Theil
desselben erkennen.
4) durch Zufall.
§. 1311. Der bloße Zufall trifft
denjenigen, in dessen Vermögen oder Person er sich ereignet. Hat aber jemand
den Zufall durch ein Verschulden veranlaßt; hat er ein Gesetz, das den
zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht, übertreten; oder sich ohne Noth in
fremde Geschäfte gemengt; so haftet er für allen Nachtheil, welcher außer dem
nicht erfolgt wäre.
§. 1312. Wer in einem Nothfalle
jemanden einen Dienst geleistet hat, dem wird der Schade, welchen er nicht
verhütet hat, nicht zugerechnet; es wäre denn, daß er einen Andern, der noch
mehr geleistet haben würde, durch seine Schuld daran verhindert hätte. Aber
auch in diesem Falle kann er den sicher verschaften Nutzen gegen den
verursachten Schaden in Rechnung bringen.
5) durch fremde Handlungen.
§. 1313. Für fremde,
widerrechtliche Handlungen, woran jemand keinen Theil genommen hat, ist er in
der Regel auch nicht verantwortlich. Selbst in den Fällen, wo die Gesetze das
Gegentheil anordnen, bleibt ihm der Rückersatz gegen den Schuldtragenden
vorbehalten.
Ausnahmen.
§. 1314. Wenn jemand eine
Dienstperson ohne Zeugniß aufnimmt; oder, eine durch ihre Leibes- oder Gemüths-Beschaffenheit
gefährliche Person im Dienste wissentlich behält; oder, einem bekannten
Verbrecher Aufenthalt gibt; so haftet er dem Hausherrn, und den Hausgenossen
für den Ersatz des durch die gefährliche Beschaffenheit dieser Personen
verursachten Schadens.
§. 1315. Eben so haftet derjenige,
welcher wissentlich eine solche gefährliche; oder, wer zu einem Geschäfte eine
untüchtige Person bestellet hat, für den Schaden, welchen ein Dritter hierdurch
erlitten hat.
§. 1316. Wirthe, Schiffer und
Fuhrleute verantworten den Schaden, welchen ihre eigenen, oder die von ihnen
zugewiesenen Dienstpersonen an den übernommenen Sachen einem Reisenden in ihrem
Hause, oder in ihrem Schiffe, oder an der Befrachtung verursachen. (§. 970.)
§. 1317. In wie fern bey öffentlichen
Versendungsanstalten für den Schaden eine Haftung übernommen werden, bestimmen
die besondern Vorschriften.
§. 1318. Wird jemand durch das
Herabfallen einer gefährlich aufgehängten oder gestellten Sache; oder, durch
Herauswerfen oder Herausgießen aus einer Wohnung beschädiget; so haftet
derjenige, aus dessen Wohnung geworfen oder gegossen worden, oder die Sache
herabgefallen ist, für den Schaden.
§. 1319. Wegen wahrscheinlicher
Gefahr, daß ein Schild, ein Geschirr, oder eine andere über einem gangbaren
Platze aufgehängte oder gestellte Sache fallen, und die Vorübergehenden
beschädigen könnte, steht noch Niemanden eine gerichtliche Klage; wohl aber
jedermann das Recht zu, der allgemeinen Sicherheit wegen, die Gefahr bey der
politischen Behörde anzuzeigen.
6) durch ein Thier.
§. 1320. Wird jemand durch ein
Thier beschädiget; so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu
angetrieben, gereizt, oder zu verwahren vernachlässiget hat. Kann Niemand eines
Verschuldens dieser Art überwiesen werden; so wird die Beschädigung für einen
Zufall gehalten.
§. 1321. Wer auf seinem Grund und
Boden fremdes Vieh antrifft, ist deßwegen noch nicht berechtigt, es zu tödten.
Er kann es durch anpassende Gewalt verjagen; oder, wenn er dadurch Schaden
gelitten hat, das Recht der Privat-Pfändung über so viele Stücke Viehes
ausüben, als zu seiner Entschädigung hinreicht. Doch muß er binnen acht Tagen
sich mit dem Eigenthümer abfinden, oder seine Klage vor den Richter bringen; widrigenfalls
aber das gepfändete Vieh zurückstellen.
§. 1322. Das gepfändete Vieh muß
auch zurückgestellt werden, wenn der Eigenthümer eine andere angemessene
Sicherheit leistet.
Arten des Schadensersatzes.
§. 1323. Um den Ersatz eines
verursachten Schadens zu leisten, muß alles in den vorigen Stand zurück
versetzet, oder, wenn dieses nicht thunlich ist, der Schätzungswerth vergütet
werden. Betrifft der Ersatz nur den erlittenen Schaden, so wird er eigentlich
eine Schadloshaltung; wofern er sich aber auch auf den entgangenen Gewinn, und
die Tilgung der verursachten Beleidigung erstreckt, volle Genugthuung genannt.
§. 1324. In dem Falle eines aus
böser Absicht, oder aus einer auffallenden Sorglosigkeit verursachten Schadens
ist der Beschädigte volle Genugthuung; in den übrigen Fällen aber nur die
eigentliche Schadloshaltung zu fordern berechtiget. Hiernach ist in den Fällen,
wo im Gesetze der allgemeine Ausdruck: Ersatz, vorkommt, zu beurtheilen, welche
Art des Ersatzes zu leisten sey.
Insbesondere 1) bey Verletzungen an
dem Körper;
§. 1325. Wer jemanden an seinem
Körper verletzt, bestreitet die Heilungskosten des Verletzten; ersetzt ihm den
entgangenen, oder, wenn der Beschädigte zum Erwerb unfähig wird, auch den
künftig entgehenden Verdienst; und bezahlt ihm auf Verlangen überdieß ein den
erhobenen Umständen angemessenes Schmerzensgeld.
§. 1326. Ist die verletzte Person
durch die Mißhandlung verunstaltet worden; so muß zumahl, wenn sie weiblichen
Geschlechtes ist, in so fern auf diesen Umstand Rücksicht genommen werden, als
ihr besseres Fortkommen dadurch verhindert werden kann.
§. 1327. Erfolgt aus einer
körperlichen Verletzung der Tod, so müssen nicht nur alle Kosten; sondern auch
der hinterlassenen Frau und den Kindern des Getödteten das, was ihnen dadurch
entgangen ist, ersetzt werden.
§. 1328. Wer eine Weibsperson
verführt, und mit ihr ein Kind zeugt, bezahlt die Kosten der Entbindung und des
Wochenbettes, und erfüllt die übrigen, in dem dritten Hauptstücke des ersten
Theiles festgesetzten Vaterspflichten. In welchen Fällen die Verführung
zugleich als ein Verbrechen, oder als eine schwere Polizey-Uebertretung
bestrafet werde, enthält das Strafgesetz.
2) an der persönlichen Freyheit;
§. 1329. Wer jemanden durch
gewaltsame Entführung, durch Privat-Gefangennehmung, oder vorsätzlich durch
einen widerrechtlichen Arrest seiner Freyheit beraubt, ist verpflichtet, dem
Verletzten die vorige Freyheit zu verschaffen, und volle Genugthuung zu
leisten. Kann er ihm die Freyheit nicht mehr verschaffen; so muß er dessen Weibe
und Kindern, wie bey der Tödtung, Ersatz leisten.
3) an der Ehre;
§. 1330. Wenn jemanden durch
Ehrenbeleidigungen ein wirklicher Schade oder Entgang des Gewinnes verursacht
worden ist; so ist er berechtiget, Schadloshaltung oder volle Genugthuung zu
fordern.
4) an dem Vermögen.
§. 1331. Wird jemand an seinem
Vermögen vorsätzlich oder durch auffallende Sorglosigkeit eines andern
beschädiget; so ist er auch den entgangenen Gewinn, und wenn der Schade
vermittelst einer durch ein Strafgesetz verbothenen Handlung, oder aus
Muthwillen und Schadenfreude verursachet worden ist, den Werth der besondern
Vorliebe zu fordern berechtiget.
§. 1332. Der Schade, welcher aus
einem mindern Grade des Versehens oder der Nachlässigkeit verursacht worden
ist, wird nach dem gemeinen Werthe, den die Sache zur Zeit der Beschädigung
hatte, ersetzt.
Insonderheit durch Verzögerung der
Zahlung.
Verzögerungszinse.
§. 1333. Der Schade, welchen der
Schuldner seinem Gläubiger durch Verzögerung der bedungenen Zahlung des
schuldigen Capitals zugefügt hat, wird durch die von dem Gesetze bestimmten
Zinsen vergütet. (§. 995.)
§. 1334. Eine Verzögerung fällt
einem Schuldner überhaupt zur Last, wenn er den durch Gesetz oder Vertrag
bestimmten Zahlungstag nicht zuhält; oder wenn er in dem Falle, daß die
Zahlungszeit nicht bestimmt ist, nach dem Tage der geschehenen gerichtlichen
oder außergerichtlichen Einmahnung sich nicht mit dem Gläubiger abgefunden hat.
§. 1335. Hat der Gläubiger ohne
gerichtliche Einmahnung die Zinsen bis auf den Betrag der Hauptschuld steigen
lassen; so erlischt das Recht, von dem Capitale weitere Zinsen zu fordern. Von
dem Tage der erhobenen Klage können jedoch neuerdings Zinsen verlangt werden.
Bedingung des Vergütungsvertrages
(Conventional-Strafe).
