Einführung in die
Rechtswissenschaft
Grundbegriffe
und Grundlagen
fünfte
Auflage
Gerhard
Köbler
Gerhard
Köbler
Einführung
in die Rechtswissenschaft
Grundbegriffe
und Grundlagen
©2010 Studia
Universitätsverlag, Herzog-Siegmund-Ufer 15, 6020 Innsbruck
Druck und
Buchbinderei: Studia Universitätsbuchhandlung und -verlag
Printed in
Austria 2011
Alle Rechte,
insbesondere das Recht der Vervielfältigung, der Verbreitung, der Speicherung
in elektronischen Datenanlagen sowie der Übersetzung, sind vorbehalten.
Einführung in die Rechtswissenschaft
Vgl. Köbler,
Gerhard, Wie werde ich Jurist? - Eine Einführung in das Studium des
Rechts, 5. Auflage 2006;
Fachwörterbuch Einführung in die Rechtswissenschaften, hg. v. Piska, C. u. a.,
2009
Vorwort
Seit vielen Jahrhunderten wird in
Europa Rechtswissenschaft gelehrt. Hunderttausenden von werdenden Juristen hat das
dafür nötige Lernen Verständnisschwierigkeiten bereitet. Sie zu lindern, ist
das Ziel dieser Einführung in die Rechtswissenschaft.
Sie schildert jedem Interessierten
leicht verständlich die Ausbildungsorganisation, den Ausbildungsablauf, die
Ausbildungsveranstaltungen, die Ausbildungsmaterialien und die
Ausbildungsfächer.
Sehr verpflichtet bin ich allen, die
mich hierbei unterstützt haben. Sehr danken werde ich für alle künftigen
Anregungen und Empfehlungen. Möge durch vorbehaltlose Zusammenarbeit gemeinsames
Wissen bestmöglich gefördert werden.
Gerhard Köbler
Inhaltsverzeichnis
§ 1 Einführung
A) Jurist
B) Wissenschaft
C) Universität
D) Studium
E) Prüfungen
F) Lehrveranstaltungsplan
G) Lehrveranstaltungsprüfung
H) Literatur
§ 2 Recht
A) Wesen
B) Dimensionen
C) Arten
D) Gestalt
E) Anwendung
F) Quelle
§ 3 Verfassung
A) Verfassung im Alltagleben
B) Wesen
C) Arten
D) Einzelfälle
I. Vereinte Nationen
II. Europäische Union
III. Österreich
1. Allgemeine Bestimmungen
2. Gesetzgebung des Bundes
3. Vollziehung des Bundes
4. Gesetzgebung und Vollziehung der
Länder
5. Selbstverwaltung
6. Rechnungs- und Gebarungskontrolle
7. Garantien
8. Volksanwaltschaft
9. Schlussbestimmungen
10. Zusätzliche
Bundesverfassungsgesetze und zusätzliche Verfassungsbestimmungen
11. Grundrechte
IV. Land (z. B. Tirol)
§ 4 Verwaltung
A) Rechtswirklichkeit
B) Wesen
C) Arten
D) Rechtsgrundlagen
E) Verwaltungsorganisation
F) Verwaltungshandeln
§ 5 Verfahren
A) Rechtswirklichkeit
B) Wesen
C) Organisation
D) Zivilverfahren
E) Strafverfahren
F) Außerstreitverfahren
G) Grundsätze des Verfahrensrechts
§ 6 Straftat
A) Rechtswirklichkeit
B) Arten
C) Vorsatzbegehungserfolgsdelikt
D) Sonderfragen
E) Rechtsfolge
F) Strafzweck
G) Einzelne Straftatbestände
§ 7 Person
A) Privatrecht
B) Natürliche Person
C) Juristische Person
D) Entstehung von Rechten und
Pflichten
§ 8 Schuld(verhältnis)
A) Rechtswirklichkeit
B) Wesen
C) Arten
D) Entstehung
E) Inhalt
F) Störungen
G) Beendigung
H) Einzelne Schuldverhältnisse
I) Verwirklichung
§ 9 Sache
A) Rechtswirklichkeit
B) Wesen
C) Arten
D) Einzelfälle
I. Besitz
II. Eigentum
III. Beschränkte dingliche Rechte (z.
B. Pfandrecht)
§ 10 Familie, Erbe, Unternehmen,
Arbeit, Erfindung
A) Familie
I. Ehe
II. Kind
B) Erbe
C) Unternehmen (Handel)
I. Unternehmer
II. Gesellschaft
III. Unternehmensbezogenes Geschäft
D) Arbeit
E) Erfindung
Abkürzungsverzeichnis (in Österreich ohne Punkte, bei
Gesetzeskurznamen ohne Punkte)
A. Auflage (oder s. Aufl.)
a. A. anderer
Ansicht
a. a. O. am angegebenen Ort (möglichst vermeiden)
ABGB (Österreichisches)
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
Abh. Abhandlungen
ABl. Amtsblatt
Abs. Absatz
a. E. am
Ende
a. F. alte
Fassung
AG Ausführungsgesetz;
Amtsgericht; Aktiengesellschaft
AGB Allgemeine
Geschäftsbedingungen (möglichst vermeiden)
AktG Aktiengesetz
Alt. Alternative
a. M. anderer
Meinung
AmtsG Amtsgericht
(Deutschland)
Anm. Anmerkung
(oder Fußnote)
Art. Artikel
AT Allgemeiner
Teil (nur in Fußnoten gebrauchen)
Aufl. Auflage
(oder s. A.)
Az. Aktenzeichen
B Bundes
Bd. Band
bestr. bestritten
Bf. Beschwerdeführer
BG Bezirksgericht
(Österreich)
BGB Bürgerliches
Gesetzbuch (Deutschland)
BGBl. Bundesgesetzblatt
BGH Bundesgerichtshof (Deutschland)
BT Besonderer
Teil (nur in Fußnoten gebrauchen)
BVerfG Bundesverfassungsgericht (Deutschland)
cc code
civil (Frankreich)
c. i. c. culpa in contrahendo (vermeiden)
ders. derselbe
(vermeiden)
Diss. Dissertation
Dr. Doktor
(lat. doctor, M., Lehrer)
Dres. Doctores
(= Plural)
DVO Durchführungsverordnung
E Entscheidung(en),
Entwurf
ebda ebenda
EG Einführungsgesetz
EheG Ehegesetz
Einl Einleitung
EuGH Gerichtshof
(der Europäischen Union)
f. folgende
Seite (, folgender Paragraph usw.)
ff. folgende
Seiten (, folgende Paragraphen usw.)
Fn. Fußnote
(oder Anmerkung)
FS Festschrift
GBl. Gesetzblatt
GBO Grundbuchordnung,
Grundbuchsordnung (in Österreich)
GG Grundgesetz
(Deutschland)
GmbH Gesellschaft
mit beschränkter Haftung(, GesmbH in Österreich)
GVBl Gesetz-
und Verordnungsblatt
H. Hälfte
h. A. herrschende
Ansicht
HGB Handelsgesetzbuch
hg. herausgegeben
h. L. herrschende
Lehre
h. M. herrschende
Meinung
Hs. Halbsatz
i. d. F. in der Fassung
IPR Internationales
Privatrecht (vermeiden)
JuS Juristische
Schulung
KG Kommanditgesellschaft
KJB Karlsruher
Juristische Bibliographie
KVK Karlsruher
Virtueller Katalog http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html
LG Landgericht
(, in Österreich Landesgericht)
Mat. Materialien
MBl. Ministerialblatt
m. w. N. mit weiteren Nachweisen
Nachw. Nachweis
n. F. neue
Fassung
N. F Neue
Folge
NJW Neue
Juristische Wochenschrift
OGH Oberster
Gerichtshof (in Österreich)
OHG offene
Handelsgesellschaft
OLG Oberlandesgericht
OVG Oberverwaltungsgericht
Rdz. Randziffer
RG Reichsgericht
RGBl. Reichsgesetzblatt
Rspr. Rechtsprechung
s. siehe
S. Seite,
Satz
St Strafsachen,
s. BGH, RG
StA Staatsanwalt(schaft)
(vermeiden)
StGB Strafgesetzbuch
StPO Strafprozessordnung
str. streitig
stRspr. ständige Rechtsprechung
StVG Straßenverkehrsgesetz
StVO Straßenverkehrsordnung
unstr. unstreitig
VA Verwaltungsakt
(vermeiden)
VfGH Verfassungsgerichtshof
(in Österreich)
VGH Verwaltungsgerichtshof
vgl. vergleiche
VO Verordnung
Z Zivilsachen,
s. BGH, RG
ZPO Zivilprozessordnung
Wer Rechtswissenschaft studieren will,
weiß meistens nicht, was ihn erwartet, weil er vor dem Studium des Rechts weder
Wissenschaft noch Recht wirklich kennt. Deswegen soll ihm eine Einführung die
wichtigsten Grundgegebenheiten aufzeigen. Sie kann dadurch einfache
Grundstrukturen legen und einprägen helfen, damit beliebige Einzelheiten bei
späterer Vertiefung ohne weiteres in ein festes Grundgerüst sicher und leicht
eingeordnet werden können.
Literatur: Handbuch der Universitäten
und Fachhochschulen, Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Schweiz, 18. A.
2008, e-book 2010
§ 1 Einführung
A) Jurist
B) Wissenschaft
C) Universität
D) Studium
E) Prüfungen
F) Lehrveranstaltungsplan
G) Lehrveranstaltungsprüfung
H) Literatur
Spätestens am Beginn des Studiums der
Rechtswissenschaft kann sich der Interessent nicht nur fragen, was Rechtswissenschaft
überhaupt ist, sondern auch, warum er Rechtswissenschaft studieren will. Der
Grund hierfür kann eine primäre, nicht weiter hinterfragbare Zuneigung zu
Gerechtigkeit und Recht sein (Primärmotivation). Meist beruht das Interesse
aber auf den Sekundärmotivationen von Geld, Ansehen, Macht und Verhältnis von
Aufwand und Ertrag.
A) Jurist
Es gibt etwa 500 Millionen Einwohner
in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, davon rund acht Millionen
Österreicher. Es gibt etwa 1 Million Juristen in Europa, davon mehr als 30000
in Österreich. In Frankfurt am Main ist etwa jeder hundertste Einwohner Jurist.
Wer ist Jurist?
Jurist ist, wer ein Studium der
Rechtswissenschaft an einer Universität erfolgreich abgeschlossen hat. Volljurist
ist er, wenn er auch noch eine für die praktische Ausübung eines juristischen
Berufs (z. B. Richter, Staatsanwalt, Verwaltungsjurist, Notar, Rechtsanwalt)
notwendige praktische Ausbildung erfolgreich durchlaufen hat. Weder Jurist noch
Volljurist sind aber rechtlich geschützte Titel.
Was tut ein Jurist?
Er lauscht in Bezug auf Rechtsfragen
dem Sprechen anderer Menschen oder liest Schriften anderer Menschen und fragt
und antwortet dabei je nach Bedarf und Möglichkeit. Er entscheidet über die
Anwendung allgemeiner Rechtssätze auf einzelne Geschehnisse und begründet seine
Entscheidungen. Dies geschieht meist kurz mündlich und danach oft noch
ausführlich schriftlich, so dass der Jurist insgesamt meist hört, sieht, denkt,
spricht oder schreibt.
I. Richter
Herkömmlicherweise das größte Ansehen
unter den Juristen hat der als solcher bereits dem griechisch-römischen
Altertum bekannte Richter (lat. iudex). Seine Aufgabe ist die Entscheidung
eines Streites an Hand des vom Volk unmittelbar oder mittelbar geschaffenen
Rechts im Namen der Allgemeinheit, des Staates oder des Volkes (z. B.
Österreichs, Deutschlands, der Schweiz, Frankreichs oder Italiens). Wichtigste
Aufgabe ist der Erlass einer Entscheidung bzw. das Fällen eines Urteils, durch
das unter den Beteiligten grundsätzlich verbindliches Recht ermittelt bzw.
geschaffen wird.
Der Richter ist das im Rahmen
der objektiven Geschäftsverteilung zuständige Organ des Staates zur
unabhängigen Entscheidung von Streitigkeiten zweier Parteien. Er ist kein
Beamter, sondern von Vorgesetzten grundsätzlich unabhängig. Er unterliegt
deshalb bei seiner Rechtsanwendung keinen Weisungen eines Vorgesetzten und kann
grundsätzlich nicht abgesetzt und auch nicht versetzt werden.
Richter gibt es in ganz Europa. In
Österreich betrug die Zahl der Richterplanstellen 2009 (nicht vollständig
besetzt) 1621, so dass sich ihre Zahl auf etwa 1700 schätzen lässt. Im
Durchschnitt ist damit ein Richter für rund 5000 Staatsbürger zuständig.
II. Staatsanwalt
Der etwa seit der französischen
Revolution (1789) bekannte, aus Frankreich kommende Staatsanwalt ist das
für das Verfahren des Staates (Volkes, Allgemeinheit) gegen einen einer
Straftat (hinreichend) verdächtigen Einzelnen zuständige Staatsorgan. Der
Staatsanwalt ist Beamter und deshalb an die Weisungen seines Vorgesetzten (z.
B. des Justizministers) gebunden. Den Staatsanwalt gibt es in ganz Europa (in
Österreich etwa 320, so dass dort ein Staatsanwalt für rund 25000 Staatsbürger
zuständig ist).
III. Verwaltungsjurist
Verwaltungsjurist ist der seit dem Spätmittelalter zur
Ausführung der Verwaltungsaufgaben des Staates zuständige Jurist (z. B. im
Justizministerium, in Österreich in der Finanzlandesdirektion oder in der
Bezirkshauptmannschaft). Der Verwaltungsjurist ist weisungsgebundener Beamter
und letztlich vom jeweiligen Fachminister abhängig. Verwaltungsjuristen gibt es
im Wettbewerb mit anders ausgebildeten Verwaltungsbediensteten in allen
staatlichen Verwaltungen in unbekannter Zahl.
IV. Notar
Notar ist in Nachfolge römischer Schreiber
seit dem Hochmittelalter der staatlich bestellte, mit öffentlichem Glauben
ausgestattete Amtsträger für Beurkundungen wichtiger Rechtsgeschäfte (z. B.
Testamente, Grundstückskaufverträge, Gesellschafterbeschlüsse). Der Notar ist
zugleich Amtsperson und (freier) Unternehmer. Notare gibt es in ziemlich
beschränkter Zahl in ganz Europa als Nurnotare oder als Rechtsanwaltsnotare
(gleichzeitig Rechtsanwalt und Notar). In Österreich amtieren (2010) etwa 500
(Nur-)Notare, so dass ein Notar für etwa 16000 Staatsbürger zuständig ist und
österreichweit jährlich im Durchschnitt etwa 20 Stellen zu besetzen sind.
V. Rechtsanwalt
Rechtsanwalt ist seit dem Spätmittelalter der
Berater und Vertreter in rechtlichen Angelegenheiten innerhalb eines vor Gericht
rechtshängigen Rechtsstreits wie außerhalb eines solchen Rechtsstreits. Der
Rechtsanwalt übt (wie etwa der Arzt, Architekt oder Steuerberater) einen freien
Beruf aus, weshalb er einerseits das Unternehmerrisiko trägt und andererseits
Unternehmergewinne erzielen kann, wobei zwecks Sicherung von Rechtspflege und
Rechtsanwaltschaft durch Recht (z. B. Zivilprozessordnung) festgelegt ist, dass
bedeutendere Rechtsstreitigkeiten vor Gericht nur mittels Rechtsanwälten
ausgetragen werden dürfen (Rechtsanwaltszwang). Rechtsanwälte gibt es in
ganz Europa (in Österreich im Jahre 1970 2000, 1980 2200, 1990 2900, 2000 4000,
2006 5000, Ende 2009 5414).
VI. Wirtschaftsjurist
Wirtschaftsjurist ist der vielleicht seit der frühen
Neuzeit als (angestellter) Berater eines Unternehmers tätige Jurist. Er ist
grundsätzlich unselbständig und steht im Wettbewerb etwa mit
Wirtschaftswissenschaftlern oder Gesellschaftswissenschaftlern. Es gibt ihn in
ganz Europa in nicht allgemein bekannter Zahl.
Vom Wirtschaftsjuristen zu trennen ist
der nur im Wirtschaftsrecht ausgebildete Nichtjurist. Der bloße
Wirtschaftsrechtler konnte jahrelang grundsätzlich keinen klassischen
Juristenberuf ausüben, aber die Arbeitsmarktlage für die juristischen Berufe
durch seinen Ausschluss zumindest kosmetisch verbessern, weil jeder
Nurwirtschaftsrechtler grundsätzlich ein Konkurrent weniger auf dem
Arbeitsmarkt für Juristen ist. Er wird seit etwa 1990 regelmäßig nur an
Fachhochschulen oder zwecks Absicherung andernfalls gefährdeter
Ausbildungskapazitäten in besonderen Studiengängen (z. B. in Innsbruck
Diplomstudium, Wien Bachelorstudium, Masterstudium) ausgebildet und erfüllt
seit 2009 die Voraussetzungen des § 3 der Rechtsanwaltsordnung Österreichs, so
dass das Studium des Wirtschaftsrechts den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts
eröffnet (Editorial AnwBl 2009, 301).
VII. Rechtslehrer
Rechtslehrer ist seit dem Beginn der
Rechtswissenschaft im 12. Jahrhundert der die Rechtswissenschaft in Lehre und
Forschung betreuende (staatliche) Bedienstete. Rechtslehrer gibt es an vielen
(400?) Universitäten in ganz Europa. Ordentliche Professoren der
Rechtswissenschaft als bis zu ihrem Tode zu Lehre und Forschung berechtigte,
aber ab Emeritierung (mit 68 Jahren) nicht mehr verpflichtete Beamte (alle
bisherigen Rechte, keine Pflichten) gab es in Österreich zuletzt vielleicht
200, die naturgemäß in den kommenden Jahrzehnten sterben und durch (einfache)
Professoren als Angestellte ersetzt werden.
Daneben gibt es ohne allgemeine
Transparenz zahlreiche, ganz unterschiedlich qualifizierte Dozenten,
Assistenten (Assistenzprofessoren) und Lehrbeauftragte sowie
Studienassistenten.
VIII. Sonstige juristische Tätigkeiten
In den Grenzbereichen zu anderen
Wissenschaften wie z. B. Medizin, Medien, Sport gibt es seit dem 20. Jahrhundert
Marktnischen für besonders interessierte und erfahrene Juristen. Mit der
weiteren Verrechtlichung des menschlichen Lebens wird ihre Zahl zunehmen. Eine
besondere Ausbildung erfolgt bisher nur in zusätzlichen (vielfach
außeruniversitären) Lehrgängen.
IX. Ausbildung
1. Studium
Die Tätigkeit als Jurist setzt ein
mindestens vierjähriges Studium der Rechtswissenschaft (an einer der
fünf juristischen Fakultäten Österreichs in Wien, Graz, Innsbruck, Salzburg
oder Linz) voraus. Dabei ist ein detaillierter Studienplan mit zahlreichen
Einzelprüfungen zu beachten. Wer alle vorgeschriebenen Prüfungen besteht,
erwirbt den akademischen Grad eines Magisters der Rechtswissenschaft.
Die Zahl der wohl seit etwa 2005
mehrheitlich weiblichen Studienanfänger der Rechtswissenschaft ist groß. Durch
das Doppelstudium von Rechtswissenschaft und Wirtschaftsrecht mit
weitgehenden Anrechnungsmöglichkeiten lässt sie sich sogar bis zur Verdoppelung
leicht erhöhen. Anschließend ist ein besonderes, allgemein der
Verwissenschaftlichung und individuell der Persönlichkeitsentwicklung
dienendes, zunehmend ohne wirkliche Not reglementiertes, auf zwei (oder in
Innsbruck seit Wintersemester 2009/2010 auf drei) Jahre angelegtes Doktoratsstudium
zwecks Erwerbs des Grades eines Doktors der Rechtswissenschaften möglich, aber
für eine Berufstätigkeit außerhalb einer Tätigkeit als Rechtslehrer nicht
wirklich nötig.
2. Praktische Berufsausbildung
Im Anschluss an das erfolgreiche
Studium der Rechtswissenschaft besteht anders als in Deutschland, das eine
erste juristische Staatsprüfung als Eingangsprüfung in eine gemeinsame
praktische Ausbildung von zwei Jahren bei unterschiedlichen Ausbildungsstellen
und eine zweite juristische Staatsprüfung als Abschlussprüfung ohne
Arbeitsplatzgarantie kennt, in Österreich keine weitere einheitliche praktische
Ausbildung für alle juristischen Berufe. sondern sind unterschiedliche
Weiterqualifikationswege eingerichtet.
a) Richter
Den besten Einblick in die Tätigkeit
als Richter gibt das mindestens 9 Monate dauerndes„Gerichtsjahr“, das
jeder Magister der Rechtswissenschaft auf Antrag durchlaufen kann, wofür er
sich bei dem zuständigen Oberlandesgericht bewerben kann (z. B.
Oberlandesgericht Innsbruck, Maximilianstraße 4, A 6020 Innsbruck). Möchte ein
Bewerber tatsächlich später Richter werden, sollte er bereits in seinem Antrag
auf Zulassung hierauf besonders hinweisen.
Während des Gerichtsjahrs werden die
Rechtspraktikanten in verschiedenen Abteilungen für den Entwurf von Beschlüssen
oder Urteilen und als Schriftführer eingesetzt. Noten und Beurteilungen durch
die Ausbildungsrichter sind für die auf Antrag anschließend mögliche Übernahme
als Richteramtsanwärter bedeutsam. Die diesbezügliche Ernennung
geschieht durch den Justizminister (https://www.bmj.gv.at/public.html)
auf Grund einer Aufnahmeprüfung und eines psychologischen Eignungstests.
Im Richteramtsanwärterdienst erfolgt
eine vierjährige praktische Ausbildung an verschiedenen Gerichten, bei der
Staatsanwaltschaft und einem Rechtsanwalt oder Notar, die durch Kurse und
Seminare ergänzt wird. Am Ende steht eine schriftliche und mündliche
Richteramtsprüfung, die bei Nichtbestehen einmal wiederholt werden kann. Nach
erfolgreicher Prüfung kann sich der Absolvent um eine freie Planstelle bei
einem Gericht bewerben.
b) Staatsanwalt
Voraussetzung für eine Tätigkeit als Staatsanwalt
ist die Ernennung auf eine Planstelle als Richter. In der anschließenden
staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit wird jede Entscheidung zunächst von einem
dienstälteren Staatsanwalt überprüft (Vollrevision). In allmählicher Lockerung
endet die Überprüfung etwa nach zehn Jahren, doch bleibt die
Weisungsgebundenheit gegenüber der vorgesetzten Behörde auf Dauer bestehen.
c) Rechtsanwalt
Voraussetzung für die Tätigkeit als
Rechtsanwalt, für welche die besondere Rechtsanwaltsordnung gilt, ist ebenfalls
das praktische Gerichtsjahr. Es wird auf die mindestens fünf Jahre dauernde
praktische Berufsausbildung als (freiwillig angestellter) Rechtsanwaltsanwärter
(Konzipient) angerechnet, die während mindestens dreier Jahre in der
Kanzlei eines dazu freiwillig bereiten (z. B. befreundeten oder verwandten)
Rechtsanwalts durchgeführt werden muss. Nach Bestehen der Rechtsanwaltsprüfung
und Bejahung der Vertrauenswürdigkeit kann der Absolvent eine Kanzlei als Rechtsanwalt
eröffnen oder als Rechtsanwalt in eine bereits bestehende Kanzlei eines
Rechtsanwalts (als Angestellter oder am Erfolg beteiligter Sozius bzw. Partner)
eintreten.
d) Notar
Voraussetzung für den Notar ist gleichfalls
das praktische Gerichtsjahr. Danach kann der Bewerber als Notariatsanwärter
in ein bestehendes Notariat eintreten, wenn sich ein Notar zu seiner Aufnahme
bereit erklärt. Nach sieben Jahren praktischer Tätigkeit, von denen mindestens
drei Jahre in einem Notariat durchgeführt werden müssen, und dem Bestehen der
schriftlichen und mündlichen Notariatsprüfung kann der Notariatsanwärter bei
entsprechendem Bedarf zum Notar ernannt werden.
e) Verwaltungsjurist
Für Verwaltungsjuristen besteht eine
praktische Ausbildung von 12 Monaten in der Verwaltung (Verwaltungspraktikum,
vgl. www.bka.gv.at).
f) Wirtschaftsjurist
Über eine Einstellung eines
Wirtschaftsjuristen (oder auch eines nicht als Jurist ausgebildeten
Wirtschaftsrechtlers) mittels eines Dienstvertrags entscheidet im Rahmen der
Vertragsfreiheit das jeweilige Wirtschaftsunternehmen in eigener Zuständigkeit.
g) Rechtslehrer
Eine Tätigkeit als Rechtslehrer (vgl.
dazu die einzelnen Angaben unter http://www.koeblergerhard.de/werist.html)
setzt eine überdurchschnittlich gut bewertete Promotion, weitere
wissenschaftliche Qualifikationen in Forschung (z. B. Habilitationsschrift,
Aufsätze) und Lehre (z. B. Lehrveranstaltungen unter Betreuung durch einen
Professor) und eine Berufung auf eine freie Planstelle an einer Universität
bzw. für Lehrbeauftragte eine Betrauung mit einem Lehrauftrag voraus.
Üblicherweise beginnt der Interessent als Studienassistent und muss sich
allmählich vom Assistenten zum Dozenten höherqualifizieren. Im jeweiligen
individuellen Lebenslauf können unabhängig von formell festgelegten und bzw.
oder allgemein veröffentlichten Voraussetzungen (z. B. Scheinausschreibungen)
auch nicht allgemein transparente Bekanntschaften und Beziehungen (z. B.
Verbindungen) von erheblicher Bedeutung sein.
X. Berufsaussichten
Infolge der steigenden allgemeinen
Akademisierung der Gesellschaft (um 1900 ein Prozent eines Jahrgangs, nahezu
keine Frauen) seit etwa 1970 (um 2010 fast die Hälfte eines Jahrgangs, davon
mehr als die Hälfte Frauen) hat die Zahl der Studierenden auch der
Rechtswissenschaft an den meisten Orten stark zugenommen. Im Vergleich hierzu
ist die Zahl der von der Gesellschaft finanzierten Arbeitsplätze (z. B.
Richter, Staatsanwälte, Verwaltungsjuristen, Notare) nicht in gleichem Maße
gewachsen. Dementsprechend sind die Berufsaussichten für Juristen nicht gut,
aber auch nicht wesentlich schlechter als für viele andere akademische Berufe.
B) Wissenschaft
Wenn Rechtswissenschaft die Wissenschaft
vom Recht ist, fragt sich, was Wissenschaft ist, welche Wissenschaften es gibt
und was Rechtswissenschaft von anderen Wissenschaften unterscheidet.
I. Wissen
Der Mensch hat seine Sinne, mit denen
er sehen, hören, riechen, tasten und schmecken kann. Die entsprechenden
Wahrnehmungen kann er aus seiner Vergangenheit in seiner Gegenwart für seine
Zukunft grundsätzlich in seinem Gehirn speichern. Damit kann er eigenes
Erfahren (Wissen) verwerten und muss es nicht alles stets neu erleben
und versuchen.
Dabei zeigt die Erfahrung des Lebens:
wer viel weiß, hat bessere Lebensmöglichkeiten. Wissen ist Macht. Deswegen
lohnt sich Erwerb und Nutzung von Wissen.
II. Wissensvermittlung
Weil Erfahrung grundsätzlich
individuell erlangt wird, Wissen aber generell Wert hat, ist der Mensch
vernünftigerweise an der Übernahme fremden Wissens und meist auch an der
Weitergabe eigenen Wissens interessiert. Für diese Zwecke erfindet er im Laufe
seiner Geschichte mit Hilfe seines Verstands Hilfsmittel wie Sprache, Schrift
und Schule. Wer sich auf die Wissensvermittlung arbeitsteilig
spezialisiert und davon mehr und mehr seinen Lebensunterhalt finanziert, kann
als Lehrer (notwendigerweise) Wissen besser vermitteln als der dafür nicht
besonders geschulte Mitmensch der zufälligen Umgebung (z. B. Eltern,
Geschwister, Nachbarn, Freunde).
III. Wissenschaft
Mit der ständigen Zunahme des Wissens
bedürfen Wissen und Wissensvermittlung über die Schule hinaus verbesserter
Organisation. Sie erfolgt nach der allgemeinen Vermittlung von Grundwissen in
der in Altertum und Mittelalter noch freiwilligen Schule als besondere
Vermittlung vertieften Fachwissens seit dem Hochmittelalter in der freiwilligen
Universität (Hochschule). Dort entsteht aus Wissen und Wissensvermittlung durch
bewusste Forschung methodisch verdichtete Wissenschaft.
IV. Wissenschaften
Wo viel Wissen besteht, kann niemand
alles wissen. Deswegen entsteht ein Bedarf an Aufteilung von Wissenschaft in Einzelwissenschaften.
Dazu gliedert bereits die europäische Universität des 12. Jahrhunderts in
(lateinisch) artes liberales (freie Künste wie Grammatik, Rhetorik, Dialektik,
Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie), Religion, Recht und Medizin und
damit in die philosophische Fakultät, theologische Fakultät, juristische
Fakultät (Bologna) und medizinische Fakultät (Salerno).
V. Rechtswissenschaft
Innerhalb dieser verschiedenen
Wissenschaften ist Rechtswissenschaft die Wissenschaft vom Recht, also nicht
von Religion, Medizin, Sprache, Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Natur oder Technik.
Im Mittelpunkt der Rechtswissenschaft steht das Recht als das (nach Ansicht
möglichst vieler) Richtige im Streit mehrerer Menschen um ein Gut oder
einen Wert.
C)
Universität
Universitäten gibt es in Europa wohl
seit der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert. Der ersten juristischen Universität
in Bologna (1088?, 1120?, um 1140?) folgten nördlich der Alpen im
deutschsprachigen Raum 1348 Prag, 1365 Wien und 1386 Heidelberg. In Österreich
kann Rechtswissenschaft in den fünf größten Städten Wien, Graz (1585), Linz
(1966), Salzburg (1622, zeitweise geschlossen) und Innsbruck (1669, zeitweise
reduziert) studiert werden, wobei Innsbruck (2008 nach Verselbständigung der
Medizinischen Universität insgesamt 72 Studien, 162 Professoren, 2600
Assistenten und sonstige Lehrpersonen, 1300 sonstige Bedienstete, 22700
Studierende) auch Landesuniversität außer für Tirol (Nordtirol und Osttirol)
für Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein ist.
Die meisten Universitäten in
Mitteleuropa sind staatliche Einrichtungen, die sich aus unterschiedlichen
Gründen im Lauf der Geschichte vom Staat verhältnismäßig verselbständigt haben.
Sie sind, wenn auch vom Staat Österreich noch um das Jahr 2000 ausdrücklich
bestritten, (seit 1. 1. 2004) wie eine Gemeinde eine einigermaßen kompliziert
organisierte Rechtsperson eigener Art (juristische Person des öffentlichen
Rechts) mit eigener Rechtspersönlichkeit, d. h. eine auf Dauer angelegte
Personenvereinigung, die unabhängig von einem Mitgliederwechsel ist, von ihren
Mitgliedern getragen wird und grundsätzlich ihre Angelegenheiten selbst
verwaltet, aber auch anstaltliche Züge trägt, so dass der Gesetzgeber eine
Entscheidung zwischen Körperschaft und Anstalt nicht getroffen hat. Da die
Universität aber keine eigenen Einnahmen (mehr) erzielen kann und soll (s. z.
B. Problematik von Studiengebühren), muss sie vom Staat aus dem Staatshaushalt
finanziert werden, weshalb der Staat auch ihre rechtlichen bzw.
organisationsrechtlichen Grundstrukturen in Universitätsgesetzen ordnet.
Im Rahmen des im Oktober 2002 in Kraft getretenen
Universitätsgesetzes Österreichs bestimmt eine Universität ihre Organisation
selbst. Nach ihrem jeweiligen Organisationsplan hat sie unterschiedliche Organe
und Organisationseinheiten. Die obersten Leitungsorgane sind in Österreich
(derzeit) Universitätsrat, Rektorat, Rektor und Senat.
I. Zentrale Organe
1. Universitätsrat
Der Universitätsrat ist ein jeweils für fünf Jahre
bestelltes Aufsichtsorgan, das aus fünf, sieben oder neun Mitgliedern bestehen
kann. Knapp die eine
Hälfte der Mitglieder wird vom Staat (Bundesregierung) eingesetzt, knapp die
andere Hälfte vom Senat der Universität gewählt, während ein weiteres Mitglied
von beiden Gruppen einvernehmlich beigezogen wird. Die wichtigsten Aufgaben
sind Wahl und Abberufung von Rektoren und Vizerektoren sowie Prüfung des vom
Rektorat erstellten Entwicklungsplans und der Leistungsvereinbarung der
Universität mit dem Staat.
2. Rektorat
Das Rektorat (z. B. Innrain 52, A 6020 Innsbruck)
besteht aus dem Rektor und verschiedenen Vizerektoren (z. B. für Forschung, Lehre und
Studierende, Infrastruktur oder Personal). Die Aufgabenverteilung regelt das
Rektorat selbst. Es wird auf vier Jahre gewählt.
3. Rektor
Der Rektor ist der Vorsitzende des
Rektorats. Er ist Dienstvorgesetzter der Universitätsbediensteten, wobei seit
2002 nur noch Angestellte mit Arbeitsverträgen auf Grund eines
Kollektivvertrags eingestellt werden, bisherige Beamte (z. B. ordentliche
Professoren) aber ihre Stellung als Beamte behalten. Der Rektor vertritt die
Universität nach außen.
4. Senat
Der Senat besteht aus (beispielsweise
24 oder 26) Mitgliedern, von denen (mindestens) die Hälfte Professoren sind und
je ein Viertel von den wissenschaftlichen Mitarbeitern und den Studierenden
bestimmt werden, zu denen ein Vertreter des allgemeinen Universitätspersonals
zugezogen wird. Der Senat ist zuständig für den Erlass der Studienpläne
(Curricula), die Mitwirkung an Verfahren der Habilitation eines
Hochschullehrers und an Verfahren der Berufung eines Bewerbers auf eine zu
besetzende Planstelle und für akademische Grade und Zeugnisse.
5. Gesamtheit von
Universitätsangehörigen
Die Gesamtheit aller
Universitätsangehörigen tritt als solche (neben Senat und Rektor/Rektorat)
nicht auf, doch gibt es Gruppengesamtheiten, wie z. B. die gesamte
Studentenschaft (s. z. B. http://www.oehweb.at)
oder die gesamte Studentenschaft einer Universität (z. B. Österreichische
Hochschülerschaft Innsbruck). Die österreichische Hochschülerschaft vertritt
alle Studierenden insgesamt und am jeweiligen Universitätsort. Es besteht
Zwangsmitgliedschaft, so dass jeder Studierende pro Semester einen
Zwangsbeitrag leisten muss (Kontakt z. B. info@oeh.cc).
6. Universitätsbibliothek
Eine zentrale Einrichtung der
Universität ist die Universitätsbibliothek unter einem eigenen
Bibliotheksdirektor (z. B. in Innsbruck Hauptbibliothek Innrain 50 A 6020
Innsbruck, daneben räumlich abgetrennte Fakultätsbibliotheken und privatöse
Institutsbibliotheken). Die Universitätsbibliothek Innsbruck hat als
drittgrößte Bibliothek Österreichs (2010) einen Bestand von rund 3500000
Bänden, 7000 abonnierten Zeitschriften, 14000 elektronischen Zeitschriften, 300
elektronischen Büchern und 100 Datenbanken für rund 23000 aktive Benutzer,
deren Schulung regelmäßig praktisch hilfreiche Führungen dienen.
Bibliothekseinheiten können entweder als Präsenzbestand in den Lesesälen, als
Ortsausleihe (in Innsbruck jährlich rund 700000 Ausleihen) oder per Fernleihe
(in Innsbruck jährlich rund 12000 Fernleihen) aus auswärtigen Bibliotheken
benutzt werden.
7. Psychologische Beratungsstelle
Für Studierende bedeutsam kann auch
eine psychologische Beratungsstelle sein (z. B. https://www.studierendenberatung.at/standorte/innsbruck/ueberblick/,
psycholog-studentenberatung@uibk.ac.at,
in Innsbruck Schöpfstraße 3 hinterer, westseitiger Eingang).
II. Organisationseinheiten der
Universität mit Forschungsaufgaben und Lehraufgaben
Organisationseinheiten der Universität
mit Forschungsaufgaben und Lehraufgaben sind Fakultäten, Institute,
Forschungszentren und andere interfakultäre Organisationseinheiten.
1. Fakultät
Die Fakultäten (Fachbereiche)
sind die eigentlichen Träger von Forschung und Lehre, d. h. der
wissenschaftlichen Aufgaben der Universität. Zu ihren Zuständigkeiten gehören
insbesondere die Gestaltung des Unterrichts und der akademischen (d. h.
nichtstaatlichen) Prüfungen, die Verleihung akademischer Grade sowie das
Vorschlagsrecht zur Besetzung von Lehrstühlen. Je nach ihrer fachlichen
Ausrichtung kann sich eine Universität (wie z. B. Innsbruck) in der Gegenwart
beispielsweise gliedern in eine Fakultät für Architektur, eine Fakultät für
Bauingenieurwissenschaften, eine Fakultät für Betriebswissenschaft, eine
Fakultät für Bildungswissenschaften, eine Fakultät für Biologie, eine Fakultät
für Chemie und Pharmazie, eine Fakultät für Geo- und Atmosphärenwissenschaften,
eine Fakultät für Mathematik, Informatik und Physik, eine Fakultät für
Politikwissenschaft und Soziologie, eine Fakultät für Psychologie und
Sportwissenschaft, eine Fakultät für Volkswirtschaft und Statistik, eine
katholisch-theologische Fakultät, eine philologisch-kulturwissenschaftliche
Fakultät, eine philosophisch-historische Fakultät und eine
rechtswissenschaftliche Fakultät, deren Standorte bzw. Gebäude im Unterschied
etwa zu einer Campusuniversität über verschiedene Stadtteile verstreut sind.
Organe der Fakultät sind der Dekan und
der Fakultätsrat (Fachbereichsrat, Fachbereichskonferenz) sowie der Fakultätsstudienleiter
(zur Organisation des Lehr- und Prüfungsbetriebs einer Fakultät mit den
Hauptaufgaben der Zuteilung von Lehrveranstaltungen, der Anerkennung positiv
beurteilter Prüfungen, des Ausstellens von Zeugnissen, des Verleihens
akademischer Grade und des Festsetzens von Prüfungsterminen und zugehörigen
Anmeldefristen, tatsächliche Umsetzung vor allem mit Hilfe eines
Prüfungsreferats z. B. Innrain 52d, A 6020 Innsbruck, geisteswissenschaftliches
Gebäude nordöstlich des Hauptgebäudes der Universität, Untergeschoß, direkt am
Inn).
a) Dekan
Der Dekan ist der Leiter und
Repräsentant der Fakultät. Er übt die unmittelbare Dienst- und Fachaufsicht für
das der Fakultät zugewiesene Personal im Rahmen einer Delegation aus, verfügt
über die der Fakultät zugewiesenen Ressourcen, konstituiert den Fakultätsrat
und führt die laufenden Geschäfte der Fakultät. Unterstützt wird er in seinen
Aufgaben durch Hilfspersonen (Büro z. B. Dekanat-Rechtswiss@uibk.ac.at Innrain 52 A
6020 Innsbruck, Hauptgebäude der Universität, Erdgeschoß rechts), Fakultätenservicestelle,
Dekanatssekretärin oder einen eventuellen Fakultätsassistenten).
Sein Amt erhält er (entweder durch
Wahl oder) durch Entscheidung des Rektorats auf Grund eines Vorschlages der
Universitätsprofessoren. Wählbar sind (in der Regel nur) Professoren, wobei (in
freien Fakultäten) unter den Professoren das Amt auf Grund Wahl im Wechsel
entsprechend dem formalen Kriterium der Anciennität (Berufsaltersreihenfolge)
umlaufen, andernorts aber wegen der damit verbundenen „Macht“ von
Machtgierlingen mit allen Mitteln angestrebt werden kann. Die feierliche Anrede
des Dekans lautet „Spektabilität“ (unter Kollegen „Spectabilis“).
b) Fakultätsrat
Der Fakultätsrat besteht aus (5-17)
Vertretern der verschiedenen Universitätsgruppen (Universitätsprofessoren, Mitarbeiter,
Studierende, allgemeines Universitätspersonal) bzw. deren politischen
Untergruppen. Seine Zuständigkeit ist begrenzt.
c) Die Fakultätsstudienvertretung
vertritt die Interessen der Studierenden einer Fakultät. Jeder Studierende hat
das Recht zur Mitarbeit. Die Fakultätsstudienvertretung hält zu Semesterbeginn
für Erstsemester ein Tutorium (Einführungsveranstaltung im Ausmaß eines
Vormittags) ab und bietet in einem Büro (z. B. Innrain 52 A 6020 Innsbruck,
Untergeschoß) sowie über eine Internetseite Studierenden Dienstleistungen an
(Beratung, Skripten, Bücherbörse, Jobbörse, Kontakt z. B. jus-oeh@uibk.ac.at).
2. Institut
Institut ist die Gliederung der
Fakultät im Hinblick auf eine zweckmäßige Organisation der Lehre, des Lernens
und der Forschung. Institute sollen zumindest ein, möglichst aber mehrere
wissenschaftliche Fächer in ihrem ganzen Umfang umfassen und zweckmäßige
organisatorische Zusammenfassungen nach den Gesichtspunkten von Forschung,
Lehre und Lernen sowie Verwaltung bilden. Eine rechtswissenschaftliche Fakultät
kann etwa (wie in Innsbruck unter Berücksichtigung nicht offengelegter
persönlicher Interessen) gegliedert sein in ein Institut für Arbeitsrecht und
Sozialrecht, Wohnrecht und Immobilienrecht sowie Rechtsinformatik, ein Institut
für Europarecht und Völkerrecht, ein Institut für italienisches Recht, ein
Institut für öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre, ein Institut für
römisches Recht und Rechtsgeschichte, ein Institut für Strafrecht,
Strafprozessrecht und Kriminologie, ein Institut für Unternehmensrecht und
Steuerrecht, ein Institut für zivilgerichtliches Verfahren und ein Institut für
Zivilrecht, wobei jedes Institut eine (oft wenig professionell geleitete,
vielfach privat orientierte) Institutsbibliothek haben kann.
Der Leiter eines Instituts führt die
laufenden Geschäfte, organisiert den Dienstbetrieb am Institut, übt die Dienst-
und Fachaufsicht über das zugeordnete Personal im Rahmen einer Delegation aus
und verfügt über die zugewiesenen Mittel. Er konstituiert den Beirat. Er soll
verantwortlich für die Qualitätssicherung und die Ergebnisorientierung der
Forschung sowie für die Organisation und Sicherstellung des Forschungsbetriebs
am Institut sein, so dass sein Leistungsprofil die Leistungsfähigkeit eines
Instituts maßgeblich mitgestalten kann.
III.
Personal
1. Professor
Den Kern der Universitätslehrer bilden
die Professoren. Einstellungsvoraussetzungen für Professoren sind vor allem ein
(möglichst gut) abgeschlossenes Hochschulstudium, pädagogische Eignung,
besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, die in der Regel durch die
(besondere) Qualität einer Promotion (Dissertation) nachgewiesen wird, und
zusätzliche wissenschaftliche Leistungen (z. B. Habilitation bzw.
Habilitationsschrift oder gleichwertige wissenschaftliche Leistungen). Die
Besetzung einer freien Planstelle erfolgt (zumindest äußerlich) auf Grund einer
Ausschreibung in einem besonderen Berufungsverfahren (Verwaltungsverfahren).
Von den hauptamtlichen Professoren
sind die Honorarprofessoren zu unterscheiden, die eine Lehrtätigkeit nur
nebenamtlich neben einer Haupttätigkeit (z. B. als Richter, Verwaltungsjurist
oder Rechtsanwalt) ausüben und für ihre zusätzliche Mühe den Titel Professor
ehrenhalber (lateinisch honoris causa, h. c.)erlangen können.
2. Dozent
Die Dozenten sind nach
herkömmlichem Hochschulrecht der Nachwuchs an Universitätslehrern, der sich
durch die Habilitation besonders qualifiziert hat, aber noch keine
Planstelle als Professor erreicht hat (und beispielsweise auch lebenslang
Dozent bleiben kann). Zur Habilitation gehört zunächst eine
Habilitationsschrift, d. h. eine grundlegende wissenschaftliche Untersuchung
über ein bestimmtes frei gewähltes Thema, das in einem Zeitraum von
durchschnittlich fünf oder mehr Jahren bearbeitet und vom Habilitationsgremium
(Habilitationskommission, meist mehrheitlich Hochschullehrer der Fakultät)
begutachtet wird. Dem folgen beispielsweise ein Vortrag mit Diskussion im Kreis
der bisherigen Universitätslehrer (Kolloquium) und meist ein öffentlicher Vortrag
als eine Art Probevorlesung.
Mit der Habilitation wird der
Betreffende oft ohne weiteres, evtl. auf Grund besonderer Verleihung
Privatdozent und darf im Bereich seiner venia legendi (lat., Lehrbefugnis) in
Abstimmung mit den übrigen Universitätslehrern die Lehrveranstaltungen, die
diese für ihn freilassen, abhalten. Ein besoldetes Amt vermittelt ihm diese
Befugnis nicht. Vielmehr muss er theoretisch so lange von seinem Privatvermögen
leben oder, wie es die Regel ist, in seiner Position als Assistent oder wissenschaftlicher
Bediensteter ausharren, bis er vor allem durch Berufung an eine (auswärtige
oder auf Grund von Beziehungen durch Hausberufung an die eigene) Universität
eine Planstelle als Hochschullehrer erlangt.
3.
Lehrbeauftragte
Die Lehrbeauftragten sind meist
erfahrene Praktiker wie Richter, Rechtsanwälte oder Verwaltungsjuristen, die
(tatsächlich auf Grund besonderer persönlicher Beziehungen zu einzelnen
Mitgliedern einer Fakultät und) rechtlich auf Grund eines Dienstvertrags
nebenamtlich in einem Spezialgebiet zur Ergänzung des Lehrangebotes Unterricht
erteilen und vielfach später dafür mit dem den wichtigsten Anreiz für diese
Zusatztätigkeit bildenden Titel Honorarprofessor (Prof. h. c.) geehrt werden.
4.
Lehrkräfte für besondere Aufgaben und wissenschaftliche Mitarbeiter
a) Soweit überwiegend eine Vermittlung
praktischer Fertigkeiten und Kenntnisse erforderlich ist, die nicht die
Einstellungsvoraussetzungen für Hochschullehrer erfordert, kann diese
hauptberuflich tätigen Lehrkräften für besondere Aufgaben übertragen werden.
b) Wissenschaftliche Mitarbeiter oder
Assistenten sind Angestellte mit Verpflichtungen zu wissenschaftliche
Dienstleistungen. Sie sollen den Professor, dessen besonderem Aufgabenbereich
sie zugewiesen sind, in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit unterstützen und
Lehre leisten. Neben diesen Hilfstätigkeiten und Lehrtätigkeiten müssen sie
sich in ihrem eigenen Interesse weiter qualifizieren, sei es durch Anfertigung
einer Dissertation, sei es durch die Arbeit an einer Habilitationsschrift.
5. Sonstige
wissenschaftliche Hilfskräfte
Sonstige wissenschaftliche Hilfskräfte
erbringen meist einfachere wissenschaftliche Dienstleistungen (z. B.
Vorarbeiten für Veröffentlichungen, Vorkorrekturen von Prüfungsleistungen, Abhaltung
von Arbeitsgemeinschaften). Auch sie sollten möglichst gut qualifiziert sein.
Kollusion ist allerdings auch hier nicht ausgeschlossen.
6.
Nichtwissenschaftliches Personal
Zu nennen sind schließlich noch die
sonstigen Bediensteten (technisches Personal), zu denen (in der juristischen
Fakultät) vor allem Sekretärinnen zählen.
IV. Einrichtungen
1. Rektorat
und Dekanat
Unter den Einrichtungen der
Universität sind vor allem die Dienststellen der Hochschulorgane zu nennen. So
untersteht dem Rektor das Büro des Rektors oder dem Dekan das Büro des Dekans.
Ebenso sind den anderen Organen entweder feste Räumlichkeiten und ständiges
technisches Personal zugeordnet oder ist wenigstens deren zeitweise Verwendung
eröffnet. Zumindest die Adressen sind dabei jeweils dem Vorlesungsverzeichnis
bzw. dem Internet entnehmbar.
2. Weitere
zentrale Einrichtungen
Daneben gibt es eine Reihe zentraler
Einrichtungen der Universität, die nicht bestimmten Organen zugeordnet sind.
Dazu gehören beispielsweise außer der Universitätsbibliothek das
Universitätsarchiv, das Schriftgut der Universität in Auswahl aufbewahrt, oder
das Hochschulrechenzentrum (EDV-Zentrum), das in Kursen Wissen über die
automatisierte Datenverarbeitung vermittelt. Im Einzelfall berät es auch über
hierher gehörige Einzelfragen.
Dem Abbau von Stress kann auch die
allen Universitätsmitgliedern eröffnete Nutzung des Sportinstitutes der
jeweiligen Universität dienen (Universitätssportinstitut).
Zur Pflege der auswärtigen Beziehungen
besteht meist ein Akademisches Auslandsamt (Österreichischer akademischer
Auslandsdienst), das einerseits ausländische Gäste betreut und andererseits
Beziehungen ins Ausland vermittelt.
An manchen Orten gibt es eine eigene
Universitätskirche und andere gemeinschaftliche Einrichtungen wie besondere
Vorlesungsgebäude (Kollegienhäuser), eine Aula (Versammlungsraum) oder einen
größten Vorlesungsraum (Auditorium maximum, Audimax).
3.
Prüfungsamt
Für die besonderen universitären
Prüfungen sind die universitären Prüfungsämter zuständig. Sie nehmen
Anmeldungen und Abmeldungen (innerhalb der üblichen Öffnungszeiten in Person
und durch Telefon, sonst durch Schreiben wie etwa e-mails) entgegen. Die dafür
jeweils gesetzten Fristen sind in eigenem Interesse einzuhalten, weil
andernfalls deutliche Nachteile drohen.
D) Studium
I. Voraussetzungen
Für die Aufnahme eines
rechtswissenschaftlichen Studiums bestehen bestimmte Voraussetzungen. Sie
können sich von Universität zu Universität unterscheiden. Allgemeine
Zulassungsvoraussetzung ist die Hochschulreife, die durch ein
Reifezeugnis (Maturazeugnis) einer höher bildenden Schule oder durch einen als
gleichwertig erwiesenen Nachweis erfüllt wird. Außerdem muss die
Sozialversicherungskarte vorgelegt und muss ein Meldeblatt ausgefüllt werden.
Tatsächlich besonders geeignet ist für
das Studium der Rechtswissenschaft, wer rasch und gründlich ermitteln,
entscheiden, darstellen und begründen kann. Anzeichen hierfür können gute
Kenntnisse und Fähigkeiten in Deutsch, Fremdsprachen und Mathematik sein. Wer
sie hat, wird (freilich überhaupt) für alle Studien geeignet sein.
Das Studium an der Universität
erfordert die Einschreibung (Inskription, Immatrikulation) in das
Verzeichnis der Studierenden der jeweiligen Universität (Universitätsmatrikel).
Hierfür ist die Studienabteilung der Universität zuständig. Sie befindet sich
in Innsbruck im Erdgeschoß des Hauptgebäudes der Universität (Innrain 52,
Nordseite).
Die Immatrikulation erfolgt meist im
ersten Semestermonat (für das Wintersemester im Oktober, für das Sommersemester
im März). Erforderliche Formulare sind im Internet und in der Studienabteilung
einsehbar bzw. erhältlich. Mit der Immatrikulation erhält der Studierende eine Matrikelnummer
und einen Studentenausweis.
Einen Gegensatz zur Immatrikulation
bildet die Exmatrikulation, mit deren Hilfe der Studierende die Universität
rechtlich ordnungsgemäß wieder verlässt.
Möglich ist die
staatliche oder private Förderung des grundsätzlich von den Eltern des
Studierenden oder vom Studierenden selbst zu finanzierenden Studiums durch Studienbeihilfe
oder Stipendium. Eine bei sozialer Förderungswürdigkeit (z. B. 2010
Bruttoeinkommen unter 8000 Euro im Jahr) und günstigem Studienerfolg (15 Punkte
ECTS pro Semester) mögliche Studienbeihilfe muss bei der Studienbeihilfebehörde
besonders beantragt werden (z. B. auch so genanntes Selbsterhalterstipendium
für Studierende, die sich vor erstmaligem Bezug einer Studienbeihilfe vier
Jahre lang mit mindestens 7272 Euro jährlich selbst erhalten haben).
Kontaktdaten für Stipendien sind http://www.stipendium.at,
stip.ibk@stbh.gv.at, Andreas-Hofer-Straße 46 (2.
Stock) A 6020 Innsbruck (z. B. Leistungsstipendium bei überdurchschnittlichem
Studienerfolg bzw. Notendurchschnitt bis 1,5 in mindestens 20 bzw. 15
Semesterwochenstunden).
II. Studiengang
Für den Ablauf des Studiums gibt es
einen von Universität und Fakultät im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften
festgelegten Studienplan. Er legt mit gewissen Wahlmöglichkeiten fest,
wie das Studium durchgeführt werden muss. Die unterschreitbare und
überschreitbare Regelstudiendauer (Maßstudiendauer) des Studiums der
Rechtswissenschaft beträgt (abweichend von den Bolognakriterien) herkömmlicherweise
acht Semester, die in Österreich seit langem in drei Studienabschnitte
eingeteilt sind.
1. Erster Studienabschnitt
Der erste Studienabschnitt hat
eine Maßstudiendauer (Regelstudiendauer) von zwei Semestern. Es sind acht, wahlweise
neun Prüfungen abzulegen. In Innsbruck sind die einzelnen zugehörigen Fächer
Einführung in die Rechtswissenschaft, juristische Informations- und
Arbeitstechnik, Wirtschaft, Rechtsgeschichte, römisches Privatrecht, Übung
wahlweise aus Rechtsgeschichte oder römischem Privatrecht (zulässig sind auch
beide Übungen nebeneinander oder nacheinander), Strafrecht und
Strafverfahrensrecht, Übung aus Strafrecht und Strafverfahrensrecht.
Davon wird die Einführung in die
Rechtswissenschaft meist von Privatrechtlern oder Öffentlichrechtlern
angeboten. Dementsprechend sind die Lehrveranstaltungen überwiegend einseitig.
In der Lehrveranstaltung muss ein Lehrveranstaltungsnachweis schriftlich oder
mündlich erbracht werden, wobei eigene Laufzettel (Formular im Internet) die
Teilnahme an mehreren Lehrveranstaltungen gleichzeitig ausschließen sollen.
In der juristischen Informations- und
Arbeitstechnik werden digitale Grundfertigkeiten vermittelt. Es ist ein
Lehrveranstaltungsnachweis zu erbringen, der teilweise durch Gruppenhausarbeiten
erlangt werden kann. Teilweise genügen mündliche Prüfungen.
Die Lehrveranstaltung Wirtschaft soll
betriebswirtschaftliches und volkswirtschaftliches Verständnis verschaffen.
Sofern es bereits durch Vorbildung nachgewiesen werden kann, ist eine
Anerkennung dieser Leistungen durch das Prüfungsamt möglich. Im Übrigen muss
eine Fachprüfung erfolgreich bewältigt werden.
Die Prüfungen in Rechtsgeschichte und
in römischem Recht sind (mündliche) Fachprüfungen, wobei in Innsbruck
die Fachprüfung in Rechtsgeschichte (zwar nicht notwendigerweise, aber
üblicherweise) überwiegend am Ende des ersten Studiensemesters abgelegt wird,
die Fachprüfung im römischen Recht am Ende des zweiten Studiensemesters.
Voraussetzung für die Fachprüfung in römischem Recht sind ausreichende
Lateinkenntnisse, die durch Schulzeugnisse oder eine besondere
Ergänzungsprüfung nachgewiesen werden müssen. Zur zweiten Prüfung der beiden
Fachprüfungen aus Rechtsgeschichte und aus römischem Recht kann nur antreten,
wer einen Übungsschein aus Rechtsgeschichte oder aus römischem Recht erworben
hat, der spätestens vier Wochen nach Bestehen der betreffenden Fachprüfung
dieses Faches (z. B. Rechtsgeschichte) (und vor Antritt zur zweiten dieser
beiden Fachprüfungen) erworben worden sein muss.
Das Fach Strafrecht und
Strafverfahrensrecht war ursprünglich nicht Teil des ersten Studienabschnitts.
Es ist aber in Innsbruck in diesen bei der letzten Studienreform aufgenommen
worden. Es umfasst die Lehrveranstaltungen Strafrecht allgemeiner Teil 1
(Straftat, Tatbestände), Strafrecht allgemeiner Teil 2 (Sanktionen,
Rechtsfolgen), Strafrecht besonderer Teil 1, Strafrecht besonderer Teil 2,
Strafverfahrensrecht und Übung aus Strafrecht, wobei der Erwerb des
Übungsscheins Strafrecht und Strafverfahrensrecht Voraussetzung für die
Zulassung zur Fachprüfung im Fach Strafrecht und Strafverfahrensrecht ist.
