(Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten Deutschen
Erbländer der Oesterreichischen Monarchie. I. Theil. Wien 1811.)
Wir Franz der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich;
König zu Ungarn und Böhmen; Erzherzog zu Oesterreich, etc. etc.
Aus der Betrachtung, daß die bürgerlichen Gesetze, um den Bürgern
volle Beruhigung über den gesicherten Genuß ihrer Privat-Rechte zu verschaffen,
nicht nur nach den allgemeinen Grundsätzen der Gerechtigkeit; sondern auch nach
den besonderen Verhältnissen der Einwohner bestimmt, in einer ihnen
verständlichen Sprache bekannt gemacht, und durch eine ordentliche Sammlung in
stätem Andenken erhalten werden sollen, haben Wir seit dem Antritte Unserer
Regierung unausgesetzt Sorge getragen, daß die schon von Unseren Vorfahren
beschlossene und unternommene Abfassung eines vollständigen, einheimischen
bürgerlichen Gesetzbuches ihrer Vollendung zugeführt werde.
Der während Unserer Regierung von Unserer Hofcommission in
Gesetzsachen zu Stande gebrachte Entwurf ward, so wie ehedem der Entwurf des
Gesetzbuches über Verbrechen und schwere Polizey-Uebertretungen, den in den
verschiedenen Provinzen eigens aufgestellten Commissionen zur Beurtheilung
mitgetheilt, in Galizien aber inzwischen schon in Anwendung gesetzt.
Nachdem auf solche Art die Meinungen der Sachverständigen, und die
aus der Anwendung eingehohlten Erfahrungen zur Berichtigung dieses so wichtigen
Zweiges der Gesetzgebung benützt worden sind; haben Wir nun beschlossen, dieses
allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für Unsere gesammten Deutschen Erbländer kund
zu machen, und zu verordnen, daß dasselbe mit dem ersten Januar 1812 zur
Anwendung kommen solle.
Dadurch wird das bis jetzt angenommene gemeine Recht, der am 1.
November 1786 kund gemachte erste Theil des bürgerlichen Gesetzbuches, das für
Galizien gegebene bürgerliche Gesetzbuch, sammt allen auf die Gegenstände
dieses allgemeinen bürgerlichen Rechtes sich beziehenden Gesetzen und
Gewohnheiten, außer Wirksamkeit gesetzt.
Wie Wir aber in dem Gesetzbuche selbst zur allgemeinen Vorschrift
aufgestellt haben, daß die Gesetze nicht zurück wirken sollen; so soll auch
dieses Gesetzbuch auf Handlungen, die dem Tage, an welchem es verbindliche
Kraft erhält, vorhergegangen, und auf die nach den früheren Gesetzen bereits
erworbenen Rechte keinen Einfluß haben; diese Handlungen mögen in zweyseitig
verbindlichen Rechtsgeschäften, oder in solchen Willenserklärungen bestehen,
die von dem Erklärenden noch eigenmächtig abgeändert, und nach den in dem
gegenwärtigen Gesetzbuche enthaltenen Vorschriften eingerichtet werden könnten.
Daher ist auch eine schon vor der Wirksamkeit dieses Gesetzbuches
angefangene Ersitzung oder Verjährung nach den älteren Gesetzen zu beurtheilen.
Wollte sich jemand auf eine Ersitzung oder Verjährung berufen, die in dem
neueren Gesetze auf eine kürzere Zeit als in den früheren Gesetzen bestimmt
ist; so kann er auch diese kürzere Frist erst von dem Zeitpuncte, an welchem
das gegenwärtige Gesetz verbindliche Kraft erhält, zu berechnen anfangen.
Die Vorschriften dieses Gesetzbuches sind zwar allgemein
verbindlich; doch bestehen für den Militär-Stand und für die zum Militär-Körper
gehörigen Personen besondere, auf das Privat-Recht sich beziehende
Vorschriften, welche bey den von, oder mit ihnen vorzunehmenden
Rechtsgeschäften, obschon in dem Gesetzbuche nicht ausdrücklich darauf
hingewiesen worden ist, zu beobachten sind. Handels- und Wechselgeschäfte
werden nach den besonderen Handels- und Wechselgesetzen, in so fern sie von den
Vorschriften dieses Gesetzbuches abweichen, beurtheilt.
Auch bleiben die über politische, Cameral- oder Finanz-Gegenstände
kund gemachten, die Privat-Rechte beschränkenden, oder näher bestimmenden
Verordnungen, obschon in diesem Gesetzbuche sich darauf nicht ausdrücklich bezogen
wurde, in ihrer Kraft.
Ins besondere sind die auf Geldzahlungen sich beziehenden Rechte
und Verbindlichkeiten nach dem, über das zum Umlauf und zur gemeinen Landes-
(Wiener) Währung bestimmte Geld, bereits erlassenen Patente vom 20. Hornung
1811, oder nach den noch zu erlassenden besonderen Gesetzen, und nur bey deren
Ermanglung, nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzbuches zu beurtheilen.
Wir erklären zugleich den gegenwärtigen Deutschen Text des
Gesetzbuches als den Urtext, wonach die veranstalteten Uebersetzungen in die
verschiedenen Landessprachen Unserer Provinzen zu beurtheilen sind.
Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Wien, den ersten
Monathstag Junius, im eintausend achthundert und eilften, Unserer Reiche im
neunzehnten Jahre.
Franz (L. S.)
Aloys Graf von und zu Ugarte,
königlich-Böhmischer oberster und erzherzoglich-Oesterreichischer
erster Kanzler.
Franz Graf von Woyna.
Nach Sr. k. k. Majestät
höchst eigenem Befehle:
Johann Nepomuk Freyh. v. Geißlern.
Inhalt.
Einleitung. Von den bürgerlichen Gesetzen überhaupt. §. 1-14.
Erster Theil.
Von dem Personenrechte.
Erstes Hauptstück. Von den Rechten, welche sich auf persönliche
Eigenschaften und Verhältnisse beziehen. §. 15-43.
Zweytes Hauptstück. Von dem Eherechte. §. 44-136.
Drittes Hauptstück. Von den Rechten zwischen Aeltern und Kindern.
§. 137-186.
Viertes Hauptstück. Von den Vormundschaften und Curatellen. §.
187-284.
Zweyter Theil.
Von dem Sachenrechte.
Von Sachen und ihrer rechtlichen Eintheilung. §. 285-308.
Erste Abtheilung
des Sachenrechtes.
Von den dinglichen Rechten.
Erstes Hauptstück. Von dem Besitze. §. 309-352.
Zweytes Hauptstück. Von dem Eigenthumsrechte. §. 353-379.
Drittes Hauptstück. Von der Erwerbung des Eigenthums durch
Zueignung. §. 380-403.
Viertes Hauptstück. Von Erwerbung des Eigenthumes durch Zuwachs.
§. 404-422.
Fünftes Hauptstück. Von Erwerbung des Eigenthumes durch Uebergabe.
§. 423-446.
Sechstes Hauptstück. Von dem Pfandrechte. §. 447-471.
Siebentes Hauptstück. Von Dienstbarkeiten. (Servituten.) §.
472-530.
Achtes Hauptstück. Von dem Erbrechte. §. 531-551.
Neuntes Hauptstück. Von der Erklärung des letztes Willens
überhaupt und den Testamenten ins besondere. §. 552-603.
Zehntes Hauptstück. Von Nacherben und Fideicomissen. §. 604-646.
Eilftes Hauptstück. Von Vermächtnissen. §. 647-694.
Zwölftes Hauptstück. Von Einschränkung und Aufhebung des letzten
Willens. §. 695-726.
Dreyzehntes Hauptstück. Von der gesetzlichen Erbfolge. §. 727-761.
Vierzehntes Hauptstück. Von dem Pflichttheile und der Anrechnung
in den Pflicht- oder Erbtheil. §. 762-796.
Fünfzehntes Hauptstück. Von Besitznehmung der Erbschaft. §.
797-824.
Sechzehntes Hauptstück. Von der Gemeinschaft des Eigenthums und
anderer dinglichen Rechte. §. 825-858.
Zweyte Abtheilung.
Von den persönlichen Sachenrechten.
Siebzehntes Hauptstück. Von Verträgen überhaupt. §. 859-937.
Achtzehntes Hauptstück. Von Schenkungen. §. 938-956.
Neunzehntes Hauptstück. Von dem Verwahrungsvertrage. §. 957-970.
Zwanzigstes Hauptstück. Von dem Leihvertrage. §. 971-982.
Ein und zwanzigstes Hauptstück. Von dem Darleihensvertrage. §.
983-1001.
Zwey und zwanzigstes Hauptstück. Von der Bevollmächtigung und
andern Arten der Geschäftsführung. §. 1002-1044.
Drey und zwanzigstes Hauptstück. Von dem Tauschvertrage. §. 1045-1052.
Vier und zwanzigstes Hauptstück. Von dem Kaufvertrage. §.
1053-1089.
Fünf und zwanzigstes Hauptstück. Von Bestand- Erbpacht- und
Erbzins-Verträgen. §. 1090-1150.
Sechs und zwanzigstes Hauptstück. Von entgeldlichen Verträgen über
Dienstleistungen. §. 1151-1174.
Sieben und zwanzigstes Hauptstück. Von dem Vertrage über eine
Gemeinschaft der Güter. §. 1175-1216.
Acht und zwanzigstes Hauptstück. Von den Ehepacten. §. 1217-1266.
Neun und zwanzigstes Hauptstück. Von den Glücksverträgen. §.
1267-1292.
Dreyßigstes Hauptstück. Von dem Rechte des Schadenersatzes und der
Genugthuung. §. 1293-1341.
Dritter Theil.
Von den gemeinschaftlichen Bestimmungen der Personen- und
Sachenrechte.
Erstes Hauptstück. Von Befestigung der Rechte und
Verbindlichkeiten. §. 1342-1374.
Zweytes Hauptstück. Von Umänderung der Rechte und
Verbindlichkeiten. §. 1375-1410.
Drittes Hauptstück. Von Aufhebung der Rechte und
Verbindlichkeiten. §. 1411-1450.
Viertes Hauptstück. Von der Verjährung und Ersitzung. §.
1451-1502.
Einleitung.
Von den bürgerlichen Gesetzen überhaupt.
Begriff des bürgerlichen Rechtes.
§. 1. Der Inbegriff der Gesetze, wodurch die Privat-Rechte und
Pflichten der Einwohner des Staates unter sich bestimmt werden, macht das
bürgerliche Recht in demselben aus.
§. 2. So bald ein Gesetz gehörig kund gemacht worden ist, kann
sich niemand damit entschuldigen, daß ihm dasselbe nicht bekannt geworden sey.
Anfang der Wirksamkeit der Gesetze.
§. 3. Die Wirksamkeit eines Gesetzes und die daraus entspringenden
rechtlichen Folgen nehmen gleich nach der Kundmachung ihren Anfang; es wäre
denn, daß in dem kund gemachten Gesetze selbst der Zeitpunct seiner Wirksamkeit
weiter hinaus bestimmt würde.
Umfang des Gesetzes.
§. 4. Die bürgerlichen Gesetze verbinden alle Staatsbürger der
Länder, für welche sie kund gemacht sind. Die Staatsbürger bleiben auch in
Handlungen und Geschäften, die sie außer dem Staatsgebiethe vornehmen, an diese
Gesetze gebunden, in so weit als ihre persönliche Fähigkeit, sie zu
unternehmen, dadurch eingeschränket wird, und als diese Handlungen und
Geschäfte zugleich in diesen Ländern rechtliche Folgen hervorbringen sollen. In
wie fern die Fremden an diese Gesetze gebunden sind, wird in dem folgenden
Hauptstücke bestimmt.
§. 5. Gesetze wirken nicht zurück; sie haben daher auf
vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluß.
Auslegung.
§. 6. Einem Gesetze darf in der Anwendung kein anderer Verstand
beygelegt werden, als welcher aus der eigenthümlichen Bedeutung der Worte in
ihrem Zusammenhange und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet.
§. 7. Läßt sich ein Rechtsfall weder aus den Worten, noch aus dem
natürlichen Sinne eines Gesetzes entscheiden, so muß auf ähnliche, in den
Gesetzen bestimmt entschiedene Fälle, und auf die Gründe anderer damit
verwandten Gesetze Rücksicht genommen werden. Bleibt der Rechtsfall noch
zweifelhaft; so muß solcher mit Hinsicht auf die sorgfältig gesammelten und
reiflich erwogenen Umstände nach den natürlichen Rechtsgrundsätzen entschieden
werden.
§. 8. Nur dem Gesetzgeber steht die Macht zu, ein Gesetz auf eine
allgemein verbindliche Art zu erklären. Eine solche Erklärung muß auf alle noch
zu entscheidende Rechtsfälle angewendet werden, dafern der Gesetzgeber nicht
hinzufügt, daß seine Erklärung bey Entscheidung solcher Rechtsfälle, welche die
vor der Erklärung unternommenen Handlungen und angesprochenen Rechte zum
Gegenstande haben, nicht bezogen werden solle.
Dauer des Gesetzes.
§. 9. Gesetze behalten so lange ihre Kraft, bis sie von dem
Gesetzgeber abgeändert oder ausdrücklich aufgehoben werden.
Andere Arten der Vorschriften, als: a) Gewohnheiten.
§. 10. Auf Gewohnheiten kann nur in den Fällen, in welchen sich
ein Gesetz darauf beruft, Rücksicht genommen werden.
b) Provinzial-Statuten.
§. 11. Nur jene Statuten einzelner Provinzen und Landesbezirke
haben Gesetzeskraft, welche nach der Kundmachung dieses Gesetzbuches von dem
Landesfürsten ausdrücklich bestätiget werden.
c) Richterliche Aussprüche.
§. 12. Die in einzelnen Fällen ergangenen Verfügungen und die von
Richterstühlen in besonderen Rechtsstreitigkeiten gefällten Urtheile haben nie
die Kraft eines Gesetzes, sie können auf andere Fälle oder auf andere Personen
nicht ausgedehnet werden.
d) Privilegien.
§. 13. Die einzelnen Personen oder auch ganzen Körpern verliehenen
Privilegien und Befreyungen sind, so fern hierüber die politischen Verordnungen
keine besondere Bestimmung enthalten, gleich den übrigen Rechten zu
beurtheilen.
Haupteintheilung des bürgerlichen Rechtes.
§. 14. Die in dem bürgerlichen Gesetzbuche enthaltenen
Vorschriften haben das Personen-Recht, das Sachenrecht und die denselben
gemeinschaftlich zukommenden Bestimmungen zum Gegenstande.
Erster Theil.
Von dem Personen-Rechte.
Erstes Hauptstück.
Von den Rechten, welche sich auf persönliche Eigenschaften und
Verhältnisse beziehen.
Personen-Rechte.
§. 15. Die Personen-Rechte beziehen sich theils auf persönliche
Eigenschaften und Verhältnisse; theils gründen sie sich in dem
Familien-Verhältnisse.
I. Aus dem Charakter der Persönlichkeit.
Angeborne Rechte.
§. 16. Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft
einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sclaverey
oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht wird
in diesen Ländern nicht gestattet.
Rechtliche Vermuthung derselben.
§. 17. Was den angebornen natürlichen Rechten angemessen ist,
dieses wird so lange als bestehend angenommen, als die gesetzmäßige
Beschränkung dieser Rechte nicht bewiesen wird.
Erwerbliche Rechte.
§. 18. Jedermann ist unter den von den Gesetzen vorgeschriebenen
Bedingungen fähig, Rechte zu erwerben.
Verfolgung der Rechte.
§. 19. Jedem, der sich in seinem Rechte gekränkt zu seyn erachtet,
steht es frey, seine Beschwerde vor der durch die Gesetze bestimmten Behörde
anzubringen. Wer sich aber mit Hintansetzung derselben der eigenmächtigen Hülfe
bedienet, oder, wer die Gränzen der Nothwehre überschreitet, ist dafür
verantwortlich.
§. 20. Auch solche Rechtsgeschäfte, die das Oberhaupt des Staates
betreffen, aber auf dessen Privat-Eigenthum, oder auf die in dem bürgerlichen
Rechte gegründeten Erwerbungsarten sich beziehen, sind von den Gerichtsbehörden
nach den Gesetzen zu beurtheilen.
II. Personen-Rechte aus der Eigenschaft des Alters oder mangelnden
Verstandesgebrauches.
§. 21. Diejenigen, welche wegen Mangels an Jahren, Gebrechen des
Geistes, oder anderer Verhältnisse wegen, ihre Angelegenheiten selbst gehörig
zu besorgen unfähig sind, stehen unter dem besonderen Schutze der Gesetze.
Dahin gehören: Kinder, die das siebente; Unmündige, die das vierzehnte;
Minderjährige, die das vier und zwanzigste Jahr ihres Lebens noch nicht
zurückgelegt haben; dann: Rasende, Wahnsinnige und Blödsinnige, welche des
Gebrauches ihrer Vernunft entweder gänzlich beraubt oder wenigstens unvermögend
sind, die Folgen ihrer Handlungen einzusehen; ferner: diejenigen, welchen der
Richter als erklärten Verschwendern die fernere Verwaltung ihres Vermögens
untersagt hat; endlich: Abwesende und Gemeinden.
§. 22. Selbst ungeborne Kinder haben von dem Zeitpuncte ihrer
Empfängniß an einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze. In so weit es um ihre
und nicht um die Rechte eines Dritten zu thun ist, werden sie als Geborne
angesehen; ein todtgebornes Kind aber wird in Rücksicht auf die ihm für den
Lebensfall vorbehaltenen Rechte so betrachtet, als wäre es nie empfangen
worden.
§. 23. In zweifelhaftem Falle, ob ein Kind lebendig oder todt
geboren worden sey, wird das Erstere vermuthet. Wer das Gegentheil behauptet,
muß es beweisen.
III. Aus dem Verhältnisse der Abwesenheit.
§. 24. Wenn ein Zweifel entsteht, ob ein Abwesender oder Vermißter
noch am Leben sey oder nicht; so wird sein Tod nur unter folgenden Umständen
vermuthet: 1) wenn seit seiner Geburt ein Zeitraum von achtzig Tagen verstrichen
und der Ort seines Aufenthaltes seit zehn Jahren unbekannt geblieben ist; 2)
ohne Rücksicht auf den Zeitraum von seiner Geburt, wenn er durch dreyßig volle
Jahre unbekannt geblieben; 3) wenn er im Kriege schwer verwundet worden; oder,
wenn er auf einem Schiffe, da es scheiterte, oder in einer anderen nahen
Todesgefahr gewesen ist, und seit der Zeit durch drey Jahre vermißt wird. In
allen diesen Fällen kann die Todeserklärung angesucht und unter den (§. 277)
bestimmten Vorsichten vorgenommen werden
§. 25. Im Zweifel, welche von zwey oder mehreren verstorbenen
Personen zuerst mit Tode abgegangen sey, muß derjenige, welcher den früheren
Todesfall des Einen oder des Anderen behauptet, seine Behauptung beweisen; kann
er dieses nicht, so werden Alle als zu gleicher Zeit verstorben vermuthet, und
es kann von Uebertragung der Rechte des Einen auf den Anderen keine Rede seyn.
IV. Aus dem Verhältnisse einer moralischen Person.
§. 26. Die Rechte der Mitglieder einer erlaubten Gesellschaft
unter sich werden durch den Vertrag oder Zweck und die besonderen für dieselben
bestehenden Vorschriften bestimmt. Im Verhältnisse gegen Andere genießen
erlaubte Gesellschaften in der Regel gleiche Rechte mit den einzelnen Personen.
Unerlaubte Gesellschaften haben als solche keine Rechte, weder gegen die
Mitglieder, noch gegen Andere, und sie sind unfähig, Rechte zu erwerben.
Unerlaubte Gesellschaften sind aber diejenigen, welche durch die politischen
Gesetze insbesondere verbothen werden, oder offenbar der Sicherheit, öffentlichen
Ordnung oder den guten Sitten widerstreiten.
§. 27. In wie fern Gemeinden in Rücksicht ihrer Rechte unter einer
besonderen Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehen, ist in den politischen
Gesetzen enthalten.
V. Aus dem Verhältnisse eines Staatsbürgers.
§. 28. Den vollen Genuß der bürgerlichen Rechte erwirbt man durch
die Staatsbürgerschaft. Die Staatsbürgerschaft in diesen Erbstaaten ist Kindern
eines Oesterreichischen Staatsbürgers durch die Geburt eigen.
Wie die Staatsbürgerschaft erworben;
§. 29. Fremde erwerben die Oesterreichische Staatsbürgerschaft
durch Eintretung in einen öffentlichen Dienst; durch Antretung eines Gewerbes,
dessen Betreibung die ordentliche Ansässigkeit im Lande nothwendig macht; durch
einen in diesen Staaten vollendeten zehnjährigen ununterbrochenen Wohnsitz,
jedoch unter der Bedingung, daß der Fremde diese Zeit hindurch sich wegen eines
Verbrechens keine Strafe zugezogen habe.
§. 30. Auch ohne Antretung eines Gewerbes oder Handwerkes, und vor
verlaufenen zehn Jahren, kann die Einbürgerung bey den politischen Behörden
angesucht, und von denselben, nachdem das Vermögen, die Erwerbfähigkeit und das
sittliche Betragen des Ansuchenden beschaffen sind, verliehen werden.
§. 31. Durch die bloße Inhabung oder zeitliche Benützung eines Landgutes,
Hauses oder Grundstückes; durch die Anlegung eines Handels, einer Fabrik, oder
die Theilnahme an einem von beyden, ohne persönliche Ansässigkeit in einem
Lande dieser Staaten, wird die Oesterreichische Staatsbürgerschaft nicht
erworben.
wie sie verloren werde
§. 32. Der Verlust der Staatsbürgerschaft durch Auswanderung oder
durch Verehelichung einer Staatsbürgerinn an einen Ausländer, wird durch die
Auswanderungsgesetze bestimmt.
Rechte der Fremden.
§. 33. Den Fremden kommen überhaupt gleiche bürgerliche Rechte und
Verbindlichkeiten mit den Eingebornen zu, wenn nicht zu dem Genusse dieser
Rechte ausdrücklich die Eigenschaft eines Staatsbürgers erfordert wird. Auch
müssen die Fremden, um gleiches Recht mit den Eingebornen zu genießen, in
zweifelhaften Fällen beweisen, daß der Staat, dem sie angehören, die
hierländigen Staatsbürger in Rücksicht des Rechtes, wovon die Frage ist,
ebenfalls wie die seinigen behandle.
§. 34. Die persönliche Fähigkeit der Fremden zu Rechtsgeschäften
ist insgemein nach den Gesetzen des Orts, denen der Fremde vermöge seines
Wohnsitzes, oder, wenn er keinen eigentlichen Wohnsitz hat, vermöge seiner
Geburt als Unterthan unterliegt, zu beurtheilen; in so fern nicht für einzelne
Fälle in dem Gesetze etwas Anderes verordnet ist.
§. 35. Ein von einem Ausländer in diesem Staate unternommenes
Geschäft, wodurch er anderen Rechte gewähret, ohne dieselben gegenseitig zu
verpflichten, ist entweder nach diesem Gesetzbuche, oder aber nach dem Gesetze,
dem der Fremde als Unterthan unterliegt, zu beurtheilen; je nachdem das eine
oder andere Gesetz die Gültigkeit des Geschäftes am meisten begünstiget.
§. 36. Wenn ein Ausländer hier Landes ein wechselseitig
verbindendes Geschäft mit einem Staatsbürger eingeht, so wird es ohne Ausnahme
nach diesem Gesetzbuche; dafern er es aber mit einem Ausländer schließt, nur
dann nach demselben beurtheilet, wenn nicht bewiesen wird, daß bey der
Abschließung auf ein anderes Recht Bedacht genommen worden sey.
§. 37. Wenn Ausländer mit Ausländern, oder mit Unterthanen dieses
Staates im Auslande Rechtsgeschäfte vornehmen, so sind sie nach den Gesetzen
des Ortes, wo das Geschäft abgeschlossen worden ist, zu beurtheilen; dafern bey
der Abschließung nicht offenbar ein anderes Recht zum Grunde gelegt worden ist,
und die oben im §. 4. enthaltene Vorschrift nicht entgegensteht.
§. 38. Die Gesandten, die öffentlichen Geschäftsträger und die in
ihren Diensten stehenden Personen genießen die in dem Völkerrechte und in den
öffentlichen Verträgen gegründeten Befreyungen.
VI. Personen-Rechte aus dem Religions-Verhältnisse.
§. 39. Die Verschiedenheit der Religion hat auf die Privat-Rechte
keinen Einfluß, außer in so fern dieses bey einigen Gegenständen durch die
Gesetze insbesondere angeordnet wird.
VII. Aus dem Familien-Verhältnisse.
Familie, Verwandtschaft und Schwägerschaft.
§. 40. Unter Familie werden die Stammältern mit allen ihren
Nachkommen verstanden. Die Verbindung zwischen diesen Personen wird
Verwandtschaft; die Verbindung aber, welche zwischen einem Ehegatten und den Verwandten
des anderen Ehegatten entsteht, Schwägerschaft genannt.
§. 41. Die Grade der Verwandtschaft zwischen zwey Personen sind
nach der Zahl der Zeugungen, mittelst welcher in der geraden Linie eine
derselben von der anderen, und in der Seitenlinie beyde von ihrem nächsten
gemeinschaftlichen Stamme abhängen, zu bestimmen. In welcher Linie und in
welchem Grade jemand mit dem einen Ehegatten verwandt ist, in eben der Linie
und in eben dem Grade ist er mit dem anderen Ehegatten verschwägert.
§. 42. Unter den Nahmen Aeltern werden in der Regel ohne
Unterschied des Grades alle Verwandte in der aufsteigenden; und unter dem
Nahmen Kinder, alle Verwandte in der absteigenden Linie begriffen.
§. 43. Die besonderen Rechte der Familien-Glieder werden bey den
verschiedenen Rechtsverhältnissen, worin sie ihnen zukommen, angeführt.
Zweytes Hauptstück.
Von dem Eherechte.
Begriff der Ehe,
§. 44. Die Familien-Verhältnisse werden durch den Ehevertrag
gegründet. In dem Ehevertrage erklären zwey Personen verschiedenen Geschlechtes
gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu
zeugen, sie zu erziehen, und sich gegenseitig Beystand zu leisten.
und des Eheverlöbnisses.
§. 45. Ein Eheverlöbniß oder ein vorläufiges Versprechen, sich zu
ehelichen, unter was für Umständen oder Bedingungen es gegeben oder erhalten
worden, zieht keine rechtliche Verbindlichkeit nach sich, weder zur Schließung
der Ehe selbst, noch zur Leistung desjenigen, was auf den Fall des Rücktrittes
bedungen worden ist.
Rechtliche Wirkung des Rücktrittes vom Eheverlöbnisse.
§. 46. Nur bleibt dem Theile, von dessen Seite keine gegründete
Ursache zu dem Rücktritte entstanden ist, der Anspruch auf den Ersatz des
wirklichen Schadens vorbehalten, welchen er aus diesem Rücktritte zu leiden
beweisen kann.
Regel über die Fähigkeit zur Schließung einer Ehe.
§. 47. Einen Ehevertrag kann jedermann schließen, in so fern ihm
kein gesetzliches Hinderniß im Wege steht.
Hindernisse der Ehe:
I) Abgang der Einwilligung,
a) aus Mangel des Vermögens zur Einwilligung.
§. 48. Rasende, Wahnsinnige, Blödsinnige und Unmündige sind außer
Stande, einen gültigen Ehevertrag zu errichten.
§. 49. Minderjährige oder auch Volljährige, welche aus was immer
für Gründen für sich allein keine gültige Verbindlichkeit eingehen können, sind
auch unfähig, ohne Einwilligung ihres ehelichen Vaters sich gültig zu
verehelichen. Ist der Vater nicht mehr am Leben oder zur Vertretung unfähig; so
wird, nebst der Erklärung des ordentlichen Vertreters, auch die Einwilligung
der Gerichtsbehörde zur Gültigkeit der Ehe erfordert.
§. 50. Minderjährige von unehelicher Geburt bedürfen zur
Gültigkeit ihrer Ehe, nebst der Erklärung ihres Vormundes, die Einwilligung der
Gerichtsbehörde.
§. 51. Einem fremden Minderjährigen, der sich in diesen Staaten
verehelichen will, und die erforderliche Einwilligung beyzubringen nicht
vermag, ist von dem hierländigen Gerichte, unter welches er nach seinem Stande
und Aufenthalte gehören würde, ein Vertreter zu bestellen, der seine Einwilligung
zur Ehe oder seine Mißbilligung diesem Gerichte zu erklären hat.
§. 52. Wird einem Minderjährigen oder Pflegebefohlenen die
Einwilligung zur Ehe versagt, und halten sich die Ehewerber dadurch beschwert;
so haben sie das Recht, die Hülfe des ordentlichen Richters anzusuchen.
§. 53. Mangel an dem nöthigen Einkommen; erwiesene oder gemein
bekannte schlechte Sitten; ansteckende Krankheiten oder dem Zwecke der Ehe
hinderliche Gebrechen desjenigen, mit dem die Ehe eingegangen werden will; sind
rechtmäßige Gründe, die Einwilligung zur Ehe zu versagen.
§. 54. Mit welchen Militär-Personen oder zum Militär-Körper
gehörigen Personen ohne schriftliche Erlaubniß ihres Regiments, Corps oder
überhaupt ihrer Vorgesetzten kein gültiger Ehevertrag eingegangen werden könne,
bestimmen die Militär-Gesetze.
b) aus Mangel der wirklichen Einwilligung.
§. 55. Die Einwilligung zur Ehe ist ohne Rechtskraft, wenn sie
durch eine gegründete Furcht erzwungen worden ist. Ob die Furcht gegründet war,
muß aus der Größe und Wahrscheinlichkeit der Gefahr, und aus der Leibes- und
Gemüthsbeschaffenheit der bedrohten Person beurtheilet werden.
§. 56. Die Einwilligung ist auch dann ungültig, wenn sie von einer
entführten und noch nicht in ihre Freyheit versetzten Person gegeben worden ist.
§. 57. Ein Irrthum macht die Einwilligung in die Ehe nur dann
ungültig, wenn er in der Person des künftigen Ehegatten vorgegangen ist.
§. 58. Wenn ein Ehemann seine Gattinn nach der Ehelichung bereits
von einem Anderen geschwängert findet; so kann er, außer dem im §. 121.
bestimmten Falle, fordern, daß die Ehe als ungültig erkläret werde.
§. 59. Alle übrigen Irrthümer der Ehegatten, so wie auch ihre
getäuschten Erwartungen der vorausgesetzten oder auch verabredeten Bedingungen,
stehen der Gültigkeit des Ehevertrages nicht entgegen.
II. Abgang des Vermögens zum Zwecke:
a) des physischen Vermögens;
§. 60. Das immerwährende Unvermögen, die eheliche Pflicht zu
leisten, ist ein Ehehinderniß, wenn es schon zur Zeit des geschlossenen
Ehevertrages vorhanden war. Ein bloß zeitliches, oder ein erst während der Ehe
zugestoßenes, selbst unheilbares, Unvermögen kann das Band der Ehe nicht
auflösen.
b) des sittlichen Vermögens; wegen Verurtheilung zu einer schweren
Criminalstrafe;
§. 61. Ein zur schwersten oder schweren Kerkerstrafe verurtheilter
Verbrecher kann von dem Tage des ihm angekündigten Urtheiles, und so lange
seine Strafzeit dauert, keine gültige Ehe eingehen.
wegen Ehebandes;
§. 62. Ein Mann darf nur mit einem Weibe, und ein Weib nur mit
einem Manne zu gleicher Zeit vermählet seyn. Wer schon verehelichet war und
sich wieder verehelichen will, muß die erfolgte Trennung, das ist, die
gänzliche Auflösung des Ehebandes, rechtmäßig beweisen.
wegen Weihe oder Gelübdes;
§. 63. Geistliche, welche schon höhere Weihen empfangen; wie auch
Ordenspersonen von beyden Geschlechtern, welche feyerliche Gelübde der
Ehelosigkeit abgelegt haben, können keine gültigen Eheverträge schließen.
Religionsverschiedenheit;
§. 64. Eheverträge zwischen Christen und Personen, welche sich
nicht zur christlichen Religion bekennen, können nicht gültig eingegangen
werden.
Verwandtschaft;
§. 65. Zwischen Verwandten in auf- und absteigender Linie;
zwischen voll- und halbbürtigen Geschwistern; zwischen Geschwisterkindern; wie
auch mit den Geschwistern der Aeltern, nähmlich mit dem Oheim und der Muhme
väterlicher und mütterlicher Seite, kann keine gültige Ehe geschlossen werden;
es mag die Verwandtschaft aus ehelicher oder unehelicher Geburt entstehen.
oder Schwägerschaft;
§. 66. Aus der Schwägerschaft entsteht das Ehehinderniß, daß der
Mann die im §. 65 erwähnten Verwandten seiner Ehegattinn, und die Gattinn die
daselbst erwähnten Verwandten ihres Mannes nicht ehelichen kann.
wegen Ehebruchs;
§. 67. Eine Ehe zwischen zwey Personen, die mit einander einen
Ehebruch begangen haben, ist ungültig. Der Ehebruch muß aber vor der
geschlossenen Ehe bewiesen seyn.
oder Gattenmordes.
§. 68. Wenn zwey Personen, auch ohne vorhergegangenen Ehebruch,
sich zu ehelichen versprochen haben, und wenn, um die Absicht zu erreichen,
auch nur eine von ihnen dem Gatten, der ihrer Ehe im Wege stand, nach dem Leben
gestellet hat; so kann zwischen denselben auch dann, wenn der Mord nicht
wirklich vollbracht worden ist, eine gültige Ehe nicht geschlossen werden.
III. Abgang der wesentlichen Feyerlichkeiten.
Solche sind:
§. 69. Zur Gültigkeit der Ehe wird auch das Aufgeboth und die
feyerliche Erklärung der Einwilligung gefordert.
a) das Aufgeboth;
§. 70. Das Aufgeboth besteht in der Verkündigung der
bevorstehenden Ehe mit Anführung des Vornahmens, Familien-Nahmens,
Geburtsortes, Standes und Wohnortes beyder Verlobten, mit der Erinnerung: daß
jedermann, dem ein Hinderniß der Ehe bekannt ist, selbes anzeigen solle. Die
Anzeige ist unmittelbar oder mittelst des Seelsorgers, der die Ehe verkündiget
hat, bey demjenigen Seelsorger zu machen, dem die Trauung zusteht.
§. 71. Die Verkündigung muß an drey Sonn- oder Festtagen an die
gewöhnliche Kirchenversammlung des Pfarrbezirkes, und, wenn jedes der
Brautleute in einem anderen Bezirke wohnet, beyder Pfarrbezirke geschehen. Bey
Ehen zwischen nicht katholischen christlichen Religions-Genossen muß das
Aufgeboth nicht nur in ihren gottesdienstlichen Versammlungen, sondern auch in
jenen katholischen Pfarrkirchen, in deren Bezirke sie wohnen; und bey Ehen
zwischen katholischen und nicht katholischen christlichen Religions-Genossen
sowohl in der Pfarrkirche des katholischen und in dem Bethhause des nicht
katholischen Theiles, als auch in der katholischen Pfarrkirche, in deren
Bezirke der Letztere wohnt, vorgenommen werden.
§. 72. Wenn die Verlobten oder eines von ihnen in dem
Pfarrbezirke, in welchem die Ehe geschlossen werden soll, noch nicht durch
sechs Wochen wohnhaft sind; so ist das Aufgeboth auch an ihrem letzten
Aufenthaltsorte, wo sie länger als die eben bestimmte Zeit gewohnt haben,
vorzunehmen, oder die Verlobten müssen ihren Wohnsitz an dem Orte, wo sie sich
befinden, durch sechs Wochen fortsetzen, damit die Verkündigung ihrer Ehe dort
hinreichend sey.
§. 73. Wird binnen sechs Monathen nach dem Aufgebothe die Ehe
nicht geschlossen, so müssen die drey Verkündigungen wiederhohlt werden.
§. 74. Zur Gültigkeit des Aufgebothes und der davon abhängenden
Gültigkeit der Ehe ist es zwar genug, daß die Nahmen der Brautleute und ihre
bevorstehende Ehe wenigstens Einmahl sowohl in dem Pfarrbezirke des Bräutigams
als der Braut verkündiget worden, und ein in der Form oder Zahl der
Verkündigungen unterlaufener Mangel macht die Ehe nicht ungültig; es sind aber
theils die Brautleute oder ihre Vertreter, theils die Seelsorger unter
angemessener Strafe verpflichtet, dafür zu sorgen, daß alle hier
vorgeschriebene Verkündigungen in der gehörigen Form vorgenommen werden.
b) die feyerliche Erklärung der Einwilligung.
§. 75. Die feyerliche Erklärung der Einwilligung muß vor dem
ordentlichen Seelsorger eines der Brautleute, er mag nun, nach Verschiedenheit
der Religion, Pfarrer, Pastor oder wie sonst immer heißen, oder vor dessen
Stellvertreter in Gegenwart zweyer Zeugen geschehen.
§. 76. Die feyerliche Erklärung der Einwilligung zur Ehe kann
mittelst eines Bevollmächtigten geschehen; doch muß hierzu die Bewilligung der
Landesstelle erwirkt und in der Vollmacht die Person, mit welcher die Ehe
einzugehen ist, bestimmt werden. Die ohne eine solche besondere Vollmacht
geschlossene Ehe ist ungültig. Ist die Vollmacht vor der abgeschlossenen Ehe
widerrufen worden, so ist zwar die Ehe ungültig, aber der Machtgeber für den
durch seinen Widerruf verursachten Schaden verantwortlich.
§. 77. Wenn eine katholische und eine nicht katholische Person
sich verehelichen, so muß die Einwilligung vor dem katholischen Pfarrer in
Gegenwart zweyer Zeugen erklärt werden; doch kann auf Verlangen des anderen
Theiles auch der nicht katholische Seelsorger bey dieser feyerlichen Handlung
erscheinen.
§. 78. Wenn Verlobte das schriftliche Zeugniß von der vollzogenen
ordentlichen Verkündigung; oder, wenn die in den §§. 49, 50, 51, 52 und 54
erwähnten Personen die zu ihrer Verehelichung erforderliche Erlaubniß; wenn
ferner diejenigen, deren Volljährigkeit nicht offenbar am Tage liegt, den
Taufschein oder das schriftliche Zeugniß ihrer Volljährigkeit nicht vorweisen
können; oder, wenn ein anderes Ehehinderniß rege gemacht wird; so ist es dem
Seelsorger bey schwerer Strafe verbothen, die Trauung vorzunehmen, bis die
Verlobten die nothwendigen Zeugnisse beygebracht und alle Anstände gehoben
haben.
§. 79. Finden die Verlobten sich durch die Verweigerung der
Trauung gekränkt, so können sie ihre Beschwerde der Landesstelle, und in den
Orten, wo keine Landesstelle ist, dem Kreisamte vorlegen.
§. 80. Zu einem dauerhaften Beweise des geschlossenen Ehevertrages
sind die Pfarrvorsteher verbunden, denselben in das besonders dazu bestimmte
Trauungsbuch eigenhändig einzutragen. Es muß der Vor- und Familien-Nahme, das
Alter, die Wohnung, so wie auch der Stand der Ehegatten, mit der Bemerkung, ob
sie schon verehelichet waren oder nicht; der Vor- und Familien-Nahme, dann der
Stand ihrer Aeltern und der Zeugen; ferner, der Tag, an welchem die Ehe
geschlossen worden; endlich auch der Nahme des Seelsorgers, vor welchem die
Einwilligung feyerlich erklärt worden ist, deutlich angeführet, und die
Urkunden, wodurch die vorgekommenen Anstände gehoben worden, angedeutet werden.
§. 81. Soll die Ehe an einem dritten Orte, dem keine der verlobten
Personen eingepfarret ist, geschlossen werden, so muß der ordentliche
Seelsorger gleich bey der Ausfertigung der Urkunde, wodurch er einen Anderen zu
seinem Stellvertreter benennet, diesen Umstand mit Benennung des Ortes, wo und
vor welchem Seelsorger die Ehe geschlossen werden soll, in das Trauungsbuch
seiner Pfarre eintragen.
§. 82. Der Seelsorger des Ortes, wo die Ehe eingegangen wird, muß
die geschehende Abschließung der Ehe in das Trauungsbuch seiner Pfarre mit dem
Beysatze, von welchem Pfarrer er zum Stellvertreter ernannt worden, ebenfalls
eintragen, und die Abschließung der Ehe dem Pfarrer, von welchem er berechtiget
worden ist, binnen acht Tagen anzeigen.
Dispensation von Ehehindernissen.
§. 83. Aus wichtigen Gründen kann die Nachsicht von
Ehehindernissen bey der Landesstelle angesuchet werden, welche nach
Beschaffenheit der Umstände sich in das weitere Vernehmen zu setzen hat.
§. 84. Vor Abschließung der Ehe ist die Nachsicht über
Ehehindernisse von den Parteyen selbst und unter eigenem Nahmen anzusuchen.
Wenn sich aber nach schon geschlossener Ehe ein vorher unbekanntes auflösliches
Hinderniß äußern sollte, können sich die Parteyen auch durch ihre Seelsorger,
und mit Verschweigung ihres Nahmens, an die Landesstelle um Nachsicht wenden.
§. 85. In den Orten, wo keine Landesstelle ist, wird den
Kreisämtern die Macht ertheilet, aus wichtigen Ursachen die zweyte und dritte
Verkündigung nachzusehen.
§. 86. Unter dringenden Umständen kann von der Landesstelle oder
dem Kreisamte, und wenn eine bestätigte nahe Todesgefahr keinen Verzug
gestattet, auch von der Ortsobrigkeit das Aufgeboth gänzlich nachgesehen
werden; doch müssen die Verlobten eidlich betheuern, daß ihnen kein ihrer Ehe
entgegen stehendes Hinderniß bekannt sey.
§. 87. Die Nachsicht von allen drey Verkündigungen ist gegen
Ablegung des erwähnten Eides auch dann zu ertheilen, wenn zwey Personen
getrauet werden wollen, von denen schon vorhin allgemein vermuthet ward, daß
sie mit einander verehelichet seyn. In diesem Falle kann bey der Landesstelle
die Nachsicht von dem Seelsorger mit Verschweigung der Nahmen der Parteyen
angesuchet werden.
§. 88. Wenn von einem bey Schließung der Ehe bestandenen
Hindernisse die Nachsicht ertheilet wird, muß, ohne Wiederhohlung des
Aufgebothes, abermahl die Einwilligung vor dem Seelsorger und zwey vertrauten
Zeugen erkläret und die feyerliche Handlung in dem Trauungsbuche angemerkt
werden. Ist diese Vorschrift beobachtet worden, so ist eine solche Ehe so zu
betrachten, als wäre sie ursprünglich gültig geschlossen worden.
Wirkung der gültigen Ehe:
Rechte und Verbindlichkeiten der Ehegatten;
§. 89. Die Rechte und Verbindlichkeiten der Ehegatten entstehen aus
dem Zwecke ihrer Vereinigung, aus dem Gesetze und den geschlossenen
Verabredungen. Hier werden nur die Personen-Rechte der Ehegatten; hingegen die
aus den Ehe-Pacten entspringenden Sachenrechte in dem zweyten Theile bestimmt.
gemeinschaftliche;
§. 90. Vor Allem haben beyde Theile eine gleiche Verbindlichkeit
zur ehelichen Pflicht, Treue und anständigen Begegnung.
besondere des Ehemannes;
§. 91. Der Mann ist das Haupt der Familie. In dieser Eigenschaft
steht ihm vorzüglich das Recht zu, das Hauswesen zu leiten; es liegt ihm aber
auch die Verbindlichkeit ob, der Ehegattinn nach seinem Vermögen den
anständigen Unterhalt zu verschaffen, und sie in allen Vorfällen zu vertreten.
der Ehegattinn.
§. 92. Die Gattinn erhält den Nahmen des Mannes und genießt die
Rechte seines Standes. Sie ist verbunden, dem Manne in seinem Wohnsitz zu
folgen, in der Haushaltung und Erwerbung nach Kräften beyzustehen, und so weit
es die häusliche Ordnung erfordert, die von ihm getroffenen Maßregeln sowohl
selbst zu befolgen als befolgen zu machen.
Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft.
§. 93. Den Ehegatten ist keineswegs gestattet, die eheliche
Verbindung, ob sie gleich unter sich darüber einig wären, eigenmächtig
aufzuheben; sie mögen nun die Ungültigkeit der Ehe behaupten, oder die Trennung
der Ehe, oder auch nur eine Scheidung von Tisch und Bett vornehmen wollen.
I. Scheinbare durch Erklärung der ursprünglichen Ungültigkeit. Art
der Einleitung,
§. 94. Die Ungültigkeit einer Ehe, welcher eines der in den §§.
56, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 75, und 119 angeführten Hindernisse im Wege
steht, ist von Amts wegen zu untersuchen. In allen übrigen Fällen muß das
Ansuchen derjenigen, welche durch die mit dem Hindernisse geschlossene Ehe in
ihren Rechten gekränkt worden sind, abgewartet werden.
§. 95. Der Ehegatte, welcher den unterlaufenen Irrthum in der
Person, oder die Furcht, in welche der andere Theil gesetzt worden ist, gewußt;
ferner, der Gatte, welcher den Umstand, daß er nach den §§. 49, 50, 51, 52 und
54 für sich allein keine gültige Ehe schließen kann, verschwiegen, oder die ihm
erforderliche Einwilligung fälschlich vorgewendet hat, kann aus seiner eigenen
widerrechtlichen Handlung, die Gültigkeit der Ehe nicht bestreiten.
§. 96. Ueberhaupt hat nur der schuldlose Theil das Recht, zu verlangen,
daß der Ehevertrag ungültig erklärt werde; er verliert aber dieses Recht, wenn
er nach erlangter Kenntniß des Hindernisses, die Ehe fortgesetzt hat. Eine von
einem Minderjährigen oder Pflegebefohlenen eigenmächtig geschlossene Ehe kann
von dem Vater oder der Vormundschaft nur in so lange, als die väterliche Gewalt
oder Vormundschaft dauert, bestritten werden.
und der Verhandlung;
§. 97. Die Verhandlung über die Ungültigkeit einer Ehe steht nur
dem Landrechte des Bezirkes zu, worin die Ehegatten ihren ordentlichen Wohnsitz
haben. Von dem Landrechte ist das Fiscal-Amt, oder ein anderer verständiger und
rechtschaffener Mann zur Erforschung der Umstände und zur Vertheidigung der Ehe
zu bestellen, um die wahre Beschaffenheit der Sache selbst dann, wenn auf
Begehren einer Partey die Verhandlung vorgenommen wird, von Amts wegen zu
erheben.
§. 98. Wenn das Hinderniß gehoben werden kann, soll das Landrecht
trachten, durch die hierzu nothwendige Einleitung und das Einverständniß der
Parteyen es zu bewirken; wenn aber dieses nicht möglich ist, so soll das
Landrecht über die Gültigkeit der Ehe erkennen.
§. 99. Die Vermuthung ist immer für die Gültigkeit der Ehe. Das
angeführte Ehehinderniß muß also vollständig bewiesen werden, und weder das
übereinstimmende Geständniß beyder Ehegatten hat hier die Kraft eines Beweises,
noch kann darüber einem Eide der Ehegatten Statt gegeben werden.
insbesondere wegen Unvermögens.
§. 100. Insbesondere ist in dem Falle, daß ein vorhergegangenes
und immerwährendes Unvermögen, die eheliche Pflicht zu leisten, behauptet wird,
der Beweis durch Sachverständige, nähmlich, durch erfahrene Aerzte und
Wundärzte, und nach Umständen auch durch Hebammen zu führen.
§. 101. Läßt sich mit Zuverlässigkeit nicht bestimmen, ob das
Unvermögen ein immerwährendes oder bloß zeitliches sey, so sind die Ehegatten
noch durch Ein Jahr zusammen zu wohnen verbunden, und hat das Unvermögen diese
Zeit hindurch angehalten, so ist die Ehe für ungültig zu erklären.
§. 102. Zeigt sich aus der Verhandlung des Streites über die
Gültigkeit der Ehe, daß einem Theile, oder daß beyden Theilen das Ehehinderniß
vorher bekannt war, und daß sie es vorsetzlich verschwiegen haben; so sind die
Schuldigen mit der in dem Strafgesetze über schwere Polizey-Uebertretungen
bestimmten Strafe zu belegen. Ist ein Theil schuldlos, so bleibt es ihm
heimgestellt, Entschädigung zu fordern. Sind endlich in einer solchen Ehe
Kinder erzeugt worden, so muß für dieselben nach jenen Grundsätzen gesorgt
werden, welche in dem Hauptstücke von den Pflichten der Aeltern festgesetzt
sind.
II. Wirkliche Aufhebung; a) zeitliche Scheidung; mit
Einverständniß;
§. 103. Die Scheidung von Tisch und Bett muß den Ehegatten, wenn
sich beyde dazu verstehen, und über die Bedingungen einig sind, von dem
Gerichte unter der nachfolgenden Vorsicht gestattet werden.
§. 104. Den Ehegatten liegt zuerst ob, ihren Entschluß zur
Scheidung sammt den Bewegungsgründen ihrem Pfarrer zu eröffnen. Des Pfarrers
Pflicht ist, die Ehegatten an das wechselseitig bey der Trauung gemachte
feyerliche Versprechen zu erinnern, und ihnen die nachtheiligen Folgen der
Scheidung mit Nachdruck an das Herz zu legen. Diese Vorstellungen müssen zu
drey verschiedenen Mahlen wiederhohlet werden. Sind sie ohne Wirkung, so muß
der Pfarrer den Parteyen ein schriftliches Zeugniß ausstellen, daß sie der drey
Mahl geschehenen Vorstellungen ungeachtet, bey dem Verlangen, sich zu scheiden
verharren.
§. 105. Beyde Ehegatten haben mit Beylegung dieses Zeugnisses das
Scheidungsgesuch bey ihrem ordentlichen Gerichte anzubringen. Das Gericht soll
sie persönlich vorrufen, und wenn sie vor demselben bestätigen, daß sie über
ihre Scheidung sowohl als über die Bedingungen in Absicht auf Vermögen und
Unterhalt mit einander verstanden sind, ohne weitere Erforschung, die verlangte
Scheidung bewilligen und selbe bey den Gerichts-Acten vermerken. Sind Kinder
vorhanden, so ist das Gericht verbunden, für dieselben nach den in dem
folgenden Hauptstücke enthaltenen Vorschriften zu sorgen.
§. 106. Ein minderjähriger oder pflegebefohlener Ehegatte kann
zwar für sich selbst in die Scheidung einwilligen; aber zu dem Uebereinkommen
in Absicht auf das Vermögen der Ehegatten und den Unterhalt, so wie auch in
Rücksicht auf die Versorgung der Kinder, ist die Einwilligung des gesetzlichen
Vertreters und des vormundschaftlichen Gerichtes nothwendig.
Ohne Einverständniß;
§. 107. Will ein Theil in die Scheidung nicht einwilligen, und hat
der andere Theil rechtmäßige Gründe, auf dieselbe zu dringen; so müssen auch in
diesem Falle die gütlichen Vorstellungen des Pfarrers vorausgehen. Sind sie
fruchtlos, oder weigert sich der beschuldigte Theil bey dem Pfarrer zu
erscheinen, dann ist das Begehren mit des Pfarrers Zeugniß und den nöthigen
Beweisen bey dem ordentlichen Gerichte einzureichen, welches die Sache von Amts
wegen zu untersuchen und darüber zu erkennen hat. Der Richter kann dem
gefährdeten Theile auch noch vor der Entscheidung einen abgesonderten
anständigen Wohnort bewilligen.
§. 108. Streitigkeiten, welche bey einer ohne Einwilligung des
anderen Ehegatten angesuchten Scheidung über die Absonderung des Vermögens oder
die Versorgung der Kinder entstehen, sind nach der nähmlichen Vorschrift zu
behandeln, welche unten im §. 117 in Rücksicht auf die Trennung der Ehe,
ertheilet wird.
§. 109. Wichtige Gründe, aus denen auf die Scheidung erkannt
werden kann, sind: Wenn der Geklagte eines Ehebruches oder eines Verbrechens
schuldig erkläret worden ist; wenn er den klagenden Ehegatten boßhaft verlassen
oder einen unordentlichen Lebenswandel geführt hat, wodurch ein beträchtlicher
Theil des Vermögens des klagenden Ehegatten oder die guten Sitten der Familie
in Gefahr gesetzt werden; ferner dem Leben oder der Gesundheit gefährliche
Nachstellungen; schwere Mißhandlungen, oder nach dem Verhältnisse der Personen,
sehr empfindliche, wiederhohlte Kränkungen; anhaltende, mit Gefahr der
Ansteckung verbundene Leibesgebrechen.
Art der Wiedervereinigung.
§. 110. Geschiedenen Ehegatten steht es frey, sich wieder zu
vereinigen; doch muß die Vereinigung bey dem ordentlichen Gerichte angezeigt
werden. Wollen die Ehegatten nach einer solchen Vereinigung wieder geschieden
werden; so haben sie eben das zu beobachten, was in Rücksicht der ersten
Scheidung vorgeschrieben ist.
b) gänzliche Trennung; bey Katholiken durch den Tod,
§. 111. Das Band einer gültigen Ehe kann zwischen katholischen
Personen nur durch den Tod des einen Ehegatten getrennt werden. Eben so
unauflöslich ist das Band der Ehe, wenn auch nur Ein Theil schon zur Zeit der
geschlossenen Ehe der katholischen Religion zugethan war.
und die Todeserklärung;
§. 112. Der bloße Verlauf der in dem §. 24 zur Todeserklärung
bestimmten Zeit, binnen welcher ein Ehegatte abwesend ist, gibt zwar dem
anderen Theile noch kein Recht, die Ehe für aufgelöset zu halten und zu einer
anderen Ehe zu schreiten; wann aber diese Abwesenheit mit solchen Umständen
begleitet sey, welche keinen Grund zu zweifeln übrig lassen, daß der Abwesende
verstorben ist, so kann bey dem Landrechte des Bezirkes, wo der zurückgelassene
Ehegatte seinen Wohnsitz hat, die gerichtliche Erklärung, daß der Abwesende für
todt zu halten und die Ehe getrennt sey, angesuchet werden.
§. 113. Nach diesem Gesuche wird ein Curator, zur Erforschung des
Abwesenden aufgestellt, und der Abwesende durch ein auf ein ganzes Jahr
gestelltes, und drey Mahl den öffentlichen, nach Umständen auch den
ausländischen Zeitungsblättern einzurückendes Edict mit dem Beysatze
vorgeladen, daß das Gericht, wenn er während dieser Zeit nicht erscheint, oder
selbes auf andere Art in die Kenntniß seines Lebens setzt, zur Todeserklärung
schreiten werde.
§. 114. Ist dieser Zeitraum fruchtlos verstrichen, so ist auf
wiederhohltes Ansuchen des verlassenen Ehegatten das Fiscal-Amt oder ein anderer
rechtschaffener und sachverständiger Mann zur Vertheidigung des Ehebandes zu
bestellen und nach gepflogener Verhandlung zu erkennen, ob das Gesuch zu
verwilligen sey oder nicht. Die Bewilligung ist der Partey nicht sogleich kund
zu machen, sondern durch das Obergericht zur höchsten Schlußfassung vorzulegen.
bey andern christlichen Religions-Verwandten.
§. 115. Nicht katholischen christlichen Religions-Verwandten
gestattet das Gesetz nach ihren Religions-Begriffen aus erheblichen Gründen,
die Trennung der Ehe zu fordern. Solche Gründe sind: Wenn der Ehegatte sich
eines Ehebruches oder eines Verbrechens, welches die Verurtheilung zu einer
wenigstens fünfjährigen Kerkerstrafe nach sich gezogen, schuldig gemacht; wenn
ein Ehegatte den anderen boßhaft verlassen hat, und falls sein Aufenthaltsort
unbekannt ist, auf öffentliche gerichtliche Vorladung innerhalb eines Jahres
nicht erschienen ist; dem Leben oder der Gesundheit gefährliche Nachstellungen;
wiederhohlte schwere Mißhandlungen; eine unüberwindliche Abneigung, welcher
wegen beyde Ehegatten die Auflösung der Ehe verlangen; doch muß in dem letzten
Falle die Trennung der Ehe nicht sogleich verwilliget, sondern erst eine
Scheidung von Tisch und Bett, und zwar nach Beschaffenheit der Umstände, auch
zu wiederhohlten Mahlen versuchet werden. Uebrigens ist in allen diesen Fällen
nach eben den Vorschriften zu handeln, welche für die Untersuchung und
Beurtheilung einer ungültigen Ehe gegeben sind.
§. 116. Das Gesetz gestattet dem nicht katholischen Ehegatten aus
den angeführten Gründen die Trennung zu verlangen, obschon der andere Theil zur
katholischen Religion übergetreten ist.
Auseinandersetzung des Vermögens.
§. 117. Wenn sich bey einer Trennung der Ehe Streitigkeiten
äußern, welche sich auf einen weiter geschlossenen Vertrag, auf die Absonderung
des Vermögens, auf den Unterhalt der Kinder, oder auf andere Forderungen und
Gegenforderungen beziehen; soll der ordentliche Richter allezeit vorläufig
einen Versuch machen, diese Streitigkeiten durch Vergleich beyzulegen. Sind
aber die Parteyen zu einem Vergleiche nicht zu bewegen, so hat er sie auf ein
ordentliches Verfahren anzuweisen, worüber nach den in dem Hauptstücke von den
Ehe-Pacten enthaltenen Vorschriften zu entscheiden, inzwischen aber der
Ehegattinn und den Kindern der anständige Unterhalt auszumessen ist.
Art der Wiedervereinigung.
§. 118. Wenn die getrennten Ehegatten sich wieder vereinigen
wollen, so muß die Vereinigung als eine neue Ehe betrachtet und mit allen zur
Schließung eines Ehevertrages nach dem Gesetze erforderlichen Feyerlichkeiten
eingegangen werden.
Beschränkung und Vorsichten in Rücksicht der Wiederverehelichung.
§. 119. Den Getrennten wird zwar überhaupt gestattet, sich wieder
zu verehelichen; doch kann mit denjenigen, welche vermöge der bey der Trennung
vorgelegenen Beweise durch Ehebruch, durch Verhetzungen, oder auf eine andere
sträfliche Art die vorgegangene Trennung veranlasset haben, keine gültige Ehe
geschlossen werden.
§. 120. Wenn eine Ehe für ungültig erklärt, getrennt, oder durch
des Mannes Tod aufgelöset wird; so kann die Frau, wenn sie schwanger ist, nicht
vor ihrer Entbindung, und, wenn über ihre Schwangerschaft ein Zweifel entsteht,
nicht vor Verlauf des sechsten Monaths, zu einer neuen Ehe schreiten; wenn aber
nach den Umständen oder nach dem Zeugnisse der Sachverständigen eine
Schwangerschaft nicht wahrscheinlich ist; so kann nach Ablauf dreyer Monathe in
der Hauptstadt von der Landesstelle, und auf dem Lande von dem Kreisamte die
Dispensation ertheilet werden.
§. 121. Die Uebertretung dieses Gesetzes (§. 120) zieht zwar nicht
die Ungültigkeit der Ehe nach sich; allein die Frau verliert die ihr von dem
vorigen Manne durch Ehe-Pacten, Erbvertrag, letzten Willen, oder durch das
Uebereinkommen bey der Trennung zugewendeten Vortheile; der Mann aber, mit dem
sie die zweyte Ehe schließt, verliert das ihm außer diesem Falle durch den §.
58 zukommende Recht, die Ehe für ungültig erklären zu lassen, und beyde
Ehegatten sind mit einer den Umständen angemessenen Strafe zu belegen. Wird in
einer solchen Ehe ein Kind geboren, und es ist wenigstens zweifelhaft, ob es
nicht von dem vorigen Manne gezeugt worden sey; so ist demselben ein Curator
zur Vertretung seiner Rechte zu bestellen.
§. 122. Wenn eine Ehe für ungültig erkannt, oder für getrennt
erklärt wird; so soll dieser Erfolg in dem Trauungsbuche an der Stelle, wo die
Trauung eingetragen ist, angemerkt, und zu dem Ende von dem Gerichte, wo die
Verhandlung über die Ungültigkeit oder Trennung vor sich gegangen ist, die Erinnerung
an die Behörde, welche für die Richtigkeit des Trauungsbuches zu sorgen hat,
erlassen werden.
Ausnahmen der Judenschaft;
§. 123. Bey der Judenschaft haben mit Rücksicht auf ihr
Religions-Verhältniß nachstehende Abweichungen von dem in diesem Hauptstück
allgemein bestehenden Eherechte Statt.
a) in Rücksicht der Ehehindernisse;
§. 124. (Anm.: Aufgehoben durch § 1,
RGBl 1859/Nr. 217.)
§. 125. Das Ehehinderniß der Verwandtschaft erstrecket sich unter
Seitenverwandten bey der Judenschaft nicht weiter, als auf die Ehe zwischen
Bruder und Schwester, dann zwischen der Schwester und einem Sohne oder Enkel
ihres Bruders oder ihrer Schwester; das Ehehinderniß der Schwägerschaft aber
wird auf nachstehende Personen beschränket: Nach aufgelöster Ehe ist der Mann
nicht befugt, eine Verwandte seines Weibes in auf- und absteigender Linie, noch
auch seines Weibes Schwester; und das Weib ist nicht befugt, einen Verwandten
ihres Mannes in auf- und absteigender Linie, noch auch ihres Mannes Bruder,
noch einen Sohn oder Enkel von ihres Mannes Bruder oder Schwester zu ehelichen.
b) der Verkündigung.
§. 126. Die Verkündigung der Judenehen muß in der Synagoge oder in
dem gemeinschaftlichen Bethhause; wo aber kein solches besteht, von der
Ortsobrigkeit an die Haupt- und besondere Gemeinde, welcher ein und der andere
verlobte Theil einverleibt ist, nach drey nach einander folgenden Sabbath- oder
Feyer-Tagen mit Beobachtung der in den §§. 70-73 ertheilten Vorschriften
geschehen. Die Nachsicht von den Verkündigungen ist nach den Vorschriften der
§§. 83-88 zu erlangen.
c) der Trauung;
§. 127. Die Trauung muß von dem Rabbiner oder Religions-Lehrer
(Religions-Weiser) der Hauptgemeinde des einen oder anderen verlobten Theiles,
nachdem sie sich mit den erforderlichen Zeugnissen ausgewiesen haben, in
Gegenwart zweyer Zeugen vollzogen werden. Der Rabbiner oder Religions-Lehrer
kann auch den Rabbiner oder Religions-Lehrer einer anderen Gemeinde zur Trauung
bestellen.
§. 128. Die vollzogene Trauungshandlung hat der ordentliche
Rabbiner oder Religions-Lehrer in der Landessprache in das Trauungsbuch auf die
in den §§. 80-82 vorgeschriebene Weise einzutragen, die von den Verlobten
beygebrachten nothwendigen Zeugnisse mit der Reihenzahl, unter welcher die
Getrauten dem Trauungsbuche einverleibt worden sind, zu bezeichnen, und dem
Trauungsbuche anzuheften.
§. 129. Eine Judenehe, welche ohne Beobachtung der gesetzlichen
Vorschriften geschlossen wird, ist ungültig.
§. 130. Verlobte, oder Rabbiner und Religions-Lehrer, welche den
erwähnten Vorschriften zuwider handeln, dann diejenigen, welche ohne die
ordentliche Bestellung eine Trauung vornehmen, werden nach dem §. 252 des
zweyten Theiles des Strafgesetzes bestraft.
§. 131. Die Rabbiner oder Religions-Lehrer, welche die
Trauungsbücher nicht nach der Vorschrift des Gesetzes führen, sind mit einer
angemessenen Geld- oder Leibesstrafe zu belegen, von ihrem Amte zu entfernen,
und für immer als unfähig zu demselben zu erklären.
d) der Scheidung.
§. 132. Bey der Scheidung von Tisch und Bett gelten auch in Rücksicht
der jüdischen Ehegatten die allgemeinen Vorschriften; sie haben sich daher
gleichfalls an den Rabbiner oder Religions-Lehrer zu wenden, und dieser die
oben ertheilte Anordnung zu beobachten (§. 104-110).
e) der Trennung;
§. 133. Eine gültig geschlossene Ehe der Juden kann mit ihrer
wechselseitigen freyen Einwilligung vermittelst eines von dem Manne der Frau
gegebenen Scheidebriefs getrennet werden; jedoch müssen sich die Ehegatten
zuerst ihrer Trennung wegen bey ihrem Rabbiner oder Religions-Lehrer melden,
welcher die nachdrücklichsten Vorstellungen zur Wiedervereinigung zu versuchen,
und nur dann, wenn der Versuch fruchtlos ist, ihnen ein schriftliches Zeugniß
auszustellen hat, daß er die ihm auferlegte Pflicht erfüllet, ungeachtet aller
seiner Bemühungen aber die Parteyen von dem Entschlusse abzubringen, nicht
vermocht habe.
§. 134. Mit diesem Zeugnisse müssen beyde Ehegatten vor dem
Landrechte des Bezirkes, in welchem sie ihren Wohnsitz haben, erscheinen.
Findet diese Behörde aus den Umständen, daß zu der Wiedervereinigung noch
einige Hoffnung vorhanden ist, so soll sie die Ehescheidung nicht sogleich
bewilligen, sondern die Ehegatten auf ein oder zwey Monathe zurückweisen. Nur
wenn auch dieses fruchtlos oder gleich Anfangs keine Hoffnung zur Wiedervereinigung
wäre, soll das Landrecht gestatten, daß der Mann den Scheidebrief der Frau
übergebe, und wenn sich beyde Theile nochmahls vor Gericht erkläret haben, daß
sie den Scheidebrief mit freyer Einwilligung zu geben und zu nehmen
entschlossen sind; soll der Scheidebrief für rechtsgültig gehalten und dadurch
die Ehe aufgelöset werden.
§. 135. Wenn die Ehegattinn einen Ehebruch begangen hat, und die
That erwiesen wird, so steht dem Manne das Recht zu, sie auch wider ihren
Willen durch einen Scheidebrief von sich zu entlassen. Die auf die Trennung der
Ehe gegen die Frau gestellte Klage aber muß bey dem Landrechte des Bezirkes, in
welchem die Ehegatten ihren ordentlichen Wohnsitz haben, angebracht, und gleich
einer anderen Streitsache behandelt werden.
§. 136. Durch den Uebertritt eines jüdischen Ehegatten zur
christlichen Religion wird die Ehe nicht aufgelöset, sie kann aber aus den eben
(§. 133-135) angeführten Ursachen aufgelöset werden.
Drittes Hauptstück.
Von den Rechten zwischen Aeltern und Kindern.
Ursprung des Rechtsverhältnisses zwischen ehelichen Aeltern und
Kindern.
§. 137. Wenn aus einer Ehe Kinder geboren werden, so entsteht ein
neues Rechtsverhältniß; es werden dadurch Rechte und Verbindlichkeiten zwischen
den ehelichen Aeltern und Kindern gegründet.
Gesetzliche Bestimmung der ehelichen Geburt.
§. 138. Für diejenigen Kinder, welche im siebenten Monathe nach
geschlossener Ehe oder im zehnten Monathe, entweder nach dem Tode des Mannes,
oder nach gänzlicher Auflösung des ehelichen Bandes von der Gattinn geboren
werden, streitet die Vermuthung der ehelichen Geburt.
Gemeinschaftliche Rechte und Pflichten der Aeltern.
§. 139. Die Aeltern haben überhaupt die Verbindlichkeit, ihre
ehelichen Kinder zu erziehen, das ist, für ihr Leben und ihre Gesundheit zu
sorgen, ihnen den anständigen Unterhalt zu verschaffen, ihre körperlichen und
Geisteskräfte zu entwickeln, und durch Unterricht in der Religion und in
nützlichen Kenntnissen den Grund zu ihrer künftigen Wohlfahrt zu legen.
§. 140. In was für einer Religion ein Kind, dessen Aeltern in dem
Religions-Bekenntnisse nicht übereinstimmen, zu erziehen, und in welchem Alter
ein Kind zu einer anderen Religion, als in der es erzogen worden ist, sich zu
bekennen berechtiget sey, bestimmen die politischen Vorschriften.
§. 141. Es ist vorzüglich die Pflicht des Vaters, so lange für den
Unterhalt der Kinder zu sorgen, bis sie sich selbst ernähren können. Die Pflege
ihres Körpers und ihrer Gesundheit ist hauptsächlich die Mutter auf sich zu
nehmen verbunden.
§. 142. Wenn die Ehegatten geschieden oder gänzlich getrennt
werden, und nicht einig sind, von welchem Theile die Erziehung besorgt werden
soll, hat das Gericht, ohne Gestattung eines Rechtsstreites, dafür zu sorgen,
daß die Kinder des männlichen Geschlechtes bis zum zurückgelegten vierten; die
des weiblichen bis zum zurückgelegten siebenten Jahre, von der Mutter gepfleget
und erzogen werden, wenn nicht erhebliche, vorzüglich aus der Ursache der
Scheidung oder Trennung hervorleuchtende Gründe eine andere Anordnung fordern.
Die Kosten der Erziehung müssen von dem Vater getragen werden.
§. 143. Wenn der Vater mittellos ist, muß vor Allem die Mutter für
den Unterhalt, und wenn der Vater stirbt, überhaupt für die Erziehung der
Kinder sorgen. Ist die Mutter auch nicht mehr vorhanden, oder ist sie
mittellos, so fällt diese Sorge auf die väterlichen Großältern, und nach diesen
auf die Großältern von der mütterlichen Seite.
§. 144. Die Aeltern haben das Recht, einverständlich die
Handlungen ihrer Kinder zu leiten; die Kinder sind ihnen Ehrfurcht und Gehorsam
schuldig.
§. 145. Die Aeltern sind berechtiget, vermißte Kinder aufzusuchen,
entwichene zurück zu fordern, und flüchtige mit obrigkeitlichem Beystande
zurück zu bringen; sie sind auch befugt, unsittliche, ungehorsame, oder die
häusliche Ordnung und Ruhe störende Kinder auf eine nicht übertriebene und
ihrer Gesundheit unschädliche Art zu züchtigen.
§. 146. Die Kinder erlangen den Nahmen ihres Vaters, sein Wapen
und alle übrige nicht bloß persönliche Rechte seiner Familie und seines
Standes.
Besondere Rechte des Vaters: Väterliche Gewalt.
§. 147. Die Rechte, welche vorzüglich dem Vater als Haupt der
Familie zustehen, machen die väterliche Gewalt aus.
Folgen derselben, a) in Rücksicht der Standeswahl der Kinder;
§. 148. Der Vater kann sein noch unmündiges Kind zu dem Stande,
welchen er für dasselbe angemessen findet, erziehen; aber nach erreichter
Mündigkeit kann das Kind, wenn es sein Verlangen nach einer anderen, seiner
Neigung und seinen Fähigkeiten mehr angemessenen Berufsart dem Vater fruchtlos
vorgetragen hat, sein Gesuch vor das ordentliche Gericht bringen, welches mit
Rücksicht auf den Stand, auf das Vermögen und die Einwendungen des Vaters von
Amts wegen darüber zu erkennen hat.
b) des Vermögens;
§. 149. Alles, was die Kinder auf was immer für eine gesetzmäßige
Art erwerben, ist ihr Eigenthum; so lange sie aber unter der väterlichen Gewalt
stehen, kommt dem Vater die Verwaltung zu. Nur wenn der Vater zur Verwaltung
unfähig, oder von denjenigen, die seinen Kindern das Vermögen zugewendet haben,
von derselben ausgeschlossen worden ist, ernennt das Gericht einen anderen
Verwalter.
§. 150. Von den Einkünften des Vermögens sind, so weit sie
reichen, die Erziehungskosten zu bestreiten. Ergibt sich dabey ein Ueberschuß,
so muß er angelegt, und darüber jährlich Rechnung gelegt werden. Nur dann, wenn
dieser Ueberschuß gering wäre, kann der Vater von Legung einer Rechnung
freygesprochen, und ihm derselbe zur freywilligen Verwendung überlassen werden.
Wird dem Vater von demjenigen, dem das Kind das Vermögen zu verdanken hat, die
Fruchtnießung verwilliget; so haften die Einkünfte doch immer für den
standesmäßigen Unterhalt des Kindes, und sie können zum Abbruche desselben von
den Gläubigern des Vaters nicht in Beschlag genommen werden.
§. 151. Ueber das, was ein obgleich minderjähriges, jedoch außer
der Verpflegung der Aeltern stehendes Kind durch seinen Fleiß erwirbt, so wie
auch über Sachen, die einem Kinde nach erreichter Mündigkeit zum Gebrauche
übergeben worden sind, kann es frey verfügen.
c) der Verpflichtung der Kinder.
§. 152. Die unter der väterlichen Gewalt stehenden Kinder können
ohne ausdrückliche oder doch stillschweigende Einwilligung des Vaters keine
gültige Verpflichtung eingehen. Auf solche Verpflichtungen ist überhaupt
dasjenige anzuwenden, was in dem nächsten Hauptstücke über die verbindlichen
Handlungen der unter der Vormundschaft stehenden Minderjährigen bestimmt wird.
Dem Vater kommt auch die Verbindlichkeit zu, seine minderjährigen Kinder zu
vertreten.
§. 153. Die Vorschriften, welche zur gültigen Ehe einer
minderjährigen Person beobachtet werden müssen, sind in dem vorhergehenden
Hauptstücke enthalten (§. 49 u. f.).
§. 154. Der auf die Erziehung der Kinder gemachte Aufwand gibt den
Aeltern keinen Anspruch auf das von den Kindern nachher erworbene Vermögen.
Verfallen aber die Aeltern in Dürftigkeit, so sind ihre Kinder sie anständig zu
erhalten verbunden.
Rechtsverhältniß zwischen unehelichen Aeltern und Kindern. Nähere
Bestimmung des Begriffs von unehelichen Kindern.
§. 155. Die unehelichen Kinder genießen nicht gleiche Rechte mit
den ehelichen. Die rechtliche Vermuthung der unehelichen Geburt hat bey
denjenigen Kindern Statt, welche zwar von einer Ehegattinn, jedoch vor oder
nach dem oben (§. 138) mit Rücksicht auf die eingegangene oder aufgelöste Ehe
bestimmten gesetzlichen Zeitraume geboren worden sind.
§. 156. Diese rechtliche Vermuthung tritt aber bey einer früheren
Geburt erst dann ein, wenn der Mann, dem vor der Verehelichung die
Schwangerschaft nicht bekannt war, längstens binnen drey Monathen nach
erhaltener Nachricht von der Geburt des Kindes die Vaterschaft gerichtlich
widerspricht.
§. 157. Die von dem Manne innerhalb dieses Zeitraumes rechtlich
widersprochene Rechtmäßigkeit einer früheren oder späteren Geburt kann nur
durch Kunstverständige, welche nach genauer Untersuchung der Beschaffenheit des
Kindes und der Mutter die Ursache des außerordentlichen Falles deutlich
angeben, bewiesen werden.
§. 158. Wenn ein Mann behauptet, daß ein von seiner Gattinn
innerhalb des gesetzlichen Zeitraumes gebornes Kind nicht das seinige sey; so
muß er die eheliche Geburt des Kindes längstens binnen drey Monathen nach
erhaltener Nachricht bestreiten, und gegen den zur Vertheidigung der ehelichen
Geburt aufzustellenden Curator die Unmöglichkeit der von ihm erfolgten Zeugung
beweisen. Weder ein von der Mutter begangener Ehebruch, noch ihre Behauptung,
daß ihr Kind unehelich sei, können für sich allein demselben die Rechte der
ehelichen Geburt entziehen.