§. 1336. Die vertragschließenden
Theile können eine besondere Uebereinkunft treffen, daß, auf den Fall des
entweder gar nicht, oder nicht auf gehörige Art, oder des zu spät erfüllten
Versprechens, anstatt des zu vergütenden Nachtheiles ein bestimmter Geld- oder
anderer Betrag entrichtet werden solle. (§. 912.) Doch darf bey Darleihen der
Betrag, worauf der Richter erkennet, wegen verzögerter Zahlung die höchsten
rechtlichen Zinsen nicht übersteigen. In andern Fällen ist der
Vergütungsbetrag, wenn er von dem Schuldner als übermäßig erwiesen wird, von
dem Richter, allenfalls nach Einvernehmung der Sachverständigen, zu mäßigen.
Die Bezahlung des Vergütungsbetrages befreyet, außer dem Falle einer besondern
Verabredung, nicht von der Erfüllung des Vertrages.
Verbindlichkeit der Erben des Beschädigers.
§. 1337. Die Verbindlichkeit zum
Ersatze des Schadens, und des entgangenen Gewinnes, oder zur Entrichtung des
bedungenen Vergütungsbetrages haftet auf dem Vermögen, und geht auf die Erben
über.
Rechtsmittel der Entschädigung.
§. 1338. Das Recht zum
Schadensersatze muß in der Regel, wie jedes andere Privat-Recht, bey dem
ordentlichen Richter angebracht werden. Hat der Beschädiger zugleich ein
Strafgesetz übertreten; so trifft ihn auch die verhängte Strafe. Die
Verhandlung über den Schadensersatz aber gehört auch in diesem Falle, in so
fern sie nicht durch die Strafgesetze dem Strafgerichte oder der politischen
Behörde aufgetragen ist, zu dem Civil-Gerichte.
§. 1339. Die körperlichen Verletzungen,
die widerrechtlichen Kränkungen der Freyheit, und die Ehrenbeleidigungen,
werden nach Beschaffenheit der Umstände, entweder als Verbrechen von dem
Criminal-Gerichte, oder als schwere Polizey-Uebertretungen, und wenn sie zu
keiner dieser Classen gehören, als Vergehungen von der politischen Obrigkeit
untersucht und bestraft.
§. 1340. Diese Behörden haben in
dem Falle, daß sich die Entschädigung unmittelbar bestimmen läßt, sogleich
darüber nach den in diesem Hauptstücke ertheilten Vorschriften zu erkennen.
Wenn aber der Ersatz des Schadens nicht unmittelbar bestimmt werden kann, ist
in dem Erkenntnisse überhaupt auszudrücken, daß dem Beschädigten die
Entschädigung im Wege Rechtens zu suchen vorbehalten bleibe. Dieser Weg ist
auch in Criminal-Fällen dem Beschädigten, und in andern Fällen beyden Theilen
dann vorbehalten, wenn sie mit der von der Strafbehörde erfolgten Bestimmung
des Ersatzes sich nicht befriedigen wollten.
§. 1341. Gegen das Verschulden
eines Richters beschwert man sich bey der höhern Behörde. Diese untersucht und
beurtheilt die Beschwerde von Amts wegen.
Dritter Theil des bürgerlichen
Gesetzbuches.
Von den gemeinschaftlichen
Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte.
Erstes Hauptstück.
Von Befestigung der Rechte und
Verbindlichkeiten.
Gemeinschaftliche Bestimmungen der
Rechte.
§. 1342. Sowohl Personenrechte als
Sachenrechte, und daraus entspringende Verbindlichkeiten können gleichförmig
befestiget, umgeändert und aufgehoben werden.
Arten der Befestigung eines
Rechtes;
§. 1343. Die rechtlichen Arten der
Sicherstellung einer Verbindlichkeit und der Befestigung eines Rechtes, durch
welche den Berechtigten ein neues Recht eingeräumet wird, sind: die
Verpflichtung eines Dritten für den Schuldner, und die Verpfändung.
I.) durch Verpflichtung eines
Dritten.
§. 1344. Ein Dritter kann sich den
Gläubiger für den Schuldner auf dreyerley Art verpflichten: Ein Mahl, wenn er
mit Einwilligung des Gläubigers die Schuld als Alleinzahler übernimmt; dann,
wenn er der Verbindlichkeit als Mitschuldner beytritt; endlich, wenn er sich
für die Befriedigung des Gläubigers auf den Fall verbindet, daß der erste
Schuldner die Verbindlichkeit nicht erfülle.
§. 1345. Wenn jemand mit
Einwilligung des Gläubigers die ganze Schuld eines Andern übernimmt; so
geschieht keine Befestigung, sondern eine Umänderung der Verbindlichkeit, wovon
in dem folgenden Hauptstücke gehandelt wird.
a) Als Bürge;
§. 1346. Wer sich zur Befriedigung
des Gläubigers auf den Fall verpflichtet, daß der erste Schuldner die
Verbindlichkeit nicht erfülle, wird ein Bürge, und das zwischen ihm und dem
Gläubiger getroffene Uebereinkommen ein Bürgschaftsvertrag genannt. Hier bleibt
der erste Schuldner noch immer der Hauptschuldner, und der Bürge kommt nur als
Nachschuldner hinzu.
b) Als Mitschuldner;
§. 1347. Wenn jemand, ohne die den
Bürgen zu Statten kommende Bedingung, einer Verbindlichkeit als Mitschuldner
beytritt; so entsteht eine Gemeinschaft mehrerer Mitschuldner, deren rechtliche
Folgen nach den in dem Hauptstücke von Verträgen überhaupt gegebenen
Vorschriften zu beurtheilen sind. (§§. 888-896.)
Entschädigungsbürge.
§. 1348. Wer dem Bürgen auf den
Fall, daß derselbe durch seine Bürgschaft zu Schaden kommen sollte,
Entschädigung zusagt, heißt Entschädigungsbürge.
Wer sich verbürgen könne.
§. 1349. Fremde Verbindlichkeiten
kann ohne Unterschied des Geschlechtes jedermann auf sich nehmen, dem die freye
Verwaltung seines Vermögens zusteht.
Für welche Verbindlichkeiten.
§. 1350. Eine Bürgschaft kann nicht
nur über Summen und Sachen, sondern auch über erlaubte Handlungen und
Unterlassungen in Beziehung auf den Vortheil oder Nachtheil, welcher aus
denselben für den Sichergestellten entstehen kann, geleistet werden.
§. 1351. Verbindlichkeiten, welche
nie zu Recht bestanden haben, oder schon aufgehoben sind, können weder
übernommen, noch bekräftiget werden.
§. 1352. Wer sich für eine Person
verbürgt, die sich vermöge ihrer persönlichen Eigenschaft nicht verbinden kann,
ist, obschon ihm diese Eigenschaft unbekannt war, gleich einem ungetheilten
Mitschuldner verpflichtet. (§. 896.)
Umfang der Bürgschaft.
§. 1353. Die Bürgschaft kann nicht
weiter ausgedehnt werden, als sich der Bürge ausdrücklich erkläret hat. Wer
sich für ein zinsbares Capital verbürget, haftet nur für jene rückständigen
Zinsen, welche der Gläubiger noch nicht einzutreiben berechtiget war.
§. 1354. Von der Einwendung,
wodurch ein Schuldner nach Vorschrift der Gesetze die Beybehaltung eines
Theiles seines Vermögens zu seinem Unterhalte zu fordern berechtiget ist, kann der
Bürge nicht Gebrauch machen.
Wirkung.
§. 1355. Der Bürge kann in der
Regel erst dann belanget werden, wenn der Hauptschuldner auf des Gläubigers
gerichtliche oder außergerichtliche Einmahnung seine Verbindlichkeit nicht
erfüllet hat.
§. 1356. Der Bürge kann aber,
selbst wenn er sich ausdrücklich nur für den Fall verbürget hat, daß der
Hauptschuldner zu zahlen unvermögend sey, zuerst belanget werden, wenn der
Hauptschuldner in Concurs verfallen, oder wenn er zur Zeit, als die Zahlung
geleistet werden sollte, unbekannten Aufenthaltes, und der Gläubiger keiner
Nachlässigkeit zu beschuldigen ist.
§. 1357. Wer sich als Bürge und
Zahler verpflichtet hat, haftet als ungetheilter Mitschuldner für die ganze
Schuld; es hängt von der Willkühr des Gläubigers ab, ob er zuerst den
Hauptschuldner, oder den Bürgen, oder beyde zugleich belangen wolle. (§. 891.)
§. 1358. Wer die Schuld eines
Andern bezahlt, tritt in die Rechte des Gläubigers, und ist befugt, von dem
Schuldner den Ersatz der bezahlten Schuld zu fordern. Zu diesem Ende ist der
befriedigte Gläubiger verbunden, dem Zahler alle vorhandene Rechtsbehelfe und
Sicherstellungsmittel auszuliefern.
§. 1359. Haben für den nähmlichen
ganzen Betrag mehrere Personen Bürgschaft geleistet; so haftet jede für den
ganzen Betrag. Hat aber Eine von ihnen die ganze Schuld abgetragen; so gebührt
ihr gleich dem Mitschuldner (§. 896.) das Recht des Rückersatzes gegen die
übrigen.
§. 1360. Wenn dem Gläubiger vor,
oder bey Leistung der Bürgschaft noch außer derselben von dem Hauptschuldner,
oder einem Dritten ein Pfand gegeben wird; so steht ihm zwar noch immer frey,
den Bürgen der Ordnung nach (§. 1355.) zu belangen; aber er ist nicht befugt,
zu dessen Nachtheil sich des Pfandes zu begeben.