2. Zweiter Studienabschnitt
Der zweite Studienabschnitt besteht
nach dem Studienplan aus vier Semestern. Er hat ohne wirklich überzeugende
systematische Trennung einen zivilrechtlichen oder privatrechtlichen Teil
(Sektor) und einen öffentlichrechtlichen Teil (Sektor). Demnach besteht er (im
zivilrechtlichen Teil) aus den Fächern bürgerliches Recht, Arbeits- und
Sozialrecht, Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht,
zivilgerichtliches Verfahrensrecht und Übung aus einem zivilgerichtlichen Fach
einerseits und (im öffentlichrechtlichen Teil) aus den Fächern
Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Völkerrecht, Europarecht, Finanzrecht und
Übung aus einem öffentlichrechtlichen Fach andererseits.
In allen genannten Fächern muss eine
(mündliche oder schriftliche) Fachprüfung bestanden werden. Zusätzlich
sind die beiden Übungsscheine erforderlich. Außerdem muss an einem Seminar aus
Strafrecht oder aus einem der Fächer des zweiten Abschnitts teilgenommen werden
und kann bereits eine Diplomarbeit begonnen oder verfasst werden.
3. Dritter Studienabschnitt
Der dritte Studienabschnitt hat nach
dem Studienplan eine Maßstudiendauer (Regelstudiendauer) von zwei Semestern. Er
umfasst das Fach Rechtsphilosophie, einen nur ausnahmsweise zeitlich
vorziehbaren regulären Wahlfächerkorb von fünfzehn Semesterwochenstunden und
einen freien und frei vorziehbaren Wahlfächerkorb von 13 Semesterwochenstunden
(aus dem Lehrangebot aller anerkannten inländischen oder ausländischen
Universitäten, z. B. wiederholte Übung, Sprachkurs, nicht Volkshochschulkurs
oder Lateinzusatzprüfung). Spätestens im dritten Studienabschnitt muss eine
Diplomarbeit verfasst werden.
III. Lehrveranstaltungsverzeichnis
Vom 16. Jahrhundert bis etwa 2000
wurden an den Universitäten gedruckte Vorlesungsverzeichnisse (Lehrveranstaltungsverzeichnisse)
hergestellt. Seit etwa 2000 hat das digitale Lehrveranstaltungsverzeichnis im
Internet das gedruckte Vorlesungsverzeichnis abgelöst. Für Innsbruck ist es
unter http://orawww.uibk.ac.at/public_prod/oqa/lfuonline_lv.home
auf der
Internetseite der Universität rechts oben unter Vorlesungsverzeichnis
aufzufinden (für den Winter jeweils etwa ab August, für den Sommer jeweils etwa
ab Februar).
Die im Interesse der Studierenden
abgehaltenen Lehrveranstaltungen (Hören und Sehen ist besser als nur Sehen)
finden meist in Hörsälen, Seminarräumen oder sonstigen Räumen (z. B.
Containern) statt. Jeder Studierende kann innerhalb des jeweiligen
Studienabschnitts frei zwischen den angebotenen Lehrveranstaltungen wählen,
muss sich aber möglicherweise anmelden und dafür festgesetzte Fristen beachten.
Die Fachschaft Jus bietet das Heft
News for Jus mit Lehrveranstaltungsverzeichnis und sonstigen Hinweisen für 2
Euro an.
E) Prüfungen
Prüfungen sind entweder Lehrveranstaltungsprüfungen
(z. B. in der Lehrveranstaltung Einführung in die Rechtswissenschaft) oder
Fachprüfungen (z. B. Rechtsgeschichte). Sie sind entweder schriftlich oder
mündlich oder schriftlich und mündlich kombiniert. Lehrveranstaltungsprüfungen
können beliebig wiederholt werden, Fachprüfungen nach einem ersten Misserfolg
nur dreimal an jeder Universität, wobei der letzte Versuch vor einem
Prüfungskommission abzulegen ist.
Für Prüfungen gibt es in Österreich
fünf Noten. Sie lauten sehr gut, gut, befriedigend, genügend und nicht
genügend. An öffentlichen Notenaushängen lässt sich ersehen, dass das
Prüfungsergebnis sehr unterschiedlich ausfallen kann und manche Prüfer
besonders schlechte oder besonders gute Ergebnisse erzielen oder wohl bewusst
erzielen wollen.
F) Lehrveranstaltungsplan
Die Einführung in die
Rechtswissenschaft soll in die gesamte Rechtswissenschaft einführen und nicht
nur vorrangig in einen Teilbereich. Der Umfang der gesamten Rechtswissenschaft
ergibt sich aus dem Studienplan. Dementsprechend sind unter Berücksichtigung
von Möglichkeiten und Bedürfnissen der Studienanfänger grundsätzlich alle
Studienfächer gleichgewichtig zu behandeln.
Die Einführung kann aber nur einen
begrenzten Überblick bieten, weil die verfügbare Zeit knapp ist und das Verständnis
durchschnittlicher Anfänger notwendigerweise überschaubar. Deswegen muss sich
die Einführung auf die Grundzüge beschränken. Die besonderen Einzelheiten sind
den nachfolgenden Lehrveranstaltungen vorzubehalten.
In diesem Rahmen stehen in einem Semester
unter Berücksichtigung von Ausfallzeiten durchschnittlich 14 Semesterwochen zu
je drei Semesterwochenstunden zur Verfügung. Zieht man hiervon vier
Semesterwochen für zwei Klausuren und zwei Klausurbesprechungen ab, so
verbleiben zehn Semesterwochen. Davon sind am besten zwei den allgemeinen
Grundlagen bzw. dem Stoff des ersten Studienabschnitts zu widmen und unter
Beachtung wissenschaftlicher Systematik je vier dem öffentlichen Recht und dem
privaten Recht des zweiten Studienabschnitts.
G) Lehrveranstaltungsprüfung
Die Lehrveranstaltungsprüfung
Einführung in die Rechtswissenschaft erfolgt regelmäßig als Klausur gegen
Semesterende in unterschiedlich ausgestalteter Form. Dabei sind in zwei
Klausuren beispielsweise jeweils etwa 50 Fragen möglich, für die jeweils bis zu
2 Punkte vergeben werden können. Für eine genügende Note muss mehr als die
Hälfte der Fragen richtig beantwortet sein.
H) Literatur
I. Allgemein
1. Arten
In der juristischen Literatur lassen
sich zahlreiche Arten von Werken unterscheiden.
Lehrbuch ist das der Lehre eines juristischen
Gegenstandes dienende Buch. Es kann als Grundriss auf die wichtigsten
Grundzüge eines Faches beschränkt sein oder als Handbuch möglichst alle
Einzelfragen erschöpfend behandeln. Stets bemüht sich das Lehrbuch um eine
systematische Darstellung des Stoffes (z. B. Schuldrecht).
Kommentar ist die Erklärung eines Gesetzestexts
in der Reihenfolge der Vorschriften des Gesetzes unter Berücksichtigung der
Entscheidungen der Gerichte und der Lehrmeinungen von Wissenschaftlern (z. B.
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch). Kurzkommentare erstreben Kürze.
Großkommentare bemühen sich um Erfassung vieler Einzelheiten und benötigen
daher auch für schlanke Gesetze oft zahlreiche Bände.
Monographie ist die wissenschaftliche Behandlung
eines einzelnen Gegenstandes (z. B. Kündigung). Monographien sind
beispielsweise die Diplomarbeiten und die Dissertationen. Angestrebt wird dabei
meist auch die neue wissenschaftliche Erkenntnis.
Aufsatz ist die kurze, nicht als eigene bibliothekarische
Einheit veröffentlichte Monographie. Der Aufsatz erscheint nur als Teil eines
größeren Werkes. Sammelbände enthalten meist nur Aufsätze, Zeitschriftenbände
meist auch Aufsätze.
Urteil ist die Entscheidung eines
Rechtsstreits. Seit der frühen Neuzeit wird die Veröffentlichung der
schriftlichen Fassung eines Urteils üblich und notwendig. Urteile werden in
Zeitschriften und in Urteilssammlungen veröffentlicht.
Gesetzestext ist der Text (Wortlaut) eines
Gesetzes. Bei den Römern wurde das Zwölftafelgesetz (451/450 v. Chr.) auf zwölf
Tafeln auf dem Markt für jedermann einsehbar aufgestellt. In der Gegenwart ist
die Veröffentlichung des Gesetzestexts im amtlichen Gesetzblatt (z. B.
Bundesgesetzblatt) der letzte notwendige Teil des Gesetzgebungsverfahrens.
Rezension ist die Beurteilung eines Werkes
durch einen Sachverständigen. In erster Linie werden Lehrbücher, Kommentare und
Monographien rezensiert. Rezensionen werden in erster Linie in Zeitschriften
abgedruckt.
Zeitschrift ist die regelmäßige periodische
Veröffentlichung. Zeitschriften enthalten vielfach Aufsätze, Urteile und
Rezensionen. Wie Zeitungen können sie am ehesten aktuell sein und Werbung
enthalten.
Im digitalen Zeitalter können alle
Veröffentlichungen nicht nur auf Papier, sondern auch elektronisch erfolgen.
Dadurch ist größtmögliche Aktualität gewährleistet. Weltweit die wichtigsten
juristischen Nachrichten in aller Kürze enthalten beispielsweise die kostenlos
von jedermann beziehbaren digitalen jusnews (http://www.koeblergerhard.de/).
2. Fundorte
Literatur wird in erster Linie in
Bibliotheken gesammelt, aufbewahrt und Interessenten zur Verfügung gestellt.
Die Benutzung wird grundsätzlich durch staatliche Mittel ermöglicht und ist
daher für jedermann grundsätzlich kostenlos. Wichtige Werke (z. B.
Zeitschriften) müssen in der Bibliothek selbst benutzt werden, weniger wichtige
Werke (z. B. Monographien) können auch ausgeliehen werden.
Im digitalen Zeitalter ist Nutzung von
Literatur auch im Internet möglich (s. z. B. Google Books). Sie ist vielfach
als solche kostenfrei (sog. open access), wobei die tatsächlich entstehenden
Kosten über staatliche Unterstützung oder über Werbung (z. B. Google) beglichen
werden. Verfasser und sie bewirtschaftende Verleger streben aber die
kostenpflichtige Nutzung an (pay IT), wobei u. a. die technische Umsetzung noch
Schwierigkeiten bereitet.
Der Erwerb gedruckter Literatur
erfolgt überwiegend über die Buchhandlung, die inzwischen auch im Internet
tätig ist. Deren Verkaufsraum enthält vielfach einen guten Überblick über die
leicht verfügbare aktuelle Literatur. Seltenere Literatur kann dort durch
Bestellung in umfassenderen Buchhandelssystemen erworben werden.
Den besten Überblick über die
(deutschsprachige juristische) Literatur bieten Internetkataloge (z. B. der Karlsruher
virtuelle Katalog, http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html). Sie
ermöglichen die Suche nach bereits bekannten Verfassern oder Titeln oder nach
unbekannten Werken aller möglichen Schlagwörter. Durch vielfältige Verlinkung
ist von jedem Standort aus im Internet weltweite Literatursuche möglich, so
dass die größten Schwierigkeiten in der Gegenwart nicht mehr im Finden, sondern
im Auswählen des wirklich Wichtigen bestehen.
3. Zitierweise im wissenschaftlichen
Schrifttum
Im wissenschaftlichen Schrifttum muss
jedermann jeden nicht von ihm selbst stammenden, sondern aus einer Vorlage
entnommenen Gedanken durch ein Zitat nachweisen. Dies erfolgt innerhalb des
Textes vereinfacht durch Fußnoten oder Anmerkungen, am Anfang oder Ende des
Textes in zusammenfassenden, ausführlicheren, am einfachsten alphabetisch zu
ordnenden Literaturverzeichnissen.
Lehrbücher, Kommentare und
Monographien werden dabei in Literaturverzeichnissen grundsätzlich nach
Verfassern, Titel, Auflage und Jahr zitiert. Fehlt ein Verfasser, so tritt (am
besten) der Sachtitel des Werkes an die erste Stelle und folgt danach der
Herausgeber. Herkömmlicherweise nicht angegeben werden Berufstitel des
Verfassers oder Herausgebers (z. B. Magister, Doktor, Professor usw.), Verlag,
Erscheinungsort, die Tatsache, dass es sich um die erste Auflage eines Werkes
handelt (anders bei 2. Auflage und weiteren Auflagen), und gesamte Seitenzahl
eines Werkes (anders aber zur Unterrichtung gleich unten).
Aufsätze (und Rezensionen) werden nach
Verfasser, Titel und Fundort zitiert. Ist der Fundort eine Zeitschrift, so sind
(Bandzahl,) Erscheinungsjahr und Seite anzugeben. Entscheidend ist im Zweifel,
dass der fremde Gedanke mit Hilfe der Angaben eindeutig, leicht und schnell vom
Nutzer im gesamten Schrifttum gefunden und überprüft werden kann.
Die Angabe eines Vornamens eines
Verfassers oder Herausgebers kann insbesondere bei sehr häufigen Familiennamen
sehr hilfreich sein. Im Zweifel sollte der Zitierende einheitlich verfahren.
Ein Mittelweg kann die Angabe eines abgekürzten Vornamens sein.
II. Lehrveranstaltung
Eine überzeugende aktuelle
Lerngrundlage gibt es bisher in der Studienliteratur Österreichs nicht. Empfohlen
werden von Lehrveranstaltungsleitern in unterschiedlicher Auswahl (in Ordnung
nach Sachgebieten) die
(Gesetzestexte) Kodex
Einführungsgesetze ABGB und B-VG, 6. A. 2009 (368 S.)
Stolzlechner, H., Einführung in das
öffentliche Recht, 4. A. 2007 (360 S.)
Raschauer, B., Öffentliches Recht -
Einführung in die Rechtswissenschaften und ihre Methoden Teil 1 10. A. 2009 (98
S.)
Markl, C./Pittl, R., Einführung in das
Privat- und Wirtschaftsrecht, 2. A. 2006 (494 S.)
(Barta, H.) Onlinelehrbuch Zivilrecht
http://www.uibk.ac.at/zivilrecht/buch (Barta, H., Zivilrecht, 2000 [615 S.])
Köbler, G., Juristisches Wörterbuch,
14. A. 2007
Fachwörterbuch Einführung in die
Rechtswissenschaften, hg. v. Piska, C./Frohner, J., 2009
Wer diese Werke (z. B. mit Word)
alphabetisch ordnet, hat als unverbindliches Muster ein erstes kleines
juristisches Literaturverzeichnis.
I) Ratschläge
Der Studierende sollte in der
schwierigen, aber auch schönen Wechsellage zwischen geführter, sicherer Schule
und freiem, eigenverantwortlichem Universitätsstudium alle ihm zugänglichen
Orientierungshinweise ruhig und angstfrei überdenken. Im Zweifel sollte er
neugierig sein und fragen, aber nicht andere Fragensteller wegen vermeintlich
unkluger Fragen auslachen. Er sollte sich seinen gesunden Menschenverstand
bewahren für einen spielerischen Umgang mit den durch Vorarbeiten, Zuhören,
Lesen und Nacharbeiten erfassbaren juristischen Lösungsbausteinen.
Im Zweifel stehe ich selbst für Fragen
jedermann jederzeit zur Verfügung. Am leichtesten bin ich über gerhard.koebler@uibk.ac.at oder weristwer@imdeutschenrecht.de erreichbar.
Weitere Daten bietet meine über verschiedene Zugänge (z. B. Google) aufrufbare
Internetseite http://www.koeblergerhard.de.
Jedermann darf mir über alle Medien
auch stets Vorschläge unterbreiten. Für jeden gut gemeinten Hinweis bin ich
jedermann dankbar. Sehr gerne arbeite ich mit besonders interessierten
Studierenden auch vertieft bei der Erarbeitung verbesserter Lerngrundlagen
zusammen.
§ 2 Recht
A) Wesen
B) Dimensionen
C) Arten
D) Gestalt
E) Anwendung
F) Quelle
A) Wesen
Gegenstand der Rechtswissenschaft als
einer Wissenschaft ist das Recht. Deswegen muss als erstes sein Inhalt ermittelt
werden. Hierfür ist auf Grund seiner Komplexität im Gegensatz zu einfacheren
Gegenständen wie z. B. einem Bleistift, einem Fahrrad oder einem Hemd eine
vorsichtige Annäherung nötig.
Danach lässt sich Recht als bestimmter
Bereich des zivilisierten menschlichen Lebens bestimmen. Er ist als solcher
trotz vieler Unterschiede in zahllosen Einzelheiten in der Gegenwart weltweit
anerkannt. Englisch wird das Recht als law, französisch als droit, italienisch
als diritto, spanisch als derecho, portugiesisch als direito, lateinisch als
ius, griechisch als dikaio, russisch als prawo, türkisch als hukuk, japanisch
als ho oder chinesisch als fa bezeichnet, wobei es trotz unterschiedlichster
Benennungen sachlich im Großen und Ganzen um denselben Gegenstand geht.
Dieser Bereich des zivilisierten
menschlichen Lebens lässt sich von anderen Bereichen deutlich trennen. Er
betrifft nicht Gott oder Götter wie etwa die Religion, nicht die Gesundheit wie
etwa die Medizin, nicht die Geschicklichkeit wie etwa der Sport, nicht das Geld
wie etwa die Wirtschaft und auch nicht Geräte wie etwa die Technik. Im
Mittelpunkt dieses besonderen Bereichs zivilisierten menschlichen
Zusammenlebens steht vielmehr die Gerechtigkeit.
Deswegen fragt sich als nächstes, was
eigentlich Gerechtigkeit (lateinisch iustitia) ist. Diese Frage lässt
sich vereinfachen in die Fragen etwa nach der gerechten Note, nach dem
gerechten Preis oder auch nach dem gerechten Krieg. Die gerechte Note ist im
Idealfall beispielsweise gegeben, wenn sie der Beurteilte, der Beurteiler und
die Allgemeinheit als richtig anerkennen, so dass sich Gerechtigkeit als
richtiger Zustand innerhalb der (jeweiligen) zivilisierten menschlichen
Gesellschaft beschreiben lässt.
Obwohl sich angesichts der
unterschiedlichen Interessen der Beteiligten dieser Zustand im Einzelfall nicht
leicht erreichen lässt, besteht seit der griechischen Antike allgemeine
Übereinstimmung darüber, dass sich zwei Arten von Gerechtigkeit unterscheiden
lassen. Austeilende (distributive) Gerechtigkeit ist im Verhältnis
zwischen Allgemeinheit und Einzelnem erforderlich, so dass allgemein bei
Rechten wie Pflichten (gerechterweise) Gleiches gleich zu behandeln ist
(Gleichheitsgrundsatz). Ausgleichende (kommutative) Gerechtigkeit
betrifft das Verhältnis der Einzelnen zueinander, so dass der eine Einzelne den
von ihm am Vermögen des anderen Einzelnen in bestimmter Weise verursachten
Schaden gerechterweise ausgleichen oder ersetzen muss (Schadenersatz).
Auch wenn sich wegen der unterschiedlichen
Interessen der Beteiligten ein richtiger Zustand innerhalb der (jeweiligen)
zivilisierten menschlichen Gemeinschaft nicht in jedem Fall eindeutig
herstellen lässt und deswegen im Einzelfall Gerechtigkeit durch Billigkeit
ergänzt werden muss, besteht doch Einigkeit darüber, dass Gerechtigkeit als
solche grundsätzlich ein erstrebenswertes Ziel ist. Deswegen fragt sich stets,
wie dieses am ehesten erreicht werden kann. Diese Frage hat die zivilisierte
menschliche Gesellschaft seit Tausenden von Jahren mit der Aufstellung
allgemein anerkannter Sätze beantwortet wie z. B. in dem ersten Satz des
altrömischen Zwölftafelgesetzes von 451/450 v. Chr.: Wenn einer einen anderen
vor Gericht lädt, soll der andere kommen(, damit das Gericht eine richtige Entscheidung
im Streit des einen mit dem anderen treffen kann).
Solche Sätze sind Verhaltensrichtlinien
für den Menschen in der zivilisierten menschlichen Gesellschaft. Wenn er sie
beachtet, kann er grundsätzlich damit rechnen, dass sein Verhalten als richtig
anerkannt wird. Wenn er sie nicht beachtet, muss er grundsätzlich davon
ausgehen, dass sein Verhalten als unrichtig angesehen wird und mit einiger
Wahrscheinlichkeit rechtliche Folgen zu seinen Lasten nach sich ziehen wird.
Wichtig ist dabei, dass die Verhaltensrichtlinien
selbst grundsätzlich allgemein anerkannt werden. Dies ist besonders dann der
Fall, wenn sie von allen gemeinsam gebildet werden. Dies ist am ehesten
möglich, wenn sie einer allgemeinen Erfahrung und einer allgemeinen Überzeugung
von ihrer Nützlichkeit für das menschliche Zusammenleben entsprechen.
Solche aus der Erfahrung aller
gewonnenen Sätze können zwei Richtungen aufweisen. Sie können einerseits ein
bestimmtes menschliches Verhalten als grundsätzlich gefährlich verbieten (z. B.
Führen eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss oder Drogeneinfluss) und sind
dann Verbote. Sie können aber auch andererseits ein bestimmtes
menschliches Verhalten als grundsätzlich nützlich gebieten (z. B. Zahlen von
Steuern zur Finanzierung staatlicher Aufgaben) und sind dann Gebote.
Verbote und Gebote haben dabei trotz
grundsätzlicher Verschiedenheit einen gemeinsamen Inhalt. Sie schränken die
ursprünglich vorhandene unbegrenzte Freiheit des einzelnen Menschen in einer bestimmten
Hinsicht ein (z. B. ist Betreten eines Grundstücks gegen den Willen des
Berechtigten verboten). Umgekehrt sichern sie aber auch diese in vielfältiger
Hinsicht beschränkte menschliche Freiheit in anderen Hinsichten (z. B. kann der
Staat mit den Steuereinnahmen [Draken- oder Eurofighter-]Abfangjäger gegen
Luftangriffe auswärtiger feindlicher Mächte erwerben).
Insgesamt ist also Recht eine Vielzahl
oder auch eine Gesamtheit von mehr oder weniger anerkannten Sätzen zur
Steuerung des Verhaltens der Einzelnen in einer zivilisierten menschlichen
Gemeinschaft. Ähnliche Gesamtheiten von Verhaltensrichtlinien sind auch
Religion (z. B. du sollst an Gott glauben, du sollst den Feiertag heiligen, du
sollst Almosen geben) oder Sitte (z. B. du sollst älteren Menschen im Omnibus
deinen Sitzplatz anbieten, du sollst Verwandten zum Geburtstag gratulieren, du
sollst dich in einer Schlange von Wartenden am jeweiligen hinteren Ende
anstellen), wobei an der Grenze zum Recht die Verkehrssitte steht(, vgl. §§ 863
II, 914 ABGB, 346 UGB). Das Recht unterscheidet sich von den in vielen
Hinsichten ähnlichen Verhaltensrichtliniengesamtheiten Religion und Sitte sowie
der nach innen gerichteten, dem Gewissen verantwortlichen Moral dadurch, dass
der Staat die Einhaltung der (Rechtsfolgen der) Rechtssätze (z. B. Strafe,
Buße, Verweigerung eines angestrebten Erfolgs, Entzug eines Rechtes, Ersatz
eines Schadens u. s. w.) bei Bedarf mit Zwangsgewalt (z. B. Polizei, Gericht,
Exekutor) durchsetzen kann, während der Religion und der (äußeren) Sitte sowie
der (inneren) Moral (Sittlichkeit) diese Möglichkeit nicht zur Verfügung steht,
sondern beispielsweise Missbilligung oder Ausschluss als Druckmittel genügen
müssen.
Recht ist deshalb die (von der
Allgemeinheit geschaffene und) zwangsweise von Seiten der Allgemeinheit
durchsetzbare, wenn auch nicht in jedem Fall tatsächlich durchgesetzte
Gesamtheit von Verhaltensrichtlinien (Sollenssätzen) in der zivilisierten
menschlichen Gesellschaft. Die Zahl der Verhaltensrichtlinien nimmt dabei im
Laufe der menschlichen Geschichte zu. Sie ist bereits in der Gegenwart in ihrer
Gesamtheit für den Einzelnen nicht mehr überschaubar, wird aber gleichwohl
weiter wachsen.
Das Recht ist grundsätzlich
einzelstaatliches Recht. Mehrere Staaten können aber in einem Staatenverbund
auch Gemeinschaftsrecht schaffen und schaffen lassen (z. B. Europäische
Gemeinschaft bzw. Europäische Union). Durch Vertrag wie Gewohnheit kann auch
unter Völkern (Staaten) Recht (Völkerrecht) entstehen, das aber mangels
übergeordneter Souveränität bzw. Staatsgewalt bisher weder eine geordnete
Rechtssetzung noch eine geordnete Rechtsdurchsetzung kennt.
B) Dimensionen
Das Recht ist eine vom Menschen
mittels seiner vorgegebenen Möglichkeiten geschaffene Einrichtung (positives
Recht in Gegensatz zu einem natürlichen, dem Menschen vorgegebenen Recht). Aus
diesem Grund nimmt das Recht an den natürlichen Vorgegebenheiten des
zivilisierten menschlichen Lebens Teil. Deswegen ist das Verhältnis des Rechts
zu den Dimensionen Zeit, Raum, Wirklichkeit und Theorie zu bestimmen.
I. Zeit
Das Recht besteht wie alles
menschliche Leben in der Dimension Zeit. Recht geschieht in der Zeit. Es ist
unentrinnbar in die Zeit eingebunden.
Deswegen hat Recht notwendigerweise
einen Anfang und ein Ende. Als Einrichtung der zivilisierten menschlichen
Gesellschaft ändert es sich mit ihr in der Zeit. Es hat also eine Geschichte
mit der Tendenz ständigen Wachstums, mit der sich das besondere Fach Rechtsgeschichte
befasst.
II. Raum
Das Recht besteht wie alles
menschliche Leben in der Dimension Raum. Es wird im Raum verwirklicht. Wegen
der Größe des irdischen Raumes gibt es räumlich verschiedenes Recht auf der
Erde (z. B. in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Großbritannien,
Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Russland, der Türkei, Japan oder
China).
Mit der räumlichen Verschiedenheit des
Rechts befasst sich die Rechtsvergleichung. Sie erkundet die bestehenden
Verschiedenheiten und ermöglicht die Verbesserung durch Anpassung. Mit dem
technischen Fortschritt seit Beginn der Neuzeit ist eine Globalisierung des
menschlichen Lebens eingeleitet, die seit dem 20. Jahrhundert auch immer
stärkere Auswirkungen auf das Recht (vor allem innerhalb der Europäischen
Union, aber auch infolge des technischen Vorsprungs der Vereinigten Staaten von
Amerika weltweit) hat.
III. Wirklichkeit
Das Recht ist eine jeweilige
Gesamtheit von Verhaltensrichtlinien. Sie wollen das Verhalten des Menschen
gestalten oder steuern. Dies gelingt aber nicht immer.
Vielmehr töten Menschen andere
Menschen trotz des Verbotes, andere Menschen zu töten. Umgekehrt bezahlen
andere Menschen ihre Schulden nicht, obgleich sie die Zahlung versprochen
haben. Sowohl ein Verstoß gegen ein Verbot wie auch ein Verstoß gegen ein
Gebot, kann sehr häufig vorkommen.
Deswegen weicht die Rechtswirklichkeit
in vielen Hinsichten von den Rechtssätzen als Geboten und Verboten ab. Das
Sollen entspricht nicht stets dem Sein. Mit der Rechtswirklichkeit im Gegensatz
zum Recht als Gesolltem befasst sich die Rechtssoziologie als eigenes
Fach.
IV. Theorie
Theorie ist das auf Betrachten
gegründete Erkennen. Es geht von der einzelnen Erscheinung aus und wendet sich
dem Allgemeinen zu. Dementsprechend will die Theorie allgemeine Wahrheiten
ermitteln.
Sie sind von der Rechtspraxis
grundsätzlich getrennt. Sie betreffen nicht tatsächliche Einzelheiten, sondern
grundlegende Gegebenheiten. Deswegen ist die Rechtstheorie auch am ehesten mit
der Rechtsphilosophie verwandt.
In diesem Rahmen ist die Rechtstheorie
ein eigenes Fach. Seine wichtigste Frage ist: warum gibt es Recht? Auf die
Länge muss das möglicherweise unerreichbare Ziel der Rechtstheorie die
Gewinnung des besten Rechtes als wahres Recht sein.
C) Arten
Das Recht als das in Zeit und Raum in
der zivilisierten menschlichen Gesellschaft praktisch unter Zwangsandrohung
Gesollte ist sehr komplex. Es besteht wie Religion und Mathematik nur in den
Gedanken der Menschen. Wegen seines großen Umfangs bedarf es zwecks besserer
Erfassung der wissenschaftlichen Gliederung in mehrfacher Hinsicht.
I. Öffentliches Recht und privates
Recht (Privatrecht)
Die Unterscheidung zwischen
öffentlichem Recht und privatem Recht (innerhalb des objektiven Rechts) beruht
gedanklich auf dem Zusammenschluss der Einzelnen zur Allgemeinheit. Als deren
Folge unterscheiden bereits Rechtskundige (lateinisch iurisperiti) im antiken
Rom zwischen ius publicum (die Allgemeinheit betreffendem Recht) und ius
privatum (den Einzelnen betreffendem Recht). Im öffentlichen Recht besteht
die Hoheitsgewalt des Hoheitsträgers, mit deren Hilfe er sich grundsätzlich
jederzeit gegenüber dem Einzelnen durchsetzen kann, sofern seine Hoheitsgewalt
nicht durch das Recht in Grenzen gehalten wird, während das private Recht vor
allem durch die grundsätzliche Freiheit und Gleichheit des Einzelnen
gekennzeichnet ist, soweit sie nicht durch das Recht eingeschränkt werden.
Die Abgrenzung zwischen öffentlichem
Recht und privatem Recht ist grundsätzlich einfach, in den Einzelheiten aber
sehr schwierig und im Einzelfall nur durch höchstrichterliches Urteil zu
entscheiden. Im Laufe der Rechtsgeschichte haben sich mehrere Ansichten dazu
gebildet. Die wichtigsten werden als (Interessentheorie, als)
Subordinationstheorie, als Subjektstheorie und als modifizierte Subjektstheorie
bezeichnet.
Die Subordinationstheorie geht
von der Überordnung und Unterordnung (Subordination) aus. Nach ihr liegt
öffentliches Recht vor, wo Überordnung herrscht, privates Recht dagegen dort,
wo Gleichordnung besteht. Demnach wäre Familienrecht mit der Unterordnung der
Kinder unter die Eltern öffentliches Recht, Völkerrecht mit der Gleichordnung
der Staaten untereinander privates Recht, was aber nach allgemeiner Einsicht
nicht zutrifft.
Nach der Subjektstheorie kommt
es auf das Subjekt bzw. seine Eigenschaft als Träger von Hoheitsgewalt an.
Öffentliches Recht ist das Recht der Träger von Hoheitsgewalt. Der Staat ist
zwar grundsätzlich Träger von Hoheitsgewalt, darf sie aber etwa bei einem Kauf
von Büromaterial gegenüber dem Einzelnen nicht einsetzen, so dass auch die
Subjektstheorie zur Abgrenzung nicht verwendet werden kann.
Nach der modifizierten
Subjektstheorie liegt öffentliches Recht (nur) dort vor, wo der Träger von
Hoheitsgewalt (Zwangsgewalt und Befehlsgewalt) in seiner Eigenschaft als
solcher tätig wird. Dementsprechend sind Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht,
Verfahrensrecht und Strafrecht (im teilweisen Gegensatz etwa zum Studienplan
der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck) öffentliches
Recht, Personenrecht, Schuldrecht, Sachenrecht, Familienrecht, Erbrecht,
Handelsrecht, Arbeitsrecht (zumindest teilweise) und Erfindungsrecht (sowie
internationales Privatrecht) privates Recht, wobei in Grenzfällen schwierige
Entscheidungsfragen auftreten, die an Hand der überwiegenden Gesichtspunkte
gelöst werden müssen. Auch der Staat handelt in diesem Rahmen bei einem Kauf
von Büromaterial privatrechtlich und nicht öffentlichrechtlich.
Dabei kann ein einzelnes Geschehen
zugleich öffentlichrechtliche und privatrechtliche Rechtsfolgen nach sich
ziehen. Nach einem Verkehrsunfall kann ein Beteiligter öffentlichrechtlich zu
Haft verurteilt werden und seine Fahrerlaubnis verlieren. Privatrechtlich kann
er einem Geschädigten den verursachten Schaden ersetzen müssen.
II. Formelles Recht und materielles
Recht
Die Gesamtheit des (objektiven) Rechts
kann man auch nach Form und Inhalt teilen. Formelles Recht ist dabei das
durch Form oder Formalität beherrschte Recht, das sich hauptsächlich auf die
Durchsetzung des materiellen Rechts bezieht (Verfahrensrecht oder Prozessrecht
mit Zivilprozessrecht [z. B. ZPO] einschließlich Zwangsvollstreckungsrecht,
Außerstreitverfahrensrecht, Strafprozessrecht [z. B. StPO],
Verwaltungsprozessrecht und Verfassungsprozessrecht sowie Organisationsrecht
über Einrichtung und allgemeine Aufgabenstellung [z. B. der
Bundesministerien]). Materielles Recht ist das durch den Inhalt an
Stelle der Form bestimmte Recht, das vor allem die Voraussetzungen für
Ansprüche enthält (Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Strafrecht [z. B. StGB],
Privatrecht [z. B. ABGB]).
III. Objektives Recht - subjektives
Recht
Objektives Recht ist das losgelöst von einzelnen
Berechtigten als solches bestehende Recht im Sinne der Gesamtheit aller
Rechtssätze einer menschlichen Gesellschaft zur Steuerung des Verhaltens
betroffener Personen gegenüber anderen Personen und gegenüber Gegenständen (z.
B. Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, Strafrecht,
Privatrecht, also beispielsweise § 1 ABGB, Art. 1 B-VG). Subjektives Recht
ist das für die einzelne Person auf Grund des objektiven Rechtes bestehende
einzelne Recht (einzelne Befugnis, einzelne Berechtigung, einzelne Macht)
gegenüber mindestens einer anderen Person einschließlich des Staates vor allem
auch in Bezug auf Gegenstände (z. B. Anspruch des Berechtigten auf
Familienbeihilfe gegenüber dem Staat, Eigentum einer Person an einer Sache
gegenüber allen anderen Personen, Kaufpreisanspruch des Verkäufers gegenüber
dem Käufer, grundsätzlich bisher wohl kein Anspruch des Einzelnen auf
Tätigwerden des Staates). Die zahllosen subjektiven Rechte (englisch rights,
lateinisch iura, Plural) beruhen jeweils auf dem objektiven Recht oder
ergeben sich jeweils aus dem objektiven Recht (englisch law, lateinisch ius
Singular, z. B. ist für viele einzelne Ansprüche auf Schadenersatz die
Anspruchsgrundlage § 1295 ABGB).
IV. Zwingendes Recht - abdingbares
Recht
Innerhalb des objektiven Rechts gibt
es grundsätzlich Rechtssätze, die von den Rechtsunterworfenen nicht durch
Vereinbarung geändert (abbedungen) werden können, und andere Rechtssätze,
die von den Rechtsunterworfenen durch Vereinbarung abgeändert
(abbedungen) werden können. Von Rechtsunterworfenen grundsätzlich nicht
abänderbar ist beispielsweise das Verwaltungsrecht, das Verfahrensrecht oder
das Strafrecht. Demgegenüber kann etwa das Schuldrecht an sich in weitem Umfang
von den Rechtsunterworfenen durch Vereinbarung verändert werden, soweit dies
nicht gesetzlich besonders ausgeschlossen ist (z. B. Abbedingung gesetzlicher
Sachmängelgewährleistungsrechte).
D) Gestalt
Das objektive Recht ist weltweit eine
Vielzahl einzelner objektiver Rechtssätze mit unterschiedlicher persönlicher,
örtlicher, inhaltlicher und zeitlicher Geltung, die in der Regel wegen ihrer
großen Zahl aus praktischen Überlegungen als (nummerierte) Paragraphen,
Artikel, Absätze, Ziffern, Nummern, Buchstaben, Sätze u. s. w. umfassenderer
Texte (z. B. Verfassungen, Gesetzbücher, Gesetze, Verordnungen)
individualisiert werden. Die Gesamtzahl ist unbekannt. Sie wächst stetig
weiter.
Die wichtigsten einzelnen Rechtssätze
(anders etwa bloße Legaldefinitionen, Ermächtigungsnormen, Delegationsnormen,
Derogationsnormen, Verweisungsnormen [z. B. § 1 ZPO auf ABGB] u. s. w.) haben
grundsätzlich gleiche Gestalt. Sie bestehen (zumindest idealtypisch) aus zwei Teilen.
Die beiden Teile sind durch ein Bindewort verbunden, das sich graphisch
als Gleichheitszeichen darstellen lässt.
Auf der einen (bei der üblichen
Schreibweise von links nach rechts) linken Seite steht eine bestimmte
Gegebenheit. Sie bildet eine Voraussetzung für den gesamten Satz. Sie wird im
Recht insgesamt, auch wenn sie selbst aus mehreren Teilen oder Elementen
zusammengesetzt ist, herkömmlich als Tatbestand bezeichnet (z. B. [wer]
einen Menschen tötet).
Auf der anderen und damit rechten
Seite steht eine zweite Gegebenheit. Sie ist die (natürliche oder) vom Menschen
gewollte Folge der Voraussetzung. Sie wird im Recht herkömmlich Rechtsfolge
genannt (z. B. wird … bestraft).
Stets gilt mathematisch die Gleichung
Tatbestand = Rechtsfolge. Ein bestimmter Tatbestand zieht nach dem objektiven
Recht eine bestimmte Rechtsfolge nach sich. Für eine bestimmte Rechtsfolge ist
umgekehrt ein bestimmter Tatbestand die Voraussetzung.
Sprachlich kann dabei variiert werden.
Der Rechtssatz kann entweder aus einem Hauptsatz bestehen (z. B. der
Dieb soll mit Haft bestraft werden). Er kann aber auch als Relativsatz
gestaltet sein (z. B. wer stiehlt, der soll mit Haft bestraft werden) oder als Konditionalsatz
(z. B. wenn jemand stiehlt, dann soll er mit Haft bestraft werden).
Da der Rechtssatz sprachlich aus
Wörtern zusammengesetzt ist, können ihm alle Ungewissheiten anhaften, die mit
der Sprache und ihren Bestandteilen verbunden sein können. Deswegen muss bei
Zweifeln der Inhalt des Rechtssatzes erst angemessen verständlich gemacht
werden. Dieser Vorgang wird als Auslegung bezeichnet.
Für die Auslegung sprachlicher
Gegebenheiten sind in der Rechtswissenschaft spätestens seit dem frühen 19.
Jahrhundert (mindestens) vier Möglichkeiten oder Methoden anerkannt. Ein Text
kann entweder rein sprachlich (verbal, grammatisch,
logisch-grammatikalisch) oder entstehungsgeschichtlich (historisch) oder
bezüglich des Zusammenhangs (systematisch) oder von der Zielsetzung
her (teleologisch) ausgelegt werden. Uneingeschränkten Vorrang hat keine
der vier Auslegungsmethoden, doch gewinnt ein Ergebnis durch Übereinstimmung
bei Anwendung unterschiedlicher Auslegungsmethoden an Bedeutung.
Trotz der großen und stetig wachsenden
Zahl der (anerkannten) Rechtssätze kann im Einzelfall ein unangemessenes
Ergebnis eintreten. Dann muss der Richter bei seiner Entscheidung
gerechterweise in die Summe der Rechtssätze eingreifen. Dazu darf er Analogie
und (teleologische) Reduktion verwenden.
Analogie ist die Anwendung einer Rechtsfolge
eines Rechtssatzes auf einen im Rechtssatz selbst nicht enthaltenen Tatbestand.
Sie setzt eine als ungerecht angesehene Lücke des objektiven Rechts
voraus. Stellt der Richter (oder Rechtswissenschafler) sie fest, darf er,
obwohl er wegen der Gewaltenteilung nicht für die Rechtsetzung zuständig ist,
die Rechtsfolge R des Rechtssatzes T = R auch auf den von T trotz Auslegung
nicht erfassten Fall (neue Tatbestandserweiterung) x anwenden (z. B. analoge
Anwendung der Regeln über den Erbvertrag [§§ 1249ff. ABGB] auf einen Vermächtnisvertrag),
wobei die Anwendung der Rechtsfolge eines einzelnen gesetzlich geregelten
Rechtssatzes auf den Fall (neue Tatbestandserweiterung) x als Gesetzesanalogie
bezeichnet wird, die Anwendung der übereinstimmenden Rechtsfolgen mehrerer
Rechtssätze auf den Fall (neue Tatbestandserweiterung) x als Rechtsanalogie.
Reduktion (teleologische Reduktion) ist im
Gegensatz zur erweiternden Analogie die sachlich einengende Einschränkung eines
vorhandenen, aber gerechterweise als zu weit reichend angesehenen Rechtssatzes.
Bei ihr sieht der Rechtssatz für den gesamten Tatbestand eine bestimmte
Rechtsfolge vor, doch erscheint die Anwendung dieser Rechtsfolge auf einen
Teilbereich des Tatbestands als unangemessen, unsachlich oder ungerecht. Vom
Ziel (griechisch telos) des Rechtssatzes her muss also ein Teil des Tatbestands
entgegen dem Wortlaut von der vorgesehenen Rechtsfolge ausgenommen werden.
E) Anwendung
Das objektive Recht ist in allen
objektiven Rechten der Welt eine Gesamtheit von geschichtlich entstandenen
Verhaltensrichtlinien oder Sollenssätzen. Diesem abstrakten Gedankengebilde
steht überall die vielfältige Lebenswirklichkeit gegenüber. Soll das
Recht sich auf diese auswirken, muss es weltweit in gleicher Weise im
Einzelfall auf sie angewendet werden, indem die für das Sollen
geschaffenen Folgen auf das Sein bezogen werden.
Gedanklich bedeutet dies die
Erweiterung der linearen Beziehung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge (T = R)
um die Wirklichkeit des Seins (S). Dementsprechend müssen bei der
Rechtsanwendung drei Gegebenheiten (Begriffe) zueinander in Beziehung treten.
Dies sind (allgemeiner) Tatbestand (Mittelbegriff), (allgemeine) Rechtsfolge
(Oberbegriff) und (einzelner) Sachverhalt (Unterbegriff), so dass über
die Beziehung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge im Rechtssatz hinaus weiter
auch Sachverhalt und Tatbestand sowie Sachverhalt und Rechtsfolge verknüpft
werden können oder müssen.
Dabei sind, wie die einfache Figur
eines Dreiecks jedermann leicht erkennen lässt, bei drei Elementen mindestens
und höchstens drei Beziehungen zwischen je zwei Elementen möglich. Schon die
Philosophie der griechischen Antike hat in dieser Lage gezeigt, dass die
überzeugende Reihenfolge dieser drei Beziehungen zwischen je zwei Elementen
überzeugende Ergebnisse bewirken kann. Weil dies so einleuchtend ist, wird noch
heute dieser Vorgang mit dem aus griechischen Wörtern gebildeten Wort Syllogismus
(Zusammensprechen, Zusammenrechnen) bezeichnet.
Das gängigste Beispiel hierfür lautet:
Alle Menschen sind sterblich. Alle Griechen sind Menschen. Also sind alle
Griechen sterblich.
Alle Aussagen entsprechen dabei einem
bestimmten Typ. Stets sind ein syllogistisches Subjekt und ein
syllogistisches Prädikat nötig. Dem syllogistischen Subjekt (z. B. dem
Unterbegriff des Schlusssatzes) wird das syllogistische Prädikat (z. B. der
Oberbegriff des Schlusssatzes) in bestimmter Weise zugesprochen oder
abgesprochen.
Der erste Satz dieser graphisch in
Form eines logischen gleichseitigen Dreiecks darstellbaren Beziehung heißt
herkömmlich Obersatz. Der zweite Satz wird (beispielsweise wegen der
Unterordnung oder Subsumtion der Art Griechen unter die Gattung
Menschen) Untersatz genannt. Der abschließende letzte, zwangsläufig
folgende Satz ist der Schlusssatz.
Allgemein ist der Syllogismus dabei durchaus
vielfältig Es können nämlich allgemeine Aussage (z. B. alle Griechen),
partikuläre Aussagen (z. B. einige Griechen), bejahende Aussagen (z. B. alle
Griechen, einige Griechen) und verneinende Aussagen (z. B. keine Griechen,
einige Griechen nicht) unterschieden werden. Daraus ergeben sich beispielsweise
die vier Aussagemöglichkeiten: alle S sind P, kein S ist P, einige S sind P
bzw. einige S sind nicht P.
Weiter gibt es bestimmte
Voraussetzungen für gültige Syllogismen. Beispielsweise kann aus den beiden
Aussagen kein Fisch ist ein Angler und einige Angler sind keine Fische
syllogistisch kein Schlusssatz gezogen werden, weil allein aus verneinten
Aussagen nichts folgt. Auch aus den Aussagen einige Säugetiere leben im Wasser,
einige Tiere, die auf dem Land leben, sind Säugetiere kann syllogistisch nichts
geschlossen werden, weil mindestens eine der beiden Aussagen allgemein sein
muss.
Insgesamt kennt die Logik dabei (je
nach der Stellung des nur in den Prämissen vorkommenden Mittelbegriffs [im
Obersatz als Subjekt oder als Prädikat, im Untersatz entweder als Subjekt oder
als Prädikat]) vier Figuren und pro Figur 4 x 4 x 4 Möglichkeiten. Dies führt
insgesamt zu 4 x 4 x 4 x 4 oder 256 Typen von Syllogismen (Typen
logischer Argumente). Davon sind (nur) 24 gültig und (weit mehr,
nämlich) 232 nicht gültig.
Die 24 gültigen Typen von Syllogismen
verteilen sich gleichmäßig auf die vier Fälle der Distribution. Dabei ist ein
Begriff innerhalb einer Aussage dann distribuiert, wenn aus dieser Aussage jede
andere Aussage folgt, die aus der ursprünglichen Aussage entsteht, indem der
ursprüngliche Begriff durch einen echten Unterbegriff ersetzt wird.
Beispielsweise ist in der Aussage alle Philosophen (Subjekt) sind Menschen
(Prädikat) der Begriff Philosoph distribuiert, weil aus der Tatsache, dass alle
Philosophen Menschen sind, folgt, dass alle Rechtsphilosophen Menschen sind.
Der bekannteste gültige Syllogismus
hat auf Grund seiner Struktur in der Logik den (durch die Typen des Obersatzes,
Untersatzes und Schlusssatzes bestimmten und die dadurch oder dafür
festgelegten Vokale gewonnenen) Kennnamen Barbara (alle drei Sätze sind
affirmativ [bejahend] und allgemein gültig) und lautet beispielsweise: Alle
Innsbrucker sind Tiroler. Alle Wiltener sind Innsbrucker. Also sind alle
Wiltener Tiroler (oder: alle Rechtecke sind Vierecke, alle Quadrate sind
Rechtecke, also sind alle Quadrate Vierecke oder alle Griechen sind Menschen,
alle Menschen sind sterblich, also sind alle Griechen sterblich).
Im Bereich des Rechtes ist der erste
Satz dieses syllogistischen Dreiecks grundsätzlich der bereits bekannte Rechtssatz.
Er lautet allgemein T (Tatbestand, Mittelbegriff) = R (Rechtsfolge,
Oberbegriff). Er findet sich in großer Zahl im Recht, so dass wer das gesamte
Recht kennt, auch alle rechtlichen Sätze T = R (Obersätze) weiß.
Der zweite Satz muss im Einzelfall den
Sachverhalt (Unterbegriff) mit dem Tatbestand des Rechtssatzes (Mittelbegriff)
in Beziehung bringen. Er (findet sich noch nicht in den allgemeinen
Rechtssätzen, sondern) muss (also) im Rechtsstreit vom Richter neu gebildet
werden. Dabei muss der Richter sich entscheiden und hat grundsätzlich nur die
Möglichkeit, (entweder positiv) festzustellen S = T (und damit einen zweiten
Satz im Syllogismus zu bejahen) oder als Alternative nur die Möglichkeit,
(negativ) festzustellen „S ist kein einzelner Fall von T“ (und damit einen
zweiten Satz als Untersatz im Syllogismus zu verneinen).
Dieser Abschnitt der Rechtsanwendung
ist der schwierigste. Er kann vom dafür zuständigen Richter nur dann
überzeugend bewältigt werden, wenn er den Sachverhalt S ganz genau mit dem
Tatbestand T vergleicht. Im Zweifel muss er sich für die ihm gerecht
erscheinende Lösung entscheiden und dabei auch die Gefahr eingehen, trotz
besten Wissens und Gewissens eine falsche, ungerechte Entscheidung getroffen zu
haben.
Der dritte Satz ist demgegenüber
wieder ganz einfach. Ist der erste Satz richtig oder wahr und auch der zweite
Satz richtig oder wahr, so ist der dritte Satz nur die logische Folge der
beiden ersten Sätze. Gilt nämlich T = R und S = T, so ergibt sich durch
Streichung von T (Mittelbegriff) logisch zwangsläufig, dass auch S
(Unterbegriff) = R (Oberbegriff) sein muss, dass also auch für den Sachverhalt
S die Rechtsfolge R der Rechtsnorm R= T (in konkretisierter Form) gilt.
Die Anwendung eines Rechtssatzes auf
einen Sachverhalt kann demnach nur am Fehlen eines Obersatzes in Form eines
Rechtssatzes (trotz Analogie oder auch nur infolge teleologischer Reduktion)
oder am Fehlen eines Untersatzes (wegen Nichtzugehörigkeit der Art Sachverhalt
zur Gattung Tatbestand) scheitern. Ist beispielsweise ein bestimmtes
menschliches Verhalten nicht mit einer Strafe bedroht ist (Fehlen eines
Tatbestandes oder Mittelbegriffs) oder lässt sich trotz Bestehen eines
Strafrechtssatzes (T = R) nicht nachweisen, dass ein einzelner Mensch bzw. der
betrachtete einzelne Mensch den Tatbestand des Strafrechtssatzes verwirklicht
hat (Ablehnung des Untersatzes, Fehlen des Unterbegriffs), dann kann dieser
einzelne Mensch wegen dieses Verhaltens nicht bestraft werden. Besteht dagegen
ein entsprechender Strafrechtssatz und bejaht der Richter auch eine
Verwirklichung des Tatbestands im einzelnen Sachverhalt, dann kann der einzelne
handelnde Mensch in konkreter Form mit der im Strafrechtssatz vorgesehenen
Rechtsfolge (Strafe) bestraft werden, weil wegen T = R und S = T (logisch
zwangsläufig) auch S = R gilt.
Dargestellt wird die Rechtsanwendung
herkömmlicherweise in zwei Arten, Stilen oder Methoden. Die eine Art heißt Gutachten(methode).
Die andere Art wird als Urteil(smethode) bezeichnet.
Gedanklich steht am Anfang immer das
Gutachten, weil das Ergebnis der Frage (z. B. ist Sokrates sterblich?, ist der
Schinderhannes wegen Mordes zu hängen?) am Anfang der Überlegungen (tatsächlich
oder angeblich) unbekannt ist. Deswegen beginnt der juristische Gedankengang
stets mit der Arbeitshypothese, es könnte sein, dass …. Erst nach
Bejahung des Obersatzes und Bejahung des Untersatzes steht (also) der
Schlusssatz fest, der folglich im Gutachten als Ergebnis den Schluss bildet
(Gutachtenmethode z. B. in Ausbildungsklausuren, Kennwörter also, folglich).
Demgegenüber interessiert im
praktischen Leben das Ergebnis mehr als der gedankliche Weg dahin. Deswegen
stellt der Richter das Ergebnis an den Beginn des Urteils (z. B. Schinderhannes
ist wegen Mordes zu bestrafen). Danach begründet er es mit Hilfe der
Konjunktionen denn oder weil (Urteilsmethode z. B. in allen gerichtlichen
Urteilen, Kennwörter denn, weil).
F) Quelle
I. Allgemein
1. Wesen
Quelle ist allgemein der Ursprungsort.
Quelle des Rechts ist der Ursprungsort des Rechts. Nach kirchlicher Ansicht ist
Quelle allen Rechts letztlich Gott, nach manchen philosophischen Überlegungen
die Natur (Naturrecht), nach moderner säkularer Ansicht dagegen stets der
Mensch (positives Recht).
2. Arten
Herkömmlicherweise kann man zwischen
Rechtserkenntnisquelle und Rechtsgeltungsquelle unterscheiden. (Bloße) Rechtserkenntnisquelle
ist jede Quelle, die eine Erkenntnis über Recht ermöglicht (z. B. auch ein
Brief oder ein Roman). Rechtsgeltungsquelle ist demgegenüber die Quelle
dafür, dass ein Satz als Rechtssatz (in bestimmter persönlicher, örtlicher,
sachlicher und zeitlicher Hinsicht) gilt.
Rechtsgeltungsquelle ist nach
säkularer Ansicht grundsätzlich der Mensch (positives Recht). Dabei kann
entweder ein Einzelner tätig werden (z. B. Diktator, Tyrann, Führer) oder
können mehrere Einzelne (z. B. Aristokratie) oder alle Einzelnen gemeinsam
wirken (z. B. Demokratie). Weil in der Gegenwart die Demokratie bejaht wird, aber
die Zahl der Einzelnen in ihr zu groß ist, ist nur die mittelbare
(repräsentative) Demokratie praktisch brauchbar.
Das Zusammenwirken aller ist dabei
formlos oder förmlich möglich. Durch formloses Zusammenwirken kann bei lang
andauernder Übung mit Rechtsgeltungswillen (bzw. Rechtsüberzeugung) Gewohnheitsrecht
entstehen (ähnlich ständige Rechtsprechung, formloser Vertrag). Praktisch sehr
viel bedeutsamer ist seit der Schaffung des Staates im Spätmittelalter das förmliche
Verfahren der Schaffung von Verfassung, Gesetz, Verordnung, Satzung
(gesetztes Recht), Staatsvertrag, Urteil oder Bescheid.
3. Rangfolge
a) Rechtsetzungsberechtigte
Rechtssätze können beispielsweise von
den Vereinten Nationen, von der Europäischen Union, von einem Gesamtstaat, von
einem Gliedstaat, von einer Gemeinde, Universität, Fakultät oder von einem
Institut, einem Verein oder einem Einzelnen geschaffen werden. Erforderlich ist
dabei jeweils eine Zuständigkeit oder Rechtsetzungsbefugnis. Die Geltungsstärke
kann unterschiedlich sein (s. z. B. soft law etwa der Vereinten Nationen).
b) Inhalt
Da in der großen Vielzahl der
Rechtssätze nicht alle Rechtssätze inhaltlich von gleicher Bedeutung sein
können, sind die grundlegenden Rechtssätze meist in der eher kurzen formellen Verfassung
eines Staates konzentriert, bei deren Fehlen in jedem Fall eine materielle
Verfassung besteht. Wichtiges muss durch ein förmliches (formelles) Gesetz
festgelegt werden. Einzelfragen können einer Regelung durch Verordnung
überlassen werden.
c) Konkurrenzregeln bei Widerspruch
Widersprechen sich zwei Rechtssätze
inhaltlich, so geht wegen der gewollten Rangfolge der Rechtsquellen der
höherrangige Rechtssatz (z. B. der Verfassung) dem nachrangigen Recht (z. B.
Gesetz) vor (lateinisch lex superior derogat legi inferior). Das spätere Recht
geht wegen des gewollten Vorrangs der Gegenwart vor der Vergangenheit dem
früheren Recht vor (lateinisch lex posterior derogat legi priori). Das
besondere Recht geht wegen der gewollten Besonderheiten des Besonderen dem
allgemeinen Recht vor (lateinisch lex specialis derogat legi generali).
II. Einzelfälle
1. Vereinte Nationen
Die Vereinten Nationen (VN, UN, UNO)
sind ein (nach dem zweiten Weltkrieg in Ablösung des älteren, wenig
erfolgreichen Völkerbundes geschaffener) Zusammenschluss von (2010) 192
Staaten zur Sicherung des Weltfriedens, Einhaltung des Völkerrechts, Schutz der
Menschenrechte und Förderung der internationalen Zusammenarbeit. Sie sind kein
Staat. Sie haben keine Gesetzgebungshoheit, doch bestehen kraft Vereinbarung gewisse
andere Wirkungsmöglichkeiten.
Ihre Grundlage ist eine in San
Francisco am 26. Juni 1945 von 50 Staaten unterzeichnete, am 24. Oktober 1945
in Kraft getretene Charta (zeitlich nicht begrenzter völkerrechtlicher
Vertrag) mit einer Präambel, 19 Kapiteln und 111 Artikeln. Sicherheitsrat und
Generalversammlung können Beschlüsse (Resolutionen) fassen. Möglich sind
Konventionen und Entschließungen, die grundsätzlich nur empfehlende, bei
Beitritt auch verpflichtende Wirkung haben können.
2. Europäische Union
Die Europäische Union ist ein seit
1951 zur Verhinderung von Kriegen durch Rüstungskontrolle allmählich
entstandener Staatenverbund europäischer Staaten (2010 27). Sie ist kein
Staat. Sie hat grundsätzlich keine Gesetzgebungshoheit, doch bestehen kraft Vereinbarung
unter teilweisem Verzicht auf Souveränität eingeschränkte
Rechtssetzungsmöglichkeiten.