§. 159. Stirbt der Mann vor dem ihm zur Bestreitung der ehelichen
Geburt verwilligten Zeitraume, so können auch die Erben, denen ein Abbruch an
ihren Rechten geschähe, innerhalb drey Monathen nach dem Tode des Mannes aus
dem angeführten Grunde die eheliche Geburt eines solchen Kindes bestreiten.
Legitimation der unehelichen Kinder: a) durch Hebung des
Ehehindernisses oder schuldlose Unwissenheit der Ehegatten;
§. 160. Kinder, die zwar aus einer ungültigen, aber aus keiner
solchen Ehe erzeugt worden sind, der die in den §§. 62-64 angeführten
Hindernisse entgegen stehen, sind als eheliche anzusehen, wenn das Ehehinderniß
in der Folge gehoben worden ist, oder, wenn wenigstens Einem ihrer Aeltern die
schuldlose Unwissenheit des Ehehindernisses zu Statten kommt; doch bleiben in
dem letzteren Falle solche Kinder von Erlangung desjenigen Vermögens
ausgeschlossen, welches durch Familien-Anordnungen der ehelichen Abstammung
besonders vorbehalten ist.
b) durch die nachfolgende Ehe;
§. 161. Kinder, welche außer der Ehe geboren und durch die nachher
erfolgte Verehelichung ihrer Aeltern in die Familie eingetreten sind, werden,
so wie ihre Nachkommenschaft, unter die ehelich erzeugten gerechnet; nur können
sie den in einer inzwischen bestandenen Ehe erzeugten ehelichen Kindern die
Eigenschaft der Erstgeburt und andere bereits erworbene Recht nicht streitig
machen.
c) durch Begünstigung des Landesfürsten.
§. 162. Die uneheliche Geburt kann einem Kinde an seiner bürgerlichen
Achtung und an seinem Fortkommen keinen Abbruch thun. Zu diesem Ende bedarf es
keiner besonderen Begünstigung des Landesfürsten, wodurch das Kind als ein
eheliches erklärt wird. Nur die Aeltern können um solche ansuchen, wenn sie das
Kind gleich einem ehelichen der Standesvorzüge oder des Rechtes an dem frey
vererblichen Vermögen theilhaft machen wollen. In Rücksicht auf die übrigen
Familien-Glieder hat diese Begünstigung keine Wirkung.
Beweis der Vaterschaft zu einem unehelichen Kinde.
§. 163. Wer auf eine in der Gerichtsordnung vorgeschriebene Art
überwiesen wird, daß er der Mutter eines Kindes innerhalb des Zeitraumes
beygewohnt habe, von welchem bis zu ihrer Entbindung nicht weniger als sieben,
nicht mehr als zehn Monathe verstrichen sind; oder wer dieses auch nur außer
Gericht gesteht, von dem wird vermuthet, daß er das Kind erzeugt habe.
§. 164. Die auf Angeben der Mutter erfolgte Einschreibung des
väterlichen Nahmens in das Tauf- oder Geburtsbuch macht nur dann einen
vollständigen Beweis, wenn die Einschreibung nach der gesetzlichen Vorschrift
mit Einwilligung des Vaters geschehen, und diese Einwilligung durch das Zeugniß
des Seelsorgers und des Pathen mit dem Beysatze, daß er ihnen von Person
bekannt sey, bestätiget worden ist.
Beschaffenheit des Rechtsverhältnisses zwischen unehelichen
Aeltern und Kindern.
§. 165. Uneheliche Kinder sind überhaupt von den Rechten der
Familie und der Verwandtschaft ausgeschlossen; sie haben weder auf den
Familien-Nahmen des Vaters, noch auf den Adel, das Wapen und andere Vorzüge der
Aeltern Anspruch; sie führen den Geschlechtsnahmen der Mutter.
§. 166. Aber auch ein uneheliches Kind hat das Recht, von seinen
Aeltern eine ihrem Vermögen angemessene Verpflegung, Erziehung und Versorgung
zu fordern und die Rechte der Aeltern über dasselbe erstrecken sich so weit,
als es der Zweck der Erziehung erfordert. Uebrigens steht das uneheliche Kind
nicht unter der eigentlichen väterlichen Gewalt seines Erzeugers, sondern wird
von einem Vormunde vertreten.
§. 167. Zur Verpflegung ist vorzüglich der Vater verbunden; wenn
aber dieser nicht im Stande ist, das Kind zu verpflegen, so fällt diese
Verbindlichkeit auf die Mutter.
§. 168. So lange die Mutter ihr uneheliches Kind der künftigen
Bestimmung gemäß, selbst erziehen will und kann, darf ihr dasselbe von dem
Vater nicht entzogen werden; dessen ungeachtet muß er die Verpflegungskosten
bestreiten.
§. 169. Läuft aber das Wohl des Kindes durch die mütterliche
Erziehung Gefahr, so ist der Vater verbunden, das Kind von der Mutter zu trennen,
und solches zu sich zu nehmen, oder anderswo sicher und anständig
unterzubringen.
§. 170. Es steht den Aeltern frey, sich über den Unterhalt, die
Erziehung und Versorgung des unehelichen Kindes mit einander zu vergleichen;
ein solcher Vergleich kann aber dem Rechte des Kindes keinen Abbruch thun.
§. 171. Die Verbindlichkeit, uneheliche Kinder zu verpflegen und
zu versorgen, geht, gleich einer anderen Schuld, auf die Erben der Aeltern
über.
Erlöschung der väterlichen Gewalt über die Kinder.
§. 172. Die väterliche Gewalt hört mit der Großjährigkeit des
Kindes sogleich auf, wofern nicht aus gerechter Ursache die Fortdauer derselben
auf Ansuchen des Vaters von dem Gerichte verwilliget und öffentlich bekannt
gemacht worden ist.
§. 173. Gerechte Ursachen, die Fortdauer der väterlichen Gewalt
bey Gericht anzusuchen, sind: Wenn das Kind, ungeachtet der Volljährigkeit,
wegen Leibes- oder Gemüthsgebrechen sich selbst zu verpflegen, oder seine
Angelegenheiten selbst zu besorgen, nicht vermag; oder, wenn es sich während
der Minderjährigkeit in beträchtliche Schulden verwickelt oder solcher
Vergehung schuldig gemacht hat, wegen welcher es noch ferner unter genauer
Aufsicht des Vaters gehalten werden muß.
§. 174. Kinder können auch vor Zurücklegung des vier und zwanzigsten
Jahres aus der väterlichen Gewalt treten, wenn der Vater mit Genehmhaltung des
Gerichtes sie ausdrücklich entläßt, oder, wenn er einem zwanzigjährigen Sohne
die Führung einer eigenen Haushaltung gestattet.
§. 175. Wenn eine minderjährige Tochter sich verehelichet, so
kommt sie zwar, in Rücksicht ihrer Person unter die Gewalt des Mannes (§. 91
und 92), in Hinsicht auf das Vermögen aber hat der Vater bis zu ihrer
Großjährigkeit die Rechte und Pflichten eines Curators. Stirbt der Mann während
ihrer Minderjährigkeit, so kommt sie wieder unter die väterliche Gewalt.
§. 176. Wenn ein Vater den Gebrauch der Vernunft verliert; wenn er
als Verschwender erklärt; oder, wegen eines Verbrechens auf längere Zeit als
ein Jahr zur Gefängnißstrafe verurtheilt wird; wenn er eigenmächtig auswandert;
oder, wenn er über ein Jahr abwesend ist, ohne von seinem Aufenthalte Nachricht
zu geben; kommt die väterliche Gewalt außer Wirksamkeit, und es wird ein
Vormund bestellet; hören aber diese Hindernisse auf, so tritt der Vater wieder
in seine Rechte ein.
§. 177. Väter, welche die Verpflegung und Erziehung ihrer Kinder
gänzlich vernachlässigen, verlieren die väterliche Gewalt auf immer.
§. 178. Gegen den Mißbrauch der väterlichen Gewalt, wodurch das
Kind in seinen Rechten gekränket wird, oder gegen die Unterlassung der damit
verbundenen Pflichten, kann nicht nur das Kind selbst, sondern jedermann, der
davon Kenntniß hat, und besonders die nächsten Anverwandten, den Beystand des
Gerichtes anrufen. Das Gericht hat den Gegenstand der Beschwerde zu
untersuchen, und die den Umständen angemessenen Verfügungen zu treffen.
Dem Rechtsverhältnisse zwischen Aeltern und Kindern ähnliche
Verbindungen:
1) Annehmung an Kindes Statt.
§. 179. Personen, welche den ehelosen Stand nicht feyerlich angelobet,
und keine eigenen ehelichen Kinder haben, können an Kindes Statt annehmen; die
annehmende Person heißt Wahlvater oder Wahlmutter; die angenommene heißt
Wahlkind.
Erfordernisse.
§. 180. Wahlväter oder Wahlmütter müssen das fünfzigste Jahr
zurückgelegt haben, und ein Wahlkind muß wenigstens achtzehen Jahre jünger
seyn, als seine Wahlältern.
§. 181. Die Annahme an Kindes Statt kann, wenn das Kind
minderjährig ist, nur mit Einwilligung des ehelichen Vaters, oder in dessen
Ermangelung, nur mit Einwilligung der Mutter, des Vormundes und des Gerichtes
zu Stande kommen. Auch wenn das Kind großjährig, aber sein ehelicher Vater noch
am Leben ist, wird desselben Einwilligung erfordert. Gegen die ohne
hinreichenden Grund versagte Einwilligung kann bey dem ordentlichen Richter
Beschwerde geführet werden. Die mit der erforderlichen Einwilligung versehene
Annahme an Kindes Statt ist der Landesstelle zur Bestätigung und dem
Gerichtsstande der Wahlältern und des Wahlkindes zur Eintragung in die
Gerichts-Acten vorzulegen.
Daraus entspringende Rechte.
§. 182. Eine wesentliche, rechtliche Wirkung der Annahme an Kindes
Statt ist: daß die angenommene Person den Nahmen des Wahlvaters oder den
Geschlechtsnahmen der Wahlmutter erhält; sie behält aber zugleich ihren vorigen
Familien-Nahmen und den ihr etwa eigenen Familien-Adel bey. Wünschen die
Wahlältern, daß der ihnen eigene Adel und das Wapen auf das Wahlkind übergehe,
so muß die Bewilligung des Landesfürsten angesucht werden.
§. 183. Zwischen den Wahlältern und dem Wahlkinde und dessen
Nachkommen finden, in so weit das Gesetz keine Ausnahme macht, gleiche Rechte,
wie zwischen den ehelichen Aeltern und Kindern Statt. Der Wahlvater übernimmt
die väterliche Gewalt. Auf die übrigen Mitglieder der Familie der Wahlältern
hat das Verhältniß zwischen den Wahlältern und dem Wahlkinde keinen Einfluß;
dagegen verliert das Wahlkind auch die Rechte seiner eigenen Familie nicht.
§. 184. Die Rechte zwischen Wahlältern und Wahlkindern können
durch Vertrag anders bestimmet werden, in so fern dadurch die im §. 182
angeführte wesentliche Wirkung der Annahme an Kindes Statt nicht abgeändert,
noch dem Rechte eines Dritten zu nahe getreten wird.
Erlöschung derselben.
§. 185. Das rechtliche Verhältniß zwischen den Wahlältern und dem
Wahlkinde kann, in so lange das Wahlkind minderjährig ist, nur mit Einwilligung
der Vertreter des Minderjährigen und des Gerichtes aufgehoben werden. Nach
Erlöschung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Wahlvater und dem Wahlkinde kommt
das minderjährige Kind wieder unter die Gewalt des ehelichen Vaters.
2) Uebernahme in die Pflege.
§. 186. Die Rechte und Verbindlichkeiten der Wahlältern und
Wahlkinder lassen sich auf Kinder, die nur in Pflege genommen werden, nicht
anwenden. Diese Pflege steht jedermann frey, wollen aber die Parteyen hierüber
einen Vertrag schließen; so muß er, in so fern die Rechte des Pflegekindes
geschmälert, oder demselben besondere Verbindlichkeiten auferlegt werden
sollen, gerichtlich bestätiget werden. Auf den Ersatz der Pflegekosten haben
die Pflegeältern keinen Anspruch.
Viertes Hauptstück.
Von den Vormundschaften und Curatelen.
Bestimmung der Vormundschaft und Curatel.
§. 187. Personen, denen die Sorge eines Vaters nicht zu Statten
kommt, und die noch minderjährig oder aus einem anderen Grunde ihre
Angelegenheiten selbst zu besorgen unfähig sind, gewähren die Gesetze durch
einen Vormund oder durch einen Curator besonderen Schutz.
Unterschied zwischen der Vormundschaft und Curatel.
§. 188. Ein Vormund hat vorzüglich für die Person des
Minderjährigen zu sorgen, zugleich aber dessen Vermögen zu verwalten. Ein
Curator wird zur Besorgung der Angelegenheiten derjenigen gebraucht, welche
dieselben aus einem anderen Grunde, als jenem der Minderjährigkeit, selbst zu
besorgen unfähig sind.
I. Von der Vormundschaft.
Veranlassung zur Bestellung.
§. 189. Wenn der Fall eintritt, daß einem Minderjährigen, er sey
von ehelicher oder unehelicher Geburt, ein Vormund bestellet werden muß; sind
die Verwandten des Minderjährigen oder andere mit ihm in nahem Verhältnisse
stehende Personen unter angemessener Ahndung verbunden, dem Gerichte, unter
dessen Gerichtsbarkeit der Minderjährige steht, die Anzeige zu machen. Auch die
politischen Obrigkeiten, die weltlichen und geistlichen Vorsteher der Gemeinden
müssen sorgen, daß das Gericht hiervon benachrichtiget werde.
Wer den Vormund zunächst bestelle.
§. 190. Das Gericht muß, sobald es zur Kenntniß gelanget ist, von
Amts wegen die Bestellung eines tauglichen Vormundes vornehmen.
Nothwendige Entschuldigung von einer Vormundschaft überhaupt;
§. 191. Untauglich zur Vormundschaft überhaupt sind diejenigen,
welche wegen ihres minderjährigen Alters, wegen Leibes- oder Geistesgebrechen,
oder aus anderen Gründen ihren eigenen Geschäften nicht vorstehen können; die
eines Verbrechens schuldig erkannt worden sind, oder von denen eine anständige
Erziehung des Waisen oder nützliche Verwaltung des Vermögens nicht zu erwarten
ist.
§. 192. Auch Personen weiblichen Geschlechtes, Ordensgeistlichen
und Einwohnern fremder Staaten, soll in der Regel (§. 198) keine Vormundschaft
aufgetragen werden.
oder von einer bestimmten Vormundschaft.
§. 193. Zu einer bestimmten Vormundschaft sind diejenigen nicht
zuzulassen, welche der Vater ausdrücklich von der Vormundschaft ausgeschlossen
hat; die mit den Aeltern des Minderjährigen oder mit ihm selbst bekanntlich in
Feindschaft gelebt, oder die mit dem Minderjährigen entweder schon in einem
Processe verwickelt sind, oder, wegen noch nicht berichtigten Forderungen in
einen verwickelt werden könnten.
§. 194. Personen, die in der Provinz, zu welcher der Minderjährige
der Gerichtsbarkeit nach gehört, sich entweder gar nicht aufhalten, oder doch
länger als ein Jahr von derselben entfernt seyn müssen, sind in der Regel zur
Vormundschaft nicht zu bestellen.
Freywillige Entschuldigungsgründe.
§. 195. Wider ihren Willen können zur Uebernehmung einer
Vormundschaft nicht angehalten werden: Weltgeistliche, wirklich dienende
Militär-Personen und öffentliche Beamte; eben so derjenige, der sechzig Jahre
alt ist; dem die Obsorge über fünf Kinder oder Enkel obliegt; oder, der schon
Eine mühsame Vormundschaft, oder drey kleinere zu besorgen hat.
Arten der Berufung zur Vormundschaft.
1) testamentarische;
§. 196. Vor allen gebührt die Vormundschaft demjenigen, welchen
der Vater dazu berufen hat, wenn demselben keines der in den §§. 191-194
angeführten Hindernisse im Wege steht.
§. 197. Hat eine Mutter oder eine andere Person einem
Minderjährigen ein Erbtheil zugedacht, und zugleich einen Vormund ernannt; so
muß dieser nur in der Eigenschaft eines Curators für das hinterlassene Vermögen
angenommen werden.
2) gesetzliche;
§. 198. Wenn der Vater keinen oder einen unfähigen Vormund ernannt
hat, so ist die Vormundschaft vor allen dem väterlichen Großvater, dann der
Mutter, so fort der väterlichen Großmutter, endlich einem anderen Verwandten,
und zwar demjenigen anzuvertrauen, welcher männlichen Geschlechtes, der
nächste, oder aus mehrern gleich nahen der ältere ist.
3) gerichtliche.
§. 199. Kann eine Vormundschaft auf die angeführte Art nicht
bestellt werden, so hängt es von dem Gerichte ab, wen es mit Rücksicht auf
Fähigkeit, Stand, Vermögen und Ansässigkeit zum Vormunde ernennen will.
Form der wirklichen Bestellung des Vormundes.
§. 200. Jeden ernannten Vormund, ohne Unterschied, hat das
vormundschaftliche Gericht sogleich anzuweisen, daß er die Vormundschaft
übernehme. Der Vormund, ob er gleich für seine Person unter einer anderen
Gerichtsbarkeit steht, ist schuldig, die Vormundschaft zu übernehmen, und wird
in Rücksicht auf alle zu diesem Amte gehörige Angelegenheiten der
vormundschaftlichen Behörde unterworfen.
Form, die Bestellung abzulehnen.
§. 201. Glaubt derjenige, welchen das Gericht zur Vormundschaft
berufen hat, daß er zu diesem Amte nicht geschickt sey; oder, daß ihn das
Gesetz davon frey spreche, so muß er sich innerhalb vierzehn Tagen, von der
Zeit des ihm bekannt gemachten gerichtlichen Auftrags, an das
vormundschaftliche Gericht, oder, wenn er demselben für seine Person nicht
unterworfen ist, an seine persönliche Gerichtsstelle wenden, welche seine
Gründe mit ihrem Gutachten begleiten und dem vormundschaftlichen Gerichte zur
Entscheidung vorlegen soll.
Verantwortlichkeit des Vormundes und des Gerichtes in Rücksicht
dieses Gegenstandes.
§. 202. Wer seine Untauglichkeit zur Vormundschaft verhehlet, hat,
so wie das Gericht, das wissentlich einen nach dem Gesetze untauglichen Vormund
ernennet, allen dem Minderjährigen dadurch entstandenen Schaden und entgangenen
Nutzen zu verantworten.
§. 203. Dieser Verantwortung setzt sich auch derjenige aus,
welcher ohne gegründete Ursache sich weigert, eine Vormundschaft zu übernehmen,
und er soll überdieß durch angemessene Zwangsmittel dazu angehalten werden.
Antritt der Vormundschaft.
§. 204. Man kann das vormundschaftliche Amt nur nach einem von dem
gehörigen Gerichtsstande dazu erhaltenen Auftrage übernehmen. Wer sich
eigenmächtig in eine Vormundschaft eindringt, ist verbunden, allen dem
Minderjährigen dadurch erwachsenen Schaden zu ersetzen.
Angelobung.
§. 205. Jeder Vormund, mit Ausnahme des Großvaters, der Mutter und
der Großmutter, muß vermittelst Handschlages angeloben: daß er den
Minderjährigen zur Rechtschaffenheit, Gottesfurcht und Tugend anführen, daß er
ihn dem Stande gemäß als einen brauchbaren Bürger erziehen, vor Gericht und
außer demselben vertreten, das Vermögen getreulich und emsig verwalten, und
sich in Allem nach Vorschrift der Gesetze verhalten wolle.
Urkunde hierüber.
§. 206. Einem auf diese Weise verpflichteten Vormunde hat das
Gericht eine förmliche Urkunde darüber auszufertigen, damit er in Ansehung
seines Amtes beglaubiget sey, und sich in vorkommenden Fällen rechtfertigen
könne. Uebernimmt ein Großvater, eine Mutter oder Großmutter eine
Vormundschaft; so muß ihnen eine ähnliche Urkunde zugestellet, und derselben
dasjenige, was andere Vormünder angeloben, eingeschaltet werden.
Führung der Vormundschaft. Vorläufige gerichtliche Vorsicht.
§. 207. Jedes vormundschaftliche Gericht ist verbunden, ein so
genanntes Vormundschafts- oder Waisenbuch zu führen. In dieses Buch müssen die
Vornahmen, Familien-Nahmen, das Alter der Minderjährigen, und alles, was sich
bey der Uebernahme, Fortdauer und Endigung der Vormundschaft Wichtiges ereignet
hat, eingetragen werden.
§. 208. In diesem Buche soll auch auf alle Belege dergestalt
hingewiesen werden, damit sowohl das Gericht selbst, als auch in der Folge die
volljährig gewordenen Waisen Alles, was ihnen zu wissen nützlich ist, in
beglaubter Form einsehen können.
Vereinigung der vormundschaftlichen Hauptpflichten, der Erziehung
und Vermögensverwaltung in Einer Person.
§. 209. So wie ein von dem Vater ernannter Vormund nicht nur über
die Person des Minderjährigen, sondern auch über dessen Vermögen zu sorgen hat;
eben so wird vermuthet, daß der Vater jemanden, den er zum Curator über das
Vermögen ernannt hat, zugleich die Aufsicht über die Person habe anvertrauen
wollen. Hat aber der Vater einen Vormund nicht für alle Kinder, oder einen
Curator nicht für das ganze Vermögen ernannt; so liegt dem Gerichte ob, für die
anderen Kinder einen Vormund oder für den übrigen Theil des Vermögens einen
Curator zu bestellen.
§. 210. Sind mehrere Vormünder ernannt worden, so können sie zwar
das Vermögen des Minderjährigen gemeinschaftlich oder theilweise verwalten.
Verwalten sie es aber gemeinschaftlich, oder theilen sie die Verwaltung ohne
Genehmhaltung des Gerichtes unter sich; so haftet jeder Einzelne für den ganzen
dem Minderjährigen erwachsenden Schaden. Immer muß auch das Gericht
veranstalten, daß die Person des Minderjährigen und die Hauptführung der
Geschäfte immer nur von Einem besorget werde.
Unterstützung einer Vormünderinn durch einen Mitvormund.
§. 211. Müttern und Großmüttern, die eine Vormundschaft
übernehmen, muß ein Mitvormund zugegeben werden. Bey der Wahl desselben ist vor
Allem auf den erklärten Willen des Vaters, dann auf den Vorschlag der
Vormünderinn, endlich auf die Verwandten des Minderjährigen Rücksicht zu
nehmen.
Pflichten und Rechte des Mitvormundes.
§. 212. Auch der Mitvormund muß eine Beglaubigungsurkunde vom
Gerichte erhalten, und angeloben, daß er das Beste des Minderjährigen befördern
wolle, und er muß zu diesem Ende der Vormünderinn mit seinem Rathe beystehen.
Sollte er wichtige Gebrechen wahrnehmen, so muß er sich bestreben, denselben abzuhelfen,
und nöthigen Falls dem vormundschaftlichen Gerichte Anzeige davon machen.
§. 213. Eine andere wesentliche Pflicht des Mitvormundes ist, daß
er bey vorfallenden Geschäften, zu deren Gültigkeit die Einwilligung des
vormundschaftlichen Gerichtes nothwendig ist, das Gesuch der Vormünderinn mit
unterzeichne, oder seine besondere Meinung beylege, so wie er auch auf
Verlangen des Gerichtes über ein solches Geschäft unmittelbar sein Gutachten zu
erstatten hat.
§. 214. Ein Mitvormund, welcher diese Pflichten erfüllet hat,
bleibt von aller ferneren Verantwortung frey; ist einem Mitvormunde aber
zugleich die Verwaltung des Vermögens aufgetragen worden, so hat er mit dieser
Verwaltung alle Pflichten eines Curators übernommen.
§. 215. Wenn eine Vormünderinn von der Vormundschaft austritt; so
ist die Vormundschaft in der Regel dem gewesenen Mitvormunde aufzutragen.
Besondere Pflichten. Rechte des Vormundes: a) in Rücksicht der
Erziehung der Person;
§. 216. Ein Vormund hat gleich dem Vater die Verbindlichkeit und das
Recht, für die Erziehung des Minderjährigen Sorge zu tragen; doch muß er in
wichtigen und bedenklichen Angelegenheiten erst die Genehmigung und die
Vorschriften des vormundschaftlichen Gerichtes einhohlen.
Entsprechende Verbindlichkeit des Pflegebefohlenen.
§. 217. Der Minderjährige ist seinem Vormunde Ehrerbiethung und
Folgsamkeit schuldig; er ist aber auch berechtigt, sich bey seinen nächsten
Verwandten, oder bey der gerichtlichen Behörde zu beschweren, wenn der Vormund
seine Macht auf was immer für eine Art mißbrauchen, oder die Pflichten der
nöthigen Obsorge und Pflege hintansetzen würde. Auch den Verwandten des
Minderjährigen und jedem, der hiervon Kenntniß erhält, steht die Anzeige bevor.
An diese Behörde hat sich auch der Vormund zu wenden, wenn er den Vergehungen
des Minderjährigen durch die zur Erziehung ihm eingeräumte Gewalt Einhalt zu
thun nicht vermag.
Wer zunächst die Erziehung besorge.
§. 218. Die Person des Waisen soll vorzüglich der Mutter selbst
dann, wenn sie die Vormundschaft nicht übernommen oder sich wieder verheirathet
hat, anvertrauet werden; es wäre denn, daß das Beste des Kindes eine andere
Verfügung erheischte.
Bestimmung der Quantität und der Quellen der Erziehungskosten.
§. 219. Die Unterhaltungskosten bestimmt das vormundschaftliche
Gericht, und nimmt bey der Bestimmung auf die Anordnung des Vaters, auf das
Gutachten des Vormundes, auf das Vermögen, auf den Stand und auf andere
Verhältnisse des Minderjährigen Rücksicht.
§. 220. Wenn die Einkünfte zur Bestreitung dieser Kosten oder zur
Bestreitung eines Aufwandes, wodurch der Minderjährige in einen fortdauernden
Nahrungsstand versetzt werden soll, nicht zureichen; so darf mit Genehmhaltung
des Gerichtes auch das Hauptvermögen angegriffen werden.
§. 221. In dem Falle, daß die Waisen ganz mittellos sind, soll das
vormundschaftliche Gericht die bemittelten nächsten Verwandten zu deren
Verpflegung, dafern sie nach dem §. 143 hierzu nicht ohnehin rechtlich
verbunden sind, zu bewegen suchen. Außerdem hat der Vormund auf öffentliche milde
Stiftungen und bestehende Armenanstalten so lange einen gerechten Anspruch, bis
der Minderjährige im Stande ist, sich durch eigene Arbeit und Verwendung selbst
zu ernähren.
Besondere Pflichten der Vormundschaft;
b) in Rücksicht der Vermögensverwaltung. Erforschung und
Sicherstellung des Vermögens,
§. 222. Die dem vormundschaftlichen Gerichte über das Vermögen des
Waisen anvertraute Obsorge fordert, daß es zuerst desselben Vermögen zu
erforschen und es durch Sperre, durch Inventur und Schätzung sicher zu stellen
suche.
durch die Sperre und Inventur;
§. 223. Durch die gerichtliche Sperre werden nur dann, wenn es zur
Sicherstellung nothwendig ist, die Geräthschaften in Verwahrung genommen; die
Inventur aber, das ist, ein genaues Verzeichniß des sämmtlichen, dem Waisen
gehörigen Vermögens, muß stets, selbst ohne Rücksicht auf das Verboth des
Vaters, oder eines anderen Erblassers, errichtet werden.
dann durch die Schätzung des Vermögens entweder unmittelbar von
dem vormundschaftlichen Gerichte,
§. 224. Das Verzeichniß des Vermögens und die Schätzung der
beweglichen Sachen müssen ohne Zeitverlust, allenfalls auch vor Bestellung
eines Vormundes, vorgenommen werden. Das Inventarium wird bey den
Verlassenschafts-Acten aufbewahrt und dem Vormunde eine beglaubigte Abschrift
davon mitgetheilet. Die Schätzung des unbeweglichen Vermögens muß, sobald es
thunlich ist, vorgenommen werden; sie kann aber auch, wenn der Werth sich aus
anderen zuverlässigen Quellen darstellet, ganz unterbleiben.
oder vermittelst der Real-Behörde.
§. 225. Liegt ein unbewegliches Gut des Minderjährigen in einer
anderen Provinz, oder gar in einem fremden Staate; so muß die
vormundschaftliche Behörde den ordentlichen Gerichtsstand der anderen Provinz
oder des fremden Staates um die Inventur und Schätzung und um die Mittheilung
derselben angehen, diesem Gerichtsstande aber die Bestellung eines Curators
über dieses Gut überlassen.
§. 226. Liegt das unbewegliche Gut in der nähmlichen Provinz, aber
unter einer anderen Behörde, so gebühren zwar dieser alle auf das Gut sich
beziehende Rechte, folglich auch die Inventur und Schätzung: allein sie muß der
vormundschaftlichen Behörde auf Verlangen nicht nur eine Abschrift davon
mittheilen; sondern auch dem Vormunde die freye Verwaltung des Gutes
überlassen, ohne sich über seine vormundschaftlichen Handlungen einer Art von
Gerichtsbarkeit anzumaßen.
Wohin das bewegliche Vermögen gehöre.
§. 227. Diejenigen Mobilien, welche sich auf einem unbeweglichen
Gute befinden, um beständig auf demselben zu bleiben, sind als ein Theil dieses
Gutes anzusehen; alle übrigen Mobilien, auch Schuldbriefe und selbst die auf
einem unbeweglichen Gute haftenden Capitalien, gehören unter die
vormundschaftliche Gerichtsbarkeit.
Allgemeine Vorschrift in Rücksicht auf die Vermögensverwaltung.
§. 228. Sobald ein Vormund oder Curator das Vermögen übernimmt,
hat er es mit aller Aufmerksamkeit eines redlichen und fleißigen Hausvaters zu
verwalten, und für sein Verschulden zu haften.
Besondere Vorschriften in Absicht der unmittelbaren
Vermögensverwaltung, insonderheit in Rücksicht der Kostbarkeiten;
§. 229. Juwelen, andere Kostbarkeiten und die Schuldbriefe kommen,
so wie alle wichtige Urkunden in gerichtliche Verwahrung; von den ersteren
erhält der Vormund ein Verzeichniß, von den letzteren die zu seinem Gebrauche
nöthigen Abschriften.
des baren Geldes;
§. 230. Vom baren Gelde soll nur so viel in den Händen des
Vormundes verbleiben, als zur Erziehung des Waisen und zum ordentlichen
Betriebe der Wirthschaft nöthig ist; das Uebrige muß vorzüglich zur Tilgung der
etwa vorhandenen Schulden oder zu einem anderen vortheilhaften Gebrauche
verwendet, und, wenn kein vortheilhafterer Gebrauch zu machen ist, auf Zinsen
in öffentlichen Cassen oder gegen gesetzmäßige Sicherheit auch bey
Privat-Personen angelegt werden; die Sicherheit ist aber nur dann gesetzmäßig,
wenn durch die Sicherstellung mit Einrechnung der etwa vorgehenden Lasten, ein
Haus nicht über die Hälfte, ein Landgut oder Grundstück aber nicht über zwey
Drittheile seines wahren Werthes beschweret wird.
des übrigen beweglichen Vermögens;
§. 231. Das übrige bewegliche Vermögen, welches weder zum
Gebrauche des Minderjährigen, noch zum Andenken der Familie, oder nach
Anordnung des Vaters aufzubewahren ist, noch auf eine andere Art vortheilhaft
verwendet werden kann, muß im Allgemeinen öffentlich feilgebothen werden. Das
Hausgeräthe kann man den Aeltern und den Miterben in dem gerichtlichen
Schätzungspreise aus freyer Hand überlassen. Stücke, die bey der öffentlichen
Versteigerung nicht veräußert worden sind, kann der Vormund mit Bewilligung des
vormundschaftlichen Gerichtes auch unter dem Schätzungspreise verkaufen.
in Rücksicht des unbeweglichen;
§. 232. Ein unbewegliches Gut kann nur im Nothfalle oder zum
offenbaren Vortheile des Minderjährigen mit Genehmhaltung des
vormundschaftlichen Gerichtes, und in der Regel nur vermittelst öffentlicher
Versteigerung veräußert, aus wichtigen Gründen aber kann auch eine Veräußerung
aus freyer Hand von dem Gerichte bewilliget werden.
bey vorzukehrenden wichtigen Veränderungen:
§. 233. Ueberhaupt kann ein Vormund in allen Geschäften, welche
nicht zu dem ordentlichen Wirthschaftsbetriebe gehören, und welche von größerer
Wichtigkeit sind, nichts ohne gerichtliche Einwilligung vornehmen. Er kann also
eigenmächtig keine Erbschaft ausschlagen oder unbedingt annehmen; keine
Veräußerung der seiner Verwahrung anvertrauten Güter vornehmen; keinen
Pachtvertrag abschließen; kein mit gesetzmäßiger Sicherheit anliegendes Capital
aufkündigen; keine Forderung abtreten; keinen Rechtsstreit vergleichen; keine
Fabrik, Handlung und Gewerbe ohne gerichtliche Genehmigung anfangen, fortsetzen
oder aufheben.
bey Einhebung der Capitalien;
§. 234. Ein Vormund kann für sich allein kein Capital des
Minderjährigen, wenn es zurückbezahlt wird, in Empfang nehmen. Der Schuldner,
dem ein solches Capital aufgekündiget wird, muß sich zu seiner Sicherheit von
dem Vormunde die gerichtliche Bewilligung zur Erhebung des Capitals vorzeigen
lassen, und sich nicht mit der Quittung des Vormundes allein begnügen; auch
steht es ihm frey, die Zahlung unmittelbar an das Gericht selbst zu leisten.
bey weiterer Verwendung derselben;
§. 235. So oft der Fall eintritt, daß ein ausstehendes Capital
eingehen solle, hat der Vormund für dessen vortheilhafte Verwendung die Anstalt
zu treffen, und zu der wirklichen Verwendung die Genehmigung des Gerichtes
einzuhohlen.
zur Sicherstellung unbedeckter Forderungen.
§. 236. Ueber Schuldforderungen, zu deren Beweise keine Urkunden
vorhanden sind, muß der Vormund sich Urkunden verschaffen, und diejenigen,
welche nicht sicher gestellt sind, so viel möglich sicher zu stellen suchen,
oder zur Verfallszeit eintreiben. Doch soll den Aeltern das Capital des
Minderjährigen, wenn es auch nicht gesetzmäßig versichert, der Minderjährige
jedoch wahrscheinlicher Weise keiner Gefahr eines Verlustes ausgesetzt ist,
nicht aufgekündet werden, wofern ihnen die Zurückbezahlung ohne Veräußerung
ihres unbeweglichen Gutes oder Abtretung von ihrem Gewerbe schwer fallen würde.
Caution.
§. 237. Der Vormund ist bey Antretung der Vormundschaft nicht
schuldig, Caution zu leisten. Er bleibt auch in der Folge von der Caution
befreyt, so lange er die durch das Gesetz zur Sicherheit des Vermögens
bestehenden Vorschriften genau beobachtet und zur gehörigen Zeit ordentlich
Rechnung legt.
Verbindlichkeit zur Rechnungslegung.
§. 238. In der Regel ist jeder Vormund und jeder Curator
verbunden, über die ihm anvertraute Verwaltung Rechnung zu legen. Von der
Rechnungslegung kann zwar der Erblasser in Ansehung des von ihm freywillig
vermachten Vertrages den Vormund lossprechen; auch das vormundschaftliche
Gericht kann dieses, wenn das Einkommen die Auslagen für den Unterhalt und die
Erziehung des Minderjährigen wahrscheinlich nicht übersteigt; allein das in der
Inventur aufgenommene Hauptvermögen und Capital muß ein Vormund in allen Fällen
ausweisen; auch von dem Zustande seines Pflegebefohlenen, wenn darin eine
wichtige Veränderung vorgeht, Bericht erstatten.
Zeit der Rechnungslegung.
§. 239. Die Rechnungen müssen mit jedem Jahre oder längstens
innerhalb zwey Monathen nach dessen Verlauf mit allen erforderlichen Belegen
dem vormundschaftlichen Gerichte übergeben werden. In diesen Rechnungen muß die
Einnahme und Ausgabe, der Ueberschuß oder die Verminderung des Capitals genau
bestimmt werden. Ist unter dem Vermögen des Minderjährigen eine Handlung
begriffen, so hat sich das Gericht mit dem vorgelegten beglaubigten
Rechnungsabschlusse, oder mit der so genannten Bilanz, zu begnügen und solche
geheim zu halten. Gegen einen Vormund, welcher in der bestimmten Zeit die
Rechnung zu legen unterläßt, müssen die den Umständen angemessenen rechtlichen
Zwangsmittel angewendet werden.
Ort, wo die Rechnung zu legen.
§. 240. Wenn der Minderjährige in verschiedenen Provinzen
unbewegliche Güter besitzt, deren Verwaltung einem Vormunde allein anvertraut
ist; so muß der Vormund für jede Provinz eine besondere Rechnung führen und der
dortigen Behörde vorlegen: allein es bleibt ihm freygestellt, zum Besten des
Minderjährigen den Ueberschuß des in einer Provinz gelegenen Vermögens in einer
anderen zu verwenden.
Art der Rechnungserledigung.
§. 241. Das vormundschaftliche Gericht ist verbunden, die
Rechnungen des Vormundes nach den besonderen Vorschriften durch Rechnungs- und
Sachverständige prüfen und berichtigen zu lassen, und die Erledigung darüber
dem Vormunde mitzutheilen.
§. 242. Ist in den Rechnungen etwas vergessen worden, oder sonst
was immer für ein Verstoß untergelaufen, so kann dieses weder dem Vormunde,
noch dem Minderjährigen zum Nachtheile gereichen.
Besondere Vorschriften für den Vormund bey der mittelbaren
Vermögensverwaltung. Inbesonderheit bey Vertretungen.
§. 243. Ein Minderjähriger kann weder als Kläger, noch als
Geklagter vor Gericht erscheinen; es muß ihn der Vormund entweder selbst
vertreten, oder durch einen Anderen vertreten lassen.
Bey Verträgen des Pflegebefohlenen.
§. 244. Ein Minderjähriger ist zwar berechtiget, durch erlaubte
Handlungen ohne Mitwirkung seines Vormundes etwas für sich zu erwerben: allein
er kann ohne Genehmhaltung der Vormundschaft weder etwas von dem Seinigen
veräußern, noch eine Verpflichtung auf sich nehmen.
§. 245. Insbesondere können Minderjährige ohne Einwilligung der
Vormundschaft keine gültige Ehe eingehen (§§. 49-51).
In welchen Fällen der Minderjährige ohne Einwilligung des
Vormundes verbunden werde.
§. 246. Hat der Minderjährige auch ohne Einwilligung seines
Vormundes sich zu Diensten verdungen, so kann ihn der Vormund ohne wichtige
Ursache vor der gesetz- oder vertragsmäßigen Frist nicht zurückrufen; was er
auf diese oder auf eine andere Art durch seinen Fleiß erwirbt, darüber kann er,
so wie mit jenen Sachen, die ihm nach erreichter Mündigkeit zu seinem Gebrauche
eingehändiget worden sind, frey verfügen und sich verpflichten.
§. 247. Einem Minderjährigen, der das zwanzigste Lebensjahr
zurückgelegt hat, kann die Obervormundschaft den reinen Ueberschuß seiner
Einkünfte zur eigenen freyen Verwaltung überlassen; über diesen seiner
Verwaltung anvertrauten Betrag ist er berechtiget, eigenmächtig sich zu
verbinden.
§. 248. Ein Minderjähriger, welcher sich nach zurückgelegtem
zwanzigsten Jahre bey einem Geschäfte für großjährig ausgibt, ist für allen
Schaden verantwortlich, wenn der andere Theil vor Abschließung des Geschäftes
nicht wohl erst Erkundigung über die Wahrheit des Vorgehens einhohlen konnte.
Ueberhaupt ist er auch in Hinsicht auf andere verbothene Handlungen und den
durch sein Verschulden verursachten Schaden sowohl mit seiner Person, als auch
mit seinem Vermögen verantwortlich.
Endigung der Vormundschaft; a) durch den Tod;
§. 249. Eine Vormundschaft endiget sich gänzlich durch den Tod des
Minderjährigen. Stirbt aber der Vormund oder wird er entlassen, so muß nach der
Vorschrift des Gesetzes (§. 198 und 199) ein anderer bestellet werden.
b) nach gehobenem Hinderniß der Ausübung der väterlichen Gewalt;
§. 250. Die Vormundschaft endiget sich auch, wenn der Vater die
durch einige Zeit gehemmte Ausübung seiner Gewalt wieder übernimmt (§. 176).
c) durch die wirkliche Volljährigkeit;
§. 251. Die Vormundschaft erlischt auch sogleich, als der
Pflegebefohlene die Großjährigkeit erreicht hat; doch kann das
vormundschaftliche Gericht auf Ansuchen oder nach Vernehmung des Vormundes, und
der Verwandten wegen Leibes- oder Gemüthsgebrechen des Pflegebefohlenen, wegen
Verschwendung oder aus anderen wichtigen Gründen die Fortdauer der
Vormundschaft auf eine längere oder unbestimmte Zeit anordnen. Diese Verordnung
muß aber in einem angemessenen Zeitraume vor dem Eintritte der Volljährigkeit
öffentlich bekannt gemacht werden.
d) durch die vermittelst ertheilter Nachsicht rechtlich
angenommene Volljährigkeit;
§. 252. Einem Minderjährigen, welcher das zwanzigste Jahr
zurückgelegt hat, kann das vormundschaftliche Gericht nach eingehohltem
Gutachten des Vormundes und allenfalls auch der nächsten Verwandten, die
Nachsicht des Alters verwilligen und ihn volljährig erklären. Wird einem
Minderjährigen der Betrieb einer Handlung oder eines Gewerbes von der Behörde
verstattet, so wird er dadurch zugleich für volljährig erkläret. Die Erklärung
der Volljährigkeit hat ganz gleiche rechtliche Wirkung mit der wirklich
erreichten Volljährigkeit.
e) durch die amtliche oder angesuchte Entlassung des Vormundes
§. 253. Die Entlassung des Vormundes verordnet das Gericht in
einigen Fällen von Amts wegen, in anderen, wenn darum angesucht wird.
Fälle der amtlichen Entlassung.
§. 254. Von Amts wegen muß ein Vormund entlassen werden, wenn er
die Vormundschaft pflichtwidrig verwaltet; wenn er als unfähig erkannt wird;
oder, wenn sich in Ansehung seiner solche Bedenklichkeiten äußern, welche ihn
Kraft des Gesetzes von Uebernehmung der Vormundschaft ausgeschlossen haben
würden.
§. 255. Wenn eine Mutter, welche die Vormundschaft ihres Kindes
führt, sich wieder verehelichet; so muß sie selbst, oder der Mitvormund es dem
vormundschaftlichen Gerichte zur Beurtheilung anzeigen, ob ihr die Fortsetzung
der Vormundschaft zu bewilligen sey.
§. 256. Hat der Erblasser oder das Gericht einen Vormund nur auf
eine Zeit bestellet, oder ihn auf einen bestimmten Ereignungsfall
ausgeschlossen; so muß er entlassen werden, sobald diese Zeit verflossen, oder
der bestimmte Fall eingetreten ist.
Fälle der vom Vormunde,
§. 257. Wenn während der Vormundschaft solche Gründe eintreten,
die den Vormund kraft der Gesetze von Uebernehmung derselben befreyt, oder
ausgeschlossen hätten; so ist er in dem ersteren Falle berechtiget, in dem
letzteren aber verpflichtet, die Entlassung anzusuchen.
§. 258. Einem Vormunde, dem man als vermeintlichen nächsten
Verwandten des Minderjährigen die Vormundschaft aufgetragen hat, steht es frey,
einen später entdeckten, näheren und tauglichen Verwandten an seine Stelle
vorzuschlagen: allein der nähere Verwandte hat kein Recht, zu fordern, daß ihm
ein minder naher Verwandter eine bereits angetretene Vormundschaft abtrete; er
wäre denn früher sich zu melden gehindert worden.
oder der von Anderen rechtlich angesuchten Entlassung.
§. 259. Die Mutter oder der Bruder können, wenn sie zur Zeit der
bestellten Vormundschaft selbst noch minderjährig waren, nach erreichter
Volljährigkeit auf die Vormundschaft Anspruch machen. Auch steht jedem
Verwandten frey, wenn das Gericht einen Nichtverwandten zur Vormundschaft
berufen hat, sich binnen Jahresfrist um die Uebernehmung der Vormundschaft zu
melden.
§. 260. Wenn eine Minderjährige sich verehelichet, so hängt es von
der Beurtheilung des Gerichtes ab, ob die Curatel dem Ehegatten abgetreten
werden soll (§. 175).
Bedingungen zur Entlassung des Vormundes:
a) gewöhnlicher Zeitpunct;
§. 261. Ein Vormund kann in der Regel nur am Ende des
vormundschaftlichen Jahres, nachdem sein Nachfolger die Verwaltung des
Vermögens ordentlich übernommen hat, die Vormundschaft niederlegen. Findet aber
das Gericht es zur Sicherheit der Person oder des Vermögens nothwendig, so kann
es ihm dieselbe auch sogleich abnehmen.
b) Schlußrechnung;
§. 262. Ein Vormund ist verbunden, längstens innerhalb zwey
Monathen nach geendigter Vormundschaft dem Gerichte seine Schlußrechnung zu
übergeben, und erhält von demselben nach gepflogener Richtigkeit eine Urkunde
über die redlich und ordentlich geführte Verwaltung seines Amtes. Diese Urkunde
spricht ihn aber von der Verbindlichkeit aus einer später entdeckten
arglistigen Handlung nicht frey.
c) Uebergabe des Vermögens.
§. 263. Am Ende einer Vormundschaft ist es die Pflicht des
Vormundes das Vermögen dem volljährig gewordenen, oder dem neu bestellten
Vormunde gegen Empfangsschein zu übergeben, und sich darüber bey Gericht
auszuweisen. Das aufgenommene Verzeichniß des Vermögens, und die jährlich
begnehmigten Rechnungen dienen bey solchen Uebergaben zur Richtschnur.
Haftung des Vormundes aus fremdem Verschulden.
§. 264. Insgemein hat ein Vormund nur für sein Verschulden und
nicht auch für das Verschulden der ihm Untergeordneten zu haften. Hat er aber
wissentlich unfähige Personen angestellet, hat er solche beybehalten, oder
nicht auf den Ersatz des von ihnen verursachten Schadens gedrungen; so ist er
auch dieser Nachlässigkeit wegen verantwortlich.
Subsidiarische Haftung des vormundschaftlichen Gerichtes.
§. 265. Selbst das vormundschaftliche Gericht, welches sein Amt
zum Nachtheile eines Minderjährigen vernachlässiget hat, ist dafür
verantwortlich, und, wenn andere Mittel zum Ersatze mangeln, den Schaden zu
ersetzen verbunden.
Belohnung des Vormundes:
a) jährliche;
§. 266. Emsigen Vormündern kann das Gericht aus den in Ersparung
kommenden Einkünften eine verhältnißmäßige jährliche Belohnung zuerkennen; doch
darf diese Belohnung nie mehr als fünf von Hundert der reinen Einkünfte
betragen, und sich höchstens auf vier tausend Gulden jährlich belaufen.
b) oder bey dem Austritte.
§. 267. Wenn das Vermögen des Minderjährigen so geringe ist, daß
sich wenig oder nichts in jährliche Ersparung bringen läßt; so kann einem
Vormund, welcher das Vermögen unvermindert erhalten, oder dem Minderjährigen
eine anständige Versorgung verschafft hat, wenigstens am Ende der Vormundschaft
eine den Umständen angemessene Belohnung ertheilet werden.
Rechtsmittel des Vormundes bey Beschwerden.
§. 268. Ein Vormund, welcher sich durch eine Verordnung des
vormundschaftlichen Gerichtes beschwert zu seyn erachtet, soll die Beschwerde
zuerst bey dem nähmlichen Gerichte, und nur, wenn diese fruchtlos war, den
Recurs bey dem höheren Gerichte anbringen.
II. Von der Curatel.
Begriff der Curatel.
§. 269. Für Personen, welche ihre Angelegenheiten nicht selbst
besorgen, und ihre Rechte nicht selbst verwahren können, hat das Gericht, wenn
die väterliche oder vormundschaftliche Gewalt nicht Platz findet, einen Curator
oder Sachwalter zu bestellen.
Fälle der Curatel.
§. 270. Dieser Fall tritt ein: bey Minderjährigen, die in einer
anderen Provinz ein unbewegliches Vermögen besitzen (§. 225); oder, die in
einem besonderen Falle von dem Vater oder Vormunde nicht vertreten werden
können; bey Volljährigen, die in Wahn- oder Blödsinn verfallen; bey erklärten
Verschwendern; bey Ungebornen; zuweilen auch bey Taubstummen; bey Abwesenden
und bey Sträflingen.
a) für Minderjährige;
§. 271. In Geschäften, welche zwischen Aeltern und einem
minderjährigen Kinde, oder zwischen einem Vormunde und dem Minderjährigen
vorfallen, muß das Gericht angegangen werden, für den Minderjährigen einen
besonderen Curator zu ernennen.
§. 272. Fallen zwischen zwey oder mehreren Minderjährigen, welche
einen und denselben Vormund haben, Rechtsstreitigkeiten vor, so darf dieser
Vormund keinen der Minderjährigen vertreten; sondern er muß das Gericht
angehen, daß es für jeden insbesondere einen anderen Curator ernenne.
b) für Wahn- oder Blödsinnige;
§. 273. Für wahn- oder blödsinnig kann nur derjenige gehalten
werden, welcher nach genauer Erforschung seines Betragens und nach
Einvernehmung der von dem Gerichte ebenfalls dazu verordneten Aerzte
gerichtlich dafür erkläret wird.
c) für Verschwender:
Als Verschwender aber muß das Gericht denjenigen erklären, von
welchem nach der vorgekommenen Anzeige und der hierüber gepflogenen
Untersuchung offenbar wird, daß er sein Vermögen auf eine unbesonnene Art
durchbringt, und sich oder seine Familie durch muthwillige oder unter verderblichen
Bedingungen geschlossene Borgverträge künftigem Nothstande Preis gibt. In
beyden Fällen muß die gerichtliche Erklärung öffentlich bekannt gemacht werden.
d) für Ungeborne;
§. 274. In Rücksicht auf Ungeborne wird ein Sachwalter entweder
für die Nachkommenschaft überhaupt, oder für eine bereits vorhandene
Leibesfrucht (§. 22) aufgestellet. Im ersten Falle hat der Sachwalter dafür zu
sorgen, daß die Nachkommenschaft bey einem ihr bestimmten Nachlasse nicht verkürzet
werde; im zweyten Falle aber, daß die Rechte des noch ungebornen Kindes
erhalten werden.
e) für Taubstumme;
§. 275. Taubstumme, wenn sie zugleich blödsinnig sind, bleiben
beständig unter Vormundschaft; sind sie aber nach Antritt des fünf und
zwanzigsten Jahres ihre Geschäfte zu verwalten fähig, so darf ihnen wider ihren
Willen kein Curator gesetzt werden; nur sollen sie vor Gericht nie ohne einen
Sachwalter erscheinen.
f) für Abwesende und für unbekannte Theilnehmer an einem
Geschäfte;
§. 276. Die Bestellung eines Curators für Abwesende, oder für die
dem Gerichte zur Zeit noch unbekannten Theilnehmer an einem Geschäfte findet
dann Statt, wenn sie keinen ordentlichen Sachwalter zurückgelassen haben, ohne
solchen aber ihre Rechte durch Verzug gefährdet, oder die Rechte eines Anderen
in ihrem Gange gehemmet würden. Ist der Aufenthaltsort eines Abwesenden
bekannt, so muß ihn sein Curator von der Lage seiner Angelegenheiten
unterrichten, und diese Angelegenheiten, wenn keine andere Verfügung getroffen
wird, wie jene eines Minderjährigen besorgen.
§. 277. Sucht jemand bey Eintretung der durch das Gesetz in dem §.
24. bestimmten Erforderungen die gerichtliche Todeserklärung eines Abwesenden
an, so hat das Gericht für diesen Abwesenden vor Allem einen Curator zu ernennen;
dann wird er durch ein auf ein ganzes Jahr gestelltes Edict mit dem Beysatze
vorgeladen, daß das Gericht, wenn er während der Zeit nicht erscheint, oder das
Gericht auf eine andere Art in die Kenntniß seines Lebens setzt, zur
Todeserklärung schreiten werde.
§. 278. Der Tag, an welchem eine Todeserklärung ihre Rechtskraft
erlangt hat, wird für den rechtlichen Sterbetag eines Abwesenden gehalten; doch
schließt eine Todeserklärung den Beweis nicht aus, daß der Abwesende früher
oder später gestorben; oder, daß er noch am Leben sey. Kommt ein solcher Beweis
zu Stande, so ist derjenige, welcher auf den Grund der gerichtlichen
Todeserklärung ein Vermögen in Besitz genommen hat, wie ein anderer redlicher
Besitzer zu behandeln.
g) für Sträflinge.
§. 279. Einem zur schwersten oder schweren Kerkerstrafe
verurtheilten Verbrecher ist ein Curator zu bestellen, wenn er ein Vermögen
besitzt, welches durch die länger fortdauernde Strafe einer Gefahr ausgesetzt
seyn würde.
Bestellung der Curatel.
§. 280. Das Gericht, welchem die Ernennung eines Vormundes
zusteht, hat in der Regel unter der nähmlichen Vorsicht und nach den nähmlichen
Grundsätzen auch den Curator zu bestellen. Ist es aber um die Verwaltung einer
Sache oder eines Geschäftes zu thun, welche zu einem anderen Gerichtsstande
gehören; so hat dieser Gerichtsstand auch den Curator zu ernennen.
Entschuldigungsursachen.
§. 281. Wer die gehörigen Eigenschaften zum vormundschaftlichen
Amte besitzt, kann auch eine Curatel übernehmen. Auch finden bey der Curatel
die nähmlichen Entschuldigungsgründe und Vorzugsrechte wie bey der
Vormundschaft Statt.
Rechte und Verbindlichkeiten.
§. 282. Die Rechte und Verbindlichkeiten der Curatoren, welche
entweder nur für die Verwaltung des Vermögens, oder zugleich für die Person
ihres Pflegebefohlenen zu sorgen haben, sind aus den den Vormündern hierüber
ertheilten Vorschriften zu beurtheilen.
Erlöschung derselben.
§. 283. Die Curatel hört auf, wenn die dem Curator anvertrauten
Geschäfte geendiget sind, oder, wenn die Gründe aufhören, die den
Pflegebefohlenen an der Verwaltung seiner Angelegenheiten verhindert haben. Ob
ein Wahn- oder Blödsinniger den Gebrauch der Vernunft erhalten habe; oder, ob
der Wille eines Verschwenders gründlich und dauerhaft gebessert sey; muß nach
einer genauen Erforschung der Umstände, aus einer anhaltenden Erfahrung, und im
ersten Falle zugleich aus den Zeugnissen der zur Untersuchung von dem Gerichte
bestellten Aerzte entschieden werden.
Ausnahme in Rücksicht des Bauernstandes.
§. 284. Die besonderen Vorsichten bey der Vormundschaft und
Curatel des Bauernstandes sind in den politischen Gesetzen enthalten.
Zweyter Theil des bürgerlichen Gesetzbuches.
Von dem Sachenrechte.
Von Sachen und ihrer rechtlichen Eintheilung.
Begriff von Sachen im rechtlichen Sinne.
§. 285. Alles, was von der Person unterschieden ist, und zum
Gebrauche der Menschen dient, wird im rechtlichen Sinne eine Sache genannt.
Eintheilung der Sachen nach Verschiedenheit des Subjectes, dem sie
gehören.
§. 286. Die Sachen in dem Staatsgebiethe sind entweder ein Staats-
oder ein Privat-Gut. Das Letztere gehört einzelnen oder moralischen Personen,
kleineren Gesellschaften, oder ganzen Gemeinden.
Freystehende Sachen; öffentliches Gut und Staatsvermögen.
§. 287. Sachen, welche allen Mitgliedern des Staates zur Zueignung
überlassen sind, heißen freystehende Sachen. Jene, die ihnen nur zum Gebrauche
verstattet werden, als: Landstraßen, Ströme, Flüsse, Seehäfen und Meeresufer,
heißen ein allgemeines oder öffentliches Gut. Was zur Bedeckung der
Staatsbedürfnisse bestimmt ist, als: das Münz- oder Post- und andere Regalien,
Kammergüter, Berg- und Salzwerke, Steuern und Zölle, wird das Staatsvermögen
genannt.
Gemeindegut; Gemeindevermögen.
§. 288. Auf gleiche Weise machen die Sachen, welche nach der
Landesverfassung zum Gebrauche eines jeden Mitgliedes einer Gemeinde dienen,
das Gemeindegut; diejenigen aber, deren Einkünfte zur Bestreitung der
Gemeindeauslagen bestimmt sind, das Gemeindevermögen aus.
Privat-Gut des Landesfürsten.
§. 289. Auch dasjenige Vermögen des Landesfürsten, welches er
nicht als Oberhaupt des Staates besitzt, wird als ein Privat-Gut betrachtet.
Allgemeine Vorschrift in Rücksicht dieser verschiedenen Arten der
Güter.
§. 290. Die in diesem Privat-Rechte enthaltenen Vorschriften über
die Art, wie Sachen rechtmäßig erworben, erhalten und auf Andere übertragen
werden können, sind in der Regel auch von den Verwaltern der Staats- und
Gemeindegüter, oder des Staats- und Gemeindevermögens zu beobachten. Die in
Hinsicht auf die Verwaltung und den Gebrauch dieser Güter sich beziehenden
Abweichungen und besonderen Vorschriften sind in dem Staatsrechte und in den
politischen Verordnungen enthalten.
Eintheilung der Sachen nach dem Unterschiede ihrer Beschaffenheit.
§. 291. Die Sachen werden nach dem Unterschiede ihrer
Beschaffenheit eingetheilt: in körperliche und unkörperliche; in bewegliche und
unbewegliche; in verbrauchbare und unverbrauchbare; in schätzbare und
unschätzbare.
Körperliche und unkörperliche Sachen;
§. 292. Körperliche Sachen sind diejenigen, welche in die Sinne
fallen; sonst heißen sie unkörperliche; z. B. das Recht zu jagen, zu fischen
und alle andere Rechte.
bewegliche und unbewegliche.
§. 293. Sachen, welche ohne Verletzung ihrer Substanz von einer
Stelle zur anderen versetzt werden können, sind beweglich; im entgegengesetzten
Falle sind sie unbeweglich. Sachen, die an sich beweglich sind, werden im
rechtlichen Sinne für unbeweglich gehalten, wenn sie vermöge des Gesetzes oder
der Bestimmung des Eigenthümers das Zugehör einer unbeweglichen Sache
ausmachen.
Zugehör überhaupt;
§. 294. Unter Zugehör versteht man dasjenige, was mit einer Sache
in fortdauernde Verbindung gesetzt wird. Dahin gehören nicht nur der Zuwachs
einer Sache, so lange er von derselben nicht abgesondert ist; sondern auch die
Nebensachen, ohne welche die Hauptsache nicht gebraucht werden kann, oder die
das Gesetz oder der Eigenthümer zum fortdauernden Gebrauche der Hauptsache
bestimmt hat.
insbesondere bey Grundstücken und Teichen;
§. 295. Gras, Bäume, Früchte und alle brauchbare Dinge, welche die
Erde auf ihrer Oberfläche hervorbringt, bleiben so lange ein unbewegliches
Vermögen, als sie nicht von Grund und Boden abgesondert worden sind. Selbst die
Fische in einem Teiche, und das Wild in einem Walde werden erst dann ein
bewegliches Gut, wenn der Teich gefischet, und das Wild gefangen oder erlegt
worden ist.
§. 296. Auch das Getreide, das Holz, das Viehfutter und alle
übrige, obgleich schon eingebrachte Erzeugnisse, so wie alles Vieh und alle zu
einem liegenden Gute gehörige Werkzeuge und Geräthschaften werden in so fern
für unbewegliche Sachen gehalten, als sie zur Fortsetzung des ordentlichen
Wirthschaftsbetriebes erforderlich sind.
und bey Gebäuden.
§. 297. Eben so gehören zu den unbeweglichen Sachen diejenigen,
welche auf Grund und Boden in der Absicht aufgeführt werden, daß sie stets
darauf bleiben sollen, als: Häuser und andere Gebäude mit dem in senkrechter
Linie darüber befindlichen Luftraume; ferner: nicht nur Alles, was erd- mauer-
niet- und nagelfest ist, als: Braupfannen, Branntweinkessel und eingezimmerte
Schränke, sondern auch diejenigen Dinge, die zum anhaltenden Gebrauche eines
Ganzen bestimmt sind: z. B. Brunneneimer, Seile, Ketten, Löschgeräthe und
dergleichen.
Rechte sind insgemein als bewegliche Sachen anzusehen;
§. 298. Rechte werden den beweglichen Sachen beygezählt, wenn sie
nicht mit dem Besitze einer unbeweglichen Sache verbunden, oder durch die
Landesverfassung für eine unbewegliche Sache erkläret sind.
auch die vorgemerkten Forderungen.
§. 299. Schuldforderungen werden durch die Sicherstellung auf ein
unbewegliches Gut nicht in ein unbewegliches Vermögen verwandelt.
Nach welchen Gesetzen die unbeweglichen; und nach welchen die
beweglichen Sachen zu beurtheilen sind.
§. 300. Unbewegliche Sachen sind den Gesetzen des Bezirkes
unterworfen, in welchem sie liegen; alle übrige Sachen hingegen stehen mit der
Person ihres Eigenthümers unter gleichen Gesetzen.
Verbrauchbare und unverbrauchbare Sachen.
§. 301. Sachen, welche ohne ihre Zerstörung oder Verzehrung den
gewöhnlichen Nutzen nicht gewähren, heißen verbrauchbare; die von
entgegengesetzter Beschaffenheit aber, unverbrauchbare Sachen.
Gesammtsache (universitas rerum).
§. 302. Ein Inbegriff von mehreren besonderen Sachen, die als Eine
Sache angesehen, und mit einem gemeinschaftlichen Nahmen bezeichnet zu werden
pflegen, macht eine Gesammtsache aus, und wird als ein Ganzes betrachtet.
Schätzbare und unschätzbare;
§. 303. Schätzbare Sachen sind diejenigen, deren Werth durch
Vergleichung mit anderen zum Verkehre bestimmt werden kann; darunter gehören
auch Dienstleistungen, Hand- und Kopfarbeiten. Sachen hingegen, deren Werth
durch keine Vergleichung mit anderen im Verkehre befindlichen Sachen bestimmt
werden kann, heißen unschätzbare.
Maßstab der gerichtlichen Schätzung.
§. 304. Der bestimmte Werth einer Sache heißt ihr Preis. Wenn eine
Sache vom Gerichte zu schätzen ist, so muß die Schätzung nach einer bestimmten
Summe Geldes geschehen.
Ordentlicher und außerordentlicher Preis.
§. 305. Wird eine Sache nach dem Nutzen geschätzt, den sie mit
Rücksicht auf Zeit und Ort gewöhnlich und allgemein leistet, so fällt der
ordentliche und gemeine Preis aus; nimmt man aber auf die besonderen
Verhältnisse und auf die in zufälligen Eigenschaften der Sache gegründete
besondere Vorliebe desjenigen, dem der Werth ersetzt werden muß, Rücksicht, so
entsteht ein außerordentlicher Preis.
Welcher bey gerichtlichen Schätzungen zur Richtschnur zu nehmen.
§. 306. In allen Fällen, wo nichts Anderes entweder bedungen, oder
von dem Gesetze verordnet wird, muß bey der Schätzung einer Sache der gemeine
Preis zur Richtschnur genommen werden.
Begriffe vom dinglichen und persönlichen Sachenrechte.
§. 307. Rechte, welche einer Person über eine Sache ohne Rücksicht
auf gewisse Personen zustehen, werden dingliche Rechte genannt. Rechte, welche
zu einer Sache nur gegen gewisse Personen unmittelbar aus einem Gesetze, oder
aus einer verbindlichen Handlung entstehen, heißen persönliche Sachenrechte.
§. 308. Dingliche Sachenrechte sind das Recht des Besitzes, des
Eigenthumes, des Pfandes, der Dienstbarkeit und des Erbrechtes.
Erste Abtheilung des Sachenrechtes.
Von den dinglichen Rechten.
Erstes Hauptstück.
Von dem Besitze.
Inhaber. Besitzer.
§. 309. Wer eine Sache in seiner Macht oder Gewahrsame hat, heißt
ihr Inhaber. Hat der Inhaber einer Sache den Willen, sie als die seinige zu
behalten, so ist er ihr Besitzer.
Erwerbung des Besitzes. Fähigkeit der Person zur Besitzerwerbung.
§. 310. Personen, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, sind
an sich unfähig, einen Besitz zu erlangen. Sie werden durch einen Vormund oder
Curator vertreten. Unmündige, welche die Jahre der Kindheit zurückgelegt haben,
können für sich allein eine Sache in Besitz nehmen.
Gegenstände des Besitzes.
§. 311. Alle körperliche und unkörperliche Sachen, welche ein
Gegenstand des rechtlichen Verkehres sind, können in Besitz genommen werden.
Arten der Besitzerwerbung;
§. 312. Körperliche, bewegliche Sachen werden durch physische
Ergreifung, Wegführung oder Verwahrung; unbewegliche aber durch Betretung,
Verrainung, Einzäunung, Bezeichnung oder Bearbeitung in Besitz genommen. In den
Besitz unkörperlicher Sachen oder Rechte kommt man durch den Gebrauch derselben
im eigenen Nahmen.
insbesondere von einem bejahenden, verneinenden oder einem
Verbothsrechte.
§. 313. Der Gebrauch eines Rechtes wird gemacht, wenn jemand von
einem Anderen etwas als eine Schuldigkeit fordert, und dieser es ihm leistet;
ferner, wenn jemand die einem Anderen gehörige Sache mit dessen Gestattung zu
seinem Nutzen anwendet; endlich, wenn auf fremdes Verboth ein Anderer das, was
er sonst zu thun befugt wäre, unterläßt.
Unmittelbare und mittelbare Erwerbungsart des Besitzes.
§. 314. Den Besitz sowohl von Rechten, als von körperlichen Sachen
erlangt man entweder unmittelbar, wenn man freystehender Rechte und Sachen;
oder mittelbar, wenn man eines Rechtes, oder einer Sache, die einem Anderen
gehört, habhaft wird.
Umfang der Erwerbung.
§. 315. Durch die unmittelbare und durch die mittelbare
eigenmächtige Besitzergreifung erhält man nur so viel in Besitz, als wirklich
ergriffen, betreten, gebraucht, bezeichnet, oder in Verwahrung gebracht worden
ist; bey der mittelbaren, wenn uns der Inhaber in seinem oder eines Anderen Nahmen
ein Recht oder eine Sache überläßt, erhält man Alles, was der vorige Inhaber
gehabt und durch deutliche Zeichen übergeben hat, ohne daß es nöthig ist, jeden
Theil des Ganzen besonders zu übernehmen.
Rechtmäßiger, unrechtmäßiger Besitz.
§. 316. Der Besitz einer Sache heißt rechtmäßig, wenn er auf einem
gültigen Titel, das ist, auf einem zur Erwerbung tauglichen Rechtsgrunde
beruhet. Im entgegengesetzten Falle heißt er unrechtmäßig.
Haupttitel des rechtmäßigen Besitzes.
§. 317. Der Titel liegt bey freystehenden Sachen in der angebornen
Freyheit zu Handlungen, wodurch die Rechte Anderer nicht verletzet werden; bey
Anderen in dem Willen des vorigen Besitzers, oder in dem Ausspruche des
Richters, oder endlich in dem Gesetze, wodurch jemanden das Recht zum Besitze
ertheilet wird.
Der Inhaber hat noch keinen Titel;
§. 318. Dem Inhaber, der eine Sache nicht in seinem, sondern im
Nahmen eines Anderen inne hat, kommt noch kein Rechtsgrund zur Besitznahme
dieser Sache zu.
und kann ihn nicht eigenmächtig erlangen.
§. 319. Der Inhaber einer Sache ist nicht berechtiget, den Grund
seiner Gewahrsame eigenmächtig zu verwechseln, und sich dadurch eines Titels
anzumaßen; wohl aber kann derjenige, welcher bisher eine Sache in eigenem
Nahmen rechtmäßig besaß, das Besitzrecht einem Anderen überlassen, und sie
künftig in dessen Nahmen inne haben.
Wirkung des bloßen Titels.
§. 320. Durch einen gültigen Titel erhält man nur das Recht zum
Besitze einer Sache, nicht den Besitz selbst. Wer nur das Recht zum Besitze
hat, darf sich im Verweigerungsfalle nicht eigenmächtig in den Besitz setzen;
er muß ihn von dem ordentlichen Richter mit Anführung seines Titels im Wege
Rechtens fordern.
Erforderung zum wirklichen Besitzrechte.
§. 321. Wo so genannte Landtafeln, Stadt- oder Grundbücher, oder
andere dergleichen öffentliche Register eingeführt sind, wird der rechtmäßige
Besitz eines dinglichen Rechtes auf unbewegliche Sachen nur durch die
ordentliche Eintragung in diese öffentlichen Bücher erlangt.
§. 322. Ist eine bewegliche Sache nach und nach mehreren Personen
übergeben worden; so gebühret das Besitzrecht derjenigen, welche sie in ihrer
Macht hat. Ist aber die Sache unbeweglich, und sind öffentliche Bücher
eingeführt; so steht das Besitzrecht ausschließlich demjenigen zu, welcher als
Besitzer derselben eingeschrieben ist.
Der Besitzer kann zur Angabe des Rechtsgrundes nicht aufgefordert
werden.
§. 323. Der Besitzer einer Sache hat die rechtliche Vermuthung
eines gültigen Titels für sich; er kann also zur Angabe desselben nicht
aufgefordert werden.
§. 324. Diese Aufforderung findet auch dann noch nicht Statt, wenn
jemand behauptet, daß der Besitz seines Gegners mit anderen rechtlichen
Vermuthungen, z. B. mit der Freyheit des Eigenthumes, sich nicht vereinbaren
lasse. In solchen Fällen muß der behauptende Gegner vor dem ordentlichen
Richter klagen, und sein vermeintliches stärkeres Recht darthun. Im Zweifel
gebührt dem Besitzer der Vorzug.
Ausnahme.
§. 325. In wie fern der Besitzer einer Sache, deren Verkehr
verbothen; oder die entwendet zu seyn scheint, den Titel seines Besitzes
anzuzeigen verbunden sey, darüber entscheiden die Straf- und politischen
Gesetze.
Redlicher und unredlicher Besitzer.
§. 326. Wer aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er
besitzt, für die seinige hält, ist ein redlicher Besitzer. Ein unredlicher
Besitzer, ist derjenige, welcher weiß oder aus den Umständen vermuthen muß, daß
die in seinem Besitze befindliche Sache einem Anderen zugehöre. Aus Irrthum in
Thatsachen oder aus Unwissenheit der gesetzlichen Vorschriften kann man ein
unrechtmäßiger (§. 316) und doch ein redlicher Besitzer seyn.
Wie ein Mitbesitzer zum unredlichen oder unrechtmäßigen Besitzer
werde.
§. 327. Besitzt eine Person die Sache selbst, eine andere aber das
Recht auf alle oder auf einige Nutzungen dieser Sache; so kann eine und
dieselbe Person, wenn sie die Gränzen ihres Rechtes überschreitet, in
verschiedenen Rücksichten ein redlicher und unredlicher, ein rechtmäßiger und
unrechtmäßiger Besitzer seyn.
Entscheidung über die Redlichkeit des Besitzes.
§. 328. Die Redlichkeit oder Unredlichkeit des Besitzes muß im
Falle eines Rechtsstreites durch richterlichen Ausspruch entschieden werden. Im
Zweifel ist die Vermuthung für die Redlichkeit des Besitzes.
Fortdauer des Besitzes. Rechte des redlichen Besitzes; a) in
Rücksicht der Substanz der Sache;
§. 329. Ein redlicher Besitzer kann schon allein aus dem Grunde
des redlichen Besitzes die Sache, die er besitzt, ohne Verantwortung nach
Belieben brauchen, verbrauchen, auch wohl vertilgen.
b) der Nutzungen;
§. 330. Dem redlichen Besitzer gehören alle aus der Sache
entspringende Früchte, so bald sie von der Sache abgesondert worden sind; ihm
gehören auch alle andere schon eingehobene Nutzungen, in so fern sie während
des ruhigen Besitzes bereits fällig gewesen sind.
c) des Aufwandes.
§. 331. Hat der redliche Besitzer an die Sache entweder zur
fortwährenden Erhaltung der Substanz einen nothwendigen, oder, zur Vermehrung
noch fortdauernder Nutzungen einen nützlichen Aufwand gemacht; so gebührt ihm
der Ersatz nach dem gegenwärtigen Werthe, in so fern er den wirklich gemachten
Aufwand nicht übersteigt.
§. 332. Von dem Aufwande, welcher nur zum Vergnügen und zur
Verschönerung gemacht worden ist, wird nur so viel ersetzt, als die Sache dem
gemeinen Werthe nach wirklich dadurch gewonnen hat; doch hat der vorige
Besitzer die Wahl, Alles für sich wegzunehmen, was davon ohne Schaden der
Substanz weggenommen werden kann.
Anspruch auf den Ersatz des Preises.
§. 333. Selbst der redliche Besitzer kann den Preis, welchen er
seinem Vormanne für die ihm überlassene Sache gegeben hat, nicht fordern. Wer
aber eine fremde Sache, die der Eigenthümer sonst schwerlich wieder erlangt
haben würde, redlicher Weise an sich gelöset, und dadurch dem Eigenthümer einen
erweislichen Nutzen verschaffet hat, kann eine angemessene Vergütung fordern.
§. 334. Ob einem redlichen Inhaber das Recht zustehe, seiner
Forderung wegen die Sache zurück zu behalten, wird in dem Hauptstücke vom
Pfandrechte bestimmt.
Verbindlichkeit des unredlichen Besitzers.
§. 335. Der unredliche Besitzer ist verbunden, nicht nur alle
durch den Besitz einer fremden Sache erlangte Vortheile zurück zu stellen;
sondern auch diejenigen, welche der Verkürzte erlangt haben würde, und allen
durch seinen Besitz entstandenen Schaden zu ersetzen. In dem Falle, daß der
unredliche Besitzer durch eine in den Strafgesetzen verbothene Handlung zum
Besitze gelanget ist, erstrecket sich der Ersatz bis zum Werthe der besonderen
Vorliebe.
§. 336. Hat der unredliche Besitzer einen Aufwand auf die Sache
gemacht, so ist dasjenige anzuwenden, was in Rücksicht des von einem
Geschäftsführer ohne Auftrag gemachten Aufwandes in dem Hauptstücke von der
Bevollmächtigung verordnet ist.
Beurtheilung der Redlichkeit des Besitzes einer Gemeinde.
§. 337. Der Besitz einer Gemeinde wird nach der Redlichkeit oder
Unredlichkeit der im Nahmen der Mitglieder handelnden Machthaber beurtheilet.
Immer müssen jedoch die unredlichen sowohl den redlichen Mitgliedern, als dem
Eigenthümer den Schaden ersetzen.
In wie fern durch die Klage der Besitz unredlich werde.
§. 338. Auch der redliche Besitzer, wenn er durch richterlichen
Ausspruch zur Zurückstellung der Sache verurtheilet wird, ist in Rücksicht des
Ersatzes der Nutzungen und des Schadens, wie auch in Rücksicht des Aufwandes,
von dem Zeitpuncte der ihm zugestellten Klage, gleich einem unredlichen
Besitzer zu behandeln; doch haftet er für den Zufall, der die Sache bey dem
Eigenthümer nicht getroffen hätte, nur in dem Falle, daß er die Zurückgabe
durch einen muthwilligen Rechtsstreit verzögert hat.