§. 1361. Hat der Bürge oder Zahler
den Gläubiger befriediget, ohne sich mit dem Hauptschuldner einzuverstehen; so
kann dieser Alles gegen jene einwenden, was er gegen den Gläubiger hätte
einwenden können.
§. 1362. Der Bürge kann von dem
Entschädigungsbürgen nur dann Entschädigung verlangen, wenn er sich den Schaden
nicht durch sein eigenes Verschulden zugezogen hat.
Arten der Erlöschung der
Bürgschaft.
§. 1363. Die Verbindlichkeit des
Bürgen hört verhältnißmäßig mit der Verbindlichkeit des Schuldners auf. Hat
sich der Bürge nur auf eine gewisse Zeit verpflichtet; so haftet er nur für
diesen Zeitraum. Die Entlassung eines Mitbürgen kommt diesem zwar gegen den
Gläubiger; aber nicht gegen die übrigen Mitbürgen zu Statten. (§. 896).
§. 1364. Durch den Verlauf der
Zeit, binnen welcher der Schuldner hätte zahlen sollen, wird der Bürge, wenn
auch der Gläubiger auf die Befriedigung nicht gedrungen hat, noch nicht von
seiner Bürgschaft befreyt; allein er ist befugt, von dem Schuldner, wenn er mit
dessen Einwilligung Bürgschaft geleistet hat, zu verlangen, daß er ihm
Sicherheit verschaffe. Auch der Gläubiger ist dem Bürgen in so weit
verantwortlich, als dieser wegen dessen Saumseligkeit in Eintreibung der Schuld
an Erhohlung des Ersatzes zu Schaden kommt.
§. 1365. Wenn gegen den Schuldner
ein gegründetes Besorgniß der Zahlungsunfähigkeit oder der Entfernung aus den
Erbländern, für welche dieses Gesetzbuch vorgeschrieben ist, eintritt; so steht
dem Bürgen das Recht zu, von dem Schuldner die Sicherstellung der verbürgten
Schuld zu verlangen.
§. 1366. Wenn das verbürgte
Geschäft beendiget ist; so kann die Abrechnung, und die Aufhebung der
Bürgschaft gefordert werden.
§. 1367. Ist der Bürgschaftsvertrag
weder durch eine Hypothek, noch durch ein Faustpfand befestiget; so erlischt er
binnen drey Jahren nach dem Tode des Bürgen, wenn der Gläubiger in der
Zwischenzeit unterlassen hat, von dem Erben die verfallene Schuld gerichtlich
oder außergerichtlich einzumahnen.
II.) Durch Pfandvertrag.
§. 1368. Pfandvertrag heißt
derjenige Vertrag, wodurch der Schuldner, oder ein Anderer anstatt seiner auf
eine Sache dem Gläubiger das Pfandrecht wirklich einräumet, folglich ihm das
bewegliche Pfandstück übergibt, oder das unbewegliche durch die Pfandbücher
verschreibt. Der Vertrag, ein Pfand übergeben zu wollen, ist noch kein
Pfandvertrag.
Wirkung des Pfandvertrages.
§. 1369. Was bey Verträgen
überhaupt Rechtens ist, gilt auch bey dem Pfandvertrage; er ist zweyseitig
verbindlich. Der Pfandnehmer muß das Handpfand wohl verwahren und es dem
Verpfänder, so bald dieser die Befriedigung leistet, zurück geben. Betrifft es
eine Hypothek; so muß der befriedigte Gläubiger den Verpfänder in den Stand
setzen, die Löschung der Verbindlichkeit aus den Hypotheken-Büchern bewirken zu
können. Die mit dem Pfandbesitze verknüpften Rechte und Verbindlichkeiten des
Pfandgebers und Pfandnehmers sind im sechsten Hauptstücke des zweyten Theiles
bestimmt worden.
§. 1370. Der Handpfandnehmer ist
verbunden, dem Pfandgeber einen Pfandschein auszustellen, und darin die
unterscheidenden Kennzeichen des Pfandes zu beschreiben. Auch können die
wesentlichen Bedingungen des Pfandvertrages in dem Pfandscheine angeführet
werden.
Unerlaubte Bedingungen.
§. 1371. Alle der Natur des Pfand-
und Darleihensvertrages entgegen stehende Bedingungen und Nebenverträge sind
ungültig. Dahin gehören die Verabredungen: daß nach der Verfallzeit der
Schuldforderung das Pfandstück dem Gläubiger zufalle; daß er es nach Willkühr,
oder in einem schon im voraus bestimmten Preise veräußern, oder für sich
behalten könne; daß der Schuldner das Pfand niemahls einlösen, oder ein
liegendes Gut keinem Andern verschreiben, oder daß der Gläubiger nach der
Verfallzeit die Veräußerung des Pfandes nicht verlangen dürfe.
§. 1372. Der Nebenvertrag, daß dem
Gläubiger die Fruchtnießung der verpfändeten Sache zustehen solle, ist ohne
rechtliche Wirkung. Ist dem Gläubiger der bloße Gebrauch eines beweglichen
Pfandstückes eingeräumt worden (§. 459.), so muß diese Benützung auf eine dem
Schuldner unschädliche Art geschehen.
Auf welche Art in der Regel
Sicherstellung zu leisten ist.
§. 1373. Wer verbunden ist, eine
Sicherstellung zu leisten, muß diese Verbindlichkeit durch ein Handpfand, oder
durch eine Hypothek erfüllen. Nur in dem Falle, daß er ein Pfand zu geben außer
Stande ist, werden taugliche Bürgen angenommen.
§. 1374. Niemand ist schuldig eine
Sache, die zur Sicherstellung dienen soll, in einem höheren, als dem, bey
Häusern auf die Hälfte, bey Grundstücken aber, und bey beweglichen Gütern auf
zwey Drittheile der Schätzung bestimmten, Werthe zum Pfande anzunehmen. Wer ein
angemessenes Vermögen besitzt, und in der Provinz belangt werden kann, ist ein
tauglicher Bürge.
Zweytes Hauptstück.
Von Umänderung der Rechte und
Verbindlichkeiten.
Umänderung der Rechte und
Verbindlichkeiten;
§. 1375. Es hängt von dem Willen des
Gläubigers und des Schuldners ab, ihre gegenseitigen willkührlichen Rechte und
Verbindlichkeiten umzuändern. Die Umänderung kann ohne, oder mit Hinzukunft
einer dritten Person, und zwar entweder eines neuen Gläubigers, oder eines
neuen Schuldners geschehen.
1) durch Novation;
§. 1376. Die Umänderung ohne
Hinzukunft einer dritten Person findet Statt, wenn der Rechtsgrund, oder wenn
der Hauptgegenstand einer Forderung verwechselt wird, folglich die alte
Verbindlichkeit in eine neue übergeht.
§. 1377. Eine solche Umänderung
heißt Neuerungsvertrag (Novation). Vermöge dieses Vertrages hört die vorige
Hauptverbindlichkeit auf, und die neue nimmt zugleich ihren Anfang.
§. 1378. Die mit der vorigen
Hauptverbindlichkeit verknüpften Bürgschafts- Pfand- und anderen Rechte
erlöschen durch den Neuerungsvertrag, wenn die Theilnehmer nicht durch ein
besonderes Einverständniß hierüber etwas Anderes festgesetzt haben.
§. 1379. Die näheren Bestimmungen,
wo, wann und wie eine schon vorhandene Verbindlichkeit erfüllet werden soll,
und andere Nebenbestimmungen, wodurch in Rücksicht auf den Hauptgegenstand oder
Rechtsgrund keine Umänderung geschieht, sind eben so wenig als ein
Neuerungsvertrag anzusehen, als die bloße Ausstellung eines neuen
Schuldscheines, oder einer andern dahin gehörigen Urkunde. Auch kann eine
solche Abänderung in den Nebenbestimmungen einem Dritten, welcher derselben
nicht beygezogen worden ist, keine neue Last auflegen. Im Zweifel wird die alte
Verbindlichkeit nicht für aufgelöst gehalten, so lange sie mit der neuen noch
wohl bestehen kann.
2) Vergleich.
§. 1380. Ein Neuerungsvertrag,
durch welchen streitige, oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt werden,
daß jede Partey sich wechselseitig etwas zu geben, zu thun, oder zu unterlassen
verbindet, heißt Vergleich. Der Vergleich gehört zu den zweyseitigen
verbindlichen Verträgen, und wird nach eben denselben Grundsätzen beurtheilet.
§. 1381. Wer dem Verpflichteten mit
dessen Einwilligung ein unstreitiges oder zweifelhaftes Recht unentgeldlich
erläßt, macht eine Schenkung (§. 939).
Ungültigkeit eines Vergleiches in
Rücksicht des Gegenstandes;
§. 1382. Es gibt zweifelhafte
Fälle, welche durch einen Vergleich nicht beygelegt werden dürfen. Dahin gehört
der zwischen Eheleuten über die Gültigkeit ihrer Ehe entstandene Streit. Diesen
kann nur der durch das Gesetz bestimmte Gerichtsstand entscheiden.
§. 1383. Ueber den Inhalt einer
letzten Anordnung kann vor deren Bekanntmachung kein Vergleich errichtet
werden. Die hierüber entstandene Wette wird nach den Grundsätzen von
Glücksverträgen beurtheilt.