Primäres Gemeinschaftsrecht sind die Gründungsverträge bzw.
Gemeinschaftsverträge der Jahre 1951 und 1957, die Beitrittsverträge mit neuen
Mitgliedern und die Abänderungsverträge von Maastricht, Antwerpen, Nizza und
Lissabon, die auf den Grundsätzen der Warenverkehrsfreiheit, der
Niederlassungsfreiheit, der Dienstleistungsfreiheit, der
Kapitalverkehrsfreiheit und der Arbeitnehmerfreizügigkeit beruhen. Sekundäres
Gemeinschaftsrecht ist das auf Grund von Einzelermächtigungen in einzelnen
Rechtsgebieten mögliche Gemeinschaftsrecht. Dabei werden unmittelbar geltende Verordnungen
von den Organen Europäisches Parlament, Rat und Europäische Kommission im
Zusammenwirken beschlossen. Erlassene, aber nicht unmittelbar geltende Richtlinien
müssen von den Mitgliedstaaten innerhalb bestimmter Fristen innerhalb
bestimmter Gestaltungsspielräume besonders in mitgliedstaatliches Recht
umgesetzt werden, während einzelne Entscheidungen in Einzelfällen ergehen.
3. Mitgliedstaaten
Mitgliedstaaten der europäischen Union
haben wie andere Staaten auch überwiegend eine Verfassung (z. B.
Österreich Bundes-Verfassungsgesetz, Staatsgrundgesetz vom 21. 12. 1867 über
die allgemeinen Rechte der Staatsbürger und viele andere Verfassungsgesetze und
verfassungsrechtliche Bestimmungen, anders Großbritannien). Daneben kennen
Mitgliedstaaten zahlreiche einzelne Gesetze (und Gesetzbücher wie etwa
das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, die
Zivilprozessordnung oder die Strafprozessordnung, anders grundsätzlich das
angloamerikanische Fallrecht mit grundsätzlich bezüglich des Kerns bindenden
Fallentscheidungen bzw. precedents). Schließlich gibt es in den Mitgliedstaaten
auch Verordnungen als von der Verwaltung für Einzelheiten auf
gesetzlicher Grundlage erlassene Rechtssätze.
4. Bundesländer
In Bundesstaaten wie Deutschland,
Österreich, der Schweiz und Russland können auch Bundesländer eine Landesverfassung,
Landesgesetze und Landesverordnungen erlassen.
5. Kommunen (Gemeinden)
Kommunen haben eine Kommunalverfassung
und können Satzungen und Verordnungen erlassen.
6. Gesamtzüge
Die Einzelheiten der Rechtsquellen
sind wegen der großen Zahl unüberschaubar. Sie lassen sich aber gleichwohl im Grundzug
beherrschen. Ihr jeweils geltender Text findet sich grundsätzlich in einem
amtlichen Ausdruck und seit etwa 2000 auch im Internet.
Für die Europäische Union gibt es ein
besonderes Amtsblatt (ABl., C Entwürfe, L verbindliche Rechtsakte, s.
http://eur-lex.europa.eu). Gesetze werden grundsätzlich in einem Gesetzblatt
(Bundesgesetzblatt [in Österreich seit 1997 dreigeteilt in Gesetze,
Verordnungen und Staatsverträge] oder Landesgesetzblatt) veröffentlicht,
Verordnungen in einem Verordnungsblatt, wobei Gesetzblatt und
Verordnungsblatt auch verbunden sein können. Alle amtlichen
Veröffentlichungsblätter werden grundsätzlich nach Jahr und Nummer bzw. Seite
und Datum zitiert (z. B. BGBl. I 2010/1).
7. Stufenbau der Rechtsordnung in
Österreich als Orientierungshilfe
In der Europäischen Union hat das
europäische Recht gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht grundsätzlich einen
Geltungsvorrang. Weil damit die Souveränität des Mitgliedstaats gefährdet ist,
behauptet der Mitgliedstaat einen Geltungsvorrang seiner Verfassungsprinzipien
vor dem europäischen Recht. Deswegen stehen überhalb der allgemeinen Normen von
Verfassung, Gesetz und Verordnung
a) Grundprinzipien der
Bundesverfassung Österreichs (Baugesetze)
b) Europäisches Unionsrecht
aa) Primäres Gemeinschaftsrecht
bb) Sekundäres Gemeinschaftsrecht
(Verordnungen und Richtlinien)
(Danach folgen)
c) (Einfaches) Verfassungsrecht
Österreichs
aa) im Bund Bundesverfassung bb) im
Land Landesverfassung
d) (Einfaches) Gesetzesrecht
Österreichs
aa) im Bund Bundesgesetze bb) im Land
Landesgesetze
e) Verordnungen Österreichs
aa) im Bund Bundesverordnungen bb) im
Land Landesverordnungen
(Unterhalb der allgemeinen Normen von
Verfassung, Gesetz und Verordnung stehen)
f) Individuelle Vollzugsnormen
(Bescheide, Urteile, Verträge [mit Wirkung nur im Einzelfall])
g) Einzelne Vollstreckungsakte
(Zwangsvollstreckung bzw. Exekution)
Das gesamte Recht Österreichs, für das
die konkrete Bestimmung des Verhältnisses von Rechtsvorschriften zueinander
eine schwierige Aufgabe einer inhaltlichen Auslegung im Einzelfall bleibt, ist
am einfachsten zugänglich über http://www.ris.bka.gv.at/.
§ 3 Verfassung
A) Verfassung im Alltagsleben
B) Wesen
C) Arten
D) Einzelfälle
I. Vereinte Nationen
II. Europäische Union
III. Österreich
1. Allgemeine Bestimmungen
2. Gesetzgebung des Bundes
3. Vollziehung des Bundes
4. Gesetzgebung und Vollziehung der
Länder
5. Selbstverwaltung
6. Rechnungs- und Gebarungskontrolle
7. Garantien
8. Volksanwaltschaft
9. Übergangsbestimmungen
IV. Tirol
A) Verfassung im Alltagsleben
Im Alltagsleben des Einzelnen scheint
die Verfassung von keiner besonderen Bedeutung zu sein. Zwar wird er mit den
Grundzügen bereits in der Schulbildung vertraut gemacht. Aber die Verfassung ist
anscheinend so weit vom Alltagsleben entfernt und so hoch oben angesiedelt,
dass sie selbst in das Allgemeinverständnis rechtswissenschaftlicher
Studienanfänger kaum und damit nur unzureichend eingedrungen ist.
Dabei hat jeder Einzelne selbst immer
eine Verfassung. Manchmal befindet er sich in einer guten Verfassung, manchmal
in einer eher schlechten Verfassung. Daran kann er leicht erkennen, dass
Verfassung nichts anderes ist als der allgemeine grundlegende Zustand.
Einen solchen allgemeinen grundlegenden
Zustand hat nicht nur jeder Einzelne, sondern auch eine Allgemeinheit. Der
allgemeine grundlegende Zustand eines Staates ist dabei viel wichtiger als der
allgemeine grundlegende Zustand aller Einzelnen. Deswegen ist in der
Rechtswissenschaft unter Verfassung in erster Linie die Verfassung des Staates
zu verstehen.
B) Wesen
Verfassung ist demnach der allgemeine
grundlegende Zustand eines Staates. Jeder Staat hat notwendigerweise einen
allgemeinen grundlegenden Zustand. Dieser kann aber in den Einzelheiten sehr
unterschiedlich sein.
Der von lateinisch status, M., Zustand
und dem daraus gebildeten italienischen stato, M., „Zustand, Staat“ abgeleitete
Staat ist nach der allgemeinen Staatslehre das durch die drei Elemente:
Staatsgebiet (gewohnheitsrechtlich oder
vertraglich durch mehr oder weniger genaue Grenzen gekennzeichnetes Gebiet
[territoriales Substrat] der Wirksamkeit einer Staatsgewalt, z. B. für
Österreich am 10. 9. 1919 im Friedensvertrag von Saint Germain festgelegt),
Staatsvolk (Gesamtheit der die
Staatsbürgerschaft kraft natürlicher Geburt von Staatsangehörigen [lat. ius
sanguinis, Grundsatz der blutsmäßigen Herkunft oder Abstammung] oder kraft
Geburt in einem Staatsgebiet [lat. ius soli, Grundsatz des Bodens oder Ortes,
Einzelheiten in jeweiligen Staatsbürgerschaftsgesetzen] oder kraft besonderer
gewollter Verleihung habenden Staatsbürger [personales Substrat]) und
Staatsgewalt (im Großen und Ganzen wirksame, von
anderen Staaten ausdrücklich oder schlüssig anerkannte Herrschaft der Organisation
einer Gemeinschaft zwecks Sicherheit, Gewaltfreiheit, Ordnung und Wohlstand
[organisatorisches Substrat])
ausgezeichnete politische Gebilde.
Derzeit sind in den Vereinten Nationen 192 Staaten Mitglieder (z. B.
Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Italien, Deutschland, Tschechien,
Slowakei). Staaten können neu entstehen (z. B. Russland, Vereinigte Staaten von
Amerika, Estland, Lettland, Litauen u. a.), sich ändern (z. B. Österreich,
Deutschland, Italien, Polen) und auch ganz untergehen (z. B. Jugoslawien,
Sowjetunion, Deutsche Demokratische Republik, Tschechoslowakei, Tibet) sowie
von anderen Staaten anerkannt oder nicht anerkannt werden.
Beispiele für streitige Staaten sind
Taiwan und Nordzypern. Beispiele für gewollte, aber bisher nicht entstandene Staaten
sind Kurdistan, Tschetschenien, Transnistrien, Abchasien oder Darfur. Kern
neuer Staaten können Freiheitsbewegungen (z. B. im Kosovo) sein, gegen die sich
bestehende Staaten (z. B. Serbien) trotz des anerkannten Grundsatzes der
Selbstbestimmung mit Gewalt und dem rechtlichen Verlangen der Nichteinmischung
in innere Angelegenheiten wehren können und tatsächlich auch (manchmal
erfolgreich, manchmal erfolglos) wehren.
C) Arten
Innerhalb der Gattung Verfassung lassen
sich mehrere Arten unterscheiden. Dabei sind die Unterscheidungskriterien
verschieden. Sie können die Form wie den Inhalt betreffen.
I. Materielle Verfassung und formelle
Verfassung
1. Materielle Verfassung
Materielle Verfassung ist die
inhaltliche Verfassung oder die Gesamtheit der Rechtssätze, die den Aufbau
und die Tätigkeit des Staates im Grundsatz ordnen. Jeder Staat hat
inhaltlich einen bestimmten politischen Zustand. Dies gilt beispielsweise auch
für Großbritannien, von dem etwa König, Premierminister, Oberhaus, Unterhaus
und High Court of Justice als Verfassungsorgane mehr oder weniger allgemein
bekannt sind.
2. Formelle Verfassung
Formelle Verfassung ist die in
einer oder mehreren Urkunden ausdrücklich festgelegte oder auch die in einem
besonderen förmlichen Verfahren zustande gekommene Verfassung eines
Staates. Eine formelle Verfassung gibt es nach übereinstimmender Ansicht der
Vertreter der Verfassungsgeschichte seit der (hauptsächlich von George Mason
geschaffenen) Virginia Bill of Rights des nordamerikanischen Staates
Virginia vom 12. Juni 1776. Sie ist eine vom Konvent von Virginia angenommene
Erklärung der Menschenrechte.
In ihrem Gefolge haben sich immer mehr
Staaten eine Verfassung (formelle Verfassung, Verfassungsurkunde) gegeben. So legten
die Vereinigten Staaten von Amerika am 17. 9. 1787 ihre politische und
rechtliche Grundordnung in der Constitution of the United States of America
fest. Dem folgten (nach Entwurf gebliebenen Verfassungsprojekten für die zu
dieser Zeit habsburgisch bestimmte Toskana von 1782 und 1787) 1791 Polen und
Frankreich sowie nach dem Ende des Heiligen römischen Reiches (1806) einzelne
deutsche Staaten. Die erste Verfassung Bayerns stammt vom 1. 5. 1808, die
erste, aber gescheiterte Verfassung des geplanten, mit der Revolution
missglückten Deutschen Reiches wie auch Österreichs und Preußens von 1848.
II. Bundesverfassung,
Landesverfassung, Kommunalverfassung
1. Bundesverfassung
In einem Bundesstaat hat (wie in einem
Einheitsstaat) der Gesamtstaat (Bund) eine eigene Verfassung (Bundesverfassung).
Ihr Kern hat in Österreich den Namen Bundes-Verfassungsgesetz. In Deutschland
heißt die Bundesverfassung wegen der politisch ungewissen Lage im Zeitpunkt
ihrer Entstehung (1949) (statt Verfassung nur) Grundgesetz.
2. Landesverfassung
In einem Bundesstaat haben (im
Gegensatz zu einem nur unselbständige Verwaltungsteile kennenden Einheitsstaat
wie Frankreich oder Italien) auch Bundesländer (z. B. Länder, Kantone, Staaten)
eine (nachrangige) Staatsqualität (z. B. ohne Zuständigkeit für eine eigene
Außenpolitik oder Verteidigungspolitik). Dementsprechend kennen die
Bundesländer eine eigene Verfassung. Bei Widerspruch zur Bundesverfassung geht
die Landesverfassung der Bundesverfassung nach.
3. Kommunalverfassung
Kommunalverfassung ist die besondere Verfassung der
Kommunen oder Gemeinden. In Deutschland liegt die Zuständigkeit für die
Gestaltung der Gemeindeverfassung bei den Ländern, so dass die
Gemeindeverfassung nicht einheitlich ist. In Österreich ist die
Selbstverwaltung der Gemeinden in den Art. 115ff. B-VG
bundesverfassungsgesetzlich und im Übrigen landesgesetzlich geregelt (Art. 115
II B-VG) und hat die Statutarstadt (z. B. Landeshauptstadt) eine eigene
Kommunalverfassung (Statut) und zugleich die Aufgaben einer Bezirkshauptmannschaft.
III. Monarchische Verfassung,
aristokratische Verfassung, demokratische Verfassung
Je nach den politischen Verhältnissen
kann die Verfassung eines Staates autokratisch (von einem Einzelnen oder
mehreren Einzelnen bestimmt) oder demokratisch (von allen bestimmt) geprägt
sein. Demokratien können unmittelbare Demokratien (z. B. Halbkanton
Appenzell-Innerrhoden in der Schweiz) oder mittelbare (mittels vom Volk
gewählten Abgeordneten repräsentative) Demokratien sein (z. B. parlamentarische
Demokratien). Mögliche Regierungsformen sind etwa (absolute, konstitutionelle
oder parlamentarische) Monarchie (mit einem lebenslang amtierenden
Staatsoberhaupt) oder (präsidiale oder parlamentarische Republik (mit einem auf
Zeit gewählten, meist politisch verantwortlichen Staatsoberhaupt).
D) Einzelfälle
Verfassung kann alle (politischen)
Gebilde betreffen. Am wichtigsten hiervon ist der Staat. Im Bundesstaat kommt
dem Gesamtstaat (Bund) die größte Bedeutung zu.
I. Vereinte Nationen
Die Vereinten Nationen sind (wegen
Fehlens eines Staatsgebiets, eines Staatsvolks und einer Staatsgewalt) kein
Staat, sondern nur ein zwischenstaatlicher Zusammenschluss mit der Eigenschaft
eines Völkerrechtssubjekts ohne bedeutende sachliche Zuständigkeit. Die
Vereinten Nationen haben deswegen keine (staatliche) Verfassung. In ihrer Charta
ist aber ihr organisatorischer Zustand bzw. ihre Organisation (mit vier
besonders wichtigen Organen, neben denen zahlreiche Nebenorgane bestehen,)
festgelegt.
1. Generalversammlung
Die Generalversammlung ist die
Versammlung aller Mitgliedstaaten, in der jeder Mitgliedstaat einen Sitz und
eine Stimme hat. Sie tagt jährlich mindestens einmal (in New York). Sie ist
zuständig für (völkerrechtlich nicht bindende) Empfehlungen und für Vorlagen an
den Sicherheitsrat, für die Aufnahme neuer Mitglieder, die Wahl der
nichtständigen Mitglieder des Sicherheitsrats und (auf Vorschlag des
Sicherheitsrats) die Wahl des Generalsekretärs, die Verabschiedung des
Haushalts und die Festlegung der Mitgliedsbeiträge (wichtigste
Beitragsverpflichtete sind die Vereinigten Staaten von Amerika, Japan,
Deutschland, das Vereinigte Königreich und Frankreich).
2. Sekretariat
Das Sekretariat ist das
geschäftsführende Organ der Vereinten Nationen. Sein Leiter ist der Generalsekretär.
Er wird auf Vorschlag des Sicherheitsrats von der Generalversammlung auf fünf
Jahre gewählt.
3. Sicherheitsrat
Der Sicherheitsrat (Security
Council) ist das politisch wichtigste Organ der Vereinten Nationen. Er hat 15
Mitglieder, von denen fünf (China, Frankreich, Vereinigtes Königreich
[Großbritannien und Nordirland], Russland und die Vereinigten Staaten von
Amerika) ständige Mitglieder sind und jedes Jahr fünf nichtständige Mitglieder
von der Generalversammlung auf zwei Jahre gewählt werden. Beschlüsse
(Resolutionen) des Sicherheitsrats (z. B. über ein Handelsembargo, eine
friedenssichernde Maßnahme, eine friedenserzwingende Maßnahme) sind bindend und
durchsetzbar, wenn mindestens neun Mitglieder zustimmen, darunter alle
ständigen Mitglieder (Vetorecht).
4. Internationaler Gerichtshof
Der Internationale Gerichtshof in
Den Haag ist das universelle völkerrechtliche Gericht der Vereinten
Nationen. Seine 15 Richter werden auf fünf Jahre gewählt und entscheiden mit
relativer Stimmenmehrheit. Der Gerichtshof urteilt über Rechtsstreitigkeiten
zwischen ihn anerkennenden und anrufenden Staaten und erstattet auf Antrag
gerichtliche Gutachten.
II. Europäische Union
Die Europäische Union ist (wegen
Fehlens eines Staatsvolks [bzw. einer Staatsangehörigkeit] und einer
Staatsgewalt [Herren über die europäischen Verträge sind noch die
Mitgliedstaaten]) kein Staat, und wegen der Vielzahl der vergemeinschafteten
Aufgaben auch kein bloßer Bund von Staaten (Staatenbund), sondern ein
besonderer (seit 2007) aus 27 europäischen Staaten mit rund 500 Millionen
Staatsbürgern bestehender Staatenverbund mit begrenzten
Einzelermächtigungen und eigener Rechtspersönlichkeit (seit dem Vertrag von
Lissabon vom 1. 12. 2009). Die Europäische Union hat deswegen keine
(staatliche) Verfassung (sondern nur einen an Volksentscheiden in Frankreich
und den Niederlanden gescheiterten Vertrag über eine Verfassung von Europa vom
29. 10. 2004). In den Gemeinschafts(gründungs)verträgen (vom 18. 4. 1951 und
vom 25. 3. 1957), den verschiedenen Beitrittsverträgen und den
Änderungsverträgen (1. 7. 1987 Einheitliche Europäische Akte, 7. 2. 1992
Vertrag von Maastricht, 2. 10. 1997 Vertrag von Amsterdam, 11. 12. 2000 Vertrag
von Nizza, 13. 12. 2007 Vertrag von Lissabon [seit 1. 12. 2009 in Kraft]) ist
aber ihr organisatorischer Zustand bzw. ihre überstaatliche und
zwischenstaatliche Elemente aufweisende Organisation (mit 5 besonders wichtigen
Organen) bestimmt.
1. Europäischer Rat
Der Europäische Rat ist das für
die Festlegung der allgemeinen Leitlinien und Ziele der Politik der
Europäischen Union zuständige Organ. Er besteht aus den Staatschefs bzw.
Regierungschefs der Mitgliedstaaten (und mit beratender Stimme dem Präsidenten
der Europäischen Kommission) und wird von dem auf 2,5 Jahre ernannten Präsidenten
des Europäischen Rates geleitet. Der Europäische Rat tagt mindestens viermal
jährlich (meist in Brüssel) und entscheidet grundsätzlich einstimmig.
2. Rat (Ministerrat)
Der Rat der Europäischen Union
ist eines der beiden Rechtsetzungsorgane der Europäischen Union. Er besteht aus
den (2010 27) jeweils zuständigen Fachministern (z. B. Verkehrsministern) der
Regierungen der Mitgliedstaaten, wobei der Vorsitz (im Rahmen einer
Dreierpräsidentschaft) halbjährlich unter den Mitgliedstaaten wechselt (und im
Rat für auswärtige Angelegenheiten der hohe Vertreter der Europäischen Union
für Außen- und Sicherheitspolitik den Vorsitz hat). Je nach Sachgebiet müssen
die (an wechselnden Tagungsorten gefällten) Entscheidungen entweder einstimmig
oder mit qualifizierter Mehrheit (doppelte Mehrheit von Staaten und Einwohnern)
getroffen werden.
3. Europäisches Parlament
Das (1952 gegründete, vorwiegend in
Straßburg, aber auch in Brüssel und Luxemburg als Arbeitsorten tagende) Europäische
Parlament ist das andere der beiden Rechtsetzungsorgane der Europäischen
Union. Seit 1979 werden seine zahlenmäßig den Mitgliedstaaten ungefähr nach der
Bevölkerungszahl zugemessenen Abgeordneten jeweils für fünf Jahre in den
Mitgliedstaaten gewählt. Nach dem Vertrag von Lissabon umfasst das Europäische
Parlament 736 (nach dem Vertrag von Lissabon 754, ab 2014 750 [und nicht
stimmberechtigten Parlamentspräsidenten]) in politischen Fraktionen
zusammenwirkende Abgeordnete.
Die Zuständigkeiten des Europäischen
Parlaments (zu Stellungnahme, Zustimmung und Kontrolle) sind ihm Einzelnen sehr
verwickelt. Insgesamt sind sie im Laufe der Jahre deutlich gewachsen. Hinter
den Zuständigkeiten eines Parlaments eines Mitgliedstaats stehen sie aber noch
erkennbar zurück.
4. Europäische Kommission
Die Europäische Kommission als
von den Mitgliedstaaten unabhängiges Organ mit Sitz in Brüssel hat in erster
Linie ausführende Aufgaben, aber auch das alleinige Initiativrecht
für Rechtsakte der Europäischen Union (Richtlinien, Verordnungen, Beschlüsse),
wobei Rat und Europäisches Parlament den Vorschlag frei ändern können. Die
Europäische Kommission besteht aus je einem Kommissar jedes Mitgliedstaats für
je einen besonderen Sachbereich (Politikbereich) und dem Präsidenten. Sie wird
von dem Europäischen Rat für je fünf Jahre ernannt, doch kann das Europäische
Parlament seine Zustimmung verweigern oder sein Misstrauen aussprechen.
Als ausführendes Organ überwacht
die Europäische Kommission die Ausführung der europäischen Rechtsakte
(z. B. durch die Mitgliedstaaten), darunter die Umsetzung des Haushalts.
Gegebenenfalls klagt sie vor den Gerichten der Europäischen Union bzw. dem
Gerichtshof (der Europäischen Union). Ihrer Unterstützung dienen entsprechende
Generaldirektionen mit (2010) rund 23000 Beamten.
5. Gerichtshof der Europäischen Union
Gerichtshof der Europäischen Union ist (seit 2009) das gesamte
Gerichtssystem der Europäischen Union mit Sitz in Luxemburg. Der (Europäische
Gerichtshof oder einfach) Gerichtshof (im Rahmen des Gerichtshofs der
Europäischen Union) ist das oberste Gericht, dem seit 1989 das europäische
Gericht ([früher] erster Instanz, seit dem Vertrag von Lissabon 2009 Gericht
[der Europäischen Union]) für einfachere Angelegenheiten vorgeschaltet ist und
unterhalb dessen eigenständige Fachgerichte geschaffen sind bzw. werden können.
(Europäischer) Gerichtshof und Gericht (der Europäischen Union) sind mit je
einem Richter jedes Mitgliedstaats besetzt und werden überwiegend in kleinen
Kammern tätig, wobei der (Europäische) Gerichtshof durch Generalanwälte unterstützt
wird und vielfach über Vertragsverletzungsverfahren und
Vorabentscheidungsersuchen entscheidet, aber grundsätzlich nicht von Einzelnen
angerufen werden kann.
6. Weitere Organe
Weitere Organe sind etwa die
Europäische Zentralbank in Frankfurt oder der Europäische Rechnungshof in
Luxemburg.
III. Österreich
Österreichs Bundesverfassung besteht
im Kern aus dem Bundes-Verfassungsgesetz vom 1. 10. 1920 als
Stammgesetz, an dessen Gestaltung unter Staatskanzler Karl Renner maßgeblich
Hans Kelsen mitwirkte. Dieses Gesetz wurde von der verfassunggebenden
(konstituierenden) Nationalversammlung (als Staatsorganisationsgesetz ohne
Benennung von Staatsaufgaben wie Sicherheit, Wohlfahrt oder Ordnung und ohne
zusammenfassenden Grundrechtekatalog) beschlossen. Es gilt seit der Verordnung
des Bundeskanzlers Österreichs vom 1. 1. 1930 in der Fassung des Jahres 1929
(B-VerfG in der Fassung von 1929), die am 4. 3. 1933 gebrochen (mit Anschluss
an das Deutsche Reich 1938 Österreich als Völkerrechtssubjekt nach streitiger
Ansicht nicht beseitigt, sondern nur handlungsunfähig und damit nicht
verantwortlich), aber nach dem Verfassungsüberleitungsgesetz vom 1. 5. 1945 zum
19. 12. 1945 wieder in Kraft gesetzt wurde und seit 1. 1. 1995 den Titel
Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) trägt (vgl. http://www.koeblergerhard.de/oegesetze/bvg.htm)..
Das nicht abschließend gestaltete, vor
allem die obersten Organe, die Art ihrer Bestellung und Abberufung sowie ihre
Zuständigkeit ordnende Bundes-Verfassungsgesetz umfasst die Artikel 1 bis 152
und gliedert sich ohne überzeugende Systematik in 9 Hauptstücke (Art. 1-23,
24-59, 60-94, 95-112, 115-120, 121-128, 129-148, 148a, 149-152), in denen
hauptsächlich die wichtigsten Staatsorgane mit ihren Voraussetzungen,
Aufgaben und Zuständigkeiten festgelegt sind (nur Organisationsteil). Wegen
unterschiedlicher politischer Vorstellungen bei der Entstehung enthält es
keinen eigenen Katalog der Grundrechte. Bisher wurde es mehr als fünfzigmal
abgeändert (z. B. 1925 Kompetenzartikel, 1929 Volkswahl des Bundespräsidenten,
große Verfassungsreform der Jahre 2003-2005 im Österreich-Konvent gescheitert).
1. (Erstes Hauptstück) Allgemeine
Bestimmungen (Art. 1-23 B-VG)
Die allgemeinen Bestimmungen enthalten
vor allem die Grundprinzipien der Verfassung Österreichs (so genannte
Baugesetze), bei deren Änderung gemäß Art. 44 III B-VG eine zusätzliche
Volksabstimmung erforderlich sein dürfte, und die Zuständigkeitsverteilung. Die
Grundprinzipien sind nicht abschließend festgelegt. Allgemein anerkannt sind
das Demokratieprinzip, das Republikprinzip, das Bundesstaatsprinzip, das
Rechtsstaatsprinzip und das Gewaltenteilungsprinzip, während das
Neutralitätsprinzip vor allem wegen des Beitritts zur Europäischen Union zum 1.
1. 1995 in Zweifel geraten ist und das liberale Prinzip (Freiheitsrechte) nicht
allgemein als eigenes Prinzip anerkannt wird.
a) Demokratieprinzip (demokratisches
Prinzip)
Das Demokratieprinzip ist in
Art. 1 B-VG enthalten. Danach ist Österreich eine demokratische Republik
(Art. 1 S. 1 B-VG). Ihr Recht geht vom Volk aus (Art. 1 S. 2 B-VG).
Dementsprechend ist das Volk der
Träger der Staatsgewalt Österreichs. Es gilt also der Grundsatz der Volkssouveränität.
Das Volk ist oberstes Willensbildungsorgan, kann aber überwiegend nur mittelbar
durch besondere, von ihm gewählte Organe (z. B. Nationalrat Art. 26 B-VG,
Landtage Art. 95 B-VG) handeln (mittelbare Demokratie)(, unmittelbares
Volkshandeln außer durch Wahl nur durch gewisse Möglichkeiten des Volksbegehrens,
der Volksabstimmung und der Volksbefragung ohne große rechtstatsächliche
Bedeutung), die jedoch beispielsweise das für das Volk geltende Recht schaffen,
so dass die Rechtsanwendung Verwirklichung des Volkswillens gegenüber dem Volk
bedeutet.
b) Republikprinzip (republikanisches
Prinzip)
Nach Art. 1 S. 1 B-VG ist Österreich
eine (demokratische) Republik(, aber wegen der Unabhängigkeit der
Minister vom Bundespräsidenten weder eine Präsidentschaftsrepublik wie die
Vereinigten Staaten von Amerika oder Frankreich noch eine parlamentarische
Republik wie z. B. die Schweiz, weil die Bundesminister nicht vom Parlament
bestimmt werden). Seine Regierungsform ist also (seit 1918) keine Monarchie
(mehr). Kennzeichen der Republik ist das auf Zeit (z. B. 6 Jahre) gewählte,
politisch verantwortliche und deswegen unter Umständen auch absetzbare
Staatsoberhaupt (Bundespräsident) (an der Stelle des erblichen, dem Volk nicht
wirklich verantwortlichen Kaisers).
c) Bundesstaatsprinzip
(bundesstaatliches Prinzip)
Österreich ist ein Bundesstaat
(Art. 2 I B-VG). Demnach ist Österreich kein Einheitsstaat (wie etwa Ägypten,
China, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Liechtenstein, Luxemburg,
Polen, Schweden, die Türkei, der Vatikan oder Zypern, eigene Zwischenstellung
Vereinigtes Königreich von Großbritannien). Wie Deutschland, die Schweiz,
Russland, die Vereinigten Staaten von Amerika, Brasilien, Argentinien, Indien
oder Australien ist es ein aus mehreren Gliedstaaten zusammengesetzter
Bundesstaat, dessen Teile allerdings nicht durch einen (einmaligen) Bund,
sondern nur in einem langen geschichtlichen Vorgang zueinandergekommen sind (z.
B. zu Oberösterreich und Niederösterreich [mit Wien] als ältestem Kern des 996
erstmals genannten Ostarrihhi [Ostreiches, Ostgebietes, Ostlandes] 1180/1192
Steiermark, 1335 Kärnten, 1363 Tirol, danach in Teilstücken Vorarlberg, 1805
Salzburg, 1918 Burgenland) und dessen Staatsgewalt durch beschränkte
Zugeständnisse des Gesamtstaats an seine Teile seit dem 19. Jahrhundert
bezüglich der Gesetzgebung (Landesgesetzgebung, Mitwirkung des Bundesrats bei
Bundesgesetzgebung) und der Vollziehung (mittelbare Bundesverwaltung) (und
damit nicht auch der allein dem Bund vorbehaltenen Gerichtsbarkeit) zwischen
dem Gesamtstaat (Österreich) und seinen Teilstaaten (Bundesländer) geteilt ist.
Österreich wird gebildet aus den
selbständigen Ländern Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich,
Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien (Art. 2 II B-VG). Die
Länder sind ausdrücklich (eingeschränkt) selbständig. Änderungen im Bestand der
Länder oder eine Einschränkung der in diesem Absatz und in Art. 3 vorgesehenen
Mitwirkung der Länder bedürfen auch verfassungsgesetzlicher Regelungen der
Länder.
Das Bundesgebiet umfasst die Gebiete
der Bundesländer (Art. 3 I B-VG), weshalb Grenzänderungen auch die Zustimmung
der betroffenen Länder benötigen (Art. 3 II-III B-VG). Das Bundesgebiet bildet
ein einheitliches Währungsgebiet, Wirtschaftsgebiet und Zollgebiet (Art. 4 I
B-VG). Bundeshauptstadt und Sitz der obersten Organe des (geschichtlich von
Oberösterreich und Niederösterreich ausgehenden) Gesamtstaats ist Wien (Art. 5
I B-VG).
Für die Republik Österreich besteht
eine einheitliche Staatsbürgerschaft (Art. 6 I B-VG), wobei alle Staatsbürger
vor dem Gesetz gleich sind (Art. 7 I B-VG). Staatssprache ist, unbeschadet der
den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die deutsche
Sprache (Art. 8 I B-VG). Die Farben der Republik Österreich sind rot-weiß-rot
(Art. 8a I B-VG).
d) Rechtsstaatsprinzip
(rechtsstaatliches Prinzip)
Rechtsstaat ist der auf Grund einer Verfassung
(Verfassungsstaat) an das Recht gebundene Staat, in dem die Staatsgewalt auf
eine in den Grundzügen unabänderliche, im Ganzen auf Dauer angelegte objektive
Rechtsordnung verpflichtet und die Bindung der ausführenden Gewalt an die
Gesetze durch unabhängige Gerichte (Rechtsschutzstaat) gesichert ist.
Nach Art. 1 S. 2 B-VG geht Österreichs Recht vom Volk aus, nach Art. 18 I B-VG
darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt
werden und nach Art. 18 II B-VG kann eine Verwaltungsbehörde eine Verordnung
(nur) auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereichs erlassen, wobei
eine Ermächtigung zu einer Verordnung nach Inhalt und Ziel genau beschrieben
sein muss. Materiell gewährleistet der Staat Rechtsstaatlichkeit etwa durch den
Gleichheitssatz, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die
Notwendigkeit des Parteiengehörs, die Unschuldsvermutung, das Erfordernis der
Begründung belastender Eingriffe oder durch das grundsätzliche Verbot
rückwirkender belastender Gesetzgebung.
Das Rechtsstaatsprinzip schränkt also
die Macht des Staates ein, wobei dem Einzelnen auch grundsätzliche Freiräume
belassen werden müssen (z. B. Lernfreiheit). Damit soll der Bürger vor der
Willkür des Staats und seiner einzelnen Amtsträger geschützt werden. Außerdem
ist der moderne Rechtsstaat auch darauf gerichtet, einen materiell gerechten
Zustand herzustellen und zu erhalten.
e) Gewaltenteilungsprinzip
Gewaltenteilung ist die Aufteilung der wegen ihres
Umfangs für den Einzelnen gefährlichen Gewalt des Staates auf mehrere Gewalten
oder Staatsorgane zwecks Machtbegrenzung und Freiheitssicherung. Seit den
frühneuzeitlichen Staatstheoretikern John Locke (1690) und Charles de
Montesquieu (1748) werden dabei (horizontal) Gesetzgebung (Legislative),
(Rechts-)Ausführung (Exekutive, Vollzug der Gesetze) und Rechtsprechung
(Judikative) (sowie später als vierte Gewalt eine unabhängige Presse) und
vertikal Gesamtstaat(, Gliedstaat) und Kommunal(selbst)verwaltung
unterschieden. In Österreich ist das durch zahlreiche Verschränkungen (System
von checks and balances wie beispielsweise die Kontrolle der Bundesregierung
durch den Nationalrat, den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof)
durchbrochene Gewaltenteilungsprinzip, aus dem sich im Übrigen auch die
Unvereinbarkeit (Inkompatibilität) mancher gleichzeitiger Organstellungen in
einer Person wie z. B. Bundespräsident und Bundeskanzler ergibt, nicht in einem
eigenen Artikel des Bundes-Verfassungsgesetzes festgelegt, wird aber allgemein
der Gesamtheit der Verfassungsartikel entnommen (vgl. die Überschriften vor den
Art. 24, 60, 82 oder Art. 94 Die Justiz ist von der Verwaltung in allen
Instanzen getrennt).
f) Zuständigkeitsverteilung
Im Bundesstaat muss die
Zuständigkeit für staatliche Aufgaben zwischen Gesamtstaat (Bund) und
Gliedstaaten (Ländern, Bundesländern) aufgeteilt werden. Hierfür gilt in
Österreich Art. 15 I B-VG. Danach verbleibt, soweit eine Angelegenheit nicht ausdrücklich durch die Bundesverfassung
der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung des Bundes übertragen ist, sie im
selbständigen Wirkungsbereich (der Gesetzgebung und Vollziehung) der Länder (taxative
Enumeration oder abschließende Aufzählung mit Generalklausel). Demnach sind
in Österreich grundsätzlich die Länder zuständig (tatsächlich z. B. für
Bauwesen, Naturschutz oder Jagd), wobei allerdings nach Art. 82 alle
Gerichtsbarkeit vom Bund ausgeht und die Urteile und Erkenntnisse im Namen der
Republik verkündet und ausgefertigt werden.
Nach Art. 10 B-VG ist demgegenüber Bundessache die
Gesetzgebung und die Vollziehung z. B. in den (besonders wichtigen)
Angelegenheiten Bundesverfassung, äußere Angelegenheiten, Bundesfinanzen,
Geldwesen, Kreditwesen, Börsewesen und Bankwesen, Zivilrechtswesen,
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, Gewerbe und
Industrie, Verkehrswesen, Bergwesen, Arbeitsrecht, Gesundheitswesen,
wissenschaftlicher und fachtechnischer Archiv- und Bibliotheksdienst,
Organisation und Führung der Bundespolizei, militärische Angelegenheiten,
Einrichtung der Bundesbehörden und sonstigen Bundesämter, Bevölkerungspolitik
und Wahlen zum Europäischen Parlament. Dabei gilt der Grundsatz der strikten
Trennungsordnung, weshalb es keine konkurrierende Zuständigkeit von Bund und
Ländern (wie z. B. in Deutschland) gibt. Es herrscht die so genannte
Versteinerungstheorie, wonach der Zustand vom 1. 10. 1925 als abschließende
Regelung gewollt ist.
Nach Art. 11 B-VG ist Bundessache die Gesetzgebung,
Landessache die Vollziehung etwa für die Staatsbürgerschaft, berufliche
Vertretungen, Volkswohnungswesen, Straßenpolizei, Binnenschifffahrt oder
Tierschutz. Nach Artikel 12 B-VG ist Bundessache die Gesetzgebung über die
Grundsätze, Landessache die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die
Vollziehung in den Angelegenheiten etwa des Armenwesens, der öffentlichen
Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten, der
Bodenreform, der Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge, des
Elektrizitätswesens oder des Arbeiterrechts. Sonderregeln bestehen für
Abgabenwesen (Art. 13 B-VG), Schulwesen (Art. 14 B-VG),
Privatwirtschaftsverwaltung (Art. 17 B-VG), Gerichtsbarkeit (Art. 82 I B-VG),
Gemeinderecht (Art. 115 II B-VG) oder unabhängige Verwaltungssenate (Art. 129b
VI B-VG).
Zuständig für eine Abänderung der (bewusst
versteinerten) Kompetenz ist der Bundesverfassungsgesetzgeber, der damit die
Zuständigkeit für die Änderung der Zuständigkeit (Kompetenzkompetenz)
hat. Notwendig ist im Zweifel die Zustimmung des Bundesrats. Ein vollständiger
Entzug von Landeskompetenz ist wegen des Bundesstaatsprinzips grundsätzlich als
verfassungswidrig ausgeschlossen.
2. (Zweites Hauptstück) Gesetzgebung des Bundes
(Art. 24-59a B-VG)
Den allgemeinen Bestimmungen folgt als nächst wichtige
Angelegenheit im zweiten Hauptstück die Gesetzgebung des Bundes (getrennt von
der Ausführung der Gesetze und der Gerichtsbarkeit).
a) Zuständigkeit
Die Gesetzgebung des Bundes übt der Nationalrat
gemeinsam mit dem Bundesrat aus (Art. 24 B-VG). Damit ist für die
Entstehung von Bundesgesetzen das Zusammenwirken mindestens zweier Staatsorgane
erforderlich (Zweikammersystem). Sie stehen aber nicht völlig gleichberechtigt
nebeneinander.
aa) Nationalrat
Der Nationalrat (mit Sitz in Wien) wird vom
Bundesvolk auf Grund des allgemeinen, gleichen, unmittelbaren, persönlichen,
freien und geheimen Wahlrechts der Männer und Frauen, die am Wahltag das 16.
Lebensjahr vollendet haben, nach den Grundsätzen der Verhältniswahl
grundsätzlich auf fünf (bis 2007 vier) Jahre gewählt (Art. 26 I B-VG, keine
Wahlpflicht), wobei für die Einzelheiten die besondere Wahlordnung zum
Nationalrat gilt. Dabei wird das Bundesgebiet in räumlich geschlossene
Wahlkreise, deren Grenzen die Landesgrenzen nicht schneiden dürfen, geteilt und
werden die Wahlkreise in Regionalwahlkreise untergliedert. Die Zahl der ([2010]
183) Abgeordneten wird auf die Wahlberechtigten der Wahlkreise und der
Regionalwahlkreise hauptsächlich nach der Zahl der jeweiligen Staatsbürger mit
entsprechendem Hauptwohnsitz verteilt. Wählbar bzw. passiv wahlberechtigt ist
jeder zum Nationalrat (aktiv) wahlberechtigte Staatsbürger Österreichs, der am
Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet hat.
Sitzungen des Nationalrats sind öffentlich (Art. 32 I
B-VG). Wie sich aus Art. 31 B-VG ergibt, entscheiden die gewählten Abgeordneten
des Nationalrats (als Träger eines freien, nicht an Aufträge der Wähler,
sondern nur an das eigene Gewissen gebundenen Mandats) durch Beschluss, wobei
der Nationalrat nur bei einer Anwesenheit mindestens eines Drittels seiner
Mitglieder beschlussfähig (Präsenzquorum) ist (Art. 31 B-VG). Für das Zustandekommen eines
Beschlusses ist (zumindest) die unbedingte (absolute) Mehrheit der abgegebenen
Stimmen erforderlich (also mindestens 31 Stimmen bei etwa 61 abgegebenen
Stimmen) (Konsensquorum, Art. 31 B-VG).
bb) Bundesrat
Nach Art. 34 I B-VG sind im Bundesrat
die Länder im Verhältnis zur Bürgerzahl im Land vertreten. Das Land mit der
größten Bürgerzahl entsendet zwölf Mitglieder, Länder mit geringerer Bürgerzahl
entsprechend weniger Mitglieder, mindestens aber drei Mitglieder (Art. 34 II
B-VG). Demnach stellen (2010) von den 62 von den jeweiligen Landtagen
gewählten, weisungsfreien Mitgliedern Niederösterreich 12 Mitglieder, Wien und
Oberösterreich 11 Mitglieder, Steiermark 9 Mitglieder, Tirol 5 Mitglieder,
Kärnten und Salzburg 4 Mitglieder sowie Burgenland und Vorarlberg 3 Mitglieder.
b) Gesetzgebungsverfahren (Art. 41ff.
B-VG Der Weg der Bundesgesetzgebung)
aa) Gesetzesvorschlag
Gesetzesvorschläge gelangen nach Art.
41 I B-VG an den Nationalrat als Anträge seiner Mitglieder, des Bundesrats oder
eines Drittels der Mitglieder des Bundesrats sowie (zu etwa 85 Prozent) als Vorlagen
der Bundesregierung. Außerdem ist jeder von 100000 Stimmberechtigten oder
von je einem Sechstel der Stimmberechtigten dreier Länder gestellte Antrag (Volksbegehren),
der eine durch Bundesgesetz zu regelnde Angelegenheit betrifft, von der
Bundeswahlbehörde dem Nationalrat vorzulegen. Andere förmliche
Gesetzesinitiativen sind damit ausgeschlossen.
bb) Gesetzesbeschluss
Erforderlich ist nach dem
ordnungsgemäß eingebrachten Gesetzesvorschlag ein (in dritter Lesung) von der
notwendigen Mehrheit (Präsenzquorum ein Drittel und Konsensquorum der Mehrheit)
getragener Beschluss des Nationalrats. Jeder Gesetzesbeschluss des Nationalrats
ist unverzüglich von dessen Präsidenten dem Bundesrat zu übermitteln (Art. 42 I
B-VG). Gegen ihn kann der Bundesrat einen mit Gründen versehenen, grundsätzlich
nur die Wirkung eines suspensiven Vetos entfaltenden Einspruch
erheben (Art. 42 II B-VG, nur ausnahmsweise ist eine Zustimmung des Bundesrats
erforderlich, absolutes Veto), der dem Nationalrat binnen acht Wochen nach
Einlangen des Gesetzesbeschlusses beim Bundesrat von dessen Vorsitzenden
schriftlich übermittelt werden muss und dem Bundeskanzler zur Kenntnis zu
bringen ist (Art. 42 III B-VG).
Erhebt der Bundesrat (innerhalb der
Einspruchsfrist) keinen Einspruch, wird das Gesetzgebungsverfahren einfach
weitergeführt. Wiederholt der Nationalrat seinen Gesetzesbeschluss (trotz des
Einspruchs des Bundesrats) bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner
Mitglieder mehrheitlich (Beharrungsbeschluss), so ist der
Gesetzesbeschluss wirksam (Art. 42 IV B-VG). Danach nimmt das Gesetzgebungsverfahren
seinen Fortgang.
Drei Besonderheiten gelten bei
Verfassungsgesetzen oder bei in einfachen Gesetzen enthaltenen
Verfassungsbestimmungen, die erstens ausdrücklich als Verfassungsgesetze oder
Verfassungsbestimmungen bezeichnet werden müssen. Bei ihnen muss zweitens bei
der Abstimmung im Nationalrat mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend
sein (erhöhtes Präsenzquorum) und müssen drittens mindestens zwei
Drittel der abgegebenen Stimmen den Antrag bejahen (erhöhtes Konsensquorum,
Art. 44. I, vgl. auch Art. 44 II B-VG) (also z. B. bei Anwesenheit von 92
Abgeordneten mindestens 62 von 92 abgegebenen Stimmen). Jede Gesamtänderung der
Bundesverfassung und auf bestimmte Verlangen auch jede Teiländerung ist
außerdem einer Abstimmung des gesamten Bundesvolks zu unterziehen (Art. 43 III
B-VG, bisher nur 1994 anlässlich des Beitritts zur Europäischen Union
durchgeführt).
cc) Beurkundung und Gegenzeichnung
Das verfassungsmäßige Zustandekommen
der Bundesgesetze wird durch den Bundespräsidenten beurkundet. Die Vorlage zur
Beurkundung erfolgt durch den Bundeskanzler. Die Beurkundung ist vom
Bundeskanzler gegenzuzeichnen (Art. 47 B-VG).
dd) Kundmachung im
Bundesgesetzblatt
Bundesgesetze und gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG genehmigte
Staatsverträge werden mit Berufung auf den Beschluss des Nationalrates,
Bundesgesetze, die auf einer Volksabstimmung beruhen, mit Berufung auf das
Ergebnis der Volksabstimmung kundgemacht (Art. 48 B-VG). Die Bundesgesetze sind
vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt, seit 1. 1. 2004 auf dem Server des
Bundeskanzleramts in elektronischer Form kundzumachen. Soweit nicht
ausdrücklich anderes bestimmt ist, treten sie mit Ablauf des Tages ihrer
Kundmachung in Kraft und gelten (ab 0 Uhr des nächsten Tages) für das gesamte
Bundesgebiet (Art. 49 B-VG), womit dann die entsprechende Gesetzgebung, die im
Übrigen durch einen gegenläufigen förmlich-ausdrücklichen oder
sachlich-inhaltlichen Beschluss des Gesetzgebers wieder aufgehoben (formell
oder materiell derogiert) werden kann, abgeschlossen ist.
c) Rechtswidrigkeit
Die Gesetzgebung kann rechtswidrig sein (z. B. Rückwirkung
von Strafgesetzen zu Lasten Verdächtiger).. Ein Landesgesetz kann die
Landesverfassung oder die Bundesverfassung verletzen, ein Bundesgesetz die
Bundesverfassung oder europäisches Gemeinschaftsrecht. Rechtswidrig handelt
etwa der Gesetzgeber, der mittelbar diskriminierendes vorbeitrittsrechtliches
Recht nach Beitritt zur (Europäischen Gemeinschaft) nicht aufhebt.
3. (Drittes Hauptstück) Vollziehung
des Bundes (Art. 60-94 B-VG)
Das dritte Hauptstück schließt an die
Gesetzgebung des Bundes die Vollziehung (Ausführung) des Bundes mit den drei
wichtigsten dafür zuständigen Bundesorganen an. Es behandelt aber auch
nachrangige Ausführungsorgane. Außerdem verbindet es (wie 1690 John Locke
[1632-1704]) mit der Ausführung (A) die Gerichtsbarkeit (B).
a) Bundespräsident
Der ohne nachgeordnete Organe tätige
Bundespräsident wird vom Bundesvolk auf Grund des gleichen, unmittelbaren,
persönlichen, freien und geheimen Wahlrechts der zum Nationalrat
wahlberechtigten Männer und Frauen auf sechs Jahre (Möglichkeit unmittelbar
anschließender einmaliger Wiederwahl) gewählt, wobei im Falle nur eines
Bewerbers die Wahl in Form einer Abstimmung durchzuführen ist (Art. 60 I B-VG).
Gewählt werden kann nur, wer das Wahlrecht zum Nationalrat hat, am Wahltag das
35. Lebensjahr vollendet hat und nicht einem regierenden Haus oder einem
ehemals regierenden Haus angehört (Art. 60 III B-VG). Gewählt ist, wer im
ersten Wahlgang mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen (absolute Mehrheit)
für sich hat oder im zweiten Wahlgang bei der andernfalls erforderlichen
Stichwahl zwischen den beiden Bewerbern mit den meisten Stimmen die Mehrheit
der Stimmen erreicht (Art. 60 II B-VG).
Der Bundespräsident vertritt die
Republik nach außen und schließt Staatsverträge ab (Art. 65 I B-VG). Er
ernennt und entlässt die Mitglieder der Bundesregierung und ernennt die
(höheren) Bundesbeamten und Richter (Art. 65 II a, 86 I B-VG). Er kann
begnadigen und auf Antrag der Eltern uneheliche Kinder zu ehelichen Kindern
erklären (Art. 65 II c, d B-VG).
Alle Akte des Bundespräsidenten
erfolgen grundsätzlich auf Vorschlag der Bundesregierung oder eines von ihr
ermächtigten Bundesministers (Art. 67 I B-VG). Alle Akte des Bundespräsidenten
bedürfen zu ihrer Gültigkeit grundsätzlich der Gegenzeichnung des
Bundeskanzlers oder des zuständigen Bundesministers (Art. 67 II B-VG). Zur
Unterstützung des für die Ausübung seiner Funktionen der besonderen
Bundesversammlung verantwortlichen Bundespräsidenten ist die ihm unterstehende
Präsidentschaftskanzlei berufen (Art. 67a B-VG).
b) Bundesregierung und Bundesminister
Die unter dem Vorsitz des
Bundeskanzlers stehende, aus dem Bundeskanzler, dem Vizekanzler und den übrigen
Bundesministern bestehende Bundesregierung, die im Gegensatz zu den
einzelnen Bundesministern keine nachgeordneten Organe hat, ist mit den obersten
Verwaltungsgeschäften betraut, soweit diese nicht dem Bundespräsidenten
übertragen sind (Art. 69 B-VG). Der Bundeskanzler und auf seinen
Vorschlag die übrigen Mitglieder der Bundesregierung werden vom
Bundespräsidenten ernannt (Art. 70 I B-VG). Zum Bundeskanzler, Vizekanzler oder
Bundesminister kann nur ernannt werden, wer zum Nationalrat wählbar ist, ohne
dass der Betreffende dem Nationalrat angehören muss (Art. 70 II B-VG). Versagt
der Nationalrat der Bundesregierung oder einzelnen ihrer Mitglieder durch
ausdrückliche Entschließung in Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder des
Nationalrats das Vertrauen, so ist die Bundesregierung oder der betreffende
Bundesminister des Amtes zu entheben (Art. 74 B-VG).
Die Mitglieder der Bundesregierung
sind dem Nationalrat gemäß Art. 142 B-VG verantwortlich (Art. 76 I
B-VG). Zur Besorgung der Geschäfte der Bundesverwaltung sind die Bundesministerien
und die ihnen unterstellten Ämter (nachgeordneten Organe) berufen (Art. 77 I
B-VG). Die Zahl der Bundesministerien, ihr Wirkungsbereich und ihre Einrichtung
werden durch Bundesgesetz bestimmt (Art. 77 II B-VG).
c) Sicherheitsbehörden des Bundes
Oberste Sicherheitsbehörde des
Bundes ist der Bundesminister für Inneres. Ihm sind die Sicherheitsdirektionen
mit den Bezirksverwaltungsbehörden und die Bundespolizeidirektionen als
Sicherheitsbehörden nachgeordnet. Sind Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum
von Menschen gefährdet oder steht eine solche Gefährdung unmittelbar bevor, so
sind die Sicherheitsbehörden jedenfalls bis zum Einschreiten der jeweils
zuständigen Behörde zur ersten allgemeinen Hilfeleistung zuständig (Art. 78a I,
II B-VG).
d) Bundesheer
Dem Bundesheer obliegt die
militärische Landesverteidigung (Art. 79 I B-VG). Den Oberbefehl führt der
Bundespräsident (Art. 80 I B-VG). Soweit nicht nach dem Wehrgesetz der
Bundespräsident über das Heer verfügt, steht die Verfügung dem zuständigen Bundesminister
innerhalb der ihm von der Bundesregierung erteilten Ermächtigung zu, wobei im
Übrigen die Befehlsgewalt über das Bundesheer der zuständige Bundesminister
ausübt (Art. 80 II, III B-VG).
e) Schulbehörden des Bundes
Die Verwaltung des Bundes auf dem
Gebiet des Schulwesens ist grundsätzlich vom zuständigen Bundesminister und von
den ihm unterstehenden Schulbehörden des Bundes zu besorgen (Art. 81a B-VG).
f) Universitäten
Die öffentlichen Universitäten sind
Stätten freier wissenschaftlicher Forschung, Lehre und Erschließung der Künste
(Art. 81 c B-VG).
g) Gerichtsbarkeit
Alle Gerichtsbarkeit geht vom Bund aus
(Art. 82 I B-VG), so dass keine Landesgerichtsbarkeit besteht. Die Verfassung
und Zuständigkeit der Gerichte wird durch Bundesgesetz festgestellt (Art. 83 I
B-VG). Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden (Art. 83 II
B-VG).
Die Richter werden grundsätzlich auf
Antrag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten ernannt (Art. 86 I B-VG). Die
Richter sind in Ausübung ihres richterlichen Amtes unabhängig (Art. 87 I B-VG).
Die Geschäfte sind unter die Richter eines Gerichts für die in der
Gerichtsverfassung bestimmte Zeit im Voraus zu verteilen (Art. 87 III 1 B-VG).
Die Justiz ist von der Verwaltung in
allen Instanzen getrennt (Art. 94 B-VG).
4. (Viertes Hauptstück) Gesetzgebung
und Vollziehung der Länder (Art. 95-112 B-VG)
a) Gesetzgebung
Die Gesetzgebung der Länder
wird von den vom jeweiligen Landesvolk gewählten Landtagen ausgeübt
(Art. 95 I 1 B-VG, Einkammersystem). Die durch Landesverfassungsgesetz
zu erlassende Landesverfassung kann, soweit dadurch die Bundesverfassung
einschließlich ihrer Grundprinzipien (Baugesetze) nicht berührt wird, durch
Landesverfassungsgesetz abgeändert werden (Art. 99 I B-VG). Alle (bei
Landesverfassungsgesetzen mit erhöhtem Präsenzquorum und erhöhtem Konsensquorum
zu fassenden) Gesetzesbeschlüsse der Landtage sind unmittelbar nach der
Beschlussfassung des Landtags vor ihrer Kundmachung vom Landeshauptmann dem
Bundeskanzleramt bekanntzugeben (Art. 98 I B-VG), woraufhin die Bundesregierung
Einspruch erheben und der Landtag einen Beharrungsbeschluss
fassen kann.
Ein Widerspruch zwischen Bundesrecht
und Landesrecht kann auf Grund der Zuständigkeitsverteilung grundsätzlich nicht
entstehen. Ergibt er sich gleichwohl, beruht er auf einer
Zuständigkeitsüberschreitung einer Seite. Die jeweils fehlerhafte Bestimmung
ist in einem Verfahren vom Verfassungsgerichtshof aufzuheben.
b) Vollziehung
Die Vollziehung jedes Landes übt eine
vom Landtag zu wählende Landesregierung, der Bezirksverwaltungsbehörden
nachgeordnet bzw. unterstellt sind, aus (Art. 101 I B-VG). Die Landesregierung
besteht aus dem Landeshauptmann, der erforderlichen Zahl von
Stellvertretern und weiteren Mitgliedern (Landesräten) (Art. 101 III B-VG). Der
Landeshauptmann wird vom Bundespräsidenten angelobt (Art. 101 IV 1 B-VG).