Rechtsmittel des Besitzers bey einer Störung seines Besitzes;
§. 339. Der Besitz mag von was immer für einer Beschaffenheit
seyn, so ist niemand befugt, denselben eigenmächtig zu stören. Der Gestörte hat
das Recht, die Untersagung des Eingriffes, und den Ersatz des erweislichen
Schadens gerichtlich zu fordern.
besonders durch eine Bauführung;
§. 340. Wird der Besitzer einer unbeweglichen Sache oder eines
dinglichen Rechtes durch Führung eines neuen Gebäudes, Wasserwerkes, oder
anderen Werkes in seinen Rechten gefährdet, ohne daß sich der Bauführer nach
Vorschrift der allgemeinen Gerichtsordnung gegen ihn geschützt hat; so ist der
Gefährdete berechtiget, das Verboth einer solchen Neuerung vor Gericht zu
fordern, und das Gericht ist verbunden, die Sache auf das schleunigste zu
entscheiden.
§. 341. Bis zur Entscheidung der Sache ist die Fortsetzung des
Baues von dem Gerichte in der Regel nicht zu gestatten. Nur bey einer nahen,
offenbaren Gefahr, oder, wenn der Bauführer eine angemessene Sicherheit
leistet, daß er die Sache in den vorigen Stand setzen, und den Schaden vergüten
wolle, der Verbothsleger dagegen in dem letzteren Falle keine ähnliche
Sicherstellung für die Folgen seines Verboths leistet, ist die einstweilige
Fortsetzung des Baues zu bewilligen.
§. 342. Was in den vorhergehenden §§. in Rücksicht einer neuen
Bauführung verordnet wird, ist auch auf die Niederreißung eines alten Gebäudes,
oder anderen Werkes anzuwenden.
und bey der Gefahr eines vorhandenen Baues.
§. 343. Kann der Besitzer eines dinglichen Rechtes beweisen, daß
ein bereits vorhandener fremder Bau oder eine andere fremde Sache dem Einsturze
nahe sey, und ihm offenbarer Schaden drohe; so ist er befugt, gerichtlich auf
Sicherstellung zu dringen, wenn anders die politische Behörde nicht bereits
hinlänglich für die öffentliche Sicherheit gesorgt hat.
Rechtsmittel zur Erhaltung des Besitzstandes: a) bey dringender
Gefahr;
§. 344. Zu den Rechten des Besitzes gehört auch das Recht, sich in
seinem Besitze zu schützen, und in dem Falle, daß die richterliche Hülfe zu
spät kommen würde, Gewalt mit angemessener Gewalt abzutreiben (§. 19).
Uebrigens hat die politische Behörde für die Erhaltung der öffentlichen Ruhe,
so wie das Strafgericht für die Bestrafung öffentlicher Gewaltthätigkeiten, zu
sorgen.
b) gegen den unechten Besitzer;
§. 345. Wenn sich jemand in den Besitz eindringt, oder durch List
oder Bitte heimlich einschleicht, und das, was man ihm aus Gefälligkeit, ohne
sich einer fortdauernden Verbindlichkeit zu unterziehen gestattet, in ein
fortwährendes Recht zu verwandeln sucht; so wird der an sich unrechtmäßige und
unredliche Besitz noch überdieß unecht; in entgegengesetzten Fällen wird der
Besitz für echt angesehen.
§. 346. Gegen jeden unechten Besitzer kann so wohl die Zurücksetzung
in die vorige Lage, als auch die Schadloshaltung eingeklagt werden. Beydes muß
das Gericht nach rechtlicher Verhandlung, selbst ohne Rücksicht auf ein
stärkeres Recht, welches der Geklagte auf die Sache haben könnte, verordnen.
c) beym Zweifel über die Echtheit des Besitzes.
§. 347. Zeigt es sich nicht gleich auf der Stelle, wer sich in
einem echten Besitze befinde, und in wie fern der eine oder der andere Theil
auf gerichtliche Unterstützung Anspruch habe; so wird die im Streite verfangene
Sache so lange der Gewahrsame des Gerichtes oder eines Dritten anvertraut, bis
der Streit über den Besitz verhandelt und entschieden worden ist. Der
Sachfällige kann auch nach dieser Entscheidung die Klage aus einem vermeintlich
stärkeren Rechte auf die Sache noch anhängig machen.
Verwahrungsmittel des Inhabers gegen mehrere zusammentreffende
Besitzwerber.
§. 348. Wenn der bloße Inhaber von mehreren Besitzwerbern zugleich
um die Uebergabe der Sache angegangen wird, und sich Einer darunter befindet,
in dessen Nahmen die Sache aufbewahrt wurde; so wird sie vorzüglich diesem
übergeben, und die Uebergabe den Uebrigen bekannt gemacht. Kommt dieser Umstand
Keinem zu Statten, so wird die Sache der Gewahrsame des Richters oder eines
Dritten anvertraut. Der Richter hat die Rechtsgründe der Besitzwerber zu
prüfen, und darüber zu entscheiden.
Erlöschung des Besitzes: a) körperlicher Sachen;
§. 349. Der Besitz einer körperlichen Sache geht insgemein
verloren, wenn dieselbe ohne Hoffnung, wieder gefunden zu werden, in Verlust
geräth; wenn sie freywillig verlassen wird; oder in fremden Besitz kommt.
b) der in die öffentlichen Bücher eingetragenen Rechte;
§. 350. Der Besitz derjenigen Rechte und unbeweglichen Sachen,
welche einen Gegenstand der öffentlichen Bücher ausmachen, erlischt, wenn sie
aus den landtäflichen, Stadt- oder Grundbüchern gelöscht; oder, wenn sie auf
den Nahmen eines Anderen eingetragen werden.
c) anderer Rechte.
§. 351. Bey anderen Rechten hört der Besitz auf, wenn der
Gegentheil das, was er sonst geleistet hat, nicht mehr leisten zu wollen
erkläret; wenn er die Ausübung des Rechtes eines Anderen nicht mehr duldet;
oder, wenn er das Verboth, etwas zu unterlassen, nicht mehr achtet, der
Besitzer aber in allen diesen Fällen es dabey bewenden läßt, und die Erhaltung
des Besitzes nicht einklagt. Durch den bloßen Nichtgebrauch eines Rechtes geht
der Besitz, außer den im Gesetze bestimmten Verjährungsfällen, nicht verloren.
§. 352. So lange noch Hoffnung vorhanden ist, eine verlorne Sache
zu erhalten, kann man sich durch den bloßen Willen in ihrem Besitze erhalten.
Die Abwesenheit des Besitzers oder die eintretende Unfähigkeit, einen Besitz zu
erwerben, heben den bereits erworbenen Besitz nicht auf.
Zweytes Hauptstück.
Von dem Eigenthumsrechte.
Begriff des Eigenthumes; Eigenthum im objectiven Sinne;
§. 353. Alles, was jemanden zugehöret, alle seine körperlichen und
unkörperlichen Sachen, heißen sein Eigenthum.
im subjectiven.
§. 354. Als ein Recht betrachtet, ist Eigenthum das Befugniß, mit
der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkühr zu schalten, und jeden
Anderen davon auszuschließen.
objective und subjective Möglichkeit der Erwerbung des
Eigenthumes.
§. 355. Alle Sachen sind insgemein Gegenstände des Eigenthumsrechtes,
und jedermann, den die Gesetze nicht ausdrücklich ausschließen, ist befugt,
dasselbe durch sich selbst oder durch einen Anderen in seinem Nahmen zu
erwerben.
§. 356. Wer also behauptet, daß der Person, die etwas erwerben
will, in Rücksicht ihrer persönlichen Fähigkeit, oder in Rücksicht auf die
Sache, die erworben werden soll, ein gesetzliches Hinderniß entgegen stehe, dem
liegt der Beweis ob.
Eintheilung des Eigenthumes in vollständiges und unvollständiges.
§. 357. Wenn das Recht auf die Substanz einer Sache mit dem Rechte
auf die Nutzungen in Einer und derselben Person vereinigt ist, so ist das
Eigenthumsrecht vollständig und ungetheilt. Kommt aber Einem nur ein Recht auf
die Substanz der Sache; dem Anderen dagegen nebst einem Rechte auf die Substanz,
das ausschließende Recht auf derselben Nutzungen zu, dann ist das
Eigenthumsrecht getheilt und für beyde unvollständig. Jener wird
Obereigenthümer; dieser Nutzungseigenthümer genannt.
§. 358. Alle andere Arten der Beschränkungen durch das Gesetz oder
durch den Willen des Eigenthümers heben die Vollständigkeit des Eigenthumes
nicht auf.
§. 359. Die Absonderung des Rechtes auf die Substanz von dem
Rechte auf die Nutzungen entsteht theils durch Verfügung des Eigenthümers;
theils durch gesetzliche Verordnung. Nach Verschiedenheit der zwischen dem
Ober- und Nutzungseigenthümer obwaltenden Verhältnisse werden die Güter, worin
das Eigenthum getheilt ist, Lehen- Erbpacht- und Erbzinsgüter genannt. Von dem
Lehen wird in dem besonders bestehenden Lehenrechte; von den Erbpacht- und
Erbzinsgütern aber in dem Hauptstücke von Bestandverträgen gehandelt.
§. 360. Aus der bloßen Abführung eines fortdauernden Zinses, oder
jährlicher Renten von einem Grundstücke kann man noch nicht auf die Theilung
des Eigenthumes folgern. In allen Fällen, in welchen die Trennung des Rechtes
auf die Substanz von dem Rechte auf die Nutzungen nicht ausdrücklich erhellet,
ist jeder redliche Besitzer als vollständiger Eigenthümer anzusehen.
Miteigenthum.
§. 361. Wenn eine noch ungetheilte Sache mehreren Personen
zugleich zugehört; so entsteht ein gemeinschaftliches Eigenthum. In Beziehung
auf das Ganze werden die Miteigenthümer für eine einzige Person angesehen; in
so weit ihnen aber gewisse, obgleich unabgesonderte Theile angewiesen sind, hat
jeder Miteigenthümer das vollständige Eigenthum des ihm gehörigen Theiles.
Rechte des Eigenthümers.
§. 362. Kraft des Rechtes, frey über sein Eigenthum zu verfügen,
kann der vollständige Eigenthümer in der Regel seine Sache nach Willkühr
benützen oder unbenützt lassen; er kann sie vertilgen, ganz oder zum Theile auf
Andere übertragen, oder unbedingt sich derselben begeben, das ist, sie
verlassen.
Beschränkungen derselben.
§. 363. Eben diese Rechte genießen auch unvollständige, sowohl
Ober- als Nutzungseigenthümer; nur darf der Eine nichts vornehmen, was mit dem
Rechte des Anderen im Widerspruche steht.
§. 364. Ueberhaupt findet die Ausübung des Eigenthumsrechtes nur
in so fern Statt, als dadurch weder in die Rechte eines Dritten ein Eingriff
geschieht, noch die in den Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung des
allgemeinen Wohles vorgeschriebenen Einschränkungen übertreten werden.
§. 365. Wenn es das allgemeine Beste erheischt, muß ein Mitglied
des Staates gegen eine angemessene Schadloshaltung selbst das vollständige
Eigenthum einer Sache abtreten.
Klagen aus dem Eigenthumsrechte:
a) Eigentliche Eigenthumsklage: wem und gegen wen sie gebühre?
§. 366. Mit dem Rechte des Eigenthümers jeden Anderen von dem
Besitze seiner Sache auszuschließen, ist auch das Recht verbunden, seine ihm
vorenthaltene Sache von jedem Inhaber durch die Eigenthumsklage gerichtlich zu
fordern. Doch steht dieses Recht demjenigen nicht zu, welcher eine Sache zur
Zeit, da er noch nicht Eigenthümer war, in seinem eigenen Nahmen veräußert, in
der Folge aber das Eigenthum derselben erlangt hat.
§. 367. Die Eigenthumsklage findet gegen den redlichen Besitzer
einer beweglichen Sache nicht Statt, wenn er beweiset, daß er diese Sache
entweder in einer öffentlichen Versteigerung, oder von einem zu diesem Verkehre
befugten Gewerbsmanne, oder gegen Entgeld von jemanden an sich gebracht hat,
dem sie der Kläger selbst zum Gebrauche, zur Verwahrung, oder in was immer für
einer anderen Absicht anvertrauet hatte. In diesen Fällen wird von den
redlichen Besitzern das Eigenthum erworben, und dem vorigen Eigenthümer steht
nur gegen jene, die ihm dafür verantwortlich sind, das Recht der
Schadloshaltung zu.
§. 368. Wird aber bewiesen, daß der Besitzer entweder schon aus
der Natur der an sich gebrachten Sache, oder aus dem auffallend zu geringen
Preise derselben, oder aus den bekannten persönlichen Eigenschaften seines
Vormannes, aus dessen Gewerbe oder anderen Verhältnissen einen gegründeten
Verdacht gegen die Redlichkeit seines Besitzers hätte schöpfen können; so muß
er als ein unredlicher Besitzer die Sache dem Eigenthümer abtreten.
Was dem Kläger zu beweisen obliege?
§. 369. Wer die Eigenthumsklage übernimmt, muß den Beweis führen,
daß der Geklagte die eingeklagte Sache in seiner Macht habe, und daß diese
Sache sein Eigenthum sey.
§. 370. Wer eine bewegliche Sache gerichtlich zurückfordert, muß
sie durch Merkmahle beschreiben, wodurch sie von allen ähnlichen Sachen
gleicher Gattung ausgezeichnet wird.
§. 371. Sachen, die sich auf diese Art nicht unterscheiden lassen,
wie bares Geld mit anderem baren Gelde vermenget, oder auf den Ueberbringer
lautende Schuldbriefe, sind also in der Regel kein Gegenstand der
Eigenthumsklage; wenn nicht solche Umstände eintreten, aus denen der Kläger
sein Eigenthumsrecht beweisen kann, und aus denen der Geklagte wissen mußte,
daß er die Sache sich zuzuwenden nicht berechtiget sey.
b) Eigenthumsklage aus dem rechtlich vermutheten Eigenthume des
Klägers.
Gegen welche Besitzer diese Vermuthung eintrete?
§. 372. Wenn der Kläger mit dem Beweise des erworbenen Eigenthumes
einer ihm vorenthaltenen Sache zwar nicht ausreicht, aber den gültigen Titel,
und die echte Art, wodurch er zu ihrem Besitze gelangt ist, dargethan hat; so
wird er doch in Rücksicht eines jeden Besitzers, der keinen, oder nur einen
schwächeren Titel seines Besitzes anzugeben vermag, für den wahren Eigenthümer
gehalten.
§. 373. Wenn also der Geklagte die Sache auf eine unredliche oder
unrechtmäßige Weise besitzt; wenn er keinen oder nur einen verdächtigen Vormann
anzugeben vermag; oder, wenn er die Sache ohne Entgeld, der Kläger aber gegen
Entgeld erhalten hat; so muß er dem Kläger weichen.
§. 374. Haben der Geklagte und der Kläger einen gleichen Titel
ihres echten Besitzes, so gebühret dem Geklagten kraft des Besitzes der Vorzug.
§. 375. Wer eine Sache in fremdem Nahmen besitzt, kann sich gegen
die Eigenthumsklage dadurch schützen, daß er seinen Vormann nahmhaft macht, und
sich darüber ausweiset.
Gesetzliche Folge: a) der Abläugnung des Besitzes;
§. 376. Wer den Besitz einer Sache vor Gericht läugnet, und dessen
überwiesen wird, muß dem Kläger deßwegen allein schon den Besitz abtreten; doch
behält er das Recht, in der Folge seine Eigenthumsklage anzustellen.
b) des vorgegebenen Besitzes;
§. 377. Wer eine Sache, die er nicht besitzt, zu besitzen vorgibt,
und den Kläger dadurch irre führt, haftet für allen daraus entstehenden
Schaden.
c) des aufgegebenen Besitzes der streitigen Sache.
§. 378. Wer eine Sache im Besitze hatte, und nach zugestellter
Klage fahren ließ, muß sie dem Kläger, wenn dieser sich nicht an den wirklichen
Inhaber halten will, auf seine Kosten zurück verschaffen, oder den
außerordentlichen Werth derselben ersetzen.
Was der Besitzer dem Eigenthümer erstatte.
§. 379. Was sowohl der redliche als unredliche Besitzer dem
Eigenthümer in Ansehung des entgangenen Nutzens, oder des erlittenen Schadens
zu ersetzen habe, ist in dem vorigen Hauptstücke bestimmt worden.
Drittes Hauptstück.
Von der Erwerbung des Eigenthumes durch Zueignung.
Rechtliche Erfordernisse der Erwerbung.
§. 380. Ohne Titel und ohne rechtliche Erwerbungsart kann kein
Eigenthum erlangt werden.
Titel und Art der unmittelbaren Erwerbung:
Die Zueignung.
§. 381. Bey freystehenden Sachen besteht der Titel in der
angebornen Freyheit, sie in Besitz zu nehmen. Die Erwerbungsart ist die
Zueignung, wodurch man sich einer freystehenden Sache bemächtiget, in der
Absicht, sie als die seinige zu behandeln.
§. 382. Freystehende Sachen können von allen Mitgliedern des
Staates durch die Zueignung erworben werden, in so fern dieses Befugniß nicht
durch politische Gesetze eigeschränkt ist, oder einigen Mitgliedern das
Vorrecht der Zueignung zusteht.
1) durch den Thierfang.
§. 383. Dieses gilt insbesondere von dem Thierfange. Wem das Recht
zu jagen oder zu fischen gebühre; wie der übermäßige Anwachs des Wildes
gehemmet, und der vom Wilde verursachte Schade ersetzet werde; wie der
Honigraub, der durch fremde Bienen geschieht, zu verhindern sey; ist in den politischen
Gesetzen festgesetzt. Wie Wilddiebe zu bestrafen seyn, wird in den
Strafgesetzen bestimmt.
§. 384. Häusliche Bienenschwärme und andere zahme oder zahm
gemachte Thiere sind kein Gegenstand des freyen Thierfanges, vielmehr hat der
Eigenthümer das Recht, sie auf fremdem Grunde zu verfolgen; doch soll er dem
Grundbesitzer den ihm etwa verursachten Schaden ersetzen. Im Falle, daß der
Eigenthümer des Mutterstockes den Schwarm durch zwey Tage nicht verfolgt hat;
oder, daß ein zahm gemachtes Thier durch zwey und vierzig Tage von selbst
ausgeblieben ist, kann sie auf gemeinem Grunde jedermann; auf dem seinigen der
Grundeigenthümer für sich nehmen, und behalten.
2) durch das Finden freystehender Sachen.
§. 385. Keine Privat-Person ist berechtiget, die dem Staate durch
die politischen Verordnungen vorbehaltenen Erzeugnisse sich zuzueignen.
§. 386. Bewegliche Sachen, welche der Eigenthümer nicht mehr als
die seinigen behalten will, und daher verläßt, kann sich jedes Mitglied des
Staates eigen machen
§. 387. In wie fern Grundstücke wegen gänzlicher Unterlassung
ihres Anbaues, oder Gebäude wegen der unterlassenen Herstellung für verlassen
anzusehen, oder einzuziehen seyn, bestimmen die politischen Gesetze.
Vorschriften über das Finden:
a) verlorener Sachen;
§. 388. Es ist im Zweifel nicht zu vermuthen, daß jemand sein
Eigenthum wolle fahren lassen; daher darf kein Finder eine gefundene Sache für
verlassen ansehen und sich dieselbe zueignen. Noch weniger darf sich jemand des
Strandrechtes anmaßen.
§. 389. Der Finder ist also verbunden, dem vorigen Besitzer, wenn
er aus den Merkmahlen der Sache, oder aus anderen Umständen deutlich erkannt
wird, die Sache zurück zu geben. Ist ihm der vorige Besitzer nicht bekannt, so
muß er, wenn das Gefundene einen Gulden am Werthe übersteigt, den Fund
innerhalb acht Tagen auf die an jedem Orte gewöhnliche Art bekannt machen
lassen, und wenn die gefundene Sache mehr als zwölf Gulden werth ist, den
Vorfall der Ortsobrigkeit anzeigen.
§. 390. Die Obrigkeit hat die gemachte Anzeige, ohne die
besonderen Merkmahle der gefundenen Sache zu berühren, ungesäumt auf die an
jedem Orte gewöhnliche Art; wenn aber der Eigenthümer in einer den Umständen
angemessenen Zeitfrist sich nicht entdecket, und der Werth der gefundenen Sache
fünf und zwanzig Gulden übersteigt, drey Mahl durch die öffentlichen
Zeitungsblätter bekannt zu machen. Kann die gefundene Sache nicht ohne Gefahr
in den Händen des Finders gelassen werden, so muß die Sache, oder, wenn diese
nicht ohne merklichen Schaden aufbewahrt werden könnte, der durch die
öffentliche Feilbiethung daraus gelöste Werth gerichtlich hinterlegt, oder
einem Dritten zur Verwahrung übergeben werden.
§. 391. Wenn sich der vorige Inhaber oder Eigenthümer der
gefundenen Sache in einer Jahresfrist, von der Zeit der vollendeten
Kundmachung, meldet, und sein Recht gehörig darthut, wird ihm die Sache oder
das daraus gelöste Geld verabfolget. Er ist jedoch verbunden, die Auslagen zu
vergüten, und dem Finder auf Verlangen Zehen vom Hundert des gemeinen Werthes
als Finderlohn zu entrichten. Wenn aber nach dieser Berechnung die Belohnung
eine Summe von tausend Gulden erreicht hat; so soll sie in Rücksicht des
Uebermaßes nur zu Fünf vom Hundert ausgemessen werden.
§. 392. Wird die gefundene Sache innerhalb der Jahresfrist von
niemanden mit Recht angesprochen, so erhält der Finder das Recht, die Sache
oder den daraus gelösten Werth zu benützen. Meldet sich der vorige Inhaber in
der Folge, so muß ihm nach Abzug der Kosten und des Finderlohnes die Sache,
oder der gelöste Werth sammt den etwa daraus gezogenen Zinsen zurückgestellt
werden. Erst nach der Verjährungszeit erlangt der Finder gleich einem redlichen
Besitzer das Eigenthumsrecht.
§. 393. Wer immer die in den §§. 388-392 angeführten Vorschriften
außer Acht läßt, haftet für alle schädlichen Folgen. Läßt sie der Finder außer
Acht, so verwirkt er auch den Finderlohn, und macht sich zu Folge des
Strafgesetzbuches noch überdieß nach Umständen des Betruges schuldig.
§. 394. Mehreren Personen, welche eine Sache zugleich gefunden haben,
kommen in Rücksicht derselben gleiche Verbindlichkeiten und Rechte zu. Unter
die Mitfinder wird auch derjenige gezählt, welcher zuerst die Sache entdecket,
und nach derselben gestrebt hat, obgleich ein Anderer sie früher an sich
gezogen hätte.
b) verborgener Gegenstände;
§. 395. Werden vergrabene, eingemauerte oder sonst verborgene
Sachen eines unbekannten Eigenthümers entdeckt; muß die Anzeige so, wie bey dem
Funde überhaupt, gemacht werden.
§. 396. Wird der Eigenthümer aus den äußerlichen Merkmahlen oder
anderen Umständen entdeckt, so ist ihm die Sache zuzustellen; er muß aber, wenn
er nicht beweisen kann, schon ehe Kenntniß davon gehabt zu haben, dem Finder
den §. 391. ausgemessenen Finderlohn entrichten.
§. 397. In dem Falle, daß sich der Eigenthümer nicht sogleich
erkennen läßt, muß die Obrigkeit nach den Vorschriften der §§. 390-392.
verfahren.
e) eines Schatzes;
§. 398. Bestehen die entdeckten Sachen in Geld, Schmuck oder
anderen Kostbarkeiten, die so lange im Verborgenen gelegen haben, daß man ihren
vorigen Eigenthümer nicht mehr erfahren kann, dann heißen sie ein Schatz. Die
Entdeckung eines Schatzes ist von der Obrigkeit der Landesstelle anzuzeigen.
§. 399. Von einem Schatze wird der dritte Theil zum Staatsvermögen
gezogen. Von den zwey übrigen Drittheilen erhält Eines der Finder, das andere
der Eigenthümer des Grundes. Ist das Eigenthum des Grundes getheilt, so fällt
das Drittheil dem Ober- und Nutzungseigenthümer zu gleichen Theilen zu. 1
§. 400. Wer sich dabey einer unerlaubten Handlung schuldig
gemacht; wer ohne Wissen und Willen des Nutzungseigenthümers den Schatz
aufgesucht; oder den Fund verheimlichet hat; dessen Antheil soll dem Angeber;
oder, wenn kein Angeber vorhanden ist, dem Staate zufallen.
§. 401. Finden Arbeitsleute zufälliger Weise einen Schatz, so
gebührt ihnen als Findern ein Drittheil davon. Sind sie aber von dem
Eigenthümer ausdrücklich zur Aufsuchung eines Schatzes gedungen worden, so
müssen sie sich mit ihrem ordentlichen Lohne begnügen.
3) Von der Beute.
§. 402. Ueber das Recht der Beute und der von dem Feinde zurück
erbeuteten Sachen sind die Vorschriften in den Kriegsgesetzen enthalten.
Von dem Rechte aus der Rettung einer fremden beweglichen Sache.
§. 403. Wer eine fremde bewegliche Sache von dem unvermeidlichen
Verluste oder Untergange rettet, ist berechtiget, von dem rückfordernden
Eigenthümer den Ersatz seines Aufwandes und eine verhältnißmäßige Belohnung von
höchstens Zehen von Hundert zu fordern.
Viertes Hauptstück.
Von Erwerbung des Eigenthumes durch Zuwachs.
Zuwachs.
§. 404. Zuwachs heißt Alles, was aus einer Sache entsteht, oder
neu zu derselben kommt, ohne daß es dem Eigenthümer von jemand Anderen
übergeben worden ist. Der Zuwachs wird durch Natur, durch Kunst, oder durch
beyde zugleich bewirkt.
I. Natürlicher Zuwachs:
a) an Natur-Producten;
b) Werfen der Thiere;
§. 405. Die natürlichen Früchte eines Grundes, nähmlich solche
Nutzungen, die er, ohne bearbeitet zu werden, hervor bringt, als: Kräuter,
Schwämme und dergleichen, wachsen dem Eigenthümer des Grundes, so wie alle
Nutzungen, welche aus einem Thiere entstehen, dem Eigenthümer des Thieres zu.
§. 406. Der Eigenthümer eines Thieres, welches durch das Thier
eines andern befruchtet wird, ist diesem keinen Lohn schuldig, wenn er nicht
bedungen worden ist.
c) Inseln;
§. 407. Wenn in der Mitte eines Gewässers eine Insel entsteht, so
sind die Eigenthümer der nach der Länge derselben an beyden Ufern liegenden
Grundstücke ausschließend befugt, die entstandene Insel in zwey gleichen
Theilen sich zuzueignen, und nach Maß der Länge ihrer Grundstücke unter sich zu
theilen. Entsteht die Insel auf der einen Hälfte des Gewässers, so hat der
Eigenthümer des näheren Uferlandes allein darauf Anspruch. Inseln auf
schiffbaren Flüssen bleiben dem Staate vorbehalten.
§. 408. Werden bloß durch die Austrocknung des Gewässers, oder
durch desselben Theilung in mehrere Arme, Inseln gebildet, oder Grundstücke
überschwemmt; so bleiben die Rechte des vorigen Eigenthumes unverletzt.
d) vom verlassenen Wasserbeete;
§. 409. Wenn ein Gewässer sein Beet verläßt, so haben vor Allem
die Grundbesitzer, welche durch den neuen Lauf des Gewässers Schaden leiden,
das Recht, aus dem verlassenen Beete oder dessen Werthe entschädigt zu werden.
§. 410. Außer dem Falle einer solchen Entschädigung gehört das
verlassene Beet, so wie von einer entstandenen Insel verordnet wird, den
angränzenden Uferbesitzern.
e) vom Anspühlen;
§. 411. Das Erdreich, welches ein Gewässer unmerklich an ein Ufer
anspühlt, gehört dem Eigenthümer des Ufers.
f) vom abgerissenen Lande.
§. 412. Wird aber ein merklicher Erdtheil durch die Gewalt des
Flusses an ein fremdes Ufer gelegt; so verliert der vorige Besitzer sein
Eigenthumsrecht darauf nur in dem Falle, wenn er es in einer Jahresfrist nicht
ausübt.
§. 413. Jeder Grundbesitzer ist befugt, sein Ufer gegen das
Ausreißen des Flusses zu befestigen. Allein niemand darf solche Werke oder
Pflanzungen anlegen, die den ordentlichen Lauf des Flusses verändern, oder die
der Schiffahrt, den Mühlen, der Fischerey oder andern fremden Rechten
nachtheilig werden könnten. Ueberhaupt können ähnliche Anlagen nur mit
Erlaubniß der politischen Behörde gemacht werden.
II. Künstlicher Zuwachs durch Verarbeitung oder Vereinigung
überhaupt;
§. 414. Wer fremde Sachen verarbeitet; wer sie mit den seinigen
vereinigt, vermengt, oder vermischt, erhält dadurch noch keinen Anspruch auf
das fremde Eigenthum.
§. 415. Können dergleichen verarbeitete Sachen in ihren vorigen
Stand zurückgebracht; vereinigte, vermengte oder vermischte Sachen wieder
abgesondert werden; so wird einem jeden Eigenthümer das Seinige
zurückgestellet, und demjenigen Schadloshaltung geleistet, dem sie gebührt. Ist
die Zurücksetzung in den vorigen Stand, oder die Absonderung nicht möglich, so
wird die Sache den Theilnehmern gemein; doch steht demjenigen, mit dessen Sache
der Andere durch Verschulden die Vereinigung vorgenommen hat, die Wahl frey, ob
er den ganzen Gegenstand gegen Ersatz der Verbesserung behalten, oder ihn dem
Andern ebenfalls gegen Vergütung überlassen wolle. Der Schuld tragende
Theilnehmer wird nach Beschaffenheit seiner redlichen oder unredlichen Absicht
behandelt. Kann aber keinem Theile ein Verschulden beygemessen werden, so
bleibt dem, dessen Antheil mehr werth ist, die Auswahl vorbehalten.
§. 416. Werden fremde Materialien nur zur Ausbesserung einer Sache
verwendet, so fällt die fremde Materie dem Eigenthümer der Hauptsache zu, und
dieser ist verbunden, nach Beschaffenheit seines redlichen oder unredlichen
Verfahrens, dem vorigen Eigenthümer der verbrauchten Materialien den Werth
derselben zu bezahlen.
insbesondere bey einem Baue.
§. 417. Wenn jemand auf eigenem Boden ein Gebäude aufführet, und
fremde Materialien dazu verwendet hat, so bleibt das Gebäude zwar sein Eigenthum;
doch muß selbst ein redlicher Bauführer dem Beschädigten die Materialien, wenn
er sie außer den im §. 367. angeführten Verhältnissen an sich gebracht hat,
nach dem gemeinen; ein unredlicher aber muß sie nach dem höchsten Preise, und
überdieß noch allen anderweitigen Schaden ersetzen.
§. 418. Hat im entgegen gesetzten Falle jemand mit eigenen
Materialien, ohne Wissen und Willen des Eigenthümers auf fremdem Grunde gebaut,
so fällt das Gebäude dem Grundeigenthümer zu. Der redliche Bauführer kann den
Ersatz der nothwendigen und nützlichen Kosten fordern; der unredliche wird
gleich einem Geschäftsführer ohne Auftrag behandelt. Hat der Eigenthümer des
Grundes die Bauführung gewußt, und sie nicht sogleich dem redlichen Bauführer
untersagt, so kann er nur den gemeinen Werth für den Grund fordern.
§. 419. Ist das Gebäude auf fremden Grunde, und aus fremden
Materialien entstanden, so wächst auch in diesem Falle das Eigenthum desselben
dem Grundeigenthümer zu. Zwischen dem Grundeigenthümer und dem Bauführer treten
die nähmlichen Rechte und Verbindlichkeiten, wie in dem vorstehenden
Paragraphe, ein, und der Bauführer muß dem vorigen Eigenthümer der Materialien,
nach Beschaffenheit seiner redlichen oder unredlichen Absicht, den gemeinen
oder den höchsten Werth ersetzen.
III. Vermischter Zuwachs.
§. 420. Was bisher wegen der mit fremden Materialien aufgeführten
Gebäude bestimmt worden ist, gilt auch für die Fälle, wenn ein Feld mit fremden
Samen besäet, oder mit fremde Pflanzen besetzt worden ist. Ein solcher Zuwachs
gehört dem Eigenthümer des Grundes, wenn anders die Pflanzen schon Wurzel
geschlagen haben.
§. 421. Das Eigenthum eines Baumes wird nicht nach den Wurzeln,
die sich in einem angränzenden Grunde verbreiten, sondern nach dem Stamme
bestimmt, der aus dem Grunde hervorragt. Steht der Baum auf den Gränzen
mehrerer Eigenthümer, so ist ihnen der Baum gemein.
§. 422. Jeder Grundeigenthümer kann die Wurzeln eines fremden
Baumes aus seinem Boden reißen, und die über seinem Luftraume hängenden Aeste
abschneiden oder sonst benützen.
Fünftes Hauptstück.
Von Erwerbung des Eigenthumes durch Uebergabe.
Mittelbare Erwerbung.
§. 423. Sachen, die schon einen Eigenthümer haben, werden
mittelbar erworben, indem sie auf eine rechtliche Art von dem Eigenthümer auf
einen Andern übergehen.
Titel derselben.
§. 424. Der Titel der mittelbaren Erwerbung liegt in einem
Vertrage; in einer Verfügung auf den Todesfall; in dem richterlichen
Ausspruche; oder, in der Anordnung des Gesetzes.
Mittelbare Erwerbungsart.
§. 425. Der bloße Titel gibt noch kein Eigenthum. Das Eigenthum
und alle dingliche Rechte überhaupt können, außer den in dem Gesetze bestimmten
Fällen, nur durch die rechtliche Uebergabe und Uebernahme erworben werden.
Arten der Uebergabe:
1) bey beweglichen Sachen:
a) körperliche Uebergabe;
§. 426. Bewegliche Sachen können in der Regel nur durch
körperliche Uebergabe von Hand zu Hand an einen Andern übertragen werden.
b) Uebergabe durch Zeichen;
§. 427. Bey solchen beweglichen Sachen aber, welche ihrer
Beschaffenheit nach keine körperliche Uebergabe zulassen, wie bey
Schuldforderungen, Frachtgütern, bey einem Waarenlager oder einer andern
Gesammtsache, gestattet das Gesetz die Uebergabe durch Zeichen; indem der
Eigenthümer dem Uebernehmer die Urkunden, wodurch das Eigenthum dargethan wird,
oder die Werkzeuge übergibt, durch die der Uebernehmer in den Stand gesetzt
wird, ausschließend den Besitz der Sache zu ergreifen; oder, indem man mit der
Sache ein Merkmahl verbindet, woraus jedermann deutlich erkennen kann, daß die
Sache einem Andern überlassen worden ist.
c) durch Erklärung.
§. 428. Durch Erklärung wird die Sache übergeben, wenn der
Veräußerer auf eine erweisliche Art seinen Willen an den Tag legt, daß er die
Sache künftig im Nahmen des Uebernehmers inne habe; oder, daß der Uebernehmer
die Sache, welche er bisher ohne ein dingliches Recht inne hatte, künftig aus
einem dinglichen Recht besitzen solle.
Folge in Rücksicht der übersendeten;
§. 429. In der Regel werden überschickte Sachen erst dann für
übergeben gehalten, wenn sie der Uebernehmer erhält; es wäre denn, daß dieser
die Ueberschickungsart selbst bestimmt oder genehmiget hätte.
oder, an Mehrere veräußerten Sachen.
§. 430. Hat ein Eigenthümer eben dieselbe bewegliche Sache an zwey
verschiedene Personen, an Eine mit, an die Andere ohne Uebergabe veräußert; so
gebührt sie derjenigen, welcher sie zuerst übergeben worden ist; doch hat der
Eigenthümer dem verletzten Theile zu haften.
2) Uebergabe unbeweglicher Sachen mittelst Einverleibung in die
öffentlichen Bücher.
§. 431. Zur Uebertragung des Eigenthumes unbeweglicher Sachen muß
das Erwerbungsgeschäft in die dazu bestimmten öffentlichen Bücher eingetragen
werden. Diese Eintragung nennt man Einverleibung (Intabulation).
Bedingungen derselben.
§. 432. Vor Allem ist zur Einverleibung in das öffentliche Buch
nothwendig, daß derjenige, von dem das Eigenthum auf einen Andern übergehen
soll, selbst schon als Eigenthümer einverleibt sey.
Insbesondere bey einer Erwerbung;
a) durch Vertrag.
§. 433. Zur weitern Uebertragung vermittelst Vertrages ist es bey
Bauerngütern genug, wenn der Uebergeber und Uebernehmer oder auch nur der
Uebergeber allein, vor der Grundobrigkeit erscheint, und die Einverleibung des
Erwerbungsgeschäftes in das öffentliche Buch bewirket.
§. 434. Wenn aber der Uebergeber nicht persönlich erscheint, und
in allen, städtische oder landtäfliche Güter betreffenden Fällen, muß über das
Erwerbungsgeschäft eine schriftliche Urkunde aufgesetzt, und sowohl von den
Vertrag schließenden Theilen, als von zwey glaubwürdigen Männern als Zeugen
gefertiget werden.
§. 435. In einer solchen Urkunde müssen die Personen, welche das
Eigenthum übergeben und übernehmen; die Sache, welche übergeben werden soll,
mit ihren Gränzen; der Titel der Erwerbung; ferner, der Ort und die Zeit des
geschlossenen Geschäftes bestimmt angemerket, und es muß von dem Uebergeber in
dieser, oder in einer besondern Urkunde die Bewilligung ertheilet werden, daß
der Uebernehmer als Eigenthümer einverleibt werden könne.
b) durch Urtheil und andere gerichtliche Urkunden;
§. 436. Wenn das Eigenthum unbeweglicher Sachen zu Folge eines
rechtskräftigen Urtheiles, gerichtlichen Theilungs-Instrumentes, oder einer
gerichtlichen Ueberantwortung einer Erbschaft übertragen werden soll; so ist
ebenfalls die Einverleibung dieser Urkunden erforderlich.
oder c) durch Vermächtniß.
§. 437. Eben so ist es, um das Eigenthum eines vermachten
unbeweglichen Gutes zu erwerben, nicht genug, daß die Anordnung des Erblassers
überhaupt den öffentlichen Büchern einverleibt worden sey. Wer eine Forderung
dieser Art hat, muß bey der Behörde noch die besondere Einverleibung des
Vermächtnisses auswirken.
Bedingte Aufzeichnung in das öffentliche Buch; oder Vormerkung.
§. 438. Wenn derjenige, welcher das Eigenthum einer unbeweglichen
Sache anspricht, darüber zwar eine glaubwürdige, aber nicht mit allen in den
§§. 434 und 435 zur Einverleibung vorgeschriebenen Erfordernissen versehene
Urkunde besitzt; so kann er doch, damit ihm niemand ein Vorrecht abgewinne, die
bedingte Eintragung in das öffentliche Buch bewirken, welche Vormerkung
(Pränotation) genannt wird. Dadurch erhält er ein bedingtes Eigenthumsrecht,
und er wird, sobald er zu Folge richterlichen Anspruches die Vormerkung
gerechtfertiget hat, von der Zeit des nach gesetzlicher Ordnung eingereichten Vormerkungsgesuches,
für den wahren Eigenthümer gehalten.
§. 439. Die geschehene Vormerkung muß sowohl demjenigen, der sie
bewirkt hat, als auch seinem Gegner durch Zustellung zu eigenen Handen bekannt
gemacht werden. Der Vormerkungswerber muß binnen vierzehn Tagen, vom Tage der
erhaltenen Zustellung, die ordentliche Klage zum Erweise des Eigenthumsrechtes
einreichen; widrigen Falls soll die bewirkte Vormerkung auf Ansuchen des
Gegners gelöschet werden.
Vorschrift über die Collision der Einverleibungen.
§. 440. Hat der Eigenthümer eben dieselbe unbewegliche Sache zwey
verschiedenen Personen überlassen; so fällt sie derjenigen zu, welche früher
die Einverleibung angesucht hat.
Folge der Erwerbung:
a) in Rücksicht des Besitzes;
§. 441. So bald die Urkunde über das Eigenthumsrecht in das
öffentliche Buch eingetragen ist, tritt der neue Eigenthümer in den
rechtmäßigen Besitz.
b) der damit verbundenen Rechte;
§. 442. Wer das Eigenthum einer Sache erwirbt, erlangt auch die
damit verbundenen Rechte. Rechte, die auf die Person des Uebergebers
eingeschränkt sind, kann er nicht übergeben. Ueberhaupt kann niemand einem
Andern mehr Recht abtreten, als er selbst hat.
c) Lasten.
§. 443. Mit dem Eigenthume unbeweglicher Sachen werden auch die
darauf haftenden, in den öffentlichen Büchern angemerkten Lasten übernommen.
Wer diese Bücher nicht einsieht, leidet in allen Fällen für seine
Nachlässigkeit. Andere Forderungen und Ansprüche, die jemand an den vorigen
Eigenthümer hat, gehen nicht auf den neuen Erwerbe über.
Erlöschung des Eigenthumsrechtes.
§. 444. Das Eigenthum überhaupt kann durch den Willen des
Eigenthümers; durch das Gesetz; und durch richterlichen Ausspruch verloren
gehen. Das Eigenthum der unbeweglichen Sachen aber wird nur durch die Löschung
aus den öffentlichen Büchern aufgehoben.
Ausdehnung dieser Vorschriften auf andere dingliche Rechte.
§. 445. Nach den in diesem Hauptstücke über die Erwerbungs- und
Erlöschungsart des Eigenthumsrechtes unbeweglicher Sachen gegebenen
Vorschriften hat man sich auch bey den übrigen, auf unbewegliche Sachen sich
beziehenden, dinglichen Rechten zu verhalten.
Form und Vorsichten der Einverleibungen.
§. 446. Auf was Art und mit welchen Vorsichten überhaupt bey Einverleibung
dinglicher Rechte vorzugehen sey, ist in den über die Einrichtung der
Landtafeln und Grundbücher bestehenden besondern Anordnungen enthalten.
Sechstes Hauptstück.
Von dem Pfandrechte.
Begriff von dem Pfandrechte und Pfande.
§. 447. Das Pfandrecht ist das dingliche Recht, welches vom
Gläubiger eingeräumt wird, aus einer Sache, wenn die Verbindlichkeit zur
bestimmten Zeit nicht erfüllt wird, die Befriedigung zu erlangen. Die Sache,
worauf dem Gläubiger dieses Recht zusteht, heißt überhaupt ein Pfand.
Arten des Pfandes.
§. 448. Als Pfand kann jede Sache dienen, die im Verkehre steht.
Ist sie beweglich, so wird sie Handpfand, oder ein Pfand in enger Bedeutung
genannt; ist sie unbeweglich, so heißt sie eine Hypothek oder ein Grundpfand.
Titel des Pfandrechtes:
§. 449. Das Pfandrecht bezieht sich zwar immer auf eine gültige
Forderung, aber nicht jede Forderung gibt einen Titel zur Erwerbung des
Pfandrechtes. Dieser gründet sich auf das Gesetz; auf einen richterlichen
Ausspruch; auf einen Vertrag; oder den letzten Willen des Eigenthümers.
§. 450. Die Fälle, in welchen das Gesetz jemanden das Pfandrecht
einräumt, sind am gehörigen Orte dieses Gesetzbuches und bey dem Verfahren in
Concurs-Fällen angegeben. In wie fern das Gericht ein Pfandrecht einräumen
könne, bestimmt die Gerichtsordnung. Soll durch die Einwilligung des Schuldners
oder eines Dritten, der seine Sache für ihn verhaftet, das Pfandrecht erworben
werden; so dienen die Vorschriften von Verträgen und Vermächtnissen zur
Richtschnur.
Erwerbungsart des Pfandrechtes:
a) durch körperliche Uebergabe;
b) durch Einverleibung in die öffentlichen Bücher;
§. 451. Um das Pfandrecht wirklich zu erwerben, muß der mit einem
Titel versehene Gläubiger, die verpfändete Sache, wenn sie beweglich ist, in
Verwahrung nehmen; und, wenn sie unbeweglich ist, seine Forderung auf die zur
Erwerbung des Eigenthumes liegender Güter vorgeschriebene Art einverleiben
lassen. Der Titel allein gibt nur ein persönliches Recht zu der Sache, aber
kein dingliches Recht auf die Sache.
c) durch symbolische Uebergabe;
§. 452. Bey Verpfändung derjenigen beweglichen Sachen, welche
keine körperliche Uebergabe von Hand zu Hand zulassen, muß man sich, wie bey
der Uebertragung des Eigenthumes (§. 427.), solcher Zeichen bedienen, woraus
jedermann die Verpfändung leicht erfahren kann. Wer diese Vorsicht unterläßt,
haftet für die nachtheiligen Folgen.
d) durch die Vormerkung.
§. 453. Findet die Einverleibung einer Forderung in die
öffentlichen Bücher wegen Mangels gesetzmäßiger Förmlichkeit in der Urkunde
nicht Statt; so kann sich der Gläubiger vormerken (pränotiren) lassen. Durch
die Vormerkung erhält er ein bedingtes Pfandrecht, welches, wenn die Forderung
auf die oben §§. 438 und 439. angeführte Art gerechtfertiget worden ist, von
dem Zeitpuncte des nach gesetzlicher Ordnung eingereichten Vormerkungsgesuches
in ein unbedingtes übergeht.
Erwerbung eines Afterpfandes.
§. 454. Der Pfandinhaber kann sein Pfand, in so weit er ein Recht
darauf hat, einem Dritten wieder verpfänden, und in so fern wird es zum
Afterpfande, wenn zugleich Letzterer sie dasselbe übergeben, oder die
Afterverpfändung auf das Pfandrecht in die öffentlichen Bücher eintragen läßt.
§. 455. Wird der Eigenthümer von der weiteren Verpfändung
benachrichtiget; so kann er seine Schuld nur mit Willen dessen, der das
Afterpfand hat, dem Gläubiger abführen, oder er muß sie gerichtlich
hinterlegen, sonst bleibt das Pfand dem Inhaber des Afterpfandes verhaftet.
Verpfändung einer fremden Sache.
§. 456. Wird eine fremde bewegliche Sache ohne Einwilligung des
Eigenthümers verpfändet, so hat dieser in der Regel zwar das Recht, sie zurück
zu fordern; aber in solchen Fällen, in welchen die Eigenthumsklage gegen einen
redlichen Besitzer nicht Statt hat (§. 367.) ist er verbunden, entweder den
redlichen Pfandinhaber schadlos zu halten, oder das Pfand fahren zu lassen, und
sich mit dem Ersatzrechte gegen den Verpfänder zu begnügen.
Objectiver Umfang des Pfandrechtes.
§. 457. Das Pfandrecht erstreckt sich auf alle zu dem freyen
Eigenthume des Verpfänders gehörige Theile, auf Zuwachs und Zugehör des
Pfandes, folglich auch auf die Früchte, in so lange sie noch nicht abgesondert
oder bezogen sind. Wenn also ein Schuldner einem Gläubiger sein Gut, und einem
andern später die Früchte desselben verpfändet; so ist die spätere Verpfändung
nur in Rücksicht auf die schon abgesonderten und bezogenen Früchte wirksam.
Rechte und Verbindlichkeiten des Pfandgläubigers:
a) bey Entdeckung eines unzureichenden Pfandes;
§. 458. Wenn der Werth eines Pfandes durch Verschulden des
Pfandgebers, oder wegen eines erst offenbar gewordenen Mangels der Sache zur
Bedeckung der Schuld nicht mehr zureichend gefunden wird; so ist der Gläubiger
berechtigt, von dem Pfandgeber ein anderes angemessenes Pfand zu fordern.
b) vor dem Verfalle;
§. 459. Ohne Bewilligung des Pfandgebers darf der Gläubiger das
Pfandstück nicht benützen; er muß es vielmehr genau bewahren, und, wenn es
durch sein Verschulden in Verlust geräth, dafür haften. Geht es ohne sein
Verschulden verloren, so verliert er deswegen seine Forderung nicht.
§. 460. Hat der Gläubiger das Pfand weiter verpfändet; so haftet
er selbst für einen solchen Zufall, wodurch das Pfand bey ihm nicht zu Grunde
gegangen oder verschlimmert worden wäre.
c) nach dem Verfalle der Forderung.
§. 461. Wird der Pfandgläubiger nach Verlauf der bestimmten Zeit
nicht befriediget; so ist er befugt, Feilbiethung des Pfandes gerichtlich zu
verlangen. Das Gericht hat dabey nach Vorschrift der Gerichtsordnung zu
verfahren.
§. 462. Vor der Feilbiethung des Gutes ist jedem darauf
eingetragenen Pfandgläubiger die Einlösung der Forderung, wegen welcher die
Feilbiethung angesucht worden, zu gestatten.
§. 463. Schuldner haben kein Recht bey Versteigerung einer von
ihnen verpfändeten Sache mitzubiethen.
§. 464. Wird der Schuldbetrag aus dem Pfande nicht gelöset, so
ersetzt der Schuldner das Fehlende; ihm fällt aber auch das zu, was über den
Schuldbetrag gelöset wird.
§. 465. In wie fern ein Pfandgläubiger sich an sein Pfand zu
halten schuldig; oder, auf ein anderes Vermögen seines Schuldners zu greifen
berechtiget sey, bestimmt die Gerichtsordnung.
§. 466. Hat der Schuldner während der Verpfändungszeit das
Eigenthum der verpfändeten Sache auf einen Andern übertragen, so steht dem
Gläubiger frey, erst sein persönliches Recht gegen den Schuldner, und dann
seine volle Befriedigung an der verpfändeten Sache zu suchen.
Erlöschung des Pfandrechtes.
§. 467. Wenn die verpfändete Sache zerstört wird; wenn sich der
Gläubiger seines Rechtes darauf gesetzmäßig begibt; oder, wenn er sie dem
Schuldner ohne Vorbehalt zurückstellt; so erlischt zwar das Pfandrecht, aber
die Schuldforderung besteht noch.
§. 468. Das Pfandrecht erlischt ferner mit der Zeit, auf welche es
eingeschränkt war, folglich auch mit dem zeitlichen Rechte des Pfandgebers auf
die verpfändete Sache; wenn anders dieser Umstand dem Gläubiger bekannt war,
oder aus den öffentlichen Büchern bekannt seyn konnte.
§. 469. Durch Tilgung der Schuld hört das Pfandrecht auf. Der
Pfandgeber ist aber die Schuld nur gegen dem zu tilgen verbunden, daß ihm das
Pfand zugleich zurückgestellt werde. Zur Aufhebung einer Hypothek ist die
Tilgung der Schuld allein nicht hinreichend. Ein Hypothekar-Gut bleibt so lange
verhaftet, bis die Schuldurkunde aus den öffentlichen Büchern gelöscht ist.
Vom Vorzugsrechte der Pfandgläubiger.
§. 470. Die Vorzugsrechte der Gläubiger bey dem Ausbruche eines
Concurses bestimmt das Verfahren in Concurs-Fällen.
Von dem Retentions-Rechte.
§. 471. Weder der Pfandnehmer, noch irgend ein anderer Inhaber
einer fremden Sache ist nach Erlöschung des ihm eingeräumten Rechtes befugt,
dieselbe aus dem Grunde einer Forderung zurück zu behalten. Er kann aber, wenn
die in der Gerichtsordnung bestimmten Erfordernisse eintreten, und die Sache
beweglich ist, sie in gerichtliche Verwahrung geben und mit Verboth belegen,
oder, wenn sie unbeweglich ist, die Sequestration derselben ansuchen.
Siebentes Hauptstück.
Von Dienstbarkeiten.
(Servituten.)
Begriff des Rechtes der Dienstbarkeit.
§. 472. Durch das Recht der Dienstbarkeit wird ein Eigenthümer
verbunden, zum Vortheile eines Andern in Rücksicht seiner Sache etwas zu dulden
oder zu unterlassen. Es ist ein dingliches, gegen jeden Besitzer der
dienstbaren Sache wirksames Recht.
Eintheilung der Dienstbarkeiten in Grunddienstbarkeiten und
persönliche;
§. 473. Wird das Recht der Dienstbarkeit mit dem Besitze eines
Grundstückes zu dessen vortheilhafteren oder bequemeren Benützung verknüpft; so
entsteht eine Grunddienstbarkeit; außer dem ist die Dienstbarkeit persönlich.
in Feld- und Haus-Servituten.
§. 474. Grunddienstbarkeiten setzen zwey Grundbesitzer voraus,
deren Einem als Verpflichteten das dienstbare; dem Andern als Berechtigten das
herrschende Gut gehört. Das herrschende Grundstück ist entweder zur
Landwirthschaft oder zu einem andern Gebrauche bestimmt; daher unterscheidet
man auch die Feld- und Haus-Servituten.
Gewöhnlichere Arten: a) der Haus-Servituten;
§. 475. Die Haus-Servituten sind gewöhnlich:
1) Das Recht, eine Last seines Gebäudes auf ein fremdes Gebäude zu
setzen;
2) Einen Balken oder Sparren in eine fremde Wand einfügen;
3) Ein Fenster in der fremden Wand zu öffnen; es sey des Lichtes
oder der Aussicht wegen;
4) Ein Dach oder einen Erker über des Nachbars Luftraum zu bauen;
5) Den Rauch durch des Nachbars Schorstein zu führen;
6) Die Dachtraufe auf fremden Grund zu leiten;
7) Flüssigkeiten auf des Nachbars Grund zu gießen oder
durchzuführen.
Durch diese und ähnliche Haus-Servituten wird ein Hausbesitzer
befugt, etwas auf dem Grunde seines Nachbars vorzunehmen, was dieser dulden
muß.
§. 476. Durch andere Haus-Servituten wird der Besitzer des
dienstbaren Grundes verpflichtet, etwas zu unterlassen, was ihm sonst zu thun
frey stand. Dergleichen sind:
8) sein Haus nicht zu erhöhen;
9) es nicht niedriger zu machen;
10) dem herrschenden Gebäude Licht und Luft;
11) oder Aussicht nicht zu benehmen;
12) die Dachtraufe seines Hauses von dem Grunde des Nachbars, dem
sie zur Bewässerung seines Gartens oder zur Füllung seiner Zisterne, oder auf
eine andere Art nützlich seyn kann, nicht abzuleiten.
b) der Feld-Servituten;
§. 477. Die vorzüglichen Feld-Servituten sind:
1) das Recht, einen Fußsteig, Viehtrieb oder Fahrweg auf fremden
Grund und Boden zu halten.
2) das Wasser zu schöpfen, das Vieh zu tränken, das Wasser ab- und
herzuleiten;
3) Das Vieh zu hüthen und zu weiden;
4) Holz zu fällen, verdorrte Aeste und Reiser zu sammeln, Eicheln
zu lösen, Laub zu rechen;
5) zu jagen, zu fischen, Vögel zu fangen;
6) Steine zu brechen, Sand zu graben, Kalk zu brennen.
Arten der persönlichen Dienstbarkeiten.
§. 478. Die persönlichen Servituten sind: der nöthige Gebrauch
einer Sache; die Fruchtnießung; und die Wohnung.
Unregelmäßige und Schein-Servituten.
§. 479. Es können aber auch Dienstbarkeiten, welche an sich
Grunddienstbarkeiten sind, der Person allein; oder, es können Begünstigungen,
die ordentlicher Weise Servituten sind, nur bloß auf Widerrufen zugestanden
werden. Die Abweichungen von der Natur einer Servitut werden jedoch nicht
vermuthet; wer sie behauptet, dem liegt der Beweis ob.
Erwerbung des Rechtes der Dienstbarkeit. Titel zur Erwerbung.
§. 480. Der Titel zu einer Servitut ist auf einem Vertrage; auf
einer letzten Willenserklärung; auf einem bey der Theilung gemeinschaftlicher
Grundstücke erfolgten Rechtsspruche; oder endlich, auf Verjährung gegründet.
Erwerbungsart.
§. 481. Das dingliche Recht der Dienstbarkeit kann auf
unbewegliche Sachen und überhaupt auf solche Gegenstände, die in öffentlichen
Büchern eingetragen sind, nur durch die Eintragung in dieselben erworben
werden; auf andere Sachen aber erlangt man es durch die oben (§§. 426-428.)
angegebenen Arten der Uebergabe.
Rechtsverhältniß bey den Dienstbarkeiten.
Allgemeine Vorschriften über das Recht der Dienstbarkeit.
§. 482. Alle Servituten kommen darin überein, daß der Besitzer der
dienstbaren Sache in der Regel nicht verbunden ist, etwas zu thun; sondern nur
einem Andern die Ausübung eines Rechtes zu gestatten, oder das zu unterlassen,
was er als Eigenthümer sonst zu thun berechtiget wäre.
§. 483. Daher muß auch der Aufwand zur Erhaltung und Herstellung
der Sache, welche zur Dienstbarkeit bestimmt ist, in der Regel von dem
Berechtigten getragen werden. Wenn aber diese Sache auch von dem Verpflichteten
benützet wird; so muß er verhältnißmäßig zu dem Aufwande beytragen, und nur
durch die Abtretung derselben an dem Berechtigten kann er sich, auch ohne
dessen Beystimmung, von dem Beytrage befreyen.
§. 484. Der Besitzer des herrschenden Gutes kann zwar sein Recht
auf die ihm gefällige Art ausüben; doch dürfen Servituten nicht erweitert, sie
müssen vielmehr, in so weit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung
gestattet, eingeschränkt werden.
§. 485. Keine Servitut läßt sich eigenmächtig von der dienstbaren
Sache absondern, noch auf eine andere Sache oder Person übertragen. Auch wird
jede Servitut in so fern für untheilbar gehalten, als das auf dem Grundstücke
haftende Recht durch Vergrößerung, Verkleinerung oder Zerstückung desselben
weder verändert noch getheilt werden kann.
§. 486. Ein Grundstück kann mehrern Personen zugleich dienstbar
seyn, wenn anders die ältern Rechte eines Dritten nicht darunter leiden.
Anwendung auf die Grunddienstbarkeiten; insbesondere auf das
Recht, eine Last, einen Balken auf fremdem Gebäude zu haben, oder, den Rauch
durchzuführen.
§. 487. Nach den hier aufgestellten Grundsätzen sind die
Rechtsverhältnisse bey den besondern Arten der Servituten zu bestimmen. Wer
also die Last des benachbarten Gebäudes zu tragen; die Einfügung des fremden
Balkens an seiner Wand; oder, den Durchzug des fremden Rauches in seinem
Schorsteine zu dulden hat; der muß verhältnißmäßig zur Erhaltung der dazu
bestimmten Mauer, Säule, Wand oder des Schorsteines beytragen. Es kann ihm aber
nicht zugemuthet werden, daß er das herrschende Gut unterstützen oder den
Schorstein des Nachbars ausbessern lasse.
Fensterrecht.
§. 488. Das Fensterrecht gibt nur auf Licht und Luft Anspruch; die
Aussicht muß besonders bewilliget werden. Wer kein Recht zur Aussicht hat, kann
angehalten werden, das Fenster zu vergittern. Mit dem Fensterrechte ist die
Schuldigkeit verbunden, die Oeffnung zu verwahren; wer diese Verwahrung
vernachlässiget, haftet für den daraus entstehenden Schaden.
Recht der Dachtraufe.
§. 489. Wer das Recht der Dachtraufe besitzt, kann das Regenwasser
auf das fremde Dach frey oder durch Rinnen abfließen lassen; er kann auch sein
Dach erhöhen; doch muß er solche Vorkehrungen treffen, daß dadurch die
Dienstbarkeit nicht lästiger werde. Eben so muß er häufig gefallenen Schnee zeitig
hinwegräumen, wie auch die zum Abflusse bestimmten Rinnen unterhalten.
Recht der Ableitung des Regenwassers.
§. 490. Wer das Recht hat, das Regenwasser von dem benachbarten
Dache auf seinen Grund zu leiten, hat die Obliegenheit, für Rinnen,
Wasserkästen und andere dazu gehörige Anstalten die Auslagen allein zu
bestreiten.
§. 491. Erfordern die abzuführenden Flüssigkeiten Gräben und
Canäle; so muß sie der Eigenthümer des herrschenden Grundes errichten; er muß
sie auch ordentlich decken und reinigen, und dadurch die Last des dienstbaren
Grundes erleichtern.
Recht des Fußsteiges, Viehtriebes und Fahrweges.
§. 492. Das Recht des Fußsteiges begreift das Recht in sich, auf
diesem Steige zu gehen, sich von Menschen tragen, oder andere Menschen zu sich
kommen zu lassen. Mit dem Viehtriebe ist das Recht, einen Schiebkarren zu
gebrauchen; und, mit dem Fahrwege das Recht, mit Einem oder mehrern Zügen zu
fahren, verbunden.
§. 493. Hingegen kann, ohne besondere Bewilligung das Recht zu
gehen, nicht auf das Recht, zu reiten oder sich durch Thiere tragen zu lassen;
weder das Recht des Viehtriebes auf das Recht, schwere Lasten über den
dienstbaren Grund zu schleifen; noch das Recht zu fahren, auf das Recht, frey
gelassenes Vieh darüber zu treiben, ausgedehnet werden.
§. 494. Zur Erhaltung des Weges, der Brücken und Stege tragen
verhältnißmäßig alle Personen oder Grundbesitzer, denen der Gebrauch derselben
zusteht, folglich auch der Besitzer des dienstbaren Grundes, so weit bey, als
er davon Nutzen zieht.
Raum hierzu.
§. 495. Der Raum für diese drey Servituten muß dem nöthigen
Gebrauche und den Umständen des Ortes angemessen seyn. Werden Wege und Steige
durch Überschwemmung oder durch einen andern Zufall unbrauchbar; so muß, bis zu
der Herstellung in den vorigen Stand, wenn nicht schon die politische Behörde
eine Vorkehrung getroffen hat, ein neuer Raum angewiesen werden.
Recht, Wasser zu schöpfen.
§. 496. Mit dem Rechte, fremdes Wasser zu schöpfen, wird auch der
Zugang zu demselben gestattet.
Recht der Wasserleitung
§. 497. Wer das Recht hat, Wasser von fremdem Grunde auf den
seinigen; oder, von seinem Grunde auf fremden zu leiten, ist auch berechtigt,
die dazu nöthigen Röhren, Rinnen und Schleußen auf eigene Kosten anzulegen. Das
nicht zu überschreitende Maß dieser Anlagen wird durch das Bedürfniß des
herrschenden Grundes festgesetzt.
Weiderecht.
§. 498. Ist bey Erwerbung des Weiderechtes die Gattung und die
Anzahl des Triebviehes; ferner, die Zeit und das Maß des Genusses nicht
bestimmt worden; so ist der ruhige dreyßigjährige Besitz zu schützen. In
zweifelhaften Fällen dienen folgende Vorschriften zur Richtschnur.
Gesetzliche Bestimmung:
a) über die Gattung des Triebviehes;
§. 499. Das Weiderecht erstrecket sich, in so weit die politischen
und im Forstwesen gegebenen Verordnungen nicht entgegenstehen, auf jede Gattung
von Zug-, Rind- und Schafvieh, aber nicht auf Schweine und Federvieh; eben so
wenig in waldigen Gegenden auf Ziegen. Unreines, ungesundes und fremdes Vieh
ist stets von der Weide ausgeschlossen.
b) dessen Anzahl;
§. 500. Hat die Anzahl des Triebviehes während der letzten dreyßig
Jahre abgewechselt; so muß aus dem Triebe der drey ersten Jahre die Mittelzahl
angenommen werden. Erhellet auch diese nicht; so ist theils auf den Umfang,
theils auf die Beschaffenheit der Weide billige Rücksicht zu nehmen, und dem
Berechtigten wenigstens nicht gestattet, daß er mehr Vieh auf der fremden Weide
halte, als er mit dem auf dem herrschenden Grunde erzeugten Futter durchwintern
kann. Säugevieh wird nicht zur bestimmten Anzahl gerechnet.
c) Triftzeit;
§. 501. Die Triftzeit wird zwar überhaupt durch den in jeder
Feldmarke eingeführten unangefochtenen Gebrauch bestimmt: allein in keinem
Falle darf der vermöge politischer Bestimmungen geordnete Wirtschaftsbetrieb
durch die Behütung verhindert, oder erschweret werden.
d) Maß des Genusses.
§. 502. Der Genuß des Weiderechtes erstreckt sich auf keine andere
Benutzung. Der Berechtigte darf weder Gras mähen, noch in der Regel den
Eigenthümer des Grundstückes von der Mitweide ausschließen, am wenigsten aber
die Substanz der Weide verletzen.
Wenn ein Schade zu befürchten ist, muß er sein Vieh von einem
Hirten hüthen lassen.
Anwendung dieser Bestimmungen auf andere Servituten.
§. 503. Was bisher in Rücksicht auf das Weiderecht vorgeschrieben
worden, ist verhältnißmäßig auch auf die Rechte des Thierfanges, des
Holzschlages, des Steinbrechens und die übrigen Servituten anzuwenden. Glaubt
jemand diese Rechte auf das Miteigenthum gründen zu können; so sind die darüber
entstehenden Streitigkeiten nach den, in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft
des Eigenthumes, enthaltenen Grundsätzen zu entscheiden.
Persönliche Dienstbarkeiten; insbesondere:
1) das Recht des Gebrauches;
§. 504. Die Ausübung persönlicher Servituten wird, wenn nichts
anderes verabredet worden ist, nach folgenden Grundsätzen bestimmt: Die
Servitut des Gebrauches besteht darin, daß jemand befugt ist, eine fremde
Sache, ohne Verletzung der Substanz, bloß zu seinem Bedürfnisse zu benützen.
Bestimmung in Rücksicht der Nutzungen;
§. 505. Wer also das Gebrauchsrecht einer Sache hat, der darf,
ohne Rücksicht auf sein übriges Vermögen, den seinem Stande, seinem Gewerbe,
und seinem Hauswesen angemessenen Nutzen davon ziehen.
§. 506. Das Bedürfniß ist nach dem Zeitpuncte der Bewilligung des
Gebrauches zu bestimmen. Nachfolgende Veränderungen in dem Stande oder Gewerbe
des Berechtigten geben keinen Anspruch auf einen ausgedehnteren Gebrauch.
der Substanz;
§. 507. Der Berechtigte darf die Substanz der ihm zum Gebrauche
bewilligten Sache nicht verändern; er darf auch das Recht an keinen Andern
übertragen.
und der Lasten;
§. 508. Alle Benützungen, die sich ohne Störung des
Gebrauchsberechtigten aus der Sache schöpfen lassen, kommen dem Eigenthümer zu
Statten. Dieser ist aber verbunden, alle ordentliche und außerordentliche, auf
der Sache haftende Lasten zu tragen, und sie auf seine Kosten in gutem Stande
zu erhalten. Nur wenn die Kosten denjenigen Nutzen übersteigen, der dem
Eigenthümer übrig bleibt, muß der Berechtigte den Ueberschuß tragen, aber vom
Gebrauche abstehen.
2) der Fruchtnießung.
§. 509. Die Fruchtnießung ist das Recht, eine fremde Sache, mit
Schonung der Substanz, ohne alle Einschränkung zu genießen.
In wie fern sie sich auf verbrauchbare Sachen erstrecken könne.
§. 510. Verbrauchbare Sachen sind an sich selbst kein Gegenstand
des Gebrauches oder der Fruchtnießung, sondern nur ihr Werth. Mit dem baren
Gelde kann der Berechtigte nach Belieben verfügen. Wird aber ein bereits
anliegendes Capital zum Fruchtgenusse oder Gebrauche bewilliget; so kann der
Berechtigte nur die Zinsen fordern.
Rechte und Verbindlichkeiten des Fruchtnießers.
§. 511. Der Fruchtnießer hat ein Recht auf den vollen, sowohl
gewöhnlichen als ungewöhnlichen, Ertrag; ihm gehört daher auch die mit Beobachtung
der bestehenden Bergwerksordnung erhaltene reine Ausbeute von
Bergwerksantheilen, und das forstmäßig geschlagene Holz. Auf einen Schatz,
welcher in dem zur Fruchtnießung bestimmten Grunde gefunden wird, hat er keinen
Anspruch.
Insbesondere:
a) in Rücksicht der auf der Sache haftenden Lasten;
§. 512. Als ein reiner Ertrag kann aber nur das angesehen werden,
was nach Abzug aller nöthigen Auslagen übrig bleibt. Der Fruchtnießer übernimmt
also alle Lasten, welche zur Zeit der bewilligten Fruchtnießung mit der
dienstbaren Sache verbunden waren, mithin auch die Zinsen der darauf
eingetragenen Capitalien. Auf ihn fallen alle ordentliche und außerordentliche,
von der Sache zu leistende Schuldigkeiten, in so fern sie aus den während der
Dauer der Fruchtnießung gezogenen Nutzungen bestritten werden können; er trägt
auch die Kosten, ohne welche die Früchte nicht erzielet werden.
b) der Erhaltung der Sache;
§. 513. Der Fruchtnießer ist verbunden, die dienstbare Sache als
ein guter Haushälter in dem Stande, in welchem er sie übernommen hat, zu
erhalten, und aus dem Ertrage die Ausbesserungen, Ergänzungen und Herstellungen
zu besorgen. Wird dessen ungeachtet der Werth der dienstbaren Sache bloß durch
den rechtmäßigen Genuß ohne Verschulden des Fruchtnießers verringert; so ist er
dafür nicht verantwortlich.
c) der Bauführungen;
§. 514. Wenn der Eigenthümer Bauführungen, die durch das Alter des
Gebäudes, oder durch einen Zufall nothwendig gemacht werden, auf Anzeige des
Fruchtnießers auf seine Kosten besorgt; ist ihm der Fruchtnießer, nach Maß der
dadurch verbesserten Fruchtnießung, die Zinsen des verwendeten Capitals zu
vergüten schuldig.
§. 515. Kann oder will der Eigenthümer dazu sich nicht verstehen;
so ist der Fruchtnießer berechtigt, entweder den Bau zu führen, und nach
geendigter Fruchtnießung, gleich einem redlichen Besitzer, den Ersatz zu
fordern; oder, für die durch Unterbleibung des Baues vermißte Fruchtnießung,
eine angemessene Vergütung zu verlangen.
§. 516. Bauführungen, welche nicht nothwendig, obgleich sonst zur
Vermehrung des Ertrages gedeihlich sind, ist der Fruchtnießer nicht verbunden,
ohne vollständige Entschädigung zu gestatten.
d) der Meliorationskosten.
§. 517. Was der Fruchtnießer ohne Einwilligung des Eigenthümers
zur Vermehrung fortdauernder Nutzungen verwendet hat, kann er zurücknehmen;
eine Vergütung der aus der Verbesserung noch bestehenden Nutzungen aber kann er
nur fordern, in so fern sie ein Geschäftsführer ohne Auftrag zu fordern
berechtigt ist.
Beweismittel darüber.
§. 518. Zur Erleichterung des Beweises der gegenseitigen
Forderungen, sollen der Eigenthümer und der Fruchtnießer eine beglaubte
Beschreibung aller dienstbaren Sachen aufnehmen lassen. Ist sie unterlassen
worden; so wird vermuthet, daß der Fruchtnießer die Sache sammt allen zur
ordentlichen Benützung derselben erforderlichen Stücken in brauchbarem Zustande
von mittlerer Beschaffenheit erhalten habe.
Zutheilung der Nutzungen bey Erlöschung der Fruchtnießung.
§. 519. Nach geendigter Fruchtnießung gehören die noch stehenden
Früchte dem Eigenthümer; doch muß er die auf deren Erzielung verwendeten Kosten
dem Fruchtnießer oder dessen Erben, gleich einem redlichen Besitzer, ersetzen.
Auf andere Nutzungen haben der Fruchtnießer oder dessen Erben den Anspruch nach
Maß der Dauer der Fruchtnießung.
In wie fern der Gebrauchsberechtigte oder der Fruchtnießer zur
Sicherstellung verbunden sey.
§. 520. In der Regel kann der Eigenthümer von dem
Gebrauchsberechtigten oder Fruchtnießer nur bey einer sich äußernden Gefahr die
Sicherstellung der Substanz verlangen. Wird sie nicht geleistet; so soll die
Sache entweder dem Eigenthümer gegen eine billige Abfindung überlassen, oder
nach Umständen in gerichtliche Verwaltung gegeben werden.
Dienstbarkeit der Wohnung.
§. 521. Die Servitut der Wohnung ist das Recht, die bewohnbaren
Theile eines Hauses zu seinem Bedürfnisse zu benützen. Sie ist also ein
Servitut des Gebrauches von dem Wohngebäude. Werden aber jemanden alle
bewohnbare Theile des Hauses, mit Schonung der Substanz, ohne Einschränkung zu
genießen überlassen; so ist es eine Fruchtnießung des Wohngebäudes. Hiernach
sind die oben gegebenen Vorschriften auf das rechtliche Verhältniß zwischen dem
Berechtigten und dem Eigenthümer anzuwenden.
§. 522. In jedem Falle behält der Eigenthümer das Recht, über alle
Theile des Hauses, die nicht zur eigentlichen Wohnung gehören, zu verfügen;
auch darf ihm die nöthige Aufsicht über sein Haus nicht erschweret werden.
Klagerecht in Rücksicht der Servituten.
§. 523. In Ansehung der Servituten findet ein doppeltes Klagerecht
Statt. Man kann gegen den Eigenthümer das Recht der Servitut behaupten; oder
der Eigenthümer kann sich über die Anmaßung einer Servitut beschweren. Im
ersten Falle muß der Kläger die Erwerbung der Servitut, oder wenigstens den
Besitz derselben als eines dinglichen Rechtes, im zweyten Falle muß er die
Anmaßung der Servitut in seiner Sache beweisen.
Erlöschung der Dienstbarkeiten.
Im Allgemeinen.
§. 524. Die Servituten erlöschen im Allgemeinen auf diejenigen
Arten, wodurch, nach dem dritten und vierten Hauptstücke des dritten Theiles,
Rechte und Verbindlichkeiten überhaupt aufgehoben werden.
Besondere Anordnung bey deren Erlöschung:
a) durch den Untergang des dienstbaren oder herrschenden Grundes.
§. 525. Der Untergang des dienstbaren oder des herrschenden
Grundes stellt zwar die Dienstbarkeit ein; sobald aber der Grund, oder das
Gebäude wieder in den vorigen Stand gesetzt ist, erhält die Servitut wieder
ihre vorige Kraft.
b) durch Vereinigung;
§. 526. Wenn das Eigenthum des dienstbaren und des herrschenden
Grundes in Einer Person vereiniget wird, hört die Dienstbarkeit von selbst auf.
Wird aber in der Folge Einer dieser vereinigten Gründe wieder veräußert, ohne
daß inzwischen in den öffentlichen Büchern die Dienstbarkeit gelöschet worden;
so ist der neue Besitzer des herrschenden Grundes befugt, die Servitut
auszuüben.
c) durch Zeitverlauf.
§. 527. Hat das bloß zeitliche Recht desjenigen, der die Servitut
bestellt hat, oder die Zeit, auf welche sie beschränkt worden ist, dem Servituts-Inhaber
aus öffentlichen Büchern, oder auf eine andere Art bekannt seyn können; so hört
nach Verlauf dieser Zeit die Servitut von selbst auf.
§. 528. Eine Servitut, welche jemanden bis zur Zeit, da ein
Dritter ein bestimmtes Alter erreicht, verliehen wird, erlischt erst zu der
bestimmten Zeit, obschon der Dritte vor diesem Alter verstorben ist.
Erlöschung der persönlichen Servituten insbesondere.