§. 1384. Vergleiche über
Gesetzübertretungen sind nur in Hinsicht auf die Privat-Genugthuung gültig; die
gesetzmäßige Untersuchung und Bestrafung kann dadurch bloß dann abgewendet
werden, wenn die Uebertretungen von der Art sind, daß die Behörde nur auf
Verlangen der Parteyen ihr Amt zu handeln angewiesen ist.
oder anderer Mängel.
§. 1385. Ein Irrthum kann den
Vergleich nur in so weit ungültig machen, als er die Wesenheit der Person, oder
des Gegenstandes betrifft.
§. 1386. Aus dem Grunde einer
Verletzung über die Hälfte kann ein redlich errichteter Vergleich nicht
angefochten werden.
§. 1387. Eben so wenig können neu
gefundene Urkunden, wenn sie auch den gänzlichen Mangel eines Rechtes auf Seite
einer Partey entdeckten, einen redlich eingegangenen Vergleich entkräften.
§. 1388. Ein offenbarer
Rechnungsverstoß, oder ein Fehler, welcher bey dem Abschlusse eines Vergleiches
in dem Summiren oder Abziehen begangen wird, schadet keinem der
vertragmachenden Theile.
Umfang des Vergleiches.
§. 1389. Ein Vergleich, welcher
über eine besondere Streitigkeit geschlossen worden ist, erstreckt sich nicht
auf andere Fälle. Selbst allgemeine, auf alle Streitigkeiten überhaupt lautende
Vergleiche sind auf solche Rechte nicht anwendbar, die geflissentlich
verheimlichet worden sind, oder auf welche die sich vergleichenden Parteyen
nicht denken konnten.
Wirkung in Rücksicht der
Nebenverbindlichkeiten.
§. 1390. Bürgen und Pfänder, welche
zur Sicherheit des ganzen noch streitigen Rechtes gegeben worden sind, haften
auch für den Theil, der durch den Vergleich bestimmt worden ist. Doch bleiben
dem Bürgen und einem dritten Verpfänder, welche dem Vergleiche nicht
beygestimmt haben, alle Einwendungen gegen den Gläubiger vorbehalten, welche
ohne geschlossenen Vergleich der Forderung hätten entgegengesetzt werden
können.
§. 1391. Der Vertrag, wodurch
Parteyen zur Entscheidung streitiger Rechte einen Schiedsrichter bestellen,
erhält seine Bestimmung in der Gerichtsordnung.
3) Cession.
§. 1392. Wenn eine Forderung von
einer Person an die andere übertragen, und von dieser angenommen wird; so
entsteht die Umänderung des Rechtes mit Hinzukunft eines neuen Gläubigers. Eine
solche Handlung heißt Abtretung (Cession), und kann mit, oder ohne Entgeld
geschlossen werden.
Gegenstände der Cession.
§. 1393. Alle veräußerliche Rechte
sind ein Gegenstand der Abtretung. Rechte, die der Person ankleben, folglich
mit ihr erlöschen, können nicht abgetreten werden. Schuldscheine, die auf den
Ueberbringer lauten, werden schon durch Uebergabe abgetreten, und bedürfen
nebst dem Besitze keines andern Beweises der Abtretung.
Wirkung.
§. 1394. Die Rechte des
Uebernehmers sind mit den Rechten des Ueberträgers in Rücksicht auf die
überlassene Forderung eben dieselben.
§. 1395. Durch den Abtretungsvertrag
entsteht nur zwischen dem Ueberträger (Cedent) und dem Uebernehmer der
Forderung (Cessionar); nicht aber zwischen dem Letzten und dem übernommenen
Schuldner (Cessus) eine neue Verbindlichkeit. Daher ist der Schuldner, so lange
ihm der Uebernehmer nicht bekannt wird, berechtiget, den ersten Gläubiger zu
bezahlen, oder sich sonst mit ihm abzufinden.
§. 1396. Dieses kann der Schuldner
nicht mehr, so bald ihm der Uebernehmer bekannt gemacht worden ist; allein es
bleibt ihm das Recht, seine Einwendungen gegen die Forderung anzubringen. Hat
er die Forderung gegen den redlichen Uebernehmer für richtig erkannt; so ist er
verbunden, denselben als seinen Gläubiger zu befriedigen.
Haftung des Cedenten.
§. 1397. Wer eine Forderung ohne
Entgeld abtritt, also verschenkt, haftet nicht weiter für dieselbe. Kommt aber
die Abtretung auf eine entgeldliche Art zu Stande; so haftet der Ueberträger
dem Uebernehmer sowohl für die Richtigkeit, als für die Einbringlichkeit der
Forderung, jedoch nie für mehr, als er von dem Uebernehmer erhalten hat.
§. 1398. In so fern der Uebernehmer
über die Einbringlichkeit der Forderung aus den öffentlichen Pfandbüchern sich
belehren konnte, gebührt ihm in Rücksicht der Uneinbringlichkeit keine
Entschädigung. Auch für eine zur Zeit der Abtretung einbringliche, und durch
einen bloßen Zufall oder durch Versehen des Uebernehmers uneinbringlich
gewordene Forderung haftet der Ueberträger nicht.
§. 1399. Ein Versehen dieser Art
begeht der Uebernehmer, wenn er die Forderung zur Zeit, als sie aufgekündiget
werden kann, nicht aufkündiget, oder nach verfallener Zahlungsfrist nicht
eintreibt; wenn er dem Schuldner nachsieht; wenn er die noch mögliche
Sicherheit zu rechter Zeit sich zu verschaffen versäumt, oder die gerichtliche
Execution zu betreiben unterläßt.
4) Anweisung (Assignation).
§. 1400. Durch die Hinzukunft eines
neuen Schuldners kann eine Umänderung der Verbindlichkeit entstehen, wenn der
Schuldner an seine Stelle einen Dritten als Zahler stellet, und den Gläubiger
an ihn anweiset.
Vollständige Anweisung.
§. 1401. Wenn der angewiesene
Gläubiger (Assignatar) den ihm zum Zahler zugewiesenen Dritten (Assignaten)
anstatt des anweisenden Schuldners (Assignanten) annimmt, und der Assignat
einwilliget; so ist die Anweisung (Assignation) vollständig, der Assignatar
kann in der Regel (§. 1406 u. 1407.) die Forderung gegen den Assignanten nicht
mehr stellen.
Unvollständige.
§. 1402. So lange diese dreyfache
Einwilligung nicht vorhanden ist, bleibt die Assignation unvollständig, und sie
ist nur für diejenigen Theile wirksam, die mit einander einverstanden sind.
§. 1403. Hat der Anweiser einem
Dritten, der ihm nichts schuldig ist, die Zahlung aufgetragen; so steht diesem
frey, die Anweisung anzunehmen oder nicht. Nimmt er sie nicht an, so kommt keine
neue Verbindlichkeit zu Stande; nimmt er sie an, so entsteht ein
Vollmachtsvertrag zwischen ihm und dem Assignanten, aber noch kein Vertrag mit
dem Assignatar.
§. 1404. Der Assignant kann eine
von dem Assignatar noch nicht angenommene Assignation widerrufen. In diesem
Falle ist der Assignat aus der Vollmacht nicht mehr befugt, dem Assignatar die
Zahlung zu leisten.
§. 1405. Will der Assignatar die
erhaltene Anweisung nicht annehmen, oder wird dieselbe von dem Assignaten nicht
angenommen, oder kann sie diesem seiner Abwesenheit wegen nicht vorgezeigt
werden; so muß der Assignatar dem Assignanten ohne Verzug davon Nachricht
geben; widrigen Falls haftet er dem Assignanten für die nachtheiligen Folgen.
§. 1406. Hat der Assignatar und der
Assignat die Anweisung angenommen, letzterer leistet aber die Zahlung nicht zur
gehörigen Zeit; so haftet der Assignant dem Assignatar dafür unter den
nähmlichen Beschränkungen, unter welchen der Cedent dem Uebernehmer für die
Richtigkeit und Einbringlichkeit der Forderung zu haften hat. (§§. 1397 u.
1399.)
§. 1407. Hat jedoch der Assignatar
den Assignaten als Alleinzahler anzunehmen sich ausdrücklich oder
stillschweigend dadurch erklärt, daß er seinen bisherigen Schuldner quittirt,
oder ihm die Schuldurkunde ausgehändiget hat; so wird der Assignant von aller
Haftung gegen ihn befreyet.
§. 1408. Wenn der Assignant seinem
Schuldner als Assignaten die Zahlung nur in eben dem Maße, als er sie ihm zu
leisten schuldig war, aufträgt, und den Assignatar an ihn zum Empfange
anweiset; so gilt dem Assignatar die Assignation als eine Abtretungsurkunde,
und es tritt zwischen ihm und dem Assignaten eben das Verhältniß ein, welches
zwischen dem Uebernehmer einer Forderung und dem übernommenen Schuldner, dem
der Uebernehmer bekannt gemacht worden ist, Statt findet.
§. 1409. Wenn der Assignat über
eine solche Assignation, die zugleich eine Cession in sich begreift, die
Zahlung ohne Grund verweigert, oder wenn der Assignat überhaupt, nachdem er dem
Assignatar die Zahlung zugesagt hat, damit zögert; so haftet er für die Folgen.
Hat er hingegen die auf sich genommene Zahlung in gehöriger Art, und in einem
größeren Betrage, als er dem Assignanten schuldig war, geleistet; so gebührt
ihm von diesem der Ersatz. (§. 1014.)
§. 1410. Handelsleute halten sich
in Rücksicht der Anweisungen an die besonderen, für sie bestehenden
Vorschriften.
Drittes Hauptstück.