Im Bereich der Länder üben die
Vollziehung des Bundes nur dann Bundesbehörden aus, wenn Bundesbehörden
bestehen (unmittelbare Bundesverwaltung, vgl. Art. 102 II B-VG). In allen
anderen Fällen üben die Vollziehung des Bundes der Landeshauptmann und die
unterstellten Landesbehörden aus (mittelbare Bundesverwaltung, bei der
Landesorgane im organisatorischen Sinne funktionell als Bundesorgane tätig
werden, 84 monokratische Bezirkshauptmannschaften unter der Leitung des
Bezirkshauptmanns und 15 monokratische Statutarstädte wie Wien, Graz, Linz,
Salzburg oder Innsbruck mit monokratischen Magistraten unter der Leitung des
Bürgermeisters) (Art. 102 I 1 B-VG). Daneben führen die Landesbehörden die Landesgesetze
aus.
5. (Fünftes Hauptstück) Selbstverwaltung
(Art. 115-120 B-VG, 1. 1. 2008 z. B. Kammern)
Jedes Land gliedert sich in Gemeinden
(Ortsgemeinden) (Art. 116 I 1 B-VG). Die Gemeinde ist Gebietskörperschaft mit
dem Recht auf (territoriale) Selbstverwaltung (mit Weisungsfreiheit gegenüber
außen) der eigenen Angelegenheiten (z. B. örtliche Raumordnung, örtliche
Bauangelegenheiten, kommunale Unternehmen) und zugleich Verwaltungssprengel.
Jedes Grundstück muss zu einer Gemeinde gehören (Art. 116 I 2, 3 B-VG).
Soweit nicht ausdrücklich eine
Zuständigkeit des Bundes festgesetzt ist, hat die Landesgesetzgebung das
Gemeinderecht zu regeln (Art. 115 II B-VG). Als Organe der Gemeinde sind
jedenfalls vorzusehen der Gemeinderat als zu wählender allgemeiner Vertretungskörper,
der Gemeindevorstand (Stadtrat), bei Städten mit eigenem Statut der Stadtsenat,
und der Bürgermeister (Art 117 I B-VG). Der Wirkungsbereich der Gemeinde ist
ein eigener Wirkungsbereich einerseits und ein vom Bund oder Land übertragener
Wirkungsbereich andererseits (Art. 118 I B-VG).
In der Gemeinde wählen die
Gemeindebürger und die Staatsbürger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union
mit Wohnsitz in der Gemeinde den Gemeinderat, der kollegiales
Beratungsorgan und Beschlussorgan ist. Der Gemeinderat wählt den Gemeindevorstand
bzw. in Statutarstädten den Stadtsenat als vorberatendes Kollegialorgan.
Je nach dem Kommunalverfassungsrecht des jeweiligen Bundeslands wählen die
Gemeindebürger oder der Gemeinderat den die laufende Geschäftsführung ausführenden
Bürgermeister als monokratisches Organ.
6. (Sechstes Hauptstück) Rechnungs-
und Gebarungskontrolle (Art. 121-127a B-VG)
Zur Überprüfung der Gebarung des
Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände, der Gemeinden und anderer, durch
Gesetz bestimmter Rechtsträger ist der Rechnungshof berufen (Art. 121 I
B-VG).
7. (Siebtes Hauptstück) Garantien der
Verfassung und Verwaltung (Art. 129-148)
Zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten
öffentlichen Verwaltung sind die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern,
der Asylgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof berufen (Art. 129
B-VG). Die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern erkennen nach
Erschöpfung des administrativen Instanzenzugs, sofern ein solcher in Betracht
kommt, in besonders aufgeführten Angelegenheiten (Art. 129a I B-VG). Für
Asylverfahren ist ein besonderer Asylgerichtshof eingerichtet (Art. 129c B-VG).
a) Verwaltungsgerichtshof
Der Verwaltungsgerichtshof (Judenplatz
11, Wien 1) erkennt (als Kassationsgericht mit den Möglichkeiten der
Zurückweisung von Beschwerden und der Aufhebung von Gesetzen, Verordnungen und
Bescheiden) über Beschwerden, womit Rechtswidrigkeit von
Bescheiden der Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen
Verwaltungssenate oder Verletzung der Entscheidungspflicht der
Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate behauptet
wird (Art. 130 B-VG). Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann vor
allem wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in
seinen Rechten verletzt zu sein behauptet und den Instanzenzug erschöpft hat.
Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in Senaten (Art. 135 I B-VG).
b) Verfassungsgerichtshof
Der Verfassungsgerichtshof
(Judenplatz 11, Wien 1) erkennt (als Kassationsgericht) auf Antrag eines
jeweils Berechtigten beispielsweise über vermögensrechtliche Ansprüche gegen
Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen
Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen
sind, über bestimmte Kompetenzkonflikte (Zuständigkeitsstreitigkeiten), über
Gesetzwidrigkeit von Verordnungen (Art. 139 B-VG,
Verordnungsprüfungsverfahren), über Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen oder
Landesgesetzen (Art. 140 B-VG, Gesetzesprüfungsverfahren, Aufhebung wird vom
Bundeskanzler kundgemacht, wirksam mit Ablauf des Tages der Aufhebung oder ab
besonders bestimmtem Zeitpunkt), über die Verletzung der verfassungsgesetzlich
gewährleisteten Rechte (Grundrechte) durch einen Bescheid nach Erschöpfung des
Verwaltungsinstanzenzugs (Bescheidprüfungsverfahren, praktisch besonders
wichtig), über Anfechtung von Wahlen und über Anklagen gegen oberste
Staatsorgane (z. B. Bundesministeranklage). Er besteht aus einem Präsidenten,
einem Vizepräsidenten, zwölf weiteren Mitgliedern und sechs Ersatzmitgliedern
(Art. 147 I B-VG), die auf Grund von Vorschlägen der Bundesregierung, des
Nationalrats und des Bundesrats vom Bundespräsidenten ernannt werden. Die näheren
Bestimmungen über seine Organisation und sein Verfahren sind durch besonderes
Gesetz geregelt.
8. (Achtes Hauptstück) Volksanwaltschaft
(Art. 148a-148j B-VG)
Jedermann kann sich bei der
Volksanwaltschaft wegen behaupteter Missstände in der Verwaltung des Bundes
einschließlich dessen Tätigkeit als Träger von Privatrechten beschweren, sofern
er von diesen Missständen betroffen ist und soweit ihm ein Rechtsmittel nicht
oder nicht mehr zur Verfügung steht. Jede solche Beschwerde ist von der
Volksanwaltschaft zu prüfen. Dem Beschwerdeführer sind das Ergebnis der Prüfung
sowie die allenfalls getroffenen Veranlassungen mitzuteilen (Art. 148a I B-VG).
Sitz der Volksanwaltschaft ist Wien.
Sie besteht aus drei Mitgliedern. Die Amtsdauer beträgt sechs Jahre mit der
einmaligen Möglichkeit der Wiederwahl (Art. 148g B-VG).
9. (Neuntes Hauptstück)
Schlussbestimmungen (Art. 149-152 B-VG)
Als weitere Verfassungsgesetze haben
zu gelten das Staatsgrundgesetz vom 21. 12. 1867 über die allgemeinen
Rechte der Staatsbürger, das Gesetz vom 27. 10. 1862 zum Schutze des
Hausrechts, der Beschluss der provisorischen Nationalversammlung vom 30.
10. 1918, das Gesetz vom 3. 4. 1919 betreffend die Landesverweisung und die
Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen, das Gesetz vom 3. 4.
1919 über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und
gewisser Titel und Würden sowie Abschnitt V des III. Teiles des Staatsvertrages
von Saint-Germain vom 10. 9. 1919.
10. Zusätzliche
Bundesverfassungsgesetze und zusätzliche Verfassungsbestimmungen
Zusätzliche Bundesverfassungsgesetze sind die nach Art. 44 I B-VG
erlassenen Gesetze wie beispielsweise das Bundesverfassungsgesetz über die
Neutralität Österreichs (BGBl. 1955, 211) oder das Bundesverfassungsgesetz über
die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks (BGBl. 1974, 396).
Verfassungsbestimmungen sind auch in einfachen Gesetzen mit Zustimmung des
Bundesrats geschaffen worden (z. B. § 55 VI StVO). Außerdem sind bestimmte
internationale Abkommen in das österreichische Verfassungsrecht integriert (wie
z. B. die Europäische Menschenrechtskonvention [Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten, unterzeichnet in Rom am 4. 11. 1950,
allgemein in Kraft ab 3. 9. 1953], vgl. auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
der Vereinten Nationen von 1948).
Insgesamt ist das Verfassungsrecht
Österreichs (Verfassungsrecht im formellen Sinne) also sehr komplex. Den Kern
bildet als Stammgesetz das Bundes-Verfassungsgesetz. Daneben bestehen aber mehr
als 70 weitere Bundesverfassungsgesetze, mehr als 12 verfassungsändernde
Staatsverträge, mehr als 650 in einfachen Gesetzen enthaltene, nicht in jedem
Fall wirklich grundlegende Verfassungsbestimmungen und mehr als 300 in
Staatsverträgen enthaltene Verfassungsbestimmungen.
11. Grundrechte
Die entweder jedem Menschen (Menschenrechte)
oder (nur) jedem Staatsbürger (Staatsbürgerrechte) als subjektive
öffentliche Rechte zustehenden, meist der Abwehr staatlicher Eingriffe,
später aber auch dem sozialen Schutz des Einzelnen dienenden Grundrechte sind
in Österreich nicht durch einen einheitlichen Grundrechtskatalog geschützt.
Bedeutsam sind vor allem das gemäß Art. 149 B-VG in Verfassungsrang
übergeleitete Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger
vom 21. 12. 1867 (RGBl. 142/1867) und die vom Europarat erstellte, in
Österreich im Verfassungsrang beschlossene Europäische
Menschenrechtskonvention (BGBl. 1958, 210) sowie Einzelgesetze wie
beispielsweise das Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen
Freiheit (BGBl. 1998, 684) oder § 1 des Datenschutzgesetzes von 1978. Die
wichtigsten einzelnen Grundrechte sind die Gleichheit der Staatsbürger
vor dem Gesetz (Art. 7 B-VG, Art. 2 StGG 1867), das Recht auf Leben (Art. 2
EMRK), das Verbot der Folter (Art. 3 EMRK), das Verbot der Todesstrafe (Art. 85
B-VG, Art. 1 1. Zusatzprotokoll der EMRK), das Hausrecht, das
Fernmeldegeheimnis, der Datenschutz, die Achtung des Privat- und Familienlebens
(Art. 8 EMRK), das Recht auf Eheschließung und Familienförderung (Art. 12
EMRK), der Schutz der persönlichen Freiheit und Sicherheit, das Recht
auf den gesetzlichen Richter (Art. 83 II B-VG), die grundsätzliche
Unverletzlichkeit des Eigentums (Art. 5 StGG 1867, Art. 1 1.
Zusatzprotokoll EMRK, Menschenrecht), die Berufsfreiheit, die Erwerbsfreiheit
(Art. 6 StGG 1867, Staatsbürgerrecht), die Vereinsfreiheit (Art. 12 StGG 1867,
Art. 11 EMRK), das Wahlrecht (politisches Grundrecht), die Meinungsfreiheit
(Art. 13 StGG 1867, Art. 10 EMRK), die Freiheit der Wissenschaft (Art. 17 StGG
1867), die Freiheit des Unterrichts (Art. 17 II 2 B-VG), das Recht auf Bildung
(Art. 2 1. Zusatzprotokoll EMRK), die Glaubensfreiheit (Art. 14 StGG 1867, Art.
9 EMRK) und die Religionsfreiheit (Art. 15 StGG 1867).
Verschiedene Grundrechte enthalten einen
Gesetzesvorbehalt. Auf seiner Grundlage darf der einfache Gesetzgeber Ausnahmen
und Beschränkungen der Grundrechte festlegen. Eine Drittwirkung der Grundrechte
zu Gunsten privater Dritter besteht nicht.
Grundrechte muss der Staat im Übrigen
auch gewährleisten. Er muss also notwendige Schutzbestimmungen schaffen.
Unterlässt er dies, kann sein Verhalten verfassungswidrig sein.
IV. Land (z. B. Tirol)
Bei dem Erlass der nach Art. 99 B-VG
durch Landesverfassungsgesetz vom Landesgesetzgeber (Landtag) zu erlassenden Landesverfassung
(z. B. Tiroler Landesordnung) muss grundsätzlich mindestens die Hälfte der
Mitglieder des Landtags anwesend sein und müssen zwei Drittel der abstimmenden
Mitglieder zustimmen. Landesverfassungsrecht muss ausdrücklich als Landesverfassungsgesetz
oder Landesverfassungsbestimmung bezeichnet sein. Das Landesverfassungsgesetz
darf die Bundesverfassung nicht verletzen (z. B. kein Zweikammersystem wegen
Art. 95 I B-VG, z. B. keine Direktwahl des Landeshauptmanns wegen Art. 101
B-VG).
§ 4 Verwaltung
A) Rechtswirklichkeit
B) Wesen
C) Arten
D) Rechtsgrundlagen
E) Verwaltungsorganisation
F) Verwaltungshandeln
A) Rechtswirklichkeit
Seit seiner Entstehung hat der Staat
nicht nur eine Verfassung für die allgemeinen grundlegenden Angelegenheiten einschließlich
der dafür erforderlichen Organisation, sondern bedarf auch einer Einrichtung
für die Ausführung aller einfacheren Einzelangelegenheiten. Sie erfasst außer
allen dem Staat über die Staatsangehörigkeit besonders verbundenen Menschen
auch die Staatenlosen und die anderen Staaten zugehörigen Menschen. Sie werden
in der modernen Zivilisation in vielfältiger Hinsicht vom Staat verwaltet.
Bereits die Geburt eines Menschen muss
(nach dem Personenstandsgesetz) dem Staat angezeigt werden. Dabei muss auch ein
bestimmter Name festgelegt werden, der sich teils aus der Herkunft von den
Eltern ergibt (Familienname), teils von den Eltern aus der beschränkten Zahl
der herkömmlichen Namen frei ausgewählt werden kann (Vorname). Auf Grund der
Geburtsanzeige kann eine Geburtsurkunde ausgestellt werden, die zu Gunsten des
Betroffenen seine Geburt während seines gesamten Lebens beweist.
Mit der Geburt wird der Betreffende
grundsätzlich mit einer Wohnadresse gemeldet (Meldegesetz). Sobald seine Eltern
für ihn oder später er selbst den Wohnsitz ändert, muss er dies der
Meldebehörde mitteilen. Bei der bisherigen Meldebehörde muss der
Meldepflichtige sich grundsätzlich abmelden, bei der neuen Meldebehörde sich
anmelden.
Für jedes Kind haben Eltern mit
Wohnsitz in Österreich unabhängig von ihrem Einkommen Anspruch auf staatliche
Familienbeihilfe. Der Anspruch besteht bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs,
unter bestimmten Umständen auch darüber hinaus bis höchstens zur Vollendung des
27. Lebensjahrs. Eltern müssen aber die Familienbeihilfe besonders bei ihrem
Wohnsitzfinanzamt beantragen.
Für die Erziehung und Betreuung von
Kindern bestehen teils staatliche bzw. kommunale, teils freie Einrichtungen.
Für die Aufnahme in einen staatlichen Kindergarten ist ein besonderer Antrag zu
stellen. Auch wenn der Staat in der Frühzeit der Erziehung keinen
eigenständigen, vom Erziehungsrecht der Eltern unabhängigen Auftrag hat,
eröffnet der Kindergarten doch über das familiäre Umfeld hinaus erweiterte
Erfahrungsmöglichkeiten, weshalb ab Herbst 2010 ein kostenloses verpflichtendes
Kindergartenjahr (mindestens 20 Stunden an mindestens 4 Tagen pro Woche im Jahr
vor Schuleintritt) besteht.
Mit der Vollendung des sechsten
Lebensjahrs wird jedes Kind, das sich dauernd in Österreich aufhält, grundsätzlich
mit Wirkung zum nächstfolgenden 1. September zum Besuch einer Schule
verpflichtet (Schulunterrichtsgesetz). Die in Österreich auf Maria Theresia
zurückzuführende allgemeine Schulpflicht dauert neun Jahre, wobei meist mit
vier Jahren Volksschule oder Grundschule begonnen wird. Im Schulwesen
beansprucht der Staat einen eigenständigen, vom Erziehungsrecht der Eltern
unabhängigen Auftrag und verwaltet die Schüler entsprechend.
Hat ein Mensch ein Bedürfnis nach
einem von einer staatlichen Stelle ausgegebenen Identitätsnachweis, kann er
einen Personalausweis beantragen. Allerdings besteht keine Ausweispflicht.
Deswegen steht es den Betroffenen frei, ob sie einen Personalausweis beantragen
wollen.
Benötigt jemand eine Bestätigung für
seine Staatsangehörigkeit Österreichs, kann er einen
Staatsbürgerschaftsnachweis beantragen. Der Antrag ist an die Gemeinde bzw. den
Magistrat bzw. bei Hauptwohnsitz im Ausland an die jeweils zuständige
Vertretungsbehörde Österreichs zu stellen. Bei der Antragstellung ist der zuständigen
Behörde der Besitz bzw. Erwerb der Staatsbürgerschaft Österreichs nachzuweisen.
Will ein Österreicher in das Ausland
reisen, benötigt er dazu grundsätzlich einen Reisepass (seit 2009
Sicherheitspass mit Chip mit Fingerabdrücken). Dieser muss bei den Magistraten
oder Bezirkshauptmannschaften oder bestimmten berechtigten Gemeinden beantragt
werden. Er gilt zehn Jahre und muss dann erneut beantragt werden.
Will jemand in Österreich ein
Kraftfahrzeug führen, benötigt er dafür eine Lenkberechtigung. Sie wird auf
Antrag nach Durchführung einer vorgeschriebenen Ausbildung und erfolgreicher
Ablegung einer Prüfung verliehen. Sie wird als Führerschein bezeichnet, für den
innerhalb der Europäischen Union überwiegend einheitliche Regeln gelten.
Will jemand ein Kraftfahrzeug im
öffentlichen Straßenverkehr benutzen, muss dieses dafür besonders zugelassen
sein. Ehe das Kraftfahrzeug zugelassen werden kann, muss eine
Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden. Bei der Zulassung wird von der
zuständigen Behörde bei Vorliegen aller Voraussetzungen eine
Zulassungsbestätigung ausgestellt.
Junge Männer sind dem Staat
grundsätzlich zu einem Wehrdienst verpflichtet. Zur Überprüfung ihrer
Tauglichkeit erfolgt im vorgesehenen Zeitpunkt eine Musterung. Auf Antrag ist
statt Ableistung des Wehrdienstes auch Ableistung eines Zivildiensts möglich.
Will jemand nach dem erfolgreichen
Abschluss der schulischen Ausbildung ein Studium aufnehmen, muss er dafür
besonders zugelassen werden. Dafür muss er einen entsprechenden Antrag stellen
und die erforderlichen Unterlagen vorlegen. Nach der Zulassung muss er
zahlreiche weitere Anträge bei den zuständigen Stellen im Rahmen seiner
Ausbildung stellen und entsprechend viele Verfahren durchlaufen.
Findet er nach seiner gesamten
Ausbildung keinen Arbeitsplatz, kann er sich an die Arbeitsmarktverwaltung
(Arbeitsmarktservice) wenden. Hat er Arbeit, muss er vom erzielten Lohn oder
Einkommen Steuern und gesetzliche Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Will er
heiraten oder ein Grundstück kaufen und ein Haus bauen, muss er ebenfalls bei
den zuständigen Behörden Anträge stellen.
Selbst der Tod jedes Menschen
erfordert eine besondere Anzeige bei der zuständigen Behörde und führt
grundsätzlich zur Ausstellung einer besonderen Sterbeurkunde. Dementsprechend
begleiten den Menschen von der Wiege bis zur Bahre viele Formulare bzw.
zahlreiche Verwaltungsvorgänge, in denen der Staat, der freilich auch
nichthoheitlich tätig werden kann (Privatwirtschaftsverwaltung beispielsweise
für Krankenhäuser, Versorgungsunternehmen oder Wohnungsbauunternehmen)
grundsätzlich dem Einzelnen hoheitlich gegenübersteht. Diese Lage besteht nicht
nur in Österreich, sondern weltweit, wobei die Dichte der Verwaltungstätigkeit
am ehesten von der Dichte der Besiedlung abhängt.
B) Wesen
Verwaltung ist die auf längere Dauer angelegte
Besorgung einer Angelegenheit oder mehrerer Angelegenheiten für den dafür
Zuständigen. Sie wird von demjenigen durchgeführt, der dazu Gewalt hat.
Bedeutsam ist dabei weniger die Verwaltung der Angelegenheiten des Einzelnen
durch ihn selbst und mehr die Verwaltung der Angelegenheiten aller durch den
dafür die Zuständigkeit beanspruchenden Staat und seine monokratisch oder
kollegial gestalteten Organe und Organwalter auf Grund der Hoheitsgewalt.
Hinsichtlich der Besorgung der
Angelegenheiten der Allgemeinheit durch den Staat wird dabei seit dem 17./18.
Jahrhundert sachlich eingegrenzt. Für die Schaffung neuer Gesetze ist die
besondere gesetzgebende Gewalt (Legislative) als zuständig erklärt, deren
Grundregeln in der Verfassung (Art. 24ff. B-VG) und deren Einzelheiten in
Geschäftsordnungen niedergelegt sind, für die Überprüfung der Ausführung der
Gesetze auf ihre Rechtmäßigkeit die besondere rechtsprechende Gewalt, deren
Grundregeln in der Verfassung (z. B. Art. 82 B-VG) und deren Verfahren in
besonderen Verfahrensordnungen (z. B. Zivilprozessordnung) bestimmt sind. Da
auch die grundlegenden politischen Entscheidungen der Regierung keine einfache
Besorgung von Angelegenheiten sind, ist Verwaltung also die Besorgung der
Angelegenheiten der Allgemeinheit durch den Staat, die nicht Gesetzgebung,
Rechtsprechung und Regierungstätigkeit ist.
Die Besorgung der Angelegenheiten der
Allgemeinheit durch den Staat erfolgt durch einzelne bestimmte Handlungen von
Organen (Art. 20 I 1 B-VG), wobei (neben den Gesetzgebungsorganen Nationalrat,
Bundesrat und Landtag und den Rechtsprechungsorganen oder Gerichten) für die
Ausführung der Gesetze die besonderen Verwaltungsorgane wie
beispielsweise Bundesminister zuständig sind. Diese entweder monokratisch (z.
B. Bundespräsident) oder kollegial (z. B. Bundesregierung) gestalteten
Einrichtungen werden meist als Behörden (oder auch Ämter) (sowie in der
Privatwirtschaftsverwaltung als sonstige Dienststellen) bezeichnet. Tätig
werden in ihnen jeweils Menschen als Organwalter bzw. Amtsträger oder
Funktionsträger (vielfach Beamte).
Der Grund für die Verwaltung ist die
Notwendigkeit gemeinverträglichen Verhaltens für das Gemeinwohl. Da
gemeinverträgliches Verhalten dem Interesse Einzelner widersprechen kann, kann
es oft nur gegen den Widerstand Einzelner verwirklicht werden, weshalb der
Staat eine übergeordnete Gewalt (Hoheitsgewalt) benötigt und
beansprucht. Sie bringt notwendigerweise eine Freiheitsbeschränkung des
Einzelnen mit sich, so dass staatliche Verwaltung immer auch Beschränkung der
Freiheit des Einzelnen bedeutet.
Die Grundsätze der
Verwaltungstätigkeit sind in Österreich ebenfalls in der Verfassung
niedergelegt. Damit ist ein formeller Verwaltungsbegriff geschaffen.
Seine Kennzeichen sind Gesetzesgebundenheit und Weisungsgebundenheit.
Nach Art. 18 I B-VG darf die gesamte
staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden (Gesetzesgebundenheit).
Dies beruht darauf, dass Verwaltung grundsätzlich Eingriff in die Freiheit des
Einzelnen bedeutet. Im Rechtsstaat darf in die Freiheit des Einzelnen aber
grundsätzlich nur eingegriffen werden, wenn und soweit die Allgemeinheit dies
durch die dafür zuständigen Abgeordneten öffentlich und allgemein für die
Zukunft beschlossen hat.
Die unter der Leitung der obersten Organe des Bundes
und der Länder die Verwaltung führenden, nach den Bestimmungen der Gesetze auf
Zeit gewählten Organe, ernannten berufsmäßigen Organe oder vertraglich
bestellten Organe sind den ihnen vorgesetzten Organen für ihre amtliche
Tätigkeit verantwortlich und, soweit in Gesetzen gemäß (Art. 20) Abs. 2 nicht
anderes bestimmt ist, an deren Weisungen gebunden Art. 20 I 1, 2 B-VG Weisungsgebundenheit).
Das nachgeordnete Organ kann die Befolgung einer Weisung (nur) ablehnen, wenn
die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder die
Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde (Art. 20 I 3
B-VG).
Von der Verwaltung in diesem durch Gesetzgebung,
Rechtsprechung und Regierung bereits eingeschränkten Sinn der Besorgung der
Angelegenheiten der Allgemeinheit durch den Staat sind noch weitere Ausnahmen
zu machen. Parlamentsverwaltung ist zwar Verwaltung, erfolgt aber nicht durch
allgemeine Verwaltungsbehörden, sondern durch die eigene Parlamentsverwaltung,
und Justizverwaltung ist zwar Verwaltung, doch ist dafür die besondere
Justizverwaltung zuständig. Rechnungshof und Volksanwaltschaft haben kraft
Verfassung ebenfalls eine Sonderstellung innerhalb der staatlichen Verwaltung.
C) Arten
Die damit als Ausführung der Gesetze eingegrenzte
Verwaltung ist ein sehr umfassender Lebensbereich der zivilisierten
menschlichen Gesellschaft. Zum besseren Verständnis unterscheidet die
Verwaltungslehre deshalb verschiedene Arten der Verwaltung. Gliederungsgesichtspunkte
sind dabei das Verwaltungssubjekt, das Verwaltungsgebiet und das
Verwaltungsziel.
I. Verwaltungssubjekt
1. Vereinte Nationen
Die Vereinten Nationen sind kein Staat. Ihre
Verwaltungstätigkeit ist deshalb auch nicht umfassend. Die Vereinten Nationen
führen aber doch zahlreiche Einzelprogramme unter Verwendung beträchtlicher
Mittel durch, so dass sie auch eine entsprechende Verwaltungsorganisation
benötigen und haben.
2. Europäische Union
Die Europäische Union ist kein Staat. Im
Verhältnis zu ihrer politischen Bedeutung hat sie keine umfangreiche eigene
Verwaltung, so dass das Recht der Europäischen Union überwiegend
mitgliedstaatlich vollzogen wird. Daneben besteht aber auch eine
gemeinschaftsunmittelbare Verwaltung etwa für Personal, Haushalt, Sozialfonds,
Einfuhrkontrolle, Verkehr u. s. w.
3. Österreich
Der Bundesstaat Österreich ist erst allmählich
aus seinen einzelnen Ländern entstanden. Vielleicht deswegen erfolgt die
Ausführung der Bundesgesetze nicht vorrangig über Bundesbehörden (unmittelbare
Bundesverwaltung wie z. B. Sicherheitsverwaltung, Bundespolizeidirektion,
Finanzverwaltung). Vielmehr werden überwiegend (Landeshauptmann und ihm
unterstellte) Landesbehörden (Bezirksverwaltungsbehörde) tätig (mittelbare
Bundesverwaltung wie z. B. Gewerbeverwaltung, Wasserverwaltung).
Dabei ist Österreich eine juristische Person des
öffentlichen Rechts. Innerhalb dieser ist es wegen der besonderen Bedeutung der
Menschen eine Körperschaft. Weil sie durch die Grenzen bestimmt wird, liegt
eine Gebietskörperschaft vor, keine Personalkörperschaft.
4. Bundesland (z. B.Tirol)
Die Landesverwaltung jedes ebenfalls eine
Gebietskörperschaft darstellenden Bundeslands führt die Landesgesetze und einen
Teil der Bundesgesetze aus. Soweit Bundesgesetze ausgeführt werden, handelt es
sich um Bundesverwaltung. Da in diesem Bereich keine Bundesbehörden tätig
werden, liegt mittelbare (durch Landesbehörden vermittelte) Bundesverwaltung
vor.
5. Gemeinde
Die gleichfalls als Gebietskörperschaft anzusehenden
Gemeinden führen teils Bundesrecht, teils Landesrecht und teils eigenes Recht
aus. Im Bereich der eigenen Angelegenheiten besteht Selbstverwaltung. In den
übertragenen Angelegenheiten werden die Gemeinden für den Staat tätig.
6. Weitere Verwaltungssubjekte können beispielsweise
Universitäten (Anstalten des öffentlichen Rechtes) oder Fonds (z. B.
Forschungsförderungsfonds) und Stiftungen des öffentlichen Rechtes sein.
II. Sachgebiet
Angesichts der Weite menschlicher Angelegenheiten
lässt sich die Verwaltung in zahlreiche Sachgebiete gliedern. Eine einfache
Orientierung ermöglicht die Aufteilung der Bundesregierung in Ministerien.
Danach kann es beispielsweise eine Außenverwaltung, eine Innenverwaltung, eine
Justizverwaltung, eine Finanzverwaltung oder eine Heeresverwaltung und viele
andere Verwaltungssachgebiete (Verkehr, Wissenschaft, Unterricht, Gesundheit,
Landwirtschaft, Umwelt, Technik, Frauen, Europa, Zukunft u. s. w.) geben.
III. Verwaltungsziel
1. Eingriffsverwaltung
Am Beginn der Verwaltung steht der Eingriff des
Staates in die Freiheit des Einzelnen zur Sicherung gemeinverträglichen
Verhaltens. Er wird etwa in der Steuerpflicht oder in der Meldepflicht deutlich
sichtbar. In der Gegenwart zeigt sich die Eingriffsverwaltung beispielsweise in
Verkehrskontrollen, Flugpassagierkontrollen, Telefonüberwachungen, externen
Zugriffen auf Personal Computer, Videokameras, Spitzel in Hörsälen, Anordnungen
von Institutsvorständen zur Ablieferung von Anwesenheitslisten in
Lehrveranstaltungen von Kollegen, biometrischen Passfotos u. s. w.
Für diese Eingriffsverwaltung muss die Freiheit des
Einzelnen der Grundsatz sein. Zwang darf nur ausnahmsweise angewendet werden.
Er darf nicht Selbstzweck sein, sondern muss mittelbar der Sicherung der
Freiheit dienen.
Deswegen bedarf der Zwang einer gesetzlichen
Grundlage. Im Rechtsstaat darf der Staat die grundsätzliche Freiheit des
Einzelnen nur verletzen, wenn ein allgemeines Gesetz dies erlaubt. Ein solches
von den Vertretern der Einzelnen als Abgeordneten beschlossenes Gesetz darf
grundsätzlich nur für die Zukunft wirken und muss dem Verfassungsrecht
entsprechen, um die immer möglichen Missbräuche der Eingriffsverwaltung so
gering wie möglich zu halten und ihre nachträgliche Überprüfung durch die
Rechtsprechung zu sichern.
2. Leistungsverwaltung
Mit der starken Zunahme der Menschen im 19.
Jahrhundert und dem Wechsel von der landwirtschaftlichen Gesellschaft zur
industriellen Gesellschaft zeigte sich vor allem in den neuen Ballungszentren
ein Bedürfnis der Menschen nicht nur nach Freiheit vom Staat, sondern auch nach
Leistung durch den Staat. In Ermangelung anderer Möglichkeiten übernahm der
Staat Leistungen zur Daseinssicherung oder Daseinsfürsorge. Sie
betreffen etwa Wasser, Strom, Gas, Verkehr, Entsorgung, Gesundheit, Bildung
oder soziale Sicherheit (Sozialversicherung), für die umfangreiche Verwaltungen
des Staates für den Einzelnen geschaffen wurden.
D) Rechtsgrundlagen
Wegen des großen, ständig wachsenden
Umfangs der Verwaltung gibt es für das die Verwaltung betreffende Recht (Verwaltungsrecht)
kein einheitliches umfassendes Verwaltungsgesetzbuch. Die wichtigsten
Grundsätze des Verwaltungsrechts sind in das Bundes-Verfassungsgesetz
aufgenommen. Daneben bestehen zahlreiche einzelne Verwaltungsgesetze des Bundes
und der Länder über den Aufbau der Verwaltung, den Inhalt der
Verwaltungstätigkeit (materielles Verwaltungsrecht) und den Ablauf der
verwaltungsbehördlichen Entscheidungsverfahren, darunter insbesondere
Verwaltungsverfahrensgesetze, wobei zwischen allgemeinen Bestimmungen (allgemeines
Verwaltungsrecht mit allgemeinen Lehren und Grundsätzen) und besonderen
Bestimmungen (besonderes Verwaltungsrecht z. B. Baurecht, Gewerberecht,
Wasserrecht) unterschieden werden kann.
I. Verfassungsbestimmungen
1. Legalitätsgrundsatz
Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund
der Gesetze ausgeübt werden (Art. 18 I B-VG).
2. Weisungsgrundsatz
Die Organe der Verwaltung sind den ihnen vorgesetzten
Organen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich und, soweit in Gesetzen
gemäß Abs. 2 nicht anderes bestimmt ist, an deren Weisungen gebunden (Art. 20 I
2 B-VG).
3. Ressortgrundsatz
Die obersten Organe der Vollziehung sind der
Bundespräsident, die Bundesminister und Staatssekretäre sowie die Mitglieder
der Landesregierungen (Art. 19 I B-VG).
4. Kompetenzen des Bundespräsidenten und der
Bundesregierung
Art. 60ff. B-VG
5. Bundesheer
Art. 79ff. B-VG
6. Bundesschulbehörden
Art. 81ff. B-VGG
7. Nachgeordnete Verwaltungsbehörden
Zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten
öffentlichen Verwaltung sind (im Rahmen der Garantien der Verfassung und
Verwaltung) die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern, der
Asylgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof berufen (Art. 129 B-VG).
II. Verwaltungsgesetze
Auf Grund des großen Umfangs der Verwaltung gibt es
sehr viele besondere Verwaltungsgesetze. Ihre Gesamtzahl ist nicht mehr
überschaubar. Dementsprechend umfangreich ist das (materielle besondere)
Verwaltungsrecht, für das sich beispielsweise folgende zehn Sachgruppen bilden
lassen.
1. Innere Verwaltung
Wichtige einzelne Gesetze sind beispielsweise das
Staatsbürgerschaftsgesetz, das Meldegesetz, das Passgesetz, das Waffengesetz
oder das Sicherheitspolizeigesetz (etwa 26000 Polizeibeamte, Gliederung der
Sicherheitspolizei in je eine Zentrale pro Bundesland, darunter
Bezirkskommandos und örtliche Polizeiinspektionen).
2. Wehrwesen
Die bedeutsamsten Bestimmungen sind im Wehrgesetz und
im Zivildienstgesetz enthalten.
3. Öffentlicher Dienst
Öffentlicher Dienst ist eine Gesamtbezeichnung für die
zur Ausführung der Gesetze vom Staat Beschäftigten. Ihre Zahl ist sehr groß,
wobei seit dem Ende des 20. Jahrhunderts zahlreiche Beamte durch
Vertragsbedienstete ersetzt wurden. Die wichtigsten Regelungen finden sich im
Beamtendienstrechtsgesetz, im Vertragsbedienstetengesetz, im Gehaltsgesetz und
für den Ruhestand im Pensionsgesetz.
4. Wirtschaft
Bedeutsame Bereiche regeln beispielsweise die
Gewerbeordnung, das Ladenschlussgesetz, das Produktsicherheitsgesetz, das
Landwirtschaftsgesetz oder das Elektrizitätswirtschaftsgesetz.
5. Kultur
Im Mittelpunkt der Kultur stehen Schule und
Universität. Wichtige Gesetze sind das Schulorganisationsgesetz oder das
Universitätsgesetz. Bedeutung kommt auch dem Studienförderungsgesetz zu.
6. Gesundheit
Z. B. Krankenanstaltengesetz, Sonderabfallgesetz,
Wasserrechtsgesetz
7. Verkehr
Z. B. Straßenverkehrsordnung, Bundesstraßengesetz,
Eisenbahngesetz
8. Arbeit
Z. B. Arbeitnehmerschutzgesetz, im Übrigen überwiegend
Privatrecht
9. Finanzen
Der Staat erzielt die zur Bezahlung seiner
umfangreichen Verwaltung erforderlichen Einnahmen überwiegend durch Steuern.
Diese betreffen alle Lebensbereiche, in denen Mittel vorhanden sind und sich
eine Mehrheit von Abgeordneten auf einen zwangsweisen Einzug von Teilen dieser Mittel
zu Gunsten der Allgemeinheit (einschließlich ihrer eigenen Diäten) einigt (z.
B. Einkommen, Lohn, Umsatz, Grundstück, Kraftfahrzeug, Mineralöl, Tabak,
Alkohol, Hund). Dementsprechend sind zahlreiche einzelne Steuergesetze
erlassen.
10. Soziales
Im Sozialbereich verteilt der Staat von oben nach
unten (z. B. mittels Familienbeihilfe) um. Er entzieht den verhältnismäßig
wenigen Reichen Mittel zu Gunsten der verhältnismäßig vielen Armen. Je mehr
Umverteilung vom Parlament beschlossen wird, desto wahrscheinlicher werden die
entsprechenden Abgeordneten von den zahlreichen Armen gewählt.
III. Verwaltungsverfahrensgesetze
Verwaltungsverfahrensgesetz ist das
die Verwaltungsverfahren allgemein oder grundsätzlich ordnende Gesetz. Es
betrifft das formelle Verfahren im Bereich der Verwaltung (formelles
Verwaltungsrecht). Dieses muss im Rechtsstaat den Gesetzen entsprechen (Legalitätsgrundsatz,
Art. 18 B-VG).
Bedeutsam hierfür ist besonders die
Zuständigkeit. Daneben fragt sich, was geschehen muss und was man dagegen tun
kann. Schließlich geht es auch um die Kosten des Verfahrens.
Geregelt ist das
Verwaltungsverfahrensrecht vor allem in vier Gesetzen. In ihrer Mitte steht das
Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), das von einem
Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen (EGVG) begleitet wird.
Die von den Verwaltungsbehörden in Strafbescheiden zu verhängenden
Verwaltungsstrafen, bei denen der Betroffene im Gegensatz zu den Strafurteilen
der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht vorbestraft ist, sind im
Verwaltungsstrafgesetz (VStG) behandelt, die Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen
zur zwangsweisen tatsächlichen Durchsetzung der Verwaltungsmaßnahmen im
Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VVG mit den Möglichkeiten der Pfändung,
Ersatzvornahme oder der Zwangsstrafe).
E) Verwaltungsorganisation
I. Unmittelbare Bundesverwaltung
In Art. 102 II B-VG sind die
Angelegenheiten bestimmt, die im Rahmen des verfassungsmäßig festgestellten
Wirkungsbereichs unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden können. Dazu
gehören etwa Passwesen, Asyl, Bundesfinanzen, Geldwesen, Justizwesen,
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, Meldewesen,
Waffenwesen, Verkehrswesen, Arbeitsrecht, Denkmalschutz, Bundespolizei,
Schulwesen, öffentliches Auftragswesen und manche andere Angelegenheit. Bei
dieser Bundesverwaltung durch eigene Bundesbehörden liegt unmittelbare
Bundesverwaltung vor.
II. Mittelbare Bundesverwaltung
Mittelbare Bundesverwaltung ist die
von Landesbehörden besorgte Ausführung von Bundesgesetzen. Sie betrifft etwa
das Gewerberecht. Sie ist insgesamt von erheblicher tatsächlicher Bedeutung.
III. Landesverwaltung
Landesverwaltung ist grundsätzlich die
Ausführung der Landesgesetze durch Landesbehörden, zu der aber die mittelbare
Bundesverwaltung als Ausführung von Bundesgesetzen durch Landesbehörden
hinzukommt. Die Verwaltungsaufgaben der Landesregierung werden vom Amt der
Landesregierung wahrgenommen, deren Behördenleiter der (rechtskundige
Verwaltungsbeamte) Landesamtsdirektor ist (Art. 106 B-VG). Erstinstanzliche
Landesbehörde ist grundsätzlich die Bezirkshauptmannschaft bzw. in
statutarischen Städten der Magistrat (Art. 116 III 4 B-VG),
zweitinstanzliche Landesbehörde der Landeshauptmann.
Möglich ist neben der unmittelbaren
Landesverwaltung auch mittelbare Landesverwaltung (z. B. Art. 97 II B-VG).
F) Verwaltungshandeln
I. Internes Verwaltungshandeln
Die Verwaltung bereitet durch internes
Handeln ihr externes Handeln vielfach vor. Beispielsweise müssen Wahlunterlagen
auf dem laufenden Stand gehalten werden, obwohl Wahlen nur in großen zeitlichen
Abständen durchgeführt werden, oder sind Weisungen vorgesetzter
Verwaltungsorgane (Organwalter) an nachgeordnete Verwaltungsorgane
(Organwalter) zu erteilen oder muss dem tatsächlichen Bau einer neuen Straße
eine lange Planung vorhergehen. Das interne Verwaltungshandeln hat noch keine
externe Wirkung, ist aber an die Gesetze gebunden, so dass die Grundsätze der
Weisungsgebundenheit oder auch der Amtsverschwiegenheit auch im internen
Verwaltungshandeln gelten.
II. Externes Verwaltungshandeln
Nach außen kann die Verwaltung in
verschiedener Weise handeln. Möglich sind vor allem Verordnung, Verwaltungsakt
(Bescheid, einschließlich der Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls-
und Zwangsgewalt wie Festnahme, Beschlagnahme, Abschleppen oder Wegweisen) und
Vertrag. Stets gilt der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der aber
in der Rechtswirklichkeit vielfach verletzt wird (z. B. durch détournement de
pouvoir, bei dem die gesetzlich eingeräumte Macht zu anderen Zwecken
missbraucht wird).
1. Verordnung
Nach Art. 18 II B-VG kann jede
Verwaltungsbehörde auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereichs
(gesetzesergänzende, evtl. gesetzesvertretende und ausnahmsweise gesetzesändernde)
Verordnungen erlassen, wobei in der Verordnung (vielfach
Durchführungsverordnung) grundsätzlich nur weniger wichtige Einzelregelungen
getroffen werden können. Eine solche Verordnung ist materiell ein Gesetz
(materielles Gesetz), weil sie allgemein und abstrakt nach außen wirkt, formell
aber kein Gesetz (kein formelles Gesetz), weil sie nicht vom Parlament im
verfassungsmäßig vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren beschlossen wird. Sie
bedarf einer Ermächtigungsgrundlage in einem Gesetz (gesetzlichen
Ermächtigungsgrundlage) und kann nach Art. 139 B-VG auf ihre Gesetzmäßigkeit
überprüft werden.
2. Verwaltungsakt (Bescheid)
Verwaltungsakt ist die Handlung (Akt)
der Verwaltung im bestimmten Einzelfall. Sie ist eine individuelle, konkrete
Regelung (förmliche hoheitliche Anordnung und Entscheidung und damit (formell
und materiell) kein Gesetz. Wegen des Legalitätsgrundsatzes der Verfassung
(Art. 18 I B-VG) darf der Verwaltungsakt (Bescheid) nur auf Grund eines
Gesetzes erlassen werden.
a) Anstoß
Jeder Verwaltungsakt bedarf
grundsätzlich eines Ausgangspunkts. Dies kann sehr oft ein Antrag eines
(Partei genannten) Einzelnen sein (z. B. auf die Verleihung der
Staatsbürgerschaft, die Erteilung einer Fahrerlaubnis, einer Zulassung eines
Kraftfahrzeugs oder einer Baugenehmigung oder Baubewilligung). Unabhängig davon
kann aber die Verwaltung auch von Amts wegen ohne Antrag eines Einzelnen tätig
werden (z. B. Sperrung einer Straße wegen Lawinengefahr, Entzug einer
Fahrerlaubnis, Verbot einer Versammlung).
b) Ermittlungsverfahren
Im Ermittlungsverfahren muss die
Verwaltungsbehörde unter Mitwirkung des Betroffenen den Sachverhalt ermitteln
und feststellen. Dazu können Anhörungen und Vernehmungen sinnvoll oder
notwendig sein. Auch die Erhebung von Beweisen, die von der Behörde frei
gewürdigt werden dürfen, kommt in Betracht, wobei den Parteien Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben werden muss.
c) Bescheid
Im Anschluss an das
Ermittlungsverfahren ist grundsätzlich ein schriftlicher(, ausnahmsweise ein
mündlicher) Bescheid (Leistungsbescheid z. B. auf Zahlung, Gestaltungsbescheid
oder Feststellungsbescheid) im Einzelfall gegenüber einem Einzelnen zu
erteilen. Dieser Bescheid muss die erlassende Behörde, die Geschäftszahl und
den Adressaten benennen und als Bescheid bezeichnet werden. Er hat einen
notwendigen Inhalt, der aus Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung
besteht.
aa) Der Bescheid beginnt mit der Kennzeichnung
des Sachverhalts. Dem schließt sich unter Nennung der einschlägigen
gesetzlichen Bestimmungen der Spruch bzw. die Entscheidung an. Sie kann
im Stattgeben oder Genehmigen des Antrags oder in der Zurückweisung oder
Abweisung bestehen, wobei im Spruch über Einwendungen entschieden werden kann
und eine Entscheidung über die Kosten getroffen werden muss.
bb) Begründung
In der Begründung ist mit der
Darstellung des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens zu beginnen. Danach sind
die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen darzulegen. Am Ende erfolgt
in kurzer Zusammenfassung die auf diese Erwägungen gestützte Beurteilung der
Rechtsfrage, die mit Unterschrift und Nennung aller Beteiligten, die Anspruch
auf Zustellung des Bescheids haben, abzuschließen ist.
cc) Die Rechtsmittelbelehrung
muss klarstellen, ob der Bescheid einem weiteren Instanzenzug unterliegt. Ist
dies der Fall, muss angegeben werden, innerhalb welcher Frist bei welcher
Behörde welches Rechtsmittel einzulegen ist (z. B. gegen diesen Bescheid kann
Berufung eingelegt werden bei … binnen ….). Bei Bescheiden der letzten Instanz
muss auf die Möglichkeit der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an
den Verfassungsgerichtshof mit Nennung der Einbringungsfrist (§ 26 VwGG) und
weiterer Erfordernisse (im Sinne des § 28 VwGG) hingewiesen werden.
dd) Rechtswidrigkeit
Ein Bescheid kann aus vielen Gründen
rechtswidrig sein. Zu ihnen gehören etwa die Unzuständigkeit, die
Parteilichkeit, die Willkür oder auch das Fehlen einer Rechtsgrundlage.
Zumindest materiell rechtswidrig entscheidet auch die Behörde, die einen
rechtswidrigen Rechtssatz anwendet.
d) Rechtsmittel
Rechtsmittel gegen den (z. B. wegen
Zuständigkeitsmangels, Verfahrensmangels oder Rechtswidrigkeit des Inhalts
angreifbaren) Bescheid ist grundsätzlich die Berufung (§§ 63ff. AVG). Sie muss
grundsätzlich binnen zweier Wochen bei der Entscheidungsbehörde eingebracht
werden. Sie muss einen Antrag enthalten, damit die Behörde weiß, was der
Berufende will, und eine Begründung, damit die Behörde weiß, auf welche
Überlegungen der Berufende sich stützt.
e) Entscheidung über das
Rechtsmittel
Über das (grundsätzlich aufschiebende
Wirkung entfaltende) Rechtsmittel entscheidet die Berufungsbehörde durch
Bescheid. Er unterliegt denselben Regeln. Gegen ihn ist ebenfalls ein
Rechtsmittel (Beschwerde) möglich, das bei behaupteter Verletzung von Rechten bei
dem Verwaltungsgerichtshof einzubringen ist, bei behaupteter Verletzung
verfassungsmäßiger Rechte bei dem Verfassungsgerichtshof.
f) Verwaltungsvollstreckung
Ist der Bescheid infolge Nichteinlegung
eines Rechtsmittels oder nach erfolglosem Ausgang des Rechtsmittelverfahrens
rechtskräftig, so kann der Verwaltungsakt vollstreckt werden. Hierfür gilt das
Verwaltungsvollstreckungsgesetz. Es sieht als Möglichkeiten Pfändung,
Ersatzvornahme und Zwangsstrafen vor.
3. Verwaltungsrechtlicher Vertrag
Zulässig ist auch der
öffentlichrechtliche (verwaltungsrechtliche) Vertrag mit mindestens einem
Verwaltungsträger, auf den grundsätzlich Vertragsrecht anzuwenden ist.
III. Verwaltungsrechtsgrundsätze
Allgemein in der Europäischen Union
anerkannte Verwaltungsrechtsgrundsätze dürften sein der Grundsatz der
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (einschließlich der Unparteilichkeit), der Untersuchungsgrundsatz,
nach dem die Verwaltungsbehörde von Amts wegen jeweils den wahren Sachverhalt
zu ermitteln hat, der Grundsatz der Transparenz der Verwaltungsorgane und ihrer
Tätigkeit, das Recht des Betroffenen auf Unterrichtung und grundsätzliche
Akteneinsicht, der Schutz persönlicher Daten, das Verbot der Diskriminierung,
das Gebot der Kooperation, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Vertrauensschutz
bzw. der Schutz wohlerworbener Rechte und der Grundsatz der Notwendigkeit
einer angemessenen Begründung.
§ 5 Verfahren
A) Rechtswirklichkeit
B) Wesen
C) Organisation
D) Zivilverfahren
E) Strafverfahren
F) Außerstreitverfahren
G) Grundsätze des Verfahrensrechts
A) Rechtswirklichkeit
Lebewesen sind von der Natur her auf
Leben ausgerichtet. Deswegen ist auch der Mensch auf Grund des ihm angeborenen
Selbsterhaltungstriebs Egoist. Wo immer sich zwei Menschen begegnen, ist daher
ein Interessenkonflikt möglich, der in seiner Vielfältigkeit nur an Hand
zufällig ausgewählter Beispiele geschildert werden kann.
I. Austria (Österreich) möchte den
Balkan beherrschen. Ein Freiheitskämpfer möchte den Balkan von der Herrschaft
Österreichs befreien, weswegen er in Sarajewo 1914 den Thronfolger Österreichs
erschießt. Daraufhin möchte Österreich ihn bestrafen, während er unbestraft
entkommen will.
II. Die Industriestaaten möchten die gesamte
Welt nach ihren Vorstellungen gestalten. Fundamentalisten (z. B. Bin Laden)
sehen darin eine Gefahr und zerstören das World Trade Center mit Hilfe von
Flugzeugen. Daraufhin möchten die Vereinigten Staaten von Amerika die
überlebenden Attentäter bestrafen und den Terrorismus ausrotten, während die
überlebenden Attentäter unbestraft bleiben wollen.
III. Der Champagnerhändler Christie
möchte Champagner unter der Internetadresse champagner.com verkaufen. Die
Champagnerproduzenten möchten diese Adresse selbst nutzen. Deswegen möchten die
Champagnerproduzenten dem Champagnerhändler die Verwendung der Internetadresse
verbieten, während der Champagnerhändler diesem Verbot entgehen möchte.
IV. Eine Versandapotheke Doc möchte
Arzneimittel in ganz Europa versenden. Dadurch sehen Apotheker an einzelnen
Orten ihre Existenz gefährdet. Dementsprechend möchten sie den
Arzneimittelversand mit Hinweis auf die gefährdete Gesundheit von schlecht
beratenen Kunden untersagen lassen, während der Versandhändler unter Berufung
auf die Gewerbefreiheit und die bei großem Umsatz möglichen Preisvorteile den
Versand weiterführen möchte.
V. Eberle fühlt sich zu Höherem
berufen und spielt lang und laut Klavier. Das geht der Familie und den Nachbarn
auf die Nerven. Sie möchten, dass Eberle mit dem Klavierspielen aufhört,
während Eberle unter Bezugnahme auf die Kunstfreiheit und das Recht auf
Selbstverwirklichung noch mehr und noch lauter spielen möchte.
VI. Fluggast Fischer erleidet auf einem
Langstreckenflug auf die Fidschiinseln eine Thrombose. Daraufhin möchte er von
der Fluggesellschaft unter Hinweis auf die geringe Bewegungsfreiheit im
Flugzeug Schadenersatz. Die Fluggesellschaft möchte unter Bezugnahme auf
Millionen Fahrgäste, die bei Langstreckenflügen keinen Thromboseschaden
erleiden, keinen Schadenersatz zahlen.
VII. Gärtner Groß vergrößert bei
Bedarf sein Gewächshaus eigenhändig. Die Gemeinde Gemünden möchte das Gebäude
wegen fehlender Baugenehmigung abreißen. Groß will das Gewächshaus wegen des
ihm bei einem Abriss drohenden Schadens nicht abreißen lassen.
VIII. Handelsvertreter Hämmerlein muss
in einem Rechtsstreit zehn Jahre auf ein Urteil warten. Er möchte eine rasche
Entscheidung. Das Gericht sieht sich überlastet und als Folge der Überlastung
zu einer Entscheidung nicht in der Lage.
IX. Der Internetnutzer Immerwach
möchte den von ihm auch privat genutzten Personal Computer als Werbungskosten
vollständig von seiner Einkommensteuer abziehen. Das Finanzamt lehnt dies ab.
Der Internetnutzer möchte weniger Steuern bezahlen, das Finanzamt mehr Steuern
einnehmen.
X. Ein aus einem anderen Mitgliedstaat
der Europäischen Union nach Österreich berufener ordentlicher
Universitätsprofessor sieht sich dadurch mittelbar diskriminiert, dass
Österreich trotz seiner Mitgliedschaft in der Europäischen Union als
Voraussetzung für die Zahlung einer besonderen Dienstalterszulage im
Gehaltsgesetz eine 15jährige Tätigkeit als ordentlicher Universitätsprofessor
in Österreich verlangt, die ein stets in Österreich bleibender ordentlicher
Universitätsprofessor eher erfüllen kann als ein in der Europäischen Union
wandernder Professor. Österreich erklärt daraufhin die besondere
Dienstalterszulage als eine Treueprämie, die nicht diskriminieren könne. Der aus
dem Ausland berufene ordentliche Universitätsprofessor sieht diese Begründung
nach Betrachtung der Entstehungsgeschichte der betreffenden Vorschrift als nur
vorgeschoben und nicht überzeugend an.
B) Wesen
Wie sich an diesen wenigen Beispielen
zeigt, gibt es vielfältige Interessenkonflikte unter den Menschen. In einfachen
Gesellschaften werden entsprechende Streitigkeiten oft mit Gewalt oder List
ausgetragen, wobei sich der Stärkere mit Gewalt oder der Listigere mit
intellektueller Überlegenheit durchsetzt. Die zivilisierte Gesellschaft hat
demgegenüber das Verfahren als die geordnete, allgemein überzeugende Art und
Weise der Entscheidung eines Streites zweier Menschen durch Unbeteiligte
entwickelt, wobei im Laufe der Geschichte unterschiedliche Modelle verwendet
wurden.
I. Allgemeinheit
Vermutlich wurden anfangs
Streitigkeiten, die nicht innerhalb einer Familie gelöst werden konnten, vor
der Allgemeinheit ausgetragen. Dies hatte den Vorteil einer von vielen
gefundenen und als richtig anerkannten (demokratischen) Lösung. Dem standen als
Nachteile der erhebliche Aufwand und die geringe durchschnittliche sachliche
Qualifikation aller Urteilenden gegenüber.
II. Honoratioren
Zwecks Beseitigung oder Verringerung
dieser Nachteile traten im Laufe der Geschichte ausgewählte Honoratioren (Edle,
Reiche, Kluge, Große usw.) an die Stelle der Allgemeinheit. Dadurch wurde zwar
die Umständlichkeit verringert. Das Fehlen ausreichender Qualifikation wurde
dadurch aber noch nicht beseitigt.
III. Berufsrichter
Seit dem Hochmittelalter entstand
deshalb zur Lösung dieses Problems der wissenschaftlich ausgebildete Jurist,
der zunächst in der Kirche professionell Streitigkeiten entschied. Dieses
Modell, das seit dem 18. Jahrhundert durch die sachliche und persönliche
Unabhängigkeit des Richters abgesichert und seit dem 20. Jh. für einfachere
Angelegenheiten durch den ebenfalls fachlich geschulten Rechtspfleger ergänzt
ist, setzte sich danach auch in der staatlichen Gerichtsbarkeit weltweit
überwiegend durch, selbst wenn aus demokratiepolitischen Überlegungen an
einzelnen Stellen noch bzw. wieder ungelehrte Laien als (zusätzliche)
Laienrichter urteilen. Um die sachliche Überlegenheit des Berufsrichters über
die ungelehrten Parteien zu mildern, wurde den Parteien gestattet, bei der
Behandlung ihrer Angelegenheiten juristisch geschulte Berater (z. B.
Rechtsanwälte) beizuziehen.
IV. Grundproblem
Das Grundproblem des Verfahrensrechts
ist dementsprechend die Zuständigkeit eines Richters für die
Entscheidung eines Streites. Diese Problematik zeigt sich etwa heute noch im
Völkerrecht, in dem es keine allgemein anerkannte Gerichtsbarkeit für alle
Streitigkeiten aller Staaten untereinander gibt und deswegen Konflikte immer
noch mit Gewalt (z. B. Israel und Palästinenser) oder List (z. B. Atomanlagen
in Nordkorea oder Iran) ausgetragen werden. Innerhalb der zivilisierten Staaten
ist demgegenüber durch ein entwickeltes Verfahrensrecht für sehr viele
Streitigkeiten zweier Parteien ein Gericht als Entscheidungsorgan bereit
gestellt, das meist auf Antrag eines Beteiligten ein Verfahren in
möglichst rationaler Weise nach allgemeinen, überwiegend gesetzlich
festgelegten Regeln durchführt (Rechtsanwendung).