§. 529. Persönliche Servituten hören mit dem Tode auf. Werden sie
ausdrücklich auf die Erben ausgedehnt; so sind im Zweifel nur die ersten
gesetzlichen Erben darunter verstanden. Das einer Familie verliehene Recht aber
geht auf alle Mitglieder derselben über. Die von einer Gemeinde oder einer
andern moralischen Person erworbene persönliche Servitut dauert so lange, als
die moralische Person besteht.
Unanwendbarkeit auf beständige Renten.
§. 530. Beständige jährliche Renten sind keine persönliche
Servitut, und können also ihrer Natur nach auf alle Nachfolger übertragen
werden.
Achtes
Hauptstück.
Von dem Erbrechte.
Verlassenschaft.
§. 531. Der
Inbegriff der Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen, in so fern sie
nicht in bloß persönlichen Verhältnissen gegründet sind, heißt desselben
Verlassenschaft oder Nachlaß.
Erbrecht
und Erbschaft.
§. 532. Das
ausschließende Recht, die ganze Verlassenschaft, oder einen in Beziehung auf
das Ganze bestimmten Theil derselben (z. B. die Hälfte, ein Drittheil) in
Besitz zu nehmen, heißt Erbrecht. Es ist ein dingliches Recht, welches gegen
einen jeden, der sich der Verlassenschaft anmaßen will, wirksam ist. Derjenige,
dem das Erbrecht gebührt, wird Erbe, und die Verlassenschaft, in Beziehung auf
den Erben, Erbschaft genannt.
Titel zu
dem Erbrechte.
§. 533. Das
Erbrecht gründet sich auf den nach gesetzlicher Vorschrift erklärten Willen des
Erblassers; auf einen nach dem Gesetze zulässigen Erbvertrag (§. 602), oder auf
das Gesetz.
§. 534. Die
erwähnten drey Arten des Erbrechtes können auch neben einander bestehen, so daß
einem Erben ein in Beziehung auf das Ganze bestimmter Theil aus dem letzten
Willen, dem andern aus dem Vertrage, und einem Dritten aus dem Gesetze gebührt.
Unterschied
zwischen Erbschaft und Vermächtniß.
§. 535.
Wird jemanden kein solcher Erbtheil, der sich auf den ganzen Nachlaß bezieht;
sondern nur eine einzelne Sache, Eine oder mehrere Sachen von gewisser Gattung;
eine Summe; oder ein Recht zugedacht; so heißt das Zugedachte, obschon dessen
Werth den größten Theil der Verlassenschaft ausmacht, ein Vermächtniß (Legat),
und derjenige, dem es hinterlassen worden, ist nicht als ein Erbe, sondern nur
als ein Vermächtnißnehmer (Legatar) zu betrachten.
Zeitpunct
des Erbanfalles.
§. 536. Das
Erbrecht tritt erst nach dem Tode des Erbassers ein. Stirbt ein vermeintlicher
Erbe vor dem Erblasser; so hat er das noch nicht erlangte Erbrecht auch nicht
auf seinen Erben übertragen können.
§. 537. Hat
der Erbe den Erblasser überlebt; so geht das Erbrecht auch vor Uebernahme der
Erbschaft, wie andere frey vererbliche Rechte, auf seine Erben über; wenn es
anders durch Entsagung, oder auf eine andere Art noch nicht erloschen war.
Fähigkeit
zu erben.
§. 538. Wer
ein Vermögen zu erwerben berechtigt ist, kann in der Regel auch erben. Hat
jemand dem Rechte etwas zu erwerben überhaupt entsagt, oder auf eine bestimmte
Erbschaft gültig Verzicht gethan; so ist er dadurch des Erbrechtes überhaupt,
oder des Rechtes auf eine bestimmte Erbschaft verlustig geworden.
§. 539. In
wie fern geistliche Gemeinden, oder deren Glieder erbfähig sind, bestimmen die
politischen Vorschriften.
Ursachen der
Unfähigkeit.
§. 540. Wer
den Erblasser, dessen Kinder, Aeltern oder Gatten, aus bösem Vorsatze an Ehre,
Leib, oder Vermögen auf solche Art verletzt, oder zu verletzen gesucht hat, daß
gegen ihn von Amts wegen, oder auf Verlangen des Verletzten nach den
Strafgesetzen verfahren werden kann; der ist so lange des Erbrechtes unwürdig,
als sich aus den Umständen nicht entnehmen läßt, daß ihm der Erblasser vergeben
habe.
§. 541. Die
Nachkommen desjenigen, welcher sich des Erbrechtes unwürdig gemacht hat, sind,
wenn Letzterer vor dem Erblasser verstorben ist, von dem Erbrechte nicht
ausgeschlossen.
§. 542. Wer
den Erblasser zur Erklärung des letzten Willens gezwungen; oder betrüglicher
Weise verleitet, an der Erklärung, oder Abänderung des letzten Willens gehindert,
oder einen von ihm bereits errichteten letzten Willen unterdrückt hat, ist von
dem Erbrechte ausgeschlossen, und bleibt für allen einem Dritten dadurch
zugefügten Schaden verantwortlich.
§. 543.
Personen, welche des Ehebruches, oder der Blutschande gerichtlich geständig,
oder überwiesen sind, werden unter sich von dem Erbrechte aus einer Erklärung
des letzten Willens ausgeschlossen.
§. 544. In
wie fern Landeseingeborne, die ihr Vaterland, oder die Kriegsdienste ohne
ordentliche Erlaubniß verlassen haben, des Erbrechtes verlustig werden,
bestimmen die politischen Verordnungen.
Nach
welchem Zeitpuncte die Fähigkeit zu beurtheilen.
§. 545. Die
Erbfähigkeit kann nur nach dem Zeitpuncte des wirklichen Erbanfalles bestimmet
werden. Dieser Zeitpunct ist in der Regel der Tod des Erblassers. (§. 703.)
§. 546.
Eine später erlangte Erbfähigkeit gibt kein Recht, Andern das zu entziehen, was
ihnen bereits rechtmäßig angefallen ist.
Wirkung der
Annahme der Erbschaft.
§. 547. Der
Erbe stellt, sobald er die Erbschaft angenommen hat, in Rücksicht auf dieselbe
den Erblasser vor. Beyde werden in Beziehung auf einen Dritten für Eine Person
gehalten. Vor der Annahme des Erben wird die Verlassenschaft so betrachtet, als
wenn sie noch von dem Verstorbenen besessen würde.
§. 548.
Verbindlichkeiten, die der Erblasser aus seinem Vermögen zu leisten gehabt
hätte, übernimmt sein Erbe. Die von dem Gesetze verhängten Geldstrafen, wozu
der Verstorbene noch nicht verurtheilet war, gehen nicht auf den Erben über.
§. 549. Zu
den auf einer Erbschaft haftenden Lasten gehören auch die Kosten für das dem
Gebrauche des Ortes, dem Stande und dem Vermögen des Verstorbenen angemessene
Begräbniß.
§. 550.
Mehrere Erben werden in Ansehung ihres gemeinschaftlichen Erbrechtes für Eine
Person angesehen. Sie stehen in dieser Eigenschaft vor der gerichtlichen
Uebergabe (Einantwortung) der Erbschaft alle für Einen und Einer für alle. In
wie fern sie nach der erfolgten Uebergabe zu haften haben, wird in dem
Hauptstücke von der Besitznehmung der Erbschaft bestimmt.
Verzicht
auf das Erbrecht.
§. 551. Wer
über sein Erbrecht selbst gültig verfügen kann, ist auch befugt, im voraus
darauf Verzicht zu thun. Eine solche Verzichtleistung wirkt auch auf die
Nachkommen.
Neuntes
Hauptstück.
Von der
Erklärung des letzten Willens überhaupt und den Testamenten ins besondere.
Erklärung
des letzten Willens.
§. 552. Die
Anordnung, wodurch ein Erblasser sein Vermögen, oder einen Theil desselben
Einer oder mehrern Personen widerruflich auf den Todesfall überläßt, heißt eine
Erklärung des letzten Willens.
Erfordernisse:
I. Innere
Form.
§. 553.
Wird in einer letzten Anordnung ein Erbe eingesetzt, so heißt sie Testament;
enthält sie aber nur andere Verfügungen, so heißt sie Codicill.
Zutheilung
der Erbschaft:
a) wenn nur
Ein Erbe;
§. 554. Hat
der Erblasser einen einzigen Erben, ohne ihn auf einen Theil der
Verlassenschaft zu beschränken, unbestimmt eingesetzt; so erhält er den ganzen
Nachlaß. Ist aber dem einzigen Erben nur ein in Beziehung auf das Ganze
bestimmter Erbtheil ausgemessen worden; so fallen die übrigen Theile den
gesetzlichen Erben zu.
b) wenn
mehrere ohne Theilung;
§. 555.
Sind ohne Vorschrift einer Theilung mehrere Erben eingesetzt worden, so theilen
sie zu gleichen Theilen.
c) wenn
alle in bestimmten Theilen;
§. 556.
Sind mehrere Erben und zwar alle in bestimmten Erbtheilen, die aber das Ganze
nicht erschöpfen, eingesetzt worden, so fallen die übrigen Theile den
gesetzlichen Erben zu. Hat aber der Erblasser die Erben zum ganzen Nachlasse
berufen; so haben die gesetzlichen Erben keinen Anspruch, obschon er in der
Berechnung der Beträge, oder in der Aufzählung der Erbstücke etwas übergangen
hätte.
d) wenn
einige mit Theilen, andere ohne Theile eingesetzt sind.
§. 557.
Wird unter mehrern eingesetzten Erben einigen ein bestimmter Theil (z. B. ein
Drittheil, ein Sechstheil), andern aber nichts Bestimmtes ausgemessen; so
erhalten diese den übrigen Nachlaß zu gleichen Theilen.
§. 558.
Bleibt nichts übrig, so muß von sämmtlichen bestimmten Theilen für den
unbestimmt eingesetzten Erben verhältnißmäßig so viel abgezogen werden, daß er
einen gleichen Antheil mit demjenigen erhalte, der am geringsten bedacht worden
ist. Sind die Theile der Erben gleich groß, so haben sie an dem unbestimmt
eingesetzten Erben so viel abzugeben, daß er einen gleichen Antheil mit ihnen
empfange. In allen andern Fällen, wo ein Erblasser sich verrechnet hat, ist die
Theilung auf eine Art vorzunehmen, wodurch der Wille des Erblassers nach den
über das Ganze erklärten Verhältnissen auf das möglichste erfüllt wird.
Welche
Erben als Eine Person betrachtet werden.
§. 559.
Treffen unter den eingesetzten Erben solche Personen zusammen, wovon einige bey
der gesetzlichen Erbfolge gegen die übrigen als Eine Person angesehen werden
müssen, (z. B. die Bruderskinder gegen des Bruder des Erblassers); so werden
sie auch bey der Theilung aus dem Testamente nur als Eine Person betrachtet.
Ein Körper, eine Gemeinde, eine Versammlung (z. B. die Armen) werden immer nur
für Eine Person gerechnet.
Recht des
Zuwachses.
§. 560.
Wenn alle Erben ohne Bestimmung der Theile, oder in dem allgemeinen Ausdrucke
einer gleichen Theilung zur Erbschaft berufen werden, und es kann, oder will
einer der Erben von seinem Erbrecht keinen Gebrauch machen; so wächst der
erledigte Theil den übrigen eingesetzten Erben zu.
§. 561.
Sind Ein oder mehrere Erben mit, ein anderer oder mehrere ohne Bestimmung des
Erbtheiles eingesetzt; so wächst der erledigte Theil nur dem einzelnen, oder
den mehrern noch übrigen, unbestimmt eingesetzten Erben zu.
§. 562. Einem
bestimmt eingesetzten Erben gebührt in keinem Falle das Zuwachsrecht. Wenn also
kein unbestimmt eingesetzter Erbe übrig ist; so fällt ein erledigter Erbtheil
nicht einem noch übrigen, für einen bestimmten Theil eingesetzten, sondern dem
gesetzlichen Erben zu.
§. 563. Wer
den erledigten Erbtheil erhält, übernimmt auch die damit verknüpften Lasten, in
so fern sie nicht auf persönliche Handlungen des eingesetzten Erben
eingeschränkt sind.
§. 564. Der
Erblasser muß den Erben selbst einsetzen; er kann dessen Ernennung nicht dem
Ausspruche eines Dritten überlassen.
Die
Erklärung muß überlegt, bestimmt und frey seyn.
§. 565 Der
Wille des Erblassers muß bestimmt, nicht durch bloße Bejahung eines ihm
gemachten Vorschlages; er muß im Zustande der vollen Besonnenheit; mit
Ueberlegung und Ernst, frey von Zwang, Betrug, und wesentlichem Irrthume
erkläret werden.
Ursachen
der Unfähigkeit zu testiren;
1) Mangel
der Besonnenheit;
§. 566.
Wird bewiesen, daß die Erklärung im Zustande der Raserey, des Wahnsinnes,
Blödsinnes, oder der Trunkenheit geschehen sey, so ist sie ungültig.
§. 567. Wenn behauptet wird, daß der Erblasser, welcher den
Gebrauch des Verstandes verloren hatte, zur Zeit der letzten Anordnung bey
voller Besonnenheit gewesen sei; so muß die Behauptung durch Kunstverständige,
oder durch obrigkeitliche Personen, die den Gemüthszustand des Erblassers genau
erforschten, oder durch andere zuverlässige Beweise außer Zweifel gesetzt
werden.
2) Prodigalitäts-Erklärung; in wie fern;
§. 568. Ein gerichtlich erklärter Verschwender kann nur über die
Hälfte seines Vermögens durch letzten Willen verfügen; die andere Hälfte fällt
den gesetzlichen Erben zu.
3) unreifes Alter;
§. 569. Unmündige sind zu testiren unfähig. Minderjährige, die das
achtzehnte Jahr noch nicht zurückgelegt haben, können nur mündlich vor Gericht
testiren. Das Gericht muß durch eine angemessene Erforschung sich zu überzeugen
suchen, daß die Erklärung des letzten Willens frey und mit Ueberlegung
geschehe. Die Erklärung muß in ein Protokoll aufgenommen, und dasjenige, was
sich aus der Erforschung ergeben hat, beygerückt werden. Nach zurückgelegtem
achtzehnten Jahre kann ohne weitere Einschränkung ein letzter Wille erkläret
werden.
4) wesentlicher Irrthum;
§. 570. Ein wesentlicher Irrthum des Erblassers macht die
Anordnung ungültig. Der Irrthum ist wesentlich, wenn der Erblasser die Person,
welche er bedenken, oder den Gegenstand, welchen er vermachen wollte, verfehlet
hat.
§. 571. Zeigt sich, daß die bedachte Person, oder die vermachte
Sache nur unrichtig benannt, oder beschrieben worden; so ist die Verfügung
gültig.
§. 572. Auch wenn der von dem Erblasser angegebene Beweggrund
falsch befunden wird, bleibt die Verfügung gültig; es wäre denn erweislich, daß
der Wille des Erblassers einzig und allein auf diesem irrigen Beweggrunde
beruht habe.
5) Ordensgelübde;
§. 573. Ordenspersonen sind in der Regel nicht befugt, zu
testiren: allein, wenn der Orden eine besondere Begünstigung, daß seine Glieder
testiren können, erlangt hat; wenn Ordenspersonen die Auflösung von den
Gelübden erhalten haben; wenn sie durch Aufhebung ihres Ordens, Stiftes oder
Klosters aus ihrem Stande getreten sind; oder wenn sie in einem solchen
Verhältnisse angestellt sind, daß sie vermöge der politischen Verordnungen
nicht mehr als Angehörige des Ordens, Stiftes oder Klosters angesehen werden,
sondern vollständiges Eigenthum erwerben können; so ist es ihnen erlaubt, durch
Erklärung des letzten Willens darüber zu verfügen.
6) schwere Criminal-Strafe;
§. 574. Ein Verbrecher, der zur Todesstrafe verurtheilt worden,
kann von dem Tage des ihm angekündigten Urtheiles; wenn er aber zur schwersten,
oder schweren Kerkerstrafe verurtheilet wird, so lange seine Strafzeit dauert,
keine gültige Erklärung seines letzten Willens machen.
Zeitpunct der Gültigkeit der Anordnung.
§. 575. Ein rechtsgültig erklärter letzter Wille kann durch später
eintretende Hindernisse seine Gültigkeit nicht verlieren.
§. 576. Einen anfänglich ungültigen letzten Willen macht die
später erfolgte Aufhebung des Hindernisses nicht gültig. Wird in diesem Falle
keine neue Verfügung getroffen; so tritt das gesetzliche Erbrecht ein.
II.) Aeußere Form der Erklärungen des letzten Willens;
§. 577. Man kann außergerichtlich oder gerichtlich, schriftlich
oder mündlich; schriftlich aber mit, oder ohne Zeugen testiren.
1) der außergerichtlichen schriftlichen;
§. 578. Wer schriftlich, und ohne Zeugen testiren will, der muß
das Testament oder Codicill eigenhändig schreiben, und eigenhändig mit seinem
Nahmen unterfertigen. Die Beysetzung des Tages, des Jahres, und des Ortes, wo
der letzte Wille errichtet wird, ist zwar nicht nothwendig, aber zur Vermeidung
der Streitigkeiten räthlich.
§. 579. Einen letzten Willen, welchen der Erblasser von einer
andern Person niederschreiben ließ, muß er eigenhändig unterfertigen. Er muß
ferner vor drey fähigen Zeugen, wovon wenigstens zwey zugleich gegenwärtig seyn
sollen, den Aufsatz als seinen letzten Willen bestätigen. Endlich sollen auch
die Zeugen sich entweder inwendig, oder von außen, immer aber auf die Urkunde
selbst, und nicht etwa auf einen Umschlag, als Zeugen des letzten Willens
unterschreiben. Den Inhalt des Testamentes hat der Zeuge zu wissen nicht
nöthig.
§. 580. Ein Erblasser, welcher nicht schreiben kann, muß nebst
Beobachtung der in dem vorigen §. vorgeschriebenen Förmlichkeiten, anstatt der
Unterschrift sein Handzeichen, und zwar in Gegenwart aller drey Zeugen,
eigenhändig beysetzen. Zur Erleichterung eines bleibenden Beweises, wer der
Erblasser sey, ist es auch vorsichtig, daß Einer der Zeugen den Nahmen des
Erblassers als Nahmensunterfertiger beysetze.
§. 581. Wenn der Erblasser nicht lesen kann, so muß er den Aufsatz
von Einem Zeugen in Gegenwart der andern zwey Zeugen, die den Inhalt eingesehen
haben, sich vorlesen lassen, und bekräftigen, das derselbe seinem Willen gemäß
sey. Der Schreiber des letzten Willens kann in allen Fällen zugleich Zeuge
seyn.
§. 582. Eine Verfügung des Erblassers durch Beziehung auf einen
Zettel oder auf einen Aufsatz, ist nur dann von Wirkung, wenn ein solcher Aufsatz
mit allen zur Gültigkeit einer letzten Willenserklärung nöthigen Erfordernissen
versehen ist. Außer dem können dergleichen von dem Erblasser angezeigte
schriftliche Bemerkungen nur zur Erläuterung seines Willens angewendet werden.
§. 583. In der Regel gilt ein und derselbe Aufsatz nur für Einen
Erblasser. Die Ausnahme in Rücksicht der Ehegatten ist in dem Hauptstücke von
den Ehe-Pacten enthalten.
§. 584. Einem Erblasser, welcher die zu einem schriftlichen
Testamente erforderlichen Förmlichkeiten nicht beobachten kann, oder will,
steht frey, ein mündliches Testament zu errichten.
2) der außergerichtlichen mündlichen;
§. 585. Wer mündlich testiret, muß vor drey fähigen Zeugen, welche
zugleich gegenwärtig, und zu bestätigen fähig sind, daß in der Person des
Erblassers kein Betrug oder Irrthum unterlaufen sey, ernstlich seinen letzten
Willen erklären. Es ist zwar nicht nothwendig, aber vorsichtig, daß die Zeugen
entweder alle gemeinschaftlich, oder ein jeder für sich zur Erleichterung des
Gedächtnisses, die Erklärung des Erblassers entweder selbst aufzeichnen, oder,
so bald als möglich, aufzeichnen lassen.
§. 586. Eine mündlich letzte Anordnung muß, um rechtskräftig zu
seyn, auf Verlangen eines jeden, dem daran gelegen ist, durch die
übereinstimmende eidliche Aussage der drey Zeugen, oder, wofern Einer aus ihnen
nicht mehr vernommen werden kann, wenigstens der zwey übrigen bestätiget
werden.
3) der gerichtlichen.
§. 587. Der Erblasser kann auch vor einem Gerichte schriftlich
oder mündlich testiren. Die schriftliche Anordnung muß von dem Erblasser
wenigstens eigenhändig unterschrieben seyn, und dem Gerichte persönlich
übergeben werden. Das Gericht hat den Erblasser auf den Umstand, daß seine
eigenhändige Unterschrift beygerückt seyn müsse, aufmerksam zu machen, dann den
Aufsatz gerichtlich zu versiegeln und auf dem Umschlage anzumerken, wessen
letzter Wille darin enthalten sey. Ueber das Geschäft ist ein Protokoll
aufzunehmen, und der Aufsatz gegen Ausstellung eines Empfangscheines
gerichtlich zu hinterlegen.
§. 588. Will der Erblasser seinen Willen mündlich erklären; so ist
die Erklärung in ein Protokoll aufzunehmen, und dasselbe eben so, wie in dem
vorhergehenden §. von dem schriftlichen Aufsatze gemeldet worden ist,
versiegelt zu hinterlegen.
§. 589. Das Gericht, welches die schriftliche oder mündliche
Erklärung des letzten Willens aufnimmt, muß wenigstens aus zwey eidlich
verpflichteten Gerichtspersonen bestehen, deren Einer in dem Orte, wo die
Erklärung aufgenommen wird, das Richteramt zusteht. Die Zeugenschaft der
zweyten Gerichtsperson, außer dem Richter, können auch zwey andere Zeugen
vertreten.
§. 590. Im Nothfalle können die erst bestimmten Personen sich in
die Wohnung des Erblassers begeben, seinen letzten Willen schriftlich oder
mündlich aufnehmen, und dann das Geschäft mit Beysetzung des Tages, Jahres und
Ortes zu Protokoll bringen.
Unfähige Zeugen bey letzten Anordnungen.
§. 591. Die Mitglieder eines geistlichen Ordens; Frauenspersonen
und Jünglinge unter achtzehn Jahren, Sinnlose, Blinde, Taube, oder Stumme, dann
diejenigen, welche die Sprache des Erblassers nicht verstehen, können bey
letzten Anordnungen nicht Zeugen seyn.
§. 592. Wer wegen Verbrechens des Truges oder eines andern
Verbrechens aus Gewinnsucht verurtheilet worden ist, kann nicht als Zeuge gebraucht
werden.
§. 593. (Anm.: Aufgehoben durch § 1, RGBl
1860/Nr. 9.)
§. 594. Ein Erbe oder Legatar ist in Rücksicht des ihm zugedachten
Nachlasses kein fähiger Zeuge, und eben so wenig dessen Gatte, Aeltern, Kinder,
Geschwister, oder in eben dem Grade verschwägerte Personen und die besoldeten
Hausgenossen. Die Verfügung muß, um gültig zu seyn, von dem Erblasser
eigenhändig geschrieben; oder, durch drey von den gedachten Personen
verschiedene Zeugen bestätiget werden.
§. 595. Wenn der Erblasser demjenigen, welcher den letzten Willen
schreibt, oder dessen Ehegatten, Kindern, Aeltern, Geschwistern oder in eben
dem Grade verschwägerten Personen einen Nachlaß bestimmt; so muß die Anordnung
auf die im vorgehenden §. erwähnte Art außer Zweifel gesetzt seyn.
§. 596. Was von der Unbefangenheit und Fähigkeit des Zeugen, die
Person des Erblassers außer Zweifel zu setzen, verordnet wird, ist auch auf die
gerichtlichen Personen, die einen letzten Willen aufnehmen, anzuwenden.
Von den begünstigten letzten Anordnungen.
§. 597. Bey letzten Anordnungen, welche auf Schifffahrten und in
Orten, wo die Pest oder ähnliche ansteckende Seuchen herrschen, errichtet
werden, sind auch Mitglieder eines geistlichen Ordens, Frauenspersonen und
Jünglinge, die das vierzehnte Jahr zurückgelegt haben, gültige Zeugen.
§. 598. Zu diesen begünstigten letzten Anordnungen werden nur zwey
Zeugen erfordert, wovon Einer das Testament schreiben kann. Bey Gefahr einer
Ansteckung ist auch nicht nöthig, daß beyde zugleich gegenwärtig seyn.
§. 599. Sechs Monathe nach geendigter Schifffahrt oder Seuche
verlieren die begünstigten letzten Willenserklärungen ihre Kraft.
§. 600. Die Begünstigungen der Militär-Testamente sind in den
Militär-Gesetzen enthalten.
Ungültigkeit der unförmlichen letzten Anordnungen.
§. 601. Wenn der Erblasser Eines der hier vorgeschriebenen, und
nicht ausdrücklich der bloßen Vorsicht überlassenen Erfordernisse nicht
beobachtet hat; so ist die letzte Willenserklärung ungültig.
Erbverträge sind nur unter Ehegatten gültig.
§. 602. Erbverträge über die ganze Verlassenschaft, oder einen in
Beziehung auf das Ganze bestimmten Theil derselben, können nur unter Ehegatten
gültig geschlossen werden. Die Vorschriften hierüber sind in dem Hauptstücke
von den Ehe-Pacten enthalten.
Von Schenkungen auf den Todesfall. Beziehung.
§. 603. In wie fern eine Schenkung auf den Todesfall als ein
Vertrag, oder als ein letzter Wille zu betrachten sey, wird in dem Hauptstücke
von den Schenkungen bestimmt.
Zehntes Hauptstück.
Von Nacherben und Fideicommissen.
Gemeine Substitution.
§. 604. Jeder Erblasser kann für den Fall, daß der eingesetzte
Erbe die Erbschaft nicht erlangt, Einen; und, wenn auch dieser sie nicht
erlangt, einen zweyten, und im gleichen Falle einen dritten, oder auch noch
mehrere Nacherben berufen. Diese Anordnung heißt eine gemeine Substitution. Der
in der Reihe zunächst Berufene wird Erbe.
§. 605. Hat der Erblasser aus den bestimmten Fällen, daß der
ernannte Erbe nicht Erbe seyn kann, oder, daß er nicht Erbe seyn will, nur
Einen ausgedrückt; so ist der andere Fall ausgeschlossen.
Rechte aus derselben.
§. 606. Die dem Erben aufgelegten Lasten werden auch auf den an
seine Stelle tretenden Nacherben ausgedehnt, wofern sie nicht durch den
ausdrücklichen Willen, oder die Beschaffenheit der Umstände, auf die Person des
Erben eingeschränkt sind.
§. 607. Sind die Miterben allein wechselseitig zu Nacherben
berufen worden; so wird angenommen, daß der Erblasser die in der Einsetzung
ausgemessenen Theile auch auf die Substitution ausdehnen wollte. Wird aber in
der Substitution, außer den Miterben, noch sonst jemand berufen, so fällt der
erledigte Erbtheil Allen zu gleichen Theilen zu.
Fideicommissarische.
§. 608. Der Erblasser kann seinen Erben verpflichten, daß er die
angetretene Erbschaft nach seinem Tode, oder in andern bestimmten Fällen, einem
zweyten ernannten Erben überlasse. Diese Anordnung wird eine
fideicommissarische Substitution genannt. Die fideicommissarische Substitution
begreift stillschweigend die gemeine in sich.
In wie fern die Aeltern ihren Kindern substituiren dürfen.
§. 609. Auch die Aeltern können ihren Kindern, selbst in dem
Falle, daß diese zu testiren unfähig sind, nur in Rücksicht des Vermögens, das
sie ihnen hinterlassen, einen Erben oder Nacherben ernennen.
Stillschweigende fideicommissarische Substitution.
§. 610. Hat der Erblasser dem Erben verbothen, über den Nachlaß zu
testiren; so ist es eine fideicommissarische Substitution, und der Erbe muß den
Nachlaß für seine gesetzlichen Erben aufbewahren. Das Verboth, die Sache zu
veräußern, schließt das Recht, darüber zu testiren, nicht aus.
Einschränkung der fideicommissarischen Substitution.
§. 611. Die Reihe, in welcher die fideicommissarischen Erben auf
einander folgen sollen, wird, wenn sie Alle Zeitgenossen des Erblassers sind,
gar nicht beschränkt, sie kann sich auf den Dritten, Vierten und noch weiter
ausdehnen.
§. 612. Sind es nicht Zeitgenossen, sondern solche Nacherben, die
zur Zeit des errichteten Testamentes noch nicht geboren sind; so kann sich die
fideicommissarische Substitution in Rücksicht auf Geldsummen, und andere
bewegliche Sachen bis auf den zweyten Grad erstrecken. In Ansehung
unbeweglicher Güter gilt sie nur auf den ersten Grad; doch wird bey Bestimmung
der Grade nur derjenige Nacherbe gezählt, welcher zum Besitze der Erbschaft
gelangt ist.
Rechte des Erben bey einer
fideicommisarischen Substitution.
§. 613. Bis der Fall der fideicommissarischen Substitution
eintritt, kommt den eingesetzten Erben das eingeschränkte Eigenthumsrecht, mit
den Rechten und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers zu.
Auslegung der Substitutionen.
§. 614. Ist eine Substitution
zweifelhaft ausgedrückt; so ist sie auf eine solche Art auszulegen, wodurch die
Freyheit des Erben, über das Eigenthum zu verfügen, am mindesten eingeschränkt
wird.
Erlöschungsarten der gemeinen und fideicommissarischen
Substitution.
§. 615. Die gemeine Substitution erlischt, sobald der eingesetzte
Erbe die Erbschaft angetreten hat; die fideicommissarische, wenn keiner von den
berufenen Nacherben mehr übrig ist; oder, wenn der Fall, für den sie errichtet
worden, aufhört.
§. 616. Ins besondere verliert die einem Sinnlosen gemachte
fideicommissarische Substitution (§§. 608-609.) ihre Kraft, wenn bewiesen wird,
daß er zur Zeit seiner letzten Anordnung bey voller Besonnenheit war; oder,
wenn ihm das Gericht wegen erlangten Verstandgebrauches die freye Verwaltung
des Vermögens eingeräumt hat; und die Substitution lebt nicht wieder auf, ob er
gleich wegen Rückfalls wieder unter einen Curator gesetzt worden ist, und in
der Zwischenzeit keine letzte Anordnung errichtet hat.
§. 617. Die von einem Erblasser seinem Kinde zur Zeit, da es noch
keine Nachkommenschaft hatte, gemachte Substitution erlischt, wenn dasselbe
erbfähige Nachkommen hinterlassen hat.
Fideicommiß.
§. 618. Ein Fideicommiß (Familien-Fideicommiß) ist eine Anordnung,
kraft welcher ein Vermögen für alle künftige, ober doch für mehrere
Geschlechtsfolger, als ein unveräußerliches Gut der Familie erklärt wird.
Hauptarten der Fideicommisse:
§. 619. Das Fideicommiß ist insgemein entweder eine Primogenitur,
oder ein Majorat, oder ein Seniorat; je nachdem der Stifter desselben die
Nachfolge entweder dem Erstgebornen aus der ältern Linie; oder, dem Nächsten
aus der Familie dem Grade nach; unter mehrern gleich Nahen aber dem Aelteren an
Jahren; oder endlich, ohne Rücksicht auf die Linie, dem Aelteren aus der
Familie zugedacht hat.
§. 620. Im Zweifel wird die Primogenitur eher, als ein Majorat
oder Seniorat; und das Majorat wieder eher, als ein Seniorat vermuthet.
Erbfolge in denselben.
§. 621. Bey der Primogenitur gelangt eine jüngere Linie erst nach
Erlöschung der ältern zum Fideicommisse, so, daß der Bruder des letzten
Besitzers dessen Söhnen, Enkeln, Urenkeln und weitern Nachkömmlingen weichen
muß.
§. 622. Der Stifter kann auch die Ordnung der Erbfolge ganz
umkehren, und den Letztnachgebornen aus der ältern Linie; oder, den Jüngsten
aus allen Linien; oder, überhaupt denjenigen berufen, welcher im Grade entweder
dem Fideicommiß-Stifter, dem ersten Erwerber, oder dem letzten Besitzer am
nächsten kommt.
§. 623. Hat der Stifter hierüber seinen Willen nicht bestimmt
ausgedrückt, so wird mehr Rücksicht auf den letzten Besitzer, als auf den
Fideicommiß-Stifter, und den ersten Erwerber genommen. Sind mehrere Personen in
gleichem Grade vorhanden, so gibt das höhere Alter den Ausschlag.
§. 624. Wenn der Stifter anordnet, daß das Fideicommiß immer dem
Nächsten aus der Familie zufallen solle; so wird darunter derjenige verstanden,
welcher nach der gemeinen gesetzlichen Erbfolge aus der männlichen
Nachkommenschaft der nächste ist. Zwischen mehreren gleich Nahen wird, dafern
aus der Anordnung nicht das Gegentheil erhellet, der Genuß des Fideicommisses
getheilt.
§. 625. Hat Jemand nebst dem Fideicommisse für die erstgeborne
Linie ein zweytes, oder mehrere Fideicommisse für die nachgebornen Linien
errichtet; so gelangt der Besitzer des ersten Fideicommisses und dessen
Nachkommenschaft erst dann zum Besitze eines andern Fideicommisses, wenn in den
übrigen Linien keine zu dem Fideicommisse berufenen Nachkömmlinge vorhanden
sind, und die Fideicommisse bleiben nur so lange in einer Person vereinigt, bis
wieder zwey oder mehrere Linien entstehen.
§. 626. Die weibliche Nachkommenschaft hat in der Regel keinen
Anspruch auf Fideicommisse. Hat aber der Stifter ausdrücklich verordnet, daß
nach Erlöschung des Mannsstammes das Fideicommiß auf die weiblichen Linien
übergehen soll; so geschieht dieses nach der für die männliche Geschlechtsfolge
vorgeschriebenen Ordnung; doch gehen die männlichen Erben derjenigen Linie,
welche zum Besitz des Fideicommisses gelanget ist, den weiblichen Erben vor.
Bedingungen zur Errichtung eines
Fideicommisses.
§. 627. Ohne besondere Einwilligung der gesetzgebenden Gewalt kann
kein Fideicommiß errichtet werden. Bey der Errichtung ist ein ordentliches,
beglaubtes Verzeichniß aller zu dem Fideicommisse gehörigen Stücke zu
verfassen, und gerichtlich aufzubewahren. Dieses Inventarium dient bey jeder
Besitzveränderung und bey Absonderung des Fideicommisses von dem freyen
Vermögen zur Richtschnur. Für die Sicherheit des Fideicommisses hat das Gericht
nach den besondern Vorschriften zu sorgen.
Widerruf der Errichtung.
§. 628. Der Fideicommiß-Stifter hat das Recht, die Errichtung des
Fideicommisses zu widerrufen, so lange noch niemand durch die Uebergabe oder
durch Vertrag ein Recht erworben hat. Und der Wille wird das widerrufen
angesehen, wenn dem Erblasser ein männlicher ehelicher Erbe, der in dem
Fideicommisse nicht begriffen ist, geboren wird.
Grundsatz über die Rechte der Anwärter u. des Inhabers des
Fideicommisses.
§. 629. Das Eigenthum des Fideicommiß-Vermögens ist zwischen allen
Anwärtern, und dem jedesmahligen Fideicommiß-Inhaber getheilt. Jenen kommt das
Obereigenthum allein; diesem aber auch das Nutzungseigenthum zu.
Besondere Rechte der Anwärter.
§. 630. Das Obereigenthum berechtiget die Fideicommiß-Anwärter,
die Hinterlegung der Fideicommiß-Schuldscheine zu Gerichtshanden zu verlangen;
eine üble Verwaltung der Fideicommiß-Güter gerichtlich anzuzeigen; zur
Vertretung des Fideicommisses und der Nachkommenschaft einen gemeinschaftlichen
Fideicommiß-Curator in Vorschlag zu bringen; überhaupt alle zur Sicherheit der
Substanz nöthige Maßregeln zu treffen.
Uneingeschränkte Rechte des Inhabers u.
Verbindlichkeiten desselben.
§. 631. Der Fideicommiß-Inhaber hat alle Rechte und
Verbindlichkeiten eines Nutzungseigenthümers. Ihm gehören alle Nutzungen von
dem Fideicommiß-Gute, und dem Zuwachse, aber nicht die Substanz desselben. Er
trägt dagegen auch alle Lasten. Für die ohne sein Verschulden erfolgte
Verminderung der Substanz hat er nicht zu haften.
Eingeschränkte Rechte:
a) zur Verzichtung und Verpfändung.
§. 632. Ein Fideicommiß-Besitzer kann zwar für sich, jedoch keineswegs
für die, wenn gleich noch nicht vorhandene, Nachkommenschaft auf sein Recht
Verzicht thun. Verpfändet er die Früchte des Fideicommisses oder selbst das
Fideicommiß-Gut; so gilt die Verpfändung nur für denjenigen Theil der Früchte,
welchen er einzusammeln berechtiget ist, nicht aber für das Fideicommiß-Gut,
oder den Theil der Früchte, welcher dem Nachfolger gebührt.
b) zur Verwandlung, Vertauschung oder
Erbverpachtung des Fideicommiß-Gutes.
§. 633. Unter der gleich nachfolgenden Beschränkung kann der Fideicommiß-Inhaber
das unbewegliche Fideicommiß-Gut in ein Capital verwandeln; er kann Grundstücke
gegen Grundstücke vertauschen; oder, gegen angemessene Zinsen vertheilen; oder
auch in Erbpacht überlassen.
§. 634. Zu diesen Veränderungen bedarf er der Genehmhaltung der
ordentlichen Gerichtsbehörde. Diese muß alle bekannte Anwärter; oder, wenn sie
minderjährig oder abwesend sind, ihre Curatoren; dann den Kurator des
Fideicommisses und der Nachkommenschaft vernehmen; die Wichtigkeit der Gründe
beurtheilen; und ins besondere bey Bewilligung der Zerstückung der Grundstücke
dafür sorgen, daß das in den politischen Verordnungen vorgeschriebene Maß
beobachtet werde. Das dabey bedungene Entgeld wird als ein Fideicommiß-Capital
angelegt.
c) Verschuldung.
§. 635. Der Fideicommiß-Inhaber kann ein Drittheil des
Fideicommiß-Gutes verschulden; oder, wenn es in Capitalien besteht, ein
Drittheil davon erheben. Hierzu bedarf er keiner Einwilligung der Anwärter oder
Curatoren; sondern nur der Genehmigung der ordentlichen Gerichtsbehörde.
Bestimmung des zu verschuldenden
Drittheils,
§. 636. In dieses Drittheil sind alle, unter was immer für einem
Nahmen, auf dem Fideicommiß-Gute haftende Lasten dergestalt einzurechnen, daß
zwey Drittheile ganz frey bleiben.
und des Werthes des Fideicommiß-Gutes.
§. 637. Der Werth eines Fideicommiß-Gutes, wenn es vertauscht oder
verschuldet werden soll, wird durch die gerichtliche Schätzung; wenn es aber zu
Geld gemacht werden soll, durch öffentliche Versteigerung bestimmt.
Art der Rückzahlung.
§. 638. Die Rückzahlungen einer Fideicommiß-Schuld sind so zu
bestimmen, daß jährlich fünf vom Hundert an der Schuld getilgt werden. Nur aus
erheblichen Ursachen ist eine Verlängerung der Frist zu gestatten.
§. 639. Will der Fideicommiß-Besitzer von den bereits geleisteten
Rückzahlungen wieder einen Betrag zu seinem Gebrauche erheben; so muß er zur
Tilgung desselben noch insbesondere jährlich fünf vom Hundert bezahlen.
Haftung des Nachfolgers für die
Schulden.
§. 640. Der Nachfolger im Fideicommisse ist nur die mit
gerichtlicher Genehmigung gemachten Schulden seines Vorfahrers zu bezahlen
schuldig. Für die zur Tilgung derselben schon verfallenen Rückzahlungen haftet
er nur in so weit, als sie nicht aus dem frey vererblichen Vermögen des
Vorfahrers geleistet werden können.
§. 641. Hat der Vorfahrer zur Erhaltung oder wichtigen
Verbesserung des Fideicommisses einen beträchtlichen Aufwand gemacht, wozu er
das Fideicommiß-Gut zu verschulden berechtiget gewesen wäre, so muß der Aufwand
ersetzt werden. Hierzu sind aber die Nachfolger befugt, ein Drittheil des
Fideicommiß-Gutes zu belasten. Die Rückzahlungen werden auf die in dem §. 638,
vorgeschriebene Art geleistet.
§. 642. Ein Fideicommiß-Gläubiger kann die Bezahlung einer, selbst
mit gerichtlicher Bewilligung, auf dem Fideicommisse haftenden Schuld nicht aus
dem Stammgute; sondern nur aus den Einkünften desselben verlangen.
Theilung der Früchte des letzten
Jahres.
§. 643. Die Früchte des letzten Jahres werden zwischen den Erben
des Vorfahrers und dem Nachfolger im Fideicommisse eben so, wie zwischen dem
Fruchtnießer und Eigenthümer (§. 519) getheilet.
Auflösung,
§. 644. Ein Fideicommiß kann aufgelöset werden, wenn keine zum
Fideicommisse berufene Nachkommenschaft zu vermuthen ist. Zur Auflösung des
Fideicommiß-Bandes aber wird nebst der Einwilligung des Nutzungseigenthümers
und aller Anwärter, die durch ein Edict vorzuladen sind, auch die Einvernehmung
des Curators der Nachkommenschaft, und die gerichtliche Bewilligung erfordert.
oder Erlöschung eines Fideicommisses.
§. 645. Das Fideicommiß erlischt, wenn es zu Grunde geht; oder,
wenn alle in dem Stiftbriefe berufene Linien, ohne Hoffnung einer
Nachkommenschaft, ausgestorben sind. In dem letztern Falle vereiniget sich das
Obereigenthum mit dem Nutzungseigenthume, und der Besitzer kann nach Willkühr
über das Fideicommiß verfügen.
Unterschied eines Fideicommisses von
Stiftungen.
§. 646. Von den Substitutionen und Fideicommissen unterscheiden
sich die Stiftungen, wodurch die Einkünfte von Capitalien, Grundstücken oder
Rechten zu gemeinnützigen Anstalten, als: für geistliche Pfründen, Schulen,
Kranken- oder Armenhäuser; oder zum Unterhalte gewisser Personen auf alle
folgende Zeiten bestimmt werden. Die Vorschriften über Stiftungen sind in den
politischen Verordnungen enthalten.
Eilftes Hauptstück.
Von Vermächtnissen.
Von wem, wie und wem legiret;
§. 647. Zur Gültigkeit eines Vermächtnisses (§. 535.) ist
nothwendig, daß es von einem fähigen Erblasser, einer Person, die zu erben
fähig ist, durch eine gültige letzte Willenserklärung hinterlassen werde.
§. 648. Der Erblasser kann auch Einem oder mehrern Miterben ein
Vermächtniß vorausbestimmen, in Rücksicht desselben sind sie nur als Legatare
zu betrachten.
und wer mit der Entrichtung des Vermächtnisses
beschweret werden könne.
§. 649. Die Vermächtnisse fallen in der Regel allen Erben, selbst
in dem Falle, daß die einem Miterben gehörige Sache vermacht worden ist, nach
Maß ihres Erbtheiles zur Last. Es hängt jedoch von dem Erblasser ab, ob er die Abführung
des Legats einem Miterben, oder auch einem Legatar besonders auftragen wolle.
§. 650. Ein Legatar kann sich von der vollständigen Erfüllung des
ihm aufgetragenen weitern Vermächtnisses aus dem Grunde, daß es den Werth des
ihm zugedachten Legats übersteige, nicht entschlagen. Nimmt er aber das Legat
nicht an; so muß derjenige, dem es zufällt, den Auftrag übernehmen, oder das
ihm zugefallene Vermächtniß dem darauf gewiesenen Vermächtnißnehmer überlassen.
§. 651. Ein Erblasser, welcher ein Legat einer gewissen Classe von
Personen, als: Verwandten, Dienstpersonen oder Armen zugedacht hat, kann die
Vertheilung, welchen aus diesen Personen, und, was jeder zukommen soll, dem
Erben oder einem Dritten überlassen. Hat der Erblasser hierüber nichts bestimmt;
so bleibt die Wahl dem Erben vorbehalten.
Substitutionen bey Vermächtnissen.
§. 652. Der Erblasser kann bey einem Vermächtnisse eine gemeine,
oder fideicommissarische Substitution anordnen; dabey sind die in dem vorigen
Hauptstücke gegebenen Vorschriften anzuwenden.
Gegenstände eines Vermächtnisses.
§. 653. Alles, was im gemeinen Verkehre steht: Sachen, Rechte,
Arbeiten und andere Handlungen, die einen Werth haben, können vermacht werden.
§. 654. Werden Sachen vermacht, die zwar im gemeinen Verkehre
stehen, die aber der Legatar zu besitzen für seine Person unfähig ist, so wird
ihm der ordentliche Werth vergütet.
Allgemeine Auslegungsregel bey
Vermächtnissen.
§. 655. Worte werden auch bey Vermächtnissen in ihrer gewöhnlichen
Bedeutung genommen; es müßte denn bewiesen werden, daß der Erblasser mit
gewissen Ausdrücken einen ihm eigenen besondern Sinn zu verbinden gewohnt
gewesen ist; oder, daß das Vermächtniß sonst ohne Wirkung wäre.
Besondere Vorschriften über das
Vermächtniß:
a) von Sachen einer gewissen Gattung;
§. 656. Hat der Erblasser Eine oder mehrere Sachen von gewisser
Gattung, aber ohne eine nähere Bestimmung, vermacht, und sind mehrere solche
Sachen in der Verlassenschaft vorhanden; so steht dem Erben die Wahl zu. Er muß
aber ein Stück wählen, wovon der Legatar Gebrauch machen kann. Wird dem Legatar
überlassen, Eine von den mehrern Sachen zu nehmen oder zu wählen; so kann er
auch die beste wählen.
§. 657. Wenn der Erblasser Eine oder mehrere Sachen von gewisser
Gattung ausdrücklich nur aus seinem Eigenthume vermacht hat, und es finden sich
dergleichen gar nicht in der Verlassenschaft; so verliert das Vermächtniß seine
Wirkung. Finden sie sich nicht in der verordneten Menge; so muß sich der
Legatar mit den vorhandenen begnügen.
§. 658. Vermacht der Erblasser Eine oder mehrere Sachen von
gewisser Gattung nicht ausdrücklich aus seinem Eigenthume, und es finden sich
dergleichen nicht in der Verlassenschaft; so muß der Erbe sie dem Legatar in
einer, dessen Stande und Bedürfnissen angemessenen, Eigenschaft verschaffen.
Das Legat einer Summe Geldes verbindet den Erben zur Zahlung derselben, ohne
Rücksicht, ob bares Geld in der Verlassenschaft vorhanden sey oder nicht.
§. 659. Der Erblasser kann die Auswahl, welche Sache aus mehrern
der Legatar haben soll, auch einem Dritten überlassen. Schlägt sie dieser aus
oder ist er vor getroffener Auswahl gestorben; so bestimmt die Gerichtsbehörde
das Legat mit Rücksicht auf den Stand und das Bedürfniß des Legatars. Diese
gerichtliche Bestimmung tritt auch in dem Falle ein, daß der Legatar vor der
ihm überlassenen Auswahl verstorben ist.
b) das Vermächtniß einer bestimmten Sache;
§. 660. Das Vermächtniß einer bestimmten Sache kann von dem
Legatar, wenn es in Einer oder in verschiedenen Anordnungen wiederhohlt wird,
nicht zugleich in Natur, und dem Werthe nach verlangt werden. Andere
Vermächtnisse, ob sie gleich eine Sache der nähmlichen Art oder den nähmlichen
Betrag enthalten, gebühren dem Legatar so oft, als sie wiederhohlt worden sind.
§. 661. Das Vermächtniß ist ohne Wirkung, wenn das vermachte Stück
zur Zeit der letzten Anordnung schon ein Eigenthum des Legatars war. Hat er es
später an sich gebracht; so wird ihm der ordentliche Werth bezahlt. Wenn er es
aber von dem Erblasser selbst und zwar unentgeldlich erhalten hat, ist das
Vermächtniß für aufgehoben zu halten.
c) einer fremden Sache;
§. 662. Das Vermächtniß einer fremden Sache, die weder dem
Erblasser, noch dem Erben oder Legatar, welcher sie einem Dritten leisten soll,
gehört, ist wirkungslos. Gebührt den erwähnten Personen ein Antheil oder
Anspruch an der Sache; so ist das Vermächtniß nur von diesem Anspruche oder
Antheile zu verstehen. Ist die vermachte Sache verpfändet oder belastet; so
übernimmt der Empfänger auch die darauf haftenden Lasten. Wenn aber der Erblasser
ausdrücklich verordnet, daß eine bestimmte fremde Sache gekauft, und dem
Legatar geleistet werden solle, der Eigenthümer hingegen sie um den
Schätzungspreis nicht veräußern will; so ist dem Legatar dieser Werth zu
entrichten.
d) einer Forderung;
§. 663. Das Vermächtniß einer Forderung, die der Erblasser an den
Legatar zu machen hat, verpflichtet den Erben, den Schuldschein
zurückzustellen; oder, dem Legatar die Befreyung von der Schuld und den
rückständigen Zinsen auszufertigen.
§. 664. Vermacht der Erblasser jemanden eine Forderung, die er an
einen Dritten zu stellen hat; so muß der Erbe die Forderung sammt den
rückständigen und weiter laufenden Zinsen dem Legatar überlassen.
§. 665. Das Vermächtniß der Schuld, die der Erblasser dem Legatar
zu entrichten hat, hat die Wirkung, daß der Erbe die von dem Erblasser bestimmt
ausgedrückte, oder von dem Legatar ausgewiesene Schuld anerkennen, und sie,
ohne Rücksicht auf die in der Schuldverschreibung enthaltenen Bedingungen oder
Fristen, längstens in der zur Abführung der übrigen Legate bestimmten Zeitfrist
berichtigen muß. Den gefährdeten Gläubigern des Erblassers aber kann dessen
Anerkennung nicht zum Nachtheile gereichen.
§. 666. Die Erlassung der Schuld ist nur von den gegenwärtigen,
nicht auch von den erst nach dem errichteten Vermächtnisse entstandenen
Schulden zu verstehen. Wird durch ein Vermächtniß das Pfandrecht, oder die
Bürgschaft erlassen; so folgt daraus nicht, daß auch die Schuld erlassen worden
sey. Werden die Zahlungsfristen verlängert; so müssen doch die Zinsen fort
bezahlt werden.
§. 667. Wenn der Erblasser einer Person eine Summe schuldig ist,
und ihr eine gleiche Summe vermacht; so wird nicht vermuthet, daß er die Schuld
mit dem Vermächtnisse habe tilgen wollen. Der Erbe bezahlt in diesem Falle die
Summe doppelt; ein Mahl als Schuld, und dann als Vermächtniß.
§. 668. Unter dem Vermächtnisse aller ausstehenden Forderungen
sind doch weder die Forderungen aus öffentlichen Credits-Papieren, noch auch
die auf einem unbeweglichen Gute haftenden Capitalien, oder die aus einem
dinglichen Rechte entstehenden Forderungen begriffen.
e) des Heirathsgutes;
§. 669. Das Heirathsgut kann vermacht werden, entweder um den
Gatten von der Zurückzahlung desselben zu befreyen; oder, um den Erben zu
verpflichten, daß er der Gattinn die als Heirathsgut eingebrachte Summe oder
Sache ohne Beweis, und ohne Abzug der darauf verwendeten Kosten abführe. Hier
gelten die für andere vermachte Forderungen gegebenen Vorschriften.
§. 670. Vermacht der Erblasser einer dritten Person ein
unbestimmtes Heirathsgut; so versteht man darunter, ohne Rücksicht auf ihr
eigenes Vermögen, ein solches Heirathsgut, als der
Vater dieser Person bey mittelmäßigem Vermögen nach seinem Stande
abzureichen schuldig wäre.
§. 671. Vermachen Aeltern den Töchtern ein Heirathsgut; so wird
dasselbe, wofern es nicht ausdrücklich als ein Vorausvermächtniß erkläret
worden, in den gesetzlichen oder letztwilligen Erbtheil
eingerechnet.
f) des Unterhaltes; der Erziehung; oder Kost;
§. 672. Das Vermächtniß des Unterhaltes begreift Nahrung,
Kleidung, Wohnung und die übrigen Bedürfnisse, und zwar auf lebenslang, wie
auch den nöthigen Unterricht in sich. Alles dieses wird auch unter Erziehung
verstanden. Die Erziehung endigt sich mit der Volljährigkeit. Unter Kost wird
Speise und Trank auf lebenslang begriffen.
§. 673. Das Maß der im vorstehenden §. angeführten Vemächtnisse,
wenn es weder aus dem ausdrücklichen, noch aus dem stillschweigenden, durch die
bisherige Unterstützung erklärten Willen des Erblassers erhellet, muß nach dem
Stande bestimmt werden, welcher dem Legatar eigen ist, oder, wozu er durch die
genossene Verpflegung vorbereitet worden ist.
g) der Mobilien; des Hausrathes;
§. 674. Unter Mobilien (Meublen) werden nur die zum anständigen
Gebrauche der Wohnung; unter Hausrath oder Einrichtung zugleich die zur Führung
der Haushaltung erforderlichen Geräthschaften verstanden. Die Werkzeuge zum
Betriebe der Gewerbes sind, ohne eine deutlichere Erklärung, darunter nicht
begriffen.
h) eines Behältnisses;
§. 675. Ist jemanden ein Behältniß vermacht worden, welches nicht
für sich selbst bestehet, sondern nur ein Theil eines Ganzen ist; so wird in
der Regel vermuthet, daß nur diejenigen Stücke zugedacht worden sind, welche
sich bey dem Ableben des Erblassers darin vorfinden, und zu deren Aufbewahrung
das Behältniß seiner Natur nach bestimmt, oder von dem Erblasser gewöhnlich
verwendet worden ist.
§. 676. Ist hingegen das Behältniß beweglich, oder doch eine für
sich bestehende Sache; so hat der Legatar nur auf das Behältniß, nicht auch auf
die darin befindlichen Sachen Anspruch.
§. 677. Wird ein Schrank, ein Kasten oder eine Lade mit allen
darin befindlichen Sachen vermacht; so rechnet man dazu auch Gold und Silber,
Schmuck und bares Geld, selbst die vom Legatar dem Erblasser ausgestellten
Schuldscheine. Andere Schuldscheine oder Urkunden, worauf sich Forderungen und
Rechte des Erblassers gründen, werden nur dann dazu gerechnet, wenn sich außer
denselben nichts in dem Behältnisse befindet. Zu einem Vermächtnisse flüssiger
Sachen gehören auch die zu ihrer Verführung bestimmten Gefäße.
i) der Juwelen, des Schmuckes und Putzes;
§. 678. Unter Juwelen werden in der Regel nur Edelsteine und gute
Perlen; unter Schmuck auch die unechten Steine, und das aus Gold oder Silber
verfertigte oder damit überzogene Geschmeide, welches zur Zierde der Person
dient; und unter Putz dasjenige verstanden, was außer Schmuck, Geschmeide und
Kleidungsstücken zur Verzierung der Person gebraucht wird.
k) des Goldes oder Silbers; der Wäsche; Equipage;
§. 679. Das Vermächtniß des Goldes oder Silbers begreift das
verarbeitete und unverarbeitete, doch nicht das gemünzte noch auch dasjenige in
sich, was nur ein Theil oder eine Verzierung eines andern
Verlassenschaftsstückes, z. B. einer Uhr oder Dose, ausmacht. Die Wäsche wird
nicht zur Kleidung, und Spitzen werden nicht zur Wäsche, sondern zum Putze
gerechnet. Unter Equipage werden die zur Bequemlichkeit des Erblassers
bestimmten Zugpferde und Wagen sammt dem dazu gehörigen Geschirre; nicht auch
Reitpferde und Reitzeug verstanden.
l) der Barschaft;
§. 680. Zur Barschaft gehören auch jene öffentlichen
Credits-Papiere, welche im ordentlichen Umlaufe die Stelle des baren Geldes
vertreten.
m) Ueber die Benennung: Kinder;
§. 681. Unter dem Worte: Kinder, werden, wenn der Erblasser die
Kinder eines Andern bedenkt, nur die Söhne und Töchter: wenn er aber seine
eigenen Kinder bedenkt, auch die an deren Stelle tretenden Nachkömmlinge
begriffen, welche bey dem Ableben des Erblassers schon erzeugt waren.
n) Verwandte;
§. 682. Ein ohne nähere Bestimmung für die Verwandten ausgesetztes
Vermächtniß wird denjenigen, welche nach der gesetzlichen Erbfolge die nächsten
sind, zugewendet, und die oben in dem §. 559. über die Vertheilung einer
Erbschaft unter solchen Personen, welche für eine Person angesehen werden,
aufgestellte Regel ist auch auf Vermächtnisse anzuwenden.
o) Dienstpersonen.
§. 683. Hat der Erblasser seinen Dienstpersonen ein Vermächtniß
hinterlassen, und sie bloß durch das Dienstverhältniß bezeichnet; so wird vermuthet,
daß es diejenigen erhalten sollen, welche zur Zeit seines Ablebens in dem
Dienstverhältnisse stehen. Doch kann in diesem, so wie in den übrigen Fällen,
die Vermuthung durch entgegengesetzte stärkere Vermuthungsgründe aufgehoben
werden.
Anfallstag bey den Vermächtnissen.
§. 684. Der Legatar erwirbt in der Regel (§. 699.) gleich nach dem
Tode des Erblassers für sich und seine Nachfolger ein Recht auf das
Vermächtniß. Das Eigenthumsrecht auf die vermachte Sache aber kann nur nach den
für die Erwerbung des Eigenthumes in dem fünften Hauptstücke aufgestellten
Vorschriften erlanget werden.
Zahlungstag.
§. 685. Das Vermächtniß einzelner Verlassenschaftsstücke und
darauf sich beziehender Rechte, kleine Belohnungen des Dienstgesindes, und
fromme Vermächtnisse können sogleich; andere aber erst nach einem Jahre, von
dem Tode des Erblassers, gefordert werden.
§. 686. Bey dem Vermächtnisse eines einzelnen
Verlassenschaftsstückes kommen dem Legatar auch die seit dem Tode des
Erblassers laufenden Zinsen, entstandenen Nutzungen, und jeder andere Zuwachs
zu Statten. Er trägt hingegen auch alle auf dem Legate haftende Lasten und
selbst den Verlust, wenn es ohne Verschulden eines Andern vermindert wird, oder
gänzlich zu Grunde geht.
§. 687. Wird jemanden ein in wiederkehrenden Fristen, als: alle
Jahre, Monathe und dergleichen zu leistender Betrag vermacht; so erhält der
Legatar ein Recht auf den ganzen Betrag dieser Frist, wenn er auch nur den
Anfang der Frist erlebt hat. Doch kann der Betrag erst mit Ablauf der Frist gefordert
werden. Die erste Frist fängt mit dem Sterbetage des Erblassers zu laufen an.
Recht des Legatars zur Sicherstellung.
§. 688. In allen Fällen, in welchen ein Gläubiger von einem
Schuldner Sicherstellung zu fordern berechtigt ist; kann auch ein Legatar die
Sicherstellung seines Legates verlangen. Wie die Einverleibung eines
Vermächtnisses, zur Begründung eines dinglichen Rechtes, geschehen müsse, ist
oben §. 437. vorgeschrieben worden.
Wem ein erledigtes Vermächtniß zufalle?
§. 689. Ein Vermächtniß, welches der Legatar nicht annehmen kann
oder will, fällt auf den Nachberufenen. (§. 652). Ist kein Nachberufener
vorhanden, und ist das ganze Vermächtniß mehrern Personen ungetheilt oder
ausdrücklich zu gleichen Theilen zugedacht; so wächst der Antheil, den einer
von ihnen nicht erhält, den übrigen eben so, wie den Miterben die Erbschaft zu.
Außer den gedachten zwey Fällen bleibt das erledigte Vermächtniß in der
Erbschafts-Masse.
Recht des Erben, wenn die Lasten die Masse erschöpfen;
§. 690. Wenn die ganze Erbschaft durch Vermächtnisse erschöpft
ist; so hat der Erbe nichts weiter, als die Vergütung seiner zum Besten der
Masse gemachten Auslagen und eine seinen Bemühungen angemessene Belohnung zu
fordern. Will er den Nachlaß nicht selbst verwalten; so muß er um die
Aufstellung eines Curators anlangen.
§. 691. Können nicht alle Legatare aus der Verlassenschafts-Masse
befriediget werden; so wird das Legat des Unterhaltes vor allen andern
entrichtet, und dem Legatar gebührt der Unterhalt von dem Tage des Erbanfalles.
oder gar übersteigen.
§. 692. Reicht die Verlassenschaft zur Bezahlung der Schulden,
anderer pflichtmäßigen Auslagen, und zur Berichtigung aller Vermächtnisse nicht
zu; so leiden die Legatare einen verhältnißmäßigen Abzug. Daher ist der Erbe,
so lange eine solche Gefahr obwaltet, die Vermächtnisse ohne Sicherstellung zu
berichtigen nicht schuldig.
§. 693. Im Falle aber, daß die Legatare die Vermächtnisse bereits
empfangen haben, wird der Abzug nach dem Werthe, den das Vermächtniß zur Zeit
des Empfanges hatte, und den daraus gezogenen Nutzungen bestimmt. Doch steht
dem Legatar auch nach empfangenem Vermächtnisse noch immer frey, zur Vermeidung
des Beytrages, das Vermächtniß, oder den oben erwähnten Werth und die bezogenen
Nutzungen in die Masse zurückzustellen; in Rücksicht der Verbesserungen und
Verschlimmerungen wird er als ein redlicher Besitzer behandelt.
Von den gesetzlichen Beyträgen zu öffentlichen Anstalten.
§. 694. Die Beyträge, welche ein Erblasser nach den politischen
Vorschriften zur Unterstützung der Armen-, Invaliden- und Krankenhäuser und des
öffentlichen Unterrichtes in dem Testamente ausgesetzt hat, sind nicht als
Vermächtnisse anzusehen; sie sind eine Staatsauflage, müssen selbst von den
gesetzlichen Erben entrichtet, und können nicht nach den Grundsätzen des
Privat-Rechtes, sondern nur nach den politischen Verordnungen beurtheilt
werden.
Zwölftes Hauptstück.
Von Einschränkung und Aufhebung des letzten Willens.
Recht des Erblassers zur Einschränkung oder Aenderung seines
letzten Willens.
§. 695. Der Erblasser kann seine Anordnung auf eine Bedingung; auf
einen Zeitpunct; durch einen Auftrag; oder, eine erklärte Absicht einschränken.
Er kann auch sein Testament oder Codicill abändern, oder es ganz aufheben.
Arten der Einschränkung des letzten Willens:
1) Bedingung.
§. 696. Eine Bedingung heißt eine Ereignung, wovon ein Recht
abhängig gemacht wird. Die Bedingung ist bejahend oder verneinend, je nachdem
sie sich auf den Erfolg, oder Nichterfolg der Ereignung bezieht. Sie ist
aufschiebend, wenn das zugedachte Recht erst nach ihrer Erfüllung zu seiner
Kraft gelangt; sie ist auflösend, wenn das zugedachte Recht bey ihrem Eintritte
verloren geht.
Vorschriften:
a) über unverständliche;
§. 697. Ganz unverständliche Bedingungen sind für nicht beygesetzt
zu achten.
b) unmögliche oder unerlaubte;
§. 698. Die Anordnung, wodurch jemanden unter einer aufschiebenden
unmöglichen Bedingung ein Recht ertheilt wird, ist ungültig, obschon die
Erfüllung der Bedingung erst in der Folge unmöglich, und die Unmöglichkeit den
Erblasser bekannt geworden wäre. Eine auflösende unmögliche Bedingung wird als
nicht beygesetzt angesehen. Alles dieses gilt auch von den unerlaubten
Bedingungen.
c) mögliche und erlaubte Bedingungen;
§. 699. Sind die Bedingungen möglich und erlaubt; so kann das
davon abhängende Recht nur durch ihre genaue Erfüllung erworben werden, sie
mögen vom Zufalle, von dem Willen des bedachten Erben, Legatars, oder eines
Dritten abhängen.
d) Bedingung der Nichtverehelichung;
§. 700. Die Bedingung, daß der Erbe oder der Legatar sich, selbst
nach erreichter Großjährigkeit, nicht verehelichen solle, ist als nicht
beygesetzt anzusehen. Nur eine verwitwete Person muß, wenn sie Ein oder mehrere
Kinder hat, die Bedingung erfüllen. Die Bedingung, daß der Erbe oder Legatar
eine bestimmte Person nicht heirathe, kann gültig auferlegt werden.
e) wenn die Bedingung bey dem Leben des Erblassers erfüllet
worden.
§. 701. Ist die in der letzten Willenserklärung vorgeschriebene
Bedingung schon bey dem Leben des Erblassers eingetroffen; so muß die Erfüllung
derselben nach dem Tode des Erblassers nur dann wiederhohlt werden, wenn die
Bedingung in einer Handlung des Erben oder Legatars besteht, welche von ihm
wiederhohlt werden kann.
Ob die Bedingung auch auf die Nachberufenen auszudehnen sey.
§. 702. Eine dem Erben oder Legatar beygerückte Bedingung ist,
ohne ausdrückliche Erklärung des Erblassers, auf den von dem Erblasser
nachberufenen Erben oder Legatar nicht auszudehnen.
Wirkung einer möglichen aufschiebenden Bedingung.
§. 703. Zur Erwerbung eines unter einer aufschiebenden Bedingung
zugedachten Nachlasses ist nothwendig, daß die bedachte Person die Erfüllung
der Bedingung überlebe, und bey dem Eintritte derselben erbfähig sey.
2) Zeitpunct.
§. 704. Ist es ungewiß, ob der Zeitpunct, auf welchen der
Erblasser das zugedachte Recht eingeschränkt, kommen oder nicht kommen werde;
so wird diese Einschränkung als eine Bedingung angesehen.
§. 705. Ist der Zeitpunct von der Art, daß er kommen muß; so wird
das zugedachte Recht, wie andere unbedingte Rechte, auch auf die Erben der
bedachten Person übertragen, und nur die Uebergabe bis zum gesetzten Termine
verschoben.
§. 706. Wäre es offenbar, daß die in der letzten Anordnung
ausgemessene Zeit nie kommen könne; so wird die Bestimmung dieser Zeit wie die
Beysetzung einer unmöglichen Bedingung angesehen. Nur in dem Falle, daß der
Erblasser wahrscheinlich bloß in der Berechnung der Zeit sich geirret hat, wird
der Zeitpunct nach dem wahrscheinlichen Willen des Erblasser zu bestimmen seyn.
Rechtsverhältniß bey einer Bedingung oder einem Zeitpuncte
zwischen der bedachten und ihr nachfolgenden Person.
§. 707. So lange das Recht des Erben oder des Legatars wegen einer
noch nicht erfüllten Bedingung, oder wegen des noch nicht gekommenen
Zeitpunctes verschoben bleibt; so lange finden im ersten Falle zwischen dem
gesetzlichen und eingesetzten Erben; und im zweyten Falle zwischen dem Erben
und Legatar, in Hinsicht auf den einstweiligen Besitz und Genuß des Nachlasses
oder Legates, die nähmlichen Rechte und Verbindlichkeiten, wie bey einer
fideicommissarischen Substitution, Statt.
§. 708. Wer eine Erbschaft oder ein Vermächtniß unter einer
verneinenden oder auflösenden Bedingung; oder, nur auf eine gewisse Zeit
erhält, hat gegen den, welchem die Erbschaft, oder das Vermächtniß, beym
Eintritte der Bedingung, oder des bestimmten Zeitpunctes zufällt, die
nähmlichen Rechte und Verbindlichkeiten, welche einem Erben oder Legatar gegen
den fideicommissarischen Substituten zukommen (§. 613).
3) Auftrag.
§. 709. Hat der Erblasser jemanden einen Nachlaß unter einem
Auftrage zugewendet; so ist dieser Auftrag als eine auflösende Bedingung
anzusehen, daß durch die Nichterfüllung des Auftrages der Nachlaß verwirkt
werden solle (§. 696).
§. 710. In dem Falle, daß der Auftrag nicht genau erfüllet werden
kann, muß man demselben wenigstens nach Möglichkeit nahe zu kommen suchen. Kann
auch dieses nicht geschehen; so behält doch der Belastete, wofern aus dem
Willen des Erblassers nicht das Gegentheil erhellet, den zugedachten Nachlaß.
Wer sich zur Erfüllung des Auftrages selbst unfähig gemacht hat, wird des ihm
zugedachten Nachlasses verlustig.
§. 711. Wenn der Erblasser die Absicht, wozu er den Nachlaß
bestimmt, zwar ausgedrückt, aber nicht zur Pflicht gemacht hat, so kann die
bedachte Person nicht angehalten werden, den Nachlaß zu dieser Absicht zu
verwenden.
§. 712. Die Anordnung, wodurch der Erblasser seinem Erben eine
unmögliche oder unerlaubte Handlung mit dem Beysatze aufträgt, daß er, wofern
er den Auftrag nicht befolgte, einem Dritten ein Legat entrichten soll, ist
ungültig.
Von Aufhebung der Anordnungen, und zwar: 1) durch Errichtung einer
neuen Anordnung; eines Testamentes;
§. 713. Ein früheres Testament wird durch ein späteres gültiges Testament
nicht nur in Rücksicht der Erbseinsetzung, sondern auch in Rücksicht der
übrigen Anordnungen aufgehoben; dafern der Erblasser in dem letztern nicht
deutlich zu erkennen gibt, daß das frühere ganz oder zum Theil bestehen solle.
Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn in dem spätern Testamente der Erbe nur zu
einem Theile der Erbschaft berufen wird. Der übrig bleibende Theil fällt nicht
den in dem frühern Testamente eingesetzten, sondern den gesetzlichen Erben zu.
oder Codicills;
§. 714. Durch ein späteres Codicill, deren mehrere neben einander
bestehen können, werden frühere Vermächtnisse oder Codicille nur in so fern
aufgehoben, als sie mit demselben im Widerspruche stehen.
§. 715. Kann man nicht entscheiden, welches Testament oder
Codicill das spätere sey; so gelten, in so fern sie neben einander bestehen
können, beyde, und es kommen die im Hauptstück von der Gemeinschaft des
Eigenthums aufgestellten Vorschriften zur Anwendung.
ungeachtet der früher erklärten Unabänderlichkeit.
§. 716. Der in einem Testamente oder Codicille angehängte Beysatz:
daß jede spätere Anordnung überhaupt, oder, wenn sie nicht mit einem bestimmten
Merkmahle bezeichnet ist, null und nichtig seyn solle, verhindert zwar den
Erblasser nicht, seinen letzten Willen zu verändern; allein, wenn er in der
spätern Verordnung den eben angeführten allgemeinen, oder besondern Beysatz
nicht ausdrücklich aufhebt; so wird nicht sein späterer, sondern sein früherer
Wille für gültig angenommen.
2) durch Widerruf;
§. 717. Will der Erblasser seine Anordnung aufheben, ohne eine
neue zu errichten; so muß er sie ausdrücklich entweder mündlich, oder
schriftlich widerrufen, oder die Urkunde vertilgen.
§. 718. Der Widerruf kann nur in einem solchen Zustande gültig
geschehen, worin man einen letzten Willen zu erklären fähig ist. Ein
gerichtlich erklärter Verschwender kann seinen letzten Willen gültig
widerrufen.
a) einen ausdrücklichen;
§. 719. Ein mündlicher Widerruf einer gerichtlichen oder
außergerichtlichen letzten Anordnung erfordert so viele und solche Zeugen, als
zur Gültigkeit eines mündlichen Testamentes nöthig sind; ein schriftlicher
aber, eine von dem Erblasser eigenhändig geschriebene und unterschriebene, oder
wenigstens von ihm und den zu einem schriftlichen Testamente erforderlichen
Zeugen unterfertigte Erklärung.
§. 720. Eine Anordnung des Erblassers, wodurch er dem Erben oder
Legatar unter angedrohter Entziehung eines Vortheiles verbiethet, den letzten
Willen zu bestreiten, soll für den Fall, daß nur die Echtheit oder der Sinn der
Erklärung angefochten wird, nie von einer Wirkung seyn.
b) stillschweigenden;
§. 721. Wer in seinem Testamente oder Codicille die Unterschrift
durchschneidet; sie durchstreicht; oder, den ganzen Inhalt auslöscht, vertilgt
es. Wenn von mehreren gleichlautenden Urkunden nur Eine vertilgt worden; so
kann man daraus auf keinen Widerruf schließen.
§. 722. Sind die gedachten Verletzungen der Urkunde nur zufällig
geschehen; oder, ist die Urkunde in Verlust gerathen; so verliert der letzte
Wille seine Wirkung nicht; wenn anders der Zufall durch die in der
Gerichtsordnung bestimmten Beweisarten, und der Inhalt der Urkunde auf die Art
erwiesen wird, wie eine mündliche letzte Anordnung erwiesen werden muß.
§. 723. Hat ein Erblasser eine spätere Anordnung vernichtet, die
frühere schriftliche Anordnung aber unversehrt gelassen; so kommt die frühere
schriftliche wieder zur Kraft. Eine mündliche frühere Anordnung lebt dadurch
nicht wieder auf.
oder c) vermutheten.
§. 724. Ein Legat wird für widerrufen angesehen, wenn der
Erblasser die vermachte Forderung eingetrieben und erhoben; wenn er die
jemanden zugedachte Sache veräußert, und nicht wieder zurück erhalten; oder
wenn er sie auf eine solche Art in eine andere verwandelt hat, daß die Sache
ihre vorige Gestalt und ihren vorigen Rahmen verliert.
§. 725. Wenn aber der Schuldner die Forderung aus eigenem Antriebe
berichtiget hat; wenn die Veräußerung des Legats auf gerichtliche Anordnung
geschehen; wenn die Sache ohne Einwilligung des Erblassers verwandelt worden
ist; so besteht das Legat.
3) durch Entsagung der Erben.
§. 726. Will oder kann weder ein Erbe, noch ein Nacherbe die
Verlassenschaft annehmen; so fällt das Erbrecht auf die gesetzlichen Erben.
Diese sind aber verpflichtet, die übrigen Verfügungen des Erblassers zu
befolgen. Entsagen auch sie der Erbschaft; so werden die Legatare
verhältnißmäßig als Erben betrachtet.
Dreyzehntes Hauptstück.
Von der gesetzlichen Erbfolge.
Fälle der gesetzlichen Erbfolge.
§. 727. Wenn der Verstorbene keine gültige Erklärung des letzten
Willens hinterlassen; wenn er in derselben nicht über sein ganzen Vermögen
verfüget; wenn er die Personen, denen er kraft des Gesetzes einen Erbtheil zu
hinterlassen schuldig war, nicht gehörig bedacht hat; oder, wenn die
eingesetzten Erben die Erbschaft nicht annehmen können oder wollen; so findet
die gesetzliche Erbfolge ganz oder zum Theile Statt.
§. 728. In Ermangelung einer gültigen Erklärung des letzten
Willens fällt die ganze Verlassenschaft des Verstorbenen den gesetzlichen Erben
zu. Ist aber eine gültige Erklärung des letzten Willens vorhanden; so kommt
ihnen derjenige Erbtheil zu, welcher in derselben Niemanden zugedacht ist.
Vorschrift für den Fall des verkürzten Pflichttheiles.
§. 729. Ist eine Person, welcher der Erblasser kraft der Gesetze einen Erbtheil zu hinterlassen schuldig war, durch eine letzte Willenserklärung verkürzt worden; so kann sie sich auf die Vorschrift des Gesetzes berufen, und den nach Maßgabe des folgenden Hauptstückes ihr gebührenden Erbtheil gerichtlich fordern.