Von Aufhebung der Rechte und
Verbindlichkeiten.
Aufhebung der Rechte u.
Verbindlichkeiten.
§. 1411. Rechte und
Verbindlichkeiten stehen in einem solchen Zusammenhange, daß mit Erlöschung des
Rechtes die Verbindlichkeit, und mit Erlöschen der letzteren das Recht
aufgehoben wird.
1.) Durch die Zahlung.
§. 1412. Die Verbindlichkeit wird
vorzüglich durch die Zahlung, das ist, durch die Leistung dessen, was man zu
leisten schuldig ist, aufgelöset (§. 469).
Wie die Zahlung zu leisten.
§. 1413. Gegen seinen Willen kann
weder der Gläubiger gezwungen werden, etwas anderes anzunehmen, als er zu fordern
hat, noch der Schuldner, etwas anderes zu leisten, als er zu leisten verbunden
ist. Dieses gilt auch von der Zeit, dem Orte und der Art, die Verbindlichkeit
zu erfüllen.
§. 1414. Wird, weil der Gläubiger
und der Schuldner einverstanden sind, oder weil die Zahlung selbst unmöglich
ist, etwas Anderes an Zahlungs-Statt gegeben; so ist die Handlung als ein
entgeldliches Geschäft zu betrachten.
§. 1415. Der Gläubiger ist nicht
schuldig, die Zahlung einer Schuldpost theilweise, oder auf Abschlag anzunehmen.
Sind aber verschiedene Posten zu zahlen; so wird diejenige für abgetragen
gehalten, welche der Schuldner, mit Einwilligung des Gläubigers tilgen zu
wollen, sich ausdrücklich erkläret hat.
§. 1416. Wird die Willensmeinung
des Schuldners bezweifelt, oder von dem Gläubiger widersprochen; so sollen
zuerst die Zinsen, dann das Capital, von mehreren Capitalien aber dasjenige,
welches schon eingefordert, oder wenigstens fällig ist, und nach diesem
dasjenige, welches schuldig zu bleiben dem Schuldner am meisten beschwerlich
fällt, abgerechnet werden.
wann;
§. 1417. Wenn die Zahlungsfrist auf
keine Art bestimmt ist; so tritt die Verbindlichkeit, die Schuld zu zahlen,
erst mit dem Tage ein, an welchem die Einmahnung geschehen ist. (§. 904.)
§. 1418. In gewissen Fällen wird
die Zahlungsfrist durch die Natur der Sache bestimmt. Alimente werden
wenigstens auf einen Monath voraus bezahlt. Stirbt der Verpflegte
während dieser Zeit; so sind dessen Erben nicht schuldig, etwas von der
Vorausbezahlung zurück zu geben.
§. 1419. Hat der Gläubiger
gezögert, die Zahlung anzunehmen; so fallen die widrigen Folgen auf ihn.
§. 1420. Wenn der Ort und die Art
der Leistung nicht bestimmt sind; so müssen die oben (§. 905). aufgestellten
Vorschriften angewendet werden. Zahlungen, die außer dem Falle eines Vertrags zu leisten
sind, ist der Schuldner nur am Orte seines Wohnsitzes abzuführen schuldig.
von wem;
§. 1421. Auch eine Person, die
sonst unfähig ist, ihr Vermögen zu verwalten, kann eine richtige und verfallene
Schuld rechtmäßig abtragen, und sich ihrer Verbindlichkeit entledigen. Hätte
sie aber eine noch ungewisse, oder nicht verfallene Schuld abgetragen; so ist
ihr Vormund oder Curator berechtiget, das Bezahlte zurück zu fordern.
§. 1422. Kann und will ein Dritter
anstatt des Schuldners mit dessen Einverständniß nach Maß der eingegangenen
Verbindlichkeit bezahlen; so muß der Gläubiger die Bezahlung annehmen, und dem
Zahler sein Recht abtreten; doch hat in diesen Falle der Gläubiger, außer dem
Falle eines Betruges, weder für die Einbringlichkeit, noch für die Richtigkeit
der Forderung zu haften.
§. 1423. Ohne Einwilligung des
Schuldners kann dem Gläubiger die Zahlung von einem Dritten in der Regel (§.
462) nicht aufgedrungen werden. Nimmt er sie aber an; so ist der Zahler
berechtiget, selbst noch nach der geleisteten Zahlung, die Abtretung des dem
Gläubiger zustehendem Rechtes zu verlangen.
an wen;
§. 1424. Der Schuldbetrag muß dem
Gläubiger oder dessen zum Empfange geeigneten Machthaber, oder demjenigen
geleistet werden, den das Gericht als Eigenthümer der Forderung anerkannt hat.
Was jemand an eine Person bezahlt hat, die ihr Vermögen nicht selbst verwalten
darf, ist er in so weit wieder zu zahlen verbunden, als das Bezahlte nicht
wirklich vorhanden, oder zum Nutzen des Empfängers verwendet worden ist.
Gerichtliche Hinterlegung der
Schuld.
§. 1425. Kann eine Schuld aus dem
Grunde, weil der Gläubiger unbekannt, abwesend, oder mit dem Angebothenen
unzufrieden ist, oder aus andern wichtigen Gründen nicht bezahlt werden; so
steht dem Schuldner bevor, die abzutragende Sache bey
dem Gerichte zu hinterlegen; oder, wenn sie dazu nicht geeignet ist, die
gerichtliche Einleitung zu deren Verwahrung anzusuchen. Jede dieser Handlungen,
wenn sie rechtmäßig geschehen und dem Gläubiger bekannt gemacht worden ist,
befreyt den Schuldner von seiner Verbindlichkeit, und wälzt die Gefahr der
geleisteten Sache auf den Gläubiger.
Quittungen;
§. 1426. Der Zahler ist in allen
Fällen berechtiget, von dem Befriedigten eine Quittung, nähmlich ein
schriftliches Zeugniß der erfüllten Verbindlichkeit, zu verlangen. In der
Quittung muß der Nahme des Schuldners und des Gläubigers, so wie der Ort, die
Zeit und der Gegenstand der getilgten Schuld ausgedrückt, und sie muß von dem
Gläubiger, oder dessen Machthaber unterschrieben werden.
§. 1427. Eine Quittung über das
bezahlte Capital gründet die Vermuthung, daß auch die Zinsen davon bezahlt
worden seyn.
§. 1428. Besitzt der Gläubiger von
dem Schuldner einen Schuldschein; so ist er nebst Ausstellung einer Quittung
verbunden, denselben zurück zu geben, oder die allenfalls geleistete
Abschlagszahlung auf dem Schuldschein selbst abschreiben zu lassen. Der zurück
erhaltene Schuldschein ohne Quittung gründet für den Schuldner die rechtliche
Vermuthung der geleisteten Zahlung; er schließt aber den Gegenbeweis nicht aus.
Ist der Schuldschein, welcher zurück gegeben werden soll, in Verlust gerathen;
so ist der Zahlende berechtiget, Sicherstellung zu fordern, oder den Betrag
gerichtlich zu hinterlegen, und zu verlangen, daß der Gläubiger die Tödtung des Schuldscheines der Gerichtsordnung gemäß
bewirke.
§. 1429. Eine Quittung, die der
Gläubiger dem Schuldner für eine abgetragene neuere Schuldpost ausgestellt hat,
beweiset zwar nicht, daß auch andere ältere Posten abgetragen worden seyn: wenn
es aber gewisse Gefälle, Renten, oder solche Zahlungen betrifft, welche, wie
Geld- Grund- Haus- oder Capitals-Zinsen, aus eben demselben Titel und zu einer
gewissen Zeit geleistet werden sollen; so wird vermuthet, daß derjenige,
welcher sich mit der Quittung des letzt verfallenen Termines ausweiset, auch
die früher verfallenen berichtiget habe.
§. 1430. Eben so wird von Handels-
und Gewerbsleuten, welche mit ihren Abnehmern (Kunden) zu gewissen Fristen die
Rechnung abzuschließen pflegen, vermuthet; daß ihnen, wenn sie über die
Rechnung aus einer späteren Frist quittirt haben, auch die früheren Rechnungen
bezahlt seyn.
Zahlung einer Nichtschuld.
§. 1431. Wenn jemand aus einem
Irrthume, wäre es auch ein Rechtsirrthum, eine Sache oder eine Handlung geleistet
worden, wozu er gegen den Leistenden kein Recht hat; so kann in der Regel im
ersten Falle die Sache zurückgefordert, im zweyten aber ein dem verschafften
Nutzen angemessener Lohn verlangt werden.
§. 1432. Doch können Zahlungen
einer verjährten, oder einer solchen Schuld, welche nur aus Mangel der
Förmlichkeiten ungültig ist, oder zu deren Eintreibung das Gesetz bloß das
Klagerecht versagt, eben so wenig zurückgefordert werden, als wenn jemand eine
Zahlung leistet, von der er weiß, daß er sie nicht schuldig ist.
§. 1433. Diese Vorschrift (§. 1432)
kann aber auf den Fall, in welchem ein Pflegebefohlener, oder eine andere
Person bezahlt hat, welche nicht frey über ihr Eigenthum verfügen kann, nicht
angewendet werden.
§. 1434. Die Zurückstellung des
Bezahlten kann auch dann begehret werden, wenn die Schuldforderung auf was
immer für eine Art noch ungewiß ist; oder wenn sie noch von der Erfüllung einer
beygesetzten Bedingung abhängt. Die Bezahlung
einer richtigen und unbedingten Schuld kann aber deßwegen nicht zurückgefordert
werden, weil die Zahlungsfrist noch nicht verfallen ist.