V. Aufgabe
Aufgabe des Verfahrens ist die
einsichtige Lösung von Interessenkonflikten unter größtmöglicher Vermeidung
von Gewalt. Dafür ist die Anwendung allgemein anerkannter Rechtssätze auf
die Wirklichkeit möglich und nötig. Je überzeugender das Recht ist und je
besser die Rechtsanwender sich seiner bedienen, desto mehr Gerechtigkeit kann
durch die Anwendung der abstrakten Sollenssätze auf das konkrete Sein der
Wirklichkeit erzielt werden.
C) Organisation
I. Weltgerichtshof
Da die Welt auf Grund der
geschichtlichen Entwicklung des Menschen kein einheitlicher Staat ist, sondern aus
einer Vielzahl von ihre Selbständigkeit bzw. Souveränität behauptenden Staaten
besteht, gibt es (noch) kein einheitliches Weltgericht.
Die Vereinten Nationen haben aber
bereits 1945 einen Internationalen Gerichtshof (IGH) mit Sitz im Friedenspalast
in Den Haag eingerichtet. Er ist mit 15 von der Generalversammlung und dem
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gewählten Richtern besetzt. Parteien
(Kläger oder Beklagter) können nur Staaten sein.
Zugang haben nur Mitglieder der
Vereinten Nationen und Staaten, die das Statut des Internationalen Gerichtshofs
ratifiziert haben. Der Gerichtshof ist nur zuständig, wenn und soweit alle
beteiligten Parteien die Zuständigkeit anerkannt haben. Bis 2003 hat der
Internationale Gerichtshof 76 Urteile erlassen und 24 Rechtsgutachten abgegeben
(z. B. Streit über Schürfrechte unter dem Festlandsockel zwischen Deutschland,
Dänemark und den Niederlanden, Streit zwischen Deutschland und Island um
Fischereirechte, Streit zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika
um die Hinrichtung eines Deutschen), wobei Urteile nicht vollstreckt, sondern
nur befolgt werden können.
Außerdem haben die Vereinten Nationen
durch einen internationalen Vertrag (Rom 1998, in Kraft 2002) einen Internationalen
Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag gegründet. Er ist mit 18 Richtern
besetzt. Er ist zuständig für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit
und Kriegsverbrechen (sowie vielleicht künftig auch Aggression) (erste
Verhandlung Januar 2009 gegen Thomas Lubanga).
Internationale
Kriegsverbrechertribunale wurden in Nürnberg 1945 für Kriegsverbrechen Deutscher im zweiten
Weltkrieg und danach für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien und in
Ruanda eingerichtet.
II. Europagerichte
1. Die europäischen Gemeinschaften
haben bzw. die Europäische Union hat im Laufe ihrer Entwicklung ein
Gerichtssystem entwickelt. Dieses wird seit dem Vertrag von Lissabon (2009) als
Gerichtshof der Europäischen Union bezeichnet. Es besteht aus dem
(Europäischen) Gerichtshof, dem (Europäischen) Gericht und dem Gericht für den
öffentlichen Dienst der Europäischen Union (RUGöD).
a) Gerichtshof (Europäischer
Gerichtshof)
Der amtlich Gerichtshof
genannte Europäische Gerichtshof (1952) in Luxemburg ist das höchste Gericht
der Europäischen Union. Er ist mit je einem Richter jedes Mitgliedstaats
besetzt. Seine Aufgabe ist die einheitliche Anwendung, Auslegung und
Fortbildung des europäischen Gemeinschaftsrechts. Vor ihm werden jährlich mehr
als 500 Rechtsstreitigkeiten anhängig, doch kann er vom einzelnen Bürger nicht
unmittelbar angerufen werden.
Besonders wichtig sind neben den Vertragsverletzungsverfahren
die Vorabentscheidungsverfahren. Bei Zweifeln über die Auslegung
europäischen Rechts können bzw. müssen Gerichte der Mitgliedstaaten den
(Europäischen) Gerichtshof vorab um eine Entscheidung ersuchen. Unterlassen sie
dies, kann der Mitgliedstaat dem Betroffenen zu Schadenersatz verpflichtet
werden.
b) Gericht (Europäisches Gericht)
Zur Entlastung des (Europäischen)
Gerichtshofs wurde ihm 1989 ein Gericht erster Instanz in Luxemburg zugeordnet.
Es ist ebenfalls mit 27 Richtern der Mitgliedstaaten besetzt. Es entscheidet
etwa in Wettbewerbsstreitigkeiten (1999 insgesamt 384 Verfahren).
c) Gericht für den öffentlichen Dienst
der Europäischen Union
Zur weiteren Entlastung wurde 2005 das
Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union geschaffen.
2. Europäischer Gerichtshof für
Menschenrechte
Der mit je einem Richter jedes
Vertragsstaats ([2010] 44) besetzte Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
wurde 1959 durch den Europarat in Straßburg errichtet. Seine Aufgabe ist
der Schutz der in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthaltenen
Grundrechte. An ihn kann sich jede Person wenden, die sich durch eine
Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention seitens eines
Vertragsstaats verletzt sieht und den national gegen die Verletzung gegebenen
Rechtsweg erschöpft hat.
Die Zahl der entsprechenden
Beschwerden ist ziemlich hoch (rund 30000 pro Jahr). Die meisten Beschwerden
werden als unzulässig oder unbegründet angesehen (bis 2009 rund 10000 Urteile).
Am häufigsten werden Russland und die Türkei wegen Menschenrechtsverletzung (zu
Schadenersatz an den Verletzten) verurteilt, wobei die Verwirklichung der
Entscheidungen vor allem durch den Druck der öffentlichen Meinung erreicht
wird.
III. Österreich
Staatliche Gerichte sind als Folge der
Verrechtlichung der menschlichen Zivilisation inzwischen in allen Staaten
eingerichtet. Organisation und Verfahren unterscheiden sich allerdings auf
Grund der unterschiedlichen geschichtlichen Entwicklung von Staat zu Staat.
Gleichwohl bestehen aber auch verschiedene allgemeinere Übereinstimmungen.
Anfangs bestand dabei wohl überall nur
eine einheitliche Gerichtsbarkeit. Im Laufe der Geschichte wurde diese aber
vielfach aufgespalten. In Österreich lassen sich zwei Gerichtsbarkeiten mit
fünf Verfahrensarten unterscheiden.
1. Gerichtsbarkeit
Nach Art. 10 I Nr. 6 und Art. 82 I
B-VG ist die Gerichtsbarkeit in Österreich ausschließlich Bundessache, so dass
alle Gerichte Bundesgerichte sind.
a) Ordentliche Gerichtsbarkeit
Die ordentliche Gerichtsbarkeit ist
die herkömmliche Gerichtsbarkeit durch die überkommenen, allmählich
fortgebildeten Gerichte. Sie ist vor allem durch das Gerichtsorganisationsgesetz
vom 27. 11. 1896 geordnet. Ergänzt werden dessen Vorschriften durch das
Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof vom 19. 6. 1968.
Danach ist die ordentliche
Gerichtsbarkeit Österreichs insgesamt vierstufig, der Instanzenzug dreistufig. Gerichte
erster Instanz sind die mit Einzelrichtern besetzten (2007 141) Bezirksgerichte
(BG) in jedem Bezirk (einschließlich der Bezirksgerichte für Handelssachen) und
die als Gerichtshöfe erster Instanz bezeichneten (18) Landesgerichte
(oder bis 1993 teilweise auch Kreisgerichte) (LG, in Eisenstadt, Feldkirch,
Graz 2, Innsbruck, Klagenfurt, Korneuburg, Krems, Leoben, Linz, Ried im
Innkreis, Salzburg, Sankt Pölten, Steyr, Wels, Wien 2 und Wiener Neustadt)
(einschließlich der Handelsgerichte), Gerichte bzw. Gerichtshöfe der höheren
Instanzen die vier Oberlandesgerichte in Wien (für Wien,
Niederösterreich und Burgenland), Graz (für Steiermark und Kärnten), Linz (für
Oberösterreich und Salzburg) und Innsbruck (für Tirol und Vorarlberg) und der Oberste
Gerichtshof in Wien. Die Gerichtshöfe sind teils durch Einzelrichter, teils
in Senaten tätig.
2. Gerichtshöfe des öffentlichen
Rechts
a) Verfassungsgerichtsbarkeit
Der Verfassungsgerichtshof in
Wien ist nach Art. 137 B-VG für Verfassungsstreitigkeiten zuständig. Eine
Verfassungsbeschwerde gegen Akte der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist
ausgeschlossen. Die ordentlichen Gerichte können bei Bedenken gegen Gesetze
oder Verordnungen grundsätzlich eine Normprüfung bei dem
Verfassungsgerichtshof beantragen.
b) Verwaltungsgerichtsbarkeit
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit
wird ausgeübt durch den Verwaltungsgerichtshof in Wien (Art. 129 B-VG)
und den Asylgerichtshof (1. Juli 2008). Keine Gerichte sind die gerichtsähnlichen
unabhängigen Verwaltungssenate. Ihre Umwandlung in
Landesverwaltungsgerichtshöfe ist im Gespräch.
D) Zivilverfahren
I. Wesen
Das Zivilverfahren ist das
bereits im römischen Altertum ausgebildete und im Hochmittelalter wieder
aufgegriffene Verfahren zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten Einzelner. Es
dient der gerichtlichen Durchsetzung privater Rechte. Es schließt auf Grund des
Gewaltmonopols des Staates die Selbsthilfe des Berechtigten
weltweit grundsätzlich aus.
II. Zuständigkeit
In Österreich ist die Zuständigkeit
oder Kompetenz der Zivilgerichte festgelegt in der Jurisdiktionsnorm
(JN, Gesetz über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der
ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen) vom 1. 8. 1895, die sich in
drei Teile gliedert (Von der Gerichtsbarkeit im Allgemeinen, Von der
Gerichtsbarkeit in Streitsachen, Von der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen).
Danach wird die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen durch die
ordentlichen Gerichte ausgeübt (§ 1 JN) und sind für manche Arten von
Streitsachen bestimmte Gerichte ausschließlich zuständig (z. B.
Bezirksgerichte für Mietsachen, Besitzstörungssachen oder Ehesachen und
Familiensachen, § 49 II JN). In allen anderen Streitsachen entscheidet der Streitwert
der Streitsache, wobei für niedrige Streitwerte (bis 10000 Euro) das
Bezirksgericht, für höhere Streitwerte das Landesgericht zuständig ist und
besondere Senate in Arbeitssachen, Handelssachen und Sozialrechtssachen
gebildet werden (in Wien auch ein besonderes Handelsgericht Wien und ein
Arbeits- und Sozialgericht Wien).
III. Klage
Nach der für das Zivilverfahren
geltenden Zivilprozessordnung vom 1. 8. 1895 beginnt das Zivilverfahren mit der
Klage des Klägers (im Erkenntnisverfahren, Antrag auf Gewährung
von Rechtsschutz), wobei die Streitsache mit dem Einlangen des Klagebegehrens
in der Einlaufstelle gerichtshängig wird. Wo kein Kläger vorhanden ist, kann
kein Zivilprozess beginnen. Für bestimmte Klagen benötigt der Kläger bereits
für die Erhebung der Klage an das Gericht einen Rechtsanwalt als
Prozessvertreter (Anwaltszwang).
Ist die Klage mangelhaft, wird sie
(vorläufig) zurückgestellt oder (endgültig) zurückgewiesen. Ist sie formal
mangelfrei, wird sie dem Beklagten unter gleichzeitiger Ladung zu einem
Verhandlungstermin zugestellt. Damit ist die Streitsache streitanhängig, so
dass kein zweiter Prozess in dieser Streitsache mehr eingeleitet werden kann.
IV. Klageerwiderung
Nach der Klageerhebung folgt
grundsätzlich die (vor dem Bezirksgericht mündliche, sonst schriftliche)
Klageerwiderung (Klagebeantwortung) des Beklagten, mit der er auf die
Klage antwortet und zu dem Vortrag des Klägers Stellung nimmt. Erscheint der
Beklagte vor Gericht nicht oder verhandelt er trotz Erscheinens nicht,
entscheidet das Gericht, wenn die Klage in sich schlüssig ist, nach dem Klagevortrag
des Klägers. Im Anwaltsprozess benötigt auch der Beklagte einen Rechtsanwalt
als Prozessvertreter.
V. Beweis
Widersprechen sich die Parteien in
ihren Vorträgen, muss das Gericht ermitteln, welcher Sachvortrag der Wahrheit
entspricht. Zum Beweis der Wahrheit gibt es die Beweismittel Zeugen,
Urkunden (z. B. Computertexte), Sachverständige, Inaugenscheinnahme
(Augenschein) und Parteivernehmung. Kann ein Beweis von der mit dem Beweis
belasteten Partei (z. B. der Rückgabe eines Darlehens verlangende Kläger für
die von ihm behauptete Auszahlung des Darlehens, der bereits erfolgte
Rückzahlung behauptende Beklagte für die Rückzahlung) nicht geführt werden,
entscheidet das Gericht auf Grund der Beweislast zu ihren Lasten.
VI. Urteil
Nach der Verhandlung und eventuellen
Beweisführung, während deren das Gerichr über Einzelfragen durch Beschluss
entscheidet, muss das Gericht den Rechtsstreit entscheiden und auf den
festgestellten Sachverhalt das geltende Recht anwenden. Dies
geschieht durch (mündlich verkündetes oder schriftliches) Urteil, in dem
das Gericht dem Begehren des Klägers Statt gibt oder es abweist, dem Kläger
aber niemals mehr zusprechen darf, als er begehrt hat. Das (in seinem Inhalt
oft nicht wirklich vorhersehbare) Urteil gliedert sich entsprechend der
Urteilsmethode in den Urteilstenor (Tenor, Urteilsspruch) und die
Urteilsgründe (Urteilsbegründung), welche die Parteien von der
Richtigkeit der Entscheidung überzeugen soll(en).
Ein Urteil kann aus vielen Gründen
rechtswidrig sein. Hierzu gehören etwa die Unzuständigkeit oder die
rechtswidrige Rechtsanwendung. Rechtswidrig ist dabei auch die unzutreffende
Anwendung europäischen Gemeinschaftsrechts im Rahmen eines
Vorabentscheidungsverfahrens.
VII. Rechtsmittel
Weil erfahrungsgemäß auch die Entscheidung
eines Gerichts unrichtig sein kann, haben sich schon in der römischen Antike
und dann seit dem Hochmittelalter Rechtsmittel ausgebildet, mit denen die
unterliegende Partei das Urteil innerhalb einer kurzen Frist (Rechtsmittelfrist)
angreifen kann. Die nochmalige Überprüfung erfolgt dann in einem übergeordneten
Gericht meist durch mehr und erfahrenere Richter. Möglich sind Berufung,
Revision und Rekurs, wobei am Ende die Entscheidung unanfechtbar und
unabänderlich wird (formelle Rechtskraft) und eine erneute oder
anderslautende Entscheidung ausgeschlossen ist (materielle Rechtskraft).
1. Berufung
Bei der Berufung erfolgt eine
Überprüfung der Entscheidung des Rechtsstreits in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht. Zuständig für die Berufung gegen Urteile der
Bezirksgerichte sind die Gerichtshöfe erster Instanz (Landesgerichte)
und für die Berufung gegen Urteile der Landesgerichte die Oberlandesgerichte.
Sie entscheiden erneut durch Urteil (Berufungsurteil).
2. Revision
Danach ist (nur) bei Rechtsfragen
von grundsätzlicher Bedeutung Revision möglich. Bei ihr wird die Rechtmäßigkeit
des Verfahrens und des Urteils durch den Obersten Gerichtshof überprüft. Am
Ende wird erneut durch Urteil entschieden (Revisionsurteil).
3. Rekurs
Bei Beschlüssen des Gerichts
ist der Rekurs möglich. Er ist je nach Zuständigkeit an das Landesgericht oder
das Oberlandesgericht zu richten. Ihm kann ein Revisionsrekurs zum
Obersten Gerichtshof folgen.
VIII. Vollstreckung
(Zwangsvollstreckung, Exekution)
Ist das Urteil (oder ein Beschluss)
durch Verzicht auf Rechtsmittel mit Ablauf der Rechtsmittelfrist oder nach
Erschöpfung des Instanzenzugs rechtskräftig (in Rechtskraft erwachsen), kann es
(bzw. er), wenn der Verpflichtete seiner festgestellten Verpflichtung nicht
nachkommt, innerhalb der Verjährungszeit zwangsweise gemäß dem Gesetz über das
Exekutions- und Sicherungsverfahren (Exekutionsordnung 1896) auf Grund eines Exekutionsantrags
und eines Exekutionstitels in einzelne Vermögensgegenstände des
Verpflichteten vollstreckt werden (Vollstreckungsverfahren). Dies
geschieht mit Hilfe des Bezirksgerichts bzw. eines amtlichen
Vollstreckers (Exekutors, Gerichtsvollziehers), wobei dem Gläubiger mehrere
Exekutionsmittel zur Verfügung stehen. Möglich ist etwa die Pfändung beweglicher
Sachen, die Pfändung von Forderungen (Gehaltsexekution, Lohnpfändung) oder die Zwangsversteigerung
eines Grundstücks, wobei grundsätzlich Pfändung, Verwertung und Befriedigung
aufeinander folgen. Sonderfall der Vollstreckung bei Überschuldung ist der auf
Antrag des Schuldners oder eines Gläubigers mögliche Konkurs aller
Gläubiger (vor dem Landesgericht) zwecks gleichmäßiger Verteilung des
geringen vorhandenen Vermögens eines Schuldners auf alle Gläubiger bei
Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz, vgl. auch Schuldenregulierungsverfahren
zur Entschuldung natürlicher Personen vor dem Bezirksgericht, Privatkonkurs).
IX. Entscheidungssammlung
Die Entscheidungen des Obersten
Gerichtshofs Österreichs in Zivilsachen sind wegen ihrer besonderen Bedeutung
in der Sammlung Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofs in
Zivilsachen veröffentlicht (SZ).
E) Strafverfahren
I. Wesen
Das Strafverfahren ist das
Verfahren zur Entscheidung von Strafsachen. Strafsachen sind Sachen der
Allgemeinheit (des Staates) gegen den (einer Straftat) Verdächtigen, ohne dass
grundsätzlich das Opfer der Straftat Partei des Strafprozesses ist
(Offizialmaxime mit dem Staat als Ankläger). Dabei steht das Interesse der
Allgemeinheit an einer Verfolgung von Straftaten dem Interesse eines
Verdächtigen an einer Nichtbestrafung gegenüber.
II. Zuständigkeit
1. Bezirksgericht
Das Bezirksgericht ist zuständig für Vergehen,
für die nur Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe angedroht ist, deren Höchstmaß
ein Jahr nicht übersteigt.
2. Landesgericht
In Strafsachen ist das Landesgericht
in erster Instanz für Verbrechen und Vergehen zuständig, für die nicht
das Bezirksgericht zuständig ist. Je nach Straftat entscheidet ein Einzelrichter,
ein Schöffensenat (ein Berufsrichter und zwei Laienrichter als Schöffen)
oder bei politischen Verbrechen und bei Verbrechen mit einer Strafuntergrenze
von fünf Jahren Haft und einer Strafobergrenze von mehr als zehn Jahren Haft
ein am Landesgericht gebildetes Geschworenengericht (aus drei
Berufsrichtern [Schwurgerichtshof] und acht Laienrichtern als Geschworenen). In
zweiter Instanz ist das Landesgericht zuständig für Berufungen und Beschwerden
gegen Urteile und Beschlüsse der Bezirksgerichte.
Das Landesgericht hat auch die
umfassende gerichtliche Zuständigkeit im Ermittlungsverfahren. An jedem
für Strafsachen zuständigen Landesgericht ist eine Staatsanwaltschaft
eingerichtet. Sie vertritt den Staat im Strafverfahren.
III. Ermittlungsverfahren
In Strafsachen ist die
(weisungsgebundene) Staatsanwaltschaft bei z. B. durch eine Anzeige der
Polizei erlangter Kenntnis von einer strafbaren Handlung zur Verfolgung
verpflichtet (Legalitätsprinzip). Im diesbezüglichen
Ermittlungsverfahren der Vorerhebungen bedient sie sich meist der Sicherheitsbehörde.
Im Ergebnis entscheidet sie, ob das Ermittlungsverfahren eingestellt wird oder
ob eine öffentliche Klage erhoben wird.
IV. Anklage
Entscheidet sie sich auf Grund ihrer
Ermittlungen für die Erhebung einer öffentlichen Anklage, so beantragt sie
diese bei dem zuständigen Gericht. Über die Zulassung entscheidet das Gericht.
Dieses ist an den Antrag der Staatsanwaltschaft nicht gebunden, gibt ihm aber
in der Mehrzahl der Fälle Statt.
V. Hauptverhandlung
Die danach folgende, grundsätzlich
öffentliche Hauptverhandlung vor dem zuständigen Gericht beginnt mit der
Verlesung (bzw. dem Vortrag) der Anklage, dem die Erwiderung der
Verteidigung und die Vernehmung des Angeklagten durch das Gericht
folgen. Der Angeklagte kann sich zur Anklage äußern, darf aber auch schweigen,
doch muss er damit rechnen, dass das Gericht aus seinem Verhalten Schlüsse
zieht. Er kann sich durch einen Rechtsanwalt verteidigen lassen und muss in
schweren Fällen von Amts wegen durch einen Rechtsanwalt verteidigt werden
(Pflichtverteidiger).
VI. Beweis
Die Allgemeinheit bzw. der öffentliche
Ankläger (Staatsanwalt) muss dem Angeklagten von Amts wegen die Tat, deretwegen
er angeklagt ist, nachweisen. Zu ermitteln ist dabei die materielle Wahrheit.
Beweismittel sind z. B. Zeugen, Urkunden, Sachverständige oder
Inaugenscheinnahme (Augenschein).
Bis zum Beweis der Straftat gilt zu
Gunsten des Angeklagten die Unschuldsvermutung. Sie endet mit dem
Nachweis der Tat. Im Zweifel ist der Angeklagte freizusprechen (in dubio pro
reo).
Das Beweisergebnis kann von den
Beteiligten bewertet werden. Dies geschieht vor allem in den Schlussvorträgen
des Staatsanwalts und des Verteidigers, in denen beide Seiten ihre Anträge
stellen. Am Ende hat der Angeklagte das letzte Wort.
VII. Urteil
Die Hauptverhandlung endet
grundsätzlich mit einem (bei Senatsbesetzung in geheimer Beratung)
gefällten Urteil des (unabhängigen) Gerichts. Es kann auf Freispruch
(auch wegen Mangels an Beweisen) oder Verurteilung zu einer Strafe
lauten. Im Geschworenengericht entscheiden die Geschworenen nach Belehrung
durch den vorsitzenden Richter allein über Schuld oder Unschuld und zusammen
mit den Berufsrichtern über das Strafmaß jeweils mit Mehrheit, wobei für
besondere Ergebnisse besondere Regeln gelten.
VIII. Rechtsmittel
Ein Rechtsmittel gegen ein Strafurteil
muss binnen drei Tagen angemeldet und kann binnen vier Wochen nach Zustellung
der schriftlichen Ausfertigung des Urteils schriftlich ausgeführt werden.
1. Berufung
Gegen das Urteil des Bezirksgerichts
ist eine Berufung wegen der Schuld und bzw. oder der Strafe an das Landesgericht
möglich, über die ein Senat mit drei Richtern entscheidet. Über eine Berufung
gegen das Urteil eines Einzelrichters am Landesgericht wegen Schuld und bzw.
oder Strafe entscheidet das Oberlandesgericht. Gegen erstinstanzliche
Urteile des Landesgerichts als Schöffengericht oder Geschworenengericht gegen
den Ausspruch über die Strafe (Strafhöhe) entscheidet das Oberlandesgericht.
Die Berufung kann sich auf die Schuld
oder auf die Strafe beziehen. Die Berufung über die Strafe strebt eine Änderung
oder Ergänzung eines erlassenen Urteils durch das Berufungsgericht an (z. B.
Freispruch wegen erwiesener Unschuld statt Verurteilung). Die Berufung über die
Strafe will eine Änderung nicht hinsichtlich der Schuld, sondern nur hinsichtlich der Strafe erreichen (z. B.
statt unbedingter Strafe bedingte Strafnachsicht).
2. Nichtigkeitsbeschwerde
Wird nur oder auch ein
Nichtigkeitsgrund (vor allem Verfahrensfehler, rechtsirrige Anwendung oder
Nichtanwendung eines Strafgesetzes) behauptet (z. B. notwendige, aber nicht
vollständige Vertretung des Angeklagten durch einen Rechtsanwalt während des
gesamten Verfahrens), muss Nichtigkeitsbeschwerde zum Obersten Gerichtshof
eingelegt werden. Dieser entscheidet durch Urteil. Die Entscheidung
umfasst dann auch eine Berufung wegen Strafe.
IX. Vollstreckung
Wird innerhalb der Rechtsmittelfrist
kein Rechtsmittel eingelegt oder bleibt es erfolglos, erwächst das Urteil in
Rechtskraft. Danach kann es vollstreckt werden. Dafür sind die besonderen
Strafvollstreckungsorgane zuständig (z. B. für Freiheitsstrafen das erkennende
Gericht).
X. Entscheidungssammlung
Die Entscheidungen des Obersten
Gerichtshofs Österreichs in Strafsachen sind wegen ihrer besonderen Bedeutung in
der Sammlung Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofs in
Strafsachen veröffentlicht (SSt).
F) Außerstreitverfahren
Außerstreitverfahren ist das Verfahren in eigentlich außer
Streit befindlichen inhaltlich ziemlich unterschiedlichen Sachen oder
Rechtsangelegenheiten, die kraft Herkommens den ordentlichen Gerichten
zugeordnet sind. Für sie gilt das Außerstreitgesetz vom 9. 8. 1854 in der
geänderten Fassung des Jahres 2005. Außerstreitsachen sind beispielsweise
Obsorge über Kinder, Unterhalt für Kinder, Adoptionen, Bestellung von Sachwaltern,
Unterbringung psychisch Kranker, Verlassenschaftsverfahren, Grundbuchverfahren,
Firmenbuchverfahren, Kartellverfahren, Todeserklärung, Kraftloserklärung
von Urkunden, (streitig) Aufteilung des Vermögens nach einer Ehescheidung,
mietrechtliches und wohnrechtliches Verfahren, Verfahren über Zuspruch von
Enteignungsentschädigungen, Erneuerung und Berichtigung von Grenzen, Einräumung
eines Notwegs als Zugang zu einem Grundstück u. s. w., in denen das Gericht
jeweils durch Beschluss entscheidet.
G) Grundsätze
Allgemein mehr oder weniger anerkannt
sind verschiedene Grundsätze in vielen Rechtsstaaten. Dazu gehören zum Recht
auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) beispielsweise das Recht auf den
gesetzlichen Richter (, so dass etwa ein oberster Gerichtshof eines
Mitgliedstaats der Europäischen Union sein Vorabentscheidungsersuchen an den
Europäischen Gerichtshof nicht zurückziehen darf, wenn er plötzlich unerwartet
und entgegen einer eigenen Zwischennachricht abweichend von der Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs entscheiden will), die Unabhängigkeit des
Richters, die Öffentlichkeit der Verhandlung, das Diskriminierungsverbot,
das Recht auf angemessene Anhörung, die Stellung der Partei als Subjekt (und nicht
als Objekt) des Verfahrens, das Recht auf angemessene Fristen, das Recht auf
Begründung jeder Entscheidung und die Öffentlichkeit der Verkündung einer
Entscheidung. Dem Schutz des Schwachen und besonders des Angeklagten im
Strafprozess dienen der Anspruch auf Bereitstellung eines Gerichts (Rechtsweggarantie),
der Anspruch auf Zugang zum Gericht, die Prozesskostenhilfe für Bedürftige,
die Garantie des ne bis in idem, die verhindert, dass jemand wegen
derselben Sache zweimal bestraft werden kann, das Verbot der Folter, das Verbot
der Todesstrafe, die Unschuldsvermutung und der Satz in dubio pro reo
(im Zweifel für den Angeklagten).
§ 6 Straftat
A) Rechtswirklichkeit
B) Arten
C) Vorsatzbegehungserfolgsdelikt
D) Sonderfragen
E) Rechtsfolge
F) Strafzweck
G) Einzelne Straftatbestände
A) Rechtswirklichkeit
Täglich kann man in der Zeitung
Nachrichten lesen wie: Mann erschießt seine Frau, seine zwei Kinder und sich
selbst. Arbeiter entführt neunjähriges Mädchen als Polizist und missbraucht es.
Bei einem Zugunglück werden fünf Menschen teilweise schwer verletzt. Ein Mann
erbeutet bei einem bewaffneten Raubüberfall 100000 Euro. Ein Mann stiehlt unter
Aufbrechen eines Schlosses aus einem Lieferwagen Tiefkühlkost. Zwei Frauen
bitten an einer Wohnungstüre um Wasser und durchwühlen danach die Schubladen
der Helferin. Ein Bauernhof brennt ab. Im Wald wird ein fachgerecht mit einem
Blattschuss erlegter Zehnender gefunden. Ähnliches geschieht täglich weltweit.
Es geschieht seit langem. So haben
etwa Attentäter das World Trade Center in New York mit Flugzeugen zerstört, hat
eine Bande in London einen Postzug ausgeraubt, haben Südtiroler viele
Strommasten in die Luft gesprengt, hat ein Attentäter John F. Kennedy
erschossen, sind in Konzentrationslagern Millionen von Menschen ermordet
worden, sind zehntausende Frauen als Hexen verbrannt worden, ist Jesus Christus
gekreuzigt worden, hat König Herodes aus Angst vor dem Messias alle kleinen
Buben umbringen lassen, ist Gaius Julius Caesar erstochen worden, ist Sokrates
zum Trinken des Schierlingsbechers veranlasst worden und hat bereits der
erfolglose und eifersüchtige Kain den erfolgreicheren Bruder Abel erschlagen.
Wie wäre dies zu verhindern gewesen?
Stets geht es um Verhalten von
Menschen gegenüber anderen Menschen in den Formen des Tötens, Verletzens,
heimlichen Wegnehmens oder gewaltsamen Wegnehmens sowie ähnlichen Handelns. Ein
solches Verhalten schädigt unmittelbar den Verletzten und mittelbar auch die
Allgemeinheit. Deswegen soll es zum Wohle aller möglichst unterbleiben.
In Ermangelung erfolgreicherer
Möglichkeiten hat der Mensch die Strafe durch den Staat erfunden. Damit will er
andere Menschen durch Verbote von bestimmten, als schädlich eingestuften
Verhaltensweisen abhalten. Missglückt dies, soll der Handelnde für sein missbilligtes
Verhalten von der Allgemeinheit mit einem Übel belegt werden.
Dementsprechend besteht der
Strafrechtssatz wie andere idealtypische Rechtssätze aus Tatbestand und
Rechtsfolge und werden bei der Anwendung des Strafrechtssatzes auf die
Rechtswirklichkeit Strafrechtstatbestand und Strafrechtssachverhalt mit
einander verglichen. Die Besonderheit des Strafrechts besteht nur darin, dass
bestimmtes menschliches Verhalten mit einer Strafe als Rechtsfolge
bedroht wird. Im Kern geht es in der Rechtswirklichkeit immer um die Frage: Hat
ein Mensch einen Tatbestand, der in einem Rechtssatz mit der Rechtsfolge Strafe
bedroht ist, durch sein Verhalten in einem Sachverhalt verwirklicht oder nicht?
Dabei hat im Laufe der Geschichte die
Allgemeinheit zum Wohle aller die Verfolgung bestimmter schädlicher
Verhaltensweisen übernommen. Dafür setzt der moderne Staat, Polizei,
Staatsanwaltschaft und Gericht ein. Hat ein Mensch sich strafbar gemacht
und kann ihm dies nachgewiesen werden, soll er nach allgemeiner Überzeugung
grundsätzlich weltweit der als gerecht empfundenen Strafe zugeführt werden.
In Österreich darf dabei nach § 1 I
StGB eine Strafe oder eine vorbeugende Maßnahme nur wegen einer Tat verhängt
werden, die unter eine ausdrückliche gesetzliche Strafdrohung fällt und schon
zur Zeit ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Lateinisch lautet dieser
grundlegende Satz nulla poena sine lege. Dementsprechend gilt für
Strafdrohungen in Strafrechtssätzen ein grundsätzliches Rückwirkungsverbot.
B. Arten
Das menschliche Verhalten ist immer
individuell. Es enthält aber trotz aller Einzigartigkeit jedes menschlichen
Einzelverhaltens stets auch allgemeine Erscheinungsmerkmale. Deswegen lassen
sich alle Straftatbestände (Deliktstatbestände) und damit auch alle strafbaren
Einzelhandlungen unter wissenschaftlich-systematischem Blickwinkel
allgemeineren Arten zuteilen.
I. Schwere
Nach der Schwere der Verletzung werden
herkömmlicherweise Verbrechen und Vergehen (sowie Übertretungen) unterschieden.
1. Verbrechen sind vorsätzliche
Handlungen, die mit lebenslanger oder mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe
bedroht sind (§ 17 I StGB z. B. Mord).
2. Vergehen sind alle
strafbaren Handlungen, die nicht mit lebenslanger oder mit mehr als
dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind (§ 17 II StGB, z. B.
Hausfriedensbruch).
II. Rechtsgut
Nach den verletzten Rechtsgütern wird
getrennt in
1. Straftaten gegen Leib und Leben des
Einzelnen (z. B. Mord, Totschlag)
2. Straftaten gegen Eigentum und
Vermögen des Einzelnen (z. B. Diebstahl, Raub, Betrug)
3. Straftaten gegen die Allgemeinheit
(z. B. Staatsschutzdelikte wie Hochverrat, Völkermord)
III. Verhalten
Je nach dem Verhalten des Täters lässt
sich gliedern in
1. Delikte für die ein Erfolg
notwendig ist oder eine Tätigkeit genügt
a) Erfolgsdelikt (z. B.
Körperverletzung)
b) Tätigkeitsdelikt (z. B.
falsche uneidliche Aussage)
2. Delikte, die zu einer Verletzung
führen oder zu einer bloßen Gefährdung
a) Verletzungsdelikt (z. B.
Körperverletzung)
b) Gefährdungsdelikt (z. B.
Fahren über eine Straßenkreuzung bei rotem Ampelsignal)
3. Delikte, bei denen ein Handeln
(Begehung) notwendig ist oder eine Unterlassung genügt
a) Begehungsdelikte (z. B.
Erpressung, Wilderei)
b) Unterlassungsdelikte
Nach § 2 StGB ist, wenn das Gesetz die
Herbeiführung eines Erfolgs mit Strafe bedroht, auch strafbar, wer es
unterlässt, ihn abzuwenden, obwohl er zufolge einer ihn im Besonderen
treffenden Verpflichtung durch die Rechtsordnung dazu verhalten ist und
die Unterlassung der Erfolgsabwendung einer Verwirklichung des gesetzlichen
Tatbildes durch ein Tun gleichzuhalten ist (z. B. unterlassene Hilfeleistung
bei einem Unglücksfall, Mord durch Unterlassung).
IV. Einstellung
Je nach der inneren Einstellung des
Täters zu seinem Verhalten kann getrennt werden zwischen
a) Vorsatzdelikten, bei denen
der Täter mit Vorsatz (lat. dolus [M.]) und damit grundsätzlich mit Wissen
und Wollen handelt (z. B. Unterschlagung). (Nach § 5 I StGB handelt
vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen
Tatbild entspricht, wobei es genügt, dass der Täter diese Verwirklichung
ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet [dolus eventualis,
bedingter Vorsatz, „in Kauf nimmt“].). (Bei einzelnen Straftatbeständen kann es
auch auf Absichtlichkeit oder Wissentlichkeit ankommen, lat. dolus directus).
und
b) Fahrlässigkeitsdelikten, bei
denen der Täter den Erfolg nicht will, aber eine Sorgfaltspflicht zu seiner
Vermeidung verletzt (z. B. fahrlässige Tötung, fahrlässige Körperverletzung)
(Nach § 6 I StGB handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der
er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen
Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt,
dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild
entspricht, wobei es genügt, dass er es für möglich hält, dass er einen solchen
Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will).
Grundsätzlich ist, wenn das Gesetz nichts
anderes bestimmt, nur vorsätzlichen Handeln strafbar. Die Strafbarkeit
fahrlässigen Handelns muss besonders angeordnet sein. Dies ist etwa bei fahrlässiger
Tötung oder fahrlässiger Körperverletzung der Fall, nicht aber bei
fahrlässiger Sachbeschädigung.
V. Sonstige Arten
1. Eigenhändiges Delikt
Das eigenhändige Delikt kann vom Täter
nur selbst begangen werden, nicht durch einen anderen Menschen als Werkzeug (z.
B. Meineid).
2. Erfolgsqualifiziertes Delikt
Das erfolgsqualifizierte Delikt ist
durch einen zusätzlichen Erfolg besonders gekennzeichnet (z. B.
Körperverletzung mit Todesfolge, vgl. § 7 II StGB).
C) Vorsatzbegehungserfolgsdelikt
Im Mittelpunkt des Strafrechts steht
das vorsätzliche Erfolgsdelikt. Es ist auf einen Erfolg ausgerichtet und wird vom
Täter mit Wissen und Wollen ausgeführt. Die Strafrechtswissenschaft hat dafür
eine Reihe von allgemeinen Voraussetzungen oder Straftatbestandsmerkmalen
erkannt.
I. Tatbestand
Der Tatbestand eines ein
Vorsatzerfolgsdelikt betreffenden Strafrechtssatzes gliedert sich in den
Tatbestand im engeren Sinn und weitere Voraussetzungen. Der Tatbestand im
engeren Sinn besteht aus objektivem Tatbestand und subjektivem Tatbestand.
Daraus ergibt sich insgesamt ein mehrgliederiger Tatbestandsaufbau des
Vorsatzerfolgsdelikts.
1. Objektiver Tatbestand (äußere
Tatseite)
a) Handlung
Der objektive Tatbestand (im engeren
Sinne) erfordert grundsätzlich eine Handlung eines Menschen. Deswegen muss ein
bewusstes Verhalten eines Menschen vorliegen, nicht nur ein bloßer unwillkürlicher
Reflex (z. B. wenn der Mensch nur vom Sturm umgeweht wird oder infolge einer
Krankheit umfällt). Eine Handlung wäre beispielsweise das Bewegen des Fingers
zur Ingangsetzung eines Geschosses in einer Waffe.
b) Erfolg
Weiter ist eine Veränderung der bisherigen,
von der Handlung verschiedenen Gegebenheiten notwendig. Eine derartige
Veränderung wäre etwa der Tod oder die Verletzung eines anderen Menschen oder
die Zerstörung oder Beschädigung einer Sache. Auch wenn diese Veränderung
allgemein als Verlust angesehen wird, ist sie strafrechtlich doch ein Erfolg.
c) Kausalität
Zwischen Handlung und Erfolg muss Ursächlichkeit
bestehen. Zahllose Handlungen führen nicht zu strafrechtlich bedeutsamen
Erfolgen und viele Erfolge werden nicht durch strafrechtlich relevantes
Verhalten herbeigeführt. Deswegen ist ein menschliches Verhalten, das
hinweggedacht werden kann, ohne dass der in Frage stehende Erfolg entfällt, für
diesen Erfolg nicht ursächlich (z. B. kann das Bewegen eines Gewehrhahns zu
einer völlig anderen Zeit oder an einem völlig anderen Ort für den Tod eines
Menschen an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit nicht ursächlich
sein).
2. Subjektiver Tatbestand (innere
Tatseite z. B. Vorsatz, Absicht, Absichtlichkeit, Wissentlichkeit, was weiß und
will der Handelnde oder Unterlassende?)
II. Rechtswidrigkeit
Das betreffende tatbestandsmäßige,
möglicherweise strafbare Verhalten muss auch rechtswidrig sein. Rechtswidrig
ist grundsätzlich jede Verletzung von Recht. Deswegen ist die Tötung eines (anderen)
Menschen grundsätzlich stets rechtswidrig.
Die Rechtswidrigkeit kann aber
ausnahmsweise ausgeschlossen sein, weil das Verhalten gerechtfertigt ist.
Rechtfertigungsgründe sind beispielsweise Notwehr, Nothilfe, Notstand
oder Einwilligung des Opfers. Dementsprechend handelt nicht
rechtswidrig, wer sich nur der Verteidigung bedient, die notwendig ist, um
einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf
Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Vermögen von sich
oder einem andern abzuwehren (Notwehr, Nothilfe), wobei die Handlung jedoch
dann nicht gerechtfertigt ist, wenn es offensichtlich ist, dass dem
Angegriffenen bloß ein geringer Nachteil droht und die Verteidigung,
insbesondere wegen der Schwere der zur Abwehr nötigen Beeinträchtigung des
Angreifers unangemessen ist (§ 3 I StGB).
III. Schuld
Strafbar ist nur, wer schuldhaft
handelt (§ 4 StGB). Es darf also keine Strafe ohne Schuld des Handelnden verhängt
werden. Lateinisch lautet dieser überzeugende Gedanke nulla poena sine culpa.
Grundsätzlich ist nach § 14 I Nr. 1
StGB der (mit der Vollendung des 14. Lebensjahrs strafmündig werdende) Mensch
schuldfähig. Es kann ihm aber die Zurechnungsfähigkeit fehlen. Wer zur Zeit der
Tat wegen einer Geisteskrankheit, wegen einer geistigen Behinderung, wegen
einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer anderen schweren,
einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht
seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, handelt nach § 11
StGB nicht schuldhaft.
Es kann ausnahmsweise die Schuld auch
durch einen besonderen Schuldausschließungsgrund ausgeschlossen sein.
IV. Objektive Strafbarkeitsbedingung
Strafbar ist eine Tat nur, wenn alle
objektiven Strafbarkeitsbedingungen vorliegen. Dazu gehört das Fehlen der
Verjährung. Strafbare Handlungen, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit
Freiheitsstrafe von zehn bis zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe
bedroht sind, verjähren nicht, während alle anderen strafbaren Handlungen je
nach der Höhe der angedrohten Strafe in Fristen zwischen zwanzig Jahren und
einem Jahr verjähren.
V. Persönlicher
Strafausschließungsgrund
Die Strafbarkeit eines Täters entfällt
bei Vorliegen eines Strafausschließungsgrunds. Strafausschließungsgrund
ist beispielsweise die Indemnität (oder auch die Immunität) eines
Abgeordneten. Grundsätzlich kann ein Abgeordneter zum Schutz seiner
Redefreiheit nicht wegen seiner Äußerungen im Parlament strafrechtlich verfolgt
werden, sofern er nicht verleumderisch beleidigt.
VI. Strafantrag
Bestimmte einzelne Verhaltensweisen
können im Gegensatz zu dem Großteil der von Amts wegen zu verfolgenden
Verhaltensweisen (Offizialdelikten) strafrechtlich nur verfolgt werden, wenn
ein Strafantrag vorliegt (Antragsdelikte). Hierzu zählen z. B.
Hausfriedensbruch und Beleidigung. Dabei kann die Staatsanwaltschaft bei
absoluten Antragsdelikten ohne Antrag eines Verletzten nicht tätig werden
(Ermächtigungsdelikt), während sie bei relativen Antragsdelikten bei Bejahung
des öffentlichen Interesses an einer Strafverfolgung auch ohne Antrag des
Verletzten die Tat verfolgen kann.
D) Sonderfragen
Bei allen Erfolgsdelikten kann es
geschehen, dass der Täter den Erfolg zwar anstrebt, aber nicht erreicht, bei
allen Delikten, dass er sich irrt, dass er zusammen mit anderen handelt oder
dass er mehrere Straftaten begeht oder mehrere Strafrechtssätze verletzt.
Deswegen liegen in diesen Fällen eigentlich allgemeine Probleme vor. Aus diesem
Grund werden Versuch, Irrtum, Teilnahme und Konkurrenz im allgemeinen Teil des
Strafrechts erörtert.
I. Versuch
Der Versuch einer Straftat liegt vor,
wenn der Täter mit der Straftat beginnt, aber den Erfolg nicht erreicht (z. B.
Attentatsversuch, Betrugsversuch). Wegen der Gefährlichkeit von Versuchen
gelten nach § 15 I StGB die Strafdrohungen nicht nur für die vollendete Tat,
sondern auch für den Versuch und jede Beteiligung an einem Versuch. Nach § 15
II StGB ist dabei eine Tat versucht, sobald der Täter seinen Entschluss (oder
Plan), sie auszuführen oder einen anderen dazu zu bestimmen, durch eine der
Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt (also unmittelbar zur
Tat ansetzt).
Straflos ist auf Grund der
Gedankenfreiheit des Menschen ein bloßer Tatplan. Sobald aber dem im Vorsatz
enthaltenen Tatplan ein Anfang der Ausführung folgt, beginnt die
Strafbarkeit des Versuchs. Der Versuch und die Beteiligung daran sind nach § 15
III StGB nicht strafbar, wenn die Vollendung der Tat mangels persönlicher
Eigenschaften oder Verhältnisse, die das Gesetz bei dem Handelnden voraussetzt,
oder nach der Art der Handlung oder des Gegenstands, an dem die Tat begangen
wurde, unter keinen Umständen möglich war (absolute Untauglichkeit des Versuchs).
Vom Versuch kann der Täter nach § 16
StGB noch zurücktreten (Rücktritt). Der Täter wird wegen des Versuchs
nicht bestraft, wenn er freiwillig die Ausführung aufgibt oder verhindert oder
freiwillig den Erfolg abwendet (beachte auch § 16 II StGB). Tritt der Erfolg
als Folge des Beginns der Ausführung ein, liegt kein bloßer Versuch mehr vor,
sondern eine vollendete Straftat.
II. Irrtum
Der Täter kann sich eine falsche
Vorstellung über den Gegenstand seines Verhaltens oder den Ablauf des
Geschehens machen. Dieser Irrtum ist grundsätzlich zu berücksichtigen. Dabei
sind aber unterschiedliche Fälle auseinanderzuhalten.
1. Irrtum über den Gegenstand (lat. error
in obiecto)
a) Gleichwertigkeit des Tatgegenstands
Der Täter will das Opfer töten oder
verletzen, verwechselt es aber versehentlich mit einem anderen Menschen.
Gedachtes Opfer und tatsächliches Opfer sind beides Menschen, so dass sie
rechtlich gleichwertig sind. Da es bei den Tatbeständen der Tötungsdelikte und
Verletzungsdelikte grundsätzlich nur um die Tötung oder Verletzung nicht eines
ganz bestimmten, sondern irgendeines anderen Menschen geht, ist dieser Irrtum
unbeachtlich.
b) Ungleichwertigkeit des
Tatgegenstands
aa) Der Täter will das Opfer töten,
verwechselt es aber (beispielsweise in der Dämmerung) mit einem Schwein, das er
mit seinem Schuss trifft und tötet. Mensch und Schwein sind ungleichwertige
Objekte, so dass der Irrtum beachtlich ist. Deswegen kann der Täter nur wegen
versuchten Tötungsdelikts strafbar sein(, wobei fahrlässige Sachbeschädigung
straflos bleibt).
bb) Der Täter will als Jäger ein
Schwein erschießen, verwechselt (beispielsweise in der Dämmerung) aber einen
Menschen mit dem Schwein und tötet oder verletzt den Menschen. Mensch und Schwein
sind ungleichwertige Objekte, so dass der Irrtum beachtlich ist. Unabhängig
davon, ob der Täter (als Jäger) das Schwein vorsätzlich töten darf oder nicht,
kann er aber wegen fahrlässiger Tötung oder Verletzung eines Menschen strafbar
sein.
2. Irrtum über den Kausalverlauf
Der Täter wirft im Rahmen einer
Sportveranstaltung Speer, wobei eine plötzliche, ungewöhnlich heftige Windböe
den Speer in die Zuschauer treibt, so dass ein Zuschauer durch den Speer
verletzt wird (lateinisch aberratio ictus). Der Ablauf vollzieht sich
also abweichend von den Vorstellungen des Handelnden. Deswegen kann er bei
Abirrung eines Geschosses mangels Vorsatzes jedenfalls nicht wegen
vorsätzlicher Verletzung eines anderen strafbar sein.
III. Zusammenwirken
Nach § 12 StGB begeht nicht nur der
unmittelbare Täter die strafbare Handlung, sondern auch jeder, der einen
anderen dazu bestimmt, sie auszuführen, oder der sonst zu ihrer Ausführung
beiträgt (so genannter Einheitstäter). Von daher sind verschiedene
Formen der Täterschaft (bzw. Beteiligung) an einer Straftat zu unterscheiden.
Nach § 13 StGB ist dabei, wenn mehrere an einer Tat beteiligt waren, jeder
von ihnen nach seiner Schuld zu bestrafen.
Täter ist grundsätzlich jeder, der die
Tathandlung durchführt. Dabei können mehrere in der Form zusammenwirken, dass
jeder im Zusammenwirken nur einen Teil der Tathandlung ausführt. Dann sind die
mehreren Handelnden Mittäter.
Der Täter kann eine Tathandlung aber
auch durch einen ahnungslosen Dritten ausführen lassen. Dann ist der unmittelbar
Handelnde nur (grundsätzlich strafloses) Werkzeug. Der Täter ist aber auch bei mittelbarer
Täterschaft als Täter strafbar.
Täter ist in Österreich auch, wer
einen anderen wissentlich und willentlich zu einer bewussten und gewollten
Straftat bestimmt, indem er ihm beispielsweise Geld für die Ausführung einer
von ihm gewollten Straftat verspricht. Er ist Bestimmungstäter. In
Deutschland und in der Schweiz ist er (als) Anstifter (strafbar).
Täter ist in Österreich auch jeder,
der zur Ausführung der strafbaren Handlung beiträgt, indem er etwa ein Werkzeug
zur Verfügung stellt oder den Täter sonst unterstützt. Er ist Beitragstäter.
In Deutschland und in der Schweiz ist er (als) Gehilfe (strafbar).
IV. Konkurrenz
Ein Täter kann durch eine Handlung
oder mehrere Handlungen mehrere Strafrechtssätze verletzen. Dann können mehrere
Strafrechtssätze bei der Frage, nach welcher Vorschrift der Handelnde zu
bestrafen ist, miteinander konkurrieren. Für die im Detail sehr verwickelten
Fragen der Konkurrenz (Zusammentreffen strafbarer Handlungen) gilt
grundsätzlich § 28 StGB.
E) Rechtsfolge
Strafe als wichtigster Beziehungspunkt
des gesamten Strafrechts ist ein Übel, das einem Handelnden für
tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes Tun von der Allgemeinheit in
Verbindung mit einem Unwerturteil auferlegt wird, ohne dass der Verletzte
unmittelbar davon einen Vorteil hat. Strafe in diesem Sinn ist erst in
entwickelten Gesellschaften (Staaten) entstanden. Ältere, von der Aufklärung
der frühen Neuzeit immer stärker zurückgedrängte Strafen sind Leibesstrafe
und Todesstrafe, so dass in Österreich in der Gegenwart vor allem
Freiheitsstrafe und Geldstrafe bedeutsam sind.
I. Arten der Strafe
1. Freiheitsstrafe
Freiheitsstrafe ist die im Entzug der
Freiheit bestehende Strafe. Freiheitsstrafen werden nach § 18 I StGB auf
Lebensdauer oder auf bestimmte Zeit verhängt. Die zeitliche Freiheitsstrafe
beträgt mindestens einen Tag und höchstens 20 Jahre.
2. Geldstrafe
Geldstrafe ist die in Geld zu zahlende
Strafe. Dabei ist die Geldstrafe in (mindestens zwei) nach den persönlichen
Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Täters im
Zeitpunkt des Urteils erster Instanz zu bestimmenden Tagessätzen zu
bemessen. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine
Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen, bei der zwei Tagessätzen ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe
entspricht (§ 19 StGB).
II. Weitere Folgen
Möglich ist die Abschöpfung der
auf Grund einer Straftat erlangten Bereicherung oder der Verfall von
Vermögenswerten. Möglich ist auch die Unterbringung des Täters in einer Anstalt
für geistig abnorme Rechtsbrecher, in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige
Rechtsbrecher oder in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter. Für die
Straftat verwendete oder durch sie geschaffene Gegenstände können eingezogen
werden, Beamte können ihr Amt verlieren.
III. Strafzumessung (§§ 32ff.
StGB)
Der Strafrechtssatz legt grundsätzlich
einen Strafrahmen fest, innerhalb dessen sich das Strafmaß nach der Schuld des
Täters bestimmt. Mildernde Umstände begründen eine geringere Strafe.
Erschwerungsgründe rechtfertigen eine höhere Strafe.
IV. Bedingte Strafnachsicht
Bei Verurteilung zu einer zwei Jahre
nicht übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe hat das Gericht unter
bestimmten Voraussetzungen die Strafe bedingt (bei Geldstrafe auch teilweise
bedingt) nachzusehen. Möglich ist auch die bedingte Entlassung aus einer
Freiheitsstrafe. In Betracht kommt in diesen Zusammenhängen die Erteilung von
Weisungen oder die Anordnung von Bewährungshilfe.
F) Strafzweck
Strafzweck ist der mit der Strafe
verfolgte Zweck. Er hat sich im Laufe der Entwicklung der Strafe verändert.
Bestand er in älteren Zeiten hauptsächlich in Unschädlichmachung und
Sühne (absoluter Strafzweck), so trat später vor allem der
Verhütungsgedanke der Prävention (Generalprävention aller oder Spezialprävention
hinsichtlich des Straftäters) hervor (relativer Strafzweck). Seit dem
späten 19. Jahrhundert (Marburger Programm Franz von Liszts) steht der Versuch
der Resozialisierung oder Wiedereingliederung des Straftäters im
Vordergrund, wofür allerdings Augenblickstäter, verbesserliche Zustandstäter
und unverbesserliche Zustandstäter unterschieden werden müssen.
G. Einzelne Straftatbestände
Die einzelnen besonderen
Straftatbestände sind im besonderen Teil des Strafgesetzbuchs enthalten. Sie
werden wissenschaftlich dementsprechend im besonderen Teil des Strafrechts
behandelt. Dabei sind von den von § 75 (Mord) bis § 321 (Völkermord) reichenden
rund 250 Strafrechtssätzen des Strafgesetzbuchs Österreichs etwa 25 von
größerer Bedeutung.
§ 75 (Mord) Wer einen anderen
tötet, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zwanzig Jahren oder mit
lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen.
§ 76 (Totschlag) Wer sich in einer
allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen lässt, einen
anderen zu töten, ist mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu zehn Jahren zu
bestrafen.
§ 80 (fahrlässige Tötung) Wer
fahrlässig den Tod eines anderen herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu
einem Jahr zu bestrafen.
§ 83 (Körperverletzung) Wer
einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt, ist mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu
bestrafen.
§ 88 (fahrlässige Körperverletzung)
Wer fahrlässig einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit
schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis
zu 180 Tagessätzen zu bestrafen.
§ 95 (Unterlassung der
Hilfeleistung) Wer es bei einem Unglücksfall unterlässt, die offensichtlich
erforderliche und auch zumutbare Hilfe zu leisten, ist mit Freiheitsstrafe bis
zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 350 Tagessätzen zu bestrafen
§ 96 (Schwangerschaftsabbruch)
Wer mit Einwilligung der Schwangeren deren Schwangerschaft abbricht, ist mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen, während eine Frau, die den
Abbruch ihrer Schwangerschaft vornimmt oder zulässt, mit Freiheitsstrafe bis zu
einem Jahr zu bestrafen ist.
§ 99 (Freiheitsentziehung) Wer
einen anderen widerrechtlich gefangen hält oder ihm auf andere Weise die
persönliche Freiheit entzieht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu
bestrafen.
§ 105 (Nötigung) Wer einen
anderen mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, Duldung
oder Unterlassung nötigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu
bestrafen.
§ 109 (Hausfriedensbruch) Wer
den Eintritt in die Wohnstätte eines anderen mit Gewalt oder durch Drohung mit
Gewalt erzwingt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.
§ 115 (Beleidigung) Wer
öffentlich oder vor mehreren Leuten einen anderen beschimpft, verspottet, am
Körper misshandelt oder mit einer körperlichen Misshandlung bedroht, ist mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen
zu bestrafen.
§ 118 (Verletzung des
Briefgeheimnisses) Wer einen nicht zu seiner Kenntnisnahme bestimmten
verschlossenen Brief öffnet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder
mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen.
§ 125 (Sachbeschädigung) Wer
eine fremde Sache zerstört, beschädigt, verunstaltet oder unbrauchbar macht,
ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360
Tagessätzen zu bestrafen.
§ 127 (Diebstahl) Wer eine
fremde bewegliche Sache einem anderen mit dem Vorsatz wegnimmt, sich oder einen
Dritten durch deren Zueignung zu bereichern, ist mit Freiheitsstrafe bis zu
sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
§ 134 (Unterschlagung) Wer ein
fremdes Gut, das er gefunden hat oder das durch Irrtum oder sonst ohne sein
Zutun in seinen Gewahrsam geraten ist, sich oder einem Dritten mit dem Vorsatz
zueignet, sich oder einen Dritten unrechtmäßig dadurch zu bereichern, ist mit
Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen
zu bestrafen.
§ 137 (Eingriff in fremdes Jagd-
oder Fischereirecht) Wer unter Verletzung fremden Jagd- oder
Fischereirechts dem Wild nachstellt, fischt, Wild oder Fische tötet, ist mit
Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen
zu bestrafen.