Gesetzliche Erben;
I.) Die Verwandten aus einer ehelichen Abstammung.
§. 730. Gesetzliche Erben sind zuvörderst diejenigen, welche mit dem Erblasser vermittelst ehelicher Abstammung durch die nächste Linie verwandt sind. Die Verwandtschafts-Linien werden auf folgende Art bestimmt.
Erbfähige Linien derselben.
§. 731. Zur ersten Linie gehören diejenigen, welche sich unter dem Erblasser, als ihrem Stamme, vereinigen, nähmlich: seine Kinder und ihre Nachkömmlinge.
Zur zweyten Linie gehören des Erblassers Vater und Mutter, sammt denjenigen, die sich mit ihm unter Vater und Mutter vereinigen, nähmlich: seine Geschwister und ihr Nachkömmlinge.
Zur dritten Linie gehören die Großältern sammt den Geschwistern der Aeltern und ihren Nachkömmlingen.
Zur vierten Linie gehören des Erblassers erste Urgroßältern, sammt ihren Nachkömmlingen.
Zur fünften Linie gehören des Erblassers zweyte Urgroßältern, sammt denjenigen, die von ihnen abstammen.
Zur sechsten Linie gehören des Erblassers dritte Urgroßältern, sammt denjenigen, die von ihnen entsprossen sind.
1. Linie: Die Kinder;
§. 732. Wenn der Erblasser eheliche Kinder des ersten Grades hat,
so fällt ihnen die ganze Erbschaft zu; sie mögen männlichen oder weiblichen
Geschlechtes; sie mögen bey Lebzeiten des Erblassers oder nach seinem Tode
geboren seyn. Mehrere Kinder theilen die Erbschaft nach ihrer Zahl in gleiche
Theile. Enkel von noch lebenden Kindern, und Urenkel von noch lebenden Enkeln
haben kein Recht zur Erbfolge.
§. 733. Ist ein Kind des Erblassers
vor ihm gestorben, und sind von demselben Ein oder mehrere Enkel vorhanden; so
fällt der Antheil, welcher dem verstorbenen Kinde gebührt hätte, diesem
nachgelassenen Enkel ganz, oder den mehrern Enkeln zu gleichen Theilen zu. Ist
von diesen Enkeln ebenfalls Einer gestorben und hat Urenkel nachgelassen; so
wird auf die nähmliche Art der Antheil des verstorbenen Enkels unter die
Urenkel gleich getheilt. Sind von einem Erblasser noch entferntere
Nachkömmlinge vorhanden; so wird die Theilung verhältnißmäßig nach der eben
gegebenen Vorschrift vorgenommen.
§. 734. Auf diese Art wird
eine Erbschaft nicht nur dann getheilet, wenn Enkel von verstorbenen Kindern
mit noch lebenden Kindern, oder entferntere Nachkömmlinge mit nähern
Nachkömmlingen des Erblassers zusammentreffen; sondern auch dann, wenn die
Erbschaft bloß zwischen Enkeln von verschiedenen Kindern; oder zwischen
Urenkeln von verschiedenen Enkeln zu theilen ist. Es können also die von jedem
Kinde nachgelassenen Enkel, und die von jedem Enkel nachgelassenen Urenkel,
ihrer seyn viele oder wenige, nie mehr und nie weniger erhalten, als das
verstorbene Kind oder der verstorbene Enkel erhalten hätten, wenn sie am Leben
geblieben wären.
2. Linie: Die Aeltern und ihre Nachkömmlinge:
§. 735. Ist Niemand vorhanden, der von dem Erblasser selbst
abstammt; so fällt die Erbschaft auf diejenigen, die mit ihm durch die zweyte
Linie verwandt sind, nähmlich: auf seine Aeltern und ihre Nachkömmlinge. Leben
noch beyde Aeltern; so gebührt ihnen die ganze Erbschaft zu gleichen Theilen.
Ist Eines dieser Aeltern verstorben; so treten dessen nachgelassene Kinder oder
Nachkömmlinge in sein Recht ein, und es wird die Hälfte, die dem Verstorbenen
gebührt hätte, unter sie nach jenen Grundsätzen getheilt, welche in den §§. 732-734
wegen Theilung der Erbschaft zwischen Kindern und entferntern Nachkömmlingen
des Erblassers festgesetzt worden sind.
§. 736. Wenn beyde Aeltern des Erblassers verstorben sind, so wird jene
Hälfte der Erbschaft, welche dem Vater zugefallen wäre, unter seine
hinterlassenen Kinder und derselben Nachkömmlinge; die andere Hälfte aber,
welche der Mutter gebührt hätte, unter ihre Kinder und derselben Nachkömmlinge
nach den §§. 732-734. getheilet. Sind von diesen Aeltern keine andere als von
ihnen gemeinschaftlich erzeugte Kinder, oder derselben Nachkömmlinge vorhanden;
so theilen sie die beyden Hälften unter sich gleich. Sind aber außer diesen
noch Kinder vorhanden, die von dem Vater oder von der Mutter, oder von einem
und der andern in einer andern Ehe erzeugt worden sind; so erhalten die von dem
Vater und der Mutter gemeinschaftlich erzeugten Kinder oder ihre Nachkömmlinge
sowohl an der väterlichen, als an der mütterlichen Hälfte ihren gebührenden,
mit den einseitigen Geschwistern gleichen Antheil.
§. 737. Wenn Eines der verstorbenen Aeltern des Erblassers weder Kinder,
noch Nachkömmlinge hinterlassen hat; so fällt die ganze Erbschaft dem andern
noch lebenden Aelterntheile zu. Ist dieser Theil auch nicht mehr am Leben; so
wird die ganze Erbschaft unter seinen Kindern und Nachkömmlingen nach den
bereits angeführten Grundsätzen vertheilet.
3. Linie: Die Großältern und ihre
Nachkommenschaft.
§. 738. Sind die Aeltern des Erblassers ohne Nachkömmlinge verstorben; so
kommt die Erbschaft auf die dritte Linie, nähmlich: auf des Erblassers
Großältern und ihre Nachkommenschaft. Die Erbschaft wird dann in zwey gleiche
Theile getheilet. Eine Hälfte gehört den Aeltern des Vaters und ihren
Nachkömmlingen; die andere den Aeltern der Mutter und ihren Nachkömmlingen.
§. 739. Jede dieser Hälften wird unter den Großältern der einen und der
anderen Seite, wenn sie beyde noch leben, gleich getheilt. Ist eines der
Großältern, oder sind beyde von der einen oder anderen Seite gestorben; so wird
die dieser Seite zugefallene Hälfte zwischen den Kindern und Nachkömmlingen
dieser Großältern nach jenen Grundsätzen getheilt, nach welchen in der zweyten
Linie die ganze Erbschaft zwischen den Kindern und Nachkömmlingen der Aeltern
des Erblassers getheilt werden muß. (§§. 735-737.)
§. 740. Sind von der väterlichen oder von der mütterlichen Seite beyde
Großältern verstorben, und weder von dem Großvater, noch von der Großmutter
dieser Seite Nachkömmlinge vorhanden; dann fällt den von der anderen Seite noch
lebenden Großältern, oder, nach derselben Tode, ihren hinterlassenen Kindern
und Nachkömmlingen die ganze Erbschaft zu.
4. Linie: Die Urgroßältern und ihre
Nachkömmlinge.
§. 741. Nach gänzlicher Erlöschung der dritten Linie kommt die gesetzliche
Erbfolge auf die vierte. Zu dieser Linie gehören die Aeltern des väterlichen
Großvaters und ihre Nachkömmlinge; die Aeltern der väterlichen Großmutter mit
ihren Nachkömmlingen; die Aeltern des mütterlichen Großvaters mit ihrer
Nachkommenschaft; und die Aeltern der mütterlichen Großmutter mit der ihrigen
§. 742. Sind von allen diesen vier Stämmen Verwandte vorhanden; so wird
die Erbschaft zwischen denselben in vier gleiche Theile getheilt, und jeder
Theil wieder zwischen den zu jedem Stamme gehörigen Personen nach eben den
Grundsätzen untergetheilt, nach welchen zwischen den Aeltern des Erblassers und
ihren Nachkömmlingen eine ganze Erbschaft gesetzmäßig getheilt wird.
§. 743. Ist einer von den zu dieser Linie gehörigen vier Stämmen bereits
erloschen; so fällt dessen Antheil nicht allen übrigen drey Stämmen zu; sondern,
wenn der erloschene Stamm von der väterlichen Seite ist, so fällt dem anderen
Stamme von der väterlichen Seite die Hälfte der Erbschaft zu, und wenn der
erloschene Stamm von der mütterlichen Seite ist, so fällt dem anderen Stamme
von der mütterlichen Seite ebenfalls die Hälfte der Erbschaft zu. Sind aber
beyde Stämme von der väterlichen und mütterlichen Seite erloschen, so fällt auf
die zwey Stämme von der anderen Seite; und, wenn auch von diesen schon Einer
erloschen ist, auf den einzigen von dieser Seite noch übrigen Stamm die ganze
Erbschaft.
5. Linie: Die zweyten Urgroßältern und
ihre Nachkömmlinge.
§. 744. Wenn von der vierten Linie kein Verwandter mehr am Leben ist; so
fällt die Erbschaft auf die fünfte, nähmlich: auf des Erblassers zweyte Urgroßältern
und ihre Nachkömmlinge. Zu dieser Linie gehört der Stamm der väterlichen
Großältern des väterlichen Großvaters; der Stamm der mütterlichen Großältern
des väterlichen Großvaters, der Stamm der väterlichen Großältern der
väterlichen Großmutter; der Stamm der mütterlichen Großältern der väterlichen
Großmutter, der Stamm der väterlichen Großältern des mütterlichen Großvaters;
der Stamm der mütterlichen Großältern des mütterlichen Großvaters; und der
Stamm der väterlichen Großältern der mütterlichen Großmutter; und der Stamm der
mütterlichen Großältern der mütterlichen Großmutter.
§. 745. Jeder von diesen acht Stämmen hat mit den übrigen gleiches
Erbrecht, und, wenn von jedem Stamme Verwandte vorhanden sind; so wird die
Erbschaft unter ihnen in acht gleiche Theile getheilt, und jeder Theil unter
den zu diesem Stamme gehörigen Personen nach der bey den vorigen Linien
vorgeschriebenen Ordnung wieder untergetheilt.
§. 746. Wenn einer dieser acht Stämme erloschen ist; so fällt dasjenige,
was den väterlichen Großältern eines Großvaters oder einer Großmutter gehört
hätte, dem Stamme der mütterlichen Großältern eben dieses Großvaters oder
dieser Großmutter zu; und, was den mütterlichen Großältern eines Großvaters
oder einer Großmutter gebühret hätte, fällt dem Stamme der väterlichen
Großältern eben dieses Großvaters oder eben dieser Großmutter zu.
§. 747. Sind beyde Stämme eines Großvaters oder einer Großmutter
erloschen; so bleiben die Antheile, die zu der väterlichen Seite des Erblassers
gehören, bey den noch übrigen Stämmen der väterlichen Seite; und die Antheile,
die zu der mütterlichen Seite des Erblassers gehören, bleiben bey den noch
übrigen Stämmen von der mütterlichen Seite. Wenn aber von allen vier Stämmen
der väterlichen Seite; oder von allen vier Stämmen der mütterlichen Seite kein
Verwandter mehr vorhanden ist; so erhalten die von der andern Seite vorhandenen
Stämme die ganze Erbschaft.
6. Linie: Die dritten Urgroßältern u.
ihre Nachkommenschaft.
§. 748. Wenn endlich auch die fünfte Linie ganz erloschen ist; so fällt
die gesetzliche Erbfolge auf die sechste, nähmlich: auf des Erblassers dritte
Urgroßältern und ihre Nachkömmlinge. Zu dieser Linie gehören sechzehn Stämme,
nähmlich: die Stämme derjenigen Aeltern, aus welchen die Stammältern der
fünften Linie entsprossen sind. Wenn von jedem dieser Stämme Verwandte am Leben
sind; so wird die Erbschaft in sechzehn gleiche Stammtheile getheilt, und jeder
Stammtheil zwischen den zu diesem Stamme gehörigen Verwandten nach den bereits
angegebenen Grundsätzen wieder untergetheilt.
§. 749. Sind von einigen dieser Stämme keine Verwandten mehr am Leben; so
fallen ihre Antheile auf diejenigen Stämme, die nach Vorschrift der §§. 743 und
746 mit den erloschenen Stämmen in der nächsten Verbindung stehen. Sind nur von
einem einzigen Stamme Verwandte übrig; so gebührt ihnen die ganze Erbschaft.
§. 750. Wenn jemand mit dem Erblasser von mehr als einer Seite verwandt
ist; so genießt er von jeder Seite dasjenige Erbrecht, welches ihm, als einem
Verwandten von dieser Seite ins besondere betrachtet, gebührt. (§. 736.)
Ausschließung der entferntern Verwandten.
§. 751. Auf diese sechs Linien der ehelichen Verwandtschaft wird das Recht
der Erbfolge in Ansehung eines frey vererblichen Vermögens eingeschränkt.
Entferntere Verwandte des Erblassers sind von der gesetzlichen Erbfolge
ausgeschlossen.
II.) Gesetzliches Erbrecht legitimirter Kinder.
§. 752. Außer der Ehe geborne und durch nachher erfolgte Vermählung
ihrer Aeltern legitimirte Kinder; wie auch diejenigen, welchen, ungeachtet
eines bey der Verehelichung ihrer Aeltern bestandenen Hindernisses, die
besondere Begünstigung des §. 160 zukommt, genießen unter den in diesem §. 160,
und dem §. 161, enthaltenen Beschränkungen auch in Rücksicht der gesetzlichen
Erbfolge die Rechte ehelicher Kinder.
§. 753. Einem unehelichen, durch die Begünstigung des Gesetzgebers
legitimirten, Kinde kommt auf die väterliche Verlassenschaft nur dann ein
gesetzliches Erbrecht zu, wenn es auf Ansuchen des Vaters, um gleiche Rechte
mit den ehelichen Kindern in dem frey vererblichen Vermögen zu genießen,
legitimirt worden ist.
III.) Der unehelichen Kinder.
§. 754. In Rücksicht auf die Mutter haben uneheliche Kinder bey der
gesetzlichen Erbfolge in das frey vererbliche Vermögen gleiche Rechte mit den
ehelichen. Zu dem Nachlasse des Vaters und der väterlichen Verwandten, dann der
Aeltern, Großältern und übrigen Verwandten der Mutter gebührt den unehelichen
Kindern keine gesetzliche Erbfolge.
IV.) Der Wahlkinder.
§. 755. Wahlkinder haben bey der gesetzlichen Erbfolge in das frey
vererbliche Vermögen desjenigen, welcher sie an Kindes Statt angenommen hat,
ein gleiches Recht, wie die ehelichen Kinder. In Rücksicht der Verwandten
desselben oder des Ehegatten, ohne dessen Einwilligung die Annahme geschehen
ist, steht ihnen kein Erbrecht zu. Sie behalten aber das gesetzliche Erbrecht
in dem Vermögen ihrer natürlichen Aeltern und Verwandten. (§. 183.)
V.) Erbrecht der Aeltern in Rücksicht der in den §§. 752-754
erwähnten Kinder.
§. 756. Den Aeltern kommt auf den Nachlaß ihrer legitimirten, oder von dem
Gesetze besonders begünstigten unehelichen Kinder eben das wechselseitige Recht
zu, welches den Kindern auf den Nachlass ihrer Aeltern eingeräumt worden ist.
(§§. 752-754) In dem Vermögen eines unehelich gebliebenen Kindes gebührt nur
der Mutter die Erbfolge; der Vater, alle Großältern und anderen Verwandte des
Kindes sind davon ausgeschlossen. Auch die Wahlältern haben kein gesetzliches
Erbrecht auf die Verlassenschaft des Wahlkindes; sie fällt nach der
gesetzlichen Erbfolge dessen Verwandten zu.
VI.) Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten.
§. 757. Dem überlebenden Ehegatten des Erblassers gebührt, ohne Unterschied,
ob er ein eigenes Vermögen besitze oder nicht, wofern drey oder mehrere Kinder
vorhanden sind, mit jedem Kinde ein gleicher Erbtheil; wenn aber weniger als
drey Kinder vorhanden sind, der vierte Theil der Verlassenschaft zum
lebenslangen Genusse; das Eigenthum davon bleibt den Kindern.
§. 758. Ist kein Kind, aber ein anderer gesetzlicher Erbe vorhanden, so
erhält der überlebende Ehegatte das unbeschränkte Eigenthum auf den vierten
Theil der Verlassenschaft. Doch wird sowohl in diesem, als in dem Falle des §.
757. dasjenige, was gemäß der Ehe-Pacten, eines Erbvertrages, oder einer
letzten Anordnung dem überlebenden Ehegatten aus dem Vermögen des andern
zukommt, in den Erbtheil eingerechnet.
§. 759. Wenn aber weder ein Verwandter des Erblassers in den oben angeführten
sechs Linien, noch ein anderer in den §§. 752-756. berufenen Erben vorhanden
ist; so fällt dem Ehegatten die ganze Erbschaft zu. Doch hat ein aus seinem
Verschulden geschiedener Ehegatte weder auf die Erbschaft, noch auf einen
Erbtheil des Gatten Anspruch.
Erblose Verlassenschaft.
§. 760. Ist auch der Ehegatte nicht mehr am Leben; so wird die
Verlassenschaft, als ein erbloses Gut, entweder von der Kammer, oder von
denjenigen Personen eingezogen, welche vermöge der politischen Verordnung zur
Einziehung erbloser Güter ein Recht haben.
Abweichungen von der allgemeinen Erbfolgeordnung.
§. 761. Die Abweichungen von der in diesem Hauptstücke bestimmten
gesetzlichen Erbfolge in Rücksicht auf Bauerngüter, und die Verlassenschaft
geistlicher Personen sind in den politischen Gesetzen enthalten.
Vierzehntes Hauptstück.
Von dem Pflichttheile und der Anrechnung in den Pflicht- oder
Erbtheil.
Welchen Personen als Notherben ein Pflichttheil gebühre.
§. 762. Die Personen, welche der Erblasser in den letzten Anordnung
mit einem Erbtheile bedenken muß, sind seine Kinder, und, in deren Ermangelung,
seine Aeltern.
§. 763. Unter dem Nahmen Kinder werden nach der allgemeinen Regeln
(§. 42.) auch Enkel und Urenkel; und unter dem Nahmen Aeltern alle Großältern
begriffen. Es findet hier zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlechte;
zwischen ehelicher und unehelicher Geburt kein Unterschied Statt, sobald für
diese Person das Recht und die Ordnung der gesetzlichen Erbfolge eintreten
würde.
§. 764. Der Erbtheil, welchen diese Personen zu fordern berechtigt
sind, heißt: Pflichttheil; sie selbst werden in dieser Rücksicht Notherben
genannt.
In welchem Betrage,
§. 765. Als Pflichttheil bestimmt das Gesetz jedem Kinde die
Hälfte dessen, was ihm nach der gesetzlichen Erbfolge zugefallen wäre.
§. 766. In der aufsteigenden Linie gebührt jedem Notherben als
Pflichttheil ein Drittheil dessen, was er nach der gesetzlichen Erbfolge
erhalten haben würde.
und unter was für Beschränkungen.
§. 767. Wer auf das Erbrecht Verzicht geleistet hat; wer nach den
in dem achten Hauptstücke enthaltenen Vorschriften von dem Erbrechte
ausgeschlossen wird; oder von dem Erblasser rechtmäßig enterbet worden ist; hat
auf einen Pflichttheil einen Anspruch, und wird bey der Ausmessung desselben so
betrachtet, als wenn er gar nicht vorhanden wäre.
Erfordernisse einer rechtmäßigen Enterbung.
§. 768. Ein Kind kann enterbt werden:
1) wenn es vom Christenthume abfällt;
2) wenn es den Erblasser im Nothstande hülflos gelassen hat;
3) wenn es eines Verbrechens wegen zur lebenslangen oder
zwanzigjährigen Kerkerstrafe verurtheilt worden ist;
4) wenn es eine gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößige
Lebensart beharrlich führet.
§. 769. Aus den nähmlichen Ursachen können auch die Aeltern von
dem Pflichttheile ausgeschlossen werden, und ins besondere noch dann, wenn sie
das Kind in der Erziehung ganz verwahrloset haben.
§. 770. Ueberhaupt kann einem Notherben auch solcher Handlungen
wegen, die einen Erben nach den §§. 540-542. des Erbrechtes unwürdig machen,
durch die letzte Willenserklärung der Pflichttheil entzogen werden.
§. 771. Die Enterbungsursache muß immer, sie mag von dem Erblasser
ausgedrückt seyn oder nicht, von dem Erben erwiesen werden, und in den Worten,
und dem Sinne des Gesetzes gegründet seyn.
§. 772. Die Enterbung wird nur durch einen ausdrücklichen in der
gesetzlichen Form erklärten Widerruf aufgehoben.
§. 773. Wenn bey einem sehr verschuldeten oder verschwenderischen
Notherben das wahrscheinliche Besorgniß obwaltet, daß der ihm gebührende
Pflichttheil ganz oder größten Theils seinen Kindern entgehen würde; so kann
ihm der Pflichttheil von dem Erblasser, jedoch nur dergestalt entzogen werden,
daß solcher den Kindern des Notherben zugewendet werde.
Wie der Pflichttheil zu hinterlassen.
§. 774. Der Pflichttheil kann in Gestalt eines Erbtheiles oder
Vermächtnisses, auch ohne ausdrückliche Benennung des Pflichttheiles
hinterlassen werden. Er muß aber dem Notherben ganz frey bleiben. Jede
denselben einschränkende Bedingung oder Belastung ist ungültig. Wird dem
Notherben ein größerer Erbtheil zugedacht; so kann sie nur auf den Theil,
welcher den Pflichttheil übersteigt, bezogen werden.
Rechtsmittel des Notherben:
a) bey einer widerrechtlichen Enterbung oder Verkürzung in dem
Pflichttheile;
§. 775. Ein Notherbe, welcher ohne die in den §§. 768-773
vorgeschriebenen Bedingungen enterbt worden, kann den ihm gebührenden vollen
Pflichttheil; und, wenn er in dem reinen Betrage des Pflichttheils verkürzt
worden ist, die Ergänzung desselben fordern.
b) bey einer gänzlichen Uebergehung.
§. 776. Wenn aus mehrern Kindern, deren Daseyn dem Erblasser
bekannt war, Eines ganz mit Stillschweigen übergangen wird; so kann es
ebenfalls nur den Pflichttheil fordern.
§. 777. Wenn aber aus den Umständen erwiesen werden kann, daß die
Uebergehung Eines aus mehrern Kindern nur daher rühre, weil dem Erblasser das
Daseyn desselben unbekannt war, so ist der Uebergangene nicht schuldig, sich
mit dem Pflichttheile zu begnügen; sondern er kann den Erbtheil, welcher für
den am mindesten begünstigten Notherben ausfällt; wofern aber der einzige noch
übrige Notherbe eingesetzt wird, oder alle übrige zu gleichen Theilen berufen
sind, einen gleichen Erbtheil verlangen.
§. 778. Hat der Erblasser einen einzigen Notherben, und er
übergeht ihn aus oben gedachtem Irrthume mit Stillschweigen; oder erhält ein
kinderloser Erblasser erst nach Erklärung seines letzten Willens einen
Notherben, für den keine Vorsehung getroffen ist; so werden nur die zu
öffentlichen Anstalten, zur Belohnung geleisteter Dienste, oder zu frommen
Absichten bestimmten Vermächtnisse in einem, den vierten Theil der reinen
Verlassenschaft nicht übersteigenden, Betrage verhältnißmäßig entrichtet, alle
übrige Anordnungen den letzten Willens aber gänzlich entkräftet. Sie erlangen
jedoch, wenn der Notherbe vor dem Erblasser verstorben ist, wieder ihre Kraft.
§. 779. Wenn ein Kind vor dem Erblasser stirbt und Abstämmlinge
hinterläßt; so treten diese mit Stillschweigen übergangenen Abstämmlinge in Ansehung
des Erbrechtes an die Stelle des Kindes.
§. 780. Die Abstämmlinge eines in dem letzten Willen ausdrücklich
enterbten, aber vor dem Erblasser verstorbenen Kindes sind bloß befugt, den
Pflichttheil zu verlangen.
§. 781. Wird ein Notherbe der aufsteigenden Linie mit
Stillschweigen übergangen; so kann er immer nur den Pflichtteil aus der Masse
fordern.
§. 782. Wenn der Erbe beweisen kann, daß ein mit Stillschweigen
übergangener Notherbe sich einer der in den §§. 768-770. angeführten
Enterbungsursachen schuldig gemacht hat; so wird die Uebergehung als eine
stillschweigende rechtliche Enterbung angesehen.
Wer zur Entrichtung des Erb- oder Pflichttheils beyzutragen habe.
§. 783. In allen Fällen, wo einem Notherben der gebührende Erb-
oder Pflichttheil gar nicht, oder nicht vollständig ausgemessen worden ist,
müssen sowohl die eingesetzten Erben, als auch die Legatare verhältnißmäßig zur
vollständigen Entrichtung beytragen.
Art der Ausmessung und Berechnung des Pflichttheiles.
§. 784. Um den Pflichttheil richtig ausmessen zu können, werden
alle zur Verlassenschaft Gehörige, bewegliche und unbewegliche Sachen, alle
Rechte und Forderungen, welche der Erblasser auf seine Nachfolger frey zu
vererben befugt war, selbst alles, was ein Erbe oder Legatar in die Masse
schuldig ist, genau beschrieben und ordentlich geschätzt. Den Notherben steht
frey, der Schätzung beyzuwohnen, und ihre Erinnerungen dabey zu machen. Auf
eine Feilbiethung der Verlassenschaftsstücke zur Erhebung des wahren Werthes
kann von ihnen nicht gedrungen werden.
§. 785. Schulden und andere Lasten, welche schon bey Lebzeiten des
Erblassers auf dem Vermögen hafteten, werden von der Masse abgerechnet.
§. 786. Der Pflichttheil wird ohne Rücksicht auf Vermächtnisse,
und andere aus dem letzten Willen entspringenden Lasten berechnet. Bis zur
wirklichen Zutheilung ist die Verlassenschaft, in Ansehung des Gewinnes und der
Nachtheile, als ein zwischen den Haupt- und Notherben verhältnißmäßig
gemeinschaftliches Gut zu betrachten.
Anrechnung zum Pflichttheile.
§. 787. Alles, was die Notherben durch Legate oder andere
Verfügungen des Erblassers wirklich aus der Verlassenschaft erhalten, wird bey
Bestimmung ihres Pflichttheiles in Rechnung gebracht.
§. 788. Was der Erblasser bey Lebzeiten seiner Tochter oder
Enkelinn zum Heirathsgute; seinem Sohne oder Enkel zur Ausstattung, oder
unmittelbar zum Antritte eines Amtes, oder was immer für eines Gewerbes
gegeben; oder zur Bezahlung der Schulden eines großjährigen Kinder verwendet
hat, wird in den Pflichttheil eingerechnet.
§. 789. Bey dem Pflichttheile der Aeltern findet die Anrechnung
eines Vorschusses in so fern Statt, als er weder zur gesetzlichen Unterstützung
(§. 154.), noch aus bloßer Freygebigkeit geleistet worden ist.
oder zum Erbtheile bey der gesetzlichen Erbfolge.
§. 790. Die Anrechnung bey der Erbfolge der Kinder aus einem
letzten Willen geschieht nur dann, wenn sie von dem Erblasser ausdrücklich
verordnet wird. Dagegen muß auch bey der gesetzlichen Erbfolge ein Kind sich
dasjenige, was es von dem Erblasser bey dessen Lebenszeit zu den oben (§. 788.)
erwähnten Zwecken empfangen hat, anrechnen lassen. Einem Enkel wird nicht nur
das, was er unmittelbar selbst; sondern auch, was seine Aeltern, in deren
Stelle er tritt, auf solche Arte empfangen haben, in den Erbtheil eingerechnet.
§. 791. Was Aeltern außer den erwähnten Fällen einem Kinde
zugewendet haben, wird, wenn die Aeltern nicht ausdrücklich die Erstattung sich
ausbedungen haben, für eine Schenkung gehalten, und nicht angerechnet.
§. 792. Die Aeltern können einem Kinde die Anrechnung auch bey der
gesetzlichen Erbfolge ausdrücklich erlassen. Wenn aber die nöthige Erziehung
und Versorgung der übrigen Kinder weder aus ihrem eigenen, noch aus dem
Vermögen der Aeltern bestritten werden könnte; so muß das Kind dasjenige, was
es zu den im §. 788. erwähnten Zwecken in voraus empfangen hat, sich in dem
Maße anrechnen lassen, als es zur Erziehung und Versorgung für die Geschwister
nothwendig ist.
§. 793. Die Anrechnung des Empfangenen zum Erbtheile geschieht
dadurch, daß jedes Kind den nähmlichen Betrag noch vor der Theilung erhält. Ist
die Verlassenschaft dazu nicht hinreichend; so kann zwar das früher begünstigte
Kind keinen Erbtheil ansprechen, aber auch zu keiner Erstattung angehalten
werden.
§. 794. Bey jeder Anrechnung wird, wenn das Empfangene nicht in
barem Gelde; sondern in andern beweglichen oder unbeweglichen Sachen bestand,
der Werth der letztern nach dem Zeitpuncte des Empfanges; der erstern dagegen
nach dem Zeitpuncte des Erbanlasses bestimmt.
Anspruch des Notherben auf den nothwendigen,
§. 795. Einem Notherben, der von seinem Pflichttheile selbst
gesetzmäßig ausgeschlossen wird, muß doch immer der nothwendige Unterhalt
ausgemessen werden.
und des Ehegatten auf den anständigen Unterhalt.
§. 796. Ein Ehegatte hat zwar kein Recht auf einen Pflichttheil;
es gebührt ihm aber, wenn für den Fall des Ueberlebens keine Versorgung
bedungen worden ist, und so lange er nicht zur zweyten Ehe schreitet, der
mangelnde anständige Unterhalt. Ein aus seinem Verschulden geschiedener
Ehegatte hat darauf keinen Anspruch.
Fünfzehntes Hauptstück.
Von Besitznehmung der Erbschaft.
Bedingungen zur rechtlichen Besitznehmung einer Erbschaft.
§. 797. Niemand darf eine Erbschaft eigenmächtig in Besitz nehmen.
Das Erbrecht muß vor Gericht verhandelt und von demselben die Einantwortung des
Nachlasses, das ist, die Uebergabe in den rechtlichen Besitz, bewirket werden.
§. 798. Wie weit das Gericht nach einem Todesfalle von Amts wegen
vorzugehen habe, und welche Fristen und Vorsichtsmittel bey diesem
Abhandlungsgeschäfte zu beobachten seyn, bestimmen die besondern, über das
gerichtliche Verfahren bestehenden, Vorschriften. Hier wird festgesetzt, was
dem Erben oder demjenigen, der sonst einen Anspruch an die Verlassenschaft hat,
zu thun obliege, um zu dem Besitze dessen, was ihm gebühret, zu gelangen.
Ausweisung des Rechtstitels: Erbserklärung.
§. 799. Wer eine Erbschaft in Besitz nehmen will, muß den
Rechtstitel, ob sie ihm aus einer letzten Anordnung; aus einem gültigen
Erbvertrage; oder aus dem Gesetze zufalle, dem Gerichte ausweisen, und sich
ausdrücklich erklären, daß er die Erbschaft annehme.
§. 800. Die Antretung der Erbschaft oder die Erbserklärung muß
zugleich enthalten, ob sie unbedingt, oder mit Vorbehalt der Rechtswohlthat des
Inventariums geschehe.
Wirkung der unbedingten,
§. 801. Die unbedingte Erbserklärung hat zur Folge, daß der Erbe
allen Gläubigern des Erblassers für ihre Forderungen, und allen Legataren für
ihre Vermächtnisse haften muß, wenn gleich die Verlassenschaft nicht
hinreichet.
und der bedingten Erklärung.
§. 802. Wird die Erbschaft mit Vorbehalt der rechtlichen Wohlthat
des Inventariums angetreten; so ist sogleich vom Gerichte das Inventarium auf
Kosten der Masse aufzunehmen. Ein solcher Erbe wird den Gläubigern und
Legataren nur so weit verbunden, als die Verlassenschaft für ihre, und auch
seine eigenen, außer dem Erbrechte ihm zustehenden, Forderungen hinreicht.
Berechtigung zur bedingten oder unbedingten Antretung oder
Ausschlagung der Erbschaft.
§. 803. Der Erblasser kann dem Erben den Vorbehalt dieser
rechtlichen Wohltat nicht benehmen, noch die Errichtung eines Inventariums
verbiethen. Selbst die in einem Erbvertrage zwischen Ehegatten darauf
geschehene Verzicht ist von keiner Wirkung.
§. 804. Die Errichtung des Inventariums kann auch von demjenigen
verlangt werden, dem ein Pflichttheil gebühret.
§. 805. Wer seine Rechte selbst verwalten kann, dem steht frey,
die Erbschaft unbedingt, oder mit Vorbehalt der obigen Rechtswohlthat
anzutreten oder auch auszuschlagen. Vormünder und Curatoren haben die am
gehörigen Orte ertheilten Vorschriften zu befolgen. (§. 233.)
§. 806. Der Erbe kann seine gerichtliche Erbserklärung nicht mehr
widerrufen, noch auch die unbedingte abändern, und sich die Rechtswohlthat des
Inventariums vorbehalten.
§. 807. Wenn aus mehrern Miterben einige unbedingt; andere aber,
oder auch nur Einer aus ihnen mit Vorbehalt der erwähnten Rechtswohlthat sich
zu Erben erklären; so ist ein Inventarium zu errichten und die auf diesen
Vorbehalt beschränkte Erbserklärung der Verlassenschaftsabhandlung zum Grunde
zu legen. In diesem, so wie in allen Fällen, in welchen ein Inventarium
errichtet werden muß, genießt auch derjenige, welcher einer unbedingte Erbserklärung
abgegeben hat, so lange ihm die Erbschaft noch nicht übergeben worden, die
rechtliche Wohlthat des Inventariums.
§. 808. Wird jemand zum Erben eingesetzt, dem auch ohne letzte
Willenserklärung das Erbrecht ganz oder zum Theile gebührt hätte; so ist er nicht
befugt, sich auf die gesetzliche Erbfolge zu berufen und dadurch die Erklärung
des letzten Willens zu vereiteln. Er muß die Erbschaft entweder aus dem letzten
Willen antreten, oder ihr ganz entsagen. Personen aber, denen ein Pflichttheil
gebühret, können die Erbschaft mit Vorbehalt ihres Pflichttheiles ausschlagen.
Uebertragung des Erbrechtes.
§. 809. Stirbt der Erbe ehe, als er die angefallene Erbschaft angetreten oder ausgeschlagen hat; so treten seine Erben, wenn der Erblasser diese nicht ausgeschlossen, oder nicht andere Nacherben bestimmt hat, in das Recht, die Erbschaft anzunehmen, oder auszuschlagen. (§. 537.)
Vorkehrungen vor Einantwortung der Erbschaft:
a) Verwaltung;
§. 810. Wenn der Erbe bey Antretung der Erbschaft sein Erbrecht hinreichend ausweiset, ist ihm die Besorgung und Benützung der Verlassenschaft zu überlassen.
b) Sicherstellung oder Befriedigung der Gläubiger;
§. 811. Für die Sicherstellung oder Befriedigung der Gläubiger des Erblassers wird vom Gerichte nicht weiter gesorgt, als sie selbst verlangen. Die Gläubiger sind aber nicht schuldig, eine Erbserklärung abzuwarten. Sie können ihre Ansprüche wider die Masse anbringen, und begehren: daß zur Vertretung derselben ein Curator bestellt werde, gegen welchen sie ihre Forderungen ausführen können.
c) Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen des Erben;
§. 812. Besorget ein Erbschaftsgläubiger, ein Legatar, oder ein Notherbe, daß er durch Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben für seine Forderung Gefahr laufen könne; so kann er vor der Einantwortung verlangen, daß die Erbschaft von dem Vermögen des Erben abgesondert, vom Gerichte verwahrt, oder von einem Curator verwaltet, sein Anspruch darauf vorgemerkt und berichtiget werde. In einem solchen Falle hat ihm aber der Erbe, obschon dieser sich unbedingt als Erbe erkläret hätte, aus eigenem Vermögen nicht
mehr zu haften.
d) Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger.
§. 813. Dem Erben oder dem aufgestellten Verlassenschafts-Curator steht es frey, zur Erforschung des Schuldenstandes die Ausfertigung eines Edictes, wodurch alle Gläubiger zur Anmeldung und Darthuung ihrer Forderungen auf eine den Umständen angemessene Zeit einberufen werden, nachzusuchen, und bis nach verstrichener Frist mit der Befriedigung der Gläubiger inne zu halten.
Wirkung der Einberufung;
§. 814. Die Wirkung dieser gerichtlichen Einberufung ist, daß den Gläubigern, welche sich binnen der bestimmten Zeitfrist nicht gemeldet haben, an die Verlassenschaft, wenn sie durch die Bezahlung der angemeldeten Forderungen erschöpft worden ist, kein weiterer Anspruch zusteht, als in so fern ihnen ein Pfandrecht gebühret.
oder, der Unterlassung derselben.
§. 815. Unterläßt der Erbe die ihm bewilligte Vorsicht der gerichtlichen Einberufung; oder befriediget er sogleich einige der sich anmeldenden Gläubiger, ohne auf die Rechte der übrigen Rücksicht zu nehmen, und bleiben einige Gläubiger aus Unzulänglichkeit der Verlassenschaft unbezahlt; so haftet er ihnen, ungeachtet der bedingten Erbserklärung, mit seinem ganzen Vermögen in dem Maße, als sie die Zahlung erhalten haben würden, wenn die Verlassenschaft nach der gesetzlichen Ordnung zur Befriedigung der Gläubiger verwendet worden wäre.
e) Ausweisung über die Erfüllung des letzten Willens, entweder von dem Testaments-Executor;
§. 816. Hat der Erblasser einen Vollzieher (Executor) seines letzten Willens ernannt; so hängt es von dessen Willkühr ab, dieses Geschäft auf sich zu nehmen. Hat er es übernommen, so ist er schuldig, entweder als ein Machthaber die Anordnungen des Erblassers selbst zu vollziehen, oder den saumseligen Erben zur Vollziehung derselben zu betreiben.
oder dem Erben.
§. 817. Ist kein Vollzieher der letzten Willens ernannt, oder unterzieht sich der ernannte dem Geschäfte nicht; so liegt dem Erben unmittelbar ob, den Willen des Erblassers so viel möglich zu erfüllen, oder die Erfüllung sicher zu stellen, und sich gegen das Gericht darüber auszuweisen. In Ansehung bestimmter Legatare hat er bloß darzuthun, daß er denselben von dem ihnen zugefallenen Vermächtnisse Nachricht gegeben habe (§. 688.)
§. 818. Was der Erbe, ehe er zum Besitze der Erbschaft gelangen kann, an Abgaben zu entrichten, und im Falle, daß sein Erblasser gegen das Staats-Aerarium in Verrechnung gestanden ist, hierwegen auszuweisen habe, darüber enthalten die politischen Verordnungen die besondere Vorschrift.
Wann die Erbschaft einzuantworten.
§. 819. Sobald über die eingebrachte Erbserklärung der rechtmäßige Erbe vom Gerichte erkannt, und von demselben die Erfüllung der Verbindlichkeiten geleistet ist, wird ihm die Erbschaft eingeantwortet und die Abhandlung geschlossen. Uebrigens hat der Erbe um die Uebertragung des Eigenthumes unbeweglicher Sachen zu erwirken, die Vorschrift des §. 436. zu befolgen.
Haftung der gemeinschaftlichen Erben.
§. 820. Mehrere Erben, welche eine gemeinschaftliche Erbschaft ohne die rechtliche Wohlthat des Inventariums angetreten haben, haften allen Erbschaftsgläubigern und Legataren, selbst nach der Einantwortung, Alle für Einen und Einer für Alle. Unter sich aber sind sie nach Verhältniß ihrer Erbtheile beyzutragen schuldig.
§. 821. Haben die gemeinschaftlichen Erben von der rechtlichen Wohlthat des Inventariums Gebrauch gemacht; so sind sie vor der Einantwortung den Erbschaftsgläubigern und Legataren nach dem §. 550. zu haften verbunden. Nach der erfolgten Einantwortung haftet jeder einzelne selbst für die, die Erbschafts-Masse nicht übersteigenden, Lasten nur nach Verhältniß seines Erbtheiles.
Sicherheitsmittel der Gläubiger des Erben.
§. 822. Gläubiger des Erben können zwar das ihm angefallene Erbgut, auch vor der an ihn erfolgten Einantwortung, mit Verboth, Pfändung, oder Vormerkung belegen. Eine solche Sicherstellung kann jedoch nicht anders, als mit dem ausdrücklichen Vorbehalte ertheilt werden, daß sie den bey der Abhandlung der Verlassenschaft vorkommenden Ansprüchen unnachtheilig, und erst von Zeit der erlangten Einantwortung wirksam seyn solle.
Erbschaftsklagen.
§. 823. Auch nach erhaltener Einantwortung kann der Besitznehmer von jenem, der ein besseres oder gleiches Erbrecht zu haben behauptet, auf Abtretung oder Theilung der Erbschaft belangt werden. Das Eigenthum einzelner Erbschaftstücke wird nicht mit der Erbschafts-, sondern der Eigenthumsklage verfolgt.
Wirkung derselben.
§. 824. Wenn der Beklagte zur Abtretung der Verlassenschaft ganz oder zum Theile verhalten wird; so sind die Ansprüche auf die Zurückstellung der von dem Besitzer bezogenen Früchte; oder auf die Vergütung der von demselben in dem Nachlasse verwendeten Kosten nach jenen Grundsätzen zu beurtheilen, welche in Rücksicht auf den redlichen oder unredlichen Besitzer in dem Hauptstücke vom Besitze überhaupt festgesetzt sind. Ein dritter redlicher Besitzer ist für die in der Zwischenzeit erworbenen Erbstücke niemanden verantwortlich.
Sechzehntes Hauptstück.
Von der Gemeinschaft des Eigenthums und anderer dinglichen Rechte.
Ursprung einer Gemeinschaft.
§. 825. So oft das Eigenthum der nähmlichen Sache, oder ein und dasselbe Recht mehreren Personen ungetheilt zukommt; besteht eine Gemeinschaft. Sie gründet sich auf eine zufällige Ereignung; auf ein Gesetz; auf eine letzte Willenserklärung; oder auf einen Vertrag.
§. 826. Nach Verschiedenheit der Quellen, aus denen eine Gemeinschaft entspringt, erhalten auch die Rechte und Pflichten der Theilhaber ihre nähere Bestimmung. Die besondern Vorschriften über eine durch Vertrag entstehende Gemeinschaft der Güter sind in dem sieben und zwanzigsten Hauptstücke enthalten.
§. 827. Wer einen Antheil an einer gemeinschaftlichen Sache anspricht, der muß sein Recht, wenn es von den übrigen Theilnehmern widersprochen wird, beweisen.
Gemeinschaftliche Rechte der Theilhaber.
§. 828. So lange alle Theilhaber einverstanden sind, stellen sie nur Eine Person vor, und haben das Recht, mit der gemeinschaftlichen Sache nach Belieben zu schalten. Sobald sie uneinig sind, kann kein Theilhaber in der gemeinschaftlichen Sache eine Veränderung vornehmen, wodurch über den Antheil des Andern verfügt würde.
Rechte des Theilhabers auf seinen Antheil.
§. 829. Jeder Theilhaber ist vollständiger Eigenthümer seines Antheiles. In so fern er die Rechte seiner Mitgenossen nicht verletzt, kann er denselben, oder die Nutzungen davon willkührlich und unabhängig verpfänden, vermachen, oder sonst veräußern. (§. 361.)
§. 830. Jeder Theilhaber ist befugt, auf Ablegung der Rechnung und auf Vertheilung des Ertrages zu dringen. Er kann in der Regel auch die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen; doch nicht zur Unzeit, oder zum Nachtheile der Uebrigen. Er muß sich daher einen, den Umständen angemessenen, nicht wohl vermeidlichen Aufschub gefallen lassen.
§. 831. Hat sich ein Theilhaber zur Fortsetzung der Gemeinschaft verbunden, so kann er zwar vor Verlauf der Zeit nicht austreten; allein diese Verbindlichkeit wird, wie andere Verbindlichkeiten, aufgehoben, und erstreckt sich nicht auf die Erben, wenn diese nicht selbst dazu eingewilliget haben.
§. 832. Auch die Anordnung eines Dritten, wodurch eine Sache zur Gemeinschaft bestimmt wird, muß zwar von den ersten Theilhabern, nicht auch von ihren Erben befolgt werden. Eine Verbindlichkeit zu einer immerwährenden Gemeinschaft kann nicht bestehen.
Rechte der Theilhaber in der gemeinschaftlichen Sache:
a) In Rücksicht des Hauptstammes.
§. 833. Der Besitz und die Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache kommt allen Theilhabern insgesammt zu. In Angelegenheiten, welche nur die ordentliche Verwaltung und Benützung des Hauptstammes betreffen, entscheidet die Mehrheit der Stimmen, welche nicht nach den Personen, sondern nach Verhältniß der Antheile der Theilnehmer gezählet werden.
§. 834. Bey wichtigen Veränderungen aber, welche zur Erhaltung oder bessern Benützung des Hauptstammes vorgeschlagen werden, können die Ueberstimmten Sicherstellung für künftigen Schaden; oder, wenn diese verweigert wird, den Austritt aus der Gemeinschaft verlangen.
§. 835. Wollen sie nicht austreten; oder geschähe der Austritt zur Unzeit; so soll das Los, ein Schiedsmann, oder, wofern sie sich darüber nicht einhellig vereinigen, der Richter entscheiden, ob die Veränderung unbedingt oder gegen Sicherstellung Statt finden soll oder nicht. Diese Arten der Entscheidung treten auch bey gleichen Stimmen der Mitglieder ein.
§. 836. Ist ein Verwalter der gemeinschaftlichen Sachen zu bestellen; so entscheidet über dessen Auswahl die Mehrheit der Stimmen, und in deren Abgang der Richter.
§. 837. Der Verwalter des gemeinschaftlichen Gutes wird als ein Machthaber angesehen. Er ist einerseits verbunden, ordentliche Rechnung abzulegen; andererseits aber befugt, alle nützlich gemachte Auslagen in Abrechnung zu bringen. Dieses gilt auch in dem Falle, daß ein Theilgenosse ein gemeinschaftliches Gut ohne Auftrag der übrigen Theilnehmer verwaltet.
§. 838. Wird die Verwaltung Mehrern überlassen; so entscheidet auch unter ihnen die Mehrheit der Stimmen.
b) der Nutzungen und Lasten.
§. 839. Die gemeinschaftlichen Nutzungen und Lasten werden nach Verhältniß der Antheile ausgemessen. Im Zweifel wird jeder Antheil gleich groß angesehen; wer das Gegentheil behauptet, muß es beweisen.
§. 840. Ordentlicher Weise sind die erzielten Nutzungen in Natur zu theilen. Ist aber diese Vertheilung nicht thunlich; so ist jeder berechtigt, auf die öffentliche Feilbiethung zu dringen. Der gelöste Werth wird den Theilhabern verhältnißmäßig entrichtet.
c) der Theilung.
§. 841. Bey der nach aufgehobener Gemeinschaft vorzunehmenden Theilung der gemeinschaftlichen Sache gilt keine Mehrheit der Stimmen. Die Theilung muß zur Zufriedenheit eines jeden Sachgenossen vorgenommen werden. Können sie nicht einig werden; so entscheidet das Los, oder ein Schiedsmann, oder, wenn sie sich über die Bestimmung der einen oder andern dieser Entscheidungsarten nicht einhellig vereinigen, der Richter.
§. 842. Ein Schiedsmann oder der Richter entscheidet auch, ob bey der Theilung liegender Gründe oder Gebäude ein Theilgenosse, zur Benützung seines Antheiles, einer Servitut bedürfe, und unter welcher Bedingung sie ihm zu verwilligen sey.
§. 843. Kann eine gemeinschaftliche Sache entweder gar nicht, oder nicht ohne beträchtliche Verminderung des Werthes getheilt werden, so ist sie, und zwar wenn auch nur Ein Theilgenosse es verlangt, vermittelst gerichtlicher Feilbiethung zu verkaufen, und der Kaufschilling unter die Theilhaber zu vertheilen.
§. 844. Servituten, Gränzzeichen und die zum gemeinschaftlichen Gebrauche nöthigen Urkunden sind keiner Theilung fähig. Die Grunddienstbarkeiten kommen allen Theilhabern zu Statten. Die Urkunden werden, wenn sonst nichts im Wege steht, bey dem ältesten Theilnehmer niedergelegt. Die übrigen erhalten auf ihre Kosten beglaubte Abschriften.
§. 845. Bey Theilungen der Grundstücke müssen die gegenseitigen Gränzen nach Verschiedenheit der Lage durch Säulen, Gränzsteine oder Pfähle auf eine deutliche und unwandelbare Art bezeichnet werden. Flüsse, Berge und Straßen sind natürliche Gränzen. Um den Betrug und Irrthum zu entfernen, sollen in die Steine, Säulen oder Pfähle, die wirklich zur Markung dienen, Kreuze, Wapen, Zahlen oder andere Zeichen gehauen oder darunter eingegraben werden.
§. 846. Ueber die gemachte Theilung sind Urkunden zu errichten. Ein Theilhaber einer unbeweglichen Sache erhält auch erst dadurch ein dingliches Recht auf seinen Antheil, daß die darüber errichtete Urkunde den öffentlichen Büchern einverleibt wird. (§. 436.)
§. 847. Die bloße Theilung was immer für eines
gemeinschaftlichen Gutes kann einem Dritten nicht zum Nachtheile gereichen;
alle ihm zustehende Pfand-, Servitut- und andere dingliche Rechte werden nach,
wie vor der Theilung ausgeübt. Auch persönliche Rechte, die einem Dritten gegen
eine Gemeinschaft zustehen, haben ungeachtet des erfolgten Austrittes ihre vorige Kraft.
§. 848.
Eben so kann derjenige, welcher an eine Gemeinschaft schuldig ist, die Zahlung
nicht an einzelne Theilnehmer entrichten. Solche Schulden müssen an die ganze
Gemeinschaft, oder an jenen, der sie ordentlich vorstellt, abgetragen werden.
§. 849.
Was bisher von der Gemeinschaft überhaupt bestimmt worden ist, läßt sich auch
auf die einer Familie, als einer Gemeinschaft, zustehenden Rechte und Sachen,
z. B. Stiftungen, Fideicommisse u. dgl. anwenden.
Erneuerung
der Gränzen.
§. 850.
Wenn Gränzzeichen durch was immer für Umstände so verletzt worden sind, daß sie
ganz unkenntlich werden könnten; hat jeder Theilhaber das Recht, eine
gemeinschaftliche Erneuerung der Gränzen zu verlangen. Die theilnehmenden
Nachbarn sind zu diesem Geschäfte vorzuladen, die Gränzen genau zu beschreiben,
und die Kosten von allen, nach Maß ihrer Gränzlinien, zu bestreiten.
§. 851.
Wenn die Gränzen wirklich unkennbar geworden sind; oder bey Berichtigung der
Markung ein Streit entsteht, so schützet das Gericht vor allem den letzten
Besitzstand. Wer sich dadurch verletzt zu seyn glaubt, kann die ihm in Ansehung
des Besitzrechtes, des Eigenthumes, oder eines andern Rechtes zustehenden
Behelfe der Ordnung nach anbringen. (§. 347.)
§. 852.
Die wichtigsten Behelfe bey einer Gränzberichtigung sind: die Ausmessung und
Beschreibung, oder auch die Abzeichnung des streitigen Grundes; dann, die sich
darauf beziehenden öffentlichen Bücher und andere Urkunden; endlich, die
Aussagen sachkündiger Zeugen, und das von Sachverständigen nach vorgenommenem
Augenscheine gegebene Gutachten.
§. 853.
Beweiset keine Partey ein ausschließendes Besitz- oder Eigenthumsrecht; so
vertheilt das Gericht den streitigen Raum nach Maß des bisherigen ruhigen
Besitzstandes. Ist aber auch der Besitzstand zweifelhaft; so wird der streitige
Raum zwischen den Parteyen nach dem Verhältnisse des Besitzes, von welchem der
Anspruch ausgeht, mit Beyziehungen der Kunstverständigen, vertheilt, und
hiernach die Markung vorgenommen.
Vermuthete
Gemeinschaft.
§. 854.
Erdfurchen, Zäune, Hecken, Planken, Mauern, Privat-Bäche, Canäle, Plätze und andere
dergleichen Scheidewände, die sich zwischen benachbarten Grundstücken befinden,
werden für ein gemeinschaftliches Eigenthum angesehen; wenn nicht Wapen, Auf-
oder Inschriften, oder andere Kennzeichen und Behelfe das Gegentheil beweisen.
§. 855.
Jeder Mitgenosse kann eine gemeinschaftliche Mauer auf seiner Seite bis zur
Hälfte in der Dicke benützen, auch Blindthüren und Wandschränke dort anbringen,
wo auf der entgegengesetzten Seite noch keine angebracht sind. Doch darf das
Gebäude durch einen Schorstein, Feuerherd oder andere Anlagen nicht in Gefahr
gesetzt, und der Nachbar auf keine Art in dem Gebrauche seines Antheiles
gehindert werden.
§. 856.
Alle Miteigenthümer tragen zur Erhaltung solcher gemeinschaftlichen
Scheidewände verhältnißmäßig bey. Wo sie doppelt vorhanden sind; oder das
Eigenthum getheilt ist, bestreitet jeder die Unterhaltungskosten für das, was
ihm allein gehört.
§. 857.
Ist die Stellung einer Scheidewand von der Art, daß die Ziegel, Latten oder
Steine nur auf einer Seite vorlaufen oder abhängen; oder sind die Pfeiler,
Säulen, Ständer, Bachställe auf einer Seite eingegraben; so ist im Zweifel auf
dieser Seite das ungetheilte Eigenthum der Scheidewand, wenn nicht aus einer
beyderseitigen Belastung, Einfügung, aus andern Kennzeichen, oder sonstigen
Beweisen das Gegentheil erhellet. Auch derjenige wird für den ausschließenden
Besitzer einer Mauer gehalten, welcher eine in der Richtung gleich fortlaufende
Mauer von gleicher Höhe und Dicke unstreitig besitzt.
§. 858. In
der Regel ist der ausschließende Besitzer nicht schuldig, seine verfallene
Mauer oder Planke neu aufzuführen; nur dann muß er sie in gutem Stande
erhalten, wenn durch die Oeffung für den Gränznachbar Schaden zu befürchten
stünde. Es ist aber jeder Eigenthümer verbunden, auf der rechten Seite seines
Haupteinganges für die nöthige Einschließung seines Raumes, und für die
Abtheilung von dem fremden Raume zu sorgen.
Zweyter Theil.
Zweyte Abtheilung.
Von den persönlichen Sachenrechten.
Siebzehntes Hauptstück.
Von Verträgen überhaupt.
Grund der persönlichen Sachenrechte.
§. 859. Die persönlichen Sachenrechte, vermöge welcher eine Person einer
andern zu einer Leistung verbunden ist, gründen sich entweder unmittelbar auf
ein Gesetz; oder auf einen Vertrag; oder auf eine erlittene Beschädigung.
§. 860. Die Fälle, in welchen jemanden unmittelbar von dem Gesetze ein
persönliches Sachenrecht ertheilet wird, sind an den gehörigen Orten angegeben.
Von dem Rechte des Schadenersatzes handelt das dreyßigste Hauptstück.
§. 861. Wer sich erkläret, daß er jemanden sein Recht übertragen, daß
heißt, daß er ihm etwas gestatten, etwas geben, daß er für ihn etwas thun, oder
seinetwegen etwas unterlassen wolle, macht ein Versprechen; nimmt aber der
Andere das Versprechen gültig an, so kommt durch den übereinstimmenden Willen
beyder Theile ein Vertrag zu Stande. So lange die Unterhandlungen dauern, und
das Versprechen noch nicht gemacht, oder weder zum voraus, noch nachher
angenommen ist, entsteht kein Vertrag.
§. 862. Wenn zur Annahme des Versprechens kein Zeitraum bedungen worden
ist; so muß ein mündliches Versprechen ohne Verzug angenommen werden. Bey dem
schriftlichen kommt es darauf an, ob beyde Theile sich an demselben Orte
befinden, oder nicht. Im ersten Falle muß die Annahme in vier und zwanzig Stunden;
im zweyten aber innerhalb jenes Zeitraumes, welcher zur zweymahligen
Beantwortung nöthig ist, erfolgen, und dem versprechenden Theile bekannt
gemacht werden; widrigen Falls ist das Versprechen erloschen. Vor Ablauf des
festgesetzten Zeitraumes kann das Versprechen nicht zurückgenommen werden.
Eintheilung der Verträge.
§. 863. Man kann seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Worte und
allgemein angenommene Zeichen; sondern auch stillschweigend durch solche
Handlungen erklären, welche mit Ueberlegungen aller Umstände keinen
vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen.
§. 864. Verträge sind einseitig oder zweyseitig verbindlich, je nachdem
nur ein Theil etwas verspricht und der andere es annimmt; oder beyde Theile
einander Rechte übertragen, und wechselseitig annehmen. Die ersten werden also
ohne Entgeld; die andern aber mit Entgeld geschlossen.
Erfordernisse eines gültigen Vertrages:
1) Fähigkeiten der Personen;
§. 865. Wer den Gebrauch der Vernunft nicht hat, wie auch ein Kind unter
sieben Jahren, ist unfähig, ein Versprechen zu machen, oder es anzunehmen.
Andere Personen hingegen, welche von einem Vater, Vormunde oder Curator
abhängen, können zwar ein bloß zu ihrem Vortheile gemachtes Versprechen
annehmen; wenn sie aber eine damit verknüpfte Last übernehmen, oder selbst
etwas versprechen, hängt die Gültigkeit des Vertrages nach den, in dem dritten
und vierten Hauptstücke des ersten Theiles, gegebenen Vorschriften in der Regel
von der Einwilligung des Vertreters oder zugleich des Gerichtes ab. Bis diese
Einwilligung erfolgt, kann der andere Theil nicht zurücktreten, aber eine
angemessene Frist zur Erklärung verlangen.
§. 866. Wer listiger Weise vorgibt, daß er Verträge zu schließen fähig
sey, und dadurch einen Andern, der darüber nicht leicht Erkundigung einhohlen
konnte, hintergeht, ist zur Genugthuung verpflichtet.
§. 867. Was zur Gültigkeit eines Vertrages mit einer unter der besondern
Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehenden Gemeinde, (§. 27.) oder ihren
einzelnen Gliedern und Stellvertretern erfordert werde, ist aus der Verfassung
derselben und den politischen Gesetzen zu entnehmen. (§. 290.)
§. 868. In wie weit ein Verbrecher gültige Verträge schließen
könne, bestimmt das Strafgesetz über Verbrechen.
2) wahre Einwilligung.
§. 869. Die Einwilligung in einen Vertrag muß frey, ernstlich, bestimmt
und verständlich erkläret werden. Ist die Erklärung unverständlich; ganz
unbestimmt; oder erfolgt die Annahme unter andern Bestimmungen, als unter
welchen das Versprechen geschehen ist; so entsteht kein Vertrag. Wer sich, um
einen Andern zu bevortheilen, undeutlicher Ausdrücke bedient, oder ein
Scheinhandlung unternimmt, leistet Genugthuung.
§. 870. Wer von dem annehmenden Theile durch ungerechte und gegründete
Furcht zu einem Vertrage gezwungen worden, ist ihn zu halten nicht verbunden.
Ob die Furcht gegründet war, muß von dem Richter aus den Umständen beurtheilt
werden. (§. 55.)
§. 871. Wenn ein Theil von dem andern Theile durch falsche Angaben irre
geführt worden, und der Irrthum die Hauptsache, oder eine wesentliche
Beschaffenheit derselben betrifft, worauf die Absicht vorzüglich gerichtet und
erkläret worden; so entsteht für den Irregeführten keine Verbindlichkeit.
§. 872. Betrifft aber der Irrthum weder die Hauptsache, noch eine wesentliche
Beschaffenheit derselben, sondern einen Nebenumstand; so bleibt der Vertrag, in
so fern beyde Theile in den Hauptgegenstand gewilliget, und den Nebenumstand
nicht als vorzügliche Absicht erkläret haben, noch immer gültig: allein dem
Irregeführten ist von dem Urheber des Irrthumes die angemessene Vergütung zu
leisten.
§. 873. Eben diese Grundsätze sind auch auf den Irrthum in der Person
desjenigen, welchem ein Versprechen gemacht worden ist, anzuwenden; in so fern
ohne den Irrthum der Vertrag entweder gar nicht, oder doch nicht auf solche Art
errichtet worden wäre.
§. 874. In jedem Falle muß derjenige, welcher einen Vertrag durch List
oder ungerechte Furcht bewirket hat, für die nachtheiligen Folgen Genugthuung
leisten.
§. 875. Ist der versprechende Theil von
einem Dritten entweder durch ungerechte und gegründete Furcht zu einem Vertrage
gezwungen; oder durch falsche Angaben irre geführet worden; so ist der Vertrag
gültig. Nur in dem Falle, daß der annehmende Theil an der widerrechtlichen
Handlung des Dritten Theil nahm, oder dieselbe offenbar wissen mußte, ist er
eben so nach den §§. 870-874 zu behandeln, als wenn er selbst den andern Theil
in Furcht oder Irrthum versetzt hätte.
§. 876. Wenn der versprechende Theil selbst und allein an seinem wir immer
gearteten Irrthume Schuld ist, so besteht der Vertrag; es wäre denn, daß dem
annehmenden Theile der obwaltende Irrthum offenbar aus den Umständen auffallen
mußte.
§. 877. Wer die Aufhebung eines Vertrages aus Mangel der Einwilligung
verlangt, muß dagegen auch Alles zurückstellen, was es aus einem solchen
Vertrage zu seinem Vortheile erhalten hat.
3) Möglichkeit der Leistung.
§. 878. Ueber Alles, was im Verkehre steht, können Verträge geschlossen
werden. Was nicht geleistet werden kann; was geradezu unmöglich oder unerlaubt
ist, kann kein Gegenstand eines gültigen Vertrages werden. Wer einen andern
durch dergleichen Zusagen täuschet; wer ihn aus schuldbarer Unwissenheit
verkürzt; oder aus dessen Schaden einen Nutzen zieht, bleibt dafür
verantwortlich.
§. 879. Insbesondere sind, außer den am gehörigen Orte angeführten
folgende Verträge ungültig:
1) Wenn etwas für die Unterhandlung eines Ehevertrages bedungen
wird;
2) Wenn ein Wundarzt oder was immer für ein Arzt sich von dem
Kranken für die Uebernehmung der Cur; oder
3) Wenn ein Rechtsfreund sich für die Uebernehmung eines Processes
eine bestimmte Belohnung bedingt; oder eine ihm anvertraute Streitsache an sich
löset;
4) Wenn eine Erbschaft oder ein Vermächtniß, die man von einer
dritten Person hofft, noch bey Lebzeiten derselben veräußert wird.
§. 880. Wird der Gegenstand, worüber ein Vertrag geschlossen worden, vor
dessen Uebergabe dem Verkehre entzogen; so ist es eben so viel, als wenn man
den Vertrag nicht geschlossen hätte.
§. 881. Außer den von den Gesetzen bestimmten Fällen kann zwar niemand für
einen Andern ein Versprechen machen, oder annehmen. Hat aber jemand seine
Verwendung bey einem Dritten versprochen, oder gar für den Erfolg gestanden; so
muß er die eingegangene Verbindlichkeit nach Maß seines Versprechens erfüllen.
§. 882. Sind unmögliche und mögliche Dinge zugleich versprochen worden, so
müssen die möglichen erfüllet werden; wenn anders die Vertrag schließenden
Theile nicht die ausdrückliche Bedingung gemacht haben, daß kein Punct des
Vertrages von dem andern abgesondert werden könne.
Form der Verträge.
§. 883. Ein Vertrag kann mündlich oder schriftlich; vor Gericht oder
außerhalb desselben; mit oder ohne Zeugen errichtet werden. Diese
Verschiedenheit der Form macht, außer den im Gesetze bestimmten Fällen, in
Ansehung der Verbindlichkeit keinen Unterschied.
§. 884. Haben sich die Parteyen ausdrücklich zu einem schriftlichen
Vertrage verabredet; so wird er vor der Unterschrift der Parteyen nicht für
geschlossen angesehen. Die Siegelung wird auch in diesem Falle nicht wesentlich
erfordert.
Punctation.
§. 885. Ist zwar noch nicht die förmliche Urkunde, aber doch ein
Aufsatz über die Hauptpuncte errichtet, und von den Parteyen unterfertiget
worden; so gründet auch schon ein solcher Aufsatz diejenigen Rechte und
Verbindlichkeiten, welche darin ausgedrückt sind.
§. 886. Wer des Schreibens unkundig, oder wegen körperlicher
Gebrechen zu schreiben unfähig ist, muß zwey Zeugen, deren einer dessen Nahmen
unterfertiget, beyziehen, und sein gewöhnliches Handzeichen beyrücken.
§. 887. Wenn über einen Vertrag eine Urkunde errichtet worden; so ist auf vorgeschützte mündliche Verabredungen, welche zugleich geschehen seyn sollen, aber mit der Urkunde nicht übereinstimmen, oder neue Zusätze enthalten, kein Bedacht zu nehmen.
Gemeinschaftliche Verbindlichkeit oder
Berechtigung.
§. 888. Wenn zwey oder mehrere Personen jemanden eben dasselbe
Recht zu einer Sache versprechen, oder es von ihm annehmen; so wird sowohl die
Forderung, als die Schuld nach den Grundsätzen der Gemeinschaft des Eigenthumes
getheilt.
§. 889. Außer den in dem Gesetze bestimmten Fällen haftet also aus
mehrern Mitschuldnern einer theilbaren Sache jeder nur für seinen Antheil, und
eben so muß von mehrern Mitgenossen einer theilbaren Sache, jeder sich mit dem
ihm gebührenden Theile begnügen.
§. 890. Betrifft es hingegen untheilbare Sachen; so kann ein
Gläubiger, wenn er der einzige ist, solche von einem jeden Mitschuldner
fordern. Wenn aber mehrere Gläubiger und nur Ein Schuldner da sind; so ist
dieser die Sache einem einzelnen Mitgläubiger, ohne Sicherstellung heraus zu
geben, nicht verpflichtet; er kann auf die Uebereinkunft aller Mitgläubiger
dringen, oder die gerichtliche Verwahrung der Sache verlangen.
Correalität.
§. 891. Versprechen mehrere Personen ein und dasselbe Ganze zur
ungetheilten Hand dergestalt, daß sich Einer für Alle, und Alle für Einen
ausdrücklich verbinden; so haftet jede einzelne Person für das Ganze. Es hängt
dann von dem Gläubiger ab, ob er von allen, oder von einigen Mitschuldnern das
Ganze, oder nach von ihm gewählten Antheilen, oder ob er es von einem Einzigen
fordern wolle. Selbst nach erhobener Klage bleibt ihm, wenn er von derselben
absteht, diese Wahl vorbehalten; und, wenn er von einem oder dem andern
Mitschuldner nur zum Theile befriediget wird; so kann er das Rückständige von
den übrigen fordern.
§. 892. Hat hingegen einer mehrern Personen eben dasselbe Ganze
zugesagt, und sind diese ausdrücklich berechtiget worden, es zur ungetheilten
Hand fordern zu können; so muß der Schuldner das Ganze demjenigen dieser
Gläubiger entrichten, der ihn zuerst darum angeht.
§. 893. Sobald ein Mitschuldner dem Gläubiger das Ganze entrichtet
hat, darf dieser von den übrigen Mitschuldnern nichts mehr fordern; und sobald
ein Mitgläubiger von dem Schuldner ganz befriediget worden ist, haben die
übrigen Mitgläubiger keinen Anspruch mehr.
§. 894. Ein Mitschuldner kann dadurch, daß er mit dem Gläubiger
lästigere Bedingungen eingeht, den übrigen keinen Nachtheil zuziehen, und die
Nachsicht oder Befreyung, welche ein Mitschuldner für seine Person erhält,
kommt den übrigen nicht zu Statten.
§. 895. Wie weit aus mehrern Mitgläubigern, welchen eben dasselbe
Ganze zur ungetheilten Hand zugesagt worden ist, derjenige, welcher die ganze
Forderung für sich erhalten hat, den übrigen Gläubigern hafte, muß aus den
besondern, zwischen den Mitgläubigern bestehenden, rechtlichen Verhältnissen
bestimmt werden. Besteht kein solches Verhältniß; so ist einer dem andern keine
Rechenschaft schuldig.
§. 896. Ein Mitschuldner zur ungetheilten Hand, welcher die ganze
Schuld aus dem Seinigen abgetragen hat, ist berechtiget, auch ohne geschehene
Rechtsabtretung, von den übrigen den Ersatz, und zwar, wenn kein anderes
besonderes Verhältniß unter ihnen besteht, zu gleichen Theilen zu fordern. War
einer aus ihnen unfähig, sich zu verpflichten, oder ist er unvermögend, seiner
Verpflichtung Genüge zu leisten; so muß ein solcher ausfallender Antheil
ebenfalls von allen Mitverpflichteten übernommen werden. Die erhaltene Befreyung
eines Mitverpflichteten kann den übrigen bey der Forderung des Ersatzes nicht
nachtheilig seyn. (§. 894.)
Nebenbestimmungen bey Verträgen:
1) Bedingungen;
§. 897. In Ansehung der Bedingungen bey Verträgen gelten überhaupt
die nähmlichen Vorschriften, welche über die den Erklärungen des letzten
Willens beygesetzten Bedingungen aufgestellt worden sind.
§. 898. Verabredungen unter solchen Bedingungen, welche bey einem
letzten Willen für nicht beigesetzt angesehen werden, sind ungültig.
§. 899. Ist die in einem Vertrage vorgeschriebene Bedingung schon
vor dem Vertrage eingetroffen; so muß sie nach dem Vertrage nur dann
wiederhohlet werden, wenn sie in einer Handlung dessen, der das Recht erwerben
soll, besteht und von ihm wiederhohlet werden kann.
2) Bewegungsgrund;
§. 900. Ein unter einer aufschiebenden Bedingung zugesagtes Recht
geht auch auf die Erben über.
§. 901. Haben die Parteyen den Bewegungsgrund, oder den Endzweck
ihrer Einwilligung ausdrücklich zur Bedingung gemacht; so wird der
Bewegungsgrund oder Endzweck wie eine andere Bedingung angesehen. Außer dem
haben dergleichen Aeußerungen auf die Gültigkeit entgeldlicher Verträge keinen
Einfluß. Bey den unentgeldlichen aber sind die bey den letzten Anordnungen
gegebenen Vorschriften anzuwenden.
3) Zeit, Ort und Art der Erfüllung;
§. 902. Verträge müssen zu der Zeit, an dem Orte, und auf die Art
vollzogen werden, wie es die Parteyen verabredet haben. Nach dem Gesetze werden
24 Stunden für einen Tag, 30 Tage für einen Monath, und 365 Tage für Ein Jahr
gehalten.
§. 903. Ein Recht, dessen Erwerbung an einen gewissen Tag gebunden
ist, wird mit dem Anfange des Tages erworben. Zur Erfüllung einer
Verbindlichkeit aber kommt dem Verpflichteten der ganze bestimmte Tag zu
Statten.
§. 904. Ist keine gewisse Zeit für die Erfüllung des Vertrages
bestimmt worden; so kann sie sogleich, nähmlich ohne unnöthigen Aufschub,
gefordert werden. Hat der Verpflichtete die Erfüllungszeit seiner Willkühr
vorbehalten; so muß man entweder seinen Tod abwarten, und sich an die Erben
halten; oder, wenn es um eine bloß persönliche, nicht vererbliche, Pflicht zu
thun ist, die Erfüllungszeit von dem Richter nach Billigkeit festsetzen lassen.
Letzteres findet auch dann Statt, wenn der Verpflichtete die Erfüllung, nach
Möglichkeit, oder Thunlichkeit versprochen hat. Uebrigens müssen die
Vorschriften, welche oben (§§. 704-706) in Rücksicht der den letzten
Anordnungen beygerückten Zeitbestimmung gegeben werden, auch hier angewendet
werden.
§. 905. Wenn der Ort, wo der Vertrag erfüllet werden soll, weder
aus der Verabredung, noch aus der Natur, oder dem Zwecke des Geschäftes,
bestimmet werden kann; so werden unbewegliche Sachen an dem Orte, wo sie
liegen; bewegliche aber an dem Orte, wo das Versprechen gemacht worden ist,
übergeben. In Ansehung des Maßes, des Gewichtes, und der Geldsorten ist auf den
Ort der Uebergabe zu sehen.
§. 906. Kann das Versprechen auf mehrere Arten erfüllet werden; so
hat der Verpflichtete die Wahl; er kann aber von der einmahl getroffenen Wahl
für sich allein nicht abgehen.
§. 907. Wird ein Vertrag ausdrücklich mit Vorbehalt der Wahl
geschlossen, und dieselbe durch zufälligen Untergang eines oder mehrerer
Wahlstücke vereitelt; so ist der Theil, dem die Wahl zusteht, an den Vertrag
nicht gebunden. Unterläuft aber ein Verschulden des Verpflichteten; so muß er
dem Berechtigten für die Vereitlung der Wahl haften.
4) Angeld;
§. 908. Was bey Abschließung eines Vertrages voraus gegeben wird,
ist, außer dem Falle einer besondern Verabredung, nur als ein Zeichen der
Abschließung, oder als eine Sicherstellung für die Erfüllung des Vertrages zu
betrachten, und heißt Angeld. Wird der Vertrag durch Schuld einer Partey nicht
erfüllet; so kann die schuldlose Partey das von ihr empfangene Angeld behalten,
oder den doppelten Betrag des von ihr gegebenen Angeldes zurückfordern. Will
sie sich aber damit nicht begnügen, so kann sie auf die Erfüllung; oder, wenn
diese nicht mehr möglich ist, auf den Ersatz dringen.
5) Reugeld;
§. 909. Wird bey Schließung eines Vertrages ein Betrag bestimmt,
welchen ein oder der andere Theil in dem Falle, daß er von dem Vertrage vor der
Erfüllung zurücktreten will, entrichten muß; so wird der Vertrag gegen Reugeld
geschlossen. In diesem Falle muß entweder der Vertrag erfüllt, oder das Reugeld
bezahlet werden. Wer den Vertrag auch nur zum Theile erfüllet; oder das, was
von dem Andern auch nur zum Theile zur Erfüllung geleistet worden ist,
angenommen hat, kann selbst gegen Entrichtung des Reugeldes nicht mehr
zurücktreten.
§. 910. Wenn ein Angeld gegeben, und zugleich das Befugniß des
Rücktrittes ohne Bestimmung eines besondern Reugeldes bedungen wird; so
vertritt das Angeld die Stelle des Reugeldes. Im Falle des Rücktrittes verliert
also der Geber das Angeld; oder der Empfänger stellt das Doppelte zurück.
§. 911. Wer nicht durch bloßen Zufall, sondern durch sein
Verschulden an der Erfüllung des Vertrages verhindert wird, muß ebenfalls das
Reugeld entrichten.
6) Nebengebühren.