§. 1435. Auch Sachen, die als eine
wahre Schuldigkeit gegeben worden sind, kann der Geber von dem Empfänger zurück
fordern, wenn der rechtliche Grund, sie zu behalten, aufgehört hat.
§. 1436. War jemand verbunden, aus
zwey Sachen nur Eine nach seiner Willkühr zu geben, und hat er aus Irrthum
beyde gegeben; so hängt es von ihm ab, die eine, oder die andere zurück zu fordern.
§. 1437. Der Empfänger einer
bezahlten Nichtschuld wird als ein redlicher oder unredlicher Besitzer
angesehen, je nachdem er den Irrthum des Gebers gewußt hat, oder aus den
Umständen vermuthen mußte, oder nicht.
2) Compensation.
§. 1438. Wenn Forderungen
gegenseitig zusammentreffen, die richtig, gleichartig, und so beschaffen sind,
daß eine Sache, die dem Einen als Gläubiger gebührt, von diesem auch als
Schuldner dem Andern entrichtet werden kann; so entsteht, in so weit die
Forderungen sich gegen einander ausgleichen, eine gegenseitige Aufhebung der
Verbindlichkeit (Compensation), welche schon für sich die gegenseitige Zahlung
bewirket.
§. 1439. Zwischen einer richtigen
und nicht richtigen, so wie zwischen einer fälligen und noch nicht fälligen
Forderung findet die Compensation nicht Statt. In wie fern gegen eine
Concurs-Masse die Compensation Statt finde, wird in der Gerichtsordnung
bestimmt.
§. 1440. Eben so lassen sich
Forderungen, welche ungleichartige, oder bestimmte und unbestimmte Sachen zum
Gegenstande haben, gegen einander nicht aufheben. Eigenmächtig entzogene,
entlehnte oder in Verwahrung genommene Stücke sind überhaupt kein Gegenstand
der Compensation.
§. 1441. Ein Schuldner kann seinem
Gläubiger dasjenige nicht in Aufrechnung bringen, was dieser einem Dritten und
der Dritte dem Schuldner zu zahlen hat. Selbst eine Summe, die jemand an eine
Staats-Casse zu fordern hat, kann gegen eine Zahlung, die er an eine andere
Staats-Casse leisten muß, nicht abgerechnet werden.
§. 1442. Wenn eine Forderung
allmählich auf mehrere übertragen wird; so kann der Schuldner zwar die
Forderung, welche er zur Zeit der Abtretung an den ersten Inhaber derselben hatte, so wie auch jene, die ihm gegen den
letzten Inhaber zusteht, in Abrechnung bringen; nicht aber auch diejenige,
welche ihm an einen der Zwischeninhaber zustand.
§. 1443. Gegen eine den
öffentlichen Büchern einverleibte Forderung kann die Einwendung der
Compensation einem Cessionar nur dann
entgegengesetzt werden, wenn die Gegenforderung ebenfalls und zwar bey der
Forderung selbst eingetragen, oder dem Cessionar bey Uebernehmung der letztern
bekannt gemacht worden ist.
3.) Entsagung.
§. 1444. In allen Fällen, in
welchen der Gläubiger berechtiget ist, sich seines Rechtes zu begeben, kann er
demselben auch zum Vortheile seines Schuldners entsagen, und hierdurch die
Verbindlichkeit des Schuldners aufheben.
4) Vereinigung.
§. 1445. So oft auf was immer für
eine Art das Recht mit der Verbindlichkeit in Einer Person vereinigt wird,
erlöschen beyde; außer, wenn es dem Gläubiger noch frey steht, eine Absonderung
seiner Rechte zu verlangen (§§. 802 und 812), oder wenn Verhältnisse von ganz
verschiedener Art eintreten. Daher wird durch die Nachfolge des Schuldners in
die Verlassenschaft seines Gläubigers in den Rechten der Erbschaftsgläubiger,
der Miterben oder Legatare, und durch die Beerbung des Schuldners und Bürgen in
den Rechten des Gläubigers nichts geändert.
§. 1446. Rechte und
Verbindlichkeiten, welche den öffentlichen Büchern einverleibt sind, werden
durch die Vereinigung in einer Person nicht aufgehoben, bis die Löschung aus
den öffentlichen Büchern erfolgt ist. (§§. 469 u. 526.)
5.) Untergang der Sache.
§1447. Der zufällige gänzliche
Untergang einer bestimmten Sache hebt alle Verbindlichkeit, selbst die, den Werth
derselben zu vergüten, auf. Dieser Grundsatz gilt auch für diejenigen Fälle, in
welchen die Erfüllung der Verbindlichkeit, oder die Zahlung einer Schuld durch
einen andern Zufall unmöglich wird. In jedem Falle muß aber der Schuldner das,
was er um die Verbindlichkeit in Erfüllung zu bringen erhalten hat, zwar gleich
einem redlichen Besitzer, jedoch auf solche Art zurückstellen oder vergüten,
daß er aus dem Schaden des Andern keinen Gewinn zieht.
6.) Tod.
§. 1448. Durch den Tod erlöschen
nur solche Rechte und Verbindlichkeiten, welche auf die Person eingeschränkt
sind, oder die bloß persönliche Handlungen des Verstorbenen betreffen.
7) Verlauf der Zeit.
§. 1449. Rechte und
Verbindlichkeiten erlöschen auch durch den Verlauf der Zeit, worauf sie durch
einen letzten Willen, Vertrag, richterlichen Ausspruch, oder durch das Gesetz
beschränkt sind. Auf welche Art sie durch die vom Gesetze bestimmte Verjährung
aufgehoben werden, wird in dem folgenden Hauptstücke festgesetzt.
Von der Einsetzung in den vorigen
Stand.
§. 1450. Die bürgerlichen Gesetze,
nach welchen widerrechtliche Handlungen und Geschäfte, wenn die Verjährung
nicht im Wege steht, unmittelbar bestritten werden können, gestatten keine
Einsetzung in den vorigen Stand. Die zum gerichtlichen Verfahren gehörigen
Fälle der Einsetzung in den vorigen Stand sind in der Gerichtsordnung bestimmt.
Viertes Hauptstück.
Von der Verjährung und Ersitzung.
Verjährung.
§. 1451. Die Verjährung ist der
Verlust eines Rechtes, welches während der von dem Gesetze bestimmten Zeit
nicht ausgeübt worden ist.
Ersitzung.
§. 1452. Wird das verjährte Recht
vermöge des gesetzlichen Besitzes zugleich auf jemand Andern übertragen; so
heißt es ein ersessenes Recht, und die Erwerbungsart, Ersitzung.
Wer verjähren und ersitzen kann.
§. 1453. Jeder, der sonst zu
erwerben fähig ist, kann auch ein Eigenthum oder andere Rechte durch Ersitzung
erwerben.
Gegen wen?
§. 1454. Die Verjährung und
Ersitzung kann gegen alle Privat-Personen, welche ihre Rechte selbst auszuüben
fähig sind, Statt finden. Gegen Mündel und Pflegebefohlene; gegen Kirchen,
Gemeinden und andere moralische Körper; gegen Verwalter des öffentlichen
Vermögens und gegen diejenigen, welche ohne ihr Verschulden abwesend sind, wird
sie nur unter den unten (§§. 1494, 1472 und 1475) folgenden Beschränkungen
gestattet.
Welche Gegenstände.
§. 1455. Was sich erwerben läßt,
kann auch ersessen werden. Sachen hingegen, welche man vermöge ihrer
wesentlichen Beschaffenheit, oder vermöge der Gesetze nicht besitzen kann;
ferner, Sachen und Rechte, welche schlechterdings unveräußerlich sind, sind
kein Gegenstand der Ersitzung.
§. 1456. Aus diesem Grunde können
weder die dem Staatsoberhaupte als solchen allein zukommenden Rechte, z. B. das
Recht, Zölle anzulegen, Münzen zu prägen, Steuern auszuschreiben, und andere
Hoheitsrechte (Regalien) durch Ersitzung erworben, noch die diesen Rechten
entsprechenden Schuldigkeiten verjährt werden.
§. 1457. Andere dem Staatsoberhaupte
zukommende, doch nicht ausschließend vorbehaltene Rechte, z. B. auf Waldungen,
Jagden, Fischereyen u. d. gl., können zwar überhaupt von andern Staatsbürgern,
doch nur binnen einem längern als dem gewöhnlichen Zeitraume (§. 1472.)
ersessen werden.
§. 1458. Die Rechte eines Ehegatten, eines
Vaters, eines Kindes und andere Personen-Rechte sind kein Gegenstand der
Ersitzung. Doch kommt denjenigen, welche dergleichen Rechte redlicher Weise
ausüben, die schuldlose Unwissenheit zur einstweiligen Behauptung und Ausübung
ihrer vermeinten Rechte zu Statten.
§. 1459. Die Rechte eines Menschen über
seine Handlungen und über sein Eigenthum, z. B. eine Ware da oder dort zu
kaufen, seine Wiesen oder sein Wasser zu benutzen, unterliegen, außer dem
Falle, daß das Gesetz mit der binnen einem Zeitraume unterlassenen Ausübung
ausdrücklich den Verlust derselben verknüpfet, keiner Verjährung. Hat aber eine
Person der andern die Ausübung eines solchen Rechtes untersagt, oder sie daran
verhindert; so fängt der Besitz des Untersagungsrechtes von Seite der Einen
gegen die Freyheit der Andern von dem Augenblicke an, als sich diese dem
Verbothe, oder der Verhinderung gefüget hat, und es wird dadurch, wenn alle
übrige Erfordernisse eintreffen, die Verjährung oder die Ersitzung bewirket.