§ 142 (Raub) Wer mit Gewalt
gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder
Leben einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz wegnimmt oder
abnötigt, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu
bereichern, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
§ 144 (Erpressung) Wer jemanden
mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, Duldung oder
Unterlassung nötigt, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, und
dabei mit dem Vorsatz handelt, durch das Verhalten des Genötigten sich oder
einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, ist mit Freiheitsstrafe von sechs
Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
§ 146 (Betrug) Wer mit dem
Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten
unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer
Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die diesen oder einen anderen am
Vermögen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit
Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
§ 153 (Untreue) Wer die ihm
durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über
fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich
missbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt, ist mit
Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen
zu bestrafen.
§ 164 (Hehlerei) Wer den Täter
einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen nach der Tat dabei
unterstützt, eine Sache, die dieser durch sie erlangt hat, zu verheimlichen
oder zu verwerten, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe
bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
§ 169 (Brandstiftung) Wer an
einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst
verursacht, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
§ 201 (Vergewaltigung) Wer eine
Person mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit oder durch
Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme oder Duldung
des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen
Handlung nötigt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren
zu bestrafen.
§ 211 (Blutschande) Wer mit
einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf
vollzieht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.
§ 216 (Zuhälterei) Wer mit dem
Vorsatz, sich aus der Prostitution einer anderen Person eine fortlaufende
Einnahme zu verschaffen, diese Person ausnutzt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu
einem Jahr zu bestrafen.
§ 223 (Urkundenfälschung) Wer
eine falsche Urkunde mit dem Vorsatz herstellt oder eine echte Urkunde mit dem
Vorsatz verfälscht, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines
Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, ist mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.
§ 242 (Hochverrat) Wer es unternimmt,
mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung der Republik Österreich
oder eines ihrer Bundesländer zu ändern oder ein zur Republik Österreich
gehörendes Gebiet abzutrennen, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zwanzig
Jahren zu bestrafen.
§ 269 (Widerstand gegen die
Staatsgewalt) Wer eine Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt
oder wer einen Beamten mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung an einer
Amtshandlung hindert, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
§ 321 (Völkermord) Wer in der
Absicht, eine durch ihre Zugehörigkeit zu einer Kirche oder
Religionsgesellschaft, zu einer Rasse, einem Volk, einem Volksstamm oder einem
Staat bestimmte Gruppe als solche ganz oder teilweise zu vernichten, Mitglieder
der Gruppe tötet oder in vergleichbarer Weise verletzt, ist mit lebenslanger
Freiheitsstrafe zu bestrafen.
§ 7 Person
A) Privatrecht
B) Natürliche Person
C) Juristische Person
D) Entstehung von Rechten und
Pflichten
A) Privatrecht
I. Rechtswirklichkeit
Auch losgelöst von der Hoheitsgewalt
des zivilisierten Staates stehen die Menschen in zahlreichen Beziehungen
zueinander. Bisher können Menschen nur von anderen Menschen hervorgebracht
werden und sind am Anfang ihres Lebens so unselbständig, dass sie ohne andere
Menschen ihre Geburt nur ganz kurze Zeit überleben könnten. Deswegen müssen sie
lange Zeit ganz umfassend von anderen Menschen versorgt werden.
Mit ihrer natürlichen Entwicklung
einher verlaufen vielfache Lernvorgänge im Austausch mit Eltern, Geschwistern,
Nachbarn, Freunden, Lehrern, Wettbewerbern und Feinden. Mit der Zunahme des
Wissens und der Fähigkeiten wird die Verselbständigung möglich. Deswegen kann
der Mensch allmählich eigenständiger Teilnehmer an den gesellschaftlichen
Vorgängen werden.
Erst werden ihm ganz einfache
Geschäfte ermöglicht. Danach wird er in zeitlich genau festgelegten Schritten
mit allen Rechten und Pflichten in die jeweilige Rechtsgemeinschaft
aufgenommen. In arbeitsteiligen marktwirtschaftlichen Gegebenheiten muss er nur
genügend Zahlungsmittel haben oder erwerben und er kann alle notwendigen oder
überflüssigen Sachen dieser Welt erlangen, die ihm im Überfluss von anderen
Menschen angeboten oder auch abgenommen werden.
Er kann vor allem kaufen und
verkaufen, mieten und vermieten, verschenken und geschenkt erhalten, arbeiten
lassen und arbeiten. Er kann sich mit anderen Menschen zusammentun oder nicht,
heiraten oder nicht, Nachkommen zeugen und gebären oder nicht, ganz wie er in
einigermaßen freier Entscheidung möchte. Am Ende seines Lebens kann er sein
Vermögen anderen Menschen nach seiner Wahl zuwenden oder das geltende Recht
darüber entscheiden lassen.
In all diesen Fragen begleitet ihn das
Recht. Durch Verbote und Gebote schränkt es seine ursprüngliche Freiheit ein
und sichert sie zugleich. In vielen Hinsichten überlässt der mit Hoheitsgewalt
ausgestattete Staat weite Strecken dieser Lebensbereiche bis hin zur Schaffung
juristischer Personen der Privatautonomie des Einzelnen.
II. Wesen
Privatrecht ist dementsprechend das von der Hoheitsgewalt
des Staates grundsätzlich freie Recht, in dem der Staat nicht in seiner
Eigenschaft als Hoheitsträger tätig wird. Ein solches lateinisch ius
privatum genanntes Gebiet wurde bereits von den römischen Rechtskundigen
ansatzweise zu einer gedanklichen Einheit zusammengefasst. Mit der Aussonderung
des Staatsrechts (bzw. des Verfassungsrechts und des Verwaltungsrechts),
des Prozessrechts und des Strafrechts aus dem gesamten Recht als
eigene Rechtsgebiete in der Rechtswissenschaft der frühen Neuzeit ist es so
selbverständlich zu einer eigenen Einheit geworden, dass Bayern 1756 einen
besonderen Codex Maximilianeus Bavaricus civilis schaffen konnte, Frankreich
1804 einen Code civil und Österreich nach jahrzehntelanger Vorbereitung seit
Maria Theresia am 1. 6. 1811 ein Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB).
Nach § 1 dieses 1812 in Kraft
getretenen Gesetzbuchs macht der Inbegriff der Gesetze, wodurch die
Privatrechte und Pflichten der Einwohner des Staates unter sich bestimmt
werden, das bürgerliche Recht in demselben aus. Demnach sind zu Beginn des
19. Jahrhunderts Privatrecht und bürgerliches Recht gleichbedeutend. Da
lateinisch civis deutsch Bürger ist, entspricht dem deutschen Wort bürgerliches
Recht auch das französische droit civil des Code civil oder Bürgerlichen
Gesetzbuchs, so dass Privatrecht auch Zivilrecht ist.
Kennzeichen dieses Privatrecht,
Zivilrecht oder auch bürgerliches Recht genannten Teiles des gesamten Rechtes
ist, dass in ihm der Träger von Hoheitsgewalt nicht in seiner Eigenschaft als
solcher tätig wird. Es ist ein Raum der Freiheit, in dem grundsätzlich
jedermann seinen Willen zu verwirklichen versuchen kann. Freilich stehen diesem
theoretischen Idealzustand tatsächlich mannigfache Hindernisse gegenüber.
III. Arten
Allerdings hat sich seit der Schaffung
der ersten Gesetzbücher des bürgerlichen Rechts, Privatrechts oder Zivilrechts
an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert die Wirklichkeit erheblich verändert.
Aus der agrarisch geprägten Gesellschaft der frühen Neuzeit wurde infolge der
industriellen Revolution die von Handel und Arbeit bestimmte modernere Industriegesellschaft
und aus ihr danach die Dienstleistungsgesellschaft. Dementsprechend wird
innerhalb des Privatrechts inzwischen das allgemeine bürgerliche Recht vom
besonderen Privatrecht der Arbeit und des Handels getrennt.
1. Allgemeines Privatrecht
Allgemeines, für jedermann
grundsätzlich in gleicher Weise geltendes Privatrecht ist der in die großen
Privatrechtsgesetzbücher aufgenommene Rechtsstoff. Zu ihm gehören aber alle
sachlich mit ihm zu verbindenden modernen Fortschreibungen. Deswegen sind
Gegenstände des bürgerlichen Rechts als allgemeinen Privatrechts etwa auch das
Wohnungseigentum, das Mietrecht, die Todeserklärung, (die Ehe,) der
Konsumentenschutz, die Amtshaftung, die Eisenbahnhaftung, die
Kraftfahrzeughaftung, das Grundbuch, die Landpacht oder das internationale
Privatrecht, obwohl ihre modernen Regeln sich nicht mehr (nur) im Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuch finden, sondern (auch) in von ihm getrennten besonderen
Gesetzen
2. Sonderprivatrecht
Sonderprivatrecht ist das von Anfang
an außerhalb der bürgerlichen Gesetzbücher geregelte Recht. Dazu gehört in
erster Linie das Handelsrecht (oder später auch Unternehmensrecht oder
Wirtschaftsrecht), das bereits unter Napoleon Bonaparte in einem eigenen
Handelsgesetzbuch (Code de commerce 1807) geregelt wurde und zu dem noch
Handelsvertreterrecht, Aktienrecht, das die Gesellschaft mit beschränkter
Haftung betreffende Recht, Genossenschaftsrecht, Wettbewerbsrecht,
Kartellrecht, Privatversicherungsrecht, Wechselrecht, Scheckrecht und manches
Andere hinzugekommen sind. Weitgehend außerhalb von Gesetzbüchern hat sich dazu
seit dem 19. Jahrhundert das besondere Arbeitsrecht entwickelt, das
teils Privatrecht, teils aber auch öffentliches Recht (z. B.
Arbeitsschutzrecht) ist.
IV. Gliederung des Privatrechts
1. Gliederung des Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuchs
Bei seinem Inkrafttreten zum 1. 1.
1812 wurde das allgemein an jeden Staatsangehörigen gerichtete, vor allem von
Karl Anton von Martini (1726-1800) und seinem Schüler Franz von Zeiller
(1751-1828) geprägte Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) Österreichs in
eine Einleitung und drei Teile gegliedert. Nach § 14 ABGB haben die in dem
bürgerlichen Gesetzbuch enthaltenen Vorschriften das Personenrecht, das Sachenrecht
und die denselben gemeinschaftlich zukommenden Bestimmungen zum
Gegenstand. Diese grundsätzliche Einteilung des Privatrechts nach Personen und
Sachen folgt dem als Institutionen bekannt gewordenen Werk des römischen
Rechtskundigen Gaius von etwa 160 n. Chr. und heißt deswegen
Institutionensystem.
Der erste Teil handelt von dem
Personenrechte. Er umfasst die Paragraphen 15-283 und beginnt mit den Rechten,
die sich auf persönliche Eigenschaften und Verhältnisse beziehen, wobei nach
§ 16 ABGB jeder Mensch angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende
Rechte hat und daher als eine Person (Rechtssubjekt, Subjekt des Rechtes) zu
betrachten ist. Es folgen Eherecht (§§ 44ff. ABGB), Recht zwischen Eltern
und Kindern (§§ 137ff. ABGB), die Obsorge einer anderen Person (§§ 187ff. ABGB)
und Sachwalterschaft, sonstige gesetzliche Vertretung und Vorsorgevollmacht (§§
268ff. ABGB).
Der zweite Teil betrifft das Sachenrecht.
Er umfasst die Paragraphen 285-1341 ABGB. Davon behandeln die Paragraphen
309-858 ABG die dinglichen Rechte wie Besitz und Eigentum (sowie Erbe) und die
§§ 859-1341 ABGB die persönlichen Sachenrechte wie Schenkung oder Verwahrung.
Im abschließenden dritten Teil sind
die Personen und Sachen gemeinschaftlichen Bestimmungen vereinigt. Sie reichen
von § 1342 bis § 1502 ABGB. Erfasst sind etwa Befestigung der Rechte und
Verbindlichkeiten (z. B. Bürgschaft), Umänderung der Rechte und
Verbindlichkeiten (z. B. Abtretung, Schuldübernahme), Aufhebung der Rechte und
Verbindlichkeiten sowie Verjährung und Ersitzung.
2. Neuere
wissenschaftlich-systematische Gliederung des Rechtsstoffs
Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
des Jahres 1900 trennt nicht mehr nur wie Gaius zwischen Personen und Sachen,
sondern unterscheidet als Ergebnis der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem
römischen, von Gaius (um 160 n. Chr.) bis Justinian (527-565) stark
angewachsenen Rechtsstoff (der Pandekten [aller römischen
Rechtskundigen]) seit der Rezeption vor allem am Übergang vom 18. Jahrhundert
zum 19. Jahrhundert fünf Sachgebiete. Sie enthalten einen allgemeinen, den
besonderen Rechtseinrichtungen vorangestellten, hauptsächlich die Person
betreffenden Teil (Allgemeiner Teil), das Schuldrecht, das Sachenrecht, das
Familienrecht und das Erbrecht. Diesem Pandektensystem folgt die neuere
Privatrechtswissenschaft trotz der unveränderten gesetzlichen Gliederung des
Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (auch in Österreich).
Dementsprechend werden in einem Allgemeinen
Teil die Person (§§ 15-43 ABGB) und die Rechte (§§ 859-937,
1352-1502 ABGB) im Allgemeinen behandelt. Das Schuldrecht beschäftigt
sich mit den §§ 938-1341 (persönlichen Sachenrechte) und 1431-1437 ABGB.
Gegenstand des Sachenrechts sind die §§ 309-858 ABGB (dingliche Rechte
unter Ausschluss des Erbrechts).
Das Familienrecht hat die
Eheschließung, die persönlichen Wirkungen der Ehe, die vermögensrechtlichen
Wirkungen der Ehe (§§ 1217-1266 ABGB), die Scheidung und Aufhebung der Ehe, das
Verhältnis zwischen Eltern und Kindern und die Obsorge und Sachwalterschaft zum
Gegenstand. Das Erbrecht verselbständigt die §§ 531-824 des Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuchs über die gesetzliche Erbfolge und die gewillkürte
Erbfolge zu einem eigenen Rechtsgebiet außerhalb des Sachenrechts. Durch
zahlreiche Änderungen sind dabei nach 1812 insgesamt viele Vorschriften (etwa
die Hälfte) des Gesetzestexts von 1812 aufgehoben, verändert oder ergänzt (alle
Fassungen des Gesetzbuchs finden sich in vollständiger Form in http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ABGBalleFassungen.htm
im Internet, vgl. auch das diesbezüglich unvollkommene Rechtsinformationssystem
Österreichs).
B) Natürliche Person
Nach § 16 ABGB hat jeder Mensch
angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte und ist daher als
Person zu betrachten. Der Mensch ist demnach eine Person (Rechtssubjekt). Er
ist die durch die Natur in natürlicher Weise entstehende Person, der das Recht
die zwei (bzw. drei) Fähigkeiten Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit
(Geschäftsfähigkeit und Deliktsfähigkeit) zuspricht.
I. Rechtsfähigkeit
1. Wesen
Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit, Träger von Rechten
und Pflichten zu sein. Recht ist in diesem Zusammenhang beispielsweise das
Eigentum oder das Persönlichkeitsrecht ([§ 16 ABGB] allgemeines
Persönlichkeitsrecht auf verfassungsrechtlich, privatrechtlich und
strafrechtlich geschützte freie Entfaltung der Persönlichkeit, daneben Recht
auf Leben, Gesundheit, Erwerbsfähigkeit, Freiheit, Namensrecht, Recht auf Ehre,
Recht am eigenen Bild, Recht am eigenen Wort, Urheberpersönlichkeitsrecht,
Recht auf den Schutz der persönlichen Privatsphäre, Datenschutz,
Verschwiegenheitspflicht, Recht auf einen würdigen Tod, postmortales Persönlichkeitsrecht
u. s. w.), Pflicht die Steuerpflicht oder die Wehrpflicht. Wer Rechtsfähigkeit
hat, kann also Eigentümer sein oder Steuern zahlen müssen.
Grundsätzlich ist die Rechtsfähigkeit
Vollrechtsfähigkeit. Möglich ist aber auch Teilrechtsfähigkeit. Sie lässt sich
als die Fähigkeit verstehen, Träger eines Teiles der Rechte und Pflichten zu
sein.
2. Beginn
Die Rechtsfähigkeit des Menschen
beginnt mit der Vollendung seiner Geburt (geborenes Rechtssubjekt). Dies
wird vom Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch nicht ausdrücklich ausgeführt.
Nach § 22 S. 1 ABGB hat aber das ungeborene Kind (lateinisch nasciturus,
Geborenwerdender, Leibesfrucht) von dem Zeitpunkt seiner Empfängnis an
nur einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze, wobei § 23 ABGB die widerlegliche
Rechtsvermutung aufstellt, dass ein Kind im Zweifel als lebendig und
nicht als tot geboren angesehen wird.
3. Vorwirkungen
In so weit es um ihre Rechte und nicht
um die Rechte eines Dritten zu tun ist, werden nach § 22 S. 2 ABGB ungeborene
Kinder als Geborene angesehen (Rechtsfähigkeit des nasciturus unter der
Bedingung der späteren Lebendgeburt). Wird das ungeborene Kind an seinem Körper
verletzt, so muss der Schädiger nach § 1325 ABGB die Heilungskosten bestreiten,
den entgangenen oder, wenn der Beschädigte zum Erwerb unfähig wird, auch den
künftig entgehenden Verdienst ersetzen und ihm auf Verlangen ein den erhobenen
Umständen angemessenes Schmerzensgeld bezahlen. Dabei muss nach § 1326
ABGB auf Verunstaltungen Rücksicht genommen werden.
Nach § 1327 ABGB wirkt sich auch der
aus einer körperlichen Verletzung erfolgende Tod eines Unterhaltsverpflichteten
aus. Der Schädiger muss nämlich den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der
Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, das, was ihnen dadurch entgangen ist,
ersetzen. Das mittelbar geschädigte Kind hat also einen eigenen Schadenersatzanspruch
gegen den Schädiger.
Aus § 538 ABGB ergibt sich auch ein
Erbrecht des ungeborenen Kindes, falls es später lebend geboren wird.
Nach § 168 ABGB ist der Vater eines
unehelichen Kindes verpflichtet, der Mutter die Kosten der Entbindung sowie die
Kosten ihres Unterhalts für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung und,
falls infolge der Entbindung weitere Auslagen notwendig werden, auch diese zu
ersetzen.
4. Beendigung
Die Rechtsfähigkeit des Menschen endet
mit seinem Tod, dessen Eintritt nach den jeweiligen Erkenntnissen der
Medizin festzustellen ist. Mit seinem Tod ist der Mensch keine Person mehr.
Seine Leiche ist eine Sache, für die allerdings besondere Rechtssätze
gelten.
Für das Vermögen des verstorbenen
Menschen gilt das Erbrecht. Es bestimmt ausführlich, wem die bisherigen
Rechte des Verstorbenen und auch die postmortalen Persönlichkeitsrechte künftig
zustehen. Es legt auch fest, wer die bisherigen Verpflichtungen des
Verstorbenen erfüllen muss.
II. Geschäftsfähigkeit
Von der jedem Menschen zustehenden
Rechtsfähigkeit ist aus praktischen Gründen als weitere Fähigkeit die
Geschäftsfähigkeit (Teil der Handlungsfähigkeit) zu trennen, so dass
Rechtsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit streng zu unterscheiden sind.
1. Wesen
Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit Rechtsgeschäfte
(wie beispielsweise einen Kauf bzw. einen Kaufvertrag) selbst durch eigenes
Handeln und damit nicht nur durch einen gesetzlichen Vertreter abschließen
zu können. Für sie leuchtet es jedermann leicht ein, dass sie einem Menschen
unmittelbar nach seiner Geburt angesichts seiner fehlenden
Selbsterhaltungsfähigkeit noch nicht zugesprochen werden kann. Deswegen muss
die Rechtsordnung dafür einen geeigneten Zeitpunkt ermitteln, wofür sich
mehrere (4), mit dem Fehlen der Geschäftsfähigkeit beginnende Stufen
menschlicher Entwicklung als sinnvoll erwiesen haben.
2. Beginn
a) Geschäftsunfähigkeit des
Kindes (Geburt-7)
Nach dem insofern dem römischen Recht
folgenden § 865 S. 1 ABGB ist das Kind unter sieben Jahren ([lat. infans],
ebenso die Person über sieben Jahre, die den Gebrauch der Vernunft nicht hat,)
grundsätzlich unfähig, (selbst) ein Versprechen zu machen oder anzunehmen, so
dass sie selbst also Geschäfte (Rechtsgeschäfte) nicht tätigen kann. Es ist (zu
seinem Schutz) geschäftsunfähig, woran eine falsche Alterseinschätzung durch
einen anderen nichts ändern kann. Ein von einem Kind (oder einer Person, die
den Gebrauch der Vernunft nicht hat) getätigtes Rechtsgeschäft ist
grundsätzlich unwirksam (nichtig).
Ausgenommen von dieser grundsätzlichen
Geschäftsunfähigkeit ist allerdings nach § 151 III ABGB das von Minderjährigen
(und damit auch Kindern) üblicherweise geschlossene und eine geringfügige
Angelegenheit des täglichen Lebens betreffende Rechtsgeschäft (z. B. Kauf eines
Kaugummis). Es ist zwar zum Schutz des Minderjährigen grundsätzlich unwirksam,
wird aber mit der Erfüllung der das Kind treffenden Pflichten (z. B. zur
Kaufpreiszahlung) rückwirkend wirksam.
b) beschränkte Geschäftsfähigkeit
des unmündigen Minderjährigen (7-14)
Mit Vollendung des siebten Lebensjahrs
beginnt gegenüber dem vorhergehenden Zeitabschnitt der grundsätzlichen
Geschäftsunfähigkeit ein neuer Zeitabschnitt im Leben des Menschen. Zwar kann
er sich wie das geschäftsunfähige Kind nach § 151 I ABGB ohne Einwilligung des
gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich weder verpflichten noch
rechtsgeschäftlich verfügen (vgl. § 865 Satz 2, 3 ABGB). Aber er kann sich
jedenfalls bereits selbst rechtsgeschäftlich verpflichten und auch verfügen,
benötigt für die Wirksamkeit allerdings grundsätzlich die Einwilligung des
gesetzlichen Vertreters und damit die vorherige Zustimmung (meist nur)
eines Elters (Vater, Mutter, § 144 ABGB).
Sein altersübliches Geschäft des
täglichen Lebens wird dabei mit der Erfüllung seiner Pflicht nach § 151 III
ABGB wirksam. Darüber hinaus kann der Minderjährige über sieben Jahre (oder
eine Person, der ein Sachwalter bestellt ist,) ein bloß zu seinem (bzw. ihrem) Vorteil
gemachtes Versprechen selbst annehmen. Er benötigt also z. B. zu einer Annahme
einer lastenfreien Schenkung keine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.
Übernimmt er mit einem zu seinem
Vorteil gemachten Versprechen eine damit verknüpfte Last oder verspricht er
selbst etwas (z. B. Zahlung eines Kaufpreises), dann hängt - außer in den
Fällen des § 151 III ABGB - die Gültigkeit des Vertrages in der Regel von der Einwilligung
des gesetzlichen Vertreters (oder bei bestimmten bedeutenderen Rechtsgeschäften
zugleich des Gerichts) ab. Solange die Einwilligung fehlt, ist der Vertrag
grundsätzlich (zwar nicht einfach unwirksam, sondern nur) schwebend unwirksam,
wobei der andere Teil nicht zurücktreten, aber eine angemessene Frist zur
Erklärung setzen kann. Ohne die vorherige Einwilligung (Zustimmung) oder die
nachträgliche Genehmigung (Zustimmung) des gesetzlichen Vertreters kann
also ein nicht lediglich vorteilhaftes (und nicht altersübliches, erfülltes)
Rechtsgeschäft des unmündigen Minderjährigen nicht wirksam sein oder werden,
wobei mit Erteilung der Genehmigung die schwebende Unwirksamkeit zur
Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts und mit der Verweigerung der Genehmigung die
schwebende Unwirksamkeit zur (endgültigen) Unwirksamkeit wird.
c) beschränkte Geschäftsfähigkeit
des mündigen Minderjährigen (14-18)
Mit der Vollendung des 14.
Lebensjahres (ungefähre Geschlechtsreife) wird der Minderjährige (wie wohl
ähnlich schon in germanischen Rechten) mündig. Wie bei einem Kind werden
altersübliche, erfüllte Rechtsgeschäfte wirksam und wie bei einem unmündigen
Minderjährigen kann ein bloß zum Vorteil gemachtes Versprechen angenommen
werden. Im Übrigen hängen aber die Übernahme einer mit einem Versprechen
verknüpften Last und ein eigenes Versprechen in der Regel (wie bei unmündigen
Minderjährigen) von der vorherigen Zustimmung (Einwilligung) des
gesetzlichen Vertreters ab, so dass das entsprechende Rechtsgeschäft ohne
vorherige Zustimmung (Einwilligung) schwebend unwirksam ist und ohne nachträgliche
Zustimmung (Genehmigung) schwebend unwirksam bleibt oder mit ihrer
Verweigerung endgültig unwirksam wird.
Allerdings tritt mit erreichter
Mündigkeit doch eine Veränderung ein. Nach § 151 II ABGB kann der mündige
Minderjährige über Sachen, die ihm zur freien Verfügung überlassen
worden sind (z. B. Taschengeld), und über sein Einkommen aus eigenem
Erwerb (z. B. Lohn aus Dienstvertrag oder Arbeitsvertrag) so weit verfügen
und sich verpflichten, als dadurch nicht die Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse
gefährdet wird. Er kann also bereits selbst entsprechende Kaufverträge
abschließen oder Schenkungen vornehmen, ohne einer Zustimmung (Einwilligung,
Genehmigung) des gesetzlichen Vertreters zu bedürfen (beachte auch
Testierfähigkeit, Verfahrensfähigkeit).
d) Geschäftsfähigkeit des Volljährigen
(18-Tod)
Mit der Vollendung des 18. Lebensjahrs
endet die Minderjährigkeit und beginnt die Volljährigkeit (nach
römischem Recht mit 25 Jahren). Damit endet gleichzeitig grundsätzlich die
beschränkte Geschäftsfähigkeit und tritt die unbeschränkte
Geschäftsfähigkeit ein. Grundsätzlich können von diesem Zeitpunkt an alle
Rechtsgeschäfte selbst ausgeführt werden, doch sind bestimmte Menschengruppen
auch nach Erreichen der Volljährigkeit noch geschützt.
3. Ende
Die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit
des Menschen endet wie die Rechtsfähigkeit grundsätzlich mit seinem Tod.
4. Sonstige Beschränkungen der
Geschäftsfähigkeit
Nach § 865 S. 1 ABGB ist ein Mensch (Person)
über sieben Jahre, der (bzw. die) den Gebrauch der Vernunft nicht hat, unfähig,
ein Versprechen zu machen oder anzunehmen. Dementsprechend kann etwa auch ein
Betrunkener oder unter dem Einfluss anderer Betäubungsmittel Stehender nicht
wirksam ein Rechtsgeschäft abschließen. Nach § 865 S. 2 ABGB kann ein
volljähriger Mensch, dem wegen einer psychischen Krankheit oder wegen geistiger
Behinderung ein Sachwalter bestellt ist, ein bloß zu seinem Vorteil
gemachtes Versprechen annehmen. Wenn er aber eine damit verknüpfte Last
übernimmt oder selbst etwas verspricht, hängt (grundsätzlich) die Gültigkeit
des Vertrags von der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder zugleich des
Gerichts ab.
III. Deliktsfähigkeit
1. Wesen
Deliktsfähigkeit ist die Fähigkeit, für Schäden aus
unerlaubten Handlungen einzustehen. Sie steht zum Schutz der Schwachen
ebenfalls nicht jedem Rechtsfähigen zu. Die damit verbundenen Einschränkungen
(z. B. von Schadenersatzpflichten) muss die Gesellschaft insgesamt auf sich
nehmen.
2. Beginn
Nach § 1308 ABGB kann, wenn Menschen,
die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, oder Unmündige jemanden beschädigen,
der durch irgendein Verschulden hierzu selbst Veranlassung gegeben hat, der
Geschädigte grundsätzlich keinen Ersatz ansprechen. Nach § 153 ABGB wird,
soweit einem minderjährigen Kind nicht bereits früher (etwa ab 6 Jahren) ein
Verschulden zugerechnet werden kann (§ 1310 ABGB), es mit Erreichung der
Mündigkeit nach den schadenersatzrechtlichen Bestimmungen verschuldensfähig.
Dementsprechend beginnt die Deliktsfähigkeit grundsätzlich mit der
Vollendung des 14. Lebensjahrs, doch kann der Richter mit Rücksicht auf das
Vermögen des Beschädigers und des Beschädigten bereits vor Erreichen dieses
Zeitpunkts auf Ersatz des Schadens ganz oder teilweise erkennen (§ 1310 ABGB, Billigkeitshaftung)
und können Aufsichtspflichtige (z. B. Eltern) bei eigenem Verschulden (z. B. Verletzung
der Aufsichtspflicht) für den Ersatz eines vom Unmündigen verursachten
Schadens einstehen müssen (§ 1309 ABGB).
3. Ende
Die (durch Sachwalterschaft
grundsätzlich nicht berührte) Deliktsfähigkeit endet wie die Rechtsfähigkeit
und die Geschäftsfähigkeit mit dem Tod des Menschen.
C) Juristische Person
Mit der fortschreitenden
wirtschaftlichen Entwicklung entstand ein Bedürfnis nach Trennung der
Rechtsangelegenheiten des Einzelnen von den Rechtsangelegenheiten besonderer
Verbände oder auch Vermögensmassen. Die dafür bereits im antiken römischen
Recht vorhandenen Ansätze werden infolge der Entdeckung Amerikas in der Neuzeit
verdichtet. Insbesondere zwecks Sicherung des Vermögens des Einzelnen vor
Zugriffen von Gläubigern von Verbänden wird deshalb spätestens im 19.
Jahrhundert die juristische Person als eigener Rechtsträger anerkannt, doch
enthält das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811/1812 dazu kaum
Regelungen.
I. Wesen
Die juristische Person ist eine
Gesamtheit von Personen, Sachen oder Vermögen, der die Rechtsordnung die
Eigenschaft einer besonderen Person verliehen hat („gekorenes“ Rechtssubjekt).
Diese Person entsteht nicht aus der Natur, sondern aus der Rechtsordnung (durch
Rechtsgeschäft der Gründer, Anmeldung und Nichtuntersagung seitens des
Staates), weswegen sie im Gegensatz zu den natürlichen Personen juristische
Person ist. Bekannte Beispiele hierfür sind im öffentlichen Recht (auf Grund
Gesetzes, Verordnung oder Verwaltungsakts) Staat, Gemeinde,
Sozialversicherungsträger oder Universität (Körperschaften oder Anstalten meist
mit hoheitlichen Rechten und Zwangsmitgliedschaft), im Privatrecht (auf Grund
Rechtsgeschäfts [Vertrags oder einseitigen Rechtsgeschäfts]) rechtsfähiger Verein,
Aktiengesellschaft, (mit ihrem eigenen Vermögen unbeschränkt haftende)
Gesellschaft mit beschränkter Haftung, privatrechtliche Stiftung oder
Fonds.
Keine juristische Person ist die Gesamthand,
die nicht als solche Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Sie ist eine
besondere, 1896 geschaffene oder zumindest erneuerte Rechtsfigur der
gesamthänderischen Verbundenheit mehrerer Personen des bürgerlichen Rechts, die
im Bürgerlichen Gesetzbuch Deutschlands zum Jahre 1900 in den Formen der
Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (§§ 705ff. BGB[, 1175ff. ABGB])
einschließlich der auf ihr beruhenden offenen Handelsgesellschaft und der
Kommanditgesellschaft, der ehelichen Gütergemeinschaft und der
Erbengemeinschaft zum Ausdruck gekommen ist. Wegen der engen Verbindungen
Deutschlands und Österreichs im Handelsrecht (offene Handelsgesellschaft bzw.
offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) wirkt sie sich trotz der
grundsätzlichen Verschiedenheit auch auf Österreich aus.
II. Beginn
Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch
spricht noch von den Personenrechten aus dem Verhältnisse einer moralischen
Person. Nach § 26 ABGB werden die Rechte der Mitglieder einer erlaubten
Gesellschaft unter sich durch den Vertrag (Gesellschaftsvertrag, möglich
auch mit oder unter juristischen Personen, möglich auch als Vertrag eines
einzelnen Gesellschafters [z. B. Einpersonengesellschaft]) oder Zweck und die
besonderen für dieselben bestehenden Vorschriften bestimmt. Im Verhältnisse
gegen andere genießen erlaubte Gesellschaften in der Regel gleiche Rechte mit
den einzelnen Personen, während unerlaubte Gesellschaften (welche durch die
politischen Gesetze ins besondere verboten werden oder offenbar der Sicherheit,
öffentlichen Ordnung oder den guten Sitten widerstreiten) als solche keine
Rechte haben, weder gegen die Mitglieder noch gegen andere, und unfähig sind,
Rechte zu erwerben.
Die juristische Person entsteht, wenn
alle ihre - im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch nicht enthaltenen - Voraussetzungen
erfüllt sind. Dazu zählt bei bestimmten Gesellschaften insbesondere die Eintragung
in das (Handelsregister oder) Firmenbuch. Mit der Erfüllung der (anderen)
Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf diese Eintragung.
Mit der Eintragung erlangt die
juristische Person Rechtsfähigkeit. Sie hat also die Fähigkeit, Träger
von Rechten und Pflichten zu sein. Sie kann wie jede natürliche Person
beispielsweise Eigentümer oder auch Erbe sein, nicht aber beispielsweise
heiraten oder vererben.
Mit der Eintragung erlangt die
juristische Person auch unbeschränkte Geschäftsfähigkeit. Sie kann
Willenserklärungen abgegeben und Verträge schließen. Im Gegensatz zur
natürlichen Person kann sie aber nicht selbst handeln, sondern benötigt zum Handeln
(Menschen als) besondere Organe (z. B. Vorstand als Leitungsorgan,
Aufsichtsrat als Kontrollorgan, Hauptversammlung als Grundorgan), die für sie
den Willen bilden und erklären.
Mit der Eintragung erlangt die
juristische Person auch die Deliktsfähigkeit. Sie hat also die
Fähigkeit, für Schäden aus unerlaubter Handlung (mit ihrem gesamten Vermögen,
aber auch nur mit diesem) zu haften. Da sie durch Organe handelt, haftet sie
für das Handeln der Organe und außerdem für das Verhalten leitender Mitarbeiter
und Gehilfen sowie für Organisationsfehler und Überwachungsfehler.
Eigene Verpflichtungen muss nur die
juristische Person erfüllen. Zur Tilgung von Schulden steht nur ihr Vermögen
zur Verfügung, dieses aber unbeschränkt. Gläubiger einer juristischen
Person können grundsätzlich nicht das Vermögen eines Mitglieds der juristischen
Person in Anspruch nehmen (ausgenommen sind besondere Fälle von Durchgriffshaftung).
III. Ende
Die juristische Person kann wie die
natürliche Person nicht nur beginnen, sondern auch enden. Ihr Ende ist aber
nicht der Tod, sondern ihre nach bestimmten Regeln zu vollziehende Auflösung.
Den Abschluss bilden die Verteilung des eventuell vorhandenen Vermögens und die
Löschung aus dem öffentlichen Register.
D) Entstehung von Rechten und Pflichten
Rechte und Pflichten sind von Menschen
anerkannte Beziehungen von Menschen zu Menschen und Menschen zu Gegenständen.
Sie entstehen teils gewollt, teils ungewollt. Bei den gewollten Rechtsfolgen
sind Willenserklärung und Rechtsgeschäft besonders bedeutsame
Rechtseinrichtungen.
I. Willenserklärung
1. Wesen
Willenserklärung ist Erklärung des im Innern des
Menschen entstehenden Willens (z. B. ich will ein Buch kaufen) gegenüber der
Außenwelt (z. B. dem Buchverkäufer). Bedeutsam für das Recht ist dabei nur die
auf einen rechtlichen Erfolg gerichtete Willensäußerung (z. B. nicht die
Erklärung ich will schlafen). Da die Willenserklärung im Privatrecht ihre
grundlegende Bedeutung hat, ist Willenserklärung insgesamt die auf einen
rechtlichen Erfolg gerichtete private Willensäußerung (z. B. ich will das
gewünschte Buch verkaufen, ich will das gewünschte Buch kaufen).
2. Voraussetzungen
a) Die Willenserklärung setzt den im
Innern des Menschen entstehenden Willen voraus. Die Art seiner
Entstehung ist weitgehend unbekannt und auch grundsätzlich unbeachtlich.
Wahrscheinlich wirken dabei in erheblichem Umfang unbewusste Kräfte ganz
unterschiedlich lange Zeit.
b) Hinzukommen muss die Erklärung
gegenüber der Außenwelt, weil bloßes Schweigen als solches grundsätzlich keine
Willenserklärung sein kann (z. B. Schweigen auf Zusenden einer nicht bestellten
Sache, beachte jedoch kaufmännisches Bestätigungsschreiben nach vorangehenden
Verhandlungen). Die Willenserklärung ist aber grundsätzlich nicht an bestimmte
Formen gebunden. Meist wird sie mündlich oder schriftlich und
damit ausdrücklich erfolgen, doch kann sie auch in tatsächlichen
Verhaltensweisen schlüssig (konkludent) zum Ausdruck kommen (z.
B. Stellen von Gegenständen auf das Laufband der Kasse im Selbstbedienungsladen
oder Einleiten von Benzin in den Kraftfahrzeugtank an der
Selbstbedienungstankstelle mit anschließendem Gang zur Kasse als auf den
Abschluss eines Kaufvertrags gerichtete, durch Handlung konkludent oder
schlüssig zum Ausdruck gebrachte Erklärung).
Der Willenserklärung kann eine
beliebig lange Vorbereitungszeit vorausgehen. Vielfach wollen sich die
Interessenten erst ausführlich unterrichten und noch keine Verpflichtung
eingehen. Solange kein Wille (gebildet und) erklärt wird, sind
Vorbereitungszeit und Vorbereitungshandlungen grundsätzlich bedeutungslos.
Bei der Abgabe muss die
Willenserklärung notwendige Voraussetzungen erfüllen. Sie muss inhaltlich
ausreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Sie muss
rechtlichen Bindungswillen aufweisen.
Noch keine Willenserklärung ist
deswegen die Einladung zu einem Antrag oder Angebot (lateinisch invitatio
ad offerendum). Hierzu gehört etwa das Zeitungsinserat, die
gedruckte oder elektronische Katalogangabe, die Speisekarte oder
die Schaufensterauslage. Sie sind an die Allgemeinheit und damit eine
unbestimmte Vielzahl von möglichen Interessenten gerichtet, denen der
Erklärende nicht verpflichtet sein kann und will.
Doch bereits eine Willenserklärung
liegt wohl in der Bereitstellung von Waren in einem Warenautomaten. Hier
ist der Kreis der möglichen Rechtsgeschäftspartner durch die Zahl der
bereitgestellten Waren bestimmt. Jedermann weiß, dass der Automatenaufsteller
über die Zahl der jeweils bereitgestellten Waren hinaus keine Willenserklärung
mehr abgeben und damit keine Verpflichtung mehr eingehen will.
Die Willenserklärung kann
missverständlich sein. Dann kann auf einen objektiven Betrachter abzustellen
sein. Im Zweifel ist sie zu Gunsten des schwächeren Teiles auszulegen bzw. nach
§ 915 ABGB zu Ungunsten dessen, der sich einer undeutlichen Formulierung
bedient hat.
Der Inhalt einer Willenserklärung kann
durch allgemeine Geschäftsbedingungen mitbestimmt sein. Sie werden meist von
einer Seite zu ihren Gunsten aufgestellt. Deshalb bedürfen sie einer Überprüfung
ihrer Einbeziehung oder Geltung und einer Überprüfung ihres Inhalts.
3. Wirkung
Die Wirkung der Willenserklärung tritt
grundsätzlich mit der Erklärung ein. Allerdings sind verschiedene
tatsächliche Gegebenheiten zu berücksichtigen. Die Willenserklärung kann
nämlich nicht empfangsbedürftig sein oder empfangsbedürftig und unter
Anwesenden erfolgen oder unter Abwesenden.
a) nichtempfangsbedürftige
Willenserklärung
Die keines besonderen Empfangs durch
einen Empfänger bedürftige Willenserklärung ist mit der Abgabe der Erklärung
wirksam (z. B. Dereliktion).
b) empfangsbedürftige Willenserklärung
Die empfangsbedürftige
Willenserklärung bedarf zu ihrer Wirksamkeit des Empfangs. Ohne den Empfang
durch einen anderen Menschen hat sie keine Wirkung. Ihre bloße Äußerung ist
rechtlich bedeutungslos, solange kein Empfang stattfindet.
aa) Empfang unter Anwesenden
Unter Anwesenden erfolgt der Empfang
einer Willenserklärung grundsätzlich zeitgleich mit der Äußerung. Im gleichen
Raum hört der Empfänger die gesprochenen Wörter im Zeitpunkt ihres
Gesprochenwerdens. Gleiches gilt für die Erklärung des Willens durch das
Telefon und ähnliche technische Vorrichtungen.
bb) Empfang unter Abwesenden
Unter Abwesenden ist der zeitgleiche
Empfang nicht möglich. Eine mündliche Erklärung oder ein Brief kann per Boten
erst mit dem Eintreffen des Boten am anderen Ort dem Empfänger übermittelt
werden. In solchen Fällen ist für die Wirksamkeit der Willenserklärung neben
der Abgabe noch ein besonderer Zugang erforderlich, der voraussetzt, dass
die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist und ein Zeitpunkt
erreicht ist,, in dem üblicherweise mit der Kenntnisnahme gerechnet werden
kann, ohne dass der Empfänger wirklich bereits von der Erklärung Kenntnis
genommen haben muss..
Von einem Brief nimmt der Empfänger
erfahrungsgemäß nicht bereits im Zeitpunkt des Einwurfs in den Briefkasten
Kenntnis. Auch ein nahezu zeitgleich mit seiner Versendung eintreffendes e-mail
wird erfahrungsgemäß inhaltlich nicht bereits mit dem Eintreffen zur Kenntnis
genommen. Deswegen wird die durch Brief, Telegramm oder e-mail geäußerte
empfangsbedürftige Willenserklärung erst eine gewisse Zeit nach ihrer
eigentlichen Abgabe mit ihrem Zugang (In-den-Machtbereich-Gelangen und
Eintreten des Zeitpunkts üblicher Kenntnisnahme) wirksam.
4. Mangel
Ein Mangel einer Willenserklärung (z.
B. Mentalreservation, Scherzerklärung, Scheingeschäft, Umgehungsgeschäft) kann
deren Wirkung beeinflussen (z. B. Mangel [ausnahmsweise] gesetzlich oder
vertraglich vorgesehener Form [Schriftform, Notariatsakt, notarielle
Beurkundung, notarielle Beglaubigung, elektronische Signatur], Gesetzeswidrigkeit,
Sittenwidrigkeit, § 879 ABGB). Gewisse Mängel (z. B. Geschäftsunfähigkeit)
machen eine Willenserklärung absolut unwirksam (nichtig). Andere
Willensmängel (z. B. Täuschung, List, widerrechtliche Drohung 870
ABGB, bestimmte Fälle von wesentlichem, beachtlichem Irrtum §§ 871ff.
ABGB) machen eine Willenserklärung nur bei besonderer Geltendmachung (durch
Klage oder Einrede) unwirksam (anfechtbar).
5. Willenserklärung für andere
Die Erklärung eines Willens für einen
anderen ist aus praktischen Gründen seit spätestens dem Hochmittelalter
möglich. Ein Stellvertreter kann für einen Vertretenen einen Willen
erklären, so dass die Willenserklärung des Vertreters (bei unmittelbarer oder
direkter, offengelegter Stellvertretung) eine Willensklärung des Vertretenen
ist. Der Stellvertreter benötigt dazu aber einen besonderen Vertretungswillen
(darf also nicht bloß Bote des Vertretenen sein) und eine besondere Vertretungsmacht
(z. B. gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern, Stellung als Organ einer
juristischen Person oder meist eine durch die besondere Willenserklärung
„Bevollmächtigung“ erteilte Vollmacht).
II. Rechtsgeschäft
Rechtsgeschäft ist das für das Recht
(Privatrecht) bedeutsame Geschäft. Für dieses besteht grundsätzlich
Privatautonomie (Vertragsfreiheit mit Abschlussfreiheit, Formfreiheit,
Inhaltsfreiheit, Abänderungsfreiheit, Aufhebungsfreiheit). Nur unter besonderen
Voraussetzungen kann jemand zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts gezwungen sein
(Kontrahierungszwang z. B. bei Monopolstellung eines Anbieters [Theater,
Zeitung]).
1. Wesen
Das Rechtsgeschäft ist der Gesamttatbestand,
der den mit der Willenserklärung angestrebten rechtlichen Erfolg herbeiführt.
Beispielsweise wird mit der Kaufvertragswillenserklärung (ich will kaufen) ein
Abschluss eines Kaufvertrags angestrebt. Deswegen ist etwa (der
Kaufvertragsantrag, mit dem der Anbietende bereits an sein Angebot gebunden
ist, oder die folgende Kaufvertragsannahme oder auch) der durch die
Übereinstimmung entstehende Kaufvertrag ein Rechtsgeschäft, die bloße
rechtsgeschäftsähnliche Handlung (z. B. Mahnung) nicht (Abgrenzung in
vielen Einzelheiten streitig).
2. Arten
Innerhalb der Rechtsgeschäfte gibt es
verschiedene Arten (z. B. Rechtsgeschäft unter Lebenden, Rechtsgeschäft von
Todes wegen, entgeltliches Rechtsgeschäft, unentgeltliches Rechtsgeschäft,
formbedürftiges Rechtsgeschäft, formlos mögliches Rechtsgeschäft, abstraktes
Rechtsgeschäft, kausales Rechtsgeschäft, Verpflichtungsgeschäft,
Verfügungsgeschäft, personenrechtliches Rechtsgeschäft wie z. B. Rechtsgeschäft
über Namensrecht, schuldrechtliches Rechtsgeschäft, sachenrechtliches
Rechtsgeschäft wie z. B. Pfandbestellung, familienrechtliches Rechtsgeschäft
wie z. B. Verlöbnis, erbrechtliches Rechtsgeschäft wie z. B. Erbvertrag). Es
kann etwa nur eine Person beteiligt sei. Es kann aber auch trotz Beteiligung
zweier Personen beispielsweise nur eine Person durch das Rechtsgeschäft
verpflichtet werden.
a) einseitiges Rechtsgeschäft
Ein einseitiges Rechtsgeschäft
ist das nur von einer Person zu tätigende Rechtsgeschäft. Ein einseitiges
Rechtsgeschäft ist beispielsweise die Kündigung eines Mietvertrags, die
Erteilung einer Vollmacht, die Dereliktion des Eigentums an einer Sache oder
die Auslobung (z. B. von 1000 Euro für die richtige Beantwortung der von
Studierenden gestellten, und eigentlich ganz einfach zu beantwortenden Frage:
Warum gibt es nicht mehr solche Professoren?, [§ 860 S. 1 ABGB]). Die entsprechende
Willenserklärung bedarf zwar bei Empfangsbedürftigkeit zu ihrer Wirksamkeit des
Zugangs auf der anderen Seite, doch genügt für dieses Rechtsgeschäft diese eine
Willenserklärung.
b) zweiseitiges Rechtsgeschäft
Das zweiseitige Rechtsgeschäft
erfordert die Beteiligung zweier Seiten (z. B. Vertrag, Konsensualvertrag,
Realvertrag, Vorvertrag auf Abschluss eines Vertrags). Dementsprechend sind
zwei Willenserklärungen (z. B. Antrag und [vorbehaltlose] Annahme notwendig,
wobei Anträge unter Anwesenden den Erklärenden nur kurze Zeit binden, Anträge
unter Abwesenden dagegen grundsätzlich auch ohne ausdrückliche Erklärung einer
Bindungsfrist während einer angemessenen Überlegungsfrist (Postlaufzeit,
Überlegungszeit, Postrücklaufzeit) eine Bindungswirkung entfalten, die mit
Fristablauf erlischt. Unabhängig hiervon können zweiseitige Rechtsgeschäfte
aber entweder auf nur einer Seite oder auf beiden Seiten eine Verpflichtung
begründen, die einzuhalten ist (vgl. lat. pacta sunt servanda, Verträge sind
[grundsätzlich] zu halten, doch können Widerrufsrechte oder Rücktrittsrechte
bestehen).
aa) einseitig verpflichtendes
Rechtsgeschäft
Bei dem einseitig verpflichtenden
Rechtsgeschäft wird nur auf einer Seite eine Verpflichtung begründet. Ein
Beispiel hierfür ist die Schenkung. Nur der Schenker ist zu etwas verpflichtet,
während der Beschenkte nur berechtigt ist, obwohl sich niemand etwas schenken
lassen muss.
bb) zweiseitig verpflichtendes
Rechtsgeschäft
Bei dem zweiseitig verpflichtenden
Rechtsgeschäft werden beide beteiligten Seiten zu etwas verpflichtet.
Allerdings lassen sich auch hier nochmals zwei Arten unterscheiden. Es kann
nämlich sein, dass eine der beiden Seiten nicht in jedem Fall verpflichtet
wird.
aaa) unvollkommen zweiseitig
verpflichtendes Rechtsgeschäft
Bei dem unvollkommen zweiseitig
verpflichtenden Rechtsgeschäft wird eine Seite stets zu etwas verpflichtet, während die
andere Seite nur bei Vorliegen besonderer Umstände auch zu etwas verpflichtet
wird. Ein Beispiel hierfür ist der Auftrag. Ihn muss der Auftragnehmer stets
erfüllen, während der Auftraggeber nur unter besonderen Umständen
beispielsweise Aufwendungen ersetzen muss.
bbb) vollkommen zweiseitig
verpflichtendes Rechtsgeschäft
Bei dem vollkommen zweiseitig
verpflichtenden Rechtsgeschäft sind immer beide Seiten zu etwas verpflichtet. Da die beiden
Hauptpflichten in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, heißt dieses
Rechtsgeschäft auch gegenseitiges Rechtsgeschäft. Beispiele hierfür sind
Kaufvertrag, Mietvertrag, Dienstvertrag oder Werkvertrag, wobei der Antrag oder
das Angebot von jedem der beiden Beteiligten (Vertragsparteien) ausgehen kann
und dementsprechend der jeweils andere die Annahme erklären kann und jeder
Beteiligte (z. B. Verkäufer, Käufer) aus mehreren gemeinsam handelnden Personen
bestehen kann.
3. Wirkung
Das Rechtsgeschäft begründet
grundsätzlich Verpflichtungen (z. B. Dienstvertrag). Es kann aber auch die
Grundlage zum sonstigen Erwerb von Rechten sein. Es kann schließlich auch
sonstige Rechtswirkungen herbeiführen.
III. Tatsächliche Handlung (Realakt)
1. Wesen
Die tatsächliche Handlung ist
ein tatsächliches menschliches Verhalten ohne eine auf einen rechtlichen Erfolg
gerichtete private Willensäußerung (z. B. Auffahren auf ein vorausfahrendes
bremsendes Kraftfahrzeug, Einwerfen einer Scheibe, Schreiben, Verfassen einer
Collage, Malen, Backen, Reparieren).
2. Entstehung
Die tatsächliche Handlung entsteht
durch tatsächliches Verhalten einer Person.
3. Wirkung
Unter zusätzlichen Voraussetzungen kann
die tatsächliche Handlung rechtliche Folgen nach sich ziehen. Bei der
unerlaubten Handlung ist insbesondere ein Schadenersatzanspruch möglich.
Daneben kommt ein Unterlassungsanspruch in Betracht.
§ 8 Schuld(verhältnis)
A) Rechtswirklichkeit
B) Wesen
C) Arten
D) Entstehung
E) Inhalt
F) Störungen
G) Beendigung
H) Einzelne Schuldverhältnisse
I) Verwirklichung
A) Rechtswirklichkeit
Theoretisch ist der Mensch als
egoistisches Individuum ganz auf sich bezogen. Tatsächlich ist er als soziales
Wesen aber immer auch auf die Gesellschaft angewiesen. In der modernen
Industriegesellschaft ist menschliches Leben ohne vielfältige rechtliche
Beziehungen zu anderen Menschen praktisch kaum möglich.
So muss der Mensch etwa bei Hunger
oder Durst in einem Laden Lebensmittel, bei Bedarf an Wissen in einem Geschäft
die dafür erforderlichen Medien und Geräte erwerben. Zu seinem Schutz vor
Nässe, Trockenheit, Kälte und Hitze benötigt er Kleider und Wohnraum, die er
ebenfalls von anderen erlangen muss. Das jeweils hierfür erforderliche
Zahlungsmittel kann er etwa bei Arbeit von einem Arbeitgeber oder als Darlehen
von einer Bank erlangen.
Zur Befriedigung dieser Bedürfnisse
muss er also zu anderen Menschen in vielfältige Verbindungen treten. Rechtlich
ist dafür das Rechtsgeschäft erforderlich. Mit ihm kann er Schuldverhältnisse
begründen, in denen Rechte und Pflichten entstehen.
Die meisten dieser Schuldverhältnisse
des menschlichen Zusammenlebens werden störungsfrei abgewickelt. Wie aber den
Arzt vor allem die Kranken interessieren, so sind im Recht insbesondere die
Störungen von Bedeutung. Im Verfahren stellt sich daher grundsätzlich stets die
Frage: wer kann von wem was woraus verlangen?.
Der rechtliche Grund für ein mögliches
Begehren eines Menschen gegen einen anderen kann dabei vor allem ein
Schuldverhältnis sein. Weil ein Käufer mit einem Verkäufer einen Kaufvertrag
abgeschlossen hat, kann der Verkäufer von ihm die Zahlung des Kaufpreises
verlangen, wenn er seinerseits eine mangelfreie Gegenleistung erbringt. Dies
ist seit langer Zeit überall so, nicht nur im Österreich der Gegenwart, so dass
die Schuldverhältnisse weltweit von größter Bedeutung sind.
Dabei sind die Schuldverhältnisse im
Schuldrecht konkretisiert. Es gibt aber auch Schuldverhältnisse in den anderen
Rechtsgebieten (z. B. Sachenrecht, Familienrecht [z. B. Unterhalt], Erbrecht
[z. B. Vermächtnis]). Für sie gelten neben den jeweiligen Sonderregeln auch die
allgemeinen Regeln des Schuldrechts.
B) Wesen
Das Schuldverhältnis (oder nach § 859
ABGB das persönliche Sachenrecht) ist ein Rechtsverhältnis. Als einem
persönlichen Rechtsverhältnis müssen an ihm mindestens zwei Personen beteiligt
sein. Davon muss bei einem Schuldverhältnis mindestens eine Person der anderen
Person etwas schulden, so dass das Schuldverhältnis als Rechtsverhältnis mit
mindestens zwei Beteiligten bestimmt werden kann, von denen mindestens einer
einem anderen etwas schuldet (z. B. der Käufer dem Verkäufer den
vereinbarten Kaufpreis und der Verkäufer dem Käufer die Verschaffung von
Eigentum und Besitz an der Kaufsache, wobei im Einzelfall zu diesen
Hauptleistungspflichten noch Nebenleistungspflichten, Schutzpflichten,
Sorgfaltspflichten oder Aufklärungspflichten kommen können) und damit
mindestens einer von einem anderen etwas (z. B. der Käufer vom Verkäufer die
Verschaffung von Eigentum und Besitz an der Kaufsache, der Verkäufer vom Käufer
den vereinbarten Kaufpreis) verlangen kann.
Der Beteiligte, der etwas verlangen
kann, heißt Gläubiger (dem Schuldner Glaubender), Berechtigter oder
Inhaber einer Forderung. Der Beteiligte, von dem er etwas verlangen kann, wird
als Schuldner, Verpflichteter oder Inhaber der Schuld bezeichnet. Das,
was der Gläubiger von dem Schuldner verlangen kann, nennt man aus der Sicht des
Gläubigers Forderung, Recht, Berechtigung, Befugnis oder Anspruch und
aus der Sicht des Schuldners Schuld, Pflicht, Verpflichtung, Verbindlichkeit
oder mit einem aus dem römischen Recht bzw. der lateinischen Sprache
übernommenen Fremdwort Obligation.
Inhalt der Schuld des Schuldners und
damit auch der Forderung des Gläubigers ist die grundsätzlich in völliger
Vertragsfreiheit festlegbare, auf ein Tun oder Unterlassen gerichtete Leistung.
Auf sie hat nur der bestimmte Gläubiger gegenüber dem bestimmten Schuldner ein
besonderes Recht. Deshalb ist dieses Recht relativ im Gegensatz zu
solchen Rechten, die gegenüber jedermann und damit absolut bestehen (wie z. B.
das gegenüber jedermann geschützte Eigentum eines bestimmten Eigentümers an
einer bestimmten Sache).
Die Schuld ist eine rechtliche Pflicht.
Sie ist keine bloße, mitmenschliche Gefälligkeit (Abgrenzung kann im
Einzelfall streitig und schwierig sein). Wer Verpflichtungswillen hat und auf
dessen Grundlage eine Schuld eingeht, muss sie erfüllen.
Die Schuld ist eine Pflicht gegenüber dem
Gläubiger. Sie ist keine bloße Obliegenheit im eigenen Interesse (z. B.