§. 912. Der Gläubiger ist von seinem Schuldner außer der
Hauptschuld zuweilen auch Nebengebühren zu fordern berechtiget. Sie bestehen in
dem Zuwachse, und in den Früchten der Hauptsache; in den bestimmten oder in den
Zögerungs-Zinsen; oder in dem Ersatze des verursachten Schadens; oder dessen,
was dem Andern daran liegt, daß die Verbindlichkeit nicht gehörig erfüllet
worden; endlich in dem Betrage, welchen ein Theil sich auf diesen Fall bedungen
hat.
§. 913. In wie weit mit einem dinglichen Rechte das Recht auf den
Zuwachs, oder auf die Früchte verbunden sey, ist in dem ersten und vierten
Hauptstücke des zweyten Theiles bestimmet worden. Wegen eines bloß persönlichen
Rechtes hat der Berechtigte noch keinen Anspruch auf Nebengebühren. In wie weit
dem Gläubiger ein Recht auf diese zukomme, ist theils aus den besondern Arten
und Bestimmungen der Verträge; theils aus dem Hauptstücke, von dem Rechte des
Schadenersatzes und der Genugthuung, zu entnehmen.
Auslegungsregeln bey Verträgen.
§. 914. Die im ersten Theile (§. 6). in Hinsicht auf die Auslegung
der Gesetze angeführten allgemeinen Regel gelten auch für Verträge. Ins
besondere soll ein zweifelhafter Vertrag so erkläret werden, daß er keinen
Widerspruch enthalte, und von Wirkung sey.
§. 915. Bey einseitig verbindlichen Verträgen wird im Zweifel
angenommen, daß sich der Verpflichtete eher die geringere als die schwerere
Last auflegen wollte; bey zweyseitig verbindlichen wird eine undeutliche
Aeußerung zum Nachtheile desjenigen erkläret, der sich derselben bedienet hat.
(§. 869.)
§. 916. Wird ein Geschäft von gewisser Art nur zum Scheine
verabredet; so ist es nach denjenigen gesetzlichen Vorschriften zu beurtheilen,
nach denen es vermöge seiner wahren Beschaffenheit beurtheilt werden muß.
Von Erlöschung der Verträge.
§. 917. Wie die aus den Verträgen entstehenden Verbindlichkeiten
aufhören, wird bey jedem Vertrage besonders, und in dem Hauptstücke von
Aufhebung der Verbindlichkeiten überhaupt, bestimmet werden.
§. 918. Alle aus Verträgen entstehende Rechte und Pflichten gehen
auf die Erben der vertragenden Theile über; wenn sie anders nicht bloß auf
persönlichen Verhältnissen und Fähigkeiten beruhen; oder wenn die Erben nicht
schon im Vertrage selbst, oder durch das Gesetz ausgenommen worden sind. Ein
noch nicht angenommenes Versprechen geht, wenn auch nur ein Theil während der
Ueberlegungsfrist stirbt, auf die Erben nicht über. (§. 862.)
§. 919. Wenn ein Theil den Vertrag entweder gar nicht; oder nicht
zu der gehörigen Zeit; an dem gehörigen Orte; oder auf die bedungene Weise
erfüllet; so ist der andere Theil, außer den in dem Gesetze bestimmten Fällen,
oder einem ausdrücklichen Vorbehalte, nicht berechtiget, die Aufhebung, sondern
nur die genaue Erfüllung des Vertrages und Ersatz zu fordern.
§. 920. Nach gänzlicher Erfüllung des Vertrages können die
Parteyen auch mit beyderseitiger Einwilligung nicht mehr davon abgehen; sondern
sie müssen einen neuen Vertrag schließen, der als ein zweytes Geschäft
angesehen wird.
Allgemeine Bestimmungen entgeldlicher
Verträge und Geschäfte.
§. 921. Bey einem entgeldlichen Vertrage werden entweder Sachen
mit Sachen; oder Handlungen, worunter auch die Unterlassungen gehören, mit
Handlungen; oder endlich Sachen mit Handlungen, und Handlungen mit Sachen
vergolten. (§. 864.)
Gewährleistung.
§. 922. Wenn jemand eine Sache auf eine entgeldliche Art einem
Andern überläßt, so leistet er Gewähr, daß sie die ausdrücklich bedungenen,
oder gewöhnlich dabey vorausgesetzten Eigenschaften habe, und daß sie der Natur
des Geschäftes, oder der getroffenen Verabredung gemäß benützt, und verwendet
werden könne.
Fälle der Gewährleistung.
§. 923. Wer also der Sache Eigenschaften beylegt, die sie nicht
hat, und die ausdrücklich oder vermöge der Natur des Geschäftes stillschweigend
bedungen worden sind; wer ungewöhnliche Mängel, oder Lasten derselben
verschweigt; wer eine nicht mehr vorhandene, oder eine fremde Sache als die
seinige veräußert; wer fälschlich vorgibt, daß die Sache zu einem bestimmten
Gebrauche tauglich; oder daß sie auch von den gewöhnlichen Mängeln und Lasten
frey sey; der hat, wenn das Widerspiel hervorkommt, dafür zu haften.
§. 924. Wenn ein Stück Vieh binnen vier und zwanzig Stunden nach
der Uebernahme erkrankt oder umfällt; so wird vermuthet, daß es schon vor der
Uebernahme krank gewesen sey.
§. 925. Die nähmliche Vermuthung gilt:
1) wenn binnen acht Tagen bey den Schweinen die Finne, und bey den
Schafen die Pocken oder die Räude (Schäbe); oder wenn bey den letztern binnen
zwey Monathen die Lungen- und Egelwürmer entdeckt werden;
2) wenn bey dem Rindvieh binnen dreyßig Tagen nach der Uebernahme
die Drüsenkrankheit, so genannte Stiersucht, gefunden wird;
3) wenn bey Pferden und Lastthieren binnen fünfzehn Tagen nach der
Uebergabe die verdächtige Drüse oder der Rotz, wie auch der Dampf; oder, wenn
binnen dreyßig Tagen der Dummkoller, der Wurm, die Stätigkeit, der schwarze
Staar, oder die Mondblindheit entdeckt wird.
§. 926. Von dieser rechtlichen Vermuthung (§. 924-925) kann aber
der Uebernehmer eines solchen Stückes Vieh nur dann Gebrauch machen, wenn er
dem Uebergeber oder Gewährsmanne sogleich von dem bemerkten Fehler Nachricht
gibt; oder in dessen Abwesenheit dem Ortsgerichte, oder Sachverständigen die
Anzeige macht, und den Augenschein vornehmen läßt.
§. 927. Vernachlässiget der Uebernehmer diese Vorsicht, so liegt
ihm der Beweis ob, daß das Vieh schon vor Schließung des Vertrages mangelhaft
war. Immer steht aber auch dem Uebergeber der Beweis offen, daß der gerügte
Mangel erst nach der Uebergabe eingetreten sey.
§. 928. Fallen die Mängel einer Sache in die Augen oder sind die
auf der Sache haftenden Lasten aus den öffentlichen Büchern zu ersehen; so
findet, außer dem Falle einer ausdrücklichen Zusage, daß die Sache von allen
Fehlern und Lasten frey sey, keine Gewährleistung Statt. (§. 443.) Schulden und
Rückstände, welche auf der Sache haften, müssen stets vertreten werden.
§. 929. Wer eine fremde Sache wissentlich an sich bringt, hat eben
so wenig Anspruch auf eine Gewährleistung, als derjenige, welcher ausdrücklich
darauf Verzicht gethan hat.
§. 930. Werden Sachen in Pausch und Bogen, nähmlich so, wie sie
stehen und liegen, ohne Zahl, Maß und Gewicht übergeben; so ist der Uebergeber,
außer dem Falle, daß eine von ihm fälschlich vorgegebene, oder von dem
Empfänger bedungene Beschaffenheit mangelt, für die daran entdeckten Fehler
nicht verantwortlich.
Bedingung der Gewährleistung.
§. 931. Wenn der Besitzer wegen eines von einem Dritten auf die
Sache gemachten Anspruches von der Gewährleistung Gebrauch machen will; so muß
er seinen Vormann davon benachrichtigen, und nach Vorschrift der
Gerichtsordnung die Vertretung begehren. Durch die Unterlassung dieses
Ansuchens verliert er zwar noch nicht das Recht der Schadloshaltung; aber sein
Vormann kann ihm alle wider den Dritten unausgeführt gebliebene Einwendungen
entgegensetzen, und sich dadurch von der Entschädigung in dem Maße befreyen,
als erkannt wird, daß diese Einwendungen, wenn von ihnen der gehörige Gebrauch
gemacht worden wäre, eine andere Entscheidung gegen den Dritten veranlaßt haben
würden.
Wirkung.
§. 932. Ist der die Gewährleistung begründende Mangel von der Art,
daß er nicht mehr gehoben werden kann, und, daß er den ordentlichen Gebrauch
der Sache verhindert, so kann der Verkürzte die gänzliche Aufhebung des
Vertrages, wenn hingegen sich das Fehlende, z. B. an Maß oder Gewicht,
nachtragen läßt, nur diesen Nachtrag; in beyden Fällen aber auch den Ersatz des
weitern Schadens, und, dafern der andere Theil unredlich gehandelt hat, auch
den entgangenen Nutzen fordern.
Erlöschung des Rechtes der Gewährleistung.
§. 933. Wer die Gewährleistung fordern will, muß sein Recht, wenn
es unbewegliche Sachen betrifft, binnen drey Jahren; betrifft es aber
bewegliche, binnen sechs Monathen geltend machen, sonst ist das Recht
erloschen.
Schadloshaltung wegen Verkürzung über
die Hälfte.
§. 934. Hat bey zweyseitig verbindlichen Geschäften ein Theil
nicht einmahl die Hälfte dessen, was er dem andern gegeben hat, von diesem an
dem gemeinen Werthe erhalten; so räumt das Gesetz dem verletzten Theile das
Recht ein, die Aufhebung und die Herstellung in den vorigen Stand zu fordern.
Dem andern Theile steht aber bevor, das Geschäft dadurch aufrecht zu erhalten,
daß er den Abgang bis zum gemeinen Werthe zu ersetzen bereit ist. Das
Mißverhältniß des Werthes wird nach dem Zeitpuncte des geschlossenen Geschäftes
bestimmt.
§. 935. Dieses Rechtsmittel findet nicht Statt, wenn jemand
ausdrücklich darauf Verzicht gethan, oder sich erkläret hat, die Sache aus
besonderer Vorliebe um einen außerordentlichen Werth zu übernehmen; wenn er,
obgleich ihm der wahre Werth bekannt war, sich dennoch zu dem
unverhältnißmäßigen Werthe verstanden hat; ferner, wenn aus dem Verhältnisse
der Personen zu vermuthen ist, daß sie einen, aus einem entgeldlichen und
unentgeldlichen vermischten, Vertrag schließen wollten; wenn sich der
eigentliche Werth nicht mehr erheben läßt; endlich wenn die Sache von dem
Gerichte versteigert worden ist.
Von der Verabredung eine künftigen
Vertrages.
§. 936. Die Verabredung, künftig erst einen Vertrag schließen zu
wollen, ist nur dann verbindlich, wenn sowohl die Zeit der Abschließung, als
die wesentlichen Stücke des Vertrages bestimmt, und die Umstände inzwischen
nicht dergestalt verändert worden sind, daß dadurch der ausdrücklich bestimmte,
oder aus den Umständen hervorleuchtende Zweck vereitelt, oder das Zutrauen des
einen oder andern Theiles verloren wird. Ueberhaupt muß auf die Vollziehung
solcher Zusagen längstens in einem Jahre nach dem bedungenen Zeitpuncte
gedrungen werden; widrigen Falls ist das Recht erloschen.
Von dem Verzicht auf Einwendungen.
§. 937. Allgemeine, unbestimmte Verzichtleistungen auf
Einwendungen gegen die Gültigkeit eines Vertrages sind ohne Wirkung.
Achtzehntes Hauptstück.
Von Schenkungen.
Schenkung.
§. 938. Ein Vertrag, wodurch eine Sache jemanden unentgeldlich
überlassen wird, heißt eine Schenkung.
In wie fern eine Verzichtleistung eine Schenkung sey.
§. 939. Wer auf ein gehofftes, oder wirklich angefallenes, oder
zweifelhaftes Recht Verzicht thut, ohne es einem Andern ordentlich abzutreten,
oder dasselbe dem Verpflichteten mit dessen Einwilligung zu erlassen, ist für
keinen Geschenkgeber anzusehen.
Belohnende Schenkung.
§. 940. Es verändert die Wesenheit der Schenkung nicht, wenn sie
aus Erkenntlichkeit; oder in Rücksicht auf die Verdienste des Beschenkten; oder
als eine besondere Belohnung desselben gemacht worden ist; nur darf er vorher
kein Klagerecht darauf gehabt haben.
§. 941. Hat der Beschenkte ein Klagerecht auf die Belohnung
gehabt, entweder, weil sie unter den Parteyen schon bedungen, oder durch das
Gesetz vorgeschrieben war; so hört das Geschäft auf, eine Schenkung zu seyn,
und ist als ein entgeldlicher Vertrag anzusehen.
Wechselseitige Schenkungen.
§. 942. Sind Schenkungen vorher dergestalt bedungen, das der
Schenkende wieder beschenkt werden muß; so entsteht keine wahre Schenkung im
Ganzen; sondern nur in Ansehung des übersteigenden Werthes.
Form des Schenkungsvertrages,
§. 943. Aus einem bloß mündlichen, ohne wirkliche Uebergabe
geschlossenen Schenkungsvertrage erwächst dem Geschenknehmer kein Klagerecht.
Dieses Recht muß durch eine schriftliche Urkunde begründet werden.
und Maß einer Schenkung.
§. 944. Ein unbeschränkter Eigenthümer kann mit Beobachtung der
gesetzlichen Vorschriften auch sein ganzes gegenwärtiges Vermögen verschenken.
Ein Vertrag aber, wodurch das künftige Vermögen verschenket wird, besteht nur
in so weit, als er die Hälfte diese Vermögens nicht übersteigt.
In wie fern der Geber für das Geschenkte hafte.
§. 945. Wer wissentlich eine fremde Sache verschenkt, und dem Geschenknehmer
diesen Umstand verschweigt, haftet für die nachtheiligen Folgen.
Unwiderruflichkeit der Schenkungen.
§. 946. Schenkungsverträge dürfen in der Regel nicht widerrufen
werden.
Ausnahmen:
1) wegen Dürftigkeit;
§. 947. Geräth der Geschenkgeber in der Folge in solche
Dürftigkeit, daß es ihm an dem nöthigen Unterhalte gebricht; so ist er befugt,
jährlich von dem geschenkten Betrage die gesetzlichen Zinsen, in so weit die
geschenkte Sache, oder derselben Werth noch vorhanden ist, und ihm der nöthige
Unterhalt mangelt, von dem Beschenkten zu fordern, wenn sich anders dieser
nicht selbst in gleich dürftigen Umständen befindet. Aus mehrern
Geschenknehmern ist der frühere nur in so weit verbunden, als die Beyträge der
spätern zum Unterhalte nicht zureichen.
2) Undanks;
§. 948. Wenn der Beschenkte sich gegen seinen Wohlthäter eines
groben Undankes schuldig macht, kann die Schenkung widerrufen werden. Unter
groben Undanke wird eine Verletzung am Leibe, an Ehre, an Freyheit, oder am
Vermögen verstanden, welche von der Art ist, daß gegen den Verletzer von Amts
wegen, oder auf Verlangen des Verletzten nach dem Strafgesetze verfahren werden
kann.
§. 949. Der Undank macht den Undankbaren für seine Person zum
unredlichen Besitzer, und gibt selbst dem Erben, des Verletzten, in so fern der
letztere den Undank nicht verziehen hat, und noch etwas von dem Geschenke in
Natur oder Werthe vorhanden ist, ein Recht zur Widerrufungsklage auch gegen den
Erben des Verletzers.
3) Verkürzung des schuldigen Unterhalts;
§. 950. Wer jemanden den Unterhalt zu reichen schuldig ist, kann
dessen Recht durch Beschenkung eines Dritten nicht verletzen. Der auf solche
Art Verkürzte ist befugt, den Beschenkten um die Ergänzung desjenigen zu
belangen, was ihm der Schenkende nun nicht mehr zu leisten vermag. Bey mehrern
Geschenknehmern ist die obige (§. 947.) Vorschrift anzuwenden.
4) des Pflichttheils;
§. 951. Wer zur Zeit der Schenkung Abstämmlinge hat, denen er
einen Pflichttheil zu hinterlassen schuldig ist, kann zu ihrem Nachtheile keine
Schenkung machen, welche die Hälfte seines Vermögens übersteigt. Hat er dieses
Maß überschritten, und können diese Abstämmlinge nach seinem Tode beweisen, daß
sein reiner Nachlaß den Betrag der Hälfte seines zur Zeit der Schenkung
gehabten Vermögens nicht erreiche; so können sie von dem Beschenkten das
gesetzwidrig empfangene Uebermaß verhältnißmäßig zurückfordern.
§. 952. Besitzt der Beschenkte die geschenkte Sache oder ihren
Werth nicht mehr; so haftet er nur in so fern, als er sie unredlicher Weise aus
dem Besitze gelassen hat.
5) der Gläubiger;
§. 953. Unter eben dieser (§. 952.) Beschränkung können auch
diejenigen Geschenke zurückgefordert werden, wodurch die zur Zeit der Schenkung
schon vorhandenen Gläubiger verkürzt worden sind. Auf Gläubiger, deren Forderungen
jünger sind, als die Schenkung, erstreckt sich dieses Recht nur dann, wenn der
Beschenkte eines hinterlistigen Einverständnisses überwiesen werden kann.
6) wegen nachgeborner Kinder.
§. 954. Dadurch, daß einem kinderlosen Geschenkgeber nach geschlossenem
Schenkungsvertrage Kinder geboren werden, erwächst weder ihm, noch den
nachgebornen Kindern das Recht, die Schenkung zu widerrufen. Doch kann er, oder
das nachgeborne Kind, im Nothfalle sowohl gegen den Beschenkten, als gegen
dessen Erben das oben angeführte Recht auf die gesetzlichen Zinsen des
geschenkten Betrages geltend machen. (§. 947.)
Welche Schenkungen auf die Erben nicht übergehen.
§. 955. Hat der Geschenkgeber dem Beschenkten eine Unterstützung
in gewissen Fristen zugesichert, so erwächst für die Erben derselben weder ein
Recht, noch eine Verbindlichkeit; es müßte denn in dem Schenkungsvertrage
ausdrücklich anders bedungen worden seyn.
Schenkung auf den Todesfall.
§. 956. Eine Schenkung, deren Erfüllung erst nach dem Tode des
Schenkenden erfolgen soll, ist mit Beobachtung der vorgeschriebenen
Förmlichkeiten als ein Vermächtniß gültig. Nur dann ist sie als ein Vertrag
anzusehen, wenn der Beschenkte sie angenommen, der Schenkende sich des
Befugnisses, sie zu widerrufen, ausdrücklich begeben hat, und eine schriftliche
Urkunde darüber dem Beschenkten eingehändiget worden ist.
Neunzehntes Hauptstück.
Von dem Verwahrungsvertrage.
Verwahrungsvertrag.
§. 957. Wenn jemand eine fremde Sache in seine Obsorge übernimmt;
so entsteht ein Verwahrungsvertrag. Das angenommene Versprechen, eine fremde,
noch nicht übergebene Sache in die Obsorge zu übernehmen, macht zwar den
versprechenden Theil verbindlich; es ist aber noch kein Verwahrungsvertrag.
§. 958. Durch den Verwahrungsvertrag erwirbt der Uebernehmer weder
Eigenthum, noch Besitz, noch Gebrauchsrecht; er ist bloßer Inhaber mit der
Pflicht, die ihm anvertraute Sache vor Schaden zu sichern.
Wann er in einen Darleihens- oder Leihvertrag;
§. 959. Wird dem Verwahrer auf sein Verlangen, oder durch
freywilliges Anerbiethen des Hinterlegers der Gebrauch gestattet; so hört im
ersten Falle der Vertrag gleich nach der Verwilligung; im zweyten aber von dem
Augenblicke, da das Anerbiethen angenommen, oder von der hinterlegten Sache
wirklich Gebrauch gemacht worden ist, auf, ein Verwahrungsvertrag zu seyn; er
wird bey verbrauchbaren Sachen in einen Darleihens-, bey unverbrauchbaren in
einen Leihvertrag umgeändert, und es treten die damit verbundenen Rechte und
Pflichten ein.
oder in eine Bevollmächtigung übergehe.
§. 960. Es können bewegliche und unbewegliche Sachen in Obsorge
gegeben werden. Wird aber dem Uebernehmer zugleich ein anderes, auf die
anvertraute Sache sich beziehendes, Geschäft aufgetragen; so wird er als ein
Gewalthaber angesehen.
Pflichten und Rechte des Verwahrers;
§. 961. Die Hauptpflicht des Verwahrers ist: die ihm anvertraute
Sache durch die bestimmte Zeit sorgfältig zu bewahren, und nach Verlauf
derselben dem Hinterleger in eben dem Zustande, in welchem er sie übernommen
hat, und mit allem Zuwachse zurückzustellen.
§. 962. Der Verwahrer muß dem Hinterleger auf Verlangen die Sache
auch noch vor Verlauf der Zeit zurückstellen, und kann nur den Ersatz des ihm
etwa verursachten Schadens begehren. Er kann hingegen die ihm anvertraute Sache
nicht früher zurückgeben; es wäre denn, daß ein unvorhergesehener Umstand ihn
außer Stand setzte, die Sache mit Sicherheit oder ohne seinen eigenen Nachtheil
zu verwahren.
§. 963. Ist die Verwahrungszeit weder ausdrücklich bestimmt
worden, noch sonst aus Nebenumständen abzunehmen; so kann die Verwahrung nach
Belieben aufgekündet werden.
§. 964. Der Verwahrer haftet dem Hinterleger für den aus der
Unterlassung der pflichtmäßigen Obsorge verursachten Schaden, aber nicht für
den Zufall; selbst dann nicht, wenn er die anvertraute, obschon kostbarere
Sache, mit Aufopferung seiner eigenen hätte retten können.
§. 965. Hat aber der Verwahrer von der hinterlegten Sache Gebrauch
gemacht; hat er sie ohne Noth und ohne Erlaubniß des Hinterlegers einem Dritten
in Verwahrung gegeben; oder die Zurückstellung verzögert, und die Sache leidet
einen Schaden, welchem sie bey dem Hinterleger nicht ausgesetzt gewesen wäre;
so kann er keinen Zufall vorschützen, und die Beschädigung wird ihm
zugerechnet.
§. 966. Wenn Sachen verschlossen oder versiegelt hinterlegt, und
in der Folge das Schloß oder Siegel verletzt worden; so ist der Hinterleger,
wenn er eine Abgang behauptet, zur Beschwörung seiner Schadens, in so fern
derselbe nach seinem Stande, Gewerbe, Vermögen und den übrigen Umständen wahrscheinlich
ist, nach Vorschrift der Gerichtsordnung zuzulassen; es wäre denn, daß der
Verwahrer beweisen könnte, daß die Verletzung des Schlosses oder Siegels ohne
sein Verschulden geschehen sey. Das Nähmliche hat auch dann zu gelten, wenn
sämmtliche auf solche Art hinterlegte Sachen in Verlust gerathen sind.
und des Hinterlegers.
§. 967. Der Hinterleger ist verpflichtet, dem Verwahrer den
schuldbarer Weise zugefügten Schaden, und die zur Erhaltung der verwahrten
Sache, oder zur Vermehrung der fortdauernden Nutzungen verwendeten Kosten zu
ersetzen. Hat der Verwahrer im Nothfalle, um das hinterlegte Gut zu retten,
seine eigenen Sachen aufgeopfert; so kann er einen angemessenen Ersatz fordern.
Die wechselseitigen Forderungen des Verwahrers und Hinterlegers einer
beweglichen Sache können aber nur binnen dreyßig Tagen von Zeit der
Zurückstellung angebracht werden.
Sequester.
§. 968. Wird eine in Anspruch genommene Sache von den streitenden
Parteyen oder vom Gerichte jemanden in Verwahrung gegeben; so heißt der Verwahrer,
Sequester. Die Rechte und Verbindlichkeiten des Sequesters werden nach den hier
festgesetzten Grundsätzen beurtheilt.
Ob dem Verwahrer ein Lohn gebühre.
§. 969. Ein Lohn kann für die Aufbewahrung nur dann gefordert
werden, wenn er ausdrücklich, oder nach dem Stande des Aufbewahrers
stillschweigend bedungen worden ist.
§. 970. Wirthe, Schiffer, oder Fuhrleute haften für Sachen, die
von angenommenen Reisenden, oder als Fracht, ihnen selbst, oder ihren
Dienstleuten übergeben worden sind, gleich einem Verwahrer (§. 1316.)
Zwanzigstes Hauptstück.
Von dem Leihvertrage.
Leihvertrag.
§. 971. Wenn jemanden eine unverbrauchbare Sache bloß zum
unentgeldlichen Gebrauch auf eine bestimmte Zeit übergeben wird; so entsteht
ein Leihvertrag. Der Vertrag, wodurch man jemanden eine Sache zu leihen
verspricht, ohne sie zu übergeben, ist zwar verbindlich, aber noch kein
Leihvertrag.
Rechte und Pflichten des Entlehners:
1) in Rücksicht des Verbrauches;
§. 972. Der Entlehner erwirbt das Recht, den ordentlichen oder
näher bestimmten Gebrauch von der Sache zu machen. Nach Verlauf der Zeit ist er
verpflichtet, eben dieselbe Sache zurückzustellen.
2) der Zurückstellung;
§. 973. Wenn keine Zeit zur Zurückgabe festgesetzt, wohl aber die
Absicht des Gebrauches bestimmt worden ist; so ist der Entlehner verbunden, mit
dem Gebrauche nicht zu zögern, und die Sache so bald als möglich zurück zu
geben.
§. 974. Hat man weder die Dauer, noch die Absicht des Gebrauches
bestimmt; so entsteht kein wahrer Vertrag, sondern ein unverbindliches Bittleihen
(Precarium), und der Verleiher kann die entlehnte Sache nach Willkühr
zurückfordern.
§. 975. Bey einem Streite über die Dauer des Gebrauches muß der
Entlehner das Recht auf den längern Gebrauch beweisen.
§. 976. Wenn gleich die verlehnte Sache vor Verlauf der Zeit und
vor geendigtem Gebrauche dem Verleiher selbst unentbehrlich wird; so hat er
ohne ausdrückliche Verabredung doch kein Recht, die Sache früher zurück zu
nehmen.
§. 977. Der Entlehner ist zwar in der Regel berechtiget, die
entlehnte Sache auch vor der bestimmten Zeit zurück zu geben: fällt aber die
frühere Zurückgabe dem Verleiher beschwerlich, so kann sie wider seinen Willen
nicht Statt finden.
3) der Beschädigung;
§. 978. Wenn der Entlehner die geliehene Sache anders gebraucht,
als es bedungen war, oder den Gebrauch derselben eigenmächtig einem Dritten
gestattet; so ist er dem Verleiher verantwortlich, und dieser auch berechtiget,
die Sache sogleich zurück zu fordern.
§. 979. Wird die geliehene Sache beschädiget, oder zu Grunde
gerichtet; so muß der Entlehner nicht nur den zunächst durch sein Verschulden
verursachten, sondern auch den zufälligen Schaden, den er durch eine
widerrechtliche Handlung veranlaßt hat, so wie der Verwahrer einer Sache ersetzen.
(§. 965.)
§. 980. Dadurch, daß der Entlehner für ein verlornes Lehnstück den
Werth erlegt, hat er noch kein Recht, dasselbe, wenn es wieder gefunden wird,
gegen den Willen des Eigenthümers für sich zu behalten, wenn dieser bereit ist,
den empfangenen Werth zurück zu geben.
4) der Erhaltungskosten.
§. 981. Die mit dem Gebrauche ordentlicher Weise verbunden Kosten
muß der Entlehner selbst bestreiten. Die außerordentlichen Erhaltungskosten hat
er zwar, dafern er die Sache dem Verleiher nicht zur eigenen Besorgung
überlassen kann oder will, inzwischen vorzuschießen; doch werden sie ihm gleich
einem redlichen Besitzer vergütet.
Beschädigung der wechselseitigen Klagen.
§. 982. Wenn der Verleiher nach der Zurücknahme des Lehnstückes
dessen Mißbrauch, oder übertriebene Abnutzung innerhalb dreyßig Tagen nicht
gerüget; oder, wenn der Entlehner nach der Zurückgabe von den auf die Sache
verwendeten außerordentlichen Kosten binnen eben diesem Zeitraume keine Meldung
gemacht hat; so ist die Klage erloschen.
Ein u. zwanzigstes Hauptstück.
Von dem Darleihensvertrage.
Darleihen.
§. 983. Wenn jemanden verbrauchbare Sachen unter der Bedingung
übergeben werden, daß er zwar willkührlich darüber verfügen könne, aber nach
einer gewissen Zeit eben so viel von derselben Gattung und Güte zurück geben
soll; so entsteht ein Darleihensvertrag. Er ist mit dem, obgleich ebenfalls
verbindlichen Vertrage (§. 936), ein Darleihen künftig zu geben, nicht zu
verwechseln.
Arten desselben.
§. 984. Ein Darleihen wird entweder in Geld oder in anderen
verbrauchbaren Sachen, und zwar ohne, oder gegen Zinsen gegeben. Im letzteren
Falle nennet man es auch einen Zinsenvertrag.
Gelddarleihen.
§. 985. Ein Gelddarleihen kann klingende Münze, oder Papiergeld,
oder öffentliche Schuldscheine (Obligationen) zum Gegenstande haben.
a) in klingender Münze, oder Papiergeld;
§. 986. In wie fern ein Darleihen in klingender Münze überhaupt
geschlossen werden könne, und in welcher Währung (Valuta) ein solches
Darleihen, oder ein Darleihen in Papiergeld zurück zu zahlen sey, bestimmen die
darüber bestehenden besonderen Vorschriften.
§. 987. Wenn ein Darleiher sich die Zahlungen in der besonderen,
von ihm gegebenen, Münz-Sorte bedungen hat; so muß die Zahlung in eben dieser
Münz-Sorte geleistet werden.
§. 988. Gesetzliche Münzveränderungen ohne Veränderung des inneren
Gehaltes gehen auf Rechnung des Darleihers. Er empfängt die Zahlung in der
bestimmten, gegebenen Münz-Sorte, z. B. von 1000 Stücken kaiserlicher Ducaten,
oder 3000 Zwanzig-Kreuzer Stücken ohne Rücksicht, ob deren äußerer Werth in der
Zwischenzeit erhöht oder vermindert worden ist. Wird aber der innere Werth
geändert; so ist die Zahlung im Verhältniß zu dem inneren Werthe, den die
gegebenen Münz-Sorte zur Zeit des Darleihens hatte, zu leisten.
§. 989. Sind zur Zeit der Rückzahlung dergleichen Münz-Sorten im
Staate nicht im Umlaufe; so muß der Schuldner den Gläubiger mit zunächst
ähnlichen Geldstücken in solcher Zahl und Art befriedigen, daß derselbe den zur
Zeit des Darleihens bestandenen innern Werth dessen, was er gegeben hat,
erhalte.
b) in Schuldscheinen.
§. 990. In öffentlichen Schuldscheinen können Darleihen in der Art
gültig geschlossen werden, daß die Tilgung der Schuld entweder mit einem
durchaus gleichen öffentlichen Schuldscheine, wie der dargeliehene war,
geleistet, oder der Betrag nach dem Werthe, welchen der Schuldschein zur Zeit
des Darleihens hatte, zurückgezahlt werde.
§. 991. Wenn statt Geldes ein Privat-Schuldschein oder Waaren
gegeben worden sind; so ist der Schuldner nur verbunden, entweder den
Schuldschein oder die empfangenen Waaren unbeschädigt zurück zu stellen, oder
dem Gläubiger den von diesem zu erweisenden Schaden zu ersetzen.
c) Darleihen in anderen verbrauchbaren Gegenständen.
§. 992. Bey Darleihen, die nicht über Geld, sondern über andere
verbrauchbare Gegenstände geschlossen werden, macht es, dafern nur die
Zurückstellung in der nähmlichen Gattung, Güte und Menge bedungen worden,
keinen Unterschied, wenn sie in der Zwischenzeit am Werthe gestiegen oder
gefallen sind.
Zinsen.
§. 993. Wenn sich der Darleiher bey was immer für einem Darleihen
in Rücksicht auf die Gattung, Güte oder Menge ausdrücklich oder stillschweigend
mehr bedingt, als er gegeben hat; so kann der Vertrag nur in so fern bestehen,
als dabey die erlaubten Vertragszinsen nicht überschritten werden.
§. 994. Durch Vertrag können bey einem gegebenen Unterpfand fünf,
ohne Unterpfand sechs von Hundert auf Ein Jahr von Jedermann bedungen werden.
Dieses Maß der erlaubten Vertragszinsen ist auch dann zu verstehen, wenn zwar
Zinsen bedungen, aber ihr Betrag nicht bestimmt worden ist.
§. 995. Wenn jemanden Zinsen, ohne ausdrückliche Bedingung, aus
dem Gesetze gebühren; so sind vier von Hundert, und zwischen den von den
Behörden berechtigten Handelsleuten und Fabrikanten bey einer aus einem
eigentlichen Handlungsgeschäfte entsprungenen Schuld sechs von Hundert auf das
Jahr als die gesetzmäßigen zu entrichten.
§. 996. Wenn außer der Bestimmung des Ortes und der Zeit der
Zahlung des Capitals und der Zinsen dem Darleiher unter was immer für einer
Gestaltung und Benennung noch andere Nebenschuldigkeiten; oder, wenn für sich
oder für Andere Nebenvortheile bedungen worden; so sind sie, in so fern dabey
im Ganzen das Maß der erlaubten Vertragszinsen überschritten wird, ungültig.
§. 997. Die Zinsen sind gemeiniglich bey Zurückzahlung des
Capitals; oder, wenn der Vertrag auf mehrere Jahre geschlossen, und in
demselben wegen der Fristen zur Zahlung der Zinsen nichts ausgemacht worden,
jährlich abzuführen. Vorhinein können sie höchstens auf ein halbes Jahr
abgezogen werden. Die über dieses Maß vorhinein abgezogenen Zinsen sind, vom
Tage des Abzuges an, vom Capitale abzurechnen.
§. 998. Zinsen von Zinsen dürfen nie genommen werden; doch können
zweyjährige oder noch ältere Zinsenrückstände mittelst Uebereinkommens als ein
neues Capital verschrieben werden.
§. 999. Zinsen von Gelddarleihen sind in der nähmlichen Währung
(Valuta), wie das Capital selbst zu entrichten.
§. 1000. Wie ein in Absicht auf das Capital oder das erlaubte
Zinsenmaß verübter Wucher zu behandeln sey, bestimmt das besonders bestehende
Wuchergesetz.
Form des Schuldscheines.
§. 1001. Damit ein Schuldschein über einen Darleihensvertrag einen
vollständigen Beweis mache, müssen darin der eigentliche Darleiher oder
Gläubiger sowohl, als der eigentliche Anleiher oder Schuldner; der Gegenstand
und Betrag des Darleihens; und, wenn es in Geld gegeben wird, die Gattung
desselben, wie auch alle auf die Zahlung der Hauptschuld sowohl, als auf die
etwa zu entrichtenden Zinsen sich beziehende Bedingungen redlich und deutlich
bestimmt werden. Die äußere, zur Beweiskraft nöthige Form einer Schuldurkunde
setzt die Gerichtsordnung fest.
Zwey u. zwanzigstes Hauptstück.
Von der Bevollmächtigung und andern Arten der Geschäftsführung.
Bevollmächtigungsvertrag.
§. 1002. Der Vertrag, wodurch jemand ein ihm aufgetragenes
Geschäft im Nahmen des Andern zur Besorgung übernimmt, heißt
Bevollmächtigungsvertrag.
§. 1003. Personen, welche zur Besorgung bestimmter Geschäfte
öffentlich bestellt worden, sind schuldig, über einen darauf sich beziehenden
Auftrag ohne Zögerung gegen den Auftragenden sich ausdrücklich zu erklären, ob
sie denselben annehmen oder nicht; widrigen Falls bleiben sie dem Auftragenden
für den dadurch veranlaßten Nachtheil verantwortlich.
Eintheilung der Bevollmächtigung in eine unentgeldliche oder
entgeldliche;
§. 1004. Wird für die Besorgung eines fremden Geschäftes entweder
ausdrücklich, oder nach dem Stande des Geschäftsträgers auch nur
stillschweigend eine Belohnung bedungen; so gehört der Vertrag zu den
entgeldlichen, außer dem aber zu den unentgeldlichen.
mündliche oder schriftliche;
§. 1005. Bevollmächtigungsverträge können mündlich oder
schriftlich geschlossen werden. Die von dem Gewaltgeber dem Gewalthaber
hierüber ausgestellte Urkunde wird Vollmacht genannt.
allgemeine oder besondere;
§. 1006. Es gibt allgemeine und besondere Vollmachten, je nachdem
jemanden die Besorgung aller, oder nur einiger Geschäfte anvertraut wird. Die
besonderen Vollmachten können bloß gerichtliche oder bloß außergerichtliche
Geschäfte überhaupt; oder sie können einzelne Angelegenheiten der einen oder
andern Gattung zum Gegenstande haben.
Unumschränkte, oder beschränkte;
§. 1007. Vollmachten werden entweder mit unumschränkter oder mit
beschränkter Freyheit zu handeln ertheilet. Durch die erstere wird der
Gewalthaber berechtiget, das Geschäft nach seinem besten Wissen und Gewissen zu
leiten; durch die letztere aber werden ihm die Gränzen, wie weit, und die Art,
wie er dasselbe betreiben soll, vorgeschrieben.
§. 1008. Folgende Geschäfte: Wenn im Nahmen eines Andern Sachen
veräußert, oder entgeldlich übernommen; Anleihen oder Darleihen geschlossen;
Geld oder Geldeswerth erhoben; Processe anhängig gemacht; Eide aufgetragen,
angenommen oder zurückgeschoben, oder Vergleiche getroffen werden sollen,
erfordern eine besondere, auf diese Gattungen der Geschäfte lautende Vollmacht.
Wenn aber eine Erbschaft unbedingt angenommen oder ausgeschlagen;
Gesellschaftsverträge errichtet; Schenkungen gemacht; das Befugniß, einen Schiedsrichter
zu wählen, eingeräumt, oder Rechte unentgeldlich aufgegeben werden sollen; ist
eine besondere, auf das einzelne Geschäft ausgestellte Vollmacht nothwendig.
Allgemeine, selbst unbeschränkte Vollmachten sind in diesen Fällen nur
hinreichend, wenn die Gattung des Geschäftes in der Vollmacht ausgedrückt
worden ist.
Rechte und Verbindlichkeiten des Gewalthabers;
§. 1009. Der Gewalthaber ist verpflichtet, das Geschäft seinem
Versprechen und der erhaltenen Vollmacht gemäß, emsig und redlich zu besorgen,
und allen aus dem Geschäfte entspringenden Nutzen dem Machtgeber zu überlassen.
Er ist, ob er gleich eine beschränkte Vollmacht hat, berechtiget, alle Mittel
anzuwenden, die mit der Natur des Geschäftes nothwendig verbunden, oder der
erklärten Absicht des Machtgebers gemäß sind. Ueberschreitet er aber die
Gränzen der Vollmacht; so haftet er für die Folgen.
§. 1010. Trägt der Gewalthaber das Geschäft ohne Noth einem
Dritten auf; so haftet er ganz allein für den Erfolg. Wird ihm aber die
Bestellung eines Stellvertreters in der Vollmacht ausdrücklich gestattet, oder
durch die Umstände unvermeidlich; so verantwortet er nur ein bey der Auswahl
der Person begangenes Verschulden.
§. 1011. Wird mehrern Bevollmächtigten zugleich ein Geschäft
aufgetragen; so ist die Mitwirkung Aller zur Gültigkeit des Geschäftes, und
Verpflichtung des Machtgebers nothwendig; wenn nicht ausdrücklich Einem oder
Mehreren aus ihnen die volle Befugniß in der Vollmacht ertheilt worden ist.
§. 1012. Der Gewalthaber ist schuldig, dem Machtgeber den durch
sein Verschulden verursachten Schaden zu ersetzen, und die bey dem Geschäfte
vorkommenden Rechnungen, so oft dieser es verlangt, vorzulegen.
§. 1013. Gewalthaber sind, außer dem im §. 1004. enthaltenen
Falle, nicht befugt, ihrer Bemühung wegen eine Belohnung zu fordern. Es ist
ihnen nicht erlaubt, ohne Willen des Machtgebers in Rücksicht auf die
Geschäftsverwaltung von einem Dritten Geschenke anzunehmen. Die erhaltenen
werden zur Armen-Casse eingezogen.
des Gewaltgebers;
§. 1014. Der Gewaltgeber ist verbunden, dem Gewalthaber allen zur
Besorgung des Geschäftes nothwendig oder nützlich gemachten Aufwand, selbst bey
fehlgeschlagenem Erfolge, zu ersetzen, und ihm auf Verlangen zur Bestreitung
der baren Auslagen auch einen angemessenen Vorschuß zu leisten; er muß ferner
allen durch sein Verschulden entstandenen, oder mit der Erfüllung des Auftrages
verbundenen Schaden vergüten.
§. 1015. Leidet der Gewalthaber bey der
Geschäftsführung nur zufälliger Weise Schaden; so kann er in dem Falle, daß er
das Geschäft unentgeldlich zu besorgen übernahm, einen solchen Betrag fordern,
welcher ihm bey einem entgeldlichen Vertrage zur Vergütung der Bemühung nach
dem höchsten Schätzungswerthe gebührt haben würde.
§. 1016. Ueberschreitet der Gewalthaber die Gränzen seiner
Vollmacht; so ist der Gewaltgeber nur in so fern verbunden, als er das Geschäft
genehmiget, oder den aus dem Geschäfte entstandenen Vortheil sich zuwendet.
in Rücksicht eines Dritten.
§. 1017. In so fern der Gewalthaber nach dem Inhalte der Vollmacht
den Gewaltgeber vorstellt, kann er ihm Rechte erwerben und Verbindlichkeiten
auflegen. Hat er also innerhalb der Gränzen der offenen Vollmacht mit einem
Dritten einen Vertrag geschlossen; so kommen die dadurch gegründeten Rechte und
Verbindlichkeiten dem Gewaltgeber und dem Dritten; nicht aber dem Gewalthaber
zu. Die dem Gewalthaber ertheilte geheime Vollmacht hat auf die Rechte des
Dritten keinen Einfluß.
§. 1018. Auch in dem Falle, daß der Gewaltgeber einen solchen
Gewalthaber, der sich selbst zu verbinden unfähig ist, aufgestellt hat, sind
die innerhalb der Gränzen der Vollmacht geschlossenen Geschäfte sowohl für den
Gewaltgeber, als für den Dritten verbindlich.
§. 1019. Wenn der Machthaber den Auftrag, einem Dritten einen
Vortheil zuzuwenden, erhalten und angenommen hat; so erlangt der Dritte, so
bald er von dem Machtgeber oder Machthaber davon benachrichtiget worden ist,
das Recht gegen den Einen oder den Andern Klage zu führen.
Auflösung des Vertrages durch den Widerruf.
§. 1020. Es steht dem Machtgeber frey, die Vollmacht nach Belieben
zu widerrufen; doch muß er dem Gewalthaber nicht nur die in der Zwischenzeit
gehabten Kosten und den sonst erlittenen Schaden ersetzen; sondern auch einen
der Bemühung angemessenen Theil der Belohnung entrichten. Dieses findet auch
dann Statt, wenn die Vollendung des Geschäftes durch einen Zufall verhindert
worden ist.
die Aufkündung;
§. 1021. Auch der Machthaber kann die angenommene Vollmacht
aufkünden. Wenn er sie aber vor Vollendung des ihm insbesondere aufgetragenen,
oder vermöge der allgemeinen Vollmacht angefangenen Geschäftes aufkündet; so
muß er, dafern nicht ein unvorgesehenes und unvermeidliches Hinderniß
eingetreten ist, allen daraus entstandenen Schaden ersetzen.
den Tod.
§. 1022. In der Regel wird die Vollmacht sowohl durch den Tod des
Gewaltgebers, als des Gewalthabers aufgehoben. Läßt sich aber das angefangene
Geschäft ohne offenbaren Nachtheil der Erben nicht unterbrechen, oder erstreckt
sich die Vollmacht selbst auf den Sterbefall des Gewaltgebers; so hat der
Gewalthaber das Recht und die Pflicht, das Geschäft zu vollenden.
§. 1023. Die von einem Körper (Gemeinschaft) ausgestellten und
übernommenen Vollmachten werden durch die Erlöschung der Gemeinschaft
aufgehoben.
oder Concurs.
§. 1024. Verfällt der Machtgeber in Concurs; so sind alle
Handlungen, die der Gewalthaber nach Kundmachung des Concurses im Nahmen des
Concurs-Schuldners unternommen hat, ohne Rechtskraft. Eben so erklärt die
Verhängung des Concurses über das Vermögen des Machthabers schon an und für
sich die ertheilte Vollmacht für aufgehoben.
In wie fern die Verbindlichkeit fortdauere.
§. 1025. Wird die Vollmacht durch Widerruf, Aufkündung, oder durch
den Tod des Gewaltgebers oder Gewalthabers aufgehoben; so müssen doch die Geschäfte,
welche keinen Aufschub leiden, so lange fortgesetzt werden, bis von dem
Machtgeber oder dessen Erben eine andere Verfügung getroffen worden ist, oder
füglich getroffen werden konnte.
§. 1026. Auch bleiben die mit einem Dritten, dem die Aufhebung der
Vollmacht ohne sein Verschulden unbekannt war, geschlossenen Verträge
verbindlich, und der Gewaltgeber kann sich nur bey dem Gewalthaber, der die
Aufhebung verschwiegen hat, wegen seines Schadens erhohlen.
Stillschweigende Bevollmächtigung der Dienstpersonen.
§. 1027. Die in diesem Hauptstücke enthaltenen Vorschriften haben
auch ihre Anwendung auf die Eigenthümer einer Handlung, eines Schiffes,
Kaufladens oder andern Gewerbes, welche die Verwaltung einem Factor, Schiffer,
Ladendiener oder andern Geschäftsträgern anvertrauen.
§. 1028. Die Rechte solcher Geschäftsführer sind vorzüglich aus
der Urkunde ihrer Bestellung, dergleichen unter Handelsleuten das ordentlich
kundgemachte Befugniß der Unterzeichnung (Firma) ist, zu beurtheilen.
§. 1029. Ist die Vollmacht nicht schriftlich gegeben worden; so
wird ihr Umfang aus dem Gegenstande, und aus der Natur des Geschäftes
beurtheilet. Wer einem Andern eine Verwaltung anvertraut hat, von dem wird
vermuthet, daß er ihm auch die Macht eingeräumt habe, alles dasjenige zu thun,
was die Verwaltung selbst erfordert und was gewöhnlich damit verbunden ist. (§.
1009.)
§. 1030. Gestattet der Eigenthümer einer Handlung, oder eines
Gewerbes seinem Diener oder Lehrlinge, Waaren im Laden oder außer demselben zu
verkaufen; so wird vermuthet, daß sie bevollmächtigt seyn, die Bezahlung zu
empfangen, und Quittungen dagegen auszustellen.
§. 1031. Die Vollmacht, Waaren im Nahmen des Eigenthümers zu
verkaufen, erstreckt sich aber nicht auf das Recht, in seinem Nahmen Waaren
einzukaufen; auch dürfen Fuhrleute weder den Werth der ihnen anvertrauten Güter
beziehen, noch Geld darauf anleihen, wenn es nicht ausdrücklich in
Frachtbriefen bestimmt worden ist.
§. 1032. Dienstgeber und Familienhäupter sind nicht verbunden,
das, was von ihren Dienstpersonen oder andern Hausgenossen in ihrem Nahmen auf
Borg genommen wird, zu bezahlen. Der Borger muß in solchen Fällen den gemachten
Auftrag erweisen.
§. 1033. Besteht aber zwischen dem Borgnehmer und dem Borggeber
ein ordentliches Einschreibebuch, worin die ausgeborgten Sachen aufgezeichnet
werden; so gilt die Vermuthung, daß der Ueberbringer dieses Buches
bevollmächtiget sey, die Waare auf Borg zu nehmen.
Gerichtliche und gesetzliche Bevollmächtigung.
§. 1034. Das Recht der Vormünder und Curatoren, die Geschäfte
ihrer Pflegebefohlenen zu verwalten, gründet sich auf die Anordnung des
Gerichtes, von welchem sie bestellet sind. Dem Vater und dem Ehemanne wird das
Befugniß zur Vertretung des Kindes und der Gattinn von dem Gesetze eingeräumt.
Hierüber sind die Vorschriften an den gehörigen Orten enthalten.
Geschäftsführung ohne Auftrag;
§. 1035. Wer weder durch ausdrücklichen oder stillschweigenden
Vertrag, noch vom Gerichte, noch aus dem Gesetze das Befugniß erhalten hat,
darf der Regel nach sich in das Geschäft eines Andern nicht mengen. Hätte er
sich dessen angemaßt; so ist er für alle Folgen verantwortlich.
im Nothfalle;
§. 1036. Wer, obgleich unberufen, ein fremdes Geschäft zur
Abwendung eines bevorstehenden Schadens besorgt, dem ist derjenige, dessen
Geschäft er besorgt hat, den nothwendigen und zweckmäßig gemachten Aufwand zu
ersetzen schuldig; wenn gleich die Bemühung ohne Verschulden fruchtlos
geblieben ist. (§. 403.)
oder zum Nutzen des Andern;
§. 1037. Wer fremde Geschäfte bloß, um den Nutzen des Andern zu
befördern, übernehmen will, soll sich um dessen Einwilligung bewerben. Hat der
Geschäftsführer zwar diese Vorschrift unterlassen, aber das Geschäft auf seine
Kosten zu des Andern klarem, überwiegenden Vortheile geführet; so müssen ihm
von diesem die darauf verwendeten Kosten ersetzt werden.
§. 1038. Ist aber der überwiegende Vortheil nicht klar; oder hat
der Geschäftsführer eigenmächtig so wichtige Veränderungen in einer fremden
Sache vorgenommen, daß die Sache dem Andern zu dem Zwecke, wozu er sie bisher
benützte, unbrauchbar wird, so ist dieser zu keinem Ersatze verbunden; er kann
vielmehr verlangen, daß der Geschäftsführer auf eigene Kosten die Sache in den
vorigen Stand zurücksetze, oder, wenn das nicht möglich ist, ihm volle
Genugthuung leiste.
§. 1039. Wer ein fremdes Geschäft ohne Auftrag auf sich genommen
hat, muß es bis zur Vollendung fortsetzen, und gleich einem Bevollmächtigten
genaue Rechnung darüber ablegen.
gegen den Willen des Andern.
§. 1040. Wenn jemand gegen den gültig erklärten Willen des
Eigenthümers sich eines fremden Geschäftes anmasset, oder den rechtmäßigen
Bevollmächtigten durch eine solche Einmengung an der Besorgung des Geschäftes
verhindert; so verantwortet er nicht nur den hieraus erwachsenen Schaden und
entgangenen Gewinn, sondern er verliert auch den gemachten Aufwand, in so fern
er nicht in Natur zurück genommen werden kann.
Verwendung einer Sache zum Nutzen des Andern.
§. 1041. Wenn ohne Geschäftsführung eine Sache zum Nutzen eines
Anderen verwendet worden ist; kann der Eigenthümer sie in Natur, oder, wenn
dieß nicht mehr geschehen kann, den Werth verlangen, den sie zur Zeit der
Verwendung gehabt hat, obgleich der Nutzen in der Folge vereitelt worden ist.
§. 1042. Wer für einen Andern einen Aufwand macht, den dieser nach
dem Gesetze selbst hätte machen müssen, hat das Recht, den Ersatz zu fordern.
§. 1043. Hat jemand in einem Nothfalle, um einen größern Schaden
von sich und Andern abzuwenden, sein Eigenthum aufgeopfert; so müssen ihn Alle,
welche daraus Vortheil zogen, verhältnißmäßig entschädigen. Die ausführlichere
Anwendung dieser Vorschrift auf Seegefahren ist ein Gegenstand der Seegesetze.
§. 1044. Die Vertheilung der Kriegsschäden wird nach besondern Vorschriften
von den politischen Behörden bestimmt.
Drey u. zwanzigstes Hauptstück.
Von dem Tauschvertrage.
Tausch.
§. 1045. Der Tausch ist ein Vertrag, wodurch eine Sache gegen eine
andere Sache überlassen wird. Die wirkliche Uebergabe ist nicht zur Errichtung;
sondern nur zur Erfüllung des Tauschvertrages, und zur Erwerbung des
Eigenthumes nothwendig.
§. 1046. Das Geld ist kein Gegenstand des Tauschvertrages; doch
lassen sich Gold und Silber als eine Waare und selbst als Münz-Sorten in so
weit vertauschen, als sie nur gegen andere Münz-Sorten, goldene nähmlich gegen
silberne, kleinere gegen größere Stücke verwechselt werden sollen.
Rechte und Pflichten der Tauschenden
§. 1047. Tauschende sind vermöge des Vertrages verpflichtet, die
vertauschten Sachen der Verabredung gemäß mit ihren Bestandtheilen, und mit
allem Zugehöre, zu rechter Zeit, am gehörigen Orte, und in eben dem Zustande,
in welchem sie sich bey Schließung des Vertrages befunden haben, zum freyen
Besitze zu übergeben und zu übernehmen. Wer seine Verpflichtung zu erfüllen
unterläßt, haftet dem Andern für Schaden und entgangenen Nutzen.
insbesondere in Rücksicht der Gefahr
§. 1048. Ist keine Zeit bedungen, zu welcher die Uebergabe
geschehen soll, und wird in der Zwischenzeit entweder die vertauschte bestimmte
Sache durch Verboth außer Verkehr gesetzt, oder zufälliger Weise ganz, oder
doch über die Hälfte am Werthe zu Grunde gerichtet, so ist der Tausch für nicht
geschlossen anzusehen.
§. 1049. Andere in dieser Zwischenzeit durch Zufall erfolgte
Verschlimmerungen der Sache und Lasten gehen auf die Rechnung des Besitzers.
Sind jedoch Sachen in Pausch und Bogen behandelt worden; so trägt der
Uebernehmer den zufälligen Untergang einzelner Stücke, wenn anders hierdurch
das Ganze nicht über die Hälfte am Werthe verändert worden ist.
und der Nutzungen vor der Uebergabe.
§. 1050. Dem Besitzer gebühren die Nutzungen der vertauschten
Sache bis zur bedungenen Zeit der Uebergabe. Von dieser Zeit an gebühren sie,
sammt dem Zuwachse, dem Uebernehmer, obgleich die Sache noch nicht übergeben
worden ist.
§. 1051. Ist keine Zeit zur Uebergabe der bestimmten Sache
bedungen, und fällt keinem Theile ein Versehen zur Last; so sind die obigen
Vorschriften wegen Gefahr und Nutzungen (§§. 1048-1050) auf den Zeitpunct der
Uebergabe selbst anzuwenden; in so fern die Parteyen nicht etwas Anderes
festgesetzt haben.
§. 1052. Wer auf die Uebergabe dringen will, muß seine
Verbindlichkeit erfüllet haben, oder sie zu erfüllen bereit seyn.
Vier u. zwanzigstes Hauptstück.
Von dem Kaufvertrage.
Kaufvertrag.
§. 1053. Durch den Kaufvertrag wird eine Sache um eine bestimmte
Summe Geldes einem Andern überlassen. Er gehört, wie der Tausch zu den Titeln
ein Eigenthum zu erwerben. Die Erwerbung erfolgt erst durch die Uebergabe des
Kaufgegenstandes. Bis zur Uebergabe behält der Verkäufer das Eigenthumsrecht.
Erfordernisse des Kaufvertrages.
§. 1054. Wie die Einwilligung des Käufers und Verkäufers
beschaffen seyn müssen, und welche Sache gekauft und verkauft werden dürfen,
dieses wird nach den Regeln des Verträge überhaupt bestimmt. Der Kaufpreis muß
im baren Gelde bestehen, und darf weder unbestimmt, noch gesetzwidrig seyn.
Der Kaufpreis muß
a) im baren Gelde bestehen;
§. 1055. Wird eine Sache theils gegen Geld; theils gegen eine
andere Sache veräußert; so wird der Vertrag, je nachdem der Werth am Gelde mehr
oder weniger, als der gemeine Werth der gegebenen Sache beträgt, zum Kaufe oder
Tausche, und bey gleichem Werthe der Sache, zum Kaufe gerechnet.
b) bestimmt;
§. 1056. Käufer und Verkäufer können die Festsetzung des Preises
auch einer dritten bestimmten Person überlassen. Wird von dieser in dem
bedungenen Zeitraume nichts festgesetzt; oder will im Falle, daß kein Zeitraum
bedungen worden ist, ein Theil vor der Bestimmung des Preises zurücktreten; so
wird der Kaufvertrag als nicht geschlossen angesehen.
§. 1057. Wird die Bestimmung des Preises mehreren Personen
überlassen, so entscheidet die Mehrheit der Stimmen. Fallen die Stimmen so
verschieden aus, daß der Preis nicht einmahl durch wirkliche Mehrheit der
Stimmen festgesetzt wird; so ist der Kauf für nicht eingegangen zu achten.
§. 1058. Auch der Werth, welcher bey einer frühern Veräußerung
bedungen worden ist, kann zur Bestimmung des Preises dienen. Hat man den
ordentlichen Marktpreis zum Grunde gelegt, so wird der mittlere Marktpreis des
Ortes und der Zeit, wo und in welcher der Vertrag erfüllet werden muß,
angenommen.
c) nicht gesetzwidrig seyn.
§. 1059. Wenn für Waaren eine Taxe besteht, so ist der höhere
Preis gesetzwidrig, und der Käufer kann für jede noch so geringe Verletzung die
Schadloshaltung bey der politischen Behörde fordern.
§. 1060. Außer diesem Falle kann der Kauf sowohl von dem Käufer
als Verkäufer nur wegen Verletzung über die Hälfte bestritten werden (§§.
934-935). Diese Beschwerde findet auch dann Statt, wenn der Ausspruch des
Kaufpreises einem Dritten überlassen worden ist.
Pflichten des Verkäufers,
§. 1061. Der Verkäufer ist schuldig, die Sache bis zur Zeit der
Uebergabe sorgfältig zu verwahren und sie dem Käufer nach eben den Vorschriften
zu übergeben, welche oben bey dem Tausche (§. 1047) aufgestellt worden sind.
und des Käufers.
§. 1062. Der Käufer hingegen ist verbunden, die Sache sogleich,
oder zur bedungenen Zeit zu übernehmen, zugleich aber auch das Kaufgeld bar
abzuführen; widrigen Falls ist der Verkäufer ihm die Uebergabe der Sache zu
verweigern berechtiget.
§. 1063. Wird die Sache dem Käufer von dem Verkäufer ohne das
Kaufgeld zu erhalten, übergeben; so ist die Sache auf Borg verkauft, und das
Eigenthum derselben geht gleich auf den Käufer über.
Gefahr und Nutzen des Kaufgegenstandes.
§. 1064. In Rücksicht der Gefahr und Nutzungen einer zwar
gekauften, aber noch nicht übergebenen Sache gelten die nähmlichen
Vorschriften, die bey dem Tauschvertrage gegeben worden sind. (§§. 1048-1051.)
Kauf einer gehofften Sache.
§. 1065. Wenn Sachen, die noch zu erwarten stehen, gekauft werden;
so sind die in dem Hauptstücke von gewagten Geschäften gegebenen Anordnungen
anzuwenden.
Allgemeine Vorschrift.
§. 1066. In allen bey einem Kaufvertrag vorkommenden Fällen,
welche in dem Gesetze nicht ausdrücklich entschieden werden, sind die in den
Hauptstücken von Verträgen überhaupt, und von dem Tauschvertrage insbesondere
aufgestellten Vorschriften anzuwenden.
Besondere Arten oder Nebenverträge eines Kaufvertrages.
§. 1067. Besondere Arten oder Nebenverträge eines Kaufvertrages
sind: der Vorbehalt des Wiederkaufes, des Rückverkaufes, des Vorkaufes; der
Verkauf auf die Probe; der Verkauf mit Vorbehalt eines bessern Käufers; und der
Verkaufsauftrag.
Verkauf mit Vorbehalt des Wiederkaufes.
§. 1068. Das Recht eine verkaufte Sache wieder einzulösen, heißt
das Recht des Wiederkaufes. Ist dieses Recht dem Verkäufer überhaupt und ohne
nähere Bestimmung eingeräumt, so wird von einer Seite das Kaufstück in einem
nicht verschlimmerten Zustande; von der andern Seite aber das erlegte Kaufgeld
zurück gegeben, und die inzwischen beyderseits aus dem Gelde und der Sache
gezogenen Nutzungen bleiben gegen einander aufgehoben.
§. 1069. Hat der Käufer das Kaufstück aus dem Seinigen verbessert;
oder zu dessen Erhaltung außerordentliche Kosten verwendet, so gebührt ihm
gleich einem redlichen Besitzer der Ersatz; er haftet aber auch dafür, wenn
durch sein Verschulden der Werth verändert, oder die Zurückgabe vereitelt
worden ist.
§. 1070. Der Vorbehalt des Wiederkaufs findet nur bey
unbeweglichen Sachen Statt, und gebührt dem Verkäufer nur für seine Lebenszeit.
Er kann sein Recht weder auf die Erben, noch auf einen Andern übertragen, und
zum Nachtheile eines Dritten nur in so fern ausüben, als es den öffentlichen
Büchern einverleibt ist.
Kauf mit Vorbehalt des Rückverkaufes.
§. 1071. Den nähmlichen Beschränkungen unterliegt das von dem
Käufer ausbedungene Recht, die Sache dem Verkäufer wieder zurück zu verkaufen;
und es sind auf dasselbe die für den Wiederkauf ertheilten Vorschriften
anzuwenden. Ist aber die Bedingung des Wiederverkaufs oder Wiederkaufs
verstellt, und eigentlich, um ein Pfandrecht oder ein Borggeschäft zu
verbergen, gebraucht worden, so tritt die Vorschrift des §. 916 ein.
Vorbehalt des Vorkaufsrechtes.
§. 1072. Wer eine Sache mit der Bedingung verkauft, daß der
Käufer, wenn er solche wieder verkaufen will, ihm die Einlösung anbiethen soll,
der hat das Vorkaufsrecht.
§. 1073. Das Vorkaufsrecht ist in der Regel ein persönliches
Recht. In Rücksicht auf unbewegliche Güter kann es durch Eintragung in die
öffentlichen Bücher in ein dingliches verwandelt werden.
§. 1074. Auch kann das Vorkaufsrecht weder einem Dritten
abgetreten, noch auf die Erben des Berechtigten übertragen werden.
§. 1075. Der Berechtigte muß bewegliche Sachen binnen vier und
zwanzig Stunden; unbewegliche aber binnen dreyßig Tagen, nach der geschehenen
Anbiethung, wirklich einlösen. Nach Verlauf dieser Zeit ist das Vorkaufsrecht
erloschen.
§. 1076. Das Vorkaufsrecht hat im Falle einer gerichtlichen
Feilbiethung der mit diesem Rechte belasteten Sache keine andere Wirkung, als
daß der den öffentlichen Büchern einverleibte Berechtigte zur Feilbiethung
insbesondere vorgeladen werden muß.
§. 1077. Der zur Einlösung Berechtigte muß außer dem Falle einer
andern Verabredung, den vollständigen Preis, welcher von einem Dritten
angebothen worden ist, entrichten. Kann er die außer dem gewöhnlichen
Kaufpreise angebothenen Nebenbedingungen nicht erfüllen, und lassen sie sich
auch durch einen Schätzungswerth nicht ausgleichen; so kann das Vorkaufsrecht
nicht ausgeübt werden.
§. 1078. Das Vorkaufsrecht läßt sich auf andere Veräußerungsarten
ohne eine besondere Verabredung nicht ausdehnen.
§. 1079. Hat der Besitzer dem Berechtigten die Einlösung nicht
angebothen, so muß er ihm für allen Schaden haften. Im Falle eines dinglichen
Vorkaufsrechtes kann die veräußerte Sache dem Dritten abgefordert werden, und
dieser wird nach Beschaffenheit seines redlichen oder unredlichen Besitzes
behandelt.
Kauf auf die Probe.
§. 1080. Bey dem Kaufe auf die Probe geht das Kaufstück vor
Bezahlung des Preises nicht in das Eigenthum des Käufers. Der Käufer wird
während der Probezeit als ein Entlehner; nach Verlauf dieser Zeit aber das Kaufgeschäft
für unbedingt abgeschlossen, und der Käufer als Eigenthümer des Kaufstückes
angesehen.
§. 1081. Hat der Käufer für das übernommene Kaufstück den Preis
bezahlt, so gebührt ihm sogleich das Eigenthum; er kann aber vor Verlauf der
Probezeit von dem Kaufe zurücktreten.
§. 1082. Ist die Probezeit durch Verabredung nicht bestimmt
worden, so wird sie bey beweglichen Sachen auf drey Tage; bey unbeweglichen
aber auf Ein Jahr angenommen.
Verkauf mit Vorbehalt eines bessern Käufers.
§. 1083. Wird das Kaufgeschäft mit dem Vorbehalte verabredet, daß
der Verkäufer, wenn sich binnen einer bestimmten Zeit ein besserer Käufer
meldet, denselben vorzuziehen befugt sey; so bleibt in dem Falle, daß das
Kaufstück nicht übergeben worden, die Wirklichkeit des Vertrages bis zum
Eintritte der Bedingung aufgeschoben.
§. 1084. Ist das Kaufstück übergeben worden, so ist der
Kaufvertrag abgeschlossen; er wird aber durch den Eintritt der Bedingung wieder
aufgelöset. Bey dem Mangel einer ausdrücklichen Zeitbestimmung wird der bey dem
Kaufe auf die Probe angenommene Zeitraum vermuthet.
§. 1085. Ob der neue Käufer besser sey, beurtheilet der Verkäufer.
Er kann den zweyten Käufer, wenn der erste auch noch mehr zahlen wollte,
vorziehen. Bey der Auflösung des Vertrages heben sich die Nutzungen der Sache
und des Geldes gegen einander auf. In Rücksicht der Verbesserungen oder
Verschlimmerungen wird der Käufer gleich einem redlichen Besitzer behandelt.
Verkaufsauftrag.
§. 1086. Wenn jemand seine bewegliche Sache einem Andern für einen
gewissen Preis zum Verkaufe übergibt, mit der Bedingung, daß ihm der
Uebernehmer binnen einer festgesetzten Zeit entweder das bestimmte Kaufgeld
liefern oder die Sache zurückstellen soll; so ist der Uebergeber vor Verlauf
der Zeit die Sache zurück zu fordern nicht berechtiget; der Uebernehmer aber
muß nach deren Ablauf das bestimmte Kaufgeld entrichten.
§. 1087.
Während der festgesetzten Zeit bleibt der Uebergeber Eigenthümer. Der
Uebernehmer haftet ihm für den durch sein Verschulden verursachten Schaden, und
es werden ihm bey Zurückstellung der Sache nur solche Kosten vergütet, die dem
Uebergeber zum Nutzen gereichen.
§. 1088.
Ist die Sache unbeweglich; oder ist der Preis, oder die Zahlungsfrist nicht
bestimmt; so wird der Uebernehmer wie ein Gewalthaber angesehen. In keinem
Falle kann die zum Verkaufe anvertraute Sache dem Dritten, welcher sie von dem
Uebernehmer redlicher Weise an sich gebracht hat, abgefordert werden. (§. 367.)
§. 1089.
Auch bey gerichtlichen Verkäufen finden die über Verträge, und den Tausch- und
Kaufvertrag insbesondere aufgestellten Vorschriften in der Regel Statt; in so
fern nicht in diesem Gesetze, oder in der Gerichtsordnung eigene Anordnungen
enthalten sind.
Fünf u. zwanzigstes Hauptstück.
Von Bestand- Erbpacht- und Erbzins-Verträgen.
Bestandvertrag.
§. 1090. Der Vertrag, wodurch jemand den Gebrauch einer
unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis
erhält, heißt überhaupt Bestandvertrag.
I.) Mieth- und Pachtvertrag.
§. 1091. Der Bestandvertrag wird, wenn sich die in Bestand
gegebene Sache ohne weitere Bearbeitung gebrauchen läßt, ein Miethvertrag; wenn
sie aber nur durch Fleiß und Mühe benützt werden kann, ein Pachtvertrag
genannt. Werden durch einen Vertrag Sachen von der ersten und zweyten Art
zugleich in Bestand gegeben; so ist der Vertrag nach der Beschaffenheit der
Hauptsache zu beurtheilen.
Erfordernisse.
§. 1092. Mieth- und Pachtverträge können über die nähmlichen
Gegenstände und auf die nähmliche Art, als der Kaufvertrag geschlossen werden.
Der Mieth- und Pachtzins wird, wenn keine andere Uebereinkunft getroffen worden
ist, wie das Kaufgeld entrichtet.
§. 1093. Der Eigenthümer kann sowohl seine beweglichen und
unbeweglichen Sachen, als seine Rechte in Bestand geben; er kann aber auch in
den Fall kommen, den Gebrauch seiner eigenen Sache, wenn er einem Dritten
gebührt, in Bestand zu nehmen.
Wirkung.
§. 1094. Sind die vertragschließenden Theile über das Wesentliche
des Bestandes, nähmlich über die Sache und den Preis, übereingekommen; so ist
der Vertrag vollkommen abgeschlossen, und der Gebrauch der Sache für gekauft
anzusehen.
§. 1095. Wenn ein Bestandvertrag in die öffentlichen Bücher
eingetragen ist; so ist das Recht des Bestandnehmers als ein dingliches Recht
zu betrachten, welches sich auch der nachfolgende Besitzer auf die noch übrige
Zeit gefallen lassen muß.
Wechselseitige Rechte:
1) In Hinsicht auf Ueberlassung, Erhaltung, Benützung.
§. 1096. Die Vermiether und Verpächter sind verpflichtet, das
Bestandstück auf eigene Kosten in brauchbarem Stande zu übergeben und zu
erhalten, und die Bestandinhaber in dem bedungenen Gebrauche oder Genusse nicht
zu stören. Die gewöhnlichen Ausbesserungen der Wirthschaftsgebäude hat der
Pächter nur in so weit, als sie mit den Materialien des Gutes, und den
Diensten, die er nach der Beschaffenheit des Gutes zu fordern berechtiget ist,
bestritten werden können, selbst zu tragen, die übrigen aber dem Verpächter zur
Besorgung anzuzeigen.
§. 1097. Hat der Bestandnehmer einen dem Bestandgeber obliegenden
nothwendigen, oder einen nützlichen Aufwand auf das Bestandstück gemacht; so
wird er als ein Geschäftsführer ohne Auftrag betrachtet (§. 1036); er muß aber
den Ersatz längstens binnen sechs Monathen, nach Zurückstellung des Bestandstückes
gerichtlich fordern, sonst ist die Klage erloschen.
§. 1098. Miether und Pächter sind berechtiget, die Mieth- und
Pachtstücke dem Vertrage gemäß durch die bestimmte Zeit zu gebrauchen und zu
benützen, oder auch in Afterbestand zu geben, wenn es ohne Nachtheil des
Eigenthümers geschehen kann, oder im Vertrage nicht ausdrücklich untersagt
worden ist.
2) Lasten;
§. 1099. Bey Vermiethungen trägt alle Lasten und Abgaben der
Vermiether. Bey eigentlichen Pachtungen, wenn sie in Pausch und Bogen geschehen,
übernimmt der Pächter, mit Ausschluß der eingetragenen Hypothecar-Lasten, alle
übrige; wird aber die Pachtung nach einem Anschlage geschlossen, so trägt er
jene Lasten, welche von dem Ertrage abgezogen worden sind, oder bloß von den
Früchten, und nicht von dem Grunde selbst entrichtet werden müssen.
3) Zins.
§. 1100. Außer dem Falle einer besondern Verabredung ist der Zins,
wenn eine Sache auf Ein oder mehrere Jahre in Bestand genommen wird,
halbjährig; bey einer kürzeren Bestandzeit hingegen nach Verlauf derselben zu
entrichten.
§. 1101. Zur Sicherstellung des Mieth- oder Pachtzinses hat der
Vermiether einer Wohnung das Pfandrecht auf die eingebrachten, dem Miether oder
Aftermiether eigenthümlichen, oder von einem Dritten ihnen anvertrauten (§.
367) Einrichtungsstücke und Fahrnisse, welche zur Zeit der Klage noch darin
befindlich sind. Der Aftermiether haftet aber nach Maß seines Miethzinses; doch
ohne die Einwendung einer dem Hauptmiether geschehenen Vorauszahlung
entgegensetzen zu können. Dem Verpächter eines Grundstückes hingegen steht das
Pfandrecht auf das auf dem Pachtgute vorhandene Vieh und die
Wirthschaftsgeräthschaften, und die darauf noch befindlichen Früchte zu.
§. 1102. Der Bestandgeber kann sich zwar die Vorausbezahlung des
Bestandzinses bedingen. Hat aber der Bestandnehmer mehr als Eine Fristzahlung
voraus geleistet; so kann er dieselbe nur in dem Falle, daß sie in die
öffentlichen Bücher eingetragen ist, den später eingetragenen Gläubigern
entgegensetzen.
Zins in Früchten.
§. 1103. Wenn der Eigenthümer sein Gut mit der Bedingung überläßt,
daß der Uebernehmer die Wirthschaft betreiben, und dem Uebergeber einen auf die
ganze Nutzung sich beziehenden Theil, z. B. ein Drittheil oder die Hälfte der
Früchte geben solle; so entsteht kein Pacht-, sondern ein Gesellschaftsvertrag,
welcher nach den darüber aufgestellten Regeln beurtheilet wird.
Fälle und Bedingungen einer Erlassung des Zinses.
§. 1104. Wenn eine in Bestand genommene Sache wegen
außerordentlicher Zufälle, als: Feuer, Krieg, oder Seuche, wegen großer
Ueberschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Mißwachses, gar nicht
gebraucht oder benützt werden kann; so ist auch kein Mieth- oder Pachtzins zu
entrichten.
§. 1105. Wird dem Miether der Gebrauch des Miethstückes nur zum
Theile entzogen; so wird ihm auch ein verhältnißmäßiger Theil des Miethzinses
erlassen. Dem Pächter gebührt ein Erlaß an dem Pachtzinse, wenn durch
außerordentliche Zufälle die Nutzungen des nur auf Ein Jahr gepachteten Gutes
um mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages gefallen sind. Der Verpächter
ist so viel zu erlassen schuldig, als durch diesen Abfall an dem Pachtzinse
mangelt.
§. 1106. Hat der Bestandnehmer unbestimmt alle Gefahren auf sich
genommen; so werden darunter nur die Feuer-, Wasserschäden und Wetterschläge
verstanden. Andere außerordentliche Unglücksfälle kommen nicht auf seine
Gefahr. Verbindet er sich aber ausdrücklich, auch alle andere außerordentliche
Unglücksfälle zu tragen; so wird deßwegen noch nicht vermuthet, daß er auch für
den zufälligen Untergang des ganzen Pachtstückes haften wolle.
§. 1107. Wird der Gebrauch oder Genuß des Bestandstückes nicht
wegen dessen Beschädigung oder sonst entstandener Unbrauchbarkeit; sondern aus
einem dem Bestandnehmer zugestoßenen Hindernisse oder Unglücksfalle vereitelt;
oder waren zur Zeit der Beschädigung die Früchte von dem Grunde schon
abgesondert; so fällt die widrige Ereignung dem Bestandnehmer allein zur Last.
Er muß den Zins doch entrichten.