(§. 313 u. 351.)
Erfordernisse
zur Ersitzung:
1)
Besitz.
§. 1460. Zur Ersitzung wird nebst der
Fähigkeit der Person und des Gegenstandes erfordert: daß jemand die Sache oder
das Recht, die auf diese Art erworben werden sollen, wirklich besitze; daß sein
Besitz rechtmäßig, redlich und echt sey, und durch die ganze von dem Gesetze bestimmte
Zeit fortgesetzt werde. (§. 309, 316, 326 und 345.)
Und zwar
a) ein rechtmäßiger;
§. 1461. Jeder Besitz, der sich auf einen
solchen Titel gründet, welche zur Uebernahme des Eigenthumes, wenn solches dem
Uebergeber gebührt hätte, hinlänglich gewesen wäre, ist rechtmäßig und zur
Ersitzung hinreichend. Dergleichen sind, z. B. das Vermächtniß, die Schenkung,
das Darleihen, der Kauf und Verkauf, der Tausch, die Zahlung u. s. w.
§. 1462. Verpfändete, geliehene, in
Verwahrung, oder zur Fruchtnießung gegebene Sachen können von Gläubigern,
Entlehnern und Verwahrern oder Fruchtnießern, aus Mangel eines rechtmäßigen
Titels, niemahls ersessen werden. Ihre Erben stellen die Erblasser vor, und
haben nicht mehr Titel als dieselben. Nur dem dritten rechtmäßigen Besitzer
kann die Ersitzungszeit zu Statten kommen.
b)
redlicher;
§. 1463. Der Besitz muß redlich seyn. Die
Unredlichkeit des vorigen Besitzers hindert aber einen redlichen Nachfolger
oder Erben nicht, die Ersitzung von dem Tage seines Besitzes anzufangen. (§.
1493.)
c)
echter.
§. 1464. Der Besitz muß auch echt seyn. Wenn
jemand sich einer Sache mit Gewalt oder List bemächtiget, oder in den Besitz
heimlich einschleicht, oder eine Sache nur bittweise besitzt; so kann weder er
selbst, noch können seine Erben dieselbe verjähren.
2)
Verlauf der Zeit.
§. 1465. Zur Ersitzung und Verjährung ist
auch der in dem Gesetze vorgeschriebene Verlauf der Zeit nothwendig. Außer dem,
durch die Gesetze für einige besondere Fälle festgesetzten Zeitraume, wird hier
das in allen übrigen Fällen zur Ersitzung oder Verjährung nöthige Zeitmaß
überhaupt bestimmt. Es kommt dabey sowohl auf die Verschiedenheit der Rechte
und der Sachen, als der Personen an.
Ersitzungszeit.
Ordentliche;
§. 1466. Das Eigenthumsrecht, dessen
Gegenstand eine bewegliche Sache ist, wird durch einen dreyjährigen rechtlichen
Besitz ersessen.
§. 1467. Von
unbeweglichen Sachen ersitzt derjenige, auf dessen Nahmen sie den öffentlichen
Büchern einverleibt sind, das volle Recht gegen allen Widerspruch ebenfalls
durch Verlauf von drey Jahren. Die Gränzen der Ersitzung werden nach dem Maße
des eingetragenen Besitzes beurtheilt.
§. 1468. Wo noch keine ordentlichen
öffentlichen Bücher eingeführt sind, und die Erwerbung unbeweglicher Sachen aus
den Gerichts-Acten und andern Urkunden zu erweisen ist, oder wenn die Sache auf
den Nahmen desjenigen, der die Besitzrechte darüber ausübet, nicht eingetragen
ist; wird die Ersitzung erst nach dreyßig Jahren vollendet.
§. 1469. Dienstbarkeiten und andere auf
fremdem Boden ausgeübte besondere Rechte werden, wie das Eigenthumsrecht, von
demjenigen, auf dessen Nahmen sie den öffentlichen Büchern einverleibt sind,
binnen drey Jahren ersessen.
§. 1470. Wo noch keine ordentlichen öffentlichen
Bücher bestehen, oder ein solches Recht denselben nicht einverleibt ist, kann
es der redliche Inhaber erst nach dreyßig Jahren ersitzen.
§. 1471. Bey Rechten, die selten ausgeübt
werden können, z. B. bey dem Rechte, eine Pfründe zu vergeben, oder jemanden
bey Herstellung einer Brücke zum Beytrage anzuhalten, muß derjenige, welcher
die Ersitzung behauptet, nebst einem Verlaufe von dreyßig Jahren, zugleich
erweisen, daß der Fall zur Ausübung binnen dieser Zeit wenigstens drey Mahl
sich ergeben, und er jedes Mahl dieses Recht ausgeübt habe.
Außerordentliche.
§. 1472. Gegen den Fiscus, das ist, gegen
die Verwalter der Staatsgüter und des Staatsvermögens, in so weit die
Verjährung Platz greift (§§. 287, 289 u. 1456-1457), ferner gegen die Verwalter
der Güter der Kirchen, Gemeinden und anderer erlaubten Körper, reicht die
gemeine ordentliche Ersitzungszeit nicht zu. Der Besitz beweglicher Sachen, so
wie auch der Besitz der unbeweglichen, oder der darauf ausgeübten
Dienstbarkeiten und anderer Rechte, wenn sie auf den Nahmen des Besitzers den
öffentlichen Büchern einverleibt sind, muß durch sechs Jahre fortgesetzt
werden. Rechte solcher Art, die auf den Nahmen des Besitzers in die
öffentlichen Bücher nicht einverleibt sind, und alle übrige Rechte lassen sich
gegen den Fiscus und die hier angeführten begünstigten Personen nur durch den
Besitz von vierzig Jahren erwerben.
§. 1473. Wer mit einer von dem Gesetze in
Ansehung der Verjährungszeit begünstigten Person in Gemeinschaft steht, dem
kommt die nähmliche Begünstigung zu Statten. Begünstigungen der längeren
Verjährungsfrist haben auch gegen andere, darin ebenfalls begünstigte, Personen
ihre Wirkung.
§. 1474. Die Eigenschaft eines
Familien-Fideicommisses, eines Erbpacht- und Erbzinsgutes geht nur durch einen
frey eigenthümlichen Besitz von vierzig Jahren verloren.
§. 1475. Der Aufenthalt des Eigenthümers
außer der Provinz, in welcher sich die Sache befindet, steht der ordentlichen
Ersitzung und Verjährung in so weit entgegen, daß die Zeit einer willkührlichen
und schuldlosen Abwesenheit nur zur Hälfte, folglich Ein Jahr nur für sechs
Monathe, gerechnet wird. Doch soll auf kurze Zeiträume der Abwesenheit, welche
durch kein volles Jahr ununterbrochen gedauert haben, nicht Bedacht genommen,
und überhaupt die Zeit nie weiter als bis auf dreyßig Jahre zusammen
ausgedehnet werden. Schuldbare Abwesenheit genießt keine Ausnahme von der
ordentlichen Verjährungszeit.
§. 1476. Auch derjenige, welcher eine
bewegliche Sache unmittelbar von einem unechten, oder von einem unredlichen
Besitzer an sich gebracht hat, oder seinen Vormann anzugeben nicht vermag; muß
den Verlauf der sonst ordentlichen Ersitzungszeit doppelt abwarten.
§. 1477. Wer die Ersitzung auf einen
Zeitraum von dreyßig oder vierzig Jahren stützt, bedarf keiner Angabe des
rechtmäßigen Titels. Die gegen ihn erwiesene Unredlichkeit des Besitzes
schließt aber auch in diesem längeren Zeitraume die Ersitzung aus.
Verjährungszeit.
Ordentliche.
§. 1478. In so fern jede Ersitzung eine
Verjährung in sich begreift, werden beyde mit den vorgeschriebenen
Erfordernissen in Einem Zeitraume vollendet. Zur eigentlichen Verjährung aber
ist der bloße Nichtgebrauch eines Rechtes, das an sich schon hätte ausgeübt
werden können, durch dreyßig Jahre hinlänglich.
§. 1479. Alle Rechte gegen einen Dritten,
sie mögen den öffentlichen Büchern einverleibt seyn oder nicht, erlöschen also
in der Regel längstens durch den dreyßigjährigen Nichtgebrauch, oder durch ein
so lange Zeit beobachtetes Stillschweigen.
§. 1480. Forderungen von rückständigen
jährlichen Abgaben, Zinsen, Renten oder Dienstleistungen erlöschen in drey
Jahren; das Recht selbst wird durch einen Nichtgebrauch von dreyßig Jahren
verjährt.
Ausnahmen.
§. 1481. Die in dem Familien- und überhaupt
in dem Personen-Rechte gegründeten Verbindlichkeiten, z. B. den Kindern den
unentbehrlichen Unterhalt zu verschaffen, so wie diejenigen, welche dem oben
(§. 1459.) angeführten Rechte, mit seinem Eigenthume frey zu schalten, zusagen,
z. B. die Verbindlichkeit, die Theilung einer gemeinschaftlichen Sache oder die
Gränzbestimmung vornehmen zu lassen, können nicht verjährt werden.