Aufsetzen eines Fahrradhelms zur Vermeidung von Schäden). Ihre Erfüllung ist
nicht dem Belieben des Schuldners überlassen, sondern kann vom Gläubiger mit
Hilfe des Staates grundsätzlich gewaltsam durchgesetzt werden.
Die Schuld ist als Leistensollen
von der Haftung als dem Dem-Zugriff-unterworfen-Sein zu trennen.
Zwar gilt der Grundsatz, dass wer schuldet, (mit seinem [vorhandenen] Vermögen für
diese Schuld auch) haftet (bzw. dem Zugriff des Gläubigers unterworfen ist).
Aber ein Grundstückseigentümer kann auf Grund einer Hypothek dem Zugriff wegen
der Schuld eines von ihm verschiedenen Schuldners ohne eigene Schuld
unterworfen sein.
C) Arten
Die Zahl der Schuldverhältnisse ist
unüberschaubar. Täglich werden weltweit wohl Milliarden verschiedenster
Schuldverhältnisse begründet. Vielfach weisen sie aber dennoch auch allgemeine
Züge auf (allgemeines Schuldrecht) und lassen sich deshalb wissenschaftlich
nach verschiedenen Gesichtspunkten in einige allgemeine Arten einteilen.
I. Dauer
Manche Schuldverhältnisse haben eine
ganz kurze Dauer. Andere Schuldverhältnisse währen Jahre oder Jahrzehnte.
Dieser Unterschied hat gewisse allgemeine Auswirkungen.
1. Nichtdauerschuldverhältnis
Die meisten Schuldverhältnisse sind
nicht von langer Dauer. Beispielsweise ist ein Kauf in einem Lebensmittelladen
meist in ganz kurzer Zeit abgewickelt. Deswegen sind wegen der kurzen Dauer
keine besonderen rechtlichen Vorkehrungen erforderlich.
2. Dauerschuldverhältnis
Andere Schuldverhältnisse sind dagegen
auf längere Dauer angelegt wie etwa die Miete, das Darlehen für einen
Hausbau oder der Dienstvertrag. Für sie ist eine Rückabwicklung für eine
möglicherweise lange vergangene Zeit schwierig, so dass sie grundsätzlich
nur für die Zukunft aufgelöst werden können. Bei schwer wiegenden unerwarteten
Vorkommnissen ist aber auch eine Fortdauer in eine lange Zukunft problematisch,
weswegen sie bei einem wichtigen Grund sofort (durch außerordentliche
Kündigung) beendet werden können sollen.
II. Gegenstand
Bei den meisten Schulden der Gegenwart
ist ein in zahlreichen Exemplaren vorhandener Gegenstand geschuldet. Es kann
aber auch sein, dass Gläubiger und Schuldner sich auf die Leistung nur eines
ganz bestimmten einzelnen Gegenstands geeinigt haben. Dieser Umstand hat
unterschiedliche Folgen.
1. Gattungsschuld
Wer in einer Wirtschaft eine Maß oder
Flasche Bier haben will, kauft nur irgendeine Maß oder Flasche Bier. Er will
nicht eine ganz bestimmte Maß oder eine ganz bestimmte Flasche. Bei einem
solchen auf Leistung aus einer Gattung angelegten Schuld (Gattungsschuld),
muss der Schuldner nur eine Leistung mittlerer Art und Güte erbringen
(nicht den besten Gegenstand und nicht den schlechtesten), muss aber so lange
leisten, so lange Gegenstände dieser Gattung vorhanden sind und er seine
Verpflichtung nicht bereits auf einen ganz bestimmten einzelnen Gegenstand aus
der Gattung konzentriert und damit aus einer anfänglichen Gattungsschuld nachträglich
eine Stückschuld gemacht hat.
2. Stückschuld
Wer auf einem Gebrauchtwagenmarkt
einen Gebrauchtwagen kauft, kauft nur dieses einzelne Stück. Der Schuldner
schuldet nur dieses einzelne Stück, bei dem es auf mittlere Art und Güte nicht
ankommen kann. Wird dieses Stück aus irgendeinem Grund zerstört, ist eine
Leistung des Geschuldeten nicht mehr möglich.
III. Leistungsort
In einfachen Verhältnissen befinden
sich Schuldner und Gläubiger am gleichen Ort und erbringen ihre zugesagten
Leistungen sofort an diesem Ort. In entwickelteren Gesellschaften sind aber
Schuldner und Gläubiger oft an verschiedenen Orten (z. B. Kauf über Internet).
Dann fragt sich, wo die Schuld zu leisten ist.
1. Holschuld
Wo der Schuldner einen besonderen
ortsfesten Laden oder Ähnliches eingerichtet hat, muss der Gläubiger besonders
an diesen Ort kommen. Er muss dann den Leistungsgegenstand bei dem Schuldner
holen (Erfüllungsort Wohnsitz oder Niederlassung des Schuldners). Deswegen
liegt bei dem Kauf etwa von Lebensmitteln oder Kleidungsstücken grundsätzlich
eine Holschuld vor, die am Ort des Sitzes des Schuldners zu erfüllen ist.
2. Bringschuld
Manche Gegenstände sind schwer zu
bewegen. Für den Gläubiger ist es deshalb schwierig oder unmöglich, den
Leistungsgegenstand zu holen, während der Schuldner entsprechende Geschäfte
häufig tätig und sich deshalb dafür mit besonderen Geräten ausrüsten kann.
Deswegen ist etwa Heizöl in der Gegenwart nicht mehr vom Gläubiger in kleinen
Gefäßen zu holen, sondern grundsätzlich vom Schuldner dem Gläubiger in einem
großen Gefäß zu bringen (Erfüllungsort Wohnsitz oder Niederlassung des
Gläubigers).
3. Schickschuld
Für bestimmte Leistungsgegenstände
haben Dritte besondere Beförderungsmöglichkeiten eingerichtet. Für sie ist
deshalb weder ein Holen noch ein Bringen erforderlich und üblich. Vielmehr
genügt der Schuldner seinen Verpflichtungen, wenn er die Leistung
(grundsätzlich auf Kosten und Gefahr des Gläubigers) schickt (z. B. Geldschuld
nach § 905 II ABGB qualifizierte Schickschuld, Erfüllungsort Wohnsitz oder
Niederlassung des Schuldners, aber zusätzliche Absendepflicht auf Gefahr und
Kosten des Schuldners).
IV. Inhalt
Der Inhalt einer Schuld kann ganz
unterschiedlich sein. Deswegen haben sich die verschiedensten Arten besonderer Schuldverhältnisse
entwickelt (besonderes Schuldrecht). Sehr häufig besteht der Inhalt
eines Schuldverhältnisses im Ersatz eines Schadens.
Voraussetzung für eine solche Schadenersatzschuld
(Schadensersatzschuld) ist stets ein Schaden des Gläubigers. Außerdem
muss nach § 1311 ABGB ein Schadenüberwälzungsrechtssatz in der
Rechtsordnung vorhanden sein. Unter diesen Voraussetzungen kann der Geschädigte
vom Schädiger Ersatz des Schadens verlangen, wobei der Schädiger im Rahmen
eines Rechtsgeschäfts für das Verschulden eines Erfüllungsgehilfen (§ 1313a
ABGB) und im Rahmen einer unerlaubten Handlung für ein Verschulden eines
Besorgungsgehilfen einstehen muss (§ 1315 ABGB, beachte auch
Schadenersatzverpflichtungen von Tierhaltern).
D) Entstehung
Schuldverhältnisse können aus ganz
unterschiedlichen Gründen heraus entstehen. Dabei kann es auf den Willen der
Beteiligten ankommen oder auch nicht. Deswegen wird für die Entstehung
hauptsächlich auf (Willenserklärung und) Rechtsgeschäft einerseits und Gesetz
andererseits abgestellt.
I. Rechtsgeschäft
Die meisten Schuldverhältnisse
entstehen durch Rechtsgeschäft. Sie sind von den Beteiligten im Rahmen
hochentwickelter Verkehrswirtschaften besonders gewollt. Hierzu gehören etwa
Kauf, Mietvertrag oder Dienstvertrag, aber auch Schenkung oder Leihe.
II. Gesetz
In manchen Fällen begründet das Recht
auch ohne (übereinstimmenden) Willen der Beteiligten ein Schuldverhältnis. Dies
ist insbesondere bei unerlaubten Handlungen oder auch bei ungerechtfertigten
Bereicherungen der Fall. Deswegen soll, wer etwa den Arbeitgeber dadurch
betrügt, dass er sich „krank“ schreiben lässt und gleichzeitig anderweitig
erwerbswirtschaftlich tätig ist, nicht nur als Betrüger bestraft werden,
sondern dem Arbeitgeber auch Schadensersatz leisten.
III. Culpa in contrahendo
Eine besondere Lage tritt ein, wenn es
im Rahmen einer Anbahnung noch nicht zum Abschluss eines Rechtsgeschäfts
gekommen ist und auch Zweifel an einer unerlaubten Handlung bestehen, aber doch
ein Schaden entstanden ist. Für diesen Fall hat die Rechtsprechung die
besondere Einrichtung der culpa in contrahendo (Verschulden bei
Vertragsschluss) entwickelt, die auf der Grenze zwischen
rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen steht. Danach muss,
wer bei Vertragsverhandlungen bzw. einem geschäftlichen Kontakt eine
vorvertragliche Rechtspflicht verletzt (z. B. ungenügend sicheres Aufstellen
einer Teppichrolle in einem Warenhaus, Missbrauch von während Verhandlungen
anvertrauten Geschäftsgeheimnissen), den dadurch entstehenden Schaden
(Vertrauensschaden, negatives Interesse) dem Verhandlungsgegner auch ersetzen,
wenn es nicht zu einem Rechtsgeschäft kommt, und möglicherweise eine Umkehr der
Beweislast hinnehmen (vgl. § 1298 ABGB).
E) Inhalt
Das Schuldverhältnis ist stets auf ein
Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger gerichtet. Der Schuldner ist
gegenüber dem Gläubiger auf Grund des Schuldverhältnisses zu einem bestimmten
Verhalten verpflichtet. Er soll eine Leistung erbringen.
I. Wesen
Die Leistung ist das Verhalten,
das der Schuldner gegenüber dem Gläubiger durchführen soll. Es kann in einem Tun
bestehen oder seltener auch in einem Unterlassen (z. B. von Wettbewerb).
Das Tun kann ein Rechtsgeschäft erfordern (z. B. Verpflichtung zum
Abschluss eines Vertrags) oder ein rein tatsächliches Verhalten (z. B.
Befördern, Planen, Mauern, Gebrauch Gewähren).
II. Weise
Der Schuldner muss die Leistung am
rechten Ort (nach § 905 ABGB im Zweifel am Wohnsitz oder der Niederlassung
des Schuldners) und zur rechten Zeit (nach § 904 S. 1 ABGB im Zweifel
sogleich) erbringen, also nicht irgendwann und irgendwo. Die Leistung muss den rechten
Umfang haben und von der richtigen Leistungsperson stammen.
Insgesamt muss der Schuldner alles tun oder lassen, was der Gläubiger nach
Treu und Glauben von ihm verlangen kann.
III. Leistungsverweigerungsrecht
Grundsätzlich darf der Schuldner die
Leistung nicht verweigern, sondern muss sie erbringen. Im gegenseitigen Vertrag
sind jedoch beide Beteiligte grundsätzlich zu gegenseitigen Leistungen
verpflichtet. Ist keine Vorleistungspflicht eines Beteiligten besonders
vereinbart oder allgemein festgelegt, darf der Schuldner die Leistung
verweigern, wenn der Gläubiger seine Verpflichtung nicht erfüllt, weil zwecks
gegenseitiger Sicherheit die Leistung nur Zug um Zug gegen die Gegenleistung
zu erbringen ist.
F) Störung
Wie die Gesundheit des Menschen
gestört sein kann, so kann auch seit Entstehung des Schuldrechts ein
Schuldverhältnis gestört sein. Wie die Krankheit, so ist zwar auch die Störung des
Schuldverhältnisses die Ausnahme und nicht die Regel. Wie die Krankheit für den
Arzt, so ist aber die Leistungsstörung für den Juristen bedeutsamer als der
störungsfreie Ablauf.
I. Unmöglichkeit
Die Leistung kann dem Schuldner aus
unterschiedlichen Gründen nicht möglich sein. So kann beispielsweise der Käufer
den Kaufpreis nicht bezahlen, wenn er kein Geld hat, oder der Verkäufer kann
nicht liefern, wenn die Ware nicht rechtzeitig hergestellt ist. Je nach der
Ursache der Unmöglichkeit sieht das Recht dementsprechend unterschiedliche
Lösungsmöglichkeiten vor.
1. Zufall
Die Unmöglichkeit kann auf einem
Zufall beruhen. Beispielsweise kann der Blitz in ein Haus einschlagen, so dass
es abbrennt und der Vermieter dem Mieter den Gebrauch nicht mehr gewähren kann.
Nach § 1447 ABGB hebt der zufällige gänzliche Untergang einer bestimmten
Sache alle Verbindlichkeit, selbst die, den Wert derselben zu vergüten, auf,
wobei der Schuldner das, was er um die Verbindlichkeit in Erfüllung zu bringen,
erhalten hat (z. B. Kaufpreis, Miete), zwar gleich einem redlichen Besitzer,
jedoch auf solche Art zurückstellen oder vergüten muss, dass er aus dem Schaden
des anderen keinen Gewinn zieht.
2. Verschulden
a) des Schuldners
Verschuldet der Schuldner seine Unmöglichkeit, so gilt § 920
ABGB. Wird die Erfüllung durch Verschulden des Verpflichteten oder einen von
ihm zu vertretenden Zufall vereitelt, so kann der andere Teil entweder Schadensersatz
wegen Nichterfüllung fordern oder vom Vertrage zurücktreten.
Verkauft also ein Verkäufer dasselbe Kraftfahrzeug zweimal, so kann der Käufer
den Vertrag durch Rücktritt auflösen, so dass er den Kaufpreis nicht zahlen
muss, oder Schadensersatz verlangen, wobei er dann aber seinerseits den
Kaufpreis zahlen muss, was sich für ihn nur empfiehlt, wenn der Wert des
verkauften Kraftfahrzeugs höher ist als der Preis.
b) des Gläubigers
Vereitelt der Gläubiger die Erfüllung, so kann der Schuldner dem Gläubiger
nicht mehr verpflichtet sein. Vielmehr wird er frei. In Analogie zu den §§
1155, 1168 ABGB muss der Gläubiger aber seinerseits seine Gegenleistung
erbringen.
II. Verzug
Verzug ist die Verspätung der Leistung
des Schuldners. Nach § 918 ABGB kann, wenn ein entgeltlicher Vertrag von
einem Teil (verschuldet oder unverschuldet) entweder nicht zur gehörigen Zeit,
am gehörigen Ort oder auf die bedungene Weise erfüllt wird, der andere entweder
Erfüllung und (bei Verschulden) Schadensersatz wegen der Verspätung (z.
B. bei Geldschulden Verzugszinsen von 4 Prozent [§ 1333 ABGB]) begehren oder
unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung den Rücktritt vom
Vertrag erklären, woraufhin eventuell eine Rückabwicklung erfolgen muss.
Der Gläubiger muss sich dementsprechend überlegen, was für ihn vorteilhafter
ist, und kann dann (entweder nichts tun oder) sich entweder für das Abwarten
unter Schadensersatzleistung oder (unter Nachfristsetzung) für den Rücktritt
vom Vertrag und damit die Aufhebung der Leistungspflichten entscheiden.
Ist die Leistungszeit nicht bestimmt,
muss der Gläubiger die Fälligkeit der Schuld besonders herbeiführen.
Dazu ist eine Mahnung (Einmahnung, Leistungsaufforderung) nötig. Sie ist eine
einseitige empfangsbedürftige rechtsgeschäftsähnliche Handlung (str.) und
bewirkt nach § 1417 ABGB Verzug, wenn sich der Schuldner auch am Tag nach
Zugang der Mahnung nicht mit dem Gläubiger (durch Leistung oder abweichende
Vereinbarung) abgefunden hat.
III. Annahmeverzug
Gelegentlich kann es auch vorkommen,
dass der Gläubiger die Leistung des Schuldners nicht annimmt (grundsätzlich nur
Obliegenheitsverletzung). Dann fallen nach § 1419 ABGB die widrigen Folgen
dieses (verschuldeten oder unverschuldeten) Gläubigerverzugs auf ihn. Er
bleibt weiter zur Gegenleistung verpflichtet, trägt aber die Gefahr des
zufälligen Untergangs der angebotenen Leistung und muss dem Schuldner (zwar
keinen Schaden, aber) alle wegen des Annahmeverzugs entstandenen Auslagen (z.
B. zusätzliche Lieferkosten oder Lagerkosten) ersetzen.
IV. Mangel
Wer einem andern eine Sache gegen
Entgelt überlässt, leistet Gewähr, dass sie (im Zeitpunkt der Übergabe) dem
Vertrag entspricht (§ 922 ABGB). Hat die Sache einen Mangel (z. B. dem
gekauften Buch fehlen 16 Seiten), kann der Übernehmer, ohne dass es auf ein
Verschulden oder Nichtverschulden des Schuldners an dem Mangel ankommt,
innerhalb einer Frist von grundsätzlich zwei Jahren in erster Linie die
Verbesserung (Nachbesserung oder Nachtrag des Fehlenden), den Austausch
der Sache (bei Gattungssachen), sowie in zweiter Linie eine angemessene
Minderung des Entgelts (Preisminderung) oder die Aufhebung des Vertrags
(Wandlung) fordern. Bei behebbaren Mängeln steht die Nachbesserung im
Vordergrund, bei unbehebbaren Mängeln die Aufhebung des Vertrags.
Verschafft der Schuldner dem Gläubiger
nicht die rechtliche Stellung, zu deren Verschaffung er verpflichtet ist, liegt
ein Rechtsmangel vor (z. B. Veräußerer ist nicht Eigentümer oder Eigentum ist
mit einer Dienstbarkeit belastet oder eine erforderliche Baugenehmigung fehlt).
Auch hier muss der Schuldner Gewähr leisten. Allerdings muss der Mangel erst
geltend gemacht werden, wenn er erkennbar ist.
V. Laesio enormis
Für den Fall eines groben
Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung entwickelte bereits das
römische Recht das Institut der (lateinisch) laesio enormis (ungewöhnliche Verletzung).
Diese laesio enormis ist in § 934 ABGB aufgenommen. Danach kann bei Verkürzung
der Gegenleistung um mehr als die Hälfte eine Differenzzahlung zum gemeinen
Wert der Sache erfolgen oder der Vertrag aufgehoben werden.
G) Beendigung
Das Schuldverhältnis endet
grundsätzlich mit der Erfüllung (§ 1412 ABGB) oder einem der Erfüllung
gleichgestellten Erfüllungssurrogat (Erfüllungsersatz) wie etwa der Aufrechnung
(Kompensation) mit einer innegehabten Forderung gegen eine andere zu erfüllende
Forderung (§§ 1438ff. ABGB) oder der Hinterlegung. Wenn der Schuldner
sich so verhält, wie er soll, erbringt er das Gesollte. Die Zeit, die dafür
notwendig ist, hängt dabei von dem Inhalt der Verpflichtung (z. B. Dauerschuld)
ab.
Daneben kann das Schuldverhältnis
unter anderem auch durch den berechtigten Rücktritt eines Beteiligten
enden. Außerdem können Schuldner und Gläubiger gemeinsam die Beendigung des
Schuldverhältnisses vereinbaren. Kein Endigungsgrund des
Schuldverhältnisses ist grundsätzlich der Tod eines Beteiligten, doch kann dies
ausnahmsweise auch anders sein.
H) Einzelne Schuldverhältnisse
Im Laufe der Geschichte haben sich
entsprechend den tatsächlichen Bedürfnissen und Möglichkeiten der Menschen
einzelne besondere Schuldverhältnisse entwickelt (besonderes Schuldrecht).
Sie sind im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs in den §§ 938ff.
ABGB mit den sie betreffenden besonderen Bestimmungen geregelt. Nach § 859 ABGB
gründen sich diese persönlichen Sachenrechte auf Rechtsgeschäft oder Gesetz.
I. Rechtsgeschäftliche
Schuldverhältnisse
Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse setzen den Abschluss eines
Rechtsgeschäfts voraus. Da im antiken römischen Recht die abstrakte Vorstellung
des Rechtsgeschäfts noch fehlte, bestanden mehrere verschiedene
Rechtsgeschäftsarten nebeneinander. Hiervon kennt das Allgemeine Bürgerliche
Gesetzbuch Österreichs noch die Unterscheidung in die Realkontrakte und in die
Konsensualkontrakte.
1. Realkontrakte
Realkontrakt ist der Vertrag, zu dessen Entstehung
die Hingabe einer Sache (lateinisch res) erforderlich ist. Ohne Hingabe einer
Sache kommt das Rechtsgeschäft (nach dieser Ansicht) nicht zu Stande.
Herkömmlicherweise werden zu den Realkontrakten, bei denen Erwerbsgrund (Titel)
und Erwerbsart (Modus) ein Ganzes bilden, (Schenkung,) Verwahrung, Leihe und
Darlehen gezählt.
a) Schenkung (in der Nähe des
Realkontrakts stehender Konsensualkontrakt)
Nach § 938 ABGB heißt ein Vertrag,
wodurch eine (körperliche oder unkörperliche) Sache jemandem (zu Eigentum) unentgeltlich
(und grundsätzlich unwiderruflich)überlassen wird, eine Schenkung, wobei
nach § 943 ABGB aus einem bloß mündlichen, ohne wirkliche Übergabe
geschlossenen Schenkungsvertrag dem Geschenknehmer kein Klagerecht auf Leistung
des Geschenks erwächst und Schenkungen ohne wirkliche Übergabe eines
Notariatsakts bedürfen. Der Schenker überträgt dem Beschenkten (Geschenknehmer)
das Eigentum an der Sache (oder verspricht dies). Er erhält dafür keine
Gegenleistung, weshalb die Schenkung zwar vorkommt, wirtschaftlich aber nicht
besonders bedeutsam ist.
b) Verwahrung
Nach § 957 ABGB entsteht ein Verwahrungsvertrag,
wenn jemand (Verwahrer z. B. Bank) eine fremde Sache (des Hinterlegers
wie z. B. Wertpapiere) (unentgeltlich oder entgeltlich) in seine Obsorge
übernimmt. Das angenommene Versprechen, eine fremde, noch nicht übergebene
Sache in die Obsorge zu übernehmen, macht zwar den versprechenden Teil
verbindlich, ist aber noch kein Verwahrungsvertrag. Nach § 958 ABGB erwirbt der
Übernehmer durch den Verwahrungsvertrag weder Eigentum noch Besitz noch ein
Gebrauchsrecht, sondern ist bloßer (Sach-)Inhaber mit der Pflicht, die
ihm anvertraute Sache vor Schaden zu sichern (und bei Ende der Verwahrung an
den Hinterleger herauszugeben).
c) Leihe
Nach § 971 ABGB entsteht ein Leihvertrag,
wenn jemandem (Entleiher, Entlehner) (von einem anderen, Verleiher) eine
unverbrauchbare Sache (z. B. Fahrrad, Hammer, Füllfederhalter, Bleistift?,
nicht Geld, Lebensmittel) bloß zum unentgeltlichen Gebrauche auf eine
bestimmte Zeit übergeben wird. Der Vertrag, wodurch man jemandem eine Sache
zu leihen verspricht, ohne sie zu übergeben, ist zwar verbindlich, aber noch
kein Leihvertrag. Der Entleiher oder Entlehner (wird nicht Eigentümer und nicht
Sachbesitzer und) erwirbt nach § 972 ABGB (nur) das Recht, den ordentlichen
oder näher bestimmten Gebrauch von der Sache zu machen und muss nach Ablauf der
bestimmten Zeit dieselbe Sache zurückgeben (bei Prekarium, Bittleihe, Rückgabe
bei Widerruf).
d) Darlehen
Nach § 983 ABGB entsteht, wenn
jemandem (Darlehensnehmer) verbrauchbare Sachen (z. B. Geld, Lebensmittel) von
einem anderen (Darlehensgeber) unter der Bedingung übergeben (und damit
übereignet) werden, dass er zwar willkürlich darüber (z. B. durch Verbrauch)
verfügen könne, aber nach einer gewissen Zeit eben so viel von derselben
Gattung (z. B. Geld, Lebensmittel) und Güte zurückgeben (und damit übereignen)
soll, ein (grundsätzlich formlos möglicher) Darleihensvertrag
(Darlehensvertrag, z. B. auch Spareinlagenvertrag des Sparers mit einer Bank).
Er ist mit dem ebenfalls verbindlichen Vertrage, ein Darleihen (Darlehen)
künftig zu geben, nicht zu verwechseln und auch vom infolge der
Vertragsfreiheit möglichen Konsensualvertrag (Kreditvertrag) zu trennen.
Gelddarlehen werden von Banken in der Rechtswirklichkeit grundsätzlich nur
gegen Entgelt (Zinsen, gesetzliche Zinsen grundsätzlich 4 Prozent, im
Unternehmensrecht bzw. Handelsrecht 5 Prozent) gegeben.
2. Konsensualkontrakte
Konsensualkontrakt ist der zu seiner Entstehung nur
eines Konsenses (Willensübereinstimmung) bedürftige Vertrag. Er entsteht
auch ohne Hingabe einer Sache. Erforderlich sind nur zwei sich deckende
Willenserklärungen.
a) Bevollmächtigung
Nach § 1002 ABGB heißt der Vertrag,
wodurch jemand ein ihm aufgetragenes Geschäft im Namen des anderen (und damit
in Stellvertretung) zur Besorgung übernimmt, Bevollmächtigungsvertrag.
Er kann unentgeltlich oder entgeltlich sein und mündlich oder schriftlich
abgeschlossen werden. Nach § 1009 ABGB ist der Gewalthaber (Machthaber,
Bevollmächtigte) verpflichtet, das Geschäft seinem Versprechen und der
erhaltenen Vollmacht gemäß, emsig und redlich zu besorgen, und allen aus dem
Geschäft entspringenden Nutzen dem Machtgeber (Vollmachtgeber) zu überlassen.
Nach neuerer Ansicht ist dabei
zwischen zwei Instituten zu unterscheiden. Die Bevollmächtigung ist ein
einseitiges Rechtsgeschäft des Bevollmächtigenden gegenüber dem
Bevollmächtigten (Innenvollmacht) oder einem Dritten (Außenvollmacht), die
meist zu Grunde liegende Beauftragung des Beauftragten durch den Auftraggeber
ein unvollkommen zweiseitig verpflichtender Vertrag (Auftrag). Die
Vollmacht kann grundsätzlich jederzeit widerrufen werden und endet im
bürgerlichen Recht grundsätzlich mit dem Tod.
b) Tausch
Nach § 1045 ABGB ist der Tausch
ein Vertrag, wodurch eine Sache gegen eine andere Sache überlassen wird, wobei
die wirkliche Übergabe der Sache nicht zur Errichtung des Tauschvertrags
erforderlich ist, sondern nur zur Erfüllung des Tauschvertrags und zur
Erwerbung bzw. Verschaffung des Eigentums an der jeweiligen Sache. Nach § 1047
ABGB sind Tauschende durch den Tauschvertrag verpflichtet, die vertauschten
Sachen zum freien Besitz zu übergeben und zu übernehmen. In der Geldwirtschaft
ist der Tausch zu umständlich, weshalb er in der Gegenwart nur geringe Bedeutung
hat.
c) Kauf
Durch den Kaufvertrag wird nach
§ 1053 ABGB eine Sache um eine bestimmte Summe Geldes von einem (Verkäufer)
einem andern (nämlich dem Käufer) überlassen, wobei der Kaufvertrag nur
ein Titel für den Erwerb des Eigentums ist und der Verkäufer das Eigentum an
der Sache bis zur Erfüllung der Verpflichtung (z. B. durch Übergabe) behält.
Der Verkäufer ist nach § 1061 ABGB verpflichtet, die Sache bis zur Übergabe
sorgfältig zu verwahren und sie dem Käufer zu übergeben. Der Käufer ist nach §
1062 ABGB verpflichtet, die Sache sofort oder zur vereinbarten Zeit zu
übernehmen und zugleich den Kaufpreis zu bezahlen.
Gekauft werden können körperliche
Sachen (z. B. Handy) und unkörperliche Sachen (z. B. Forderung). Der Kaufvertrag
bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form, selbst wenn er eine unbewegliche
Sache von sehr großem Wert betrifft. Eine Eintragung im Grundbuch wird aber
nach formellem Grundbuchrecht nur bei Vorliegen eines formgerechten
Kaufvertrags durchgeführt.
Bei einem Kauf einer Forderung
ist ein Kaufvertrag zwischen einem (bisherigen) Gläubiger einer Forderung als
Verkäufer und einem Dritten als Erwerber und damit neuem Gläubiger
erforderlich, während der Schuldner grundsätzlich nicht beteiligt ist.
Der Kaufvertrag ist der Erwerbstitel für die Übertragung (Abtretung).
Mangels einer besondern gesetzlich vorgeschriebenen Form bewirkt der
Erwerbstitel aber zugleich die Erwerbsart, so dass rechtstatsächlich mit
dem Abschluss des Forderungskaufs (ähnlich bei Tausch oder Schenkung) der
Erwerber neuer Gläubiger des Schuldners ist, wenn auch der Schuldner zu seinem
Schutz an den bisherigen alten Gläubiger leisten darf, solange er von dem
Erwerb der Forderung durch einen neuen Gläubiger nichts erfährt.
d) Bestandvertrag
Nach § 1090 ABGB heißt der Vertrag,
durch den jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache (z. B. Grundstück,
Kraftfahrzeug) auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, Bestandvertrag.
Er wird, wenn sich die in Bestand gegebene Sache (z. B. Kraftfahrzeug) ohne
weitere Bearbeitung gebrauchen lässt, Mietvertrag (beachte für Wohnungen
und HäuserMietrechtssgesetz), wenn sie aber nur durch Fleiß und Mühe benützt
werden kann (z. B. Acker, Garten), ein Pachtvertrag genannt. Nach § 1096
ABGB sind Vermieter und Verpächter verpflichtet, das Bestandstück auf eigene
Kosten in brauchbarem Zustand zu übergeben und zu erhalten und den
Bestandinhaber nicht zu stören. Der Bestandnehmer ist nach § 1100 ABGB zur
Entrichtung des Preises (Zinses) verpflichtet.
e) Dienstvertrag
Nach § 1151 ABGB entsteht, wenn sich
jemand auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet,
ein Dienstvertrag. Ist kein Entgelt bestimmt und nicht Unentgeltlichkeit
vereinbart, so hat der Dienstnehmer gegen den Dienstgeber einen Anspruch auf
angemessenes Entgelt (§ 1152 ABGB), das grundsätzlich nach Leistung der Dienste
zu entrichten ist (§ 1154 I ABGB, ohne Dienst kein Lohn). Der
Dienstnehmer muss die versprochenen oder den Umständen nach angemessenen
Dienste dem Dienstgeber grundsätzlich in Person leisten (§ 1153 ABGB).
f) Werkvertrag
Nach § 1151 ABGB entsteht, wenn jemand
die Herstellung eines Werkes (z. B. Bauwerks, Bühnenwerks) gegen Entgelt
übernimmt, ein Werkvertrag. Ist kein Entgelt bestimmt und nicht
Unentgeltlichkeit vereinbart, so hat der Werkunternehmer gegen den
Werkbesteller einen Anspruch auf angemessenes Entgelt (§ 1152 ABGB), das
grundsätzlich nach Leistung des Werkes zu entrichten ist (§ 1170 ABGB). Der das
Werk als Erfolg schuldende Unternehmer ist grundsätzlich verpflichtet,
das Werk persönlich oder unter seiner persönlichen Verantwortung ausführen zu
lassen (§ 1165 ABGB).
g) Erwerbsgesellschaft
Nach § 1175 ABGB wird durch einen
Vertrag, vermöge dessen zwei oder mehrere Personen einwilligen, ihre Mühe
allein, aber auch ihre Sachen zum gemeinschaftlichen Nutzen zu vereinigen, eine
Gesellschaft zu einem gemeinschaftlichen Erwerbe errichtet (z. B. auch
Handlungsgesellschaft oder Handelsgesellschaft). Nach § 1184 ABGB ist jedes
Mitglied (Gesellschafter) verpflichtet, einen gleichen Anteil zum
gemeinschaftlichen Hauptstamm beizutragen. Nach § 1185 ABGB sind in der Regel
alle Mitglieder (Gesellschafter) verpflichtet, ohne Rücksicht auf ihren
größeren oder geringeren Anteil, zu dem gemeinschaftlichen Nutzen gleich
mitzuwirken.
h) Ehepakte
Nach § 1217 heißen die Verträge, die
in der Absicht auf die eheliche Verbindung über das Vermögen geschlossen
werden, Ehepakte, wobei sie vor allem die Gütergemeinschaft und den Erbvertrag
zum Gegenstand haben und deswegen nach moderner Einteilung in das Familienrecht
oder Erbrecht gehören.
i) Glücksvertrag
Nach § 1267 ABGB ist ein Vertrag,
wodurch die Hoffnung eines noch ungewissen Vorteils versprochen und angenommen
wird, ein Glücksvertrag (aleatorischer Vertrag). Er kann entgeltlich
oder unentgeltlich sein. Glücksvertrag sind nach § 1269 ABGB Wette, Spiel
und Los sowie auch der Versicherungsvertrag (§§ 1288ff. ABGB).
3. Bürgschaft
Die Bürgschaft ist ein Sicherungsgeschäft
zur Sicherung fremder Forderungen, das im dritten Teil des Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelt ist (§§ 1346ff.) Es entsteht durch Vertrag
zwischen dem Gläubiger (eines Schuldners) und dem (vom Schuldner verschiedenen)
Bürgen, wobei die Verpflichtungserklärung des Bürgen der Schriftform
bedarf. Der Bürge verpflichtet sich zur Befriedigung des Gläubigers für den
Fall, dass der Schuldner seine Schuld nicht erfüllt, und haftet damit
persönlich, subsidiär und akzessorisch(, solange die Schuld besteht,) auf
Erfüllung.
II. Gesetzliche Schuldverhältnisse
Einige Schuldverhältnisse entstehen
ohne Vornahme eines Rechtsgeschäfts. Sie ergeben sich allein auf Grund des
geltenden Rechtes. Ihre Voraussetzungen sind grundsätzlich durch Gesetz
festgelegt.
1. Schadenersatzanspruch
(Schadensersatzanspruch)
Nach § 1293 ABGB heißt Schade
jeder Nachteil, der jemandem an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt
worden ist (lateinisch damnum emergens), wovon sich der Entgang des Gewinns
(lateinisch lucrum cessans), den jemand nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge
zu erwarten hat, unterscheidet. Nach § 1294 ABGB entspringt der Schade entweder
aus einem widerrechtlichen Verhalten eines andern oder aus Zufall. Die
widerrechtliche Beschädigung wird entweder willkürlich oder unwillkürlich
zugefügt, die willkürliche entweder aus böser Absicht mit Wissen und Wollen
oder aus Versehen (aus schuldbarer Unwissenheit, aus Mangel der gehörigen
Aufmerksamkeit oder des gehörigen Fleißes).
a) aus unerlaubter Handlung
(Verschuldenshaftung)
Nach § 1295 ABGB ist jedermann
berechtigt, von einem Schädiger (Beschädiger) den Ersatz des Schadens, den
dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern(, wobei der Schade
durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag
verursacht worden sein darf). Voraussetzungen sind dementsprechend das Verhalten
des Schädigers, der Erfolg der Beschädigung, die Kausalität
(Ursächlichkeit) des Verhaltens für den Erfolg, die Rechtswidrigkeit
des Verhaltens und das Verschulden (Schuld), das in Vorsatz
(Wissen und Wollen) oder Fahrlässigkeit (Versehen) bestehen kann. Sind
diese Tatbestandsmerkmale im Sachverhalt gegeben, wird der Schaden vom
Beschädigten auf den Schädiger überwälzt, so dass dieser ihn zu ersetzen
und dabei grundsätzlich den früheren Zustand oder einen wirtschaftlich
gleichwertigen Zustand herzustellen hat, wobei allerdings ein
Mitverschulden des Geschädigten schadenersatzanspruchsmindernd zu
berücksichtigen ist oder sein kann.
Schadenersatzansprüche aus unerlaubter
Handlung sind auch die Amtshaftungsansprüche. Bei ihnen muss der Staat den
durch einen Amtsträger schuldhaft verursachten Schaden dem Geschädigten
ersetzen. Die Einzelheiten sind im besonderen Amtshaftungsgesetz geregelt.
b) Gefährdungshaftung
Ohne Verschulden ist (möglicherweise
neben einer bestehenden Verschuldenshaftung auch) der durch Gefährdungen
verursachte Schaden auf Grund besonderer gesetzlicher Bestimmung in
verschiedenen Fällen zu ersetzen. Diese Schadenersatzpflicht ist der
wirtschaftliche Ausgleich für das Erlauben eines grundsätzlich gefährlichen
Verhaltes. Wer beispielsweise ein Kraftfahrzeug hält oder eine Eisenbahn
betreibt oder ein Produkt in den Verkehr bringt, muss auf Grund
besonderer gesetzlicher Anordnung auch ohne eigenes Verschulden im Einzelfall
den aus dem Betrieb u. s. w. entstehenden Schaden (bis zu einer gesetzlich
festgelegten Grenze, vgl. z. B. § 15 EKHG) ersetzen (und sich gegebenenfalls
zum Schutze möglicher Geschädigter ausreichend hoch haftpflichtversichern).
c) Erfolgshaftung
Nach § 1318 ABGB haftet, wenn jemand
durch das Herabfallen einer gefährlich aufgehängten oder gestellten Sache oder
durch Herauswerfen oder Herausgießen aus einer Wohnung beschädigt wird, der,
aus dessen Wohnung geworfen oder gegossen worden oder die Sache herabgefallen
ist, für den Schaden. Nach § 1014 ABGB muss der Gewaltgeber dem Gewalthaber
allen mit der Erfüllung eines Auftrags verbundenen Schaden ersetzen. In diesen
Fällen genügt allein der Eintritt des Erfolgs für die Entstehung des
Schadenersatzanspruchs.
2. Ungerechtfertigte Bereicherung
Nach § 1431 ABGB kann, wenn jemandem
aus einem Irrtum eine Sache oder eine Handlung geleistet wurde, worauf er gegen
den Leistenden kein Recht hat (z. B. Zahlung einer Nichtschuld), in der Regel
die Sache zurückgefordert bzw. ein dem verschafften Nutzen angemessener Lohn
verlangt werden. In diesen Fällen fehlt ein Rechtsgrund für eine Leistung,
wobei es weder auf Verschulden noch auf einen Schaden ankommt. Schon das
römische Recht gewährte hier dem Entreicherten (Bereicherungsgläubiger) einen
Herausgabeanspruch (Kondiktion) gegen den Bereicherten (Bereicherungsschuldner,
vgl. auch §§ 1041f. ABGB Verwendungsansprüche, §§ 877, 1174 ABGB).
3. Geschäftsführung ohne Auftrag
Das für einen anderen ohne Auftrag
(und damit ohne Rechtsgeschäft) geführte Geschäft kann Ansprüche (z. B. auf
Aufwendungsersatz) begründen.
I) Verwirklichung
Der durch das Schuldverhältnis
begründete Anspruch des Gläubigers gegen Schuldner berechtigt in der
Gegenwart den Gläubiger nicht mehr zur Selbsthilfe. Vielmehr hat der Staat
für sich das Gewaltmonopol erlangt, dessen sich der Berechtigte
grundsätzlich immer bedienen muss. Der Gläubiger muss also beispielsweise bei
Nichtzahlung der Schuld seitens des Schuldners vor dem zuständigen ordentlichen
Gericht Klage erheben und kann erst nach Rechtskraft des
entsprechenden Urteils die Vollstreckung gegen den Schuldner betreiben,
deren Erfolg dann aber auch davon abhängt, ob der Schuldner überhaupt Vermögen
hat, in das vollstreckt werden kann.
§ 9 Sache
A) Rechtswirklichkeit
B) Wesen
C) Arten
D) Einzelfälle
I. Besitz
II. Eigentum
III. Beschränkte dingliche Rechte (z.
B. Pfandrecht)
A) Rechtswirklichkeit
In der gesamten Welt gibt es (neben
den sichtbaren Menschen) Sichtbares und Unsichtbares in unüberschaubarer Zahl.
Sichtbar sind etwa Bänke, Tische, Tafeln, Fenster, Geräte, Tiere, Pflanzen,
Häuser, Wiesen, Felder, Berge, Wolken, Sonne, Mond oder Sterne. Unsichtbar sind
demgegenüber beispielsweise Gedanken, Gefühle, Wünsche, Vorstellungen, Götter
oder auch Rechte. Wie setzt sich die Rechtswissenschaft mit diesen natürlichen
Gegebenheiten auseinander?
Innerhalb des Privatrechts schafft sie
für die sichtbaren natürlichen Personen und die unsichtbaren juristischen
Personen das Personenrecht, nach dem beispielsweise der Mensch mit der Geburt
rechtsfähig ist. Für die Beziehungen der Personen zu Personen schafft sie das
Schuldrecht, nach dem etwa der Käufer dem Verkäufer den Kaufpreis bezahlen
muss. Für das Verhältnis der Personen zu den Sachen schafft sie das Sachenrecht,
nach dem zum Beispiel der Eigentümer eines Stiftes diesen benutzen und andere
von der Benutzung ausschließen darf.
Dass die Welt sich aus der Sicht des
Menschen in den Menschen und alles Übrige gliedern lässt, erkannte bereits die
antike griechische Philosophie. Dementsprechend trennte der römische
Rechtskundige Gaius (um 160 n. Chr.) in seinem Werk Institutionen ein
besonderes Recht der Personen von den Sachen ab. Diesem Institutionensystem
ist noch das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs 1811 gefolgt, nach
dessen § 14 die in dem bürgerlichen Gesetzbuche enthaltenen Vorschriften das
Personenrecht, das Sachenrecht und die denselben gemeinschaftlich
zukommenden Bestimmungen zum Gegenstande haben.
Das Sachenrecht umfasst dort die §§
285-1341 ABGB. Es gliedert sich außer in vorangestellte allgemeine
Bestimmungen (§§ 285-308 ABGB) in die dinglichen Rechte (§§ 309-858
ABGB) und die persönlichen Sachenrechte (§§ 859-1341 ABGB). Da die
persönlichen Sachenrechte nach neuerer wissenschaftlicher Ansicht (Pandektensystem)
Gegenstand des Schuldrechts sind und das Erbrecht (§§ 531-824 ABGB) ein
eigenes Rechtsgebiet darstellt, bilden die §§ 285-530 und die §§ 825-858 den
Kern des Sachenrechts.
In seinem Mittelpunkt steht die
Beziehung der Personen zu den Sachen. Sie kann unterschiedlicher Art sein. Im
Grunde besteht aber eine geschlossene Zahl von Möglichkeiten, die anders
als die Schuldrechtsbeziehungen grundsätzlich nicht nach Belieben vermehrt
werden kann.
B) Wesen
Nach § 285 ABGB wird alles, was von
der Person verschieden ist und zum Gebrauch der Menschen dient, im
rechtlichen Sinne eine Sache genannt. Demnach ist der Begriff der Sache
sehr weit. Grundsätzlich ist alles Sache, was nicht Person ist, sofern es dem
Gebrauch der Menschen (oder Personen) dient.
Demgegenüber ist Sache nach dem
Bürgerlichen Gesetzbuch Deutschlands nur der körperliche Gegenstand (§
90 BGB). Sache ist dort demnach nur, was einen Körper und damit räumliche
Ausdehnung hat. Unkörperliches ist nur unkörperlicher Gegenstand.
Von der Person unterschieden ist und
dem Gebrauch der Menschen (bzw. Personen) dienen etwa Bänke, Tische, Tafeln,
Fenster, Kraftfahrzeuge, Bildschirme oder Fußbälle. Demnach erscheint die
Unterscheidung ganz einfach. Dennoch gibt es zusätzlichen Klärungsbedarf in
Einzelfragen.
Der Mensch ist Person und
deshalb wie auch die juristische Person keine Sache. Mit dem Tode ist
der Mensch aber kein Mensch mehr, sondern eine Leiche. Die Leiche ist
keine Person, sondern eine Sache, für die allerdings im Unterschied zu anderen
Sachen einzelne besondere Rechtssätze gelten.
Das Tier ist keine Person und
wurde deshalb im römischen Recht zu den Sachen gezählt. Diese Einordnung galt
bis zum 10. März 1988 auch in Österreich. Seitdem sind nach § 285a ABGB Tiere
kraft gesetzlicher Bestimmung keine Sachen (mehr) und werden durch
besondere Gesetze geschützt, tatsächlich aber (außer Katzen und Hunden)
überwiegend wie Sachen (Geräte) behandelt und deswegen für den Gebrauch der
Menschen nach Belieben (als Schnitzel oder Hundenahrung) benutzt.
Nach § 292 ABGB sind das Recht zu
jagen, zu fischen und alle anderen Rechte Sachen. Durch diese Einordnung
der unkörperlichen Gegenstände unter die Sachen unterscheidet sich das
Sachenrecht Österreichs vom Sachenrecht Deutschlands. Allerdings wird für die
dinglichen Rechte auch in Österreich ein engerer Sachebegriff (Sachbegriff)
verwendet.
Luft, Wasser im offenen Meer, Sonne,
Mond, Sterne und Weltraum sind zwar von der Person verschieden. Sie dienen aber
nur bedingt zum Gebrauch der Menschen. Deswegen sind sie keine Sachen oder nur
Sachen, für die besondere Rechtssätze gelten.
C) Arten
Die Zahl der Sachen ist sehr groß und
ändert sich auch durch Herstellung und Verbrauch unaufhörlich. Sie ist
niemandem bekannt. Dennoch lassen sich die Sachen grundsätzlich nach ihrer
unterschiedlichen Beschaffenheit in mehrere allgemeinere Arten einteilen (§ 291
ABGB).
I. Körperlichkeit
1. Körperliche Sache
Körperliche Sache ist nach § 292 ABGB die in die
Sinne fallende Sache. Gesehen, gefühlt und geschmeckt werden kann nur, was
eine räumliche Ausdehnung hat (z. B. ein Gewehr, ein Motorrad oder ein
Schrank). Nur an einer körperlichen Sache ist Eigentum (im engeren Sinne)
möglich.
2. Unkörperliche Sache
Unkörperliche Sache ist die nicht in die Sinne fallende
Sache. § 292 ABGB nennt als besondere Beispiele das Recht zu jagen, zu
fischen und alle anderen Rechte. Der Anspruch auf den Kaufpreis ist ein
anderes Recht und damit eine unkörperliche Sache.
II. Beweglichkeit
1. Bewegliche Sache
Die Sache, die ohne Verletzung ihrer
Substanz von einer Stelle zur anderen versetzt (bewegt) werden kann, ist gemäß
§ 293 ABGB beweglich. Ohne Verletzung ihrer Substanz können beispielsweise
bewegt werden ein einzelner Stein, ein Stock, ein Kinderwagen, ein Wohnwagen
oder ein Zelt. Eine solche Sache kann einer einem anderen tatsächlich übergeben.
Nach ausdrücklicher gesetzlicher
Bestimmung des § 298 ABGB sind Rechte grundsätzlich bewegliche Sachen (,
sofern sie nicht mit dem Besitz einer unbeweglichen Sache verbunden sind). Nach
§ 295 ABGB werden Gras, Bäume und Früchte mit der Abtrennung beweglich.
Nach früherem Recht wurden Fische und Wild mit dem Fangen bewegliche Sachen.
2. Unbewegliche Sache
Die Sache, die nur unter Verletzung
ihrer Substanz von einer Stelle zur anderen versetzt (bewegt) werden kann, ist
gemäß § 293 ABGB unbeweglich. Ein Grundstück, das man versetzen will, muss man
an der bisherigen Stelle zerstören und an einer neuen Stelle neu errichten. Es
ist unbeweglich und niemand kann es einem anderen tatsächlich übergeben.
Nach § 297 ABGB sind alle Sachen
unbeweglich, die auf Grund und Boden in der Absicht aufgeführt werden, dass sie
dort bleiben (z. B. Haus, nicht dagegen Weihnachtsmarktbude). Nach § 295
ABGB sind Gras, Bäume und Früchte (als Zugehör) bis zur Abtrennung unbeweglich
und waren nach älterem Recht Wild und Fische (als Zugehör) bis zum Fangen
unbeweglich. Nach § 298 ABGB sind die Rechte unbeweglich, wenn sie mit dem
Besitz einer unbeweglichen Sache verbunden sind.
Unbewegliche Sache ist nach § 294 ABGB
allgemein das Zugehör einer unbeweglichen Sache. Zugehör ist dabei
alles, was mit einer Sache in fortdauernde Verbindung gesetzt wird (nicht
abgesonderter Zuwachs, Nebensache, ohne welche die Hauptsache nicht gebraucht
werden kann oder die das Gesetz oder der Eigentümer zum fortdauernden Gebrauch
der Hauptsache bestimmt hat). Gesetzliche Beispiele für Zugehör von Gebäuden
sind Braupfannen, Branntweinkessel, eingezimmerte Schränke, Brunneneimer,
Seile, Ketten, Löschgeräte und dergleichen (§ 297 ABGB), wobei nach neuerem
Sprachgebrauch innerhalb des Zugehörs zwischen (unselbständigen und
selbständigen) Bestandteilen und Zubehör unterschieden wird.
III. Verbrauchbarkeit
1. Verbrauchbare Sache
Verbrauchbare Sache ist nach § 301 ABGB die Sache, die
ohne ihre Zerstörung oder Verzehrung den gewöhnlichen Nutzen nicht gewährt.
Hierher gehören etwa Brot, Butter, Bier, Benzin, Blumen, Papiertaschentücher
oder Geld. An der verbrauchbaren Sache gibt es grundsätzlich keine Leihe,
sondern nur ein Darleihen (Darlehen).
2. Unverbrauchbare Sache
Unverbrauchbare Sache ist die Sache, die auch ohne
Zerstörung oder Verzehrung den gewöhnlichen Nutzen gewährt. Hierher gehören
etwa Buch, Kleidung, Stofftaschentuch, Werkzeug, Kraftfahrzeug oder Grundstück.
Wer sie einem anderen gibt, kann sie nach Ablauf der vereinbarten Zeit
grundsätzlich wieder zurückverlangen, so dass sie Gegenstand von Miete, Pacht
oder Leihe sein können.
3. Abgrenzung
Im Zweifel wird die Abgrenzung durch
die (allgemeine) Verkehrssitte bestimmt.
IV. Schätzbarkeit
Nach § 303 sind schätzbare Sachen
diejenigen Sachen mit Einschluss der Dienstleistungen, Handarbeiten und
Kopfarbeiten, deren Wert durch Vergleichung mit anderen im Verkehr befindlichen
Sachen bestimmt werden kann, unschätzbare Sachen diejenigen Sachen,
deren Wert durch keine Vergleichung mit anderen im Verkehr befindlichen Sachen
bestimmt werden kann (z. B. Wasser, Luft, Licht, Urkunden, Zeugnisse).
V. Vertretbarkeit
1. Vertretbare Sache
Vertretbare (oder fungible) Sache ist die Sache, die nach Maß, Zahl
oder Gewicht bestimmt zu werden pflegt, so dass sie (bis zur Konzentration der
Gattung in das zu leistende Stück) Gegenstand einer Gattungsschuld werden kann.
Beispiele hierfür sind Geld (z. B. 100 Euro), Milch (z. B. 1 Liter), Obst und
Gemüse (z. B. 1 Kilo Äpfel), neue Kraftfahrzeuge, Strom, Gas und andere
Energien. Die meisten vertretbaren Sachen sind verbrauchbare Sachen.
2. Unvertretbare Sache
Unvertretbare Sache ist die nicht nach Maß, Zahl oder
Gewicht bestimmte Sache. Beispiele hierfür sind Grundstücke, gebrauchte Maschinen,
Kunstwerke oder Tagebücher. Die unvertretbare Sache ist grundsätzlich auch
unverbrauchbar und kann nur Gegenstand einer Stückschuld sein.
3. Abgrenzung
Im Zweifel wird die Abgrenzung durch
die (allgemeine) Verkehrssitte bestimmt.
VI. Teilbarkeit
Teilbare Sache ist die Sache, die (ohne
beträchtliche Verminderung ihres Wertes) geteilt werden kann. Unteilbare Sache
ist die Sache, die entweder nicht oder nicht ohne beträchtliche Verminderung
ihres Wertes geteilt werden kann (vgl. § 843 ABGB). Teilbar sind etwa
Grundstücke oder Energien, unteilbar ist ein Kraftfahrzeug oder ein Paar
Schuhe.
VII. Verkehrsfähigkeit
Verkehrsfähig sind alle Sachen, deren
Verkehr keinen Beschränkungen unterliegt. Nicht verkehrsfähig sind Sachen,
deren Verkehr bestimmten Beschränkungen unterliegt. Hierher gehören etwa
Reliquien, Kirchengeräte, Denkmäler oder in der Zwangsvollstreckung (Exekution)
die unpfändbaren Sachen.
VIII. Herrenlose Sache
Herrenlose Sache ist die
eigentümerlose Sache. Sie war in der Frühgeschichte häufig. In der Gegenwart
ist sie einigermaßen selten, weil nahezu alles irgendjemandem gehört.
D) Dingliche Rechte
An Sachen gibt es dingliche Rechte und
persönliche Sachenrechte. Die persönlichen Sachenrechte sind in den §§ 859ff.
ABGB behandelt und werden in der Gegenwart als Schuldrecht verstanden. Ein
Beispiel für ein einzelnes persönliches Sachenrecht ist ein Anspruch aus einem
Kaufvertrag auf Übereignung der Kaufsache oder auf Übereignung von Geld im Wert
des Kaufpreises.
Dingliche Rechte sind nach dem Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuch Besitz (§ 309 ABGB), Eigentum (§ 353
ABGB), Pfand (§ 447 ABGB, Pfandrecht) und Dienstbarkeit (§ 472
ABGB, Servitut, Grunddienstbarkeit z. B. Wegerecht, Regenwasserableitungsrecht,
Personaldienstbarkeit z. B. Fruchtgenuss, Gebrauchsrecht, Wohnung) (sowie
Erbrecht § 531 ABGB, in der Gegenwart nach dem Pandektensystem zu einem eigenen
Gebiet des Privatrechts verselbständigt). Der Kreis der dinglichen Rechte ist
grundsätzlich geschlossen (Eigentum, Pfandrecht, Servitut [Dienstbarkeit],
Reallast, eine Reihe weiterer eigentumsähnlicher Rechte wie das Baurecht
[ähnlich dem Erbbaurecht] und weitere im Grundbuch eintragbare dingliche
Veräußerungsverbote und Belastungsverbote sowie im Grundbuch eintragbare
Schuldrechte wie Wiederkaufsrecht, Vorkaufsrecht und Bestandrecht). Lateinisch
spricht man vom numerus clausus der dinglichen Rechte oder Sachenrechte.
I. Besitz
1. Wesen
Nach § 309 ABGB heißt, wer eine
Sache in seiner Macht oder Gewahrsame hat, ihr Inhaber. Hat der Inhaber einer
Sache den Willen, sie als die seinige zu behalten, so ist er (nicht nur
Inhaber, sondern auch) ihr Besitzer. Demnach ist der Besitzer einer Sache mehr
als der bloße Inhaber (Detentor) einer Sache, aber weniger als der Eigentümer
einer Sache und lässt sich von hier aus mittelbar der Besitz bestimmen.
Besitz setzt Macht oder Gewahrsame
über eine Sache voraus, doch verschaffen bloße Macht oder bloßer Gewahrsam
(ohne den Willen, die betreffende Sache für sich zu haben,) nur Innehabung
(Inhaberschaft, lat. detentio). Hinzukommen muss vielmehr der
(rechtsgeschäftliche) Wille, die Sache als die seinige zu behalten,
wobei nach § 310 ABGB Kinder unter sieben Jahren und Personen über sieben
Jahren, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, - außer in den Fällen des §
151 III und § 280 II ABGB - Besitz nur durch ihren gesetzlichen Vertreter
erwerben können. Von hier aus lässt sich Besitz bestimmen als tatsächliche
Herrschaftsgewalt (lat. corpus possessionis) über eine Sache mit dem Willen,
sie als seinige zu behalten (lat. animus possessionis).
Der Besitz ist dementsprechend zwar im
Sachenrecht geregelt und geschützt. Er ist aber in erster Linie etwas rein
Tatsächliches. Ohne tatsächliche Macht oder Gewahrsame ist Besitz grundsätzlich
ausgeschlossen.
Nach § 311 ABGB können alle
körperlichen und unkörperlichen Sachen, die ein Gegenstand des rechtlichen
Verkehrs sind, in Besitz genommen werden. Sachbesitz ist der Besitz an
(beweglichen und unbeweglichen) Sachen (z. B. Grundstück, Motorrad,
Bildschirm), Rechtsbesitz der Besitz an unkörperlichen Sachen (Gebrauch
eines dauernder Ausübung zugänglichen Rechtes in eigenem Namen z. B. dauernder
Ausübung zugängliches Mietrecht, Leihe, Pacht, Grunddienstbarkeit,
Anwartschaftsrecht, [mangels Gebrauchsrechts] nicht Verwahrung). Sachbesitz
(z. B. des Vermieters) und Rechtsbesitz (z. B. des Mieters, Pächters,
Entleihers, Vorbehaltskäufers) sind dabei nebeneinander an derselben Sache
möglich (gestufter Besitz, mehrstufiger Besitz).