§. 1108. Behauptet der Pächter den Erlaß des ganzen Pachtzinses
oder eines Theiles davon entweder aus dem Vertrage oder aus dem Gesetze; so muß
er dem Verpächter ohne Zeitverlust den geschehenen Unglücksfall anzeigen, und
die Begebenheit, wenn sie nicht landkundig ist, gerichtlich, oder wenigstens durch
zwey sachkundige Männer erheben lassen; ohne diese Vorsicht wird er nicht
angehört.
4) Zurückstellung;
§. 1109. Nach geendigtem Bestandvertrage muß der Bestandnehmer die
Sache dem etwa errichteten Inventarium gemäß, oder doch in dem Zustande, in
welchem er sie übernommen hat; gepachtete Grundstücke aber mit Rücksicht auf
die Jahreszeit, in welcher der Pacht geendiget worden ist, in gewöhnlicher
wirthschaftlicher Cultur zurückstellen. Weder die Einwendung des
Compensations-Rechtes, noch selbst des frühern Eigenthumsrechtes kann ihn vor
der Zurückstellung schützen.
§. 1110. Wenn bey dem Bestandvertrage kein Inventarium errichtet
worden ist; so tritt die nähmliche Vermuthung, wie bey der Fruchtnießung (§.
518) ein.
§. 1111. Wird das Mieth- oder Pachtstück beschädiget, oder durch
Mißbrauch abgenützt; so haften Miether und Pächter sowohl für ihr eigenes, als
des Afterbestandnehmers Verschulden, nicht aber für den Zufall. Doch muß der
Bestandgeber den Ersatz aus dieser Haftung längstens binnen Einem Jahre nach
Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern; sonst ist das Recht
erloschen.
5) Auflösung des Bestandvertrages:
a) durch Untergang der Sache;
§. 1112. Der Bestandvertrag löset sich von selbst auf, wenn die
bestandene Sache zu Grunde geht. Geschieht dieß aus Verschulden des einen
Theiles, so gebührt dem andern Ersatz; geschieht es durch einen Unglücksfall,
so ist kein Theil dem andern dafür verantwortlich.
b) Verlauf der Zeit;
§. 1113. Der Bestandvertrag erlischt auch durch den Verlauf der
Zeit, welcher ausdrücklich oder stillschweigend, entweder durch den nach einem
gewissen Zeitraume ausgemessenen Zins, wie bey so genannten Tag- Wochen- und
Monathzimmern, oder durch die erklärte, oder aus dem Umständen hervorleuchtende
Absicht des Bestandnehmers bedungen worden ist.
wenn keine Erneuerung geschieht;
§. 1114. Der Bestandvertrag kann aber nicht nur ausdrücklich;
sondern auch stillschweigend erneuert werden. Ist in dem Vertrage eine
vorläufige Aufkündigung bedungen worden; so wird der Vertrag durch die
Unterlassung der gehörigen Aufkündigung stillschweigend erneuert. Ist keine
Aufkündigung bedungen worden; so geschieht eine stillschweigende Erneuerung,
wenn der Bestandnehmer nach Verlauf der Bestandzeit fortfährt, die Sache zu
gebrauchen oder zu benützen, und der Bestandgeber es dabey bewenden läßt.
§. 1115. Die stillschweigende Erneuerung des Bestandvertrages
geschieht unter den nähmlichen Bedingungen, unter welchen er vorher geschlossen
war. Doch erstreckt sie sich bey Pachtung nur auf Ein Jahr; wenn aber der
ordentliche Genuß erst in einem spätern Zeitraume erfolgen kann, auf eine so
lange Zeit als nothwendig ist, um die Nutzungen einmahl beziehen zu können.
Miethungen, wofür man den Zins erst nach einem ganzen oder halben Jahre zu
bezahlen pflegt, werden auf ein halbes Jahr; alle kürzere Miethungen aber auf
diejenige Zeit stillschweigend erneuert, welche vorher durch den Bestandvertrag
bestimmt war. Von wiederhohlten Erneuerungen gilt das Nähmliche, was hier in
Rücksicht der ersten Erneuerung vorgeschrieben ist.
c) Aufkündigung;
§. 1116. In so fern die Dauer eines Bestandvertrages weder
ausdrücklich, noch stillschweigend, noch durch besondere Vorschriften bestimmt
ist, muß derjenige, welcher den Vertrag aufheben will, dem Andern die Pachtung
sechs Monathe; die Miethung einer unbeweglichen Sache vierzehn Tage; und einer
beweglichen vier und zwanzig Stunden vorher aufkündigen, als die Abtretung
erfolgen soll.
§. 1117. Der Bestandnehmer ist berechtiget, auch vor Verlauf der
ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen Zeit von dem Vertrage abzustehen,
wenn die bestandene Sache ihrer mangelhaften Beschaffenheit wegen zu dem
ordentlichen Gebrauche untauglich ist; wenn ein beträchtlicher Theil des
Bestandstückes durch Zufall auf eine längere Zeit entzogen, oder unbrauchbar
wird; oder, wenn der Bestandgeber dasselbe nicht mehr im brauchbaren Stande
erhält.
§. 1118. Der Bestandgeber kann seinerseits die frühere Aufhebung
des Vertrages fordern, wenn der Bestandnehmer der Sache einen erheblichen
nachtheiligen Gebrauch davon macht; wenn er nach geschehener Einmahnung mit der
Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, daß er mit Ablauf des Termines den
rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat; oder, wenn ein
vermiethetes Gebäude neu aufgeführt werden muß. Eine nützlichere Bauführung ist
der Miether zu seinem Nachtheile zuzulassen nicht schuldig, wohl aber
nothwendige Ausbesserungen.
§. 1119. Wenn dem Vermiether die Nothwendigkeit der neuen
Bauführung schon zur Zeit des geschlossenen Vertrages bekannt seyn mußte; oder,
wenn die Nothwendigkeit der durch längere Zeit fortzusetzenden Ausbesserungen
aus Vernachlässigung der kleinern Ausbesserungen entstanden ist; so muß dem
Miether für den vermißten Gebrauch eine angemessene Entschädigung geleistet
werden.
d) Veräußerung der Sache.
§. 1120. Hat der Eigenthümer das Bestandstück an einen Andern
veräußert, und ihm bereits übergeben; so muß der Bestandinhaber, wenn sein
Recht nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist (§. 1095), nach der
gehörigen Aufkündigung dem neuen Besitzer weichen. Er ist aber berechtiget, von
dem Bestandgeber in Rücksicht auf den erlittenen Schaden, und entgangenen
Nutzen eine vollkommene Genugthuung zu fordern.
§. 1121. Bey einer nothwendigen, gerichtlichen Veräußerung muß der
Bestandnehmer selbst in dem Falle, daß sein Recht als ein dingliches Recht
eingetragen ist, dem neuen Käufer weichen. Nur in Rücksicht auf die
Entschädigung bleibt ihm sein Vorzugsrecht vorbehalten.
II. Erbpacht.
§. 1122. Der Vertrag, wodurch jemanden das Nutzeigenthum eines
Gutes erblich unter der Bedingung überlassen wird, daß er die jährlichen
Nutzungen mit einer jährlichen, im Verhältnisse zu dem Ertrage bestimmten
Abgabe im Gelde, in Früchten, oder auch in verhältnißmäßigen Diensten vergelten
solle, heißt ein Erbpachtvertrag.
III. Erbzinsvertrag.
§. 1123. Wird eine geringe Abgabe von dem Besitzer nur zur
Anerkennung des Grundeigenthumes geleistet, so heißt der Grund ein Erbzinsgut
und der darüber errichtete Vertrag ein Erbzinsvertrag.
§. 1124 Im Zweifel, ob ein Nutzeigenthum ein Erbpachtgut aber ein
Erbzinsgut sey, ist auf den Betrag des jährlichen Zinses, und andere
Schuldigkeiten Rücksicht zu nehmen. Steht dieser Betrag mit den jährlichen
reinen Nutzungen außer allem Verhältnisse; so ist das Nutzeigenthum ein
Erbzinsgut; läßt sich aber wenigstens von alten Zeiten her und bey ganz öde
übernommenen Gründen ein Verhältniß denken; so ist es ein Erbpachtgut. (§.
359.)
IV. Bodenzins.
§. 1125. Ist ein Eigenthum dergestalt getheilt, daß einem Theile
die Substanz des Grundes sammt der Benützung der Unterfläche, dem andern Theile
aber nur die Benützung der Oberfläche erblich gehört; so heißt die jährliche
von diesem letztern Besitzer zu entrichtende Abgabe, Bodenzins.
Erwerbung des nutzbaren Eigenthumes.
§. 1126. Das getheilte Eigenthum einer unbeweglichen Sache kann
eben so wenig, als das vollständige ohne Einverleibung in die öffentlichen
Bücher oder Register erworben werden. Ein gültiger Titel gründet nur ein
persönliches Recht gegen die verbundene Person, aber kein dingliches Recht
gegen einen Dritten. (§. 431.)
Gemeinschaftliche Rechte des Ober- und Nutzungseigenthümers.
§. 1127. Die Rechte des Ober- und Nutzungseigenthümers kommen
überhaupt darin überein, daß ein Jeder mit seinem Theile in so weit verfügen
kann, als die Rechte des Andern dadurch nicht verletzet werden. (§. 363.)
§. 1128. Einer wie der andere ist berechtiget, seinen Antheil
gerichtlich zu verfolgen, ihn zu verpfänden, und unter Lebenden oder durch eine
letzte Willenserklärung zu veräußern. Wer eine Einschränkung behauptet, muß
solche durch die gehörigen Urkunden, durch so genannte Gewährbriefe oder
Handfesten beweisen.
Besondere Rechte und Pflichten des Obereigenthümers.
§. 1129. Der Obereigenthümer ist insbesondere berechtigt, dem
Nutzungseigenthümer nicht nur die Verringerung der Nutzungssache; sondern auch
alle Veränderungen zu untersagen, wodurch die Ausübung seiner Rechte vereitelt
oder erschwert werden kann.
1) in Rücksicht der Erhaltung, Bearbeitung und Veränderungen des Gutes.
§. 1130. Er kann also verlangen, daß der Nutzungseigenthümer für
die Erhaltung und Bestellung der Grundstücke Sorge trage. Vernachlässiget er,
ungeachtet der geschehenen Warnung, die Erfüllung dieser Pflichten, oder ist er
die auf dem Grunde haftenden Lasten zu tragen unfähig; so kann der
Obereigenthümer auf die Ueberlassung des Gutes an andere Erbpacht- oder
Erbzins-Männer dringen.
2) des Erbzinses.
§. 1131. Das vorzüglichste Recht des Erbpacht- und Erbzinsherrn
besteht in der Beziehung des jährlichen Zinses und anderer bedungenen Gebühren.
Diese können unter keinem Vorwande erhöhet, von den zum Grunde nicht gehörigen
Fahrnissen aber, so wie von andern beweglichen Sachen, gar nicht bezogen
werden.
Wann der Zins zu entrichten.
§. 1132. Der jährliche Zins muß, wenn nichts verabredet oder durch
Provincial-Gesetze bestimmt ist, in der ersten Hälfte des Monaths November
abgeführt werden.
Wann eine Erlassung Statt finde?
§. 1133. In der Regel haftet ein unvollständiger Eigenthümer dem
andern nicht für den Zufall: Allein, wenn ein Erbpächter durch
Ueberschwemmungen, Krieg oder Seuchen sein Pachtgut zu benützen verhindert
worden ist; so muß demselben für die Zeit der vermißten Benützung ein
angemessener Erlaß vom Zinse gestattet werden.
§. 1134 Ein Erbzinsmann hat auf einen ähnlichen Erlaß keinen
Anspruch; er muß, so lange ein Theil des Erbzinsgutes vorhanden ist, den
festgesetzten Erbzins voll entrichten.
Recht bey verzögerter Entrichtung des Zinses.
§. 1135. Hat der Erbzinsmann den Zins in der bedungenen Zeit nicht
abgeführt; so kann der Erbzinsherr verlangen, daß die Nutzung in Beschlag
genommen, und er aus derselben schadlos gehalten werde.
§. 1136. Ein Erbpachtherr hat in Ansehung des über Ein Jahr
ausständigen Zinses die Wahl, entweder die Pfändung der Nutzungen, oder die
gerichtliche Versteigerung des Erbpachtgutes zur Berichtigung der Rückstände zu
verlangen.
3) In Rücksicht der Lasten und Verbesserungen.
§. 1137. Der Obereigenthümer ist verpflichtet, den
Nutzungseigenthümer in Rücksicht des unmittelbar von ihm erhaltenen
Nutzungseigenthumes zu vertreten, und wenn das Nutzungsrecht mit der Substanz
wieder vereiniget wird, ihm oder seinem Nachfolger die getroffenen
Verbesserungen wie einem andern redlichen Besitzer zu vergüten, und für die
Richtigkeit der öffentlichen Bücher und Register, die er über seine Zinsgüter
führet, zu haften.
§. 1138. Für andere von dem Nutzungseigenthümer aufgebürdete und
den öffentlichen Büchern nicht einverleibte Lasten haftet der Obereigenthümer
nicht. Der Nutzungseigenthümer kann überhaupt einem Andern nicht mehr Recht
übertragen, als er selbst hat. Das Recht des Einen erlischt also mit dem Rechte
des Andern.
Rechte und Verbindlichkeiten des Nutzungseigenthümers überhaupt.
§. 1139. Die Rechte und Verbindlichkeiten des Nutzungseigenthümers
stehen überhaupt mit den festgesetzten Verbindlichkeiten und Rechten des
Obereigenthümers im Verhältnisse.
Insbesondere 1) in Rücksicht der Veräußerung.
§. 1140. Der Nutzungseigenthümer bedarf zur Veräußerung die
Einwilligung des Obereigenthümers nicht; doch muß er ihn dem Nachfolger zur
Beurtheilung, ob derselbe dem Gute vorzustehen, und die darauf haftenden Lasten
zu entrichten fähig sey, nahmhaft machen. Auf ein Vorkaufs- oder Einstandsrecht
hat der Obereigenthümer keinen Anspruch.
§. 1141. Hat sich aber der Obereigenthümer diese Einwilligung und
Rechte ausdrücklich vorbehalten; so muß er sich binnen dreyßig Tagen nach der
ihm gemachten ordentlichen Anzeige erklären. Nach dieser Frist wird seine
Einwilligung für ertheilt gehalten. Ohne Ausübung des Vorkaufs- oder
Einstandsrechtes kann er die Einwilligung nur wegen offenbarer Gefahr der
Substanz und der damit verknüpften Rechte verweigern.
§. 1142. Die Abgabe, welche der Obereigenthümer zuweilen von einem
neuen Nutzungseigenthümer zu fordern hat, heißt, wenn die Veränderung bey
Lebzeiten geschieht, Lehenwaare (Laudemium); geschieht sie aber von Todes
wegen, Sterbelehen. Beyde werden auch Veränderungsgebühren genannt. Ob und wie
diese Rechte gegründet seyn, entscheidet die Landesverfassung, die öffentlichen
Bücher und Urkunden, oder ein dreyßigjähriger ruhiger Besitz.
2) In Rücksicht eines Schatzes und der Verminderung der Substanz.
§. 1143. Dem Nutzungseigenthümer gebührt auch ein verhältnißmäßiger
Theil von einem gefundenem Schatze (§. 399). Er ist sogar befugt, die Substanz
zu verringern, wenn er dem Obereigenthümer beweisen kann, daß die Benutzung des
Grundes sonst nicht Statt finde. (§. 1129.)
3) der Lasten;
§. 1144. Der Nutzungseigenthümer trägt alle ordentliche und
außerordentliche dem Gute anklebende Lasten; er entrichtet die Steuern,
Zehenden und andere besonders vorgemerkten Abgaben. Für Lasten, die den Zins
betreffen, haftet der Obereigenthümer.
4) des Gewährbriefes.
§. 1145. Jeder neue Nutzungseigenthümer ist in der Regel
verbunden, sich von dem Obereigenthümer einen Beglaubigungsschein oder eine
Urkunde des erneuerten Nutzungseigenthumes zu verschaffen.
Besondere Verhältnisse zwischen Gutsbesitzern und Unterthanen.
§. 1146. In wie fern die Nutzungseigenthümer gegen die
Obereigenthümer noch in andern Verhältnissen stehen, und welche Rechte und
Verbindlichkeiten insbesondere zwischen den Gutsbesitzern und den
Gutsunterthanen bestehen, ist aus der Verfassung jeder Provinz, und den politischen
Vorschriften zu entnehmen.
Rechte aus dem Bodenzinse.
§. 1147. Wer nichts als einen Bodenzins entrichtet, hat nur auf
die Benutzung der Oberfläche, als: Bäume, Pflanzen und Gebäude, und auf einen
Theil des auf derselben gefundenen Schatzes Anspruch. Vergrabene Schätze und
andere unterirdische Nutzungen gehören dem Obereigenthümer allein zu.
Erlöschung des Nutzungseigenthumes.
§. 1148. Was von der Aufhebung des vollständigen Eigenthumes
bestimmt worden ist, (§. 444) gilt überhaupt auch von dem getheilten.
§. 1149. Erbpacht- und Erbzinsgüter gehen auf alle Erben über, die
nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden sind. Hat der Nutzungseigenthümer
keinen rechtmäßigen Nachfolger; so wird das Nutzungseigenthum mit dem
Obereigenthume vereiniget. Doch muß der Obereigenthümer, wenn er von diesem
Rechte Gebrauch machen will, alle Schulden des Nutzungseigenthümers, die aus
einem andern Vermögen nicht getilgt werden können, berichtigen. In wie fern ein
Obereigenthümer das heimgefallene Gut an Andere zu überlassen verbunden sey,
bestimmen die politischen Verordnungen.
§. 1150. Durch Zerstörung der Pflanzen, Bäume und Gebäude geht das
Nutzungseigenthum der Oberfläche nicht verloren. So lange noch ein Theil des
Grundes bleibt, kann ihn der Besitzer, wenn er anders seinen Zins abführt, mit
neuen Pflanzen, Bäumen und Gebäuden besetzen.
Sechs u. zwanzigstes Hauptstück.
Von entgeldlichen Verträgen über Dienstleistungen.
1) Lohnvertrag.
§. 1151. Wenn jemand sich zur Dienstleistung, oder Verfertigung
eines Werkes, gegen einen gewissen Lohn im Gelde, verpflichtet; so entsteht ein
Lohnvertrag.
Stillschweigender Lohnvertrag.
§. 1152. So bald jemand eine Arbeit oder ein Werk bestellet; so
wird auch angenommen, daß er in einen angemessenen Lohn eingewilliget habe. Ist
der Lohn weder durch die Verabredung, noch durch ein Gesetz festgesetzt; so
bestimmet ihn der Richter.
Rechte aus dem Lohnvertrage.
§. 1153. Bey wesentlichen Mängeln, die das Werk zum Gebrauche
untüchtig machen, oder der ausdrücklichen Bedingung zuwider laufen, ist der
Besteller berechtiget, von dem Vertrage abzugehen. Will er dieses nicht; oder
sind die Mängel weder wesentlich, noch gegen die ausdrückliche Bedingung; so
kann er entweder die Verbesserung, oder eine angemessene Schadloshaltung
fordern, und zu dem Ende einen verhältnißmäßigen Theil des Lohnes zurück
halten.
§. 1154. Wenn der Bestellte aus seiner Schuld das Versprechen in
der zur Bedingung gesetzten Zeit nicht erfüllet; so ist der Besteller nicht
mehr schuldig, die bestellte Sache anzunehmen; er kann auch für den daraus
entstandenen Schaden Ersatz fordern. Zögert aber der Besteller mit der
Entrichtung des Lohnes; so ist auch er verbunden, den Bestellten vollkommen zu
entschädigen.
§. 1155. Auch für Dienste und Arbeiten, die nicht zu Stande
gekommen sind, gebührt der bestellten Person eine angemessene Entschädigung,
wenn sie das Geschäft zu verrichten bereit war, und von dem Besteller durch
Schuld, oder einen Zufall, der sich in seiner Person ereignet hat, daran
verhindert, oder überhaupt durch Zeitverlust verkürzt worden ist.
§. 1156. In der Regel gebührt der Lohn nach vollbrachter Arbeit.
Wird aber die Arbeit in gewissen Abtheilungen der Zeit oder des Werkes
verrichtet; oder sind Auslagen damit verbunden, die der Bestellte nicht auf
sich genommen hat; so ist dieser befugt, einen mit der Dienstleistung oder dem
Werke verhältnißmäßigen Theil des Lohnes, und den Ersatz der gemachten Auslagen
vor vollendetem Werke oder gänzlich verrichteter Arbeit zu fordern.
§. 1157. Wenn durch einen bloßen Zufall, der zur Verfertigung
eines Werkes vorbereitete Stoff oder das Werk selbst ganz, oder zum Theile zu
Grunde geht; so trägt der Eigenthümer des Stoffes oder des Werkes den Schaden.
Hat aber der Besteller einen zur zweckmäßigen Bearbeitung offenbar untauglichen
Stoff geliefert; so ist der Arbeiter, wenn die Arbeit aus diesem Grunde
mangelhaft ausfällt, und er den Besteller nicht gewarnet hat, für den Schaden
verantwortlich.
Wann die Bestellung in einen Kaufvertrag übergehe.
§. 1158. Im Zweifel, ob die Bestellung einer Arbeit für einen
Kauf- oder für einen Lohnvertrag zu halten sey, wird vermuthet, daß derjenige,
der den Stoff dazu liefert, den Arbeiter bestellt habe. Hat aber der Arbeiter
den Stoff geliefert; so wird ein Kauf vermuthet.
§. 1159. Wenn mit dem Lohnvertrage noch andere Nebenverträge
verbunden werden; so müssen die jedem derselben angemessenen gesetzlichen
Vorschriften beobachtet werden.
Erlöschung des Lohnvertrages.
§. 1160. Arbeiter, welche auf eine bestimmte Zeit, oder bis zur
Vollendung eines gewissen Werkes bestellet worden sind, können ohne
rechtmäßigen Grund vor verlaufener Zeit, und vor vollendetem Werke weder die
Arbeit aufgeben, noch verabschiedet werden. Wird die Arbeit unterbrochen; so
verantwortet jeder Theil sein Verschulden, aber keiner den Zufall.
§. 1161. Nur in dringenden Umständen kann der bestellte Arbeiter
oder Werkmeister das ihm aufgetragene Geschäft einem Andern anvertrauen, und
selbst in diesem Falle haftet er für ein Verschulden in der Auswahl der Person.
§. 1162. Ein Lohnvertrag über Arbeiten, bey denen auf die
besondere Geschicklichkeit der Person Rücksicht genommen zu werden pflegt, wird
durch den Tod des Arbeiters aufgehoben, und die Erben können nur den Preis des
zubereiteten brauchbaren Stoffes, und einen dem Werthe der geleisteten Arbeiten
angemessenen Theil des Lohnes fordern. Stirbt der Besteller einer Arbeit; so
müssen seine Erben den Vertrag fortsetzen, oder den Bestellten schadlos halten.
Ausdehnung dieser Vorschriften auf Rechtsfreunde, Aerzte und
dergl.
§. 1163. Die hier aufgestellten Vorschriften gelten auch von
Rechtsfreunden, Aerzten und Wundärzten, Factoren, Provisoren, Künstlern,
Lieferanten und anderen Personen, welche sich für ihre Bemühungen einen Gehalt,
eine Bestallung, oder sonst eine Belohnung ausdrücklich; oder stillschweigend
ausbedungen haben, in so fern hierüber keine besondern Vorschriften bestehen.
2) Verlagsvertrag.
§. 1164. Durch den Vertrag über den Verlag einer Schrift wird
jemanden von dem Verfasser das Recht ertheilet, dieselbe durch den Druck zu
vervielfältigen und abzusetzen. Der Verfasser begibt sich dadurch des Rechtes,
das nähmliche Werk einem Andern in Verlag zu überlassen.
Rechte und Pflichten zwischen dem Verfasser und Verleger.
§. 1165. Der Verfasser ist verbunden, das Werk der Verabredung
gemäß zu liefern, und der Verleger, gleich nach geliefertem Werke die bedungene
Belohnung zu entrichten.
§. 1166. Wird das Werk von dem Schriftsteller zur bestimmten Zeit,
oder auf die festgesetzte Art nicht geliefert; so kann der Verleger
zurücktreten, und wenn die Ablieferung aus Verschulden des Verfassers
unterbleibet, die Schadloshaltung fordern.
§. 1167. Wenn die Zahl der Exemplare bestimmet worden ist; so muß
der Verleger zu jeder neuen Auflage die Einwilligung des Verfassers einhohlen,
und über die Bedingungen ein neues Uebereinkommen treffen.
§. 1168. Will der Verfasser eine neue Ausgabe, mit Veränderungen
in dem Inhalte des Werkes, veranstalten; so ist darüber ebenfalls ein neuer
Vertrag zu schließen. Vor dem Absatze der Auflage aber ist der Verfasser nur
dann zu einer neuen Ausgabe berechtiget, wenn er dem Verleger in Rücksicht der
vorräthigen Exemplare eine angemessene Schadloshaltung zu leisten bereit ist.
§. 1169. Die Rechte des Schriftstellers in Rücksicht einer neuen
Auflage oder Ausgabe gehen auf seine Erben nicht über.
§. 1170. Wenn ein Schriftsteller nach einem ihm von dem Verleger
vorgelegten Plane die Bearbeitung eines Werkes übernimmt; so hat er nur auf die
bedungene Belohnung Anspruch. Dem Verleger steht in der Folge das ganze freye
Verlagsrecht zu.
§. 1171. Diese Vorschriften sind auch auf Landkarten,
topographische Zeichnungen und musikalische Compositionen anzuwenden. Die
Beschränkungen des Nachdruckes sind in den politischen Gesetzen enthalten.
3) Vertrag zwischen Dienstherren und dem Gesinde.
§. 1172. Die Rechte und Pflichten zwischen den Dienstherren und
dem Dienstgesinde sind in den besondern darüber bestehenden Vorschriften
enthalten.
Andere entgeldliche Verträge über Dienste.
§. 1173. Die Verträge, wodurch eine Sache oder eine Handlung für
eine übernommene Handlung versprochen wird, sind nach den über die
entgeldlichen Verträge überhaupt, und insbesondere nach den in diesem
Hauptstücke aufgestellten Regeln zu beurtheilen.
§. 1174. Was jemand wissentlich zur Bewirkung einer unmöglichen,
oder unerlaubten Handlung gegeben hat, kann er nicht wieder zurück fordern. In
wie fern es der Fiscus einzuziehen berechtiget sey, bestimmen die politischen
Verordnungen. Ist aber etwas zur Verhinderung einer unerlaubten Handlung
demjenigen, der diese Handlung begehen wollte, gegeben worden; so findet die
Zurückforderung Statt.
Sieben u. zwanzigst. Hauptstück.
Von dem Vertrage über eine Gemeinschaft der Güter.
Entstehung einer Erwerbsgesellschaft.
Begriff.
§. 1175. Durch einen Vertrag, vermöge dessen zwey oder mehrere
Personen einwilligen, ihre Mühe allein, oder auch ihre Sachen zum
gemeinschaftlichen Nutzen zu vereinigen, wird eine Gesellschaft zu einem
gemeinschaftlichen Erwerbe errichtet.
Eintheilung.
§. 1176. Je nachdem die Mitglieder einer Gesellschaft nur einzelne
Sachen, oder Summen; oder eine ganze Gattung von Sachen, z. B. alle Waaren,
alle Früchte, alle liegende Gründe, oder endlich ihr ganzes Vermögen ohne
Ausnahme der Gemeinschaft widmen, sind auch die Arten der Gesellschaft
verschieden, und die Gesellschaftsrechte mehr oder weniger ausgedehnt.
§. 1177. Wenn ein Gesellschaftsvertrag auf das ganze Vermögen
lautet; so wird doch nur das gegenwärtige darunter verstanden. Wird aber auch
das künftige Vermögen mit begriffen; so versteht man darunter nur das
erworbene, nicht das ererbte; außer es wäre beydes ausdrücklich bedungen
worden.
Form der Errichtung.
§. 1178. Gesellschaftsverträge, welche sich nur auf das
gegenwärtige, oder nur auf das zukünftige Vermögen beziehen, sind ungültig,
wenn das von dem einen und dem andern Theile eingebrachte Gut nicht ordentlich
beschrieben, und verzeichnet worden ist.
§. 1179. Wie der gesellschaftliche Vertrag unter Handelsleuten zu
errichten, in die gehörigen Register einzutragen und öffentlich bekannt zu
machen sey, bestimmen die besondern Handels- und politischen Gesetze. Werden
nur einzelne Geschäfte gemeinschaftlich betrieben; so ist genug, wenn der
darüber errichtete Vertrag in den Handlungsbüchern erscheint.
§. 1180. Der Vertrag über eine Gemeinschaft des ganzen sowohl
gegenwärtigen als künftigen Vermögens, welcher gewöhnlich nur zwischen
Ehegatten errichtet zu werden pflegt, ist nach den in dem Hauptstücke von den
Ehe-Pacten hierüber ertheilten Vorschriften zu beurtheilen. Die gegenwärtigen
Vorschriften beziehen sich auf die übrigen Arten der durch Vertrag errichteten
Gütergemeinschaft.
Wirkung des Vertrages und des wirklichen Beytrages.
§. 1181. Der Gesellschaftsvertrag gehört zwar unter die Titel, ein
Eigenthum zu erwerben; die Erwerbung selbst aber, und die Gemeinschaft der
Güter oder Sachen kommt nur durch die Uebergabe derselben zu Stande.
Hauptstamm.
§. 1182. Alles, was ausdrücklich zum Betriebe des
gemeinschaftlichen Geschäftes bestimmt worden ist, macht das Capital, oder den
Hauptstamm der Gesellschaft aus. Das Uebrige, was jedes Mitglied besitzt, wird
als ein abgesondertes Gut betrachtet.
§. 1183. Wenn Geld, verbrauchbare, oder zwar unverbrauchbare,
jedoch in Geldwerth angeschlagene Sachen eingelegt werden; so ist nicht nur der
daraus verschaffte Nutzen, sondern auch der Hauptstamm in Rücksicht der
Mitglieder, welche hierzu beygetragen haben, als ein gemeinschaftlichen
Eigenthum anzusehen. Wer nur seine Mühe zum gemeinschaftlichen Nutzen zu
verwenden verspricht, hat zwar auf den Gewinn, nicht aber auf den Hauptstamm
einen Anspruch. (§. 1192.)
Rechte und Pflichten der Mitglieder:
Beytrag zum Hauptstamme; (Fond)
§. 1184. Jedes Mitglied ist, außer dem Falle einer besonderen
Verabredung, verbunden, einen gleichen Antheil zum gemeinschaftlichen
Hauptstamme beyzutragen.
Mitwirkung;
§. 1185. In der Regel sind alle Mitglieder verbunden, ohne
Rücksicht auf ihren größern oder geringern Antheil, zu dem gemeinschaftlichen
Nutzen gleich mitzuwirken.
§. 1186. Kein Mitglied ist befugt, die Mitwirkung einem Dritten
anzuvertrauen; oder jemanden in die Gesellschaft aufzunehmen; oder ein der
Gesellschaft schädliches Nebengeschäft zu unternehmen.
§. 1187. Die Pflichten der Mitglieder werden durch den Vertrag
genauer bestimmt. Wer sich bloß zur Arbeit verbunden hat, der ist keinen
Beytrag schuldig. Wer lediglich einen Geld- oder andern Beytrag verheißen hat,
der hat weder die Verbindlichkeit, noch das Recht, auf eine andere Art zu dem
gemeinschaftlichen Erwerbe mitzuwirken.
§. 1188. Bey der Berathschlagung und Entscheidung über die
gesellschaftlichen Angelegenheiten sind, wenn keine andere Verabredung besteht,
die in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigenthumes gegebenen
Vorschriften anzuwenden. (§§. 833-842.)
Nachschuß zum Hauptstamme;
§. 1189. Die Mitglieder können zu einem mehreren Beytrage, als
wozu sie sich verpflichtet haben, nicht gezwungen werden. Fände jedoch bey
veränderten Umständen ohne Vermehrung des Beytrages die Erreichung des
gesellschaftlichen Zweckes gar nicht Statt; so kann das sich weigernde Mitglied
austreten, oder zum Austritte verhalten werden.
Betrieb der anvertrauten Geschäfte;
§. 1190. Wird Einem oder einigen Mitgliedern der Betrieb der
Geschäfte anvertraut; so sind sie als Bevollmächtigte zu betrachten. Auf ihre
Berathschlagungen und Entscheidungen über gesellschaftliche Angelegenheiten
sind ebenfalls, die oben (§§. 833-842) erwähnten Vorschriften anzuwenden.
Haftung für den Schaden;
§. 1191. Jedes Mitglied haftet für den Schaden, den es der
Gesellschaft durch sein Verschulden zugefügt hat. Dieser Schaden läßt sich mit
dem Nutzen, den es der Gesellschaft sonst verschaffte, nicht ausgleichen. Hat
aber ein Mitglied durch ein eigenmächtig unternommenes neues Geschäft der
Gesellschaft von einer Seite Schaden, und von der andern Nutzen verursacht; so
soll eine verhältnißmäßige Ausgleichung Statt finden.
Vertheilung des Gewinnes;
§. 1192. Das Vermögen, welches nach Abzug aller Kosten und
erlittenen Nachtheile über den Hauptstamm zurück bleibt, ist der Gewinn. Der
Hauptstamm selbst bleibt ein Eigenthum derjenigen, welche dazu beygetragen
haben; außer es wäre der Werth der Arbeiten zum Capitale geschlagen und alles
als ein gemeinschaftliches Gut erklärt worden.
§. 1193. Der Gewinn wird nach Verhältniß der Capitals-Beyträge
vertheilt, und die von allen Mitgliedern geleisteten Arbeiten heben sich gegen
einander auf. Wenn ein oder einige Mitglieder bloß arbeiten, oder nebst dem
Capitals–Beytrage zugleich Arbeiten leisten; so wird für die Bemühungen, wenn
keine Verabredung besteht, und die Gesellschafter sich nicht vereinigen können,
der Betrag mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des Geschäftes, die angewendete
Mühe und den verschafften Nutzen vom Gerichte bestimmt.
§. 1194. Besteht der Gewinn nicht in barem Gelde, sondern in
andern Arten der Nutzungen; so geschieht die Theilung nach der in dem
Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigenthumes enthaltenen Vorschrift. (§§.
840–843.)
§. 1195. Die Gesellschaft kann einem Mitgliede, seiner
vorzüglichen Eigenschaften oder Bemühungen wegen, einen größern Gewinn
bewilligen, als ihm nach seinem Antheile zukäme; nur dürfen dergleichen
Ausnahmen nicht in gesetzwidrige Verabredungen oder Verkürzungen ausarten.
§. 1196. Eine solche gesetzwidrige Verabredung ist der Vertrag,
wodurch jemand für ein eingelegtes Capital einerseits sich gegen alle Gefahr
des Verlustes, sowohl in Rücksicht des Capitals, als der Zinsen sicher stellet,
und von aller Mitwirkung befreyet; andererseits aber dennoch einen die
rechtlichen Vertragszinsen übersteigenden Gewinn bedingt.
Vertheilung des Verlustes;
§. 1197. Hat die Gesellschaft ihre Einlage ganz oder zum Theile
verloren; so wird der Verlust in dem Verhältnisse vertheilet, wie im
entgegengesetzten Falle der Gewinn vertheilt worden wäre. Wer kein Capital
gegeben hat, büßt seine Bemühungen ein.
Rechnungslegung;
§. 1198. Die Mitglieder, denen die Verwaltung anvertraut ist, sind
verbunden, über den gemeinschaftlichen Hauptstamm und über die dahin gehörigen
Einnahmen und Ausgaben ordentlich Rechnung zu führen und abzulegen.
§. 1199. Die Schlußrechnung und Theilung des Gewinnes oder
Verlustes kann vor Vollendung des Geschäftes nicht gefordert werden. Wenn aber
Geschäfte betrieben werden, die durch mehrere Jahre fortdauern und einen
jährlichen Nutzen abwerfen sollen; so können die Mitglieder, wenn anders das
Hauptgeschäft nicht darunter leidet, jährlich sowohl die Rechnung, als die
Vertheilung des Gewinnes verlangen. Uebrigens kann jedes Mitglied zu jeder Zeit
auf seine Kosten die Rechnungen einsehen.
§. 1200. Wer sich mit der bloßen Vorlegung des Abschlusses
(Bilanz) begnügt, oder auch seinem Rechte, Rechnung zu fordern, entsagt hat,
kann, wenn er einen Betrug auch nur in Einem Theile der Verwaltung beweiset,
sowohl für den vergangenen Fall, als für alle künftige Fälle auf eine
vollständige Rechnung dringen.
Verhältniß gegen Nichtmitglieder.
§. 1201. Ohne die ausdrückliche oder stillschweigende, rechtliche
Einwilligung der Mitglieder oder ihrer Bevollmächtigten kann die Gesellschaft
einem Dritten nicht verbindlich gemacht werden. Bey Handelsleuten begreift das
kund gemachte, Einem oder mehreren Mitgliedern ertheilte Recht, die Firma zu
führen, nähmlich alle Urkunden und Schriften im Nahmen der Gesellschaft zu
unterschreiben, schon eine allseitige Vollmacht in sich. (§. 1028.)
§. 1202. Ein Mitglied, welches nur mit einem Theile seines
Vermögens in der Gesellschaft steht, kann ein von dem gemeinschaftlichen
abgesondertes Vermögen besitzen, worüber es nach Belieben zu verfügen
berechtiget ist. Rechte und Verbindlichkeiten, die ein Dritter gegen die
Gesellschaft hat, müssen also von den Rechten und Verbindlichkeiten gegen
einzelne Mitglieder unterschieden werden.
§. 1203. Was also jemand an ein einzelnes Mitglied, und nicht an
die Gesellschaft zu fordern oder zu zahlen hat, kann er auch nur an das
einzelne Mitglied, und nicht an die Gesellschaft fordern oder bezahlen. Eben so
hat aber bey gesellschaftlichen Forderungen oder Schulden jedes Mitglied nur
für seinen Antheil ein Recht oder eine Verbindlichkeit zur Zahlung, außer in
dem Falle, welcher bey Handelsleuten vermuthet wird, daß Alle für Einen und
Einer für Alle etwas zugesagt oder angenommen haben.
§. 1204. Die geheimen Mitglieder einer Handlungsgesellschaft;
solche nähmlich, welche ihr einen Theil des Fonds auf Gewinn und Verlust
dargeliehen haben, aber nicht als Mitglieder angekündiget worden sind, haften
in keinem Falle mit mehr als mit dem dargeliehenen Capitale. Die kund gemachten
Mitglieder haften mit ihrem ganzen Vermögen.
Auflösung der Gesellschaft, und Austritt aus derselben.
§. 1205. Die Gesellschaft löset sich von selbst auf, wenn das
unternommene Geschäft vollendet; oder nicht mehr fortzuführen; wenn der ganze
gemeinschaftliche Hauptstamm zu Grunde gegangen; oder wenn die zur Dauer der
Gesellschaft festgesetzte Zeit verflossen ist.
§. 1206. Die gesellschaftlichen Rechte und Verbindlichkeiten gehen
in der Regel nicht auf die Erben eines Mitgliedes über. Doch sind diese, wenn
mit ihnen die Gesellschaft nicht fortgesetzt wird, berechtiget, die Rechnungen
bis auf den Tod des Erblassers zu fordern und berichtigen zu lassen. Sie sind
aber im entgegengesetzten Falle auch verbunden, Rechnungen zu legen, und zu
berichtigen.
§. 1207. Besteht die Gesellschaft nur aus zwey Personen; so
erlischt sie durch das Absterben der Einen. Besteht sie aus mehreren; so wird
von den übrigen Mitgliedern vermuthet, daß sie die Gesellschaft noch unter sich
fortsetzen wollen. Diese Vermuthung gilt auch überhaupt von den Erben der
Handelsleute.
§. 1208. Lautet der von Personen, die keine Handelsleute sind,
errichtete Gesellschaftsvertrag ausdrücklich auch auf ihrer Erben; so sind
diese, wenn sie die Erbschaft antreten, verpflichtet, sich nach dem Willen des
Erblassers zu fügen; allein auf die Erbeserben erstreckt sich dieser Wille
nicht; noch weniger vermag er eine immerwährende Gesellschaft zu begründen. (§.
832.)
§. 1209. Wenn der Erbe die von dem Verstorbenen für die
Gesellschaft übernommenen Dienste zu erfüllen nicht im Stande ist; so muß er
sich einem verhältnißmäßigen Abzuge an dem ausgemessenen Antheile unterziehen.
§. 1210. Wenn ein Mitglied die wesentlichen Bedingungen der
Vertrages nicht erfüllet; wenn es in Concurs verfällt; als Verschwender
gerichtlich erkläret, oder überhaupt unter die Curatel gesetzt wird; wenn es durch
ein Verbrechen das Vertrauen verliert; so kann es vor Verlauf der Zeit von der
Gesellschaft ausgeschlossen werden.
§. 1211. Man kann den Gesellschaftsvertrag vor Verlauf der Zeit
aufkündigen, wenn dasjenige Mitglied, von welchem der Betrieb des Geschäftes
vorzüglich abhing, gestorben oder ausgetreten ist.
§. 1212. Wenn die Zeit zur Dauer der Gesellschaft weder
ausdrücklich bestimmt worden ist, noch aus der Natur des Geschäftes bestimmt
werden kann; so mag jedes Mitglied den Vertrag nach Willkühr aufkündigen; nur
darf es nicht mit Arglist oder zur Unzeit geschehen. (§. 830.)
§. 1213. Die Wirkungen einer zwar bestrittenen, aber in der Folge
für rechtmäßig erklärten Ausschließung oder Aufkündung werden auf den Tag, wo
sie geschehen sind, zurück gezogen.
§. 1214. Die Aufhebung einer Handlungsgesellschaft; die Aufnahme
und der Austritt ihrer öffentlichen Mitglieder, muß eben so, wie die
Errichtung, öffentlich bekannt gemacht werden. Aus dieser Bekanntmachung wird
auch die Kraft und die Dauer der Vollmachten beurtheilt.
Theilung des gesellschaftlichen Vermögens.
§. 1215. Bey der nach Auflösung einer Gesellschaft vorzunehmenden
Theilung des gesellschaftlichen Vermögens sind nebst den obigen Bestimmungen
die nähmlichen Vorschriften zu beobachten, welche in dem Hauptstücke von der
Gemeinschaft des Eigenthumes über die Theilung einer gemeinschaftlichen Sache
überhaupt aufgestellet worden sind.
§. 1216. Die in diesem Hauptstücke enthaltenen Anordnungen sind
auch auf die Handlungsgesellschaften anzuwenden; in so fern hierüber nicht
besondere Vorschriften bestehen.
Acht u. zwanzigstes Hauptstück.
Von den Ehe-Pacten.
Ehe-Pacte.
§. 1217. Ehe-Pacte heißen diejenigen Verträge, welche in Absicht
auf die eheliche Verbindung über das Vermögen geschlossen werden, und haben
vorzüglich das Heirathsgut; die Widerlage; Morgengabe; die Gütergemeinschaft;
Verwaltung und Fruchtnießung des eigenen Vermögens; die Erbfolge, oder die auf
den Todesfall bestimmte lebenslange Fruchtnießung des Vermögens, und den
Witwengehalt zum Gegenstande.
1) Heirathsgut.
§. 1218. Unter Heirathsgut versteht man dasjenige Vermögen,
welches von der Ehegattinn, oder für sie von einem Dritten dem Manne zur
Erleichterung des mit der ehelichen Gesellschaft verbundenen Aufwandes
übergeben oder zugesichert wird.
Dessen Bestellung;
§. 1219. Wenn die Braut eigenes Vermögen besitzt, und volljährig
ist; so hängt es von ihr und dem Bräutigame ab, wie sie sich wegen des
Heirathsgutes, und wegen anderer wechselseitigen Gaben mit einander verstehen
wollen. Ist aber die Braut noch minderjährig; so muß der Vertrag von dem Vater
oder Vormunde, mit Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichtes, geschlossen
werden.
§. 1220. Besitzt die Braut kein eigenes, zu einem angemessenen
Heirathsgute hinlängliches Vermögen; so sind Aeltern oder Großältern nach der
Ordnung, als sie die Kinder zu ernähren und zu versorgen verpflichtet sind,
verbunden, den Töchtern oder Enkelinnen bey deren Verehelichung ein ihrem
Stande und Vermögen angemessenes Heirathsgut zu geben, oder dazu verhältnißmäßig
beyzutragen (§§. 141 u. 143). Eine uneheliche Tochter kann nur von ihrer Mutter
Heirathsgut verlangen.
§. 1221. Berufen sich Aeltern oder Großältern auf ihr Unvermögen
zur Bestellung eines anständigen Heirathsgutes; so soll auf Ansuchen der
Brautperson das Gericht die Umstände, jedoch ohne strenge Erforschung des
Vermögensstandes, untersuchen, und hiernach ein angemessenes Heirathsgut
bestimmen, oder die Aeltern und Großältern davon freysprechen.
§. 1222. Wenn eine Tochter ohne Wissen, oder gegen den Willen
ihrer Aeltern sich verehelichet hat, und das Gericht die Ursache der
Mißbilligung gegründet findet; so sind die Aeltern selbst in dem Falle, daß sie
in der Folge die Ehe genehmigen, nicht schuldig, ihr ein Heirathsgut zu geben.
§. 1223. Hat eine Tochter ihr Heirathsgut schon erhalten, und es,
obschon ohne ihr Verschulden, verloren; so ist sie nicht mehr, selbst nicht im
Falle einer zweyten Ehe, berechtiget, ein neues zu fordern.
§. 1224. Im Zweifel, ob das Heirathsgut von dem Vermögen der Aeltern
oder der Braut ausgesetzt worden sey, wird das Letztere angenommen. Haben aber
Aeltern das Heirathsgut ihrer minderjährigen Tochter ohne
obervormundschaftliche Genehmigung bereits ausgezahlt; so wird vermuthet, daß
es die Aeltern aus eigenem Vermögen gethan haben.
Uebergabe,
§. 1225. Hat sich der Ehemann vor geschlossener Ehe kein
Heirathsgut bedungen; so ist er auch keines zu fordern berechtiget. Die
Uebergabe des bedungenen Heirathsgutes kann, wenn keine andere Zeit festgesetzt
worden ist, gleich nach geschlossener Ehe begehret werden.
und Beweis derselben.
§. 1226. Wenn über das Vermögen des Ehemannes ein Concurs verhängt
wird; so macht seine vor Ausbruch des Concurses geschehene schriftliche oder
mündliche Bestätigung, daß er das Heirathsgut empfangen habe, gegen jedermann
einen Beweis. Erfolgt aber die Bestätigung erst nach ausgebrochenem Concurse;
so hat sie gegen die Gläubiger keine Beweiseskraft.
Gegenstand des Heirathsgutes und Rechte des Ehemannes und der
Ehefrau in Rücksicht desselben.
§. 1227. Alles, was sich veräußern und nutzen läßt, ist zum
Heirathsgute geeignet. So lange die eheliche Gesellschaft fortgesetzt wird,
gehört die Fruchtnießung des Heirathsgutes, und dessen, was demselben zuwächst,
dem Manne. Besteht das Heirathsgut in barem Gelde, in abgetretenen
Schuldforderungen oder verbrauchbaren Sachen; so gebührt ihm das vollständige
Eigenthum.
§. 1228. Besteht das Heirathsgut in unbeweglichen Gütern, in
Rechten oder Fahrnissen, welche mit Schonung der Substanz benutzt werden
können; so wird die Ehegattinn so lange als Eigenthümerinn und der Mann als
Fruchtnießer desselben angesehen, bis bewiesen wird, daß der Ehemann das
Heirathsgut für einen bestimmten Preis übernommen, und sich nur zur Zurückgabe
dieses Geldbetrages verbunden hat.
§. 1229. Nach dem Gesetze fällt das Heirathsgut nach dem Tode des
Mannes seiner Ehegattinn, und wenn sie vor ihm stirbt, ihren Erben heim. Soll
sie oder ihre Erben davon ausgeschlossen seyn; so muß dieses ausdrücklich
bestimmt werden. Wer das Heirathsgut freywillig bestellet, kann sich
ausbedingen, daß es nach dem Tode des Mannes auf ihn zurückfalle.
2) Widerlage.
§. 1230. Was der Bräutigam oder ein Dritter der Braut zur
Vermehrung des Heirathsgutes aussetzt, heißt Widerlage. Hiervon gebührt zwar
der Ehegattinn während der Ehe kein Genuß; allein wenn sie den Mann überlebt,
gebührt ihr ohne besondere Uebereinkunft auch das freye Eigenthum, obgleich dem
Manne auf den Fall seines Ueberlebens das Heirathsgut nicht verschrieben worden
ist.
§. 1231. Weder der Bräutigam, noch seine Aeltern sind verbunden,
eine Widerlage zu bestimmen. Doch in eben der Art, in welcher die Aeltern der
Braut schuldig sind, ihr ein Heirathsgut auszusetzen, liegt auch den Aeltern
des Bräutigams ob, ihm eine ihrem Vermögen angemessene Ausstattung zu geben.
(§§. 1220-1223).
3) Morgengabe.
§. 1232. Das Geschenk, welches der Mann seiner Gattinn am ersten
Morgen zu geben verspricht, heißt Morgengabe. Ist dieselbe versprochen worden;
so wird im Zweifel vermuthet, daß sie binnen den ersten drey Jahren der Ehe
schon überreicht worden sey.
4) Gütergemeinschaft.
§. 1233. Die eheliche Verbindung allein begründet noch keine
Gemeinschaft der Güter zwischen den Eheleuten. Dazu wird ein besonderer Vertrag
erfordert, dessen Umfang und rechtliche Form nach den §§. 1177. u. 1178 des
vorigen Hauptstückes beurtheilt wird.
§. 1234. Die Gütergemeinschaft unter Ehegatten wird in der Regel
nur auf den Todesfall verstanden. Sie gibt dem Ehegatten das Recht auf die
Hälfte dessen, was von den der Gemeinschaft wechselseitig unterzogenen Gütern
nach Ableben des andern Ehegatten noch vorhanden seyn wird.
§. 1235. Bey einer Gemeinschaft, die sich auf das ganze Vermögen
bezieht, sind vor der Theilung alle Schulden ohne Ausnahme; bey einer
Gemeinschaft aber, die bloß das gegenwärtige, oder bloß das künftige Vermögen
zum Gegenstande hat, nur diejenigen Schulden abzuziehen, die zum Nutzen des
gemeinschaftlichen Gutes verwendet worden sind.
§. 1236. Besitzt ein Ehegatte ein unbewegliches Gut, und wird das
Recht des andern Ehegatten zur Gemeinschaft in die öffentlichen Bücher
eingetragen; so erhält dieser durch die Eintragung auf die Hälfte der Substanz
des Gutes ein dingliches Recht, vermöge dessen der eine Ehegatte über diese
Hälfte keine Anordnung machen kann; auf die Nutzungen aber während der Ehe
erhält er durch die Einverleibung keinen Anspruch. Nach dem Tode des Ehegatten
gebührt dem überlebenden Theile sogleich das freye Eigenthum seines Antheiles.
Doch kann eine solche Einverleibung den auf das Gut früher eingetragenen Gläubigern
nicht zum Nachtheile gereichen.
5) Verwaltung und Nutznießung des ursprünglichen oder erworbenen
Vermögens.
§. 1237. Haben Eheleute über die Verwendung ihres Vermögens keine
besondere Uebereinkunft getroffen; so behält jeder Ehegatte sein voriges Eigenthumsrecht,
und auf das, was ein jeder Theil während der Ehe erwirbt, und auf was immer für
eine Art überkommt, hat der andere keinen Anspruch. Im Zweifel wird vermuthet,
daß der Erwerb von dem Manne herrühre.
§. 1238. So lange die Ehegattinn nicht widersprochen hat, gilt die
rechtliche Vermuthung, daß sie dem Manne als ihrem gesetzmäßigen Vertreter die
Verwaltung ihres freyen Vermögens anvertrauet habe.
§. 1239. Der Ehegatte wird in Rücksicht einer solchen Verwaltung
zwar überhaupt wie ein anderer bevollmächtigter Sachwalter angesehen; doch
haftet er nur für das Stammgut oder Capital. Ueber die während der Verwaltung
bezogenen Nutzungen ist er, wenn es nicht ausdrücklich bedungen worden, keine
Rechnung schuldig; diese wird vielmehr bis auf den Tag der aufgehobenen
Verwaltung für berichtigt angesehen.
§. 1240. Auch die Ehegattinn ist nicht schuldig, den Fruchtgenuß,
den sie ihrem Manne abgetreten, aber während der Ehe selbst bezogen hat, zu
verrechnen; es steht aber den Ehegatten frey, dergleichen stillschweigend
eingestandene Verwaltungen einzustellen.
§. 1241. In dringenden Fällen oder bey Gefahr eines Nachtheiles,
kann dem Ehemanne die Verwaltung des Vermögens, selbst wenn sie ihm
ausdrücklich und auf immer verwilliget worden wäre, abgenommen werden. Hingegen
ist auch er befugt, der unordentlichen Wirtschaft seiner Gattinn Einhalt zu
thun, und sie unter den gesetzlichen Vorschriften sogar als Verschwenderinn
erklären zu lassen.
6) Witwengehalt;
§. 1242. Das, was einer Gattinn auf den Fall des Witwenstandes zum
Unterhalte bestimmt wird, heißt Witwengehalt. Dieser gebührt der Witwe gleich
nach dem Tode des Mannes, und soll immer auf drey Monathe vorhinein entrichtet
werden.
§. 1243. Der Witwe gebührt noch durch sechs Wochen nach dem Todes
des Mannes, und wenn sie schwanger ist, bis nach Verlauf von sechs Wochen nach
ihrer Entbindung die gewöhnliche Verpflegung aus der Verlassenschaft. So lange
sie aber diese Verpflegung genießt, kann sie keinen Witwengehalt beziehen.
§. 1244. Wenn die Witwe sich verehelichet; so verliert sie das
Recht auf den Witwengehalt.
Sicherstellung des Heirathsgutes, der Widerlage und des
Witwengehaltes;
§. 1245. Wer das Heirathsgut übergibt, ist berechtiget, bey der
Uebergabe; oder wenn in der Folge Gefahr eintritt, von demjenigen, der es
empfängt, eine angemessene Sicherstellung zu fordern. Vormünder und Curatoren
einer pflegebefohlenen Braut können die Sicherstellung des Heirathsgutes, und
eben so der bedungenen Widerlage und des Witwengehaltes ohne Genehmigung des
obervormundschaftlichen Gerichtes nicht erlassen.
Schenkungen unter Ehegatten und Verlobten;
§. 1246. Die Gültigkeit oder Ungültigkeit der
Schenkungen zwischen Ehegatten wird nach den für die Schenkungen überhaupt
bestehenden Gesetzen beurtheilt.
§. 1247. Was ein Mann seiner Ehegattinn an Schmuck,
Edelsteinen und andern Kostbarkeiten zum Putze gegeben hat, wird im Zweifel
nicht für gelehnt; sondern für geschenkt angesehen. Wenn aber ein verlobter
Theil dem andern; oder auch ein Dritter dem einen oder andern Theile in Rücksicht
auf die künftige Ehe etwas zusichert oder schenket; so kann, wenn die Ehe ohne
Verschulden des Geschenkgebers nicht erfolgt, die Schenkung widerrufen werden.
Wechselseitige Testamente;
§. 1248. Den Ehegatten ist gestattet, in einem und dem
nähmlichen Testamente sich gegenseitig, oder auch andere Personen als Erben
einzusetzen. Auch ein solches Testament ist widerruflich; es kann aber aus der
Widerrufung des einen Theiles auf die Widerrufung des andern Theiles nicht
geschlossen werden. (§. 583.)
Erbverträge.
Erfordernisse zur Gültigkeit des Erbvertrages.
§. 1249. Zwischen Ehegatten kann auch ein Erbvertrag,
wodurch der künftige Nachlaß, oder ein Theil desselben versprochen, und das
Versprechen angenommen wird, geschlossen werden. (§. 602.) Zur Gültigkeit eines
solchen Vertrages ist jedoch nothwendig, daß er schriftlich mit allen
Erfordernissen eines schriftlichen Testamentes errichtet werde.
§. 1250. Ein pflegebefohlener Ehegatte kann zwar die
ihm versprochene, unnachtheilige Verlassenschaft annehmen; aber die Verfügung
über seine eigene Verlassenschaft kann, ohne Genehmhaltung des Gerichtes, nur
in so fern bestehen, als sie ein gültiges Testament ist.
Vorschrift über die eingerückten Bedingungen.
§. 1251. Was von Bedingungen bey Verträgen überhaupt
gesagt worden ist, muß auch auf Erbverträge zwischen Ehegatten angewendet
werden.
Wirkung des Erbvertrages.
§. 1252. Ein selbst den öffentlichen Büchern
einverleibter Erbvertrag hindert den Ehegatten nicht, mit seinem Vermögen, so
lange er lebt, nach Belieben zu schalten. Das Recht, welches daraus entsteht,
setzt den Tod des Erblassers voraus; es kann von dem Vertragserben, wenn er den
Erblasser nicht überlebt, weder auf Andere übertragen, noch der künftigen Erbschaft
willen eine Sicherstellung gefordert werden.
§. 1253. Durch den Erbvertrag kann ein Ehegatte auf
das Recht, zu testiren, nicht gänzlich Verzicht thun. Ein reiner Viertheil,
worauf weder der jemanden gebührende Pflichttheil, noch eine andere Schuld haften
darf, bleibt kraft des Gesetzes zur freyen letzten Anordnung immer vorbehalten.
Hat der Erblasser darüber nicht verfüget; so fällt er doch nicht dem
Vertragserben, obschon die ganze Verlassenschaft versprochen worden wäre,
sondern den gesetzlichen Erben zu.
Erlöschung desselben.
§. 1254. Der Erbvertrag kann zum Nachtheile des andern
Gatten, mit dem er geschlossen worden ist, nicht widerrufen; sondern nur nach
Vorschrift der Gesetze entkräftet werden. Den Notherben bleiben ihre Rechte,
wie gegen eine andere letzte Anordnung vorbehalten.
Fruchtnießung auf den Todesfall. (Advitalitäts-Recht.)
§. 1255. Wenn ein Ehegatte dem andern die
Fruchtnießung seines Vermögens auf den Fall des Ueberlebens ertheilet; so wird
er dadurch in der freyen Verfügung durch Handlungen unter Lebenden nicht
beschränkt; das Recht der Fruchtnießung (§§. 509-520.) bezieht sich nur auf den
Nachlaß des frey vererblichen Vermögens.
§. 1256. Wird aber die Fruchtnießung eines
unbeweglichen Gutes mit Einwilligung des Verleihers den öffentlichen Büchern
einverleibt; so kann dieselbe in Hinsicht dieses Gutes nicht mehr verkürzt
werden.
§. 1257. In dem Falle, daß der überlebende Theil sich
wieder verehelichet, oder die Fruchtnießung einem Andern abtreten will, haben
die Kinder des verstorbenen Ehegatten das Recht zu verlangen, daß ihnen
dieselbe gegen einen angemessenen jährlichen Betrag überlassen werde.
§. 1258. Ein Ehegatte, welcher auf die Fruchtnießung
der ganzen Verlassenschaft des andern Ehegatten, oder eines Theiles derselben
Anspruch macht, hat kein Recht, den ihm in dem Falle der gesetzlichen Erbfolge
von dem Gesetze ausgemessenen Antheil zu fordern. (§§. 757–759.)
Einkindschaft.
§. 1259. Die Einkindschaft, das ist, ein Vertrag,
wodurch Kinder aus verschiedenen Ehen in der Erbfolge einander gleich gehalten
werden sollen, hat keine rechtliche Wirkung.
Absonderung des Vermögens in dem Falle:
1) eines Concurses;
§. 1260. Wenn über das Vermögen des Mannes bey seinen
Lebzeiten ein Concurs eröffnet wird; so kann die Ehegattinn zwar noch nicht die
Zurückstellung des Heirathsgutes, und die Herausgabe der Widerlage, sondern nur
die Sicherstellung für den Fall der Auflösung der Ehe gegen die Gläubiger
verlangen. Sie ist überdieß berechtiget, von Zeit der Concurs-Eröffnung den
Genuß des witiblichen Unterhaltes, und wenn keiner bedungen ist, den Genuß des
Heirathsgutes anzusprechen. Dieser Anspruch auf den einen, oder den andern
Genuß hat aber nicht Statt, wenn bewiesen wird, daß die Ehegattinn an dem
Verfalle der Vermögensumstände des Mannes Ursache sey.
§. 1261. Verfällt die Gattinn mit ihrem Vermögen in
den Concurs; so bleiben die Ehe-Pacte unverändert.
§. 1262. Ist zwischen den Ehegatten eine Gemeinschaft
der Güter bedungen; so hört dieselbe durch den Concurs des ein oder des andern
Ehegatten auf, und das zwischen ihnen gemeinschaftliche Vermögen wird, wie bey
dem Tode, getheilt.
2) einer freywilligen;
§. 1263. Wenn Ehegatten übereinkommen, geschieden zu
leben, so hängt es auch von ihrem Einverständnisse ab, welches immer zugleich
zu treffen ist, (§§. 103-105) ob sie ihre Ehe-Pacte fortdauern lassen, oder auf
welche Art sie dieselben abändern wollen.
oder 3) einer gerichtlichen Scheidung;
§. 1264. Ist aber auf die Scheidung durch
richterliches Urtheil erkannt worden, und trägt kein Theil, oder jeder Theil
Schuld an der Scheidung, so kann ein oder der andere Ehegatte verlangen, daß
die Ehe-Pacte für aufgehoben erklärt werden; worüber von dem Gerichte stets ein
Vergleich zu versuchen ist (§. 108.). Ist ein Theil schuldlos, so steht
demselben frey, die Fortsetzung oder Aufhebung der Ehe-Pacte, oder nach
Umständen, den angemessenen Unterhalt zu verlangen.
4) Nichtigerklärung;
§. 1265. Wird eine Ehe für ungültig erklärt; so
zerfallen auch die Ehe-Pacte, das Vermögen kommt, in so fern es vorhanden ist,
in den vorigen Stand zurück. Der Schuldtragende Theil hat aber dem schuldlosen
Theile Entschädigung zu leisten. (§. 102.)
5) Trennung der Ehe.
§. 1266. Wird die Trennung der Ehe (§§. 115 u. 133)
auf Verlangen beyder Ehegatten, ihrer unüberwindlichen Abneigung wegen,
verwilliget; so sind die Ehe-Pacte, so weit darüber kein Vergleich getroffen
wird (§. 117), für beyde Theile erloschen. Wird auf die Trennung der Ehe durch
Urtheil erkannt, so gebührt dem schuldlosen Ehegatten nicht nur volle
Genugthuung, sondern von dem Zeitpuncte der erkannten Trennung alles dasjenige,
was ihm in den Ehe-Pacten auf den Fall des Ueberlebens bedungen worden ist. Das
Vermögen, worüber eine Gütergemeinschaft bestanden hat, wird wie bey dem Tode
getheilt, und das Recht aus einem Erbvertrage bleibt dem Schuldlosen auf den
Todesfall vorbehalten. Die gesetzliche Erbfolge (§§. 757-759) kann ein
getrennter, obgleich schuldloser Ehegatte nicht ansprechen.
Neun u. zwanzigstes Hauptstück.
Von den Glücksverträgen.
Glücksverträge.
§. 1267. Ein Vertrag, wodurch die Hoffnung eines noch
ungewissen Vortheiles versprochen und angenommen wird, ist ein Glücksvertrag.
Er gehört, je nachdem etwas dagegen versprochen wird oder nicht, zu den
entgeldlichen oder unentgeldlichen Verträgen.
§. 1268. Bey Glücksverträgen findet das Rechtsmittel
wegen Verkürzung über die Hälfte des Werthes nicht Statt.
Arten der Glücksverträge.
§. 1269. Glücksverträge sind: die Wette; das Spiel und
das Los; alle über gehoffte Rechte, oder über künftige noch unbestimmte Sachen
errichtete Kauf- und andere Verträge; ferner, die Leibrenten; die
gesellschaftlichen Versorgungsanstalten; endlich, die Versicherungs- und
Bodmereyverträge.
1) die Wette;
§. 1270. Wenn über ein beyden Theilen noch unbekanntes
Ereigniß ein bestimmter Preis zwischen ihnen für denjenigen, dessen Behauptung
der Erfolg entspricht, verabredet wird; so entsteht eine Wette. Hatte der
gewinnende Theil von dem Ausgange Gewißheit, und verheimlichte er sie dem
andern Theile; so macht er sich einer Arglist schuldig, und die Wette ist
ungültig. Der verlierende Theil aber, dem der Ausgang vorher bekannt war, ist
als Geschenkgeber anzusehen.
§. 1271. Redliche und sonst erlaubte Wetten sind in so
weit verbindlich, als der bedungene Preis nicht bloß versprochen; sondern wirklich
entrichtet, oder hinterlegt worden ist. Gerichtlich kann der Preis nicht
gefordert werden.
2) das Spiel;
§. 1272. Jedes Spiel ist eine Art von Wette. Die für
Wetten festgesetzten Rechte gelten auch für Spiele. Welche Spiele überhaupt,
oder für besondere Classen verbothen; wie Personen, die verbothene Spiele
treiben, und diejenigen, die ihnen dazu Unterschleif geben, zu bestrafen sind,
bestimmen die politischen Gesetze.
3) Los;
§. 1273. Ein zwischen Privat-Personen auf eine Wette
oder auf ein Spiel abzielendes Los wird nach den für Wetten und Spiele
festgesetzten Vorschriften beurtheilet. Soll aber eine Theilung, eine Wahl,
oder eine Streitigkeit durch das Los entschieden werden; so treten dabey die
Rechte der übrigen Verträge ein.
§. 1274. Staats-Lotterien sind nicht nach der
Eigenschaft der Wette und des Spieles; sondern nach den jedes Mahl darüber kund
gemachten Planen, zu beurtheilen.
4) Hoffnungskauf.
§. 1275. Wer für ein bestimmtes Maß von einem
künftigen Erträgnisse einen verhältnißmäßigen Preis verspricht, schließt einen
ordentlichen Kaufvertrag.
§. 1276. Wer die künftigen Nutzungen einer Sache in
Pausch und Bogen; oder wer die Hoffnung derselben in einem bestimmten Preise
kauft, errichtet einen Glücksvertrag; er trägt die Gefahr der ganz vereitelten
Erwartung; es gebühren ihm aber auch alle ordentliche erzielte Nutzungen.
insbesondere eines Kuxes;
§. 1277. Der Antheil an einem Bergwerke heißt Kux. Der
Kauf eines Kuxes gehört zu den gewagten Verträgen. Der Verkäufer haftet nur für
die Richtigkeit des Kuxes, und der Käufer hat sich nach den Gesetzen über den
Bergbau zu benehmen.
oder einer Erbschaft.
§. 1278. Der Käufer einer von dem Verkäufer
angetretenen, oder ihm wenigstens angefallenen Erbschaft tritt nicht allein in
die Rechte; sondern auch in die Verbindlichkeiten des Verkäufers als Erben ein,
in so weit diese nicht bloß persönlich sind. Wenn also bey dem Kaufe kein
Inventarium zum Grunde gelegt wird, ist auch der Erbschaftskauf ein gewagtes
Geschäft.
§. 1279. Auf Sachen, die dem Verkäufer nicht als
Erben; sondern aus einem andern Grunde, z. B. als Vorausvermächtniß, als
Fideicommiß, als Substitution, als Schuldforderung aus der Verlassenschaft
gebühren, und ihm auch ohne Erbrecht gebührt hätten, hat der Erbschaftskäufer
keinen Anspruch. Dagegen erhält er alles, was der Erbschaft selbst zuwächst, es
sey durch den Abgang eines Legatars, oder eines Miterben, oder auf was immer
für eine andere Art, in so weit der Verkäufer darauf Anspruch gehabt hätte.
§. 1280. Alles, was der Erbe aus dem Erbrechte erhält,
wie z. B. die bezogenen Früchte und Forderungen, wird mit zur Masse gerechnet;
alles hingegen, was er aus dem Seinigen auf die Antretung der Erbschaft, oder
auf die Verlassenschaft verwendet hat, wird von der Masse abgezogen. Dahin
gehören die bezahlten Schulden; die schon abgeführten Vermächtnisse, Abgaben
und Gerichtsgebühren; und wenn es nicht ausdrücklich anders verabredet worden
ist, auch die Begräbnißkosten.
§. 1281. In so weit der Verkäufer die Verlassenschaft
vor der Uebergabe verwaltet hat, haftet er dem Käufer dafür, wie ein anderer
Geschäftsträger.
§. 1282. Die Erbschaftsgläubiger und Vermächtnißnehmer
aber können sich ihrer Befriedigung wegen sowohl an den Käufer der Erbschaft,
als an den Erben selbst halten. Ihre Rechte, so wie jene der Erbschaftsschuldner
werden durch den Verkauf der Erbschaft nicht geändert, und die
Erbschaftsantretung des Einen gilt auch für den Andern.
§. 1283. Hat man bey dem Verkaufe der Erbschaft ein
Inventarium zum Grunde gelegt; so haftet der Verkäufer für dasselbe. Ist der
Kauf ohne ein solches Verzeichniß geschehen; so haftet er für die Richtigkeit
seines Erbrechtes, wie er es angegeben hat, und für allen dem Käufer durch sein
Verschulden zugefügten Schaden.
5) Leibrente;
§. 1284. Wird jemanden für Geld, oder gegen eine für
Geld geschätzte Sache auf die Lebensdauer einer gewissen Person eine bestimmte
jährliche Entrichtung versprochen; so ist es ein Leibrentenvertrag.
§. 1285. Die Dauer der Leibrente kann von dem Leben
des einen oder andern Theiles, oder auch eines Dritten abhängen. Sie wird im
Zweifel vierteljährig vorhinein entrichtet; und nimmt in allen Fällen mit dem
Leben desjenigen, auf dessen Kopf sie beruhet, ihr Ende.
§. 1286. Weder die Gläubiger, noch die Kinder
desjenigen, welcher sich eine Leibrente bedingt, sind berechtiget, den Vertrag
umzustoßen. Doch steht den Erstern frey, ihre Befriedigung aus den Leibrenten
zu suchen; den Letztern aber, die Hinterlegung eines entbehrlichen Theiles der
Rente zu fordern, um sich den ihnen nach dem Gesetze gebührenden Unterhalt
darauf versichern zu lassen.
6) gesellschaftliche Versorgungsanstalten;
§. 1287. Der Vertrag, wodurch vermittelst einer Einlage ein
gemeinschaftlicher Versorgungsfond für die Mitglieder, ihre Gattinnen oder
Waisen errichtet wird, ist aus der Natur und dem Zwecke einer solchen Anstalt,
und den darüber festgesetzten Bedingungen, zu beurtheilen.
7) Versicherungsvertrag;
§. 1288. Wenn jemand die Gefahr des Schadens, welcher einen Andern
ohne dessen Verschulden treffen könnte, auf sich nimmt, und ihm gegen einen
gewissen Preis den bedungenen Ersatz zu leisten verspricht; so entsteht der
Versicherungsvertrag. Der Versicherer haftet dabey für den zufälligen Schaden,
und der Versicherte für den versprochenen Preis.
§. 1289. Der gewöhnliche Gegenstand dieses Vertrages sind Waaren,
die zu Wasser oder zu Lande verführt werden. Es können aber auch andere Sachen,
z. B. Häuser und Grundstücke gegen Feuer- Wasser- und andere Gefahren
versichert werden.
§. 1290. Ereignet sich der zufällige Schade, wofür die
Entschädigung versichert worden ist; so muß der Versicherte, wenn kein
unüberwindliches Hinderniß dazwischen kommt, oder nichts anderes verabredet
worden ist, dem Versicherer, wenn sie sich im nähmlichen Orte befinden, binnen
drey Tagen, sonst aber in derjenigen Zeitfrist davon Nachricht geben, welche
zur Bekanntmachung der Annahme eines von einem Abwesenden gemachten
Versprechens bestimmt worden ist. (§. 862). Unterläßt er die Anzeige; kann er
den Unfall nicht erweisen; oder kann der Versicherer beweisen, daß der Schade
aus Verschulden des Versicherten entstanden ist; so hat dieser auch keinen
Anspruch auf die versicherte Summe.
§. 1291. Wenn der Untergang der Sache dem Versicherten; oder der
gefahrlose Zustand derselben dem Versicherer zur Zeit des geschlossenen
Vertrages schon bekannt war; so ist der Vertrag ungültig.
8) Bodmerey- und See-Assecurancen.
§. 1292. Die Bestimmungen in Rücksicht der Versicherungen zur See;
so wie die Vorschriften über den Bodmerey-Vertrag sind ein Gegenstand der
Seegesetze.
Dreyßigstes Hauptstück.
Von dem Rechte des Schadensersatzes und der Genugthuung.
Schade.
§. 1293. Schade heißt jeder Nachtheil, welcher jemanden an
Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist. Davon unterscheidet
sich der Entgang des Gewinnes, den jemand nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge
zu erwarten hat.
Quellen der Beschädigung.
§. 1294. Der Schade entspringt entweder aus einer widerrechtlichen
Handlung, oder Unterlassung eines Andern; oder aus einem Zufalle. Die
widerrechtliche Beschädigung wird entweder willkührlich, oder unwillkührlich
zugefügt. Die willkührliche Beschädigung aber gründet sich theils in einer
bösen Absicht, wenn der Schade mit Wissen und Willen; theils in einem Versehen,
wenn er aus schuldbarer Unwissenheit, oder aus Mangel der gehörigen
Aufmerksamkeit oder des gehörigen Fleißes verursacht worden ist. Beydes wird
ein Verschulden genannt.
Von der Verbindlichkeit zum Schadensersatze:
1) von dem Schaden aus Verschulden;
§. 1295. Jedermann ist berechtiget, von dem Beschädiger den Ersatz
des Schadens, welcher dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern; der
Schade mag durch Uebertretung einer Vertragspflicht, oder ohne Beziehung auf
einen Vertrag verursacht worden seyn.
§. 1296. Im Zweifel gilt die Vermuthung, daß ein Schade ohne
Verschulden eines Andern entstanden sey.
§. 1297. Es wird aber auch vermuthet, daß jeder, welcher den
Verstandesgebrauch besitzt, eines solchen Grades des Fleißes und der
Aufmerksamkeit fähig sey, welcher bey gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet
werden kann. Wer bey Handlungen, woraus eine Verkürzung der Rechte eines Andern
entsteht, diesen Grad des Fleißes oder der Aufmerksamkeit unterläßt, macht sich
eines Versehen schuldig.
§. 1298. Wer vorgibt, daß er an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen
oder gesetzlichen Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden sey,
dem liegt der Beweis ob.
insbesondere a) der Sachverständigen,
§. 1299. Wer sich zu einem Amte, zu einer Kunst, zu einem Gewerbe
oder Handwerke öffentlich bekennet; oder wer ohne Noth freywillig ein Geschäft
übernimmt, dessen Ausführung eigene Kunstkenntnisse, oder einen nicht
gewöhnlichen Fleiß erfordert, gibt dadurch zu erkennen, daß er sich den
nothwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen, Kenntnisse zutraue;
er muß daher den Mangel derselben vertreten. Hat aber derjenige, welcher ihm
das Geschäft überließ, die Unerfahrenheit desselben gewußt; oder, bey
gewöhnlicher Aufmerksamkeit wissen können, so fällt zugleich dem Letzteren
Versehen zur Last.
§. 1300. Ein Sachverständiger ist auch dann verantwortlich, wenn
er gegen Belohnung in Angelegenheiten seiner Kunst oder Wissenschaft aus
Versehen einen nachtheiligen Rath ertheilet. Außer diesem Falle haftet ein
Rathgeber nur für den Schaden, welchen er wissentlich durch Ertheilung des
Rathes dem Andern verursachet hat.
oder b) mehrerer Theilnehmer.