§. 1482. Auf gleiche Weise wird derjenige,
welcher ein Recht auf einem fremden Grunde in Ansehung des Ganzen oder auf
verschiedene beliebige Arten ausüben konnte, bloß dadurch, daß er es durch noch
so lange Zeit nur auf einem Theile des Grundes oder nur auf eine bestimmte
Weise ausübte, in seinem Rechte nicht eingeschränkt; sondern die Beschränkung
muß durch Erwerbung oder Ersitzung des Untersagungs- oder Hinderungsrechtes
bewirkt werden. (§. 351.) Eben dieses ist auch auf den Fall anzuwenden, wenn
jemand ein gegen alle Mitglieder einer Gemeinde zustehendes Recht bisher nur
gegen gewisse Mitglieder derselben ausgeübt hat.
§. 1483. So lange der Gläubiger das Pfand in
Händen hat, kann ihm die unterlassene Ausübung des Pfandrechtes nicht
eingewendet und das Pfandrecht nicht verjährt werden. Auch das Recht des
Schuldners, sein Pfand einzulösen, bleibt unverjährt. In so fern aber die
Forderung den Werth des Pfandes übersteigt, kann sie inzwischen durch
Verjährung erlöschen.
§. 1484. Zur Verjährung solcher Rechte, die
nur selten ausgeübt werden können, wird erfordert, daß während der
Verjährungszeit von dreyßig Jahren von drey Gelegenheiten, ein solches Recht
auszuüben, kein Gebrauch gemacht worden sey. (§. 1471.)
§. 1485. In Rücksicht der in dem (§. 1472)
begünstigten Personen werden, wie zur Ersitzung, also auch zur Verjährung,
vierzig Jahre erfordert.
Außerordentliche
kürzere Verjährungszeit.
§. 1486. Die allgemeine Regel, daß ein Recht
wegen des Nichtgebrauches erst nach Verlauf von dreyßig oder vierzig Jahren
verloren gehe, ist nur auf diejenigen Fälle anwendbar, für welche das Gesetz
nicht schon einen kürzeren Zeitraum ausgemessen hat. (§. 1465.)
§. 1487. Die Rechte, eine Erklärung des
letzten Willens umzustoßen; den Pflichttheil oder dessen Ergänzung zu fordern;
eine Schenkung wegen Undankbarkeit des Beschenkten zu widerrufen; einen
entgeldlichen Vertrag wegen Verletzung über die Hälfte aufzuheben, oder die
vorgenommene Theilung eines gemeinschaftlichen Gutes zu bestreiten; und die
Forderung wegen einer bey dem Vertrage unterlaufenen Furcht, oder eines
Irrthumes, wobey sich der andere vertragmachende Theil keiner List schuldig
gemacht hat, müssen binnen drey Jahren geltend gemacht werden. Nach Verlauf
dieser Zeit sind sie verjährt.
§. 1488. Das Recht der Dienstbarkeit wird
durch den Nichtgebrauch verjährt, wenn sich der verpflichtete Theil der
Ausübung der Servitut widersetzt, und der Berechtigte durch drey auf einander
folgende Jahre sein Recht nicht geltend gemacht hat.
§. 1489. Jede Entschädigungsklage erlischt
nach drey Jahren von der Zeit an, zu welcher der Schade dem Beschädigten
bekannt wurde. Ist ihm der Schade nicht bekannt worden, oder ist derselbe aus
einem Verbrechen entstanden; so verjährt sich das Klagerecht nur nach dreyßig
Jahren.
§. 1490. Klagen über Injurien, die lediglich
in Beschimpfungen durch Worte, Schriften oder Geberden bestehen, können nach
Verlauf Eines Jahres nicht mehr erhoben werden. Besteht aber die Beleidigung in
Thätlichkeiten; so dauert das Klagerecht auf Genugthuung durch drey Jahre.
§. 1491. Einige Rechte sind von den Gesetzen
auf eine noch kürzere Zeit eingeschränkt. Hierüber kommen die Vorschriften an
den Orten, wo diese Rechte abgehandelt werden, vor.
§. 1492. Wie lange das Wechselrecht einem
Wechselbriefe zu Statten komme, ist in der Wechselordnung bestimmt.
Einrechnung
der Verjährungszeit des Vorfahrers.
§. 1493. Wer eine Sache von einem
rechtmäßigen und redlichen Besitzer redlich übernimmt, der ist als Nachfolger
berechtiget, die Ersitzungszeit seines Vorfahrers mit einzurechnen (§. 1463).
Eben dieses gilt auch von der Verjährungszeit. Bey einer Ersitzung von dreyßig
oder vierzig Jahren findet diese Einrechnung auch ohne einen rechtmäßigen Titel,
und bey der eigentlichen Verjährung selbst ohne guten Glauben, oder schuldlose
Unwissenheit Statt.
Hemmung
der Verjährung.
§. 1494. Gegen solche Personen, welche aus
Mangel ihrer Geisteskräfte ihre Rechte selbst zu verwalten unfähig sind, wie gegen
Pupillen, Wahn- oder
Blödsinnige, kann die Ersitzungs- oder Verjährungszeit, dafern diesen Personen
keine gesetzlichen Vertreter bestellt sind, nicht anfangen. Die ein Mahl
angefangene Ersitzungs- oder Verjährungszeit läuft zwar fort; sie kann aber nie
früher als binnen zwey Jahren nach den gehobenen Hindernissen vollendet werden.
§. 1495. Auch zwischen Ehegatten, dann
zwischen Kindern oder Pflegebefohlenen, und ihren Aeltern oder Vormündern kann,
so lang erstere in ehelicher Verbindung, letztere unter älterlicher oder
vormundschaftlicher Gewalt stehen, die Ersitzung oder Verjährung weder
angefangen, noch fortgesetzt werden.
§. 1496. Durch Abwesenheit in Civil- oder
Kriegsdiensten, oder durch gänzlichen Stillstand der Rechtspflege, z. B. in
Pest- oder Kriegszeiten, wird nicht nur der Anfang, sondern so lange dieses
Hinderniß dauert, auch die Fortsetzung der Ersitzung oder Verjährung gehemmet.
Unterbrechung
der Verjährung.
§. 1497. Die Ersitzung sowohl, als die
Verjährung wird unterbrochen, wenn derjenige, welcher sich auf dieselbe berufen
will, vor dem Verlaufe der Verjährungszeit entweder ausdrücklich oder
stillschweigend das Recht des Andern anerkannt hat, oder wenn er von dem
Berechtigten belangt, und die Klage gehörig fortgesetzt wird. Wird aber die Klage
durch einen rechtskräftigen Spruch für unstatthaft erklärt; so ist die
Verjährung für ununterbrochen zu halten.
Wirkung
der Ersitzung oder Verjährung.
§. 1498. Wer eine Sache oder ein Recht
ersessen hat, kann gegen den bisherigen Eigenthümer bey dem Gerichte die
Zuerkennung des Eigenthumes ansuchen, und das zuerkannte Recht, wofern es einen
Gegenstand der öffentlichen Bücher ausmacht, den letzteren einverleiben lassen.
§. 1499. Auf gleiche Art kann nach Verlauf
der Verjährung der Verpflichtete die Löschung seiner in den öffentlichen
Büchern eingetragenen Verbindlichkeit, oder die Nichtigerklärung des dem
Berechtigten bisher zugestandenen Rechtes und der darüber ausgestellten
Urkunden erwirken.
§. 1500. Das aus der Ersitzung oder
Verjährung erworbene Recht kann aber demjenigen, welcher im Vertrauen auf die
öffentlichen Bücher noch vor der Einverleibung desselben eine Sache oder ein
Recht an sich gebracht hat, zu keinem Nachtheile gereichen.
§. 1501. Auf die Verjährung ist, ohne
Einwendung der Parteyen, von Amts wegen kein Bedacht zu nehmen.
Entsagung
oder Verlängerung der Verjährung.
§. 1502. Der Verjährung kann weder im voraus
entsagt, noch kann eine längere Verjährungsfrist, als durch die Gesetze
bestimmt ist, bedungen werden.
1 Siehe JGS 1846/Nr.
970: „Hinsichtlich des Schatzes überhaupt, somit auch hinsichtlich
archäologischer Funde, wird das Drittheil, welches nach §. 399 des allgemeinen
bürgerlichen Gesetzbuches für das Staatsvermögen vorbehalten ist, von nun an
aufgegeben; der Schatz ist daher ohne Abzug dieses Drittheiles zwischen dem
Finder und dem Eigenthümer des Grundes zu gleichen Theilen, und bei getheiltem
Eigenthume des Grundes ist der auf den Eigenthümer des Grundes fallende Theil
zwischen den Ober- und Nutzungs-Eigenthümer zu theilen.“
2 Beachte RGBl 1867/Nr.
131, §. 5.: „Die §§. 191, 254, 281 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches
werden dahin abgeändert, daß über die Frage, ob eine strafrechtliche
Verurtheilung für den Verurtheilten den Verlust von Vormundschaften und
gerichtlichen Curatelen und dessen Untauglichkeit zur Uebernahme eines dieser
Aemter nach sich zu ziehen habe, das Vormundschafts- oder Curatels-Gericht in
jedem einzelnen Falle nach seinem Ermessen zu entscheiden haben soll.“
3 Beachte RGBl 1895/Nr.
110, Art. 2.:
„Insbesondere verlieren
ihre Wirksamkeit:
1. Die Vorschriften der
§§. 200 und 282 a.b.G.B., soweit es sich um den Gerichtsstand für
Rechtsstreitigkeiten aus einer gerichtlich angeordneten Verwaltung handelt;“