2. Arten
Da sehr viele Sachen bestehen und die
meisten Sachen einen Besitzer haben, gibt es sehr viel Besitz. Dementsprechend
ist die Zahl der Besitze unüberschaubar. Es lassen sich aber systematisch
wieder verschiedene Besitzgruppen bilden (z. B. auch Alleinbesitz und
Mitbesitz).
a) Rechtmäßigkeit
aa) Rechtmäßiger Besitz
Rechtmäßiger Besitz ist nach § 316 ABGB der auf einem
gültigen Titel beruhende Besitz. Gültiger Titel ist der auf einem zur Erwerbung
tauglichen Rechtsgrund beruhende Titel. Ein rechtmäßiger Titel ist
beispielsweise ein Kaufvertrag.
bb) Unrechtmäßiger Besitz
Unrechtmäßiger Besitz ist der nicht
auf einem gültigen Titel beruhende Besitz. Beispielsweise haben zwar Räuber und Diebe eine Sache
in ihrer Macht und Gewahrsame und haben auch den Willen, die geraubte oder
gestohlene Sache als ihrige zu behalten. Aber Raub und Diebstahl sind keine zur
Erwerbung tauglichen Rechtsgründe. Folglich ist der Besitz des Räubers oder
Diebes unrechtmäßig.
b) Redlichkeit
aa) Redlicher Besitz
Nach § 326 ABGB ist ein redlicher
Besitzer, wer aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er besitzt, für
die seinige hält. Beispielsweise ist, wer in einem fremden Wald Beeren im
Glauben an die Rechtmäßigkeit seines Tuns pflückt, ein redlicher Besitzer.
Entscheidend für die Redlichkeit ist die allgemein einleuchtende innere
Einstellung.
bb) Unredlicher Besitz
Unredlicher Besitzer ist, wer nicht aus wahrscheinlichen
Gründen, die Sache, die er besitzt, für die seinige hält. Dieb und Räuber haben
zwar Besitz, wissen aber, dass ihr Besitz unrechtmäßig ist. Sie können die
Sache nicht aus wahrscheinlichen Gründen für die ihrige halten.
Nach § 327 ABGB kann, wenn eine Person
die Sache selbst, eine andere aber das Recht auf alle oder auf einige Nutzungen
dieser Sache besitzt, ein und dieselbe Person, wenn sie die Grenzen ihres Rechtes
überschreitet, in verschiedenen Rücksichten ein redlicher und unredlicher, ein
rechtmäßiger und unrechtmäßiger Besitzer sein.
c) Echtheit
aa) Unechter Besitz
Nach § 345 ABGB wird, wenn sich jemand
in den Besitz eindringt oder durch List oder Bitte heimlich einschleicht und
das, was man ihm aus Gefälligkeit, ohne sich einer fortdauernden
Verbindlichkeit zu unterziehen, gestattet (z. B. Nutzung einer Sache), in ein
fortwährendes Recht zu verwandeln sucht (z. B. Behauptung eines
Nutzungsrechts), so wird der an sich unrechtmäßige und unredliche Besitz noch
überdies unecht.
bb) Echter Besitz
Nach § 345 ABGB wird in
entgegengesetzten Fällen der Besitz für echt angesehen.
3. Erwerb
Körperliche, bewegliche Sachen (z. B.
Fahrrad) werden durch physische Ergreifung, Wegführung oder Verwahrung
in Besitz genommen. Körperliche unbewegliche Sachen werden durch Betretung,
Verrainung, Bezeichnung oder Bearbeitung in Besitz genommen (§ 426 ABGB
körperliche Übergabe, § 427 ABGB Zeichen, § 428 ABGB Erklärung). In den Besitz
unkörperlicher Sachen oder Rechte kommt man durch den Gebrauch derselben
im eigenen Namen.
Nach § 314 ABGB erlangt man den Besitz
sowohl von Rechten als auch von körperlichen Sachen entweder unmittelbar, wenn
man freistehender Rechte und Sachen habhaft wird, oder mittelbar, wenn man
eines Rechtes oder einer Sache, die einem anderen gehört, habhaft wird.
Ursprünglich dürfte der unmittelbare Erwerb die Regel gewesen sein. In der
Gegenwart wird der Besitz meist mittelbar von einem anderen erworben.
4. Inhalt
Da der Besitz in der Macht und
Gewahrsame einer Sache besteht, darf der Besitzer, für den im Übrigen nach §
323 ABGB die rechtliche Vermutung eines gültigen Erwerbstitels spricht
(Rechtsscheinwirkung), grundsätzlich alles tun, was mit der Macht oder Gewahrsame
möglich ist. Dabei gehört nach § 344 AGBG zu den Rechten des Besitzes auch das
Recht, sich in seinem Besitz zu schützen, und in dem Falle, dass (trotz
Versuchs) richterliche Hilfe zu spät kommen würde, Gewalt mit angemessener
Gewalt abzutreiben (abzuwehren). Demnach begründet der Besitz das (von einem
Gericht unabhängige) Selbsthilferecht der Besitzwehr und (auch bei
Rechtsbesitz) die (Möglichkeit der) Besitzschutzklage (vor dem
Bezirksgericht) (so genanntes Possessorium, vgl. §§ 339 ABGB, 454ff. ZPO, Ziel
ist Schutz und Wiederherstellung des widerrechtlich veränderten tatsächlichen
letzten Besitzstands) bei eigenmächtiger Verletzung des Besitzes (z. B. durch
unberechtigtes Abstellen eines Kraftfahrzeugs auf einem gekennzeichneten
Privatparkplatz).
5. Beendigung
Nach § 349 ABGB geht der Besitz einer
körperlichen Sache verloren, wenn sie ohne Hoffnung, wieder gefunden zu werden,
in Verlust gerät, freiwillig verlassen wird oder in fremden Besitz kommt.
Nach § 350 ABGB erlischt der Besitz der Rechte und unbeweglichen Sachen, die
einen Gegenstand der öffentlichen Bücher ausmachen, wenn sie aus den
landtäflichen (Büchern), Stadt(büchern) oder Grundbüchern gelöscht oder auf den
Namen eines anderen eingetragen werden. Nach § 351 ABGB hört bei anderen
Rechten der Besitz auf, wenn der Gegenteil das, was er sonst geleistet hat,
nicht mehr leisten zu wollen erklärt, wenn er die Ausübung des Rechtes eines
anderen nicht mehr duldet oder wenn er das Verbot, etwas zu unterlassen nicht
mehr achtet, der Besitzer es aber in allen Fällen dabei bewenden lässt und die
Erhaltung des Besitzes nicht einklagt.
Außerdem endet der Besitz mit dem
Untergang der Sache.
6. Verhältnis zum Eigentum
Besitz und Eigentum fallen oft in
einer Person zusammen. Notwendig ist dies nicht, indem jemand auch nur Besitz
oder nur Eigentum haben kann. Die Wirkungen von Besitz und Eigentum sind
grundsätzlich verschieden, stimmen aber in der Zielsetzung Herrschaft über eine
Sache vielfach überein..
II. Eigentum
1. Wesen
Nach § 353 ABGB heißt alles, was
jemandem zugehört, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen, sein
Eigentum. Nach § 354 ABGB ist Eigentum die Befugnis, mit der Substanz und den
Nutzungen einer Sache nach Willkür (Belieben) zu schalten und jeden anderen
davon auszuschließen. Nach § 362 ABGB kann der Eigentümer in der Regel seine
Sache benützen oder unbenützt lassen, sie vertilgen, ganz oder zum Teil auf
andere übertragen oder sie verlassen.
Dementsprechend ist Eigentum das (dingliche)
Vollrecht an oder über Sachen. Im Gegensatz zum Besitz ist es ein Recht.
Im Gegensatz zu den beschränkten dinglichen Rechten ist es das (grundsätzlich
unbeschränkte, alle erdenklichen Rechte umfassende) Vollrecht.
Eigentumsfähig (im engeren Sinne) sind
allerdings nur Sachen, die Gegenstand von Sachenrechten sein können. Da für
Eigentum (z. B. bei Übergabe) körperliche Beherrschbarkeit vorausgesetzt wird,
müssen die Sachen, an denen Eigentum (im engeren Sinn) bestehen kann,
körperlich sein. Eigentum im engeren Sinn besteht also (wie im deutschen Recht)
nicht an Forderungen und Immaterialgüterrechten sowie am Vermögen als solchem.
2. Arten
Angesichts der großen Zahl
körperlicher Sachen ist Eigentum sehr häufig. Niemand kennt die tatsächliche
Zahl von Eigentum. Es lassen sich aber einige allgemeinere Arten unterscheiden.
a) Alleineigentum
Alleineigentum einer Person an einer Sache ist das
alleinige Eigentum der Person an dieser Sache. Bei ihm stehen alle Rechte aus
dem Eigentum nur einer Person zu. Das Alleineigentum dürfte in der
Rechtswirklichkeit überwiegen.
b) Miteigentum
Miteigentum (ideelles Miteigentum) ist nach § 361
ABGB das gemeinschaftliche Eigentum mehrerer (z. B. Erben) an einer (noch)
ungeteilten Sache (im Gegensatz zu dem früher begründbaren real geteilten
Eigentum). Bei dem Miteigentum werden in Beziehung auf das Ganze die mehreren
Miteigentümer als eine Person angesehen. Soweit den Miteigentümern gewisse,
obgleich unabgesonderte Teile angewiesen sind, hat jeder Miteigentümer das vollständige
Eigentum des ihm gehörigen Teiles.
Bei Miteigentum steht jedem
Miteigentümer ein ideeller Anteil an der Sache zu, kein bestimmter körperlicher
Teil. Über den ideellen Anteil kann der Miteigentümer frei verfügen
(z. B. veräußern, belasten). Über die gesamte Sache können die
Miteigentümer nur gemeinschaftlich verfügen.
c) Wohnungseigentum
Wohnungseigentum ist das Eigentum an einer Wohnung.
Nach allgemeinen Regeln des römisches Rechts ist ein besonderes Eigentum an
Wohnungen ausgeschlossen, weil die Wohnungen als Teil des Grundstücks angesehen
werden, mit dem das entsprechende Gebäude fest verbunden ist. Aus
sozialpolitischen Überlegungen ist aber nach dem zweiten Weltkrieg ein
besonderes Wohnungseigentum anerkannt und gesetzlich geregelt worden (in Österreich
schätzungsweise 500000 Eigentumswohnungen).
Wohnungseigentum ist eine besondere
Form des Miteigentums. Dabei gehört mehreren Miteigentümern die
betreffende Liegenschaft gemeinschaftlich. Zusätzlich hat jeder Miteigentümer
der Liegenschaft als Beteiligter der Wohnungseigentümergemeinschaft ein
dingliches Recht, eine selbständige Wohnung oder eine sonstige
selbständige Räumlichkeit ausschließlich zu nutzen und darüber zu
verfügen.
d) Sicherungseigentum
Sicherungseigentum ist das zur Sicherung eines Rechtes
eines andern (z. B. eines Gläubigers) diesem eingeräumte Eigentum. Bei ihm hat
der Sicherungsnehmer (z. B. der Gläubiger) nach außen unbeschränktes Eigentum,
das im Verhältnis zum Sicherungsgeber (z. B. Schuldner) durch die Abrede der
bloßen Sicherung beschränkt ist. In Österreich muss dabei Dritten erkennbar
sein, dass die Sache der Besicherung einer Forderung dient, so dass
insbesondere das Faustpfandprinzip analog angewandt wird, womit Übergabe in der
Form der bloßen Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses, bei welcher
der Sicherungsnehmer die Sache hat, ausgeschlossen ist.
e) Vorbehaltseigentum
Vorbehaltseigentum ist das von einem bisherigen
Eigentümer auf Grund Vereinbarung vorbehaltene Eigentum. Der Vorbehalt dient
grundsätzlich der Sicherung einer Forderung (z. B. eines Verkäufers) und
verschafft dem Schuldner (nur) eine dingliche Anwartschaft auf das Eigentum.
Das vertraglich unterschiedlich gestaltbare Vorbehaltseigentum (z. B.
verlängerter Eigentumsvorbehalt, erweiterter Eigentumsvorbehalt) ist gesetzlich
nicht geregelt.
f) Obereigentum, Nutzungseigentum (§
363 ABGB)
Nach dem ältere Rechtszustände
widerspiegelnden, überholten § 363 ABGB genießen die Rechte des Eigentümers
auch unvollständige, sowohl Obereigentümer (z. B. früher Lehnsherrn) als auch
Nutzungseigentümer (z. B. früher Lehnsleute), wobei der eine nichts vornehmen
darf, was mit dem Rechte des anderen im Widerspruch steht.
3. Erwerb
Der Erwerb von Eigentum ist
möglich und auch rechtstatsächlich sehr häufig. Dabei kann nach § 380 ABGB ohne
Titel und ohne rechtliche Erwerbungsart kein Eigentum erlangt werden, so dass
ein Erwerb immer einen Erwerbstitel (lat. titulus acquirendi) und eine Erwerbsart
(lat. modus acquirendi) voraussetzt. Im Einzelnen sind dabei unmittelbarer
Erwerb und mittelbarer Erwerb zu unterscheiden.
a) unmittelbarer Erwerb (originärer
Erwerb, ursprünglicher Erwerb)
Unmittelbarer Eigentumserwerb ist der Erwerb von Eigentum ohne das
Mittel eines Rechtsgeschäfts. Er dürfte in alten Zeiten die Regel gebildet haben.
In der Gegenwart hat er teilweise seine Bedeutung verloren, kann aber nach wie
vor auf verschiedene Weise erfolgen.
aa) Aneignung (Zueignung)
freistehender Sachen
Freistehende Sachen als niemandem
gehörige (herrenlose) Sachen können nach § 382 ABGB von allen
Mitgliedern des Staates durch die Aneignung (Zueignung) erworben werden,
soweit diese Befugnis nicht durch politische Gesetze eingeschränkt ist oder
einigen Mitgliedern (nicht) das Vorrecht der Aneignung (Zueignung) zusteht (wie
etwa den Jagdberechtigten bei dem herrenlosen Wild). Bei diesen in der
Gegenwart kaum noch vorkommenden freistehenden Sachen ist der Erwerbstitel
(lat. titulus acquirendi) die (dem Menschen) angeborene Freiheit,
freistehende Sachen in Besitz zu nehmen. Erwerbsart (lat. modus
acquirendi) ist die Aneignung (Zueignung), durch die man sich einer
freistehenden Sache bemächtigt, in der Absicht, sie als die seinige zu
behandeln, also die Besitzergreifung (§ 381 ABGB).
bb) Zuwachs
Nach § 404 ABGB heißt Zuwachs
alles, was aus einer Sache entsteht oder neu zu derselben kommt, ohne dass es
dem Eigentümer von jemand anderem übergeben worden ist (z. B. Beeren,
Kräuter, Milch, Eier, Anlandung).. Erwerbstitel ist die angeborene Freiheit,
den Zuwachs in Besitz zu nehmen. Erwerbsart ist die Aneignung (Zueignung).
cc) Verarbeitung
Nach § 414 erhält, wer fremde Sachen
verarbeitet, sie mit den seinigen vermengt oder vermischt, dadurch noch keinen
Anspruch auf das fremde Eigentum. Wird aber eine neue Sache hergestellt, so
wird an ihr neu Eigentum erworben. Entscheidend ist dabei die Änderung der
Zweckbestimmung und Brauchbarkeit der Sache durch Umgestaltung (z. B.
Verwendung von Stoff für ein Kleidungsstück, Verwendung von Baumaterialien für
ein Gebäude).
dd) Ersitzung
Ersitzung ist originärer (ursprünglicher)
Erwerb von dinglichen Rechten (Eigentum, Dienstbarkeit, Reallast, Jagdrecht,
Fischereirecht, Waldrecht, sofern nicht verpfändet, verliehen, in Verwahrung
oder Fruchtnießung gegeben) durch (qualifizierten, rechtmäßigen, redlichen und
echten) Besitz und Zeitablauf (§ 1452 ABGB). Jede Ersitzung enthält als
Rechtserwerb zugleich einen Rechtsverlust des bisherigen Berechtigten durch
Verjährung. Die ordentliche Ersitzung erfordert bei beweglichen Sachen einen
Ablauf von drei Jahren, bei unbeweglichen Sachen von 30 Jahren.
b) mittelbarer Erwerb (derivativer
Erwerb, abgeleiteter Erwerb)
Mittelbarer Erwerb ist nach § 423 ABGB der Erwerb von
Sachen, die schon einen Eigentümer haben, durch Übergang auf eine rechtliche
Art von dem bisherigen Eigentümer auf einen anderen Eigentümer. Der
Erwerbstitel ist nach § 424 ABGB ein Vertrag, eine Verfügung auf den
Todesfall, ein richterlicher Ausspruch oder eine Anordnung des Gesetzes, doch verschafft
der bloße Titel noch kein Eigentum. Erwerbsart ist nach § 425 ABGB
für das Eigentum (und alle dinglichen Rechte überhaupt) grundsätzlich nur die
rechtliche Übergabe und Übernahme, die bei beweglichen Sachen und
unbeweglichen Sachen in unterschiedlicher Weise erfolgt.
aa) bewegliche Sache
Bei beweglichen Sachen ist nach § 426
ABGB grundsätzlich eine Übergabe von Hand zu Hand erforderlich. Bei
Schuldforderungen, Frachtgütern, Warenlagern oder anderen Gesamtsachen kann die
Übergabe durch Zeichen erfolgen (§ 427 ABGB). Durch bloße Erklärung wird
die Sache übergeben, wenn der Veräußerer sie künftig im Namen des Übernehmers
innehaben will oder der bisher bloß ohne ein dingliches Recht innehabende
Übernehmer die Sache künftig aus einem dinglichen Recht besitzen soll (§ 428
ABGB).
bb) unbewegliche Sache
Bei unbeweglichen Sachen muss (statt
der nicht möglichen Übergabe) das Erwerbungsgeschäft in die dazu bestimmten
öffentlichen Bücher eingetragen werden (Einverleibung [Eintragung in das
Grundbuch mit Gutsbestandsblatt A, Eigentumsblatt B, Lastenblatt C] oder Intabulation
z. B. in das bei Gericht im Rahmen der außerstreitigen Gerichtsbarkeit für
dingliche oder verdinglichte Rechte an Grundstücken nach Katastralgemeinden wie
z. B. Hötting geführte Grundbuch, § 431 ABGB, Eigentum, Dienstbarkeit,
Reallast, Pfandrecht, dingliches Veräußerungsverbot, dingliches
Belastungsverbot, Baurecht, Wiederkaufsrecht, Vorkaufsrecht, Bestandrecht).
Dafür ist eine beglaubigte Urkunde über solche Erwerbsgeschäfte nötig (§ 432
ABGB). Nach § 433 ABGB muss der Übergeber in dieser oder einer besonderen
Urkunde die ausdrückliche Erklärung abgeben, dass er in die Einverleibung
einwillige (Aufsandung, Aufsandungserklärung).
4. Inhalt
Der Eigentümer darf mit seiner Sache
nach Belieben verfahren. Er darf Störungen anderer abwehren, bei Entziehung Herausgabe
(Vindikationsanspruch) und bei Verletzungen Schadenersatz verlangen. Er darf
sein Eigentum anderen übertragen.
5) Beendigung
Das Eigentum endet durch Übertragung
(Übereignung) durch den bisherigen Eigentümer (Veräußerer) auf einen neuen
Eigentümer (Erwerber), wobei auch die Enteignung gegen den Willen des
bisherigen Eigentümers zum allgemeinen Besten und gegen angemessene
Schadloshaltung zu Gunsten einen neuen Eigentümers möglich ist (§ 365 ABGB). In
Betracht kommt grundsätzlich auch die einfache einseitige Eigentumsaufgabe
(Dereliktion). Mit dem Untergang einer Sache (z. B. durch Essen oder
Trinken) geht auch das Eigentum unter.
III. Pfand
Neben dem Eigentum als dem Vollrecht
gibt es an Sachen auch beschränkte dingliche Rechte. Bei ihnen hat der
Berechtigte neben dem verbleibenden Eigentümer ein eingeschränktes
Herrschaftsrecht über die Sache. Ein Beispiel hierfür ist das Pfand oder
Pfandrecht.
1. Wesen
Das Pfandrecht ist das
dingliche Recht, das dem Gläubiger eingeräumt wird, aus einer Sache, wenn die
Verbindlichkeit zur bestimmten Zeit nicht erfüllt wird, die Befriedigung zu
erlangen (§ 447 ABGB). Zur Sicherung einer Forderung eines Gläubigers gegen
einen Schuldner wird also zusätzlich ein dingliches, gegen jedermann
geschütztes Befriedigungsrecht an einer Sache begründet. Die Sache, worauf dem
Gläubiger dieses Recht zusteht, heißt Pfand (§ 447 ABGB).
2. Arten
Nach § 448 ABGB kann als Pfand jede
Sache dienen, die im Verkehr steht. Ist sie beweglich, so wird sie Handpfand
(Faustpfand) oder Pfand im engeren Sinn genannt. Ist sie unbeweglich, so
heißt sie Grundpfand oder Hypothek.
3. Erwerb
Der Erwerb eines Pfandrechts erfordert
einen Erwerbstitel und eine Erwerbsart
a) Erwerbstitel
Erwerbstitel kann nach § 450 ABGB ein Vertrag (z.
B. Verpfändung, Pfandvertrag, §§ 1368ff. ABGB), ein Vermächtnis, eine
gerichtliche Entscheidung oder eine gesetzliche Vorschrift (gesetzliches
Pfandrecht z. B. des Vermieters) sein.
b) Erwerbsart
Erwerbsart sind grundsätzlich (bei
einer beweglichen Sache) die körperliche Übergabe, (und bei einer
unbeweglichen Sache) die Einverleibung oder gerichtliche
Urkundenhinterlegung sowie die symbolische Übergabe, nicht aber die
Begründung eines Besitzmittelungsverhältnisses.
4. Inhalt
Das Pfandrecht ist ein Sicherungsmittel.
Leistet der Schuldner nicht rechtzeitig, so erfolgt bei Pfandreife die
Verwertung dieses Sicherungsmittels. Sie geschieht grundsätzlich durch gerichtliche
Feilbietung (§ 461 ABGB).
5. Erlöschen
Das Pfandrecht erlischt durch Tilgung
der Schuld, weil nach Erlöschen der Schuld keine Sicherung der Schuld mehr
nötig und möglich ist. Die Beteiligten können aber auch einvernehmlich die
Aufhebung beschließen. Außerdem endet das Pfandrecht durch Rückgabe des
Faustpfands vom Pfandgläubiger an den Eigentümer und durch Untergang der
Pfandsache.
§ 10 Familie, Erbe, Unternehmen,
Arbeit, Erfindung
A) Familie
I. Ehe
II. Kind
B) Erbe
C) Unternehmen (Handel)
I. Unternehmer
II. Gesellschaft
III. Unternehmensbezogenes Geschäft
D) Arbeit
E) Erfindung
Neben Person, Schuld und Sache als den
Kerneinrichtungen des Privatrechts lassen sich auch Familie, Erbe, Handel
(Unternehmen), Arbeit und Erfindung als wichtige Mittelpunkte eigener
Rechtsgebiete erkennen. Sie sind weltweit von großer Bedeutung. Deswegen haben
sie auch eine knappe Einbeziehung in eine Einführung in die Rechtswissenschaft
verdient.
A) Familie
Der Mensch entsteht als Kind aus der
Verbindung von Mann und Frau. Dies ist eine weltweit seit der Entwicklung des
Menschen bestehende natürliche Gegebenheit mit zahlreichen individuellen
Abwandlungen. Sie ist als eigene Einrichtung (Familie) allmählich
verrechtlicht und seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in der deutschen
Rechtswissenschaft als eigenes Rechtsgebiet mit den Teilen Ehe, Kindschaft und
Vormundschaft (2001 in Österreich durch das Kindschaftsrechtsänderungsgesetz
aufgehoben und ersetzt durch Obsorge einer anderen Person) verselbständigt
worden.
Nach § 40 ABGB werden unter Familie
die Stammeltern mit allen ihren Nachkommen verstanden. Die Verbindung zwischen
diesen Personen wird Verwandtschaft genannt (z. B. Vater, Mutter, Sohn,
Tochter, Enkel, Enkelin, Großmutter, Großvater, Bruder, Schwester, Onkel,
Tante, Vetter, Base, Nichte, Neffe, Urgroßmutter, Urenkel). Die Verbindung, die
zwischen einem Ehegatten und den Verwandten des anderen Ehegatten entsteht,
heißt Schwägerschaft.
I. Ehe
1. Wesen
Nach § 44 ABGB ist Ehe die
durch Vertrag entstehende Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechts (Mann
und Frau) zu den Zwecken des Zusammenlebens(, des Kinderzeugens und
Kindererziehens) sowie des Leistens gegenseitigen Beistands. Die Ehe ist Einehe
(im Gegensatz zur Mehrehe) und Zivilehe (vor einer weltlichen Behörde
geschlossene Ehe im Gegensatz zur nach Kirchenrecht geschlossenen kirchlichen
Ehe). Keine Ehe ist die nichteheliche Lebensgemeinschaft oder (bisher)
die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft, die seit 1. 1. 2010 als
eingetragene Partnerschaft mit gegenseitigen Rechten und Pflichten auf Dauer
nach dem eingetragene Partnerschaftsgesetz begründet werden kann.
Das Eherecht war ursprünglich in den
§§ 44ff. ABGB (entsprechend den Vorstellungen der katholischen Kirche)
geregelt. Anlässlich des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich wurde am
6. 7. 1938 zwecks Rechtsvereinheitlichung vom Deutschen Reich das besondere Ehegesetz
(EheG) geschaffen, das zum 1. 8. 1938 in Kraft trat. Seine Bestimmungen
ersetzen viele ursprüngliche Vorschriften des Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuchs.
2. Entstehung
Die (früher regelmäßig einer Verlobung
als einem vorläufigen, nicht verpflichtenden Eheversprechen zeitlich
nachfolgende) Eheschließung erfolgt nach § 17 I EheG dadurch, dass ein
Mann und eine Frau (die Verlobten) vor dem Standesbeamten persönlich und bei
gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen,
wobei die Nichteinhaltung der Formvorschrift Ehenichtigkeit (Vernichtbarkeit)
bewirkt.. Es sind also zwei Willenserklärungen erforderlich. Sie müssen
während gleichzeitiger Anwesenheit vor dem staatlichen, im späten 19.
Jahrhundert im Kulturkampf als Ersatz für den Pfarrer oder Priester
eingeführten Standesbeamten ohne Möglichkeit der Stellvertretung
abgegeben werden.
Voraussetzung der Eheschließung ist Ehegeschäftsfähigkeit,
weshalb beschränkt Geschäftsfähige der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters
und des Erziehungsberechtigten bedürfen. Ehemündigkeit wird grundsätzlich mit
Vollendung des 18. Lebensjahrs erreicht, kann aber auf Antrag eines
Minderjährigen durch das zuständige Gericht erklärt werden, wenn der
Antragsteller das 16. Lebensjahr vollendet hat, für die Ehe reif erscheint und
der andere Ehewillige volljährig ist.
Weitere Voraussetzung ist das Fehlen
von Eheverboten. Zu ihnen zählen nahe Blutsverwandtschaft (§ 6 EheG) und
Doppelehe (§ 8 EheG). Sie begründen Ehenichtigkeit (Vernichtbarkeit).
3. Inhalt
Die Eheschließung bewirkt nach § 89
ABGB im Verhältnis der Ehegatten zueinander (seit 1975) grundsätzlich gleiche
Rechte und Pflichten. Nach § 90 I ABGB sind die Ehegatten einander zur umfassenden
ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur
Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet. Ein gemeinsamer
Name ist nicht nötig. Für das Ehegüterrecht gilt nach § 1327 ABGB als Grundsatz
die Gütertrennung (§§ 81ff. EheG beschränkte Zugewinngemeinschaft), bei
der jedem Ehegatten seine Güter allein gehören, doch kann durch Vertrag auch
der Güterstand der Gütergemeinschaft (§§ 1233ff. ABGB) vereinbart
werden.
4. Beendigung
Die Ehe endet durch den Tod
eines Ehegatten. Mit zunehmender Häufigkeit werden Ehen aber auch durch Ehescheidung
beendet, wobei einvernehmliche Scheidung (§ 55a EheG, gemeinsamer
Ehescheidungsantrag bei dem Außerstreitgericht), Scheidung wegen Verschuldens
und dadurch verursachter Zerrüttung (§§ 49ff. EheG) und Scheidung aus anderen
Gründen (§§ 50ff. EheG, z. B. Auflösung der häuslichen Gemeinschaft seit
mindestens drei Jahren und tiefgreifende Zerrüttung) möglich sind. Außerdem
kann die Ehe durch Nichtigerklärung (bei bestimmten Gründen auf Klage) und
Aufhebung (bei bestimmten innerhalb einer Frist durch Klage geltend gemachten
Gründen) enden.
Wichtige Folgen können langjährige Unterhaltsansprüche
eines Unterhaltsberechtigten gegen einen Unterhaltsverpflichteten sein.
II. Kind
1. Wesen
Kind ist der Abkömmling eines Menschen bzw. zweier
Menschen, wobei die Mutter grundsätzlich feststeht, während der (natürliche)
Vater ungewiss und der rechtliche Vater feststellbar sein kann. Das Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch verwendet das Wort nicht einheitlich, sondern meint
vereinzelt mit Kind auch Enkel und Urenkel. Kind als Abkömmling seiner Eltern
bleibt der Mensch lebenslang, Kind als Altersstufe ist er bis zur Vollendung
des siebenten Lebensjahrs.
2. Arten
Ein Kind ist nach § 138c I ABGB ehelich,
wenn es während der Ehe der Mutter mit dem Vater oder wenn es innerhalb von 300
Tagen nach dem Tod des Ehemanns der Mutter geboren wird. Andernfalls ist es
nach § 138c I ABGB unehelich. Es wird nach § 138d ABGB ehelich, wenn es
innerhalb von 300 Tagen nach Scheidung oder Aufhebung oder Nichtigerklärung der
Ehe geboren wird und der frühere Ehemann der Mutter die Vaterschaft anerkennt
oder durch das Gericht als Vater festgestellt wird.
Das eheliche Kind hat eine andere
Rechtsstellung als das uneheliche Kind.
3. Rechtsverhältnis
Mit der Geburt des ehelichen Kindes
entsteht zwischen dem Kind und seine Eltern das Kindschaftsverhältnis.
Mit der Geburt des unehelichen Kindes entsteht zwischen dem Kind und der Mutter
das Kindschaftsverhältnis. Das Kindschaftsverhältnis umfasst Rechte und
Pflichten der Beteiligten.
a) Rechtsverhältnis zwischen Eltern
und ehelichen Kindern
Das Kind erhält nach § 139 ABGB den
gemeinsamen Familiennamen der Eltern, bei Fehlen eines gemeinsamen
Familiennamens den von den Eltern bestimmten Familiennamen eines Elters, bei
Fehlen der gemeinsamen Bestimmung den Familiennamen des Vaters. Die Eltern
haben dem Kind nach den §§ 140ff. ABGB anteilig angemessenen Unterhalt
zu leisten, wobei die Mutter grundsätzlich das Kind kriegt und vielfach allein
der Vater zahlt. Die Eltern haben nach den §§ 144ff. ABGB das minderjährige
Kind zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und es in allen
Angelegenheiten zu vertreten, wobei nach § 154 I ABGB jeder Elter für sich
allein zur Vertretung berechtigt und verpflichtet ist.
b) Rechtsverhältnisse zwischen Eltern
und unehelichen Kindern
Das uneheliche Kind erhält den
Familiennamen der Mutter (§ 165 ABGB). Mit der Obsorge für das uneheliche Kind
ist die Mutter allein betraut (§ 166 S. 1 ABGB), doch gelten im Übrigen im
Zweifel die das eheliche Kind betreffenden Bestimmungen über den Unterhalt und
die Obsorge auch für das uneheliche Kind. Der Vater ist nach § 168 ABGB
verpflichtet, der Mutter die Kosten der Entbindung und die Kosten ihres
Unterhalts für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung zu ersetzen.
c) Obsorge einer anderen Person
Nach § 187 ABGB hat, soweit weder
Eltern noch Großeltern oder Pflegeeltern mit der Obsorge betraut sind oder
betraut werden können und kein Fall des § 211 ABGB vorliegt, das Gericht unter
Beachtung des Wohles des Kindes eine andere geeignete Person mit der Obsorge zu
betrauen, wobei dem Jugendwohlfahrtsträger eine Auffangfunktion zukommt. Der
Träger der Obsorge muss nach § 166 ABGB in wichtigen Angelegenheiten die
Genehmigung des Gerichts einholen. Das Gericht hat nach § 229 ABGB die
Tätigkeit der mit der gesetzlichen Vertretung in Angelegenheiten der
Vermögensverwaltung betrauten Person zu überwachen.
B) Erbe
I. Wesen
Das Erbe ist das Vermögen eines
Menschen im Zeitpunkt seines Todes, weshalb es ohne Privatvermögensrecht
auch kein Erbrecht als objektives Recht gibt. Der Erbe ist die (natürliche oder
juristische) Person, auf die dieses Vermögen, das auch als Erbschaft,
Verlassenschaft oder Nachlass bezeichnet werden kann, nach den gesetzlichen
Bestimmungen des Privatrechts als Ganzes (Alleinerbe) oder als Teil (Erbteil
eines von mehreren Erben [Miterben]) übergeht, wenn der Betreffende den
Erblasser überlebt. Erblasser ist der Verstorbene, Erbfall der
Tod des Erblassers, Erbfolge die Nachfolge (Gesamtrechtsnachfolge,
Universalsukzession) des einzigen oder der mehreren Erben in das vom
Erblasser hinterlassene Vermögen, wobei bis zum Tod des Erblassers
grundsätzlich kein subjektives Erbrecht, sondern nur eine bloße Erbaussicht
besteht.
II. Arten
Gesetzlicher Erbe ist der allein auf Grund
gesetzlicher Bestimmungen (kraft Gesetzes) zur Erbfolge Berufene. Gewillkürter
Erbe ist der auf Grund einer auf der allgemein anerkannten Testierfreiheit
beruhenden Willenserklärung (Erbeinsetzung) des Erblassers zur Erbfolge
Berufene. Die gewillkürte Erbfolge geht der gesetzlichen Erbfolge vor,
doch haben bestimmte gesetzliche Erben einen Anspruch auf einen Mindestanteil
am Erbe (Pflichtteil) und kann die gewillkürte Erbfolge auf einen Teil des
Nachlasses beschränkt sein, so dass gesetzliche Erbfolge und gewillkürte
Erbfolge bei einem Erbfall auch nebeneinander eintreten können (§ 554 ABGB).
Für bäuerliche Betriebe gilt in
einzelnen Bundesländern bäuerliches Sondererbrecht (z. B. Tiroler Höfegesetz
von 1900)
III. Gesetzliche Erbfolge
Gesetzliche Erben sind der Ehegatte
und die Menschen, die mit dem Erblasser in nächster Linie verwandt sind (§ 730 ABGB). Es gilt also die im 18.
Jahrhundert gedanklich entwickelte Erbfolge nach Parentelen. Dabei
werden insgesamt vier Parentelen oder Linien unterschieden, wobei die
nähere Linie die entferntere Linie ausschließt und innerhalb der Linien die
Nähe des Verwandtschaftsgrads entscheidet.
Zur ersten Linie gehören nach § 731
ABGB die Kinder des Erblassers und ihre Nachkömmlinge (also die Enkel,
Urenkel usw. des Erblassers). Zur zweiten Linie gehören die Eltern des
Erblassers und deren Nachkömmlinge (also die Geschwister des Erblassers und
deren Nachkömmlinge). Zur dritten Linie gehören die Großeltern des
Erblassers und deren Nachkömmlinge, zur vierten Linie nur die (ersten)
Urgroßeltern des Erblassers.
Hat der Erblasser Kinder, so erben sie
nach § 732 innerhalb der Verwandten allein. Mehrere Kinder erben zu gleichen
Teilen (Miterben). Kinder lebender Kinder sind von der Erbfolge ausgeschlossen,
doch treten Kinder vorverstorbener Kinder an die Stelle ihres vorverstorbenen
Elters (Eintrittsrecht).
Fehlen Kinder und deren Nachkömmlinge,
so erben noch lebende Eltern zu gleichen Teilen (§ 735 ABGB). An die Stelle
eines vorverstorbenen Elters treten dessen Nachkömmlinge. Hat einer der
vorverstorbenen Eltern des Erblassers keine Nachkömmlinge, fällt die ganze
Erbschaft dem andern noch lebenden Elter bzw. bei seinem Vorversterben seinen
Nachkömmlingen zu.
Der Ehegatte des Erblassers erbt
nach § 757 ABGB neben den Verwandten. Neben Kindern des Erblassers und
deren Nachkommen erbt er ein Drittel des Nachlasses, neben Eltern und
Geschwistern des Erblassers oder neben Großeltern (mindestens) zwei Drittel. In
den übrigen Fällen erhält der Ehegatte den ganzen Nachlass.
Bei Fehlen eines überlebenden
Ehegatten und überlebender erbberechtigter Verwandter beerbt der Staat
(Fiskus) den Erblasser (§ 760 ABGB).
IV. Gewillkürte Erbfolge
In Anerkennung der Privatautonomie
gestattet die Rechtsordnung dem (mindestens mündigen) Erblasser die Abänderung
der gesetzlichen Erbfolge durch Rechtsgeschäft, die etwa in einem Viertel aller
Erbfälle erfolgt. Möglich sind Testament oder Erbvertrag. Sie können den
gesamten Nachlass oder einen bestimmten Teil des Nachlasses betreffen (z. B.
Hälfte, Drittel, Viertel, aber nicht einen einzelnen Gegenstand) und gehen der
gesetzlichen Erbfolge vor.
1. Testament
Das aus dem römischen Recht kommende Testament
ist eine letztwillige, nicht empfangsbedürftige Verfügung, durch die der
Erblasser gesetzliche Erben enterben und andere Personen als Erben einsetzen
oder mit Vermächtnissen (Zuwendungen einzelner Vermögensgegenstände in Form
eines schuldrechtlichen Leistungsanspruchs des Vermächtnisnehmers gegen den
Erben, Einzelrechtsnachfolge, Singularsukzession) ausstatten kann. Das
Testament wird als einseitiges Rechtsgeschäft eingeordnet, das sehr
strengen Formvorschriften unterliegt und jederzeit einseitig (z. B.
durch Zerreißen oder Schreiben eines neuen Testaments) abgeändert oder
aufgehoben werden kann. Mögliche Formen sind das eigenhändige
(holographische) Testament (§ 578 ABGB), das vom Erblasser eigenhändig
geschrieben und unterschrieben werden muss, das fremdhändige Testament
(eigenhändige Unterschrift des Erblassers und dreier volljähriger, im Testament
nicht bedachter Zeugen, § 579 ABGB), das mündliche Zeugentestament (§§ 584ff.
ABGB) und öffentliche Testamente.
Eine letztwillige Verfügung, durch die
kein Erbe eingesetzt wird, heißt Kodizill (§ 553 ABGB).
2. Erbvertrag
Nach § 602 ABGB kann ein Erbvertrag
über die ganze Verlassenschaft oder einen in Beziehung auf das Ganze bestimmten
Teil derselben nur von Ehegatten (und Brautpersonen) und nur in
bestimmter Form errichtet werden, wobei aber nur über drei Viertel des
Nachlasses verfügt werden darf. Er bindet grundsätzlich den Vertragspartner.
Vielfach setzen sich die Beteiligten gegenseitig zu Erben ein.
3. Pflichtteil
Pflichtteil ist ein Teil des Erbes,
der bestimmten nahen Verwandten des Erblassers (so genannten Noterben) zusteht,
wenn der Erblasser ihnen durch Testament oder Erbvertrag ihren gesetzlichen
Erbteil entzogen hat. Pflichtteilsberechtigt sind nach § 762 ABGB die Kinder (und
sonstigen Nachkömmlinge) des Erblassers, (in Ermangelung von Kindern) die
Eltern des Erblassers und der Ehegatte des Erblassers. Als Pflichtteil
gebührt jedem Kind und dem Ehegatten die Hälfte dessen, was ihm nach der
gesetzlichen Erbfolge zugefallen wäre, in der aufsteigenden Linie (Eltern)
gebührt jedem Noterben ein Drittel dessen, was er nach der gesetzlichen
Erbfolge erhalten haben würde.
Der Pflichtteilsanspruch ist kein
Erbrecht, sondern ein schuldrechtlicher Anspruch in Geld auf den Wert. Er
richtet sich gegen den Nachlass bzw. bei bereits erfolgter Einantwortung
gegen den Erben. Er kann nur ausnahmsweise entzogen werden.
V. Antritt des Erbes
Das Erbe fällt dem Erben nicht mit dem
Erbfall an. Vielmehr ist nach § 797 ABGB eine besondere gerichtliche Einantwortung
erforderlich. Sie erfolgt im besonderen, in Todfallsaufnahme (durch einen
Notar, [Möglichkeit der] Abtuuung armutshalber bei Fehlen nennenswerten
Vermögens in drei Vierteln aller Erbfälle) und Verlassenschaftsabhandlung
gegliederten Verlassenschaftsverfahren nach dem Außerstreitverfahrensgesetz vor
dem örtlich zuständigen Bezirksgericht, an welches das örtlich zuständige
Standesamt eine Abschrift der Sterbeurkunde des Erblassers sendet.
Der Erbe muss das Erbe ausschlagen,
wenn er es nicht annehmen will. Er muss es besonders annehmen, wenn er es
annehmen will. Nach der Annahme kann die gerichtliche Einantwortung erfolgen.
Auch für den Erwerb eines Erbes gilt
dabei die Lehre von Erwerbstitel und Erwerbsart. Titel ist der jeweilige
Berufungsgrund (gesetzliche Erbfolge, gewillkürte Erbfolge, § 799 ABGB).
Erwerbsart ist die gerichtliche Einweisung in das Erbrecht im Rahmen des
Verlassenschaftsverfahrens (Einantwortung), wobei zwischen dem Tod des
Erblassers und der Annahme durch den Erben die Erbschaft (Verlassenschaft) als
noch vom Verstorbenenen besessen und als eine Art juristischer Person selbst
als Rechtsträger gilt und mit der gerichtlichen Einantwortung die Übergabe in
den rechtlichen Besitz erfolgt.
Grundsätzlich haftet der Erbe
für die Schulden des Erblassers auch mit seinem eigenen Vermögen. Er kann die
Haftung aber auf das Erbe (Vermögen des Erblassers) beschränken. Dann darf er das
Erbe nur unter dem Vorbehalt der Errichtung eines Inventars, in dem er alle im
Nachlass enthaltenen Gegenstände, Rechte und Pflichten verzeichnet, annehmen.
C) Unternehmen (Handel)
Das Recht des Handels wurde erstmals
von Napoleon in Frankreich (1807) in einem eigenen Gesetzbuch geordnet (Code de
commerce). In der Folge entstand 1861 ein Allgemeines Deutsches
Handelsgesetzbuch, das in allen Staaten des deutschen Bundes (z. B. Österreich,
Preußen, Bayern u. s. w.) auf Grund politischer Vereinbarungen mit gleichem
Inhalt erlassen wurde. 1938 wurde nach dem Anschluss Österreichs an das
Deutsche Reich das (1897 geänderte) Handelsgesetzbuch des 1871 geschaffenen
Deutschen Reiches in Österreich eingeführt, aber 2005 unterscheidend novelliert
und in das in fünf Bücher eingeteilte Unternehmensgesetzbuch (UGB) mit
Wirkung ab 2007 umbenannt, wobei statt des bisherigen Kaufmanns der Unternehmer
als Anknüpfungspunkt verwendet wurde.
I. Unternehmer
Nach § 1 I UGB ist Unternehmer,
wer ein Unternehmen betreibt. Ein Unternehmen ist jede auf Dauer angelegte
Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf
Gewinn eingerichtet sein. Nach § 2 UGB sind Aktiengesellschaften,
Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften,
Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, Sparkassen, Europäische
wirtschaftliche Interessenvereinigungen (EWIV), Europäische Gesellschaften (SE)
und Europäische Genossenschaften (SCE) Unternehmer kraft Rechtsform und gelten
nach § 3 UGB Personen, die zu Unrecht in das Firmenbuch (früher
Handelsregister) eingetragen und unter ihrer Firma handeln, als Unternehmen
kraft Eintragung.
Für Unternehmen gelten gegenüber
sonstigen natürlichen und juristischen Personen besondere Vorschriften. Sie
sind vielfach strenger. Sie betreffen im ersten Buch etwa die Firma als
den im Handel verwendeten Namen des Unternehmers, die Prokura als
besondere unternehmensrechtliche Vollmacht des Prokuristen, im zweiten Buch die
Handelsgesellschaft, im dritten Buch die Rechnungslegung (mit
Bilanzierung) oder im vierten Buch die unternehmensbezogenen Geschäfte.
II. Gesellschaften
1. Offene Gesellschaft
Die offene Gesellschaft (früher
offene Handelsgesellschaft) ist nach § 105 UGB eine unter eigener Firma
geführte Gesellschaft, bei der die Gesellschafter gesamthandschaftlich
verbunden sind und bei keinem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den
Gesellschaftsgläubigern beschränkt ist. Nach dem deutschen Gesamthandsprinzip
des Handelsgesetzbuchs sind nur die Gesellschaftsanteile gestaltet. Das
Gesellschaftsvermögen steht im Alleineigentum der Gesellschaft.
2. Kommanditgesellschaft
Die Kommanditgesellschaft ist
nach § 161 UGB eine (auf der gesetzlichen Regelung der offenen Gesellschaft
aufbauende) unter eigener Firma geführte Gesellschaft, bei der die Haftung
gegenüber den Gesellschaftsgläubigern bei einem Teil der Gesellschafter auf
einen bestimmten Betrag (Haftsumme) beschränkt ist (Kommanditisten), bei einem
andern Teil dagegen unbeschränkt ist (Komplementäre).
3. Aktiengesellschaft
Die Aktiengesellschaft, für die
das besondere Aktiengesetz gilt, ist eine wirtschaftlich sehr wichtige
Gesellschaft (Kapitalgesellschaft) mit eigener Rechtspersönlichkeit
(juristische Person), deren Gesellschafter mit Einlagen auf das in Aktien
zerlegte Grundkapital beteiligt sind, ohne mit ihrem Privatvermögen persönlich
für Schulden der Gesellschaft zu haften (Einpersonengesellschaft möglich).
4. Gesellschaft mit beschränkter
Haftung
Die 1892 in Deutschland geschaffene Gesellschaft
mit beschränkter Haftung, die 1906 in Österreich mit einem eigenen Gesetz
eingeführt wurde, ist eine (weit verbreitete) Gesellschaft
(Kapitalgesellschaft) mit eigener Rechtspersönlichkeit (juristische Person),
deren Gesellschafter mit Einlagen auf das in Geschäftsanteile zerlegte
Stammkapital beteiligt sind, ohne mit ihrem Privatvermögen für die Schulden der
Gesellschaft zu haften (Einpersonengesellschaft möglich).
5. Stille Gesellschaft
Die stille Gesellschaft ist
nach § 179 UGB nur ein Schuldverhältnis zwischen einem Inhaber eines
Unternehmens und einem stillen Gesellschafter.
6. Europäische wirtschaftliche
Interessenvereinigung
Die Europäische Wirtschaftliche
Interessenvereinigung ist eine durch die Europäische Gemeinschaft bzw.
Europäische Union ermöglichte besondere europäische Unternehmensform.
III.. Unternehmensbezogenes Geschäft
Neben den allgemeinen
bürgerlichrechtlichen Schuldverhältnissen kennt das Unternehmensrecht besondere
unternehmensbezogene Geschäfte. Hierher gehören etwa der Warenkauf (§ 373 UGB,
früher Handelskauf, besondere Notwendigkeit der sofortigen Mängelrüge bei
zweiseitigen unternehmensbezogenen Rechtsgeschäften), die Kommission (§ 383
UGB), die Spedition (§ 407 UGB), das Lagergeschäft (§ 416 UGB) und das
Frachtgeschäft (§ 425 UGB). Allgemein sind nach § 343 II UGB
unternehmensbezogene Geschäfte alle Geschäfte eines Unternehmers, die zum
Betrieb seines Unternehmens gehören.
D) Arbeit
I. Wesen
Arbeit ist die unselbständige
fremdbestimmte Tätigkeit. Zwar arbeiten Menschen seit Entstehung der Menschheit (für sich),
unselbständige fremdbestimmte Tätigkeit wird aber in älteren Zeiten vor allem
in den Formen der Sklaverei und Hörigkeit erbracht. Erst mit der
Bauernbefreiung als Folge der französischen Revolution des Jahres 1789 findet
Arbeit freier Menschen für andere in unselbständiger, fremdbestimmter Form auf
Grund eines Vertrags in großem Umfang statt.
Dementsprechend ist zwar im
Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch des Jahres 1811 der bereits den Römern
bekannte Dienstvertrag geregelt. Das Arbeitsrecht als das für die Arbeit
und den zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geschlossenen Arbeitsvertrag
geltende Recht hat sich aber seit dem 19. Jahrhundert im Wesentlichen außerhalb
des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs als Sonderprivatrecht entwickelt.
Bedeutsame Arbeitsrechtsgesetze sind das Angestelltengesetz, das
Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das
Urlaubsgesetz u. s. w., während ein zusammenfassendes Arbeitsgesetzbuch fehlt,
wobei das gesamte Arbeitsrecht teils öffentliches Recht, teils Privatrecht ist
und vor allem in das Kollektivarbeitsrecht und das Individualarbeitsrecht
gegliedert werden kann, zu denen noch das besondere Arbeitsverfahrensrecht
(nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz ASGG) kommt.
II. Kollektivarbeitsrecht
Kollektivarbeitsrecht ist der Bereich des Arbeitsrechts, in
dem die Beteiligten (Arbeitnehmer und Arbeitgeber) als Kollektiv (Gruppe)
handeln (können). Seine Entstehung beruht darauf, dass der einzelne
Arbeitnehmer als Individuum sozial zu schwach ist, um mit Aussicht auf Erfolg
mit einem sozial starken Arbeitgeber über Vertragsbedingungen (z. B. Lohn)
verhandeln zu können. Deswegen haben sich nach der industriellen Revolution an
der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert Arbeitnehmer (zuerst in England) zu
Kollektiven (Gewerkschaften) vereinigt, die mit dem Arbeitgeber oder mit
mehreren Arbeitgebern über Arbeitsbedingungen verhandeln.
Kollektivvertrag ist dementsprechend
der von einem Arbeitgeber(sehr selten, Unternehmenskollektivvertrag, z. B. ORF)
oder mehreren Arbeitgebern (Kollektiv Arbeitgeberverband) mit Vertretern
von Arbeitnehmern (Kollektiv Gewerkschaft) auf Grund der vom Staat
anerkannten Kollektivautonomie (Tarifautonomie) abgeschlossene Vertrag. Er ist
Normenvertrag. Von seinem Inhalt darf der Inhalt eines einzelnen
Arbeitsvertrags (Individualarbeitsvertrags) zwischen einem einzelnen
Arbeitgeber und einem einzelnen Arbeitnehmer grundsätzlich nur zu Gunsten des
Arbeitnehmers abweichen.
III. Individualarbeitsrecht
Individualarbeitsrecht ist das die Beziehungen zwischen dem
einzelnen Arbeitgeber und dem einzelnen Arbeitnehmer betreffende
Recht. Der einzelne Arbeitsvertrag über das einzelne Arbeitsverhältnis
unterliegt dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Dieser ist aber durch das
Kollektivarbeitsrecht eingeschränkt.
Das einzelne Arbeitsverhältnis
entsteht grundsätzlich durch Abschluss eines einzelnen Arbeitsvertrags zwischen
einem einzelnen Arbeitgeber und einem einzelnen Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer
verpflichtet sich darin gegenüber dem Arbeitgeber zur Leistung fremdbestimmter
unselbständiger Tätigkeit unterschiedlichster Art. Der Arbeitgeber verpflichtet
sich zu Zahlung von Lohn (z. B. Zeitlohn, Stücklohn oder Akkordlohn) für die unselbständige
fremdbestimmte Tätigkeit, wobei der Grundsatz gilt „ohne Arbeit kein Lohn“,
weshalb der Lohn grundsätzlich erst nach Leistung von Arbeit zu zahlen ist.
Das Arbeitsverhältnis ist ein meist
auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Dauerschuldverhältnis. Es endet durch
Zeitablauf, Tod des Arbeitnehmers oder durch Kündigung seitens eines
Beteiligten. Die (ordentliche) Kündigung ist grundsätzlich an eine
Kündigungsfrist gebunden, während die außerordentliche Kündigung aus wichtigem
Grund fristlos (sofort) erfolgen kann.
E) Erfindung
Als mit Vernunft ausgestattetes Wesen
ist der Mensch seit seiner Entstehung erfinderisch. Schon der Vormensch konnte
das Feuer benutzen und Werkzeuge erstellen und verwenden. Der individuelle
Einfall (z. B. Sprache, Kleidung, Haus, Rad, Schiff, Schrift, Gewehr) konnte
dabei von jedermann ohne Einschränkung übernommen und nachvollzogen werden.
Etwa mit der Erfindung des Buchdrucks
mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg in Mainz um 1450 ändert sich
die Einstellung des Menschen zur Erfindung. Sie wird seitdem als individuell
zuordenbarer Wert angesehen. Für diesen streben Menschen (insbesondere
Rechteverwerter) nach rechtlichem Schutz für das individuelle Werk (und seine
wirtschaftliche Verwertung) durch nationales Recht und internationales Recht.
I. Wesen
Gegenstand der Erfindung ist
das Werk. Es ist im Gegensatz zum bloßen inneren Gedanken das irgendwie
in die Außenwelt getretene Ergebnis eigentümlicher schöpferischer
Geistestätigkeit des Menschen (von gewisser geistiger Mindesthöhe). Als solches
ist sein rechtlicher Schutz seit der jüngeren Vergangenheit eigentlich weltweit
anerkannt.
II. Arten
Die Einfallskraft des Menschen führt
ihn zu immer mehr und neueren Werken, was sich insbesondere seit der
Nutzbarmachung des elektrischen Stroms bemerkbar macht. Deswegen ist die Zahl
der Werke in der Gegenwart unüberschaubar. Als allgemeinere Arten lassen sich
beispielsweise unterscheiden Sprachwerk, Filmwerk, Bühnenwerk, Kunstwerk,
Baukunstwerk oder Bauwerk, Originalwerk und bearbeitetes Werk, Einzelwerk und
Sammelwerk, sowie geschütztes Werk und freies, von jedermann beliebig
verwertbares Werk (wie etwa Gesetze, Verordnungen, Erlasse, Bekanntmachungen
oder Entscheidungen).
III. Erfindungsrecht
Der wirtschaftlich sehr bedeutsame
Schutz der Erfindung hat sich in der Neuzeit allmählich in kleinen Schritten
vollzogen. Deswegen ist die Erfindung nicht im Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuch geregelt und auch kein besonderes Erfindungsgesetzbuch geschaffen.
Als besonders wichtig sind Urheberrecht und Patentrecht in eigenen Gesetzen
geschützt.
1. Wesen
Urheberrecht ist allgemein das ausschließliche
Recht des Urhebers eines Werkes an seinem Werk. Für Urheber von Werken der Literatur
und der Kunst gilt das besondere Urhebergesetz. Für neue gewerblich anwendbare
Erfindungen gilt das Patentgesetz.
2. Beginn
Der rechtliche Schutz des Werkes
beginnt grundsätzlich mit seiner Entstehung (Schaffung, Schöpfung). Patente
müssen bei der zuständigen Stelle besonders beantragt werden. Nach einem
besonderen Prüfungsverfahren werden sie gegen Gebühr auf Zeit besonders
erteilt.
3. Inhalt
Der Urheber hat grundsätzlich das
ausschließliche Recht, sein Werk zu verwerten. Er hat das ausschließliche
Recht, sein Werk zu vervielfältigen. Er hat das ausschließliche Recht,
Werkstücke zu verbreiten.
Der Urheber kann seine
ausschließlichen Nutzungsrechte grundsätzlich (z. B. einem Verwerter)
übertragen. Dies geschieht im Bereich der Literatur grundsätzlich durch Verlagsvertrag.
Der Verleger verpflichtet sich zur Verbreitung auf eigene Kosten, der Urheber
gegen ein meist bescheidenes Entgelt (Umsatzbeteiligung von 5-10 Prozent) zur
Unterlassung der eigenen Verbreitung.
4. Verletzungen
Verletzt jemand das Urheberrecht eines
anderen, so hat der Urheber Ansprüche gegen ihn. Zum einen kann er Ersatz des
ihm bereits entstandenen und noch entstehenden Schadens verlangen. Zum anderen
kann er Unterlassung der Verletzung begehren.
5. Ende
Das Urheberrecht erlischt durch
Zeitablauf. Das literarische Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tode
des Urhebers, das Patentrecht 18 Jahre nach der Bekanntmachung des Patents.
Stirbt der Berechtigte vor diesem Zeitpunkt, fällt das Recht aus der Erfindung
an die Erben des Erfinders.
Hinweise oder Verbesserungsvorschläge bitte an