§. 1301. Für einen widerrechtlich zugefügten Schaden können
mehrere Personen verantwortlich werden, indem sie gemeinschaftlich,
unmittelbarer oder mittelbarer Weise, durch Verleiten, Drohen, Befehlen,
Helfen, Verhehlen und dgl.; oder auch nur durch Unterlassung der besonderen
Verbindlichkeit das Uebel zu verhindert, dazu beygetragen haben.
§. 1302. In einem solchen Falle verantwortet, wenn die
Beschädigung in einem Versehen gegründet ist, und die Antheile sich bestimmen
lassen, jeder nur den durch sein Versehen verursachten Schaden. Wenn aber der
Schade vorsätzlich zugefügt worden ist; oder, wenn die Antheile der Einzelnen
an der Beschädigung sich nicht bestimmen lassen; so haften Alle für Einen und
Einer für Alle; doch bleibt demjenigen, welcher den Schaden ersetzt hat, der
Rückersatz gegen die Uebrigen vorbehalten.
§. 1303. In wie weit mehrere Mitschuldner bloß aus der
unterlassenen Erfüllung ihrer Verbindlichkeit zu haften haben, ist aus der
Beschaffenheit des Vertrages zu beurtheilen.
§. 1304. Wenn bey einer Beschädigung zugleich ein Verschulden von
Seite des Beschädigten eintritt; so trägt er mit dem Beschädiger den Schaden
verhältnißmäßig; und, wenn sich das Verhältniß nicht bestimmen läßt, zu
gleichen Theilen.
2) aus dem Gebrauche des Rechtes;
§. 1305. Wer von seinem Rechte innerhalb der rechtlichen Schranken
Gebrauch macht, hat den für einen Andern daraus entspringenden Nachtheil nicht
zu verantworten.
3) aus einer schuldlosen oder unwillkührlichen Handlung;
§. 1306. Den Schaden, welchen jemand ohne Verschulden oder durch
eine unwillkührliche Handlung verursacht hat, ist er in der Regel zu ersetzen
nicht schuldig.
§. 1307. Wenn sich aber jemand aus eigenem Verschulden in einen
vorübergehenden Zustand der Sinnenverwirrung versetzt hat; so ist auch der in
demselben verursachte Schaden seinem Verschulden zuzuschreiben. Eben dieses
gilt von einem Dritten, welcher diesen Zustand durch sein Verschulden bey dem Beschädiger
veranlasset hat.
§. 1308. Wenn Wahn- oder Blödsinnige, oder Kinder jemanden
beschädigen, der durch irgend ein Verschulden hierzu selbst Veranlassung
gegeben hat; so kann er keinen Ersatz ansprechen.
§. 1309. Außer diesem Falle gebührt ihm der Ersatz von denjenigen
Personen, denen der Schade wegen Vernachlässigung der ihnen über solche
Personen anvertrauten Obsorge beygemessen werden kann.
§. 1310. Kann der Beschädigte auf solche Art den Ersatz nicht
erhalten; so soll der Richter mit Erwägung des Umstandes, ob dem Beschädiger,
ungeachtet er gewöhnlich seines Verstandes nicht mächtig ist, in dem bestimmten
Falle nicht dennoch ein Verschulden zur Last liege; oder, ob der Beschädigte
aus Schonung des Beschädigers die Vertheidigung unterlassen habe; oder endlich,
mit Rücksicht auf das Vermögen des Beschädigers und des Beschädigten; auf den
ganzen Ersatz oder doch einen billigen Theil desselben erkennen.
4) durch Zufall.
§. 1311. Der bloße Zufall trifft denjenigen, in dessen Vermögen
oder Person er sich ereignet. Hat aber jemand den Zufall durch ein Verschulden
veranlaßt; hat er ein Gesetz, das den zufälligen Beschädigungen vorzubeugen
sucht, übertreten; oder sich ohne Noth in fremde Geschäfte gemengt; so haftet
er für allen Nachtheil, welcher außer dem nicht erfolgt wäre.
§. 1312. Wer in einem Nothfalle jemanden einen Dienst geleistet
hat, dem wird der Schade, welchen er nicht verhütet hat, nicht zugerechnet; es
wäre denn, daß er einen Andern, der noch mehr geleistet haben würde, durch
seine Schuld daran verhindert hätte. Aber auch in diesem Falle kann er den
sicher verschaften Nutzen gegen den verursachten Schaden in Rechnung bringen.
5) durch fremde Handlungen.
§. 1313. Für fremde, widerrechtliche Handlungen, woran jemand
keinen Theil genommen hat, ist er in der Regel auch nicht verantwortlich.
Selbst in den Fällen, wo die Gesetze das Gegentheil anordnen, bleibt ihm der
Rückersatz gegen den Schuldtragenden vorbehalten.
Ausnahmen.
§. 1314. Wenn jemand eine Dienstperson ohne Zeugniß aufnimmt;
oder, eine durch ihre Leibes- oder Gemüths-Beschaffenheit gefährliche Person im
Dienste wissentlich behält; oder, einem bekannten Verbrecher Aufenthalt gibt;
so haftet er dem Hausherrn, und den Hausgenossen für den Ersatz des durch die
gefährliche Beschaffenheit dieser Personen verursachten Schadens.
§. 1315. Eben so haftet derjenige, welcher wissentlich eine solche
gefährliche; oder, wer zu einem Geschäfte eine untüchtige Person bestellet hat,
für den Schaden, welchen ein Dritter hierdurch erlitten hat.
§. 1316. Wirthe, Schiffer und Fuhrleute verantworten den Schaden,
welchen ihre eigenen, oder die von ihnen zugewiesenen Dienstpersonen an den
übernommenen Sachen einem Reisenden in ihrem Hause, oder in ihrem Schiffe, oder
an der Befrachtung verursachen. (§. 970.)
§. 1317. In wie fern bey öffentlichen Versendungsanstalten für den
Schaden eine Haftung übernommen werden, bestimmen die besondern Vorschriften.
§. 1318. Wird jemand durch das Herabfallen einer gefährlich
aufgehängten oder gestellten Sache; oder, durch Herauswerfen oder Herausgießen
aus einer Wohnung beschädiget; so haftet derjenige, aus dessen Wohnung geworfen
oder gegossen worden, oder die Sache herabgefallen ist, für den Schaden.
§. 1319. Wegen wahrscheinlicher Gefahr, daß ein Schild, ein
Geschirr, oder eine andere über einem gangbaren Platze aufgehängte oder
gestellte Sache fallen, und die Vorübergehenden beschädigen könnte, steht noch
Niemanden eine gerichtliche Klage; wohl aber jedermann das Recht zu, der
allgemeinen Sicherheit wegen, die Gefahr bey der politischen Behörde
anzuzeigen.
6) durch ein Thier.
§. 1320. Wird jemand durch ein Thier beschädiget; so ist derjenige
dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt, oder zu verwahren
vernachlässiget hat. Kann Niemand eines Verschuldens dieser Art überwiesen
werden; so wird die Beschädigung für einen Zufall gehalten.
§. 1321. Wer auf seinem Grund und Boden fremdes Vieh antrifft, ist
deßwegen noch nicht berechtigt, es zu tödten. Er kann es durch anpassende
Gewalt verjagen; oder, wenn er dadurch Schaden gelitten hat, das Recht der
Privat-Pfändung über so viele Stücke Viehes ausüben, als zu seiner
Entschädigung hinreicht. Doch muß er binnen acht Tagen sich mit dem Eigenthümer
abfinden, oder seine Klage vor den Richter bringen; widrigenfalls aber das
gepfändete Vieh zurückstellen.
§. 1322. Das gepfändete Vieh muß auch zurückgestellt werden, wenn
der Eigenthümer eine andere angemessene Sicherheit leistet.
Arten des Schadensersatzes.
§. 1323. Um den Ersatz eines verursachten Schadens zu leisten, muß
alles in den vorigen Stand zurück versetzet, oder, wenn dieses nicht thunlich
ist, der Schätzungswerth vergütet werden. Betrifft der Ersatz nur den
erlittenen Schaden, so wird er eigentlich eine Schadloshaltung; wofern er sich
aber auch auf den entgangenen Gewinn, und die Tilgung der verursachten
Beleidigung erstreckt, volle Genugthuung genannt.
§. 1324. In dem Falle eines aus böser Absicht, oder aus einer
auffallenden Sorglosigkeit verursachten Schadens ist der Beschädigte volle
Genugthuung; in den übrigen Fällen aber nur die eigentliche Schadloshaltung zu
fordern berechtiget. Hiernach ist in den Fällen, wo im Gesetze der allgemeine
Ausdruck: Ersatz, vorkommt, zu beurtheilen, welche Art des Ersatzes zu leisten
sey.
Insbesondere 1) bey Verletzungen an dem Körper;
§. 1325. Wer jemanden an seinem Körper verletzt, bestreitet die
Heilungskosten des Verletzten; ersetzt ihm den entgangenen, oder, wenn der
Beschädigte zum Erwerb unfähig wird, auch den künftig entgehenden Verdienst;
und bezahlt ihm auf Verlangen überdieß ein den erhobenen Umständen angemessenes
Schmerzensgeld.
§. 1326. Ist die verletzte Person durch die Mißhandlung
verunstaltet worden; so muß zumahl, wenn sie weiblichen Geschlechtes ist, in so
fern auf diesen Umstand Rücksicht genommen werden, als ihr besseres Fortkommen
dadurch verhindert werden kann.
§. 1327. Erfolgt aus einer körperlichen Verletzung der Tod, so
müssen nicht nur alle Kosten; sondern auch der hinterlassenen Frau und den
Kindern des Getödteten das, was ihnen dadurch entgangen ist, ersetzt werden.
§. 1328. Wer eine Weibsperson verführt, und mit ihr ein Kind
zeugt, bezahlt die Kosten der Entbindung und des Wochenbettes, und erfüllt die
übrigen, in dem dritten Hauptstücke des ersten Theiles festgesetzten
Vaterspflichten. In welchen Fällen die Verführung zugleich als ein Verbrechen,
oder als eine schwere Polizey-Uebertretung bestrafet werde, enthält das
Strafgesetz.
2) an der persönlichen Freyheit;
§. 1329. Wer jemanden durch gewaltsame Entführung, durch
Privat-Gefangennehmung, oder vorsätzlich durch einen widerrechtlichen Arrest
seiner Freyheit beraubt, ist verpflichtet, dem Verletzten die vorige Freyheit
zu verschaffen, und volle Genugthuung zu leisten. Kann er ihm die Freyheit
nicht mehr verschaffen; so muß er dessen Weibe und Kindern, wie bey der Tödtung,
Ersatz leisten.
3) an der Ehre;
§. 1330. Wenn jemanden durch Ehrenbeleidigungen ein wirklicher
Schade oder Entgang des Gewinnes verursacht worden ist; so ist er berechtiget,
Schadloshaltung oder volle Genugthuung zu fordern.
4) an dem Vermögen.
§. 1331. Wird jemand an seinem Vermögen vorsätzlich oder durch
auffallende Sorglosigkeit eines andern beschädiget; so ist er auch den
entgangenen Gewinn, und wenn der Schade vermittelst einer durch ein Strafgesetz
verbothenen Handlung, oder aus Muthwillen und Schadenfreude verursachet worden
ist, den Werth der besondern Vorliebe zu fordern berechtiget.
§. 1332. Der Schade, welcher aus einem mindern Grade des Versehens
oder der Nachlässigkeit verursacht worden ist, wird nach dem gemeinen Werthe,
den die Sache zur Zeit der Beschädigung hatte, ersetzt.
Insonderheit durch Verzögerung der Zahlung.
Verzögerungszinse.
§. 1333. Der Schade, welchen der Schuldner seinem Gläubiger durch
Verzögerung der bedungenen Zahlung des schuldigen Capitals zugefügt hat, wird
durch die von dem Gesetze bestimmten Zinsen vergütet. (§. 995.)
§. 1334. Eine Verzögerung fällt einem Schuldner überhaupt zur
Last, wenn er den durch Gesetz oder Vertrag bestimmten Zahlungstag nicht
zuhält; oder wenn er in dem Falle, daß die Zahlungszeit nicht bestimmt ist,
nach dem Tage der geschehenen gerichtlichen oder außergerichtlichen Einmahnung
sich nicht mit dem Gläubiger abgefunden hat.
§. 1335. Hat der Gläubiger ohne gerichtliche Einmahnung die Zinsen
bis auf den Betrag der Hauptschuld steigen lassen; so erlischt das Recht, von
dem Capitale weitere Zinsen zu fordern. Von dem Tage der erhobenen Klage können
jedoch neuerdings Zinsen verlangt werden.
Bedingung des Vergütungsvertrages (Conventional-Strafe).
§. 1336. Die vertragschließenden Theile können eine besondere
Uebereinkunft treffen, daß, auf den Fall des entweder gar nicht, oder nicht auf
gehörige Art, oder des zu spät erfüllten Versprechens, anstatt des zu
vergütenden Nachtheiles ein bestimmter Geld- oder anderer Betrag entrichtet
werden solle. (§. 912.) Doch darf bey Darleihen der Betrag, worauf der Richter
erkennet, wegen verzögerter Zahlung die höchsten rechtlichen Zinsen nicht
übersteigen. In andern Fällen ist der Vergütungsbetrag, wenn er von dem
Schuldner als übermäßig erwiesen wird, von dem Richter, allenfalls nach
Einvernehmung der Sachverständigen, zu mäßigen. Die Bezahlung des
Vergütungsbetrages befreyet, außer dem Falle einer besondern Verabredung, nicht
von der Erfüllung des Vertrages.
Verbindlichkeit der Erben des Beschädigers.
§. 1337. Die Verbindlichkeit zum Ersatze des Schadens, und des
entgangenen Gewinnes, oder zur Entrichtung des bedungenen Vergütungsbetrages
haftet auf dem Vermögen, und geht auf die Erben über.
Rechtsmittel der Entschädigung.
§. 1338. Das Recht zum Schadensersatze muß in der Regel, wie jedes
andere Privat-Recht, bey dem ordentlichen Richter angebracht werden. Hat der
Beschädiger zugleich ein Strafgesetz übertreten; so trifft ihn auch die
verhängte Strafe. Die Verhandlung über den Schadensersatz aber gehört auch in
diesem Falle, in so fern sie nicht durch die Strafgesetze dem Strafgerichte
oder der politischen Behörde aufgetragen ist, zu dem Civil-Gerichte.
§. 1339. Die körperlichen Verletzungen, die widerrechtlichen
Kränkungen der Freyheit, und die Ehrenbeleidigungen, werden nach Beschaffenheit
der Umstände, entweder als Verbrechen von dem Criminal-Gerichte, oder als
schwere Polizey-Uebertretungen, und wenn sie zu keiner dieser Classen gehören,
als Vergehungen von der politischen Obrigkeit untersucht und bestraft.
§. 1340. Diese Behörden haben in dem Falle, daß sich die
Entschädigung unmittelbar bestimmen läßt, sogleich darüber nach den in diesem
Hauptstücke ertheilten Vorschriften zu erkennen. Wenn aber der Ersatz des
Schadens nicht unmittelbar bestimmt werden kann, ist in dem Erkenntnisse
überhaupt auszudrücken, daß dem Beschädigten die Entschädigung im Wege Rechtens
zu suchen vorbehalten bleibe. Dieser Weg ist auch in Criminal-Fällen dem
Beschädigten, und in andern Fällen beyden Theilen dann vorbehalten, wenn sie
mit der von der Strafbehörde erfolgten Bestimmung des Ersatzes sich nicht
befriedigen wollten.
§. 1341. Gegen das Verschulden eines Richters beschwert man sich
bey der höhern Behörde. Diese untersucht und beurtheilt die Beschwerde von Amts
wegen.
Dritter Theil des bürgerlichen Gesetzbuches.
Von den gemeinschaftlichen Bestimmungen der Personen- und
Sachenrechte.
Erstes Hauptstück.
Von Befestigung der Rechte und Verbindlichkeiten.
Gemeinschaftliche Bestimmungen der Rechte.
§. 1342. Sowohl Personenrechte als Sachenrechte, und daraus
entspringende Verbindlichkeiten können gleichförmig befestiget, umgeändert und
aufgehoben werden.
Arten der Befestigung eines Rechtes;
§. 1343. Die rechtlichen Arten der Sicherstellung einer
Verbindlichkeit und der Befestigung eines Rechtes, durch welche den
Berechtigten ein neues Recht eingeräumet wird, sind: die Verpflichtung eines
Dritten für den Schuldner, und die Verpfändung.
I.) durch Verpflichtung eines Dritten.
§. 1344. Ein Dritter kann sich den Gläubiger für den Schuldner auf
dreyerley Art verpflichten: Ein Mahl, wenn er mit Einwilligung des Gläubigers
die Schuld als Alleinzahler übernimmt; dann, wenn er der Verbindlichkeit als
Mitschuldner beytritt; endlich, wenn er sich für die Befriedigung des
Gläubigers auf den Fall verbindet, daß der erste Schuldner die Verbindlichkeit
nicht erfülle.
§. 1345. Wenn jemand mit Einwilligung des Gläubigers die ganze
Schuld eines Andern übernimmt; so geschieht keine Befestigung, sondern eine
Umänderung der Verbindlichkeit, wovon in dem folgenden Hauptstücke gehandelt
wird.
a) Als Bürge;
§. 1346. Wer sich zur Befriedigung des Gläubigers auf den Fall
verpflichtet, daß der erste Schuldner die Verbindlichkeit nicht erfülle, wird
ein Bürge, und das zwischen ihm und dem Gläubiger getroffene Uebereinkommen ein
Bürgschaftsvertrag genannt. Hier bleibt der erste Schuldner noch immer der
Hauptschuldner, und der Bürge kommt nur als Nachschuldner hinzu.
b) Als Mitschuldner;
§. 1347. Wenn jemand, ohne die den Bürgen zu Statten kommende
Bedingung, einer Verbindlichkeit als Mitschuldner beytritt; so entsteht eine
Gemeinschaft mehrerer Mitschuldner, deren rechtliche Folgen nach den in dem
Hauptstücke von Verträgen überhaupt gegebenen Vorschriften zu beurtheilen sind.
(§§. 888-896.)
Entschädigungsbürge.
§. 1348. Wer dem Bürgen auf den Fall, daß derselbe durch seine
Bürgschaft zu Schaden kommen sollte, Entschädigung zusagt, heißt
Entschädigungsbürge.
Wer sich verbürgen könne.
§. 1349. Fremde Verbindlichkeiten kann ohne Unterschied des
Geschlechtes jedermann auf sich nehmen, dem die freye Verwaltung seines
Vermögens zusteht.
Für welche Verbindlichkeiten.
§. 1350. Eine Bürgschaft kann nicht nur über Summen und Sachen,
sondern auch über erlaubte Handlungen und Unterlassungen in Beziehung auf den
Vortheil oder Nachtheil, welcher aus denselben für den Sichergestellten
entstehen kann, geleistet werden.
§. 1351. Verbindlichkeiten, welche nie zu Recht bestanden haben,
oder schon aufgehoben sind, können weder übernommen, noch bekräftiget werden.
§. 1352. Wer sich für eine Person verbürgt, die sich vermöge ihrer
persönlichen Eigenschaft nicht verbinden kann, ist, obschon ihm diese
Eigenschaft unbekannt war, gleich einem ungetheilten Mitschuldner verpflichtet.
(§. 896.)
Umfang der Bürgschaft.
§. 1353. Die Bürgschaft kann nicht weiter ausgedehnt werden, als
sich der Bürge ausdrücklich erkläret hat. Wer sich für ein zinsbares Capital
verbürget, haftet nur für jene rückständigen Zinsen, welche der Gläubiger noch
nicht einzutreiben berechtiget war.
§. 1354. Von der Einwendung, wodurch ein Schuldner nach Vorschrift
der Gesetze die Beybehaltung eines Theiles seines Vermögens zu seinem
Unterhalte zu fordern berechtiget ist, kann der Bürge nicht Gebrauch machen.
Wirkung.
§. 1355. Der Bürge kann in der Regel erst dann belanget werden,
wenn der Hauptschuldner auf des Gläubigers gerichtliche oder außergerichtliche
Einmahnung seine Verbindlichkeit nicht erfüllet hat.
§. 1356. Der Bürge kann aber, selbst wenn er sich ausdrücklich nur
für den Fall verbürget hat, daß der Hauptschuldner zu zahlen unvermögend sey,
zuerst belanget werden, wenn der Hauptschuldner in Concurs verfallen, oder wenn
er zur Zeit, als die Zahlung geleistet werden sollte, unbekannten Aufenthaltes,
und der Gläubiger keiner Nachlässigkeit zu beschuldigen ist.
§. 1357. Wer sich als Bürge und Zahler verpflichtet hat, haftet
als ungetheilter Mitschuldner für die ganze Schuld; es hängt von der Willkühr
des Gläubigers ab, ob er zuerst den Hauptschuldner, oder den Bürgen, oder beyde
zugleich belangen wolle. (§. 891.)
§. 1358. Wer die Schuld eines Andern bezahlt, tritt in die Rechte
des Gläubigers, und ist befugt, von dem Schuldner den Ersatz der bezahlten
Schuld zu fordern. Zu diesem Ende ist der befriedigte Gläubiger verbunden, dem
Zahler alle vorhandene Rechtsbehelfe und Sicherstellungsmittel auszuliefern.
§. 1359. Haben für den nähmlichen ganzen Betrag mehrere Personen
Bürgschaft geleistet; so haftet jede für den ganzen Betrag. Hat aber Eine von
ihnen die ganze Schuld abgetragen; so gebührt ihr gleich dem Mitschuldner (§.
896.) das Recht des Rückersatzes gegen die übrigen.
§. 1360. Wenn dem Gläubiger vor, oder bey Leistung der Bürgschaft
noch außer derselben von dem Hauptschuldner, oder einem Dritten ein Pfand
gegeben wird; so steht ihm zwar noch immer frey, den Bürgen der Ordnung nach
(§. 1355.) zu belangen; aber er ist nicht befugt, zu dessen Nachtheil sich des
Pfandes zu begeben.
§. 1361. Hat der Bürge oder Zahler den Gläubiger befriediget, ohne
sich mit dem Hauptschuldner einzuverstehen; so kann dieser Alles gegen jene
einwenden, was er gegen den Gläubiger hätte einwenden können.
§. 1362. Der Bürge kann von dem Entschädigungsbürgen nur dann
Entschädigung verlangen, wenn er sich den Schaden nicht durch sein eigenes
Verschulden zugezogen hat.
Arten der Erlöschung der Bürgschaft.
§. 1363. Die Verbindlichkeit des Bürgen hört verhältnißmäßig mit
der Verbindlichkeit des Schuldners auf. Hat sich der Bürge nur auf eine gewisse
Zeit verpflichtet; so haftet er nur für diesen Zeitraum. Die Entlassung eines
Mitbürgen kommt diesem zwar gegen den Gläubiger; aber nicht gegen die übrigen
Mitbürgen zu Statten. (§. 896).
§. 1364. Durch den Verlauf der Zeit, binnen welcher der Schuldner
hätte zahlen sollen, wird der Bürge, wenn auch der Gläubiger auf die
Befriedigung nicht gedrungen hat, noch nicht von seiner Bürgschaft befreyt;
allein er ist befugt, von dem Schuldner, wenn er mit dessen Einwilligung
Bürgschaft geleistet hat, zu verlangen, daß er ihm Sicherheit verschaffe. Auch
der Gläubiger ist dem Bürgen in so weit verantwortlich, als dieser wegen dessen
Saumseligkeit in Eintreibung der Schuld an Erhohlung des Ersatzes zu Schaden
kommt.
§. 1365. Wenn gegen den Schuldner ein gegründetes Besorgniß der
Zahlungsunfähigkeit oder der Entfernung aus den Erbländern, für welche dieses
Gesetzbuch vorgeschrieben ist, eintritt; so steht dem Bürgen das Recht zu, von
dem Schuldner die Sicherstellung der verbürgten Schuld zu verlangen.
§. 1366. Wenn das verbürgte Geschäft beendiget ist; so kann die
Abrechnung, und die Aufhebung der Bürgschaft gefordert werden.
§. 1367. Ist der Bürgschaftsvertrag weder durch eine Hypothek,
noch durch ein Faustpfand befestiget; so erlischt er binnen drey Jahren nach
dem Tode des Bürgen, wenn der Gläubiger in der Zwischenzeit unterlassen hat,
von dem Erben die verfallene Schuld gerichtlich oder außergerichtlich
einzumahnen.
II.) Durch Pfandvertrag.
§. 1368. Pfandvertrag heißt derjenige Vertrag, wodurch der
Schuldner, oder ein Anderer anstatt seiner auf eine Sache dem Gläubiger das
Pfandrecht wirklich einräumet, folglich ihm das bewegliche Pfandstück übergibt,
oder das unbewegliche durch die Pfandbücher verschreibt. Der Vertrag, ein Pfand
übergeben zu wollen, ist noch kein Pfandvertrag.
Wirkung des Pfandvertrages.
§. 1369. Was bey Verträgen überhaupt Rechtens ist, gilt auch bey
dem Pfandvertrage; er ist zweyseitig verbindlich. Der Pfandnehmer muß das
Handpfand wohl verwahren und es dem Verpfänder, so bald dieser die Befriedigung
leistet, zurück geben. Betrifft es eine Hypothek; so muß der befriedigte
Gläubiger den Verpfänder in den Stand setzen, die Löschung der Verbindlichkeit
aus den Hypotheken-Büchern bewirken zu können. Die mit dem Pfandbesitze
verknüpften Rechte und Verbindlichkeiten des Pfandgebers und Pfandnehmers sind
im sechsten Hauptstücke des zweyten Theiles bestimmt worden.
§. 1370. Der Handpfandnehmer ist verbunden, dem Pfandgeber einen
Pfandschein auszustellen, und darin die unterscheidenden Kennzeichen des
Pfandes zu beschreiben. Auch können die wesentlichen Bedingungen des
Pfandvertrages in dem Pfandscheine angeführet werden.
Unerlaubte Bedingungen.
§. 1371. Alle der Natur des Pfand- und Darleihensvertrages
entgegen stehende Bedingungen und Nebenverträge sind ungültig. Dahin gehören
die Verabredungen: daß nach der Verfallzeit der Schuldforderung das Pfandstück
dem Gläubiger zufalle; daß er es nach Willkühr, oder in einem schon im voraus
bestimmten Preise veräußern, oder für sich behalten könne; daß der Schuldner
das Pfand niemahls einlösen, oder ein liegendes Gut keinem Andern verschreiben,
oder daß der Gläubiger nach der Verfallzeit die Veräußerung des Pfandes nicht
verlangen dürfe.
§. 1372. Der Nebenvertrag, daß dem Gläubiger die Fruchtnießung der
verpfändeten Sache zustehen solle, ist ohne rechtliche Wirkung. Ist dem
Gläubiger der bloße Gebrauch eines beweglichen Pfandstückes eingeräumt worden
(§. 459.), so muß diese Benützung auf eine dem Schuldner unschädliche Art
geschehen.
Auf welche Art in der Regel Sicherstellung zu leisten ist.
§. 1373. Wer verbunden ist, eine Sicherstellung zu leisten, muß
diese Verbindlichkeit durch ein Handpfand, oder durch eine Hypothek erfüllen.
Nur in dem Falle, daß er ein Pfand zu geben außer Stande ist, werden taugliche
Bürgen angenommen.
§. 1374. Niemand ist schuldig eine Sache, die zur Sicherstellung
dienen soll, in einem höheren, als dem, bey Häusern auf die Hälfte, bey
Grundstücken aber, und bey beweglichen Gütern auf zwey Drittheile der Schätzung
bestimmten, Werthe zum Pfande anzunehmen. Wer ein angemessenes Vermögen
besitzt, und in der Provinz belangt werden kann, ist ein tauglicher Bürge.
Zweytes Hauptstück.
Von Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten.
Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten;
§. 1375. Es hängt von dem Willen des Gläubigers und des Schuldners
ab, ihre gegenseitigen willkührlichen Rechte und Verbindlichkeiten umzuändern.
Die Umänderung kann ohne, oder mit Hinzukunft einer dritten Person, und zwar
entweder eines neuen Gläubigers, oder eines neuen Schuldners geschehen.
1) durch Novation;
§. 1376. Die Umänderung ohne Hinzukunft einer dritten Person
findet Statt, wenn der Rechtsgrund, oder wenn der Hauptgegenstand einer
Forderung verwechselt wird, folglich die alte Verbindlichkeit in eine neue
übergeht.
§. 1377. Eine solche Umänderung heißt Neuerungsvertrag (Novation).
Vermöge dieses Vertrages hört die vorige Hauptverbindlichkeit auf, und die neue
nimmt zugleich ihren Anfang.
§. 1378. Die mit der vorigen Hauptverbindlichkeit verknüpften
Bürgschafts- Pfand- und anderen Rechte erlöschen durch den Neuerungsvertrag,
wenn die Theilnehmer nicht durch ein besonderes Einverständniß hierüber etwas
Anderes festgesetzt haben.
§. 1379. Die näheren Bestimmungen, wo, wann und wie eine schon
vorhandene Verbindlichkeit erfüllet werden soll, und andere Nebenbestimmungen,
wodurch in Rücksicht auf den Hauptgegenstand oder Rechtsgrund keine Umänderung
geschieht, sind eben so wenig als ein Neuerungsvertrag anzusehen, als die bloße
Ausstellung eines neuen Schuldscheines, oder einer andern dahin gehörigen
Urkunde. Auch kann eine solche Abänderung in den Nebenbestimmungen einem
Dritten, welcher derselben nicht beygezogen worden ist, keine neue Last
auflegen. Im Zweifel wird die alte Verbindlichkeit nicht für aufgelöst
gehalten, so lange sie mit der neuen noch wohl bestehen kann.
2) Vergleich.
§. 1380. Ein Neuerungsvertrag, durch welchen streitige, oder
zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt werden, daß jede Partey sich
wechselseitig etwas zu geben, zu thun, oder zu unterlassen verbindet, heißt
Vergleich. Der Vergleich gehört zu den zweyseitigen verbindlichen Verträgen, und
wird nach eben denselben Grundsätzen beurtheilet.
§. 1381. Wer dem Verpflichteten mit dessen Einwilligung ein
unstreitiges oder zweifelhaftes Recht unentgeldlich erläßt, macht eine
Schenkung (§. 939).
Ungültigkeit eines Vergleiches in Rücksicht des Gegenstandes;
§. 1382. Es gibt zweifelhafte Fälle, welche durch einen Vergleich
nicht beygelegt werden dürfen. Dahin gehört der zwischen Eheleuten über die
Gültigkeit ihrer Ehe entstandene Streit. Diesen kann nur der durch das Gesetz
bestimmte Gerichtsstand entscheiden.
§. 1383. Ueber den Inhalt einer letzten Anordnung kann vor deren
Bekanntmachung kein Vergleich errichtet werden. Die hierüber entstandene Wette
wird nach den Grundsätzen von Glücksverträgen beurtheilt.
§. 1384. Vergleiche über Gesetzübertretungen sind nur in Hinsicht
auf die Privat-Genugthuung gültig; die gesetzmäßige Untersuchung und Bestrafung
kann dadurch bloß dann abgewendet werden, wenn die Uebertretungen von der Art
sind, daß die Behörde nur auf Verlangen der Parteyen ihr Amt zu handeln angewiesen
ist.
oder anderer Mängel.
§. 1385. Ein Irrthum kann den Vergleich nur in so weit ungültig
machen, als er die Wesenheit der Person, oder des Gegenstandes betrifft.
§. 1386. Aus dem Grunde einer Verletzung über die Hälfte kann ein
redlich errichteter Vergleich nicht angefochten werden.
§. 1387. Eben so wenig können neu gefundene Urkunden, wenn sie
auch den gänzlichen Mangel eines Rechtes auf Seite einer Partey entdeckten,
einen redlich eingegangenen Vergleich entkräften.
§. 1388. Ein offenbarer Rechnungsverstoß, oder ein Fehler, welcher
bey dem Abschlusse eines Vergleiches in dem Summiren oder Abziehen begangen
wird, schadet keinem der vertragmachenden Theile.
Umfang des Vergleiches.
§. 1389. Ein Vergleich, welcher über eine besondere Streitigkeit
geschlossen worden ist, erstreckt sich nicht auf andere Fälle. Selbst
allgemeine, auf alle Streitigkeiten überhaupt lautende Vergleiche sind auf
solche Rechte nicht anwendbar, die geflissentlich verheimlichet worden sind,
oder auf welche die sich vergleichenden Parteyen nicht denken konnten.
Wirkung in Rücksicht der Nebenverbindlichkeiten.
§. 1390. Bürgen und Pfänder, welche zur Sicherheit des ganzen noch
streitigen Rechtes gegeben worden sind, haften auch für den Theil, der durch
den Vergleich bestimmt worden ist. Doch bleiben dem Bürgen und einem dritten
Verpfänder, welche dem Vergleiche nicht beygestimmt haben, alle Einwendungen
gegen den Gläubiger vorbehalten, welche ohne geschlossenen Vergleich der
Forderung hätten entgegengesetzt werden können.
§. 1391. Der Vertrag, wodurch Parteyen zur Entscheidung streitiger
Rechte einen Schiedsrichter bestellen, erhält seine Bestimmung in der
Gerichtsordnung.
3) Cession.
§. 1392. Wenn eine Forderung von einer Person an die andere
übertragen, und von dieser angenommen wird; so entsteht die Umänderung des
Rechtes mit Hinzukunft eines neuen Gläubigers. Eine solche Handlung heißt
Abtretung (Cession), und kann mit, oder ohne Entgeld geschlossen werden.
Gegenstände der Cession.
§. 1393. Alle veräußerliche Rechte sind ein Gegenstand der
Abtretung. Rechte, die der Person ankleben, folglich mit ihr erlöschen, können
nicht abgetreten werden. Schuldscheine, die auf den Ueberbringer lauten, werden
schon durch Uebergabe abgetreten, und bedürfen nebst dem Besitze keines andern
Beweises der Abtretung.
Wirkung.
§. 1394. Die Rechte des Uebernehmers sind mit den Rechten des
Ueberträgers in Rücksicht auf die überlassene Forderung eben dieselben.
§. 1395. Durch den Abtretungsvertrag entsteht nur zwischen dem
Ueberträger (Cedent) und dem Uebernehmer der Forderung (Cessionar); nicht aber
zwischen dem Letzten und dem übernommenen Schuldner (Cessus) eine neue
Verbindlichkeit. Daher ist der Schuldner, so lange ihm der Uebernehmer nicht
bekannt wird, berechtiget, den ersten Gläubiger zu bezahlen, oder sich sonst
mit ihm abzufinden.
§. 1396. Dieses kann der Schuldner nicht mehr, so bald ihm der
Uebernehmer bekannt gemacht worden ist; allein es bleibt ihm das Recht, seine
Einwendungen gegen die Forderung anzubringen. Hat er die Forderung gegen den
redlichen Uebernehmer für richtig erkannt; so ist er verbunden, denselben als
seinen Gläubiger zu befriedigen.
Haftung des Cedenten.
§. 1397. Wer eine Forderung ohne Entgeld abtritt, also verschenkt,
haftet nicht weiter für dieselbe. Kommt aber die Abtretung auf eine
entgeldliche Art zu Stande; so haftet der Ueberträger dem Uebernehmer sowohl
für die Richtigkeit, als für die Einbringlichkeit der Forderung, jedoch nie für
mehr, als er von dem Uebernehmer erhalten hat.
§. 1398. In so fern der Uebernehmer über die Einbringlichkeit der
Forderung aus den öffentlichen Pfandbüchern sich belehren konnte, gebührt ihm
in Rücksicht der Uneinbringlichkeit keine Entschädigung. Auch für eine zur Zeit
der Abtretung einbringliche, und durch einen bloßen Zufall oder durch Versehen
des Uebernehmers uneinbringlich gewordene Forderung haftet der Ueberträger
nicht.
§. 1399. Ein Versehen dieser Art begeht der Uebernehmer, wenn er
die Forderung zur Zeit, als sie aufgekündiget werden kann, nicht aufkündiget,
oder nach verfallener Zahlungsfrist nicht eintreibt; wenn er dem Schuldner
nachsieht; wenn er die noch mögliche Sicherheit zu rechter Zeit sich zu
verschaffen versäumt, oder die gerichtliche Execution zu betreiben unterläßt.
4) Anweisung (Assignation).
§. 1400. Durch die Hinzukunft eines neuen Schuldners kann eine
Umänderung der Verbindlichkeit entstehen, wenn der Schuldner an seine Stelle
einen Dritten als Zahler stellet, und den Gläubiger an ihn anweiset.
Vollständige Anweisung.
§. 1401. Wenn der angewiesene Gläubiger (Assignatar) den ihm zum
Zahler zugewiesenen Dritten (Assignaten) anstatt des anweisenden Schuldners
(Assignanten) annimmt, und der Assignat einwilliget; so ist die Anweisung
(Assignation) vollständig, der Assignatar kann in der Regel (§. 1406 u. 1407.)
die Forderung gegen den Assignanten nicht mehr stellen.
Unvollständige.
§. 1402. So lange diese dreyfache Einwilligung nicht vorhanden
ist, bleibt die Assignation unvollständig, und sie ist nur für diejenigen
Theile wirksam, die mit einander einverstanden sind.
§. 1403. Hat der Anweiser einem Dritten, der ihm nichts schuldig
ist, die Zahlung aufgetragen; so steht diesem frey, die Anweisung anzunehmen
oder nicht. Nimmt er sie nicht an, so kommt keine neue Verbindlichkeit zu
Stande; nimmt er sie an, so entsteht ein Vollmachtsvertrag zwischen ihm und dem
Assignanten, aber noch kein Vertrag mit dem Assignatar.
§. 1404. Der Assignant kann eine von dem Assignatar noch nicht
angenommene Assignation widerrufen. In diesem Falle ist der Assignat aus der
Vollmacht nicht mehr befugt, dem Assignatar die Zahlung zu leisten.
§. 1405. Will der Assignatar die erhaltene Anweisung nicht
annehmen, oder wird dieselbe von dem Assignaten nicht angenommen, oder kann sie
diesem seiner Abwesenheit wegen nicht vorgezeigt werden; so muß der Assignatar
dem Assignanten ohne Verzug davon Nachricht geben; widrigen Falls haftet er dem
Assignanten für die nachtheiligen Folgen.
§. 1406. Hat der Assignatar und der Assignat die Anweisung
angenommen, letzterer leistet aber die Zahlung nicht zur gehörigen Zeit; so haftet
der Assignant dem Assignatar dafür unter den nähmlichen Beschränkungen, unter
welchen der Cedent dem Uebernehmer für die Richtigkeit und Einbringlichkeit der
Forderung zu haften hat. (§§. 1397 u. 1399.)
§. 1407. Hat jedoch der Assignatar den Assignaten als Alleinzahler
anzunehmen sich ausdrücklich oder stillschweigend dadurch erklärt, daß er
seinen bisherigen Schuldner quittirt, oder ihm die Schuldurkunde ausgehändiget
hat; so wird der Assignant von aller Haftung gegen ihn befreyet.
§. 1408. Wenn der Assignant seinem Schuldner als Assignaten die
Zahlung nur in eben dem Maße, als er sie ihm zu leisten schuldig war, aufträgt,
und den Assignatar an ihn zum Empfange anweiset; so gilt dem Assignatar die
Assignation als eine Abtretungsurkunde, und es tritt zwischen ihm und dem
Assignaten eben das Verhältniß ein, welches zwischen dem Uebernehmer einer
Forderung und dem übernommenen Schuldner, dem der Uebernehmer bekannt gemacht
worden ist, Statt findet.
§. 1409. Wenn der Assignat über eine solche Assignation, die
zugleich eine Cession in sich begreift, die Zahlung ohne Grund verweigert, oder
wenn der Assignat überhaupt, nachdem er dem Assignatar die Zahlung zugesagt
hat, damit zögert; so haftet er für die Folgen. Hat er hingegen die auf sich
genommene Zahlung in gehöriger Art, und in einem größeren Betrage, als er dem
Assignanten schuldig war, geleistet; so gebührt ihm von diesem der Ersatz. (§.
1014.)
§. 1410. Handelsleute halten sich in Rücksicht der Anweisungen an
die besonderen, für sie bestehenden Vorschriften.
Drittes Hauptstück.
Von Aufhebung der Rechte und Verbindlichkeiten.
Aufhebung der Rechte u. Verbindlichkeiten.
§. 1411. Rechte und Verbindlichkeiten stehen in einem solchen
Zusammenhange, daß mit Erlöschung des Rechtes die Verbindlichkeit, und mit Erlöschen
der letzteren das Recht aufgehoben wird.
1.) Durch die Zahlung.
§. 1412. Die Verbindlichkeit wird vorzüglich durch die Zahlung,
das ist, durch die Leistung dessen, was man zu leisten schuldig ist, aufgelöset
(§. 469).
Wie die Zahlung zu leisten.
§. 1413. Gegen seinen Willen kann weder der Gläubiger gezwungen
werden, etwas anderes anzunehmen, als er zu fordern hat, noch der Schuldner,
etwas anderes zu leisten, als er zu leisten verbunden ist. Dieses gilt auch von
der Zeit, dem Orte und der Art, die Verbindlichkeit zu erfüllen.
§. 1414. Wird, weil der Gläubiger und der Schuldner einverstanden
sind, oder weil die Zahlung selbst unmöglich ist, etwas Anderes an
Zahlungs-Statt gegeben; so ist die Handlung als ein entgeldliches Geschäft zu
betrachten.
§. 1415. Der Gläubiger ist nicht schuldig, die Zahlung einer
Schuldpost theilweise, oder auf Abschlag anzunehmen. Sind aber verschiedene
Posten zu zahlen; so wird diejenige für abgetragen gehalten, welche der
Schuldner, mit Einwilligung des Gläubigers tilgen zu wollen, sich ausdrücklich
erkläret hat.
§. 1416. Wird die Willensmeinung des Schuldners bezweifelt, oder
von dem Gläubiger widersprochen; so sollen zuerst die Zinsen, dann das Capital,
von mehreren Capitalien aber dasjenige, welches schon eingefordert, oder
wenigstens fällig ist, und nach diesem dasjenige, welches schuldig zu bleiben
dem Schuldner am meisten beschwerlich fällt, abgerechnet werden.
wann;
§. 1417. Wenn die Zahlungsfrist auf keine Art bestimmt ist; so
tritt die Verbindlichkeit, die Schuld zu zahlen, erst mit dem Tage ein, an
welchem die Einmahnung geschehen ist. (§. 904.)
§. 1418. In gewissen Fällen wird die Zahlungsfrist durch die Natur
der Sache bestimmt. Alimente werden wenigstens auf einen Monath voraus bezahlt.
Stirbt der Verpflegte während dieser Zeit; so
sind dessen Erben nicht schuldig, etwas von der Vorausbezahlung zurück zu
geben.
§. 1419. Hat der Gläubiger gezögert, die Zahlung anzunehmen; so
fallen die widrigen Folgen auf ihn.
§. 1420. Wenn der Ort und die Art der Leistung nicht bestimmt
sind; so müssen die oben (§. 905). aufgestellten Vorschriften angewendet werden. Zahlungen, die außer
dem Falle eines Vertrags zu leisten sind, ist der Schuldner nur am Orte seines
Wohnsitzes abzuführen schuldig.
von wem;
§. 1421. Auch eine Person, die sonst unfähig ist, ihr Vermögen zu
verwalten, kann eine richtige und verfallene Schuld rechtmäßig abtragen, und
sich ihrer Verbindlichkeit entledigen. Hätte sie aber eine noch ungewisse, oder
nicht verfallene Schuld abgetragen; so ist ihr Vormund oder Curator
berechtiget, das Bezahlte zurück zu fordern.
§. 1422. Kann und will ein Dritter anstatt des Schuldners mit
dessen Einverständniß nach Maß der eingegangenen Verbindlichkeit bezahlen; so
muß der Gläubiger die Bezahlung annehmen, und dem Zahler sein Recht abtreten;
doch hat in diesen Falle der Gläubiger, außer dem Falle eines Betruges, weder
für die Einbringlichkeit, noch für die Richtigkeit der Forderung zu haften.
§. 1423. Ohne Einwilligung des Schuldners kann dem Gläubiger die Zahlung
von einem Dritten in der Regel (§. 462) nicht aufgedrungen werden. Nimmt er sie
aber an; so ist der Zahler berechtiget, selbst noch nach der geleisteten
Zahlung, die Abtretung des dem Gläubiger zustehendem Rechtes zu verlangen.
an wen;
§. 1424. Der Schuldbetrag muß dem Gläubiger oder dessen zum
Empfange geeigneten Machthaber, oder demjenigen geleistet werden, den das
Gericht als Eigenthümer der Forderung anerkannt hat. Was jemand an eine Person
bezahlt hat, die ihr Vermögen nicht selbst verwalten darf, ist er in so weit
wieder zu zahlen verbunden, als das Bezahlte nicht wirklich vorhanden, oder zum
Nutzen des Empfängers verwendet worden ist.
Gerichtliche Hinterlegung der Schuld.
§. 1425. Kann eine Schuld aus dem Grunde, weil der Gläubiger
unbekannt, abwesend, oder mit dem Angebothenen unzufrieden ist, oder aus andern
wichtigen Gründen nicht bezahlt werden; so steht dem Schuldner bevor, die
abzutragende Sache bey dem Gerichte zu
hinterlegen; oder, wenn sie dazu nicht geeignet ist, die gerichtliche Einleitung
zu deren Verwahrung anzusuchen. Jede dieser Handlungen, wenn sie rechtmäßig
geschehen und dem Gläubiger bekannt gemacht worden ist, befreyt den Schuldner
von seiner Verbindlichkeit, und wälzt die Gefahr der geleisteten Sache auf den
Gläubiger.
Quittungen;
§. 1426. Der Zahler ist in allen Fällen berechtiget, von dem
Befriedigten eine Quittung, nähmlich ein schriftliches Zeugniß der erfüllten
Verbindlichkeit, zu verlangen. In der Quittung muß der Nahme des Schuldners und
des Gläubigers, so wie der Ort, die Zeit und der Gegenstand der getilgten
Schuld ausgedrückt, und sie muß von dem Gläubiger, oder dessen Machthaber
unterschrieben werden.
§. 1427. Eine Quittung über das bezahlte Capital gründet die
Vermuthung, daß auch die Zinsen davon bezahlt worden seyn.
§. 1428. Besitzt der Gläubiger von dem Schuldner einen
Schuldschein; so ist er nebst Ausstellung einer Quittung verbunden, denselben
zurück zu geben, oder die allenfalls geleistete Abschlagszahlung auf dem
Schuldschein selbst abschreiben zu lassen. Der zurück erhaltene Schuldschein
ohne Quittung gründet für den Schuldner die rechtliche Vermuthung der
geleisteten Zahlung; er schließt aber den Gegenbeweis nicht aus. Ist der
Schuldschein, welcher zurück gegeben werden soll, in Verlust gerathen; so ist
der Zahlende berechtiget, Sicherstellung zu fordern, oder den Betrag
gerichtlich zu hinterlegen, und zu verlangen, daß der Gläubiger die Tödtung des Schuldscheines der Gerichtsordnung gemäß
bewirke.
§. 1429. Eine Quittung, die der Gläubiger dem Schuldner für eine
abgetragene neuere Schuldpost ausgestellt hat, beweiset zwar nicht, daß auch
andere ältere Posten abgetragen worden seyn: wenn es aber gewisse Gefälle,
Renten, oder solche Zahlungen betrifft, welche, wie Geld- Grund- Haus- oder
Capitals-Zinsen, aus eben demselben Titel und zu einer gewissen Zeit geleistet
werden sollen; so wird vermuthet, daß derjenige, welcher sich mit der Quittung
des letzt verfallenen Termines ausweiset, auch die früher verfallenen
berichtiget habe.
§. 1430. Eben so wird von Handels- und Gewerbsleuten, welche mit
ihren Abnehmern (Kunden) zu gewissen Fristen die Rechnung abzuschließen
pflegen, vermuthet; daß ihnen, wenn sie über die Rechnung aus einer späteren
Frist quittirt haben, auch die früheren Rechnungen bezahlt seyn.
Zahlung einer Nichtschuld.
§. 1431. Wenn jemand aus einem Irrthume, wäre es auch ein
Rechtsirrthum, eine Sache oder eine Handlung geleistet worden, wozu er gegen
den Leistenden kein Recht hat; so kann in der Regel im ersten Falle die Sache
zurückgefordert, im zweyten aber ein dem verschafften Nutzen angemessener Lohn
verlangt werden.
§. 1432. Doch können Zahlungen einer verjährten, oder einer
solchen Schuld, welche nur aus Mangel der Förmlichkeiten ungültig ist, oder zu
deren Eintreibung das Gesetz bloß das Klagerecht versagt, eben so wenig
zurückgefordert werden, als wenn jemand eine Zahlung leistet, von der er weiß,
daß er sie nicht schuldig ist.
§. 1433. Diese Vorschrift (§. 1432) kann aber auf den Fall, in
welchem ein Pflegebefohlener, oder eine andere Person bezahlt hat, welche nicht
frey über ihr Eigenthum verfügen kann, nicht angewendet werden.
§. 1434. Die Zurückstellung des Bezahlten kann auch dann begehret
werden, wenn die Schuldforderung auf was immer für eine Art noch ungewiß ist;
oder wenn sie noch von der Erfüllung einer beygesetzten Bedingung abhängt. Die Bezahlung einer richtigen und
unbedingten Schuld kann aber deßwegen nicht zurückgefordert werden, weil die
Zahlungsfrist noch nicht verfallen ist.
§. 1435. Auch Sachen, die als eine wahre Schuldigkeit gegeben
worden sind, kann der Geber von dem Empfänger zurück fordern, wenn der
rechtliche Grund, sie zu behalten, aufgehört hat.
§. 1436. War jemand verbunden, aus zwey Sachen nur Eine nach
seiner Willkühr zu geben, und hat er aus Irrthum beyde gegeben; so hängt es von
ihm ab, die eine, oder die andere zurück zu fordern.
§. 1437. Der Empfänger einer bezahlten Nichtschuld wird als ein
redlicher oder unredlicher Besitzer angesehen, je nachdem er den Irrthum des
Gebers gewußt hat, oder aus den Umständen vermuthen mußte, oder nicht.
2) Compensation.
§. 1438. Wenn Forderungen gegenseitig zusammentreffen, die
richtig, gleichartig, und so beschaffen sind, daß eine Sache, die dem Einen als
Gläubiger gebührt, von diesem auch als Schuldner dem Andern entrichtet werden
kann; so entsteht, in so weit die Forderungen sich gegen einander ausgleichen,
eine gegenseitige Aufhebung der Verbindlichkeit (Compensation), welche schon
für sich die gegenseitige Zahlung bewirket.
§. 1439. Zwischen einer richtigen und nicht richtigen, so wie
zwischen einer fälligen und noch nicht fälligen Forderung findet die
Compensation nicht Statt. In wie fern gegen eine Concurs-Masse die Compensation
Statt finde, wird in der Gerichtsordnung bestimmt.
§. 1440. Eben so lassen sich Forderungen, welche ungleichartige,
oder bestimmte und unbestimmte Sachen zum Gegenstande haben, gegen einander
nicht aufheben. Eigenmächtig entzogene, entlehnte oder in Verwahrung genommene
Stücke sind überhaupt kein Gegenstand der Compensation.
§. 1441. Ein Schuldner kann seinem Gläubiger dasjenige nicht in
Aufrechnung bringen, was dieser einem Dritten und der Dritte dem Schuldner zu
zahlen hat. Selbst eine Summe, die jemand an eine Staats-Casse zu fordern hat,
kann gegen eine Zahlung, die er an eine andere Staats-Casse leisten muß, nicht
abgerechnet werden.
§. 1442. Wenn eine Forderung allmählich auf mehrere übertragen
wird; so kann der Schuldner zwar die Forderung, welche er zur Zeit der
Abtretung an den ersten Inhaber derselben hatte,
so wie auch jene, die ihm gegen den letzten Inhaber zusteht, in Abrechnung
bringen; nicht aber auch diejenige, welche ihm an einen der Zwischeninhaber
zustand.
§. 1443. Gegen eine den öffentlichen Büchern einverleibte
Forderung kann die Einwendung der Compensation einem Cessionar nur dann entgegengesetzt werden, wenn die
Gegenforderung ebenfalls und zwar bey der Forderung selbst eingetragen, oder
dem Cessionar bey Uebernehmung der letztern bekannt gemacht worden ist.
3.) Entsagung.
§. 1444. In allen Fällen, in welchen der Gläubiger berechtiget
ist, sich seines Rechtes zu begeben, kann er demselben auch zum Vortheile
seines Schuldners entsagen, und hierdurch die Verbindlichkeit des Schuldners
aufheben.
4) Vereinigung.
§. 1445. So oft auf was immer für eine Art das Recht mit der
Verbindlichkeit in Einer Person vereinigt wird, erlöschen beyde; außer, wenn es
dem Gläubiger noch frey steht, eine Absonderung seiner Rechte zu verlangen (§§.
802 und 812), oder wenn Verhältnisse von ganz verschiedener Art eintreten.
Daher wird durch die Nachfolge des Schuldners in die Verlassenschaft seines
Gläubigers in den Rechten der Erbschaftsgläubiger, der Miterben oder Legatare,
und durch die Beerbung des Schuldners und Bürgen in den Rechten des Gläubigers
nichts geändert.
§. 1446. Rechte und Verbindlichkeiten, welche den öffentlichen
Büchern einverleibt sind, werden durch die Vereinigung in einer Person nicht
aufgehoben, bis die Löschung aus den öffentlichen Büchern erfolgt ist. (§§. 469
u. 526.)
5.) Untergang der Sache.
§1447. Der zufällige gänzliche Untergang einer bestimmten Sache
hebt alle Verbindlichkeit, selbst die, den Werth derselben zu vergüten, auf.
Dieser Grundsatz gilt auch für diejenigen Fälle, in welchen die Erfüllung der
Verbindlichkeit, oder die Zahlung einer Schuld durch einen andern Zufall unmöglich
wird. In jedem Falle muß aber der Schuldner das, was er um die Verbindlichkeit
in Erfüllung zu bringen erhalten hat, zwar gleich einem redlichen Besitzer,
jedoch auf solche Art zurückstellen oder vergüten, daß er aus dem Schaden des
Andern keinen Gewinn zieht.
6.) Tod.
§. 1448. Durch den Tod erlöschen nur solche Rechte und
Verbindlichkeiten, welche auf die Person eingeschränkt sind, oder die bloß
persönliche Handlungen des Verstorbenen betreffen.
7) Verlauf der Zeit.
§. 1449. Rechte und Verbindlichkeiten erlöschen auch durch den
Verlauf der Zeit, worauf sie durch einen letzten Willen, Vertrag, richterlichen
Ausspruch, oder durch das Gesetz beschränkt sind. Auf welche Art sie durch die
vom Gesetze bestimmte Verjährung aufgehoben werden, wird in dem folgenden
Hauptstücke festgesetzt.
Von der Einsetzung in den vorigen Stand.
§. 1450. Die bürgerlichen Gesetze, nach welchen widerrechtliche
Handlungen und Geschäfte, wenn die Verjährung nicht im Wege steht, unmittelbar
bestritten werden können, gestatten keine Einsetzung in den vorigen Stand. Die
zum gerichtlichen Verfahren gehörigen Fälle der Einsetzung in den vorigen Stand
sind in der Gerichtsordnung bestimmt.
Viertes Hauptstück.
Von der Verjährung und Ersitzung.
Verjährung.
§. 1451. Die Verjährung ist der Verlust eines Rechtes, welches
während der von dem Gesetze bestimmten Zeit nicht ausgeübt worden ist.
Ersitzung.
§. 1452. Wird das verjährte Recht vermöge des gesetzlichen
Besitzes zugleich auf jemand Andern übertragen; so heißt es ein ersessenes
Recht, und die Erwerbungsart, Ersitzung.
Wer verjähren und ersitzen kann.
§. 1453. Jeder, der sonst zu erwerben fähig ist, kann auch ein
Eigenthum oder andere Rechte durch Ersitzung erwerben.
Gegen wen?
§. 1454. Die Verjährung und Ersitzung kann gegen alle Privat-Personen,
welche ihre Rechte selbst auszuüben fähig sind, Statt finden. Gegen Mündel und
Pflegebefohlene; gegen Kirchen, Gemeinden und andere moralische Körper; gegen
Verwalter des öffentlichen Vermögens und gegen diejenigen, welche ohne ihr
Verschulden abwesend sind, wird sie nur unter den unten (§§. 1494, 1472 und
1475) folgenden Beschränkungen gestattet.
Welche Gegenstände.
§. 1455. Was sich erwerben läßt, kann auch ersessen werden. Sachen
hingegen, welche man vermöge ihrer wesentlichen Beschaffenheit, oder vermöge
der Gesetze nicht besitzen kann; ferner, Sachen und Rechte, welche
schlechterdings unveräußerlich sind, sind kein Gegenstand der Ersitzung.
§. 1456. Aus diesem Grunde können weder die dem Staatsoberhaupte
als solchen allein zukommenden Rechte, z. B. das Recht, Zölle anzulegen, Münzen
zu prägen, Steuern auszuschreiben, und andere Hoheitsrechte (Regalien) durch
Ersitzung erworben, noch die diesen Rechten entsprechenden Schuldigkeiten
verjährt werden.
§. 1457. Andere dem Staatsoberhaupte zukommende, doch nicht ausschließend
vorbehaltene Rechte, z. B. auf Waldungen, Jagden, Fischereyen u. d. gl., können
zwar überhaupt von andern Staatsbürgern, doch nur binnen einem längern als dem
gewöhnlichen Zeitraume (§. 1472.) ersessen werden.
§. 1458. Die Rechte eines Ehegatten, eines Vaters, eines Kindes und andere
Personen-Rechte sind kein Gegenstand der Ersitzung. Doch kommt denjenigen,
welche dergleichen Rechte redlicher Weise ausüben, die schuldlose Unwissenheit
zur einstweiligen Behauptung und Ausübung ihrer vermeinten Rechte zu Statten.
§. 1459. Die Rechte eines Menschen über seine Handlungen und über sein
Eigenthum, z. B. eine Ware da oder dort zu kaufen, seine Wiesen oder sein
Wasser zu benutzen, unterliegen, außer dem Falle, daß das Gesetz mit der binnen
einem Zeitraume unterlassenen Ausübung ausdrücklich den Verlust derselben
verknüpfet, keiner Verjährung. Hat aber eine Person der andern die Ausübung
eines solchen Rechtes untersagt, oder sie daran verhindert; so fängt der Besitz
des Untersagungsrechtes von Seite der Einen gegen die Freyheit der Andern von
dem Augenblicke an, als sich diese dem Verbothe, oder der Verhinderung gefüget
hat, und es wird dadurch, wenn alle übrige Erfordernisse eintreffen, die
Verjährung oder die Ersitzung bewirket. (§. 313 u. 351.)
Erfordernisse zur Ersitzung:
1) Besitz.
§. 1460. Zur Ersitzung wird nebst der Fähigkeit der Person und des
Gegenstandes erfordert: daß jemand die Sache oder das Recht, die auf diese Art
erworben werden sollen, wirklich besitze; daß sein Besitz rechtmäßig, redlich
und echt sey, und durch die ganze von dem Gesetze bestimmte Zeit fortgesetzt
werde. (§. 309, 316, 326 und 345.)
Und zwar a) ein rechtmäßiger;
§. 1461. Jeder Besitz, der sich auf einen solchen Titel gründet, welche zur
Uebernahme des Eigenthumes, wenn solches dem Uebergeber gebührt hätte,
hinlänglich gewesen wäre, ist rechtmäßig und zur Ersitzung hinreichend.
Dergleichen sind, z. B. das Vermächtniß, die Schenkung, das Darleihen, der Kauf
und Verkauf, der Tausch, die Zahlung u. s. w.
§. 1462. Verpfändete, geliehene, in Verwahrung, oder zur Fruchtnießung
gegebene Sachen können von Gläubigern, Entlehnern und Verwahrern oder
Fruchtnießern, aus Mangel eines rechtmäßigen Titels, niemahls ersessen werden.
Ihre Erben stellen die Erblasser vor, und haben nicht mehr Titel als dieselben.
Nur dem dritten rechtmäßigen Besitzer kann die Ersitzungszeit zu Statten
kommen.
b) redlicher;
§. 1463. Der Besitz muß redlich seyn. Die Unredlichkeit des vorigen
Besitzers hindert aber einen redlichen Nachfolger oder Erben nicht, die
Ersitzung von dem Tage seines Besitzes anzufangen. (§. 1493.)
c) echter.
§. 1464. Der Besitz muß auch echt seyn. Wenn jemand sich einer Sache mit
Gewalt oder List bemächtiget, oder in den Besitz heimlich einschleicht, oder
eine Sache nur bittweise besitzt; so kann weder er selbst, noch können seine
Erben dieselbe verjähren.
2) Verlauf der Zeit.
§. 1465. Zur Ersitzung und Verjährung ist auch der in dem Gesetze
vorgeschriebene Verlauf der Zeit nothwendig. Außer dem, durch die Gesetze für
einige besondere Fälle festgesetzten Zeitraume, wird hier das in allen übrigen
Fällen zur Ersitzung oder Verjährung nöthige Zeitmaß überhaupt bestimmt. Es
kommt dabey sowohl auf die Verschiedenheit der Rechte und der Sachen, als der
Personen an.
Ersitzungszeit. Ordentliche;
§. 1466. Das Eigenthumsrecht, dessen Gegenstand eine bewegliche Sache ist,
wird durch einen dreyjährigen rechtlichen Besitz ersessen.
§. 1467. Von unbeweglichen Sachen ersitzt
derjenige, auf dessen Nahmen sie den öffentlichen Büchern einverleibt sind, das
volle Recht gegen allen Widerspruch ebenfalls durch Verlauf von drey Jahren.
Die Gränzen der Ersitzung werden nach dem Maße des eingetragenen Besitzes
beurtheilt.
§. 1468. Wo noch keine ordentlichen öffentlichen Bücher eingeführt sind, und
die Erwerbung unbeweglicher Sachen aus den Gerichts-Acten und andern Urkunden
zu erweisen ist, oder wenn die Sache auf den Nahmen desjenigen, der die
Besitzrechte darüber ausübet, nicht eingetragen ist; wird die Ersitzung erst
nach dreyßig Jahren vollendet.
§. 1469. Dienstbarkeiten und andere auf fremdem Boden ausgeübte besondere
Rechte werden, wie das Eigenthumsrecht, von demjenigen, auf dessen Nahmen sie
den öffentlichen Büchern einverleibt sind, binnen drey Jahren ersessen.
§. 1470. Wo noch keine ordentlichen öffentlichen Bücher bestehen, oder ein
solches Recht denselben nicht einverleibt ist, kann es der redliche Inhaber
erst nach dreyßig Jahren ersitzen.
§. 1471. Bey Rechten, die selten ausgeübt werden können, z. B. bey dem
Rechte, eine Pfründe zu vergeben, oder jemanden bey Herstellung einer Brücke
zum Beytrage anzuhalten, muß derjenige, welcher die Ersitzung behauptet, nebst
einem Verlaufe von dreyßig Jahren, zugleich erweisen, daß der Fall zur Ausübung
binnen dieser Zeit wenigstens drey Mahl sich ergeben, und er jedes Mahl dieses
Recht ausgeübt habe.
Außerordentliche.
§. 1472. Gegen den Fiscus, das ist, gegen die Verwalter der Staatsgüter und
des Staatsvermögens, in so weit die Verjährung Platz greift (§§. 287, 289 u.
1456-1457), ferner gegen die Verwalter der Güter der Kirchen, Gemeinden und
anderer erlaubten Körper, reicht die gemeine ordentliche Ersitzungszeit nicht
zu. Der Besitz beweglicher Sachen, so wie auch der Besitz der unbeweglichen,
oder der darauf ausgeübten Dienstbarkeiten und anderer Rechte, wenn sie auf den
Nahmen des Besitzers den öffentlichen Büchern einverleibt sind, muß durch sechs
Jahre fortgesetzt werden. Rechte solcher Art, die auf den Nahmen des Besitzers
in die öffentlichen Bücher nicht einverleibt sind, und alle übrige Rechte
lassen sich gegen den Fiscus und die hier angeführten begünstigten Personen nur
durch den Besitz von vierzig Jahren erwerben.
§. 1473. Wer mit einer von dem Gesetze in Ansehung der Verjährungszeit
begünstigten Person in Gemeinschaft steht, dem kommt die nähmliche Begünstigung
zu Statten. Begünstigungen der längeren Verjährungsfrist haben auch gegen
andere, darin ebenfalls begünstigte, Personen ihre Wirkung.
§. 1474. Die Eigenschaft eines Familien-Fideicommisses, eines Erbpacht- und
Erbzinsgutes geht nur durch einen frey eigenthümlichen Besitz von vierzig
Jahren verloren.
§. 1475. Der Aufenthalt des Eigenthümers außer der Provinz, in welcher sich
die Sache befindet, steht der ordentlichen Ersitzung und Verjährung in so weit
entgegen, daß die Zeit einer willkührlichen und schuldlosen Abwesenheit nur zur
Hälfte, folglich Ein Jahr nur für sechs Monathe, gerechnet wird. Doch soll auf
kurze Zeiträume der Abwesenheit, welche durch kein volles Jahr ununterbrochen
gedauert haben, nicht Bedacht genommen, und überhaupt die Zeit nie weiter als
bis auf dreyßig Jahre zusammen ausgedehnet werden. Schuldbare Abwesenheit
genießt keine Ausnahme von der ordentlichen Verjährungszeit.
§. 1476. Auch derjenige, welcher eine bewegliche Sache unmittelbar von
einem unechten, oder von einem unredlichen Besitzer an sich gebracht hat, oder
seinen Vormann anzugeben nicht vermag; muß den Verlauf der sonst ordentlichen
Ersitzungszeit doppelt abwarten.
§. 1477. Wer die Ersitzung auf einen Zeitraum von dreyßig oder vierzig
Jahren stützt, bedarf keiner Angabe des rechtmäßigen Titels. Die gegen ihn
erwiesene Unredlichkeit des Besitzes schließt aber auch in diesem längeren
Zeitraume die Ersitzung aus.
Verjährungszeit. Ordentliche.
§. 1478. In so fern jede Ersitzung eine Verjährung in sich begreift, werden
beyde mit den vorgeschriebenen Erfordernissen in Einem Zeitraume vollendet. Zur
eigentlichen Verjährung aber ist der bloße Nichtgebrauch eines Rechtes, das an
sich schon hätte ausgeübt werden können, durch dreyßig Jahre hinlänglich.
§. 1479. Alle Rechte gegen einen Dritten, sie mögen den öffentlichen
Büchern einverleibt seyn oder nicht, erlöschen also in der Regel längstens
durch den dreyßigjährigen Nichtgebrauch, oder durch ein so lange Zeit
beobachtetes Stillschweigen.
§. 1480. Forderungen von rückständigen jährlichen Abgaben, Zinsen, Renten
oder Dienstleistungen erlöschen in drey Jahren; das Recht selbst wird durch
einen Nichtgebrauch von dreyßig Jahren verjährt.
Ausnahmen.
§. 1481. Die in dem Familien- und überhaupt in dem Personen-Rechte
gegründeten Verbindlichkeiten, z. B. den Kindern den unentbehrlichen Unterhalt
zu verschaffen, so wie diejenigen, welche dem oben (§. 1459.) angeführten
Rechte, mit seinem Eigenthume frey zu schalten, zusagen, z. B. die
Verbindlichkeit, die Theilung einer gemeinschaftlichen Sache oder die
Gränzbestimmung vornehmen zu lassen, können nicht verjährt werden.
§. 1482. Auf gleiche Weise wird derjenige, welcher ein Recht auf einem
fremden Grunde in Ansehung des Ganzen oder auf verschiedene beliebige Arten
ausüben konnte, bloß dadurch, daß er es durch noch so lange Zeit nur auf einem
Theile des Grundes oder nur auf eine bestimmte Weise ausübte, in seinem Rechte
nicht eingeschränkt; sondern die Beschränkung muß durch Erwerbung oder
Ersitzung des Untersagungs- oder Hinderungsrechtes bewirkt werden. (§. 351.)
Eben dieses ist auch auf den Fall anzuwenden, wenn jemand ein gegen alle
Mitglieder einer Gemeinde zustehendes Recht bisher nur gegen gewisse Mitglieder
derselben ausgeübt hat.
§. 1483. So lange der Gläubiger das Pfand in Händen hat, kann ihm die
unterlassene Ausübung des Pfandrechtes nicht eingewendet und das Pfandrecht
nicht verjährt werden. Auch das Recht des Schuldners, sein Pfand einzulösen,
bleibt unverjährt. In so fern aber die Forderung den Werth des Pfandes
übersteigt, kann sie inzwischen durch Verjährung erlöschen.
§. 1484. Zur Verjährung solcher Rechte, die nur selten ausgeübt werden
können, wird erfordert, daß während der Verjährungszeit von dreyßig Jahren von
drey Gelegenheiten, ein solches Recht auszuüben, kein Gebrauch gemacht worden
sey. (§. 1471.)
§. 1485. In Rücksicht der in dem (§. 1472) begünstigten Personen werden,
wie zur Ersitzung, also auch zur Verjährung, vierzig Jahre erfordert.
Außerordentliche kürzere
Verjährungszeit.
§. 1486. Die allgemeine Regel, daß ein Recht wegen des Nichtgebrauches erst
nach Verlauf von dreyßig oder vierzig Jahren verloren gehe, ist nur auf
diejenigen Fälle anwendbar, für welche das Gesetz nicht schon einen kürzeren
Zeitraum ausgemessen hat. (§. 1465.)
§. 1487. Die Rechte, eine Erklärung des letzten Willens umzustoßen; den
Pflichttheil oder dessen Ergänzung zu fordern; eine Schenkung wegen
Undankbarkeit des Beschenkten zu widerrufen; einen entgeldlichen Vertrag wegen
Verletzung über die Hälfte aufzuheben, oder die vorgenommene Theilung eines
gemeinschaftlichen Gutes zu bestreiten; und die Forderung wegen einer bey dem
Vertrage unterlaufenen Furcht, oder eines Irrthumes, wobey sich der andere
vertragmachende Theil keiner List schuldig gemacht hat, müssen binnen drey
Jahren geltend gemacht werden. Nach Verlauf dieser Zeit sind sie verjährt.
§. 1488. Das Recht der Dienstbarkeit wird durch den Nichtgebrauch verjährt,
wenn sich der verpflichtete Theil der Ausübung der Servitut widersetzt, und der
Berechtigte durch drey auf einander folgende Jahre sein Recht nicht geltend
gemacht hat.
§. 1489. Jede Entschädigungsklage erlischt nach drey Jahren von der Zeit
an, zu welcher der Schade dem Beschädigten bekannt wurde. Ist ihm der Schade
nicht bekannt worden, oder ist derselbe aus einem Verbrechen entstanden; so
verjährt sich das Klagerecht nur nach dreyßig Jahren.
§. 1490. Klagen über Injurien, die lediglich in Beschimpfungen durch Worte,
Schriften oder Geberden bestehen, können nach Verlauf Eines Jahres nicht mehr
erhoben werden. Besteht aber die Beleidigung in Thätlichkeiten; so dauert das
Klagerecht auf Genugthuung durch drey Jahre.
§. 1491. Einige Rechte sind von den Gesetzen auf eine noch kürzere Zeit
eingeschränkt. Hierüber kommen die Vorschriften an den Orten, wo diese Rechte
abgehandelt werden, vor.
§. 1492. Wie lange das Wechselrecht einem Wechselbriefe zu Statten komme,
ist in der Wechselordnung bestimmt.
Einrechnung der Verjährungszeit des Vorfahrers.
§. 1493. Wer eine Sache von einem rechtmäßigen und redlichen Besitzer
redlich übernimmt, der ist als Nachfolger berechtiget, die Ersitzungszeit
seines Vorfahrers mit einzurechnen (§. 1463). Eben dieses gilt auch von der
Verjährungszeit. Bey einer Ersitzung von dreyßig oder vierzig Jahren findet
diese Einrechnung auch ohne einen rechtmäßigen Titel, und bey der eigentlichen
Verjährung selbst ohne guten Glauben, oder schuldlose Unwissenheit Statt.
Hemmung der Verjährung.
§. 1494. Gegen solche Personen, welche aus Mangel ihrer Geisteskräfte ihre
Rechte selbst zu verwalten unfähig sind, wie gegen Pupillen, Wahn- oder Blödsinnige, kann die
Ersitzungs- oder Verjährungszeit, dafern diesen Personen keine gesetzlichen
Vertreter bestellt sind, nicht anfangen. Die ein Mahl angefangene Ersitzungs-
oder Verjährungszeit läuft zwar fort; sie kann aber nie früher als binnen zwey
Jahren nach den gehobenen Hindernissen vollendet werden.
§. 1495. Auch zwischen Ehegatten, dann zwischen Kindern oder
Pflegebefohlenen, und ihren Aeltern oder Vormündern kann, so lang erstere in
ehelicher Verbindung, letztere unter älterlicher oder vormundschaftlicher
Gewalt stehen, die Ersitzung oder Verjährung weder angefangen, noch fortgesetzt
werden.
§. 1496. Durch Abwesenheit in Civil- oder Kriegsdiensten, oder durch
gänzlichen Stillstand der Rechtspflege, z. B. in Pest- oder Kriegszeiten, wird
nicht nur der Anfang, sondern so lange dieses Hinderniß dauert, auch die
Fortsetzung der Ersitzung oder Verjährung gehemmet.
Unterbrechung der Verjährung.
§. 1497. Die Ersitzung sowohl, als die Verjährung wird unterbrochen, wenn
derjenige, welcher sich auf dieselbe berufen will, vor dem Verlaufe der
Verjährungszeit entweder ausdrücklich oder stillschweigend das Recht des Andern
anerkannt hat, oder wenn er von dem Berechtigten belangt, und die Klage gehörig
fortgesetzt wird. Wird aber die Klage durch einen rechtskräftigen Spruch für
unstatthaft erklärt; so ist die Verjährung für ununterbrochen zu halten.
Wirkung der Ersitzung oder Verjährung.
§. 1498. Wer eine Sache oder ein Recht ersessen hat, kann gegen den
bisherigen Eigenthümer bey dem Gerichte die Zuerkennung des Eigenthumes
ansuchen, und das zuerkannte Recht, wofern es einen Gegenstand der öffentlichen
Bücher ausmacht, den letzteren einverleiben lassen.
§. 1499. Auf gleiche Art kann nach Verlauf der Verjährung der Verpflichtete
die Löschung seiner in den öffentlichen Büchern eingetragenen Verbindlichkeit,
oder die Nichtigerklärung des dem Berechtigten bisher zugestandenen Rechtes und
der darüber ausgestellten Urkunden erwirken.
§. 1500. Das aus der Ersitzung oder Verjährung erworbene Recht kann aber
demjenigen, welcher im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor der
Einverleibung desselben eine Sache oder ein Recht an sich gebracht hat, zu
keinem Nachtheile gereichen.
§. 1501. Auf die Verjährung ist, ohne Einwendung der Parteyen, von Amts
wegen kein Bedacht zu nehmen.
Entsagung oder Verlängerung der
Verjährung.
§. 1502. Der Verjährung kann weder im voraus entsagt, noch kann eine
längere Verjährungsfrist, als durch die Gesetze bestimmt ist, bedungen werden.
1 Siehe JGS 1846/Nr. 970: „Hinsichtlich des Schatzes
überhaupt, somit auch hinsichtlich archäologischer Funde, wird das Drittheil,
welches nach §. 399 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für das
Staatsvermögen vorbehalten ist, von nun an aufgegeben; der Schatz ist daher
ohne Abzug dieses Drittheiles zwischen dem Finder und dem Eigenthümer des
Grundes zu gleichen Theilen, und bei getheiltem Eigenthume des Grundes ist der
auf den Eigenthümer des Grundes fallende Theil zwischen den Ober- und
Nutzungs-Eigenthümer zu theilen